Chapter 24

Gegend an der Donau.Die Räuber,1gelagert auf einer Anhöhe unter Bäumen, die Pferde weiden am Hügel hinunter.Moor.Hier muss ich liegen bleiben (wirft sich auf die Erde). Meine Glieder wie abgeschlagen. Meine Zunge trocken, wie eine Scherbe. (Schweizer verliert sich unbemerkt.) Ich wollt’ euch bitten, mir eine Handvoll Wrassers aus diesem Strome zu holen; aber ihr seid alle matt bis in den Tod.Schwarz.Auch ist der Wein all in unsern Schläuchen.Moor.Seht doch, wie schön das Getreide steht! —Die Bäume brechen fast unter ihrem Segen—der Weinstock voll Hoffnung.Grimm.Es gibt ein fruchtbares Jahr.Moor.Meinst du? —Und so würde doch Ein Schweiss in der Welt bezahlt. Einer? —Aber es kann ja über Nacht ein Hagel fallen und alles zu Grund schlagen.Schwarz.Das ist leicht möglich. Es kann alles zu Grund gehen, wenig Stunden vorm Schneiden.Moor.Das sag’ ich ja. Es wird alles zu Grund gehen. Warum soll dem Menschen das gelingen, was er von der Ameise hat, wenn ihm das fehlschlägt, was ihn den Göttern gleich macht? —Oder ist hier die Mark seiner Bestimmung?Schwarz.Ich kenne sie nicht.Moor.Du hast gut gesagt und noch besser getan, wenn du sie nie zu kennen verlangtest! —Bruder—ich habe die Menschen gesehen, ihre Bienensorgen und ihre Riesenprojekte—ihre Götterpläne und ihre Mäusegeschäfte, das wundersame Wettrennen nach Glückseligkeit;—dieser dem Schwung seines Rosses anvertraut—ein anderer der Nase eines Esels—ein dritter seinen eignen Beinen; dieses bunte Lotto des Lebens, worein so mancher seine Unschuld und—seinen Himmel setzt, einen Treffer zu haschen, und—Nullen sind der Auszug—am Ende war kein Treffer darin. Es ist ein Schauspiel, Bruder, das Tränen in die Augen lockt, wenn es dein Zwerchfell zu Gelächter kitzelt.Schwarz.Wie herrlich die Sonne dort untergeht!Moor(in den Blick verschwemmt). So stirbt ein Held! —Anbetungswürdig!Grimm.Du scheinst tief gerührt.Moor.Da ich noch ein Bube war—war’s mein Lieblingsgedanke, wie sie zu leben, zu sterben wie sie— (Mit verbissenem Schmerz) Es war ein Bubengedanke!Grimm.Das will ich hoffen.Moor(drückt den Hut übers Gesicht). Es war eine Zeit—Lasst mich allein, Kameraden!Schwarz.Moor! Moor! Was zum Henker! Wie er seine Farbe verändert!Grimm.Alle Teufel! Was hat er? Wird ihm übel?Moor.Es war eine Zeit, wo ich nicht schlafen konnte, wenn ich mein Nachtgebet vergessen hatte—Grimm.Bist du wahnsinnig? Willst du dich von deinen Bubenjahren hofmeistern lassen?Moor(legt sein Haupt auf Grimms Brust.) Bruder! Bruder!Grimm.Wie? Sei doch kein Kind! Ich bitte dich—Moor.Wär’ ich’s,—wär’ ich’s wieder!Grimm.Pfui! Pfui!Schwarz.Heitre dich auf! Sieh diese malerische Landschaft—den lieblichen Abend.Moor.Ja, Freunde, diese Welt ist so schön.Schwarz.Nun, das war wohl gesprochen.Moor.Diese Erde so herrlich.Grimm.Recht—recht—so hör’ ich’s gerne.Moor(zurückgesunken). Und ich so hässlich auf dieser schönen Welt—und ich ein Ungeheuer auf dieser herrlichen Erde.Grimm.O weh! o weh!Moor.Meine Unschuld! Meine Unschuld! —Seht, es ist alles hinausgegangen, sich im friedlichen Strahl des Frühlings zu sonnen—warum ich allein die Hölle saugen aus den Freuden des Himmels? —Dass alles so glücklich ist, durch den Geist des Friedens alles so verschwistert! —Die ganze Welt Eine Familie, und Ein Vater dort oben—Mein Vater nicht—Ich allein der Verstossene, ich allein ausgemustert aus den Reihen der Reinen—mir nicht der süsse Name Kind—nimmer mir der Geliebten schmachtender Blick—nimmer, nimmer des Busenfreunds Umarmung! (Wild zurückfahrend) Umlagert von Mördern—von Nattern umzischt—angeschmiedet an das Laster mit eisernen Banden—hinausschwindelnd ins Grab des Verderbens auf des Lasters schwankendem Rohr—mitten in den Blumen der glücklichen Welt ein heulender Abbadona!Schwarz(zu den übrigen). Unbegreiflich! Ich habe ihn nie so gesehen.Grimm(zu den andern). Nur Geduld! Der Paroxysmus ist schon im Fallen.Moor.Es war eine Zeit, wo sie mir so gern flössen—o ihr Tage des Friedens! Du Schloss meines Vaters—ihr grünen schwärmerischen Täler! O all ihr Elysiumszenen meiner Kindheit! —Werdet ihr nimmer zurückkehren—nimmer mit köstlichem Säuselnmeinen brennenden Busen kühlen? —Dahin! dahin! unwiederbringlich!1.Count Karl Moor, having been cast off by his father, through the machinations of his villainous younger brother Franz, has declared war on society and become captain of a band of robbers. But he is no selfish criminal, and his better nature often asserts itself, as in this scene.4From ‘Cabal and Love,’ Act 1, Scene 4.Ferdinand von Walter. Louise.2(Er fliegt auf sie zu—sie sinkt entfärbt und matt auf einen Sessel—er bleibt vor ihr stehen—sie sehen sich eine Zeitlang stillschweigend an. Pause.)Ferdinand.Du bist blass, Louise?Louise(steht auf und fällt ihm um den Hals). Es ist nichts! nichts! Du bist ja da! Es ist vorüber!Ferdinand(ihre Hand nehmend und zum Munde führend). Und liebt mich meine Louise noch? Ich fliege nur her, will sehen, ob du heiter bist, und gehn und es auch sein. —Du bist’s nicht.Louise.Doch, doch, mein Geliebter.Ferdinand.Rede mir Wahrheit! Du bist’s nicht. Ich schaue durch deine Seele wie durch das klare Wasser dieses Brillanten. (Er zeigt auf seinen Ring.) Hier wirft sich kein Bläschen auf, das ich nicht merkte—kein Gedanke tritt in dies Angesicht, der mir entwischte. Was hast du? Geschwind! Weiss ich nur diesen Spiegel helle, so läuft keine Wolke über die Welt. Was bekümmert dich?Louise(sieht ihn eine Weile stumm und bedeutend an, dann mit Wehmut). Ferdinand! Ferdinand! Dass du noch wüsstest, wie schön in dieser Sprache das bürgerliche Mädchen sich ausnimmt—Ferdinand.Was ist das? (Befremdet) Mädchen! Höre! Wie kommst du auf das? —Du bist meine Louise! Wer sagt dir, dass du noch etwas sein solltest? Siehst du, Falsche, auf welchem Kaltsinn ich dir begegnen muss. Wärest du ganz nur Liebe für mich, wann hättest du Zeit gehabt, eine Vergleichungzumachen? Wenn ich bei dir bin, zerschmilzt meine Vernunft in einen Blick—in einen Traum von dir, wenn ich weg bin, und du hast noch eine Klugheitneben deiner Liebe? —Schäme dich! Jeder Augenblick, den du an diesen Kummer verlorst, war deinem Jüngling gestohlen.Louise(fasst seine Hand, indem sie den Kopf schüttelt). Du willst mich einschläfern, Ferdinand—willst meine Augen von diesem Abgrund hinweglocken, in den ich ganz gewiss stürzen muss. Ich seh’ in die Zukunft—die Stimme des Ruhms—deine Entwürfe—dein Vater—mein Nichts. (Erschrickt und lässt plötzlich seine Hand fahren.) Ferdinand! Ein Dolch über dir und mir! —Man trennt uns!Ferdinand.Trennt uns! (Er springt auf.) Woher bringst du diese Ahnung, Louise? Trennt uns? —Wer kann den Bund zwoer Herzen lösen oder die Töne eines Akkords auseinander reissen? —Ich bin ein Edelmann—Lass doch sehen, ob mein Adelsbrief älter ist als der Riss zum unendlichen Weltall? oder mein Wappen giltiger als die Handschrift des Himmels in Louisens Augen: dieses Weib ist für diesen Mann? —Ich bin des Präsidenten Sohn. Eben darum. Wer als die Liebe kann mir die Flüche versüssen, die mir der Landeswucher meines Vaters vermachen wird?Louise.O wie sehr furcht’ ich ihn—diesen Vater!Ferdinand.Ich fürchte nichts—nichts—als die Grenzen deiner Liebe! Lass auch Hindernisse wie Gebirge zwischen uns treten, ich will sie für Treppen nehmen und drüber hin in Louisens Arme fliegen. Die Stürme des widrigen Schicksals sollen meine Empfindung emporblasen, Gefahren werden meine Louise nur reizender machen. —Also nichts mehr von Furcht, meine Liebe! Ich selbst—ich will über dir wachen, wie der Zauberdrach über unterirdischem Golde. —Mir vertraue dich! Du brauchst keinen Engel mehr—Ich will mich zwischen dich und das Schicksal werfen—empfangen für dich jede Wunde—auffassen für dich jeden Tropfen aus dem Becher der Freude—dir ihn bringen in der Schale der Liebe. (Sie zärtlich umfassend) An diesem Arm soll meine Louise durchs Leben hüpfen; schöner als er dich von sich liess soll der Himmel dich wieder haben und mit Verwunderung eingestehen, dass nur die Liebe die letzte Hand an die Seelen legte.—Louise(drückt ihn von sich in grosser Bewegung). Nichts mehr! Ich bitte dich, schweig! —Wüsstest du—lass mich—Du weisst nicht, dass deine Hoffnungen mein Herz wie Furien anfallen. (Will fort.)Ferdinand(hält sie auf). Louise? Wie? Was? Welche Anwandlung?Louise.Ich hatte diese Träume vergessen und war glücklich—jetzt! Jetzt! Von heut an!—der Friede meines Lebens ist aus—Wilde Wünsche—ich weiss es—werden in meinem Busen rasen. —Geh—Gott vergebe dir’s! —Du hast den Feuerbrand in mein junges friedsames Herz geworfen, und er wird nimmer, nimmer gelöscht werden. (Sie stürzt hinaus. Er folgt ihr sprachlos nach.)2.Louise is the daughter of a middle-class musician. She has not yet heard of any plot (the ‘cabal’ comes later) to separate her from her noble lover, whose intentions are honorable; but her father’s uneasiness and her own instinctive class-feeling fill her with dismay.5From a Discourse on the Theater, read before the German Society of Mannheim in 1784.Noch ein Verdienst hat die Bühne—ein Verdienst, das ich jetzt um so lieber in Anschlag bringe, weil ich vermute, dass ihr Rechtshandel mit ihren Verfolgern ohnehin schon gewonnen sein wird. Was bisher zu beweisen unternommen worden, dass sie auf Sitten und Aufklärung wesentlich wirke, war zweifelhaft—dass sie unter allen Erfindungen des Luxus und allen Anstalten zur gesellschaftlichen Ergötzlichkeit den Vorzug verdiene, haben selbst ihre Feinde gestanden. Aber was sie hier leistet, ist wichtiger als man gewöhnt ist zu glauben.Die menschliche Natur erträgt es nicht, ununterbrochen und ewig auf der Folter der Geschäfte zu liegen, die Reize der Sinne sterben mit ihrer Befriedigung. Der Mensch, überladen vom tierischem Genuss, der langen Anstrengung müde, vom ewigen Triebe nach Tätigkeit gequält, dürstet nach bessern auserlesenem Vergnügungen, oder stürzt zügellos in wilde Zerstreuungen, die seinen Hinfall beschleunigen und die Ruhe der Gesellschaft zerstören. Bacchantische Freuden, verderbliches Spiel, tausend Rasereien, die der Müssiggang ausheckt, sind unvermeidlich, wenn der Gesetzgeber diesen Hang des Volkes nicht zu lenken weiss. Der Mann von Geschäften ist in Gefahr, ein Leben, das er dem Staat so grossmütig hinopferte, mit dem unseligen Spleen abzubüssen—der Gelehrte zum dumpfen Pedanten herabzusinken—der Pöbel zum Tier. Die Schaubühne ist die Stiftung, wo sich Vergnügen mit Unterricht, Ruhe mit Anstrengung, Kurzweil mit Bildung gattet, wo keine Kraft der Seele zum Nachteil der andern gespannt, kein Vergnügen auf Unkostendes Ganzen genossen wird. Wenn Gram an dem Herzen nagt, wenn trübe Laune unsre einsamen Stunden vergiftet, wenn uns Welt und Geschäfte anekeln, wenn tausend Lasten unsre Seele drücken, und unsre Reizbarkeit unter Arbeiten des Berufs zu ersticken droht, so empfängt uns die Bühne—in dieser künstlichen Welt träumen wir die wirkliche hinweg, wir werden uns selbst wiedergegeben, unsre Empfindung erwacht, heilsame Leidenschaften erschüttern unsre schlummernde Natur und treiben das Blut in frischeren Wallungen. Der Unglückliche weint hier mit fremdem Kummer seinen eignen aus—der Glückliche wird nüchtern und der Sichere besorgt. Der empfindsame Weichling härtet sich zum Manne, der rohe Unmensch fängt hier zum ersten Mal zu empfinden an. Und dann endlich—welch ein Triumph für dich, Natur!—so oft zu Boden getretene, so oft wieder auferstehende Natur!—wenn Menschen aus allen Kreisen und Zonen und Ständen, abgeworfen jede Fessel der Künstelei und der Mode, herausgerissen aus jedem Drange des Schicksals, durch Eine allwebende Sympathie verbrüdert, in Ein Geschlecht wieder aufgelöst, ihrer selbst und der Welt vergessen und ihrem himmlischen Ursprung sich nähern! Jeder einzelne geniesst die Entzückungen aller, die verstärkt und verschönert aus hundert Augen auf ihn zurückfallen, und seine Brust gibt jetzt nur Einer Empfindung Raum—es ist diese: ein Mensch zu sein.END OF PART SECOND

Gegend an der Donau.Die Räuber,1gelagert auf einer Anhöhe unter Bäumen, die Pferde weiden am Hügel hinunter.Moor.Hier muss ich liegen bleiben (wirft sich auf die Erde). Meine Glieder wie abgeschlagen. Meine Zunge trocken, wie eine Scherbe. (Schweizer verliert sich unbemerkt.) Ich wollt’ euch bitten, mir eine Handvoll Wrassers aus diesem Strome zu holen; aber ihr seid alle matt bis in den Tod.Schwarz.Auch ist der Wein all in unsern Schläuchen.Moor.Seht doch, wie schön das Getreide steht! —Die Bäume brechen fast unter ihrem Segen—der Weinstock voll Hoffnung.Grimm.Es gibt ein fruchtbares Jahr.Moor.Meinst du? —Und so würde doch Ein Schweiss in der Welt bezahlt. Einer? —Aber es kann ja über Nacht ein Hagel fallen und alles zu Grund schlagen.Schwarz.Das ist leicht möglich. Es kann alles zu Grund gehen, wenig Stunden vorm Schneiden.Moor.Das sag’ ich ja. Es wird alles zu Grund gehen. Warum soll dem Menschen das gelingen, was er von der Ameise hat, wenn ihm das fehlschlägt, was ihn den Göttern gleich macht? —Oder ist hier die Mark seiner Bestimmung?Schwarz.Ich kenne sie nicht.Moor.Du hast gut gesagt und noch besser getan, wenn du sie nie zu kennen verlangtest! —Bruder—ich habe die Menschen gesehen, ihre Bienensorgen und ihre Riesenprojekte—ihre Götterpläne und ihre Mäusegeschäfte, das wundersame Wettrennen nach Glückseligkeit;—dieser dem Schwung seines Rosses anvertraut—ein anderer der Nase eines Esels—ein dritter seinen eignen Beinen; dieses bunte Lotto des Lebens, worein so mancher seine Unschuld und—seinen Himmel setzt, einen Treffer zu haschen, und—Nullen sind der Auszug—am Ende war kein Treffer darin. Es ist ein Schauspiel, Bruder, das Tränen in die Augen lockt, wenn es dein Zwerchfell zu Gelächter kitzelt.Schwarz.Wie herrlich die Sonne dort untergeht!Moor(in den Blick verschwemmt). So stirbt ein Held! —Anbetungswürdig!Grimm.Du scheinst tief gerührt.Moor.Da ich noch ein Bube war—war’s mein Lieblingsgedanke, wie sie zu leben, zu sterben wie sie— (Mit verbissenem Schmerz) Es war ein Bubengedanke!Grimm.Das will ich hoffen.Moor(drückt den Hut übers Gesicht). Es war eine Zeit—Lasst mich allein, Kameraden!Schwarz.Moor! Moor! Was zum Henker! Wie er seine Farbe verändert!Grimm.Alle Teufel! Was hat er? Wird ihm übel?Moor.Es war eine Zeit, wo ich nicht schlafen konnte, wenn ich mein Nachtgebet vergessen hatte—Grimm.Bist du wahnsinnig? Willst du dich von deinen Bubenjahren hofmeistern lassen?Moor(legt sein Haupt auf Grimms Brust.) Bruder! Bruder!Grimm.Wie? Sei doch kein Kind! Ich bitte dich—Moor.Wär’ ich’s,—wär’ ich’s wieder!Grimm.Pfui! Pfui!Schwarz.Heitre dich auf! Sieh diese malerische Landschaft—den lieblichen Abend.Moor.Ja, Freunde, diese Welt ist so schön.Schwarz.Nun, das war wohl gesprochen.Moor.Diese Erde so herrlich.Grimm.Recht—recht—so hör’ ich’s gerne.Moor(zurückgesunken). Und ich so hässlich auf dieser schönen Welt—und ich ein Ungeheuer auf dieser herrlichen Erde.Grimm.O weh! o weh!Moor.Meine Unschuld! Meine Unschuld! —Seht, es ist alles hinausgegangen, sich im friedlichen Strahl des Frühlings zu sonnen—warum ich allein die Hölle saugen aus den Freuden des Himmels? —Dass alles so glücklich ist, durch den Geist des Friedens alles so verschwistert! —Die ganze Welt Eine Familie, und Ein Vater dort oben—Mein Vater nicht—Ich allein der Verstossene, ich allein ausgemustert aus den Reihen der Reinen—mir nicht der süsse Name Kind—nimmer mir der Geliebten schmachtender Blick—nimmer, nimmer des Busenfreunds Umarmung! (Wild zurückfahrend) Umlagert von Mördern—von Nattern umzischt—angeschmiedet an das Laster mit eisernen Banden—hinausschwindelnd ins Grab des Verderbens auf des Lasters schwankendem Rohr—mitten in den Blumen der glücklichen Welt ein heulender Abbadona!Schwarz(zu den übrigen). Unbegreiflich! Ich habe ihn nie so gesehen.Grimm(zu den andern). Nur Geduld! Der Paroxysmus ist schon im Fallen.Moor.Es war eine Zeit, wo sie mir so gern flössen—o ihr Tage des Friedens! Du Schloss meines Vaters—ihr grünen schwärmerischen Täler! O all ihr Elysiumszenen meiner Kindheit! —Werdet ihr nimmer zurückkehren—nimmer mit köstlichem Säuselnmeinen brennenden Busen kühlen? —Dahin! dahin! unwiederbringlich!

Gegend an der Donau.

Die Räuber,1gelagert auf einer Anhöhe unter Bäumen, die Pferde weiden am Hügel hinunter.

Moor.Hier muss ich liegen bleiben (wirft sich auf die Erde). Meine Glieder wie abgeschlagen. Meine Zunge trocken, wie eine Scherbe. (Schweizer verliert sich unbemerkt.) Ich wollt’ euch bitten, mir eine Handvoll Wrassers aus diesem Strome zu holen; aber ihr seid alle matt bis in den Tod.

Schwarz.Auch ist der Wein all in unsern Schläuchen.

Moor.Seht doch, wie schön das Getreide steht! —Die Bäume brechen fast unter ihrem Segen—der Weinstock voll Hoffnung.

Grimm.Es gibt ein fruchtbares Jahr.

Moor.Meinst du? —Und so würde doch Ein Schweiss in der Welt bezahlt. Einer? —Aber es kann ja über Nacht ein Hagel fallen und alles zu Grund schlagen.

Schwarz.Das ist leicht möglich. Es kann alles zu Grund gehen, wenig Stunden vorm Schneiden.

Moor.Das sag’ ich ja. Es wird alles zu Grund gehen. Warum soll dem Menschen das gelingen, was er von der Ameise hat, wenn ihm das fehlschlägt, was ihn den Göttern gleich macht? —Oder ist hier die Mark seiner Bestimmung?

Schwarz.Ich kenne sie nicht.

Moor.Du hast gut gesagt und noch besser getan, wenn du sie nie zu kennen verlangtest! —Bruder—ich habe die Menschen gesehen, ihre Bienensorgen und ihre Riesenprojekte—ihre Götterpläne und ihre Mäusegeschäfte, das wundersame Wettrennen nach Glückseligkeit;—dieser dem Schwung seines Rosses anvertraut—ein anderer der Nase eines Esels—ein dritter seinen eignen Beinen; dieses bunte Lotto des Lebens, worein so mancher seine Unschuld und—seinen Himmel setzt, einen Treffer zu haschen, und—Nullen sind der Auszug—am Ende war kein Treffer darin. Es ist ein Schauspiel, Bruder, das Tränen in die Augen lockt, wenn es dein Zwerchfell zu Gelächter kitzelt.

Schwarz.Wie herrlich die Sonne dort untergeht!

Moor(in den Blick verschwemmt). So stirbt ein Held! —Anbetungswürdig!

Grimm.Du scheinst tief gerührt.

Moor.Da ich noch ein Bube war—war’s mein Lieblingsgedanke, wie sie zu leben, zu sterben wie sie— (Mit verbissenem Schmerz) Es war ein Bubengedanke!

Grimm.Das will ich hoffen.

Moor(drückt den Hut übers Gesicht). Es war eine Zeit—Lasst mich allein, Kameraden!

Schwarz.Moor! Moor! Was zum Henker! Wie er seine Farbe verändert!

Grimm.Alle Teufel! Was hat er? Wird ihm übel?

Moor.Es war eine Zeit, wo ich nicht schlafen konnte, wenn ich mein Nachtgebet vergessen hatte—

Grimm.Bist du wahnsinnig? Willst du dich von deinen Bubenjahren hofmeistern lassen?

Moor(legt sein Haupt auf Grimms Brust.) Bruder! Bruder!

Grimm.Wie? Sei doch kein Kind! Ich bitte dich—

Moor.Wär’ ich’s,—wär’ ich’s wieder!

Grimm.Pfui! Pfui!

Schwarz.Heitre dich auf! Sieh diese malerische Landschaft—den lieblichen Abend.

Moor.Ja, Freunde, diese Welt ist so schön.

Schwarz.Nun, das war wohl gesprochen.

Moor.Diese Erde so herrlich.

Grimm.Recht—recht—so hör’ ich’s gerne.

Moor(zurückgesunken). Und ich so hässlich auf dieser schönen Welt—und ich ein Ungeheuer auf dieser herrlichen Erde.

Grimm.O weh! o weh!

Moor.Meine Unschuld! Meine Unschuld! —Seht, es ist alles hinausgegangen, sich im friedlichen Strahl des Frühlings zu sonnen—warum ich allein die Hölle saugen aus den Freuden des Himmels? —Dass alles so glücklich ist, durch den Geist des Friedens alles so verschwistert! —Die ganze Welt Eine Familie, und Ein Vater dort oben—Mein Vater nicht—Ich allein der Verstossene, ich allein ausgemustert aus den Reihen der Reinen—mir nicht der süsse Name Kind—nimmer mir der Geliebten schmachtender Blick—nimmer, nimmer des Busenfreunds Umarmung! (Wild zurückfahrend) Umlagert von Mördern—von Nattern umzischt—angeschmiedet an das Laster mit eisernen Banden—hinausschwindelnd ins Grab des Verderbens auf des Lasters schwankendem Rohr—mitten in den Blumen der glücklichen Welt ein heulender Abbadona!

Schwarz(zu den übrigen). Unbegreiflich! Ich habe ihn nie so gesehen.

Grimm(zu den andern). Nur Geduld! Der Paroxysmus ist schon im Fallen.

Moor.Es war eine Zeit, wo sie mir so gern flössen—o ihr Tage des Friedens! Du Schloss meines Vaters—ihr grünen schwärmerischen Täler! O all ihr Elysiumszenen meiner Kindheit! —Werdet ihr nimmer zurückkehren—nimmer mit köstlichem Säuselnmeinen brennenden Busen kühlen? —Dahin! dahin! unwiederbringlich!

1.Count Karl Moor, having been cast off by his father, through the machinations of his villainous younger brother Franz, has declared war on society and become captain of a band of robbers. But he is no selfish criminal, and his better nature often asserts itself, as in this scene.

1.Count Karl Moor, having been cast off by his father, through the machinations of his villainous younger brother Franz, has declared war on society and become captain of a band of robbers. But he is no selfish criminal, and his better nature often asserts itself, as in this scene.

4From ‘Cabal and Love,’ Act 1, Scene 4.Ferdinand von Walter. Louise.2(Er fliegt auf sie zu—sie sinkt entfärbt und matt auf einen Sessel—er bleibt vor ihr stehen—sie sehen sich eine Zeitlang stillschweigend an. Pause.)Ferdinand.Du bist blass, Louise?Louise(steht auf und fällt ihm um den Hals). Es ist nichts! nichts! Du bist ja da! Es ist vorüber!Ferdinand(ihre Hand nehmend und zum Munde führend). Und liebt mich meine Louise noch? Ich fliege nur her, will sehen, ob du heiter bist, und gehn und es auch sein. —Du bist’s nicht.Louise.Doch, doch, mein Geliebter.Ferdinand.Rede mir Wahrheit! Du bist’s nicht. Ich schaue durch deine Seele wie durch das klare Wasser dieses Brillanten. (Er zeigt auf seinen Ring.) Hier wirft sich kein Bläschen auf, das ich nicht merkte—kein Gedanke tritt in dies Angesicht, der mir entwischte. Was hast du? Geschwind! Weiss ich nur diesen Spiegel helle, so läuft keine Wolke über die Welt. Was bekümmert dich?Louise(sieht ihn eine Weile stumm und bedeutend an, dann mit Wehmut). Ferdinand! Ferdinand! Dass du noch wüsstest, wie schön in dieser Sprache das bürgerliche Mädchen sich ausnimmt—Ferdinand.Was ist das? (Befremdet) Mädchen! Höre! Wie kommst du auf das? —Du bist meine Louise! Wer sagt dir, dass du noch etwas sein solltest? Siehst du, Falsche, auf welchem Kaltsinn ich dir begegnen muss. Wärest du ganz nur Liebe für mich, wann hättest du Zeit gehabt, eine Vergleichungzumachen? Wenn ich bei dir bin, zerschmilzt meine Vernunft in einen Blick—in einen Traum von dir, wenn ich weg bin, und du hast noch eine Klugheitneben deiner Liebe? —Schäme dich! Jeder Augenblick, den du an diesen Kummer verlorst, war deinem Jüngling gestohlen.Louise(fasst seine Hand, indem sie den Kopf schüttelt). Du willst mich einschläfern, Ferdinand—willst meine Augen von diesem Abgrund hinweglocken, in den ich ganz gewiss stürzen muss. Ich seh’ in die Zukunft—die Stimme des Ruhms—deine Entwürfe—dein Vater—mein Nichts. (Erschrickt und lässt plötzlich seine Hand fahren.) Ferdinand! Ein Dolch über dir und mir! —Man trennt uns!Ferdinand.Trennt uns! (Er springt auf.) Woher bringst du diese Ahnung, Louise? Trennt uns? —Wer kann den Bund zwoer Herzen lösen oder die Töne eines Akkords auseinander reissen? —Ich bin ein Edelmann—Lass doch sehen, ob mein Adelsbrief älter ist als der Riss zum unendlichen Weltall? oder mein Wappen giltiger als die Handschrift des Himmels in Louisens Augen: dieses Weib ist für diesen Mann? —Ich bin des Präsidenten Sohn. Eben darum. Wer als die Liebe kann mir die Flüche versüssen, die mir der Landeswucher meines Vaters vermachen wird?Louise.O wie sehr furcht’ ich ihn—diesen Vater!Ferdinand.Ich fürchte nichts—nichts—als die Grenzen deiner Liebe! Lass auch Hindernisse wie Gebirge zwischen uns treten, ich will sie für Treppen nehmen und drüber hin in Louisens Arme fliegen. Die Stürme des widrigen Schicksals sollen meine Empfindung emporblasen, Gefahren werden meine Louise nur reizender machen. —Also nichts mehr von Furcht, meine Liebe! Ich selbst—ich will über dir wachen, wie der Zauberdrach über unterirdischem Golde. —Mir vertraue dich! Du brauchst keinen Engel mehr—Ich will mich zwischen dich und das Schicksal werfen—empfangen für dich jede Wunde—auffassen für dich jeden Tropfen aus dem Becher der Freude—dir ihn bringen in der Schale der Liebe. (Sie zärtlich umfassend) An diesem Arm soll meine Louise durchs Leben hüpfen; schöner als er dich von sich liess soll der Himmel dich wieder haben und mit Verwunderung eingestehen, dass nur die Liebe die letzte Hand an die Seelen legte.—Louise(drückt ihn von sich in grosser Bewegung). Nichts mehr! Ich bitte dich, schweig! —Wüsstest du—lass mich—Du weisst nicht, dass deine Hoffnungen mein Herz wie Furien anfallen. (Will fort.)Ferdinand(hält sie auf). Louise? Wie? Was? Welche Anwandlung?Louise.Ich hatte diese Träume vergessen und war glücklich—jetzt! Jetzt! Von heut an!—der Friede meines Lebens ist aus—Wilde Wünsche—ich weiss es—werden in meinem Busen rasen. —Geh—Gott vergebe dir’s! —Du hast den Feuerbrand in mein junges friedsames Herz geworfen, und er wird nimmer, nimmer gelöscht werden. (Sie stürzt hinaus. Er folgt ihr sprachlos nach.)

Ferdinand von Walter. Louise.2

(Er fliegt auf sie zu—sie sinkt entfärbt und matt auf einen Sessel—er bleibt vor ihr stehen—sie sehen sich eine Zeitlang stillschweigend an. Pause.)

Ferdinand.Du bist blass, Louise?

Louise(steht auf und fällt ihm um den Hals). Es ist nichts! nichts! Du bist ja da! Es ist vorüber!

Ferdinand(ihre Hand nehmend und zum Munde führend). Und liebt mich meine Louise noch? Ich fliege nur her, will sehen, ob du heiter bist, und gehn und es auch sein. —Du bist’s nicht.

Louise.Doch, doch, mein Geliebter.

Ferdinand.Rede mir Wahrheit! Du bist’s nicht. Ich schaue durch deine Seele wie durch das klare Wasser dieses Brillanten. (Er zeigt auf seinen Ring.) Hier wirft sich kein Bläschen auf, das ich nicht merkte—kein Gedanke tritt in dies Angesicht, der mir entwischte. Was hast du? Geschwind! Weiss ich nur diesen Spiegel helle, so läuft keine Wolke über die Welt. Was bekümmert dich?

Louise(sieht ihn eine Weile stumm und bedeutend an, dann mit Wehmut). Ferdinand! Ferdinand! Dass du noch wüsstest, wie schön in dieser Sprache das bürgerliche Mädchen sich ausnimmt—

Ferdinand.Was ist das? (Befremdet) Mädchen! Höre! Wie kommst du auf das? —Du bist meine Louise! Wer sagt dir, dass du noch etwas sein solltest? Siehst du, Falsche, auf welchem Kaltsinn ich dir begegnen muss. Wärest du ganz nur Liebe für mich, wann hättest du Zeit gehabt, eine Vergleichungzumachen? Wenn ich bei dir bin, zerschmilzt meine Vernunft in einen Blick—in einen Traum von dir, wenn ich weg bin, und du hast noch eine Klugheitneben deiner Liebe? —Schäme dich! Jeder Augenblick, den du an diesen Kummer verlorst, war deinem Jüngling gestohlen.

Louise(fasst seine Hand, indem sie den Kopf schüttelt). Du willst mich einschläfern, Ferdinand—willst meine Augen von diesem Abgrund hinweglocken, in den ich ganz gewiss stürzen muss. Ich seh’ in die Zukunft—die Stimme des Ruhms—deine Entwürfe—dein Vater—mein Nichts. (Erschrickt und lässt plötzlich seine Hand fahren.) Ferdinand! Ein Dolch über dir und mir! —Man trennt uns!

Ferdinand.Trennt uns! (Er springt auf.) Woher bringst du diese Ahnung, Louise? Trennt uns? —Wer kann den Bund zwoer Herzen lösen oder die Töne eines Akkords auseinander reissen? —Ich bin ein Edelmann—Lass doch sehen, ob mein Adelsbrief älter ist als der Riss zum unendlichen Weltall? oder mein Wappen giltiger als die Handschrift des Himmels in Louisens Augen: dieses Weib ist für diesen Mann? —Ich bin des Präsidenten Sohn. Eben darum. Wer als die Liebe kann mir die Flüche versüssen, die mir der Landeswucher meines Vaters vermachen wird?

Louise.O wie sehr furcht’ ich ihn—diesen Vater!

Ferdinand.Ich fürchte nichts—nichts—als die Grenzen deiner Liebe! Lass auch Hindernisse wie Gebirge zwischen uns treten, ich will sie für Treppen nehmen und drüber hin in Louisens Arme fliegen. Die Stürme des widrigen Schicksals sollen meine Empfindung emporblasen, Gefahren werden meine Louise nur reizender machen. —Also nichts mehr von Furcht, meine Liebe! Ich selbst—ich will über dir wachen, wie der Zauberdrach über unterirdischem Golde. —Mir vertraue dich! Du brauchst keinen Engel mehr—Ich will mich zwischen dich und das Schicksal werfen—empfangen für dich jede Wunde—auffassen für dich jeden Tropfen aus dem Becher der Freude—dir ihn bringen in der Schale der Liebe. (Sie zärtlich umfassend) An diesem Arm soll meine Louise durchs Leben hüpfen; schöner als er dich von sich liess soll der Himmel dich wieder haben und mit Verwunderung eingestehen, dass nur die Liebe die letzte Hand an die Seelen legte.—

Louise(drückt ihn von sich in grosser Bewegung). Nichts mehr! Ich bitte dich, schweig! —Wüsstest du—lass mich—Du weisst nicht, dass deine Hoffnungen mein Herz wie Furien anfallen. (Will fort.)

Ferdinand(hält sie auf). Louise? Wie? Was? Welche Anwandlung?

Louise.Ich hatte diese Träume vergessen und war glücklich—jetzt! Jetzt! Von heut an!—der Friede meines Lebens ist aus—Wilde Wünsche—ich weiss es—werden in meinem Busen rasen. —Geh—Gott vergebe dir’s! —Du hast den Feuerbrand in mein junges friedsames Herz geworfen, und er wird nimmer, nimmer gelöscht werden. (Sie stürzt hinaus. Er folgt ihr sprachlos nach.)

2.Louise is the daughter of a middle-class musician. She has not yet heard of any plot (the ‘cabal’ comes later) to separate her from her noble lover, whose intentions are honorable; but her father’s uneasiness and her own instinctive class-feeling fill her with dismay.

2.Louise is the daughter of a middle-class musician. She has not yet heard of any plot (the ‘cabal’ comes later) to separate her from her noble lover, whose intentions are honorable; but her father’s uneasiness and her own instinctive class-feeling fill her with dismay.

Noch ein Verdienst hat die Bühne—ein Verdienst, das ich jetzt um so lieber in Anschlag bringe, weil ich vermute, dass ihr Rechtshandel mit ihren Verfolgern ohnehin schon gewonnen sein wird. Was bisher zu beweisen unternommen worden, dass sie auf Sitten und Aufklärung wesentlich wirke, war zweifelhaft—dass sie unter allen Erfindungen des Luxus und allen Anstalten zur gesellschaftlichen Ergötzlichkeit den Vorzug verdiene, haben selbst ihre Feinde gestanden. Aber was sie hier leistet, ist wichtiger als man gewöhnt ist zu glauben.

Die menschliche Natur erträgt es nicht, ununterbrochen und ewig auf der Folter der Geschäfte zu liegen, die Reize der Sinne sterben mit ihrer Befriedigung. Der Mensch, überladen vom tierischem Genuss, der langen Anstrengung müde, vom ewigen Triebe nach Tätigkeit gequält, dürstet nach bessern auserlesenem Vergnügungen, oder stürzt zügellos in wilde Zerstreuungen, die seinen Hinfall beschleunigen und die Ruhe der Gesellschaft zerstören. Bacchantische Freuden, verderbliches Spiel, tausend Rasereien, die der Müssiggang ausheckt, sind unvermeidlich, wenn der Gesetzgeber diesen Hang des Volkes nicht zu lenken weiss. Der Mann von Geschäften ist in Gefahr, ein Leben, das er dem Staat so grossmütig hinopferte, mit dem unseligen Spleen abzubüssen—der Gelehrte zum dumpfen Pedanten herabzusinken—der Pöbel zum Tier. Die Schaubühne ist die Stiftung, wo sich Vergnügen mit Unterricht, Ruhe mit Anstrengung, Kurzweil mit Bildung gattet, wo keine Kraft der Seele zum Nachteil der andern gespannt, kein Vergnügen auf Unkostendes Ganzen genossen wird. Wenn Gram an dem Herzen nagt, wenn trübe Laune unsre einsamen Stunden vergiftet, wenn uns Welt und Geschäfte anekeln, wenn tausend Lasten unsre Seele drücken, und unsre Reizbarkeit unter Arbeiten des Berufs zu ersticken droht, so empfängt uns die Bühne—in dieser künstlichen Welt träumen wir die wirkliche hinweg, wir werden uns selbst wiedergegeben, unsre Empfindung erwacht, heilsame Leidenschaften erschüttern unsre schlummernde Natur und treiben das Blut in frischeren Wallungen. Der Unglückliche weint hier mit fremdem Kummer seinen eignen aus—der Glückliche wird nüchtern und der Sichere besorgt. Der empfindsame Weichling härtet sich zum Manne, der rohe Unmensch fängt hier zum ersten Mal zu empfinden an. Und dann endlich—welch ein Triumph für dich, Natur!—so oft zu Boden getretene, so oft wieder auferstehende Natur!—wenn Menschen aus allen Kreisen und Zonen und Ständen, abgeworfen jede Fessel der Künstelei und der Mode, herausgerissen aus jedem Drange des Schicksals, durch Eine allwebende Sympathie verbrüdert, in Ein Geschlecht wieder aufgelöst, ihrer selbst und der Welt vergessen und ihrem himmlischen Ursprung sich nähern! Jeder einzelne geniesst die Entzückungen aller, die verstärkt und verschönert aus hundert Augen auf ihn zurückfallen, und seine Brust gibt jetzt nur Einer Empfindung Raum—es ist diese: ein Mensch zu sein.


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