Chapter 6

AnersterStelle steht die bekannte Forderung desNormalarbeitstagesvon acht Stunden — eine Forderung, welche bekanntlich nur auf internationalem Wege mit Erfolg durchgeführt werden könnte und daher, so lange eine solche Durchführung nicht in Aussicht steht, als utopistisch bezeichnet werden muss. Dazu kommt, dass die Mehrzahl der Arbeiter selbst von einer solchen Bestimmung nichts wissen will, da sie darin eine schwere Beschränkung der persönlichen Freiheit und eine Beeinträchtigung ihres Verdienstes erblicken, In klaffendem Widerspruch mit dieser Forderung steht übrigens die durch die Zeitungen bekannt gewordene Thatsache, dass in den sozialdemokratischen Partei-Druckereien in Berlin und Frankfurt a. M. ein neun- bis zehnstündiger Arbeitstag besteht. — Nähere Bestimmungen beziehen sich auf Verbote der Kinder- und (unnötigen) Nachtarbeit, auf eine bestimmte Ruhepause und Verbot des Drucksystems, welchen Forderungen man umsomehr zustimmen kann, als es zur Durchführung derselben keines sozialdemokratischen Staates bedarf.Die anzweiterStelle aufgeführten Forderungen beziehen sich teils auf staatliche Überwachung der gewerblichen Betriebe und gewerblichen Hygieine, teils auf Errichtung einer Art von Arbeitsministerium. Der ersten Forderung ist bereits durch Anstellung staatlicher Fabrikinspektoren in den meisten Kulturländern mehr oder weniger Genüge geschehen, während sogenannte Arbeitsministerien unsres Wissens bis jetzt nur in Frankreich eingeführt, in ändern Ländern durch Gewerbs- und landwirtschaftliche Behörden ersetzt sind.DerdrittePunkt verlangt rechtliche Gleichstellung der landwirtschaftlichen Arbeiter und der Dienstboten mit den gewerblichen Arbeitern. Da in einem Rechtsstaat alle Staatsbürger ohne Ausnahme gleiche Rechte geniessen, so bleibt dieser Punkt ohne nähere Erläuterung unklar.Derfünfteund letzte Punkt, welcher Übernahme der gesamten Arbeiter Versicherung durch den Staat verlangt, trifft mehr oder weniger mit der dritten unsrer eigenen sozialreformatorischen Forderungen zusammen und bleibt nur bezüglich der von uns verlangten obligatorischen Versicherung für alle Staatsbürger ohne Ausnahme weit hinter derselben zurück.Was dagegen die noch weiter angefügte Forderung der »massgebenden Mitwirkung der Arbeiter an der Verwaltung« betrifft, so hat sich der Verfasser des Programms wohl nicht ganz klar gemacht, was er damit sagen will. »Verwalten« ist etwas ganz anderes und erfordert ganz andre Fähigkeiten und Kenntnisse, als den Hammer schwingen oder die Nadel führen; und die Herren Arbeiter werden daher notgedrungen gar nicht anders können, als diese Thätigkeit ändern, dazu besser befähigten Kräften zu überlassen. Wie wenig die Arbeiter, wenn sie unter sich sind, im Stande sind, ihre eignen Angelegenheiten zu verwalten, hat sich ja bei tausendfaltigen Gelegenheiten gezeigt. Uneinigkeit, Neid, Mangel an gegenseitigem Vertrauen oder an Geschäftskenntnis, nicht selten Unehrlichkeit der Führer oder Kassierer, mangelhafte Verwaltung u. s. w. haben ja bekanntlich die grosse Mehrzahl der von Arbeitern gegründeten sogenannten Produktiv-Assoziationen alsbald wieder zu Grunde gehen lassen, während die wenigen, welche sich erhalten konnten, ihren idealen Zweck ganz aus dem Auge verloren, indem die Gründer und Geschäftsteilhaber sehr bald in die Klasse der Bourgeois und kleinen Kapitalisten emporstiegen und die von ihnen beschäftigten Arbeiter nunmehr gerade so als Lohnsklaven behandelten, wie es die verhassten Kapitalisten und Fabrik-Barone thun. Man sieht daran recht deutlich, dass den meisten Menschen das eigene Interesse höher steht, als alles andre, und dass jede Gesellschafts-Ordnung, welche nicht mit diesem Interesse rechnet und dasselbe in Einklang mit den Interessen der Gesamtheit zu bringen weiss, vorerst wenigstens ihr Ziel verfehlt. —Wirft man nun einen Rückblick auf die hier nach einander aufgeführten Punkte des sozialdemokratischen Partei-Programms, so wird man bei vorurteilsfreier Betrachtung nicht umhin können, einzusehen, dass dieselben mehr oder weniger ohne ernsthaften Hintergrund und in keiner Weise geeignet sind, das sozialdemokratische Eldorado herbeizuführen. Sie sind, wie bereits bemerkt, teils unausführbar, teils mehr oder weniger schon ausgeführt, teils decken sie sich mit längst anerkannten und teilweis bereits ausgeführten Forderungen des bürgerlichen Liberalismus oder der politischen Demokratie. Ihre Aufstellung dürfte mehr einem Bedürfnis der Führer, den von ihnen geführten Massen etwas Positives an die Hand zu geben, als einem in der Sache selbst liegenden Bedürfnis entsprungen sein. Das eigentliche Ziel oder die Umwandlung der gesamtem Waren-Produktion in eine von der Gesellschaft betriebene bleibt dabei ebenso unbestimmt und nebelhaft, wie vorher, und deckt sich nicht mit dem weit grösseren undalleGesellschaftsglieder ohne Ausnahme umfassenden Begriff der »Arbeit« als solcher.Dagegen istmeinProgramm der Sozialreform klar, durchsichtig und ohne Anwendung von Gewalt leicht durchführbar, sobald es gelungen sein wird, die Mehrzahl der Menschen auf friedlichem Wege von der darin liegenden Gerechtigkeit, sowie von seiner Nützlichkeit und Notwendigkeit zu überzeugen. Die Wahl zwischen beiden Wege gesellschaftlicher Befreiung könnte daher, wie mir scheint, nicht schwer sein.Übrigens will Verfasser von der Sozialdemokratie nicht Abschied nehmen, ohne, ihr das Verdienst zuzugestehen, dass sie einerseits durch ihre Agitation eine grosse und wichtige Menschenklasse auf das Missliche und Unbefriedigende ihrer Lebenslage aufmerksam gemacht, und dass sie andrerseits vielfache Anregung zur Besprechung und Inangriffnahme der sozialen Frage überhaupt gegeben hat. Dieses Verdienst wird auch ohne Lösung der sozialen Frage im sozialdemokratischen Sinne für Herbeiführung einer besseren gesellschaftlichen Zukunft seine Früchte tragen.Sollte sich indessen Verfasser in einer Beurteilung der sozialdemokratischen Lehren geirrt haben so erklärt er sich gerne bereit, Belehrung anzunehmen. Ihm gilt es nicht um Beifall, sondern nur um Wahrheit und Besserung. Denn er hält es mit dem Narren inShakespeares»Was lhr wollt«, der da sagt: »Je mehr Freunde, desto schlimmer, je mehr Feinde, desto besser. Denn durch meine Freunde werde ich hintergangen, während ich durch meine Feinde an Selbsterkenntnis zunehme.« Im Hinblick auf diesen Gedanken glaubt derselbe die vorstehende Auseinandersetzung schliessen zu dürfen mit einer Zitation der schönen Worte unsres grossen LiederdichtersRückert:»Die durch Irrtum zur Wahrheit reisen,Das sind die Weisen.Die beim Irrtum beharren,Das sind die Narren.«

AnersterStelle steht die bekannte Forderung desNormalarbeitstagesvon acht Stunden — eine Forderung, welche bekanntlich nur auf internationalem Wege mit Erfolg durchgeführt werden könnte und daher, so lange eine solche Durchführung nicht in Aussicht steht, als utopistisch bezeichnet werden muss. Dazu kommt, dass die Mehrzahl der Arbeiter selbst von einer solchen Bestimmung nichts wissen will, da sie darin eine schwere Beschränkung der persönlichen Freiheit und eine Beeinträchtigung ihres Verdienstes erblicken, In klaffendem Widerspruch mit dieser Forderung steht übrigens die durch die Zeitungen bekannt gewordene Thatsache, dass in den sozialdemokratischen Partei-Druckereien in Berlin und Frankfurt a. M. ein neun- bis zehnstündiger Arbeitstag besteht. — Nähere Bestimmungen beziehen sich auf Verbote der Kinder- und (unnötigen) Nachtarbeit, auf eine bestimmte Ruhepause und Verbot des Drucksystems, welchen Forderungen man umsomehr zustimmen kann, als es zur Durchführung derselben keines sozialdemokratischen Staates bedarf.Die anzweiterStelle aufgeführten Forderungen beziehen sich teils auf staatliche Überwachung der gewerblichen Betriebe und gewerblichen Hygieine, teils auf Errichtung einer Art von Arbeitsministerium. Der ersten Forderung ist bereits durch Anstellung staatlicher Fabrikinspektoren in den meisten Kulturländern mehr oder weniger Genüge geschehen, während sogenannte Arbeitsministerien unsres Wissens bis jetzt nur in Frankreich eingeführt, in ändern Ländern durch Gewerbs- und landwirtschaftliche Behörden ersetzt sind.DerdrittePunkt verlangt rechtliche Gleichstellung der landwirtschaftlichen Arbeiter und der Dienstboten mit den gewerblichen Arbeitern. Da in einem Rechtsstaat alle Staatsbürger ohne Ausnahme gleiche Rechte geniessen, so bleibt dieser Punkt ohne nähere Erläuterung unklar.Derfünfteund letzte Punkt, welcher Übernahme der gesamten Arbeiter Versicherung durch den Staat verlangt, trifft mehr oder weniger mit der dritten unsrer eigenen sozialreformatorischen Forderungen zusammen und bleibt nur bezüglich der von uns verlangten obligatorischen Versicherung für alle Staatsbürger ohne Ausnahme weit hinter derselben zurück.Was dagegen die noch weiter angefügte Forderung der »massgebenden Mitwirkung der Arbeiter an der Verwaltung« betrifft, so hat sich der Verfasser des Programms wohl nicht ganz klar gemacht, was er damit sagen will. »Verwalten« ist etwas ganz anderes und erfordert ganz andre Fähigkeiten und Kenntnisse, als den Hammer schwingen oder die Nadel führen; und die Herren Arbeiter werden daher notgedrungen gar nicht anders können, als diese Thätigkeit ändern, dazu besser befähigten Kräften zu überlassen. Wie wenig die Arbeiter, wenn sie unter sich sind, im Stande sind, ihre eignen Angelegenheiten zu verwalten, hat sich ja bei tausendfaltigen Gelegenheiten gezeigt. Uneinigkeit, Neid, Mangel an gegenseitigem Vertrauen oder an Geschäftskenntnis, nicht selten Unehrlichkeit der Führer oder Kassierer, mangelhafte Verwaltung u. s. w. haben ja bekanntlich die grosse Mehrzahl der von Arbeitern gegründeten sogenannten Produktiv-Assoziationen alsbald wieder zu Grunde gehen lassen, während die wenigen, welche sich erhalten konnten, ihren idealen Zweck ganz aus dem Auge verloren, indem die Gründer und Geschäftsteilhaber sehr bald in die Klasse der Bourgeois und kleinen Kapitalisten emporstiegen und die von ihnen beschäftigten Arbeiter nunmehr gerade so als Lohnsklaven behandelten, wie es die verhassten Kapitalisten und Fabrik-Barone thun. Man sieht daran recht deutlich, dass den meisten Menschen das eigene Interesse höher steht, als alles andre, und dass jede Gesellschafts-Ordnung, welche nicht mit diesem Interesse rechnet und dasselbe in Einklang mit den Interessen der Gesamtheit zu bringen weiss, vorerst wenigstens ihr Ziel verfehlt. —Wirft man nun einen Rückblick auf die hier nach einander aufgeführten Punkte des sozialdemokratischen Partei-Programms, so wird man bei vorurteilsfreier Betrachtung nicht umhin können, einzusehen, dass dieselben mehr oder weniger ohne ernsthaften Hintergrund und in keiner Weise geeignet sind, das sozialdemokratische Eldorado herbeizuführen. Sie sind, wie bereits bemerkt, teils unausführbar, teils mehr oder weniger schon ausgeführt, teils decken sie sich mit längst anerkannten und teilweis bereits ausgeführten Forderungen des bürgerlichen Liberalismus oder der politischen Demokratie. Ihre Aufstellung dürfte mehr einem Bedürfnis der Führer, den von ihnen geführten Massen etwas Positives an die Hand zu geben, als einem in der Sache selbst liegenden Bedürfnis entsprungen sein. Das eigentliche Ziel oder die Umwandlung der gesamtem Waren-Produktion in eine von der Gesellschaft betriebene bleibt dabei ebenso unbestimmt und nebelhaft, wie vorher, und deckt sich nicht mit dem weit grösseren undalleGesellschaftsglieder ohne Ausnahme umfassenden Begriff der »Arbeit« als solcher.Dagegen istmeinProgramm der Sozialreform klar, durchsichtig und ohne Anwendung von Gewalt leicht durchführbar, sobald es gelungen sein wird, die Mehrzahl der Menschen auf friedlichem Wege von der darin liegenden Gerechtigkeit, sowie von seiner Nützlichkeit und Notwendigkeit zu überzeugen. Die Wahl zwischen beiden Wege gesellschaftlicher Befreiung könnte daher, wie mir scheint, nicht schwer sein.Übrigens will Verfasser von der Sozialdemokratie nicht Abschied nehmen, ohne, ihr das Verdienst zuzugestehen, dass sie einerseits durch ihre Agitation eine grosse und wichtige Menschenklasse auf das Missliche und Unbefriedigende ihrer Lebenslage aufmerksam gemacht, und dass sie andrerseits vielfache Anregung zur Besprechung und Inangriffnahme der sozialen Frage überhaupt gegeben hat. Dieses Verdienst wird auch ohne Lösung der sozialen Frage im sozialdemokratischen Sinne für Herbeiführung einer besseren gesellschaftlichen Zukunft seine Früchte tragen.Sollte sich indessen Verfasser in einer Beurteilung der sozialdemokratischen Lehren geirrt haben so erklärt er sich gerne bereit, Belehrung anzunehmen. Ihm gilt es nicht um Beifall, sondern nur um Wahrheit und Besserung. Denn er hält es mit dem Narren inShakespeares»Was lhr wollt«, der da sagt: »Je mehr Freunde, desto schlimmer, je mehr Feinde, desto besser. Denn durch meine Freunde werde ich hintergangen, während ich durch meine Feinde an Selbsterkenntnis zunehme.« Im Hinblick auf diesen Gedanken glaubt derselbe die vorstehende Auseinandersetzung schliessen zu dürfen mit einer Zitation der schönen Worte unsres grossen LiederdichtersRückert:»Die durch Irrtum zur Wahrheit reisen,Das sind die Weisen.Die beim Irrtum beharren,Das sind die Narren.«

AnersterStelle steht die bekannte Forderung desNormalarbeitstagesvon acht Stunden — eine Forderung, welche bekanntlich nur auf internationalem Wege mit Erfolg durchgeführt werden könnte und daher, so lange eine solche Durchführung nicht in Aussicht steht, als utopistisch bezeichnet werden muss. Dazu kommt, dass die Mehrzahl der Arbeiter selbst von einer solchen Bestimmung nichts wissen will, da sie darin eine schwere Beschränkung der persönlichen Freiheit und eine Beeinträchtigung ihres Verdienstes erblicken, In klaffendem Widerspruch mit dieser Forderung steht übrigens die durch die Zeitungen bekannt gewordene Thatsache, dass in den sozialdemokratischen Partei-Druckereien in Berlin und Frankfurt a. M. ein neun- bis zehnstündiger Arbeitstag besteht. — Nähere Bestimmungen beziehen sich auf Verbote der Kinder- und (unnötigen) Nachtarbeit, auf eine bestimmte Ruhepause und Verbot des Drucksystems, welchen Forderungen man umsomehr zustimmen kann, als es zur Durchführung derselben keines sozialdemokratischen Staates bedarf.Die anzweiterStelle aufgeführten Forderungen beziehen sich teils auf staatliche Überwachung der gewerblichen Betriebe und gewerblichen Hygieine, teils auf Errichtung einer Art von Arbeitsministerium. Der ersten Forderung ist bereits durch Anstellung staatlicher Fabrikinspektoren in den meisten Kulturländern mehr oder weniger Genüge geschehen, während sogenannte Arbeitsministerien unsres Wissens bis jetzt nur in Frankreich eingeführt, in ändern Ländern durch Gewerbs- und landwirtschaftliche Behörden ersetzt sind.DerdrittePunkt verlangt rechtliche Gleichstellung der landwirtschaftlichen Arbeiter und der Dienstboten mit den gewerblichen Arbeitern. Da in einem Rechtsstaat alle Staatsbürger ohne Ausnahme gleiche Rechte geniessen, so bleibt dieser Punkt ohne nähere Erläuterung unklar.Derfünfteund letzte Punkt, welcher Übernahme der gesamten Arbeiter Versicherung durch den Staat verlangt, trifft mehr oder weniger mit der dritten unsrer eigenen sozialreformatorischen Forderungen zusammen und bleibt nur bezüglich der von uns verlangten obligatorischen Versicherung für alle Staatsbürger ohne Ausnahme weit hinter derselben zurück.Was dagegen die noch weiter angefügte Forderung der »massgebenden Mitwirkung der Arbeiter an der Verwaltung« betrifft, so hat sich der Verfasser des Programms wohl nicht ganz klar gemacht, was er damit sagen will. »Verwalten« ist etwas ganz anderes und erfordert ganz andre Fähigkeiten und Kenntnisse, als den Hammer schwingen oder die Nadel führen; und die Herren Arbeiter werden daher notgedrungen gar nicht anders können, als diese Thätigkeit ändern, dazu besser befähigten Kräften zu überlassen. Wie wenig die Arbeiter, wenn sie unter sich sind, im Stande sind, ihre eignen Angelegenheiten zu verwalten, hat sich ja bei tausendfaltigen Gelegenheiten gezeigt. Uneinigkeit, Neid, Mangel an gegenseitigem Vertrauen oder an Geschäftskenntnis, nicht selten Unehrlichkeit der Führer oder Kassierer, mangelhafte Verwaltung u. s. w. haben ja bekanntlich die grosse Mehrzahl der von Arbeitern gegründeten sogenannten Produktiv-Assoziationen alsbald wieder zu Grunde gehen lassen, während die wenigen, welche sich erhalten konnten, ihren idealen Zweck ganz aus dem Auge verloren, indem die Gründer und Geschäftsteilhaber sehr bald in die Klasse der Bourgeois und kleinen Kapitalisten emporstiegen und die von ihnen beschäftigten Arbeiter nunmehr gerade so als Lohnsklaven behandelten, wie es die verhassten Kapitalisten und Fabrik-Barone thun. Man sieht daran recht deutlich, dass den meisten Menschen das eigene Interesse höher steht, als alles andre, und dass jede Gesellschafts-Ordnung, welche nicht mit diesem Interesse rechnet und dasselbe in Einklang mit den Interessen der Gesamtheit zu bringen weiss, vorerst wenigstens ihr Ziel verfehlt. —Wirft man nun einen Rückblick auf die hier nach einander aufgeführten Punkte des sozialdemokratischen Partei-Programms, so wird man bei vorurteilsfreier Betrachtung nicht umhin können, einzusehen, dass dieselben mehr oder weniger ohne ernsthaften Hintergrund und in keiner Weise geeignet sind, das sozialdemokratische Eldorado herbeizuführen. Sie sind, wie bereits bemerkt, teils unausführbar, teils mehr oder weniger schon ausgeführt, teils decken sie sich mit längst anerkannten und teilweis bereits ausgeführten Forderungen des bürgerlichen Liberalismus oder der politischen Demokratie. Ihre Aufstellung dürfte mehr einem Bedürfnis der Führer, den von ihnen geführten Massen etwas Positives an die Hand zu geben, als einem in der Sache selbst liegenden Bedürfnis entsprungen sein. Das eigentliche Ziel oder die Umwandlung der gesamtem Waren-Produktion in eine von der Gesellschaft betriebene bleibt dabei ebenso unbestimmt und nebelhaft, wie vorher, und deckt sich nicht mit dem weit grösseren undalleGesellschaftsglieder ohne Ausnahme umfassenden Begriff der »Arbeit« als solcher.Dagegen istmeinProgramm der Sozialreform klar, durchsichtig und ohne Anwendung von Gewalt leicht durchführbar, sobald es gelungen sein wird, die Mehrzahl der Menschen auf friedlichem Wege von der darin liegenden Gerechtigkeit, sowie von seiner Nützlichkeit und Notwendigkeit zu überzeugen. Die Wahl zwischen beiden Wege gesellschaftlicher Befreiung könnte daher, wie mir scheint, nicht schwer sein.Übrigens will Verfasser von der Sozialdemokratie nicht Abschied nehmen, ohne, ihr das Verdienst zuzugestehen, dass sie einerseits durch ihre Agitation eine grosse und wichtige Menschenklasse auf das Missliche und Unbefriedigende ihrer Lebenslage aufmerksam gemacht, und dass sie andrerseits vielfache Anregung zur Besprechung und Inangriffnahme der sozialen Frage überhaupt gegeben hat. Dieses Verdienst wird auch ohne Lösung der sozialen Frage im sozialdemokratischen Sinne für Herbeiführung einer besseren gesellschaftlichen Zukunft seine Früchte tragen.Sollte sich indessen Verfasser in einer Beurteilung der sozialdemokratischen Lehren geirrt haben so erklärt er sich gerne bereit, Belehrung anzunehmen. Ihm gilt es nicht um Beifall, sondern nur um Wahrheit und Besserung. Denn er hält es mit dem Narren inShakespeares»Was lhr wollt«, der da sagt: »Je mehr Freunde, desto schlimmer, je mehr Feinde, desto besser. Denn durch meine Freunde werde ich hintergangen, während ich durch meine Feinde an Selbsterkenntnis zunehme.« Im Hinblick auf diesen Gedanken glaubt derselbe die vorstehende Auseinandersetzung schliessen zu dürfen mit einer Zitation der schönen Worte unsres grossen LiederdichtersRückert:»Die durch Irrtum zur Wahrheit reisen,Das sind die Weisen.Die beim Irrtum beharren,Das sind die Narren.«

AnersterStelle steht die bekannte Forderung desNormalarbeitstagesvon acht Stunden — eine Forderung, welche bekanntlich nur auf internationalem Wege mit Erfolg durchgeführt werden könnte und daher, so lange eine solche Durchführung nicht in Aussicht steht, als utopistisch bezeichnet werden muss. Dazu kommt, dass die Mehrzahl der Arbeiter selbst von einer solchen Bestimmung nichts wissen will, da sie darin eine schwere Beschränkung der persönlichen Freiheit und eine Beeinträchtigung ihres Verdienstes erblicken, In klaffendem Widerspruch mit dieser Forderung steht übrigens die durch die Zeitungen bekannt gewordene Thatsache, dass in den sozialdemokratischen Partei-Druckereien in Berlin und Frankfurt a. M. ein neun- bis zehnstündiger Arbeitstag besteht. — Nähere Bestimmungen beziehen sich auf Verbote der Kinder- und (unnötigen) Nachtarbeit, auf eine bestimmte Ruhepause und Verbot des Drucksystems, welchen Forderungen man umsomehr zustimmen kann, als es zur Durchführung derselben keines sozialdemokratischen Staates bedarf.

Die anzweiterStelle aufgeführten Forderungen beziehen sich teils auf staatliche Überwachung der gewerblichen Betriebe und gewerblichen Hygieine, teils auf Errichtung einer Art von Arbeitsministerium. Der ersten Forderung ist bereits durch Anstellung staatlicher Fabrikinspektoren in den meisten Kulturländern mehr oder weniger Genüge geschehen, während sogenannte Arbeitsministerien unsres Wissens bis jetzt nur in Frankreich eingeführt, in ändern Ländern durch Gewerbs- und landwirtschaftliche Behörden ersetzt sind.

DerdrittePunkt verlangt rechtliche Gleichstellung der landwirtschaftlichen Arbeiter und der Dienstboten mit den gewerblichen Arbeitern. Da in einem Rechtsstaat alle Staatsbürger ohne Ausnahme gleiche Rechte geniessen, so bleibt dieser Punkt ohne nähere Erläuterung unklar.

Derfünfteund letzte Punkt, welcher Übernahme der gesamten Arbeiter Versicherung durch den Staat verlangt, trifft mehr oder weniger mit der dritten unsrer eigenen sozialreformatorischen Forderungen zusammen und bleibt nur bezüglich der von uns verlangten obligatorischen Versicherung für alle Staatsbürger ohne Ausnahme weit hinter derselben zurück.

Was dagegen die noch weiter angefügte Forderung der »massgebenden Mitwirkung der Arbeiter an der Verwaltung« betrifft, so hat sich der Verfasser des Programms wohl nicht ganz klar gemacht, was er damit sagen will. »Verwalten« ist etwas ganz anderes und erfordert ganz andre Fähigkeiten und Kenntnisse, als den Hammer schwingen oder die Nadel führen; und die Herren Arbeiter werden daher notgedrungen gar nicht anders können, als diese Thätigkeit ändern, dazu besser befähigten Kräften zu überlassen. Wie wenig die Arbeiter, wenn sie unter sich sind, im Stande sind, ihre eignen Angelegenheiten zu verwalten, hat sich ja bei tausendfaltigen Gelegenheiten gezeigt. Uneinigkeit, Neid, Mangel an gegenseitigem Vertrauen oder an Geschäftskenntnis, nicht selten Unehrlichkeit der Führer oder Kassierer, mangelhafte Verwaltung u. s. w. haben ja bekanntlich die grosse Mehrzahl der von Arbeitern gegründeten sogenannten Produktiv-Assoziationen alsbald wieder zu Grunde gehen lassen, während die wenigen, welche sich erhalten konnten, ihren idealen Zweck ganz aus dem Auge verloren, indem die Gründer und Geschäftsteilhaber sehr bald in die Klasse der Bourgeois und kleinen Kapitalisten emporstiegen und die von ihnen beschäftigten Arbeiter nunmehr gerade so als Lohnsklaven behandelten, wie es die verhassten Kapitalisten und Fabrik-Barone thun. Man sieht daran recht deutlich, dass den meisten Menschen das eigene Interesse höher steht, als alles andre, und dass jede Gesellschafts-Ordnung, welche nicht mit diesem Interesse rechnet und dasselbe in Einklang mit den Interessen der Gesamtheit zu bringen weiss, vorerst wenigstens ihr Ziel verfehlt. —

Wirft man nun einen Rückblick auf die hier nach einander aufgeführten Punkte des sozialdemokratischen Partei-Programms, so wird man bei vorurteilsfreier Betrachtung nicht umhin können, einzusehen, dass dieselben mehr oder weniger ohne ernsthaften Hintergrund und in keiner Weise geeignet sind, das sozialdemokratische Eldorado herbeizuführen. Sie sind, wie bereits bemerkt, teils unausführbar, teils mehr oder weniger schon ausgeführt, teils decken sie sich mit längst anerkannten und teilweis bereits ausgeführten Forderungen des bürgerlichen Liberalismus oder der politischen Demokratie. Ihre Aufstellung dürfte mehr einem Bedürfnis der Führer, den von ihnen geführten Massen etwas Positives an die Hand zu geben, als einem in der Sache selbst liegenden Bedürfnis entsprungen sein. Das eigentliche Ziel oder die Umwandlung der gesamtem Waren-Produktion in eine von der Gesellschaft betriebene bleibt dabei ebenso unbestimmt und nebelhaft, wie vorher, und deckt sich nicht mit dem weit grösseren undalleGesellschaftsglieder ohne Ausnahme umfassenden Begriff der »Arbeit« als solcher.

Dagegen istmeinProgramm der Sozialreform klar, durchsichtig und ohne Anwendung von Gewalt leicht durchführbar, sobald es gelungen sein wird, die Mehrzahl der Menschen auf friedlichem Wege von der darin liegenden Gerechtigkeit, sowie von seiner Nützlichkeit und Notwendigkeit zu überzeugen. Die Wahl zwischen beiden Wege gesellschaftlicher Befreiung könnte daher, wie mir scheint, nicht schwer sein.

Übrigens will Verfasser von der Sozialdemokratie nicht Abschied nehmen, ohne, ihr das Verdienst zuzugestehen, dass sie einerseits durch ihre Agitation eine grosse und wichtige Menschenklasse auf das Missliche und Unbefriedigende ihrer Lebenslage aufmerksam gemacht, und dass sie andrerseits vielfache Anregung zur Besprechung und Inangriffnahme der sozialen Frage überhaupt gegeben hat. Dieses Verdienst wird auch ohne Lösung der sozialen Frage im sozialdemokratischen Sinne für Herbeiführung einer besseren gesellschaftlichen Zukunft seine Früchte tragen.

Sollte sich indessen Verfasser in einer Beurteilung der sozialdemokratischen Lehren geirrt haben so erklärt er sich gerne bereit, Belehrung anzunehmen. Ihm gilt es nicht um Beifall, sondern nur um Wahrheit und Besserung. Denn er hält es mit dem Narren inShakespeares»Was lhr wollt«, der da sagt: »Je mehr Freunde, desto schlimmer, je mehr Feinde, desto besser. Denn durch meine Freunde werde ich hintergangen, während ich durch meine Feinde an Selbsterkenntnis zunehme.« Im Hinblick auf diesen Gedanken glaubt derselbe die vorstehende Auseinandersetzung schliessen zu dürfen mit einer Zitation der schönen Worte unsres grossen LiederdichtersRückert:

»Die durch Irrtum zur Wahrheit reisen,Das sind die Weisen.Die beim Irrtum beharren,Das sind die Narren.«

»Die durch Irrtum zur Wahrheit reisen,

Das sind die Weisen.

Die beim Irrtum beharren,

Das sind die Narren.«


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