„Hurrah! Hurrah!“
„Hören gnädiges Fräulein? Da kommen sie die Straße herunter. Alles schwarz von Menschen!“
Draußen brausten Hunderte von Stimmen. Die Fenster dröhnten vom Trommelwirbel. In scharfem Kommandoton wurde durch die jähe Stille etwas verlesen. Etwas von drohender Kriegsgefahr. Als Inge Tillesen sich wieder umdrehte, war das Zimmer leer. Nicolai Schjelting war fort. Verschwunden draußen in der wieder strudelnden und jubelnden Menge, dem Hurrahrufen, dem Massengesang. Dann hörte sie hinter sich die heisere, aber glückliche Stimme des zu ihrem Vater in das Haus geeilten Generals Isebrink. Er mußte schreien, um das Jauchzen draußen zu übertönen.
„Uff!... Endlich!... Endlich!... Endlich hat’s ein Ende mit der verfluchten Zucht! Jeder Mistfink von außerhalb durfte frech gegen uns werden... Verzeihen Sie, Fräulein Inge...“
„Ach ... nur immer zu, Herr General!“
„Aber nu wird Deutsch geredet! Hol’s der Deubel! Nu hat’s sich ausgeglückwünscht! Nu hat sich’s ausgebiedert und Hände geschüttelt! Liebster... Bester... Ich möchte ja die Wände hochgehen vor Freude: Ich hab’ eben telegrafisch meine Ordre! An die Front — wo’s am vordersten ist! Übermorgen früh meld’ ich mich schon hinterm Gießhaus in Berlin!“
„Herzlichen Glückwunsch!“...
„Ja, das wäre ja nun Alles schön und gut. Aber nun sehen Sie ’mal! Depesche Nummer zwei von meinem Filius Paul aus Konstantinopel! Das heißt nicht mehr aus Konstantinopel! Inzwischen ist erschon auf dem Weg nach Deutschland! Der Bengel ist verrückt!“
„Was?“
„Bildet sich ein: Ich hockte jetzt hinter dem Ofen! Drahtet mir in aller Unschuld seines Herzens: ‚Eintreffe ersten August‘ — das ist übermorgen — also, ‚ersten August München zu sofortiger Weiterfahrt und Verwendung im Osten!‘...“
„Nun — das ist ja schön!“
„Ja, und gefälligst weiter: ‚Bitte erwarte mich dort Hauptbahnhof mit Geldern für Pferdeankauf und Equipierung und Kartenmaterial!‘ Ja, was glaubt denn das Paulchen?... Ich bin übermorgen in Berlin! Aber kriegen muß er seine Moneten! Meine Frau liegt an ihrem Asthma...“
„Schicken Sie mich!“
„Sie, Fräulein Inge?“
„Na warum denn nicht?“
„Sie wollten wirklich diesen Liebesdienst...“
„Ach, reden wir doch nicht lange! Geben Sie mir schon die Siebensachen! Ich reis’ noch heute Abend!“
Die beiden Andern schauten sich an. Sie waren Beide alt. Aber sie waren auch einmal jung gewesen. Darum dämmerte es in ihnen.
„Wie soll ich Ihnen denn das danken, Fräulein Inge?“
„Gar nicht! Das geschieht fürs Vaterland! Ja, was lachen Sie denn?...“
„Sie lachen ja selber...“
Inge Tillesen wurde über und über rot. Aber sie lachte wirklich und herzhaft. Der alte Isebrink breitete die Arme aus.
„Kommen Sie, Kind!“ sagte er. „Geben Sie mir ’nen Kuß! Er geht ja nicht an die richtige Adresse! Aber doch so nahebei! Nicht?“
„Ja.“
„Na, Gottes Segen!... Halt!... Wohin denn auf einmal?“
Aber Inge Tillesen war schon die Treppenstufen der Halle hinauf und weg. Unten sagte der alte Isebrink zu dem Geheimrat:
„Na — da geben wir uns die Hand, Exzellenz! So geht’s! Nu erfüllen sich die Zeiten! Es hat ein Ende mit Vielem und viel Besseres fängt an!“