Artenvergleich Europa-Nordamerika
Artenvergleich Europa-Nordamerika
ReptilienProz.SäugetiereProz.Karbon64—Perm12—Trias32—Jura48—Untere Kreide17—Obere Kreide24—Eozän3235Oligozän2931Miozän2724Pliozän?19Quartär?30
Der Gang dieser Zahlen stimmt erfreulich überein mit unserer Tabelle,S. 64, nach welcher die Landverbindung im Karbon, in der Trias, dann allerdings nur für den unteren, nicht mehr den oberen Jura, aber wieder von der Oberkreide ab das ältere Tertiär hindurch von der Mehrzahl der Fachgelehrten angenommen wird. Für die Verbreitung derjenigen Organismen, welche am meisten entscheidend sind, hatArldtdas KärtchenFig. 25gegeben. Die jungen Regenwurmgattungen der Lumbricinen sind in ununterbrochenem Zuge von Japan bis Spanien, jenseits des Ozeans aber nur im Osten der Union verbreitet. Die Perlmuschel kommt an den Abrißstellen der Kontinente, auf Irland und Neufundland und den beiderseits angrenzenden Gebieten vor. Noch auffälliger ist dieVerbreitung der Gartenschnecke von Süddeutschland über die britischen Inseln, Island und Grönland hinüber zur amerikanischen Seite, wo sie aber nur in Labrador, Neufundland und dem Osten der Union vorkommt. Ähnliches gilt von der Familie der Barsche (Perciden) und anderen Süßwasserfischen. Vielleicht wäre noch das gemeine Heidekraut (Calluna vulgaris) zu nennen, das sich außer in Europa nur in Neufundland und den daran angrenzenden Gebieten findet, wie denn auch umgekehrt sich besonders viele amerikanische Arten in Europa ganz auf den Westen Irlands beschränken. Es spricht manches dafür, daß diese Landbrücke bei Neufundland und Irland noch bis zum Beginn des Quartärs erhalten blieb. Außerdem scheint eine zweite Brücke weiter im Norden bestanden zu haben, die wohl kaum vor der Mitte des Quartärs abriß[79]. Lehrreich sind in dieser Hinsicht auch die UntersuchungenWarmingsundNathorstsüber die grönländische Flora, welche zeigen, daß an der Südostküste Grönlands, also gerade auf der Strecke, welche nach der Verschiebungstheorie noch im Diluvium Skandinavien und Nordschottland vorgelagert war, die europäischen Elemente überwiegen, während auf der ganzen übrigen grönländischen Küste einschließlich Nordostgrönland der amerikanische Einfluß vorherrscht[80]. Ich habe deshalbangenommen, daß die Trennung der Schollen hier erst zwischen der großen und der letzten europäischen Eiszeit eintrat. Von Spanien ab südwärts nehmen die meisten Autoren keine Landverbindung mehr an; als Südgrenze der Landbrücke wird vonArldtu. a. die 1000 oder 2000 m Tiefenlinie angenommen. Nördlich von dieser Breite werden in Schottland die weiter südlich marinen devonischen Sedimente durch Sandsteine ersetzt, es kommen in Nordirland, den Hebriden, den Färöern, Island, an der Ost- und Westküste Grönlands und auf Spitzbergen in gleichartiger Weise Landpflanzen führende Kohlen zwischen zwei basaltischen Lavadecken vor. Dies deutet auf Landzusammenhang hin, und zwar legt es einen unmittelbaren Zusammenhang im Sinne der Verschiebungstheorie noch näher als einen durch einen Brückenkontinent vermittelten. Damit sind wir aber bereits auf dem Gebiete der geologischen Beweisgründe für die Verschiebungstheorie, die wir nunmehr in Kürze besprechen wollen.
Fig. 25.Nordatlantische OrganismenVerbreitung nordatlantischer Organismen, nachArldt.Punktiert: Gartenschnecke. Gestrichelt: Lumbriciden-Regenwürmer. Strichpunktiert: Barsche.Schraffiert Nordost–Südwest: Perlmuschel; desgl. Nordwest–Südost: Hundsfische (Umbra).
Fig. 25.
Verbreitung nordatlantischer Organismen, nachArldt.Punktiert: Gartenschnecke. Gestrichelt: Lumbriciden-Regenwürmer. Strichpunktiert: Barsche.Schraffiert Nordost–Südwest: Perlmuschel; desgl. Nordwest–Südost: Hundsfische (Umbra).
Für die Zulässigkeit und Richtigkeit unserer Zusammensetzung spricht eine große Reihe tektonischer Züge im beiderseitigen Bau der Kontinentaltafeln. Gerade diese Übereinstimmungen bilden wohl den stärksten Beweis für die Richtigkeit der Verschiebungstheorie und ihren besonderen Vorzug gegenüber der Hypothese der versunkenen Kontinente; denn wenn die Schollen wirklich schon bei der Entstehung dieser älteren Erscheinungen in ihrem heutigen Abstande von so viel Tausend Kilometern gelegen hätten, so wäre es ein ganz unwahrscheinlicher Zufall, daß sich die Fortsetzung einer solchen Erscheinung auf der anderen Seite gerade an derjenigen Stelle befinden sollte, die bei der Rekonstruktion zur Berührung mit der diesseitigen kommt.
Beginnen wir im Norden, wo die Spalte offenbar erst vor kurzem aufgerissen und noch nicht sehr breit ist. In Nordostgrönland steht auf 81° nördl. Br., jäh am Meere abbrechend, ein vereinzelter, noch ungefalteter Rest karbonischer Ablagerungen an, welche in gleicher Weise an der gegenüberliegenden Kante Spitzbergens wiedergefunden werden. Von 75° ab südwärts beginnen auf grönländischer Seite die Reste einer großen tertiären Basaltdecke, welche hier namentlich die große, den Scoresbysund im Süden begrenzende Halbinsel zusammensetzt. Außer dem losgelösten und halbwegs mitwandernden Jan Mayen gehören hierzu namentlich Island und die Färöer, und weiter südlich taucht diese Basaltzone wieder am Nord- und Nordwestrande Schottlands auf. Ihre Verlegung von der grönländischen Seite (im Norden) zur europäischen (im Süden) entspricht wohl, wie oben erwähnt, dem Umstande, daß an dieser Stelle die sonst einfache Spalte sich in zwei parallele Spalten auflöste, welche Island und die Färöer einschlossen.
Auch zwischen Grönland und Nordamerika herrscht die geforderte Übereinstimmung des Baues. Bei Kap Farvel und nordwestlich davontreten vielfach präkambrische Intrusivgesteine im Gneis auf, welche man amerikanischerseits genau an der entsprechenden Stelle, nämlich auf der Nordseite der Belle-Islestraße, wiederfindet[81]. Beim Smithsund und Robesonkanal im Nordwesten Grönlands besteht die Verschiebung nicht in einem Auseinanderziehen der Spaltenränder, sondern in einer horizontalen Verwerfung von großen Dimensionen, einer sogenannten Blattverschiebung. Grinnelland gleitet an Grönland entlang, wodurch wohl auch die merkwürdig geradlinige Begrenzung der beiden Schollen erzeugt wird. Man kann diese Verschiebung in dem verkleinerten Ausschnitte aus der geologischen Karte von Nordamerika (Fig. 26) erkennen, wenn man die Grenze zwischen Devon und Trias[82]aufsucht, welche in Grinnelland auf 80° 10′, in Grönland auf 81° 30′ nördl. Br. liegt. Es geht hieraus hervor, daß Nordamerika seit diesem Abreißen von Grönland eine mindestens starke, vielleicht überwiegende Südkomponente der Bewegung besitzt, wie dies nach unseren früheren Ausführungen durch die Form der kalifornischen Halbinsel und die Erdbebenspalte von San Franzisko bestätigt wird.
Fig. 26.Smith-Sund, Robeson-KanalGeologische Karte des Smith-Sundes u. des Robeson-Kanals,nach der Geologic Map of North America.1 Trias, 2 Devon, 3 Silur, 4 Karbon, 5 Gneis, 6 Vorkambrium,7 Spättertiär, 8 Kambrium und Unter-Ordovicium.
Fig. 26.
Geologische Karte des Smith-Sundes u. des Robeson-Kanals,nach der Geologic Map of North America.1 Trias, 2 Devon, 3 Silur, 4 Karbon, 5 Gneis, 6 Vorkambrium,7 Spättertiär, 8 Kambrium und Unter-Ordovicium.
Diese Übereinstimmungen beziehen sich freilich zunächst nur auf relativ benachbarte Küsten. Erheblich beweiskräftiger werden deshalbdiejenigen zwischen Europa und Nordamerika selber sein. Dem sehr alten (algonkischen) Gneisgebirge der Hebriden und Nordschottlands entsprechen drüben die Gneisgebirge von Labrador, welche bis an die Belle-Islestraße nach Süden reichen und sich weit nach Kanada hineinziehen. Die Streichrichtung ist in Europa Nordost–Südwest, in Amerika wechselnd von derselben Richtung bis Ost–West.Dacquébemerkt hierzu: „Daraus kann man folgern, daß die Kette über den nordatlantischen Ozean hinüberreichte[83].“ Das angeblich versunkene Verbindungsglied müßte allerdings die gewaltige Länge von 3000 km besessen haben. Heute liegt die amerikanische Fortsetzung übrigens nicht in der geraden Verlängerung des europäischen Gebirgszuges, sondern letztere weist mehrere Tausend Kilometer an jenem vorbei nach Südamerika. Bei dem rekonstruktiven Zusammenfügen der Schollen nach der Verschiebungstheorie erfährt dagegen das amerikanische Gebirge gerade eine solche Querversetzung nach Osten und eine solche Drehung, daß es unmittelbar an das europäische anschließt und als seine Verlängerung erscheint.
In Europa folgen, südlich daran anschließend, die Faltenzüge eines etwas jüngeren, zwischen Silur und Devon aufgeworfenen Gebirges, welches sich durch Norwegen und Nordengland hindurchzieht.E. Suessnennt es das kaledonische Gebirge. Mit der Frage der Fortsetzung dieser Gebirgsfaltung in den „Kanadischen Kaledoniden“ (Termier), nämlich den schon kaledonisch gefalteten kanadischen Appalachen, haben sichAndrée[84]undTilmann[85]beschäftigt. Es beeinträchtigt natürlich nicht die Übereinstimmung, daß diese kanadische Faltung in Amerika von der gleich zu besprechenden „armorikanischen“ Faltung noch einmal überarbeitet wurde, was hüben nur im mittleren Europa (Hohes Venn und Ardennen), aber nicht im nördlichen Europa der Fall war. Die Berührungsstücke dieser kaledonischen Faltungen dürften in den schottischen Hochlanden und Nordirland einerseits und Neufundland andererseits zu suchen sein.
Am schlagendsten ist aber die Übereinstimmung bei dem wiederum südlich sich anschließenden karbonischen Faltengebirge, welchesE. Suessdas Armorikanische Gebirge nennt, und welches die Kohlenlager Nordamerikas als die unmittelbare Fortsetzung der europäischen erscheinen läßt. Dieses heute stark eingeebnete Gebirge zieht sich in Europa,aus dem Innern des Kontinents kommend, in bogenförmigem Verlauf zuerst gegen WNW, dann gegen W, um an der Südwestküste von Irland und der Bretagne eine wild zerrissene Küste (sogenannte Riasküste) zu bilden. Natürlich ist anzunehmen, daß sich die Faltung auch durch den der Küste vorgelagerten, durch die Abrasion der Brandungswoge abgehobelten Schelf hindurchzieht. Die Fortsetzung auf der amerikanischen Seite bilden, wieBertrandzuerst 1887 entdeckte, die Ausläufer der Appalachen auf Neuschottland und dem südöstlichen Neufundland. Hier endigt gleichfalls ein karbonisches Faltengebirge, ebenso wie das europäische nach Norden gefaltet, indem es eine Riasküste erzeugt und davor wohl noch den Schelf der Neufundlandbank durchzieht. Seine Richtung, sonst nordöstlich, geht nahe der Abrißstelle in die rein östliche über. Die im Karbon besonders gut bekannte Fauna und Flora zeigt eine mit wachsendem Beobachtungsmaterial immer klarer erkannte Identität. Auf die zahlreichen Arbeiten hierüber vonDawson,Bertrand,Walcott,Ami,Salteru. a. können wir hier natürlich nicht eingehen. Das Abbrechen dieser „transatlantischen Altaiden“, wieE. Suesssie auch nennt, gerade an denjenigen Stellen der beiden Kontinentalränder, welche aus biologischen Gründen als Pfeiler einer letzten Landbrücke zwischen den beiden Kontinenten erscheinen, bildet eine sehr scharfe Kontrolle für die Richtigkeit der Verschiebungstheorie. WieFig. 24zeigt, besteht diese die Probe aber glänzend, indem die beiden freien Enden der Faltungen bei der Rekonstruktion genau zur Berührung gebracht werden und das ganze Gebirge als ein zusammenhängender Bogen ohne Knickung erscheint. Nach der Hypothese der versunkenen Landbrücken müßte — wasPenckbereits als Schwierigkeit hervorgehoben hat — das versunkene Stück größer gewesen sein als die uns bekannte Erstreckung. Auf der Verbindungslinie liegen einige vereinzelte Erhöhungen des Meeresbodens, die man bisher als Gipfel der versunkenen Kette betrachtet hat; nach der Verschiebungstheorie wären es geschmolzene und aufgequollene Massen von der Unterseite oder auch abgebrochene vom Oberrande der triftenden Schollen, deren Loslösung gerade in solchen tektonischen Störungszonen natürlich besonders plausibel ist.
Fast in dasselbe Gebiet fallen auch die Endmoränen der großen diluvialen Inlandeiskappen Nordamerikas und Europas. Auch diese fügen sich ohne Lücke oder Knick zusammen, was doch sehr unwahrscheinlich wäre, wenn die Küsten zur Zeit der Ablagerung ihren heutigen Abstand von 2500 km gehabt hätten. Das amerikanische Ende liegt heute 4½Breitengrade südlicher als das europäische.
Weiter im Süden finden wir auf afrikanischer Seite das tertiäre Atlasgebirge, welches, wie das ganze alpine Faltungssystem, dem es zugerechnet wird, auf amerikanischer Seite keine Fortsetzunghat[86]. Wie schon erwähnt, tut sich darin kund, daß zur Zeit dieser Faltung im Westen von ihr bereits ein Stück Tiefseeboden vorhanden war, so daß die Faltung am Rande der Kontinentaltafel ihr natürliches Ende fand. Die Azoren, Kanaren und Kapverden sind nach der bereits früher erörterten Auffassung Brocken vom Kontinentalrande, vergleichbar mit Kalbeisstücken vor einem schwimmenden Eisberge. So kommt auchGagelfür die Kanaren und Madeira zu dem Schluß, „daß diese Inseln abgesprengte Reste des europäisch-afrikanischen Kontinents sind, von dem sie erst in verhältnismäßig junger Zeit getrennt wurden[87]“.
Daß auch zwischen Südamerika und Afrika einstmals eine Landverbindung bestanden haben muß, darüber herrscht, wie unsere Tabelle,S. 64, lehrt, fast völlige Einigkeit. Gestört wurde die Verbindung erst in der Unterkreide[88], vermutlich durch den schon damals entstehenden, aber noch nicht sogleich zur völligen Trennung führenden Grabenbruch, jedenfalls zunächst durch ein Epikontinentalmeer. Im oberen Eozän brechen dann die letzten Beziehungen ab.
Um auch hier die älteren Strukturen beiderseits zu vergleichen, benutzen wir die inFig. 27wiedergegebene, vonLemoineentworfene Karte der Streichrichtungen im nordwestlichen Afrika[89]. Die Karte ist für andere Zwecke entworfen und zeigt daher das, was wir brauchen, nicht sehr deutlich, aber sie zeigt es doch. Der ganze afrikanische Kontinent besteht aus einem sehr alten, gefalteten Gneismassiv, in welchem hauptsächlich zwei etwas verschieden alte Streichrichtungen vorkommen. Im Sudan herrscht die ältere nordöstliche Streichrichtung vor, welche sich schon in dem geradlinigen gleichgerichteten Oberlauf des Niger zeigt und noch bis Kamerun beobachtet wird. Sie schneidet die Küste unter einem Winkel von etwa 45°. Südlich von Kamerun dagegen — auf der Karte gerade noch erkennbar — tritt die andere, jüngere Streichrichtung in den Vordergrund, welche etwa von Nord nach Süd weist und der Küste (auch mit ihren Krümmungen) parallel verläuft.
Fig. 27.Afrika, StreichrichtungenStreichrichtungen in Afrika, nachLemoine.
Fig. 27.
Streichrichtungen in Afrika, nachLemoine.
Denselben Wechsel der Streichrichtung finden wir nachE. Suessin Südamerika wieder. „Die Karte des östlichen Guayana... zeigt mehr oder minder ostwestliches Streichen der alten Felsarten, aus welchen dieses Gebiet besteht. Auch die eingelagerten paläozoischen Schichten, welche den nördlichen Teil der Mulde des Amazonas ausmachen, verfolgen diese Richtung, und der Verlauf der Küste von Cayenne gegen die Mündung des Amazonas ist daher quer auf das Streichen... Soweit der Bau Brasiliens heute bekannt ist, muß angenommen werden, daß auch bis Kap San Roque der Umriß des Festlandes das Streichen des Gebirges quert, aber von diesem Vorgebirge an wird allerdings bis nach Uruguay hinab die Lage der Küste durch das Gebirge vorgezeichnet.“ Auch hier folgen die Flußläufe in großen Zügen der Streichrichtung. Schieben wir Südamerika zur Rekonstruktion an Afrika heran, wozu eine Drehung Südamerikas um etwa 45° erforderlich ist, so wird der jetzt West–Ost fließende Amazonas parallel zum Oberlauf des Niger. Die Streichrichtung des nördlichen Teiles von Südamerika fällt dann mit derjenigen im Sudan zusammen, und selbstverständlich auch die andere Streichrichtung südlich Kap San Roque mit derjenigen südlich von Kamerun. — Daß dieser Wechsel der Streichrichtung hüben und drüben gerade an denjenigen Stellen eintritt, die bei der Rekonstruktion zur Deckung gebracht werden, müßte nach der Hypothese der versunkenen Landbrücken wiederum ein Zufall sein,ebenso wie die Erreichung der Parallelität der Streichrichtungen nach der für die Rekonstruktion nötigen Drehung Südamerikas.
Nach der Verschiebungstheorie gibt uns dieser Wechsel der Streichrichtung auch eine Erklärung für den eigenartigen Knick, den die Spalte gerade hier erfährt. Die Zugkräfte, welche sie aufrissen, waren anscheinend so orientiert, daß die Spalte eigentlich nicht genau von Süden nach Norden, sondern etwa von Südsüdost nach Nordnordwest aufreißen sollte. Sie wurde aber durch die nordsüdliche Streichrichtung wegen der leichteren Teilbarkeit der Scholle nach dieser Richtung abgelenkt, bis sie bei Kamerun bzw. Kap San Roque an das andere Faltungssystem herankam, welches sie allzuweit aus der Richtung abgelenkt hätte. Daher wurde dieses System quer durchgerissen in einem fast rechten Winkel zur bisherigen Richtung[90].
Ganz im Süden Afrikas findet sich noch ein von Ost nach West streichendes karbonisches Faltengebirge (die Zwarten Berge); kurz vor Erreichung des Ufers biegt zwar ein Arm desselben (die Cedar-Berge) nach Norden ab, um bald zu endigen. Aber dies ist offenbar eine lokale Abzweigung, während die Hauptstreichrichtung Ost–West ist. Die Verlängerung dieser Kette trifft in der Rekonstruktion auf die nach der Karte zunächst durch nichts hervorgehobene Partie südlich von Buenos Aires. Die dort befindlichen Sierren wurden nun in der Tat ganz neuerdings vonKeidel[91]als eine gleichfalls karbonische Faltung erkannt, welche mit dem Kapgebirge in Bau und Geschichte völlig übereinstimmt. Diese karbonische (und teilweise vorkarbonische) Sierrenfaltung scheint weiter westlich ebenso wie der afrikanische Zweig nach Norden abzubiegen und sich an die „Präkordilleren“ anzuschmiegen. Man wird zugeben, daß gerade diese Beziehung ein sehr schlagender Beweis für die Richtigkeit der Verschiebungstheorie ist. An keiner anderen Stelle dieser beiden großen Kontinentaltafeln sind karbonische Faltungen vorhanden. Heute sind die beiden Schelfränder um 6220 km voneinander entfernt. Ist es da wirklich gestattet, anzunehmen, sie seien nur durch Zufall gerade so gelegen, daß sie bei der Rekonstruktion zur Berührung gebracht werden? Die rekonstruktive Zusammenfügung derbeiden Schollen Südamerika und Afrika läßt der Phantasie durchaus keinerlei Spielraum. Denn die Ränder haben sich hier so genau kongruent erhalten, daß man den einen Kontinent um keine 100 km gegen den anderen verschieben könnte. Die Sierren von Buenos Aires brauchten also nur um einige Hundert Kilometer nördlicher oder südlicher zu liegen, um zu einer Diskrepanz in Gestalt einer unerklärten horizontalen Verwerfung bei der Zusammenfügung zu führen. Dies tun sie aber nicht, sondern sie liegen gerade an der Stelle, wo sie nach der Verschiebungstheorie zu erwarten sind.
Von den Gegnern der Verschiebungstheorie werden diese Verhältnisse meist nicht richtig gewürdigt. Es kommt nicht so sehr auf die bloße Tatsache an, daß eine solche alte Faltung drüben auch ihre Fortsetzung findet, als vielmehr auf die Frage, ob diese Fortsetzung richtig liegt. Nehmen wir, um uns die Größenordnungen klar zu machen, an, daß bei der heutigen Entfernung beider Küsten eine jenseitige Küstenstrecke von 2000 km als Ort der Fortsetzung in Frage kommt, und daß alle 200 km-Abschnitte dieser Strecke gleiche Wahrscheinlichkeit für sich haben. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich die Fortsetzung der Faltung durch Zufall gerade in demjenigen Teilabschnitte befindet, der durch die Rekonstruktion mit dem diesseitigen Faltungsende zur Berührung gebracht wird, gleich1⁄10, d. h. man kann bereits 9 gegen 1 wetten, daß dies ZusammentreffenkeinZufall ist. Wenn aber an mehreren Stellen gleichzeitig dieser „Zufall“ eintreten soll, so potenziert sich die Unwahrscheinlichkeit. Betrachten wir in diesem Sinne, von Norden nach Süden gerechnet, die Eiszeitmoräne als erste, das algonkische Gebirge als zweite, das kaledonische als dritte, das karbonische als vierte Übereinstimmung, den Streichrichtungswechsel bei Kap San Roque–Kamerun als fünfte und das Kapgebirge als sechste Übereinstimmung, und nehmen wir der Einfachheit halber für jeden dieser Fälle dieselben Bedingungen an, so wird die Wahrscheinlichkeit, daß uns hier ein Zufall täuscht, gleich (1⁄10)6oder 1:1000000, d. h. wir können 999999gegen 1 wetten, daß die Verschiebungstheorie Recht hat. Man mag gern glauben, daß diese Zahl übertrieben ist; aber man soll bei seinem Urteil berücksichtigen, daß sich die Wahrscheinlichkeit potenziert, wenn sich die Übereinstimmungen addieren. Es ist deshalb meines Erachtens nicht mehr möglich, an der prinzipiellen Richtigkeit der Verschiebungstheorie zu zweifeln.
In unserer Tabelle kommt noch die „amerikanische“ Brücke zwischen Nord- und Südamerika und die „nordpazifische“ Brücke zwischen Nordamerika und Sibirien vor, die wir noch in diesem Zusammenhange kurz besprechen wollen, um gewisse Mißverständnisse zu beseitigen. Die Betrachtung der Karte zeigt sofort, daß die jetzige Schollenverbindung zwischen Süd- und Mittelamerika nicht auf zufälliger Berührung beruht.Diese Schollen haben offenbar von alters her zusammengehangen, wenn auch zeitweise, wie unsere Tabelle lehrt, unter Wasser. Damit steht keineswegs im Widerspruch, daß sich Südamerika eher von Afrika ablöste und seine Wanderung nach Westen begann, als Nordamerika. Denn die Bewegung Südamerikas bestand anfangs wohl vorwiegend in einer Drehung etwa um Panama als Mittelpunkt. Gerade bei Mittelamerika legen die Konturen nahe, daß sich hier bei der Ablösung und in der folgenden Zeit bedeutende plastische Deformationen vollzogen. Unsere Tabelle zeigt vier Perioden, in denen diese Brücke von Panama anscheinend über Wasser gelegen hat, nämlich 1. Silur und Devon, 2. Perm bis Mittel-Trias, 3. Kreide, 4. vom Miozän ab; aber nur die vierte ist ganz unbestritten. Dieses vierte Auftauchen darf man vielleicht mit der Abwanderung der amerikanischen Schollen in Zusammenhang bringen. Stellt man sich vor, daß die Abtrennung Südamerikas eine Drehung dieser Scholle um bisher 45° mit sich brachte, und daß die atlantische Spalte von Süden nach Norden fortschritt, so ist einleuchtend, daß dieser Vorgang zu bedeutenden Stauchungen und Zerrungen des mittelamerikanischen Schelfgebietes führen mußte, welche zur Zertrümmerung und Verkleinerung der Bruchstücke führte, gleichzeitig aber letztere, namentlich an ihrem Westrande, mehr aus dem Wasser herauswachsen ließ. Durch dieses drehende Abrücken Südamerikas erklärt sich auch, warum die Andenfaltung am Nordende dieses Kontinents nach Osten zurückbog und nur eine schwache Fortsetzung in den Antillen fand. Das Verbindungsstück zwischen den beiden großen Schollen war eben schmal und plastisch.
Auch für die Beringstraße muß ein schon früher (S. 9) erwähntes Mißverständnis beseitigt werden[92].Dienerhat gemeint, wenn man Nordamerika an Europa heranrücke, so werde dadurch zwischen Amerika und Asien eine breite Tiefseeöffnung geschaffen, während die Paläontologie zur Annahme einer früheren Landbrücke über den heutigen Schelf führt[93]. In der Tat zeigt unsere Tabelle, daß eine solche Landverbindung 1. im Silur und Devon, 2. vom Mittelkarbon bis Mittelperm, 3. im Lias und Dogger und 4. von der Kreide bis zum Quartär angenommen wird; besonders in der letzteren Periode ist seit dem Beginn des Tertiär diese Landbrücke recht sicher. Wenn sie im Miozän und Pliozän von einzelnen Forschern geleugnet wird, so darf man vielleicht annehmen, daß die Nähe des Pols in dieser Zeitdie Verbindung durch Vereisung zeitweise unwirksam gemacht hat. Hierüber wird im nächsten Kapitel Ausführlicheres mitgeteilt werden. Jedenfalls genügt bereits ein Blick auf die Tiefenkarte, um zu sehen, daß nichts uns berechtigt, anzunehmen, die beiden Schollen seien früher getrennt gewesen und erst neuerdings zur Berührung gelangt. AberDienersAnnahme ist nicht richtig. Unsere auf dem Globus ausgeführte Rekonstruktion ist gewiß in manchen Punkten schwierig und unsicher, würde aber durchaus nicht verbessert, wenn man die Schollen bei der Beringstraße abreißen ließe. Es handelt sich eben auch bei Nordamerika mehr um eine Drehung als um eine Parallelverschiebung, wie ja schon die nach Norden abnehmende Breite des Atlantik nahelegt.Dienerhat nur auf der Merkatorkarte recht.
In bezug auf die „lemurische“ Landbrücke zwischen Madagaskar und Vorderindien zeigt unsere Tabelle (S. 64) eine Übereinstimmung der Ansichten, wie sie vollkommener wohl kaum irgendwo erwartet werden kann. Für die gesamte Vorzeit bis zum Beginn des Tertiär wird eine solche, offenbar stets so gut wie ungestörte Landverbindung angenommen, vom Eozän ab herrschte aber nach der Ansicht der Mehrzahl, die vom Pliozän ab unbestritten ist, Trennung. Es ist nicht ohne Interesse, daß der Abbruch des Austausches kein momentaner war, sondern letzterer vom Eozän bis zum Miozän anscheinend in beschränkter Weise noch andauert. Es gibt eben viele „peregrine“ Formen sowohl im Tier- wie im Pflanzenreich, welche zur überseeischen Ausbreitung in gewissen Grenzen befähigt sind, und daher wird das völlige Erlöschen des Austausches erst eintreten, nachdem die Schollen bereits einen gewissen Abstand voneinander erreicht haben.
Nach den bisherigen Anschauungen nahm man an, daß diese Landverbindung zwischen Vorderindien und Madagaskar bei unveränderter Lage dieser beiden Teile durch einen jetzt versunkenen Brückenkontinent „Lemuria“ gebildet wurde. Auf unserer Rekonstruktion (Fig. 23,S. 61) finden wir an Stelle dieses langgestreckten Brückenkontinents eine lange, von Hochasien ausgehende Halbinsel von genau derselben Form wie jene hypothetische Lemuria. Aber das Dreieck Vorderindien bildet auf ihr die Südspitze dieser langen Zunge und hängt unmittelbar ohne Brücke mit Madagaskar zusammen. Für eine versunkene Lemuria im alten Sinne bleibt kein Platz.
Betrachten wir das heutige Kartenbild. Die riesigen, wesentlich im Tertiär gebildeten Falten des Himalajagebirges bedeuten den Zusammenschub eines erheblichen Stückes der Erdrinde, durch dessen Rekonstruktion die Umrisse des asiatischen Kontinents ganz anderewerden. Wahrscheinlich nahm das ganze östliche Asien über Tibet und die Mongolei hinweg bis zum Baikalsee und vielleicht sogar bis zur Beringstraße an diesem Zusammenschub teil; beschränken wir uns aber auf die höchste, im Mittel etwa 4000 m über dem Meere liegende Region, die in der Schubrichtung 1000 km mißt, und nehmen wir (trotz der größeren Höhe) nur eine gleiche Verkürzung wie bei den Alpen, nämlich auf den vierten Teil ihrer ursprünglichen Erstreckung, an, so erhalten wir eine Verschiebung Vorderindiens um 3000 km, so daß es vor dem Zusammenschub neben Madagaskar gelegen hätte.
Fig. 28.Lemurischer ZusammenschubDer lemurische Zusammenschub.
Fig. 28.
Der lemurische Zusammenschub.
Die Spuren dieses ungeheuren Zusammenschubes, den die Lithosphäre hier erfahren hat, sind auch rechts und links von der Schubzone noch zu erkennen. Die schon im Trias durch einen Grabenbruch vorbereitete, aber erst im Quartär endgültig vollzogene Loslösung Madagaskars von der südwestlich davon liegenden afrikanischen Küstenstrecke, das ganze System junger Grabenbrüche in Ostafrika, zu dem auch das rote Meer und das Jordantal gehört, bilden Teilerscheinungen davon. Die Somalihalbinsel erscheint, wie schon früher erwähnt, nachNorden herumgeschleppt, wobei wohl das abessinische Gebirge aufgestaut wurde, dessen Abschmelzung von unten zum Herausquellen der Massen im Winkel zwischen Abessinien und der Somalihalbinsel führte. Auch Arabien spürte diesen Zug nach Nordosten und zeigt eine dementsprechende plastische Stauchung, indem die Ausläufer des Akdargebirges wie ein Sporn in die persischen Gebirgsketten hineindrängen. Die fächerförmige Scharung der Bergketten des Hindukusch- und Soleimangebirges deutet an, daß hier die westliche Grenze des Himalajazusammenschubes erreicht ist; ihr getreues Spiegelbild tritt auch am Ostrande desselben auf, wo die Bergketten von Burma aus der durch Annam, Malakka und Sumatra vorgezeichneten Richtung heraus bis zur Nordsüdrichtung herumgeschleppt wurden. Das Aufbrechen der Arakan-Sumatrakette gerade neben dem Knick von Malakka war schon früher dahin gedeutet worden, daß diese Kette riß und gleitend nach Norden in den Zusammenschub hineingezogen wurde. Aber, wie schon erwähnt, ist wohl das ganze östliche Asien von diesem riesigen Zusammenschub betroffen worden, der seine westliche Begrenzung in dem gestaffelten Faltensystem zwischen Hindukusch und Baikalsee und dessen Fortsetzung bis zur Beringstraße findet, während die Ostgrenze durch die bauchigen Küstenformen mit den Inselgirlanden Ostasiens gebildet wird.
Madagaskar besteht wie das benachbarte Afrika aus einer Tafel gefalteten Gneises mit nordöstlicher Streichrichtung. An der Abrißlinie sind beiderseits identische marine Sedimente abgelagert, welche andeuten, daß seit der Trias beide Länder durch einen überschwemmten Grabenbruch getrennt waren, was auch die madagassische Landfauna verlangt. Aber noch in der Mitte der Tertiärzeit, als Indien bereits abgerückt war, sind nachLemoinezwei Tiere, der Potamochoerus und der Hippopotamus, von Afrika eingewandert, die, wieLemoinemeint, höchstens einen Meeresarm von 30 km Breite durchschwimmen konnten[94], während jetzt der Kanal von Mozambique gut 400 km breit ist. Erst nach dieser Zeit kann sich also die madagassische Scholle auch untermeerisch von Afrika losgerissen haben, wodurch sich der weite Vorsprung erklärt, den Vorderindien in der Verschiebung nach Nordosten gegenüber Madagaskar bekommen hat.
Auch Vorderindien ist eine flache Tafel aus gefaltetem Gneis. Die Faltung wirkt noch heute formengebend in dem uralten Arvaligebirge im äußersten Nordwesten (am Rande der Wüste Tharr) und in den gleichfalls sehr alten Koranabergen. NachSuessweist sie im ersteren nach N 36° O, in letzteren nach Nordost. Beide Richtungen stimmen also hinreichend mit der afrikanischen und madagassischen Streichrichtungüberein, zumal nach der geringen, bei der Rekonstruktion nötigen Drehung Indiens. Übrigens tritt hier noch eine etwas jüngere, jedoch immer noch mesozoische Faltung in den Ghats von Nellore oder dem Vellakondagebirge auf, welche von Nord nach Süd streicht und vielleicht mit der gleichfalls jüngeren nordsüdlichen Streichrichtung in Afrika gleichzusetzen ist.
Vielleicht darf man annehmen, daß die indische Westküste mit der Ostküste Madagaskars zusammengehangen hat. Beide Küsten bestehen aus einem auffällig geradlinigen Abbruch eines Gneisplateaus, der den Gedanken nahelegt, sie könnten nach der Spaltenbildung aneinander entlang geglitten sein, ähnlich wie Grinnell-Land und Grönland. Am nördlichen Ende dieses an beiden Küsten etwa 10 Breitengrade langen Abbruches treten beiderseits Basalte auf. In Indien ist es die bei 16° Nordbreite beginnende Basaltdecke des Dekan, die aus dem Beginn des Tertiär stammt und deshalb vielleicht in ursächlichen Zusammenhang mit der Ablösung gebracht werden darf. Und auf Madagaskar ist der nördlichste Teil der Insel ganz aus zwei verschieden alten Basalten aufgebaut.
Die Ostküste Vorderindiens könnte möglicherweise mit der Westküste Australiens unmittelbar zusammengehangen haben. Sie stellt gleichfalls einen jähen Abbruch des Gneisplateaus dar. Eine Unterbrechung erfährt dies nur durch das grabenartig schmale Kohlengebiet des Godávari, welches aus den unteren Gondwanaschichten besteht. Die oberen Gondwanaschichten liegen, der Küste folgend, diskordant quer über seinem Ende.
Daß wir uns überhaupt auf dem Boden der Tatsachen befinden, wenn wir das Erlöschen der Landverbindung zwischen Indien und Madagaskar mit der Faltung des Himalaja in Zusammenhang bringen, geht aus der bisher nicht beachteten Gleichzeitigkeit beider Erscheinungen hervor. Wie alle größeren Gebirge ist auch der Himalaja das Produkt einer Mehrzahl von Stauungen; die Hauptrolle aber spielt diejenige in der jüngeren Tertiärzeit, welche nach unserer Tabelle (S. 64) dem Abbruch der Landverbindung mit Madagaskar folgte. Daß der Faltungsprozeß des Himalaja auch heute noch andauert, dafür spricht unter anderem auch die starke zeitliche Veränderlichkeit der Schwerkraft, die am Fuße seiner Ketten durch wiederholte Messungen festgestellt wurde.
Das Gondwana-Land umfaßt einerseits die Verbindung Australiens über Vorderindien und Madagaskar nach Südafrika und andererseits diejenige von Australien über Antarktika nach Südamerika. Über diese Verbindungen gibt uns die australische Tierwelt Aufschlüsse.Hedleyunterscheidet drei Elemente in ihr: zunächst eine älteste, „gondwanische“ Fauna, die hauptsächlich im äußersten Südwesten Australiens anzutreffen ist; zweitens eine weitere endemische Fauna mit den bezeichnenden Kloakentieren, Beutlern usw., ausgebreitet über das ganze Festland, in einzelnen Vertretern übergreifend bis Neuguinea und bis zu den Salomoinseln; und drittens als jüngstes Element die Papua-Fauna, die von Neuguinea her hauptsächlich an der Ostküste von Queensland vordrängt. Die erste dieser Faunen entspricht offenbar der Verbindung mit Vorderindien, Madagaskar und Südafrika, die zweite der antarktisch-südamerikanischen Brücke, und die dritte der heutigen nahen Berührung mit dem Sunda-Archipel.
Die erste dieser Brücken ist in unserer Tabelle aufS. 64nachArldtals „gondwanische“ Brücke bezeichnet, obwohl man sonst unter Gondwanaland meist den ganzen Kontinentalkomplex versteht, zu dem Südamerika, Südafrika, Vorderindien, Australien und Antarktika gehören. Wie die Tabelle zeigt, herrscht über die Existenz dieser „gondwanischen“ Brücke fast völlige Einigkeit. Sie erlosch schon früh, nämlich im Lias oder spätestens Unterdogger, so daß Australien schon seit dieser Zeit von Südafrika und Madagaskar und damit auch von Vorderindien abgesperrt wurde. In unserer Tabelle ist übrigens nur die Verbindung mit Südafrika und Madagaskar, nicht die mit Vorderindien, berücksichtigt. Da aber Madagaskar mit Vorderindien eine Einheit (Lemurien) bildet, so ist nicht einzusehen, auf welche Weise Vorderindien von dieser Gemeinschaft auszuschließen wäre. Die Regenwürmer Australiens stehen nachMichaelsen[95]in engster Beziehung gerade zu denen Vorderindiens. So verbinden die Octochaetinen unmittelbar Neuseeland mit Madagaskar und Vorderindien samt dem nördlichen Hinterindien unter interessanter Überspringung der dazwischenliegenden Hauptscholle Australiens. Die lebhaftesten Beziehungen zeigen aber die gattungsreichen Megascolecinen, welche Australien zum Teil unter Einschluß der Nordinsel Neuseelands oder des ganzen Neuseelandgebietes mit Ceylon und besonders dem südlichen Vorderindien, zum Teil außerdem auch dem nördlichen Vorder- und Hinterindien verbinden (und merkwürdigerweise zum Teil auch mit der nordamerikanischen Westküste). Dagegen zeigen die australischen Regenwürmer keine unmittelbaren Beziehungen zu Afrika oder gar Südamerika. Wir dürfen hiernach vielleicht annehmen, daß in der gondwanischen Brücke Vorderindien sogar das nächste Glied war, welches mit Australien vielleicht unmittelbar zusammenhing.
Die zweite, antarktische Brücke Australiens hat dessen Beziehungen zu Südamerika zum Gegenstand. Diese Beziehungen sind sehr bekannt, denn es gehört hierher namentlich die eigenartige Säugetierfauna Australiens, welche im schroffen Gegensatz zu der des Sunda-Archipels steht, wieWallacezuerst erkannte (Wallace-Grenze der Säugetiere). Sie besteht nämlich wesentlich aus Beuteltieren, deren nächste Verwandte die südamerikanischen Beutelratten sind. Diese zweite FaunaHedleyshat die besondere Eigentümlichkeit, daß sie keine kältescheuen Formen enthält. SchonWallacebemerkte über die Verbindung mit Südamerika: „Aber welchen Beweis wir auch haben mögen, der eine frühere Verbindung dieser Länder zu involvieren scheint, er deutet darauf hin, daß dieselbe, wenn sie überhaupt vorhanden war, nach ihren kalten südlichen Grenzen zu lag, da die tropischen Faunen im ganzen keine Ähnlichkeit zeigen“. Diese Worte beziehen sich zwar nur auf die Säugetiere. Aber bei der Besprechung der Reptilien, Amphibien und Fische sagt er gleichfalls: „Es ist wichtig, hier zu bemerken, daß die Hitze liebenden Reptilien kaum einen Beweis einer nahen Verwandtschaft zwischen den beiden Regionen liefern, während es die Kälte aushaltenden Amphibien und Süßwasserfische im Überfluß tun“[96]. Auch die Regenwürmer haben diese Landbrücke nicht benutzt. Da man auf diese Weise geradezu auf Antarktika als Verbindungsstück der Brücke hingewiesen wird, und da dasselbe obendrein auch auf dem größten Kreis zwischen Australien und Südamerika liegt, also den kürzesten Weg darstellt, so ist es nicht zu verwundern, daß die von wenigen Autoren statt dessen vorgeschlagene „südpazifische“ Brücke, die nur auf der Merkatorkarte die kürzeste Verbindung vortäuscht, fast einstimmig abgelehnt wird, wie unsere Tabelle,S. 64, zeigt. NurBurckhardtvertritt ihre Existenz vom Devon bis zum Eozän, in einem Falle vonKatzer, in zwei anderen vonArldtunterstützt. Er hat für seine Annahme keinen biologischen, sondern einen geologischen Grund: Es finden sich an der Westküste Südamerikas zwischen 32 und 39° Südbreite grobe porphyrähnliche Konglomerate, die von früheren Autoren als vulkanisch angesprochen, vonBurckhardtaber als verfestigtes Strandgeröll betrachtet werden.Burckhardtfand nun, daß dies Konglomerat weiter östlich überall durch Sande ersetzt wird. Er schloß hieraus, daß es sich um eine Küstenlinie handeln müsse — und zwar im Mündungsgebiet eines großen Flusses —, bei welcher die Verteilung von Wasser und Land gerade umgekehrt war wie heute. Westlich im Gebiet des Pazifik Land, östlich davon im Gebiet des heutigen Landes Wasser. Das gröbere Geröll entspräche dann dem Strande, der feinere Sand demtieferen Wasser. Dagegen hatSimroth[97]geltend gemacht, daß keinerlei biologische Anzeichen für die Existenz einer solchen Landmasse im Südpazifik, die womöglich von Südamerika bis nach Australien reichen soll, angeführt werden können, und daßBurckhardtsBeobachtungen, auch wenn ihre unmittelbare Deutung richtig ist, auch schon durch die Annahme befriedigt werden, daß der östliche Teil der Anden und ihr östliches Vorland damals einen langen schmalen, von Norden nach Süden weisenden Meeresarm darstellten. Der Fluß, dessen Größe wohl immer nur recht unsicher wird geschätzt werden können, kann umgebogen sein, und sein Hinterland nicht im Westen, sondern im Norden oder Süden gehabt haben. Im übrigen bieten gerade die Beobachtungen aus Südamerika, wie im Kapitel über die Polwanderungen gezeigt werden wird, noch so viel Widerspruchsvolles, daß hier doppelte Vorsicht am Platze ist. Die Mehrzahl der Fachgelehrten hat denn auch angenommen, daß die in Rede stehende südpazifische Brücke nicht existiert hat, und daß fürBurckhardtsBeobachtungen eine andere Erklärung gesucht werden muß[98].
Statt dessen interessieren uns nunmehr in unserer Tabelle die Südgeorgische Brücke zwischen Südamerika und Westantarktis und die Macquarie-Brücke zwischen Australien und Ostantarktis. Wegen unserer Unkenntnis der Antarktis sind hier die Angaben der Tabelle anders zu bewerten als die früheren. Denn viele Autoren haben es offensichtlich nur deshalb unterlassen, eine Landbrücke anzunehmen, weil sie mangels Beobachtungen noch keine Ursache hatten, es zu tun. Es kommt hier also hauptsächlich nur auf die bejahenden Urteile an. Unsere Tabelle scheint dann zu zeigen, daß die Macquarie-Brücke bereits im oberen Eozän, die südgeorgische aber erst im Pliozän ganz abbrach, nachdem sie schon seit dem Oligozän stark behindert war. Aus biologischen Gründen hat man übrigens eine doppelte Brücke angenommen, die eine von Wilkesland über Tasmanien nach Westaustralien, die andere über die Westantarktis nach Neuseeland und Neuguinea. Die beiden Einwanderungsströme zeigen charakteristische Unterschiede.
Die südgeorgische Brücke brach erst im Pliozän ab, konnte aber nach der Isolierung Australiens diesem nichts mehr liefern.
Die dritte FaunaHedleysist die jüngste, von den Sunda-Inseln eingewanderte. Die heutige Lage Australiens gewährt keine Absperrung mehr gegen die Tier- und Pflanzenwelt der Sunda-Inseln. Die altertümlichen australischen Säugetiere dringen im Sunda-Archipel immer weiter vor, so daß man dieWallace-Grenze schon weit jenseits der Schollengrenze zwischen den kleinen Sunda-Inseln Bali und Lombok hindurch und weiter durch die Makassarstraße zieht, und andererseits wanderten der Dingo (wilder Hund), Nagetiere und Fledermäuse u. a. postdiluvianisch nach Australien ein. Die junge Regenwurmgattung Pheretima, welche mit großer Lebenskraft auf den Sunda-Inseln, den südostasiatischen Küstengebieten von der Malaiischen Halbinsel bis China und auf Japan die meisten älteren Gattungen verdrängt hat, hat auch Neuguinea vollständig erobert und bereits auf der Nordspitze Australiens festen Fuß gefaßt. Alles dies beweist einen regen Austausch von Fauna und Flora, der erst in jüngster geologischer Zeit begonnen haben kann. Er zeigt deutlich, daß man ohne Kontinentalverschiebungen nicht auskommt, denn in der gegenwärtigen Lage könnte sich natürlich die Eigenart der australischen Tierwelt nicht entwickelt haben.