Namen- und Sachregister.

Abstände und jährliche Bewegung

Abstände und jährliche Bewegung

AbstandkmTrennung vorMill. Jahe etwaJährl. Beweg.mSabine-Insel–Bären-Insel10700,05–0,121–11Island–Norwegen9200,05–0,118–9Kap Farvel–Schottland17800,05–0,136–18Kap Farvel–Labrador7900,05–0,116–8Neufundland–Irland241012,4Kap S. Roque–Kamerun4880200,24Buenos Aires–Kapstadt6220200,3Feuerland–Sandwich-Inseln239012,4Madagaskar–Afrika8900,19Vorderindien–Madagaskar5110100,5Tasmanien–Wilkesland289080,36

Die größte Änderung ist also bei dem Abstand Grönlands von Europa zu erwarten. Die Bewegung ist hier eine ostwestliche, die astronomischen Ortsbestimmungen können also nur eine Vergrößerung der Längendifferenz, nicht der Breitenunterschiede, ergeben. Es ist in der Tat vor kurzem gelungen, diese Vergrößerung der Längendifferenz Grönland–Europa exakt nachzuweisen. J. P.Kochhat im sechsten Bande der Ergebnisse der Danmark-Expedition[135]in dessen Hauptteil „Survey of Northeast Greenland“ auf S. 240 in einem „The drift of North Greenland in a westerly direction“ überschriebenen, 16 Seiten langen Kapitel[136]die Frage der Bewegung Grönlands auf Grund der Längenbestimmungen vonSabine(1823),BörgenundCopeland(1870) undKoch(1907) in sorgfältigster Weise untersucht und dabei eine Verschiebung Grönlands nach Westen gefunden, welche betrug

imZeitraum1823–1870420moder9mproJahr„„1870–19071190„„32„„„

imZeitraum1823–1870420moder9mproJahr„„1870–19071190„„32„„„

Die Längenbestimmungen sind nicht genau an der gleichen Stelle ausgeführt.Sabinebeobachtete am Südufer der nach ihm benannten Insel,BörgenundCopelandebendort, aber an einer etwas anderen Stelle,KochsBeobachtungen waren dagegen erheblich nördlicher, am Danmarkshafen auf Germanialand angestellt, waren jedoch durch ein Dreiecksnetz mit der Sabine-Insel verbunden. Die aus dieser Übertragungentspringenden Ungenauigkeiten wurden vonKochin eingehendster Weise untersucht, und es wurde festgestellt, daß sie gegenüber der Ungenauigkeit der Längenbestimmungen selber vernachlässigt werden können. Diese Ungenauigkeit der Längenbestimmungen, die in allen drei Fällen durch Mondbeobachtungen gewonnen wurden, sind, wie bei dieser Methode unvermeidlich, recht groß; sie werden durch den „mittleren Fehler“ ausgedrückt, der aus der inneren Übereinstimmung der Beobachtungsreihen abgeleitet wird. Dieser mittlere Fehler beträgt:

1823. . .etwa124m1870. . .„124„1907. . .„256„

1823. . .etwa124m1870. . .„124„1907. . .„256„

Vergleichen wir diese mittleren Fehler, die uns den Grad der Ungenauigkeit der Längenmessungen angeben, mit den beobachteten Änderungen der Länge, so ist ersichtlich, daß die letzteren den mittleren Fehler weit übersteigen. Es ist also nicht mehr möglich, diese Längenänderungen der Ungenauigkeit der Messungen zur Last zu legen, wir haben sie vielmehr als reell zu betrachten[137].

Die Bedeutung dieses ersten Nachweises von Kontinentalverschiebungen durch astronomische Ortsbestimmungen kann meines Erachtens gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wie unsere Tabelle lehrt, ist ein noch größerer Betrag bei Kap Farvel zu erwarten, und es müßte hier, wenn man die viel genauere funkentelegraphische Längenbestimmung benutzt, in noch viel kürzerer Zeit möglich sein, die Verschiebung zu ermitteln. Da Island seit 1906 durch Kabel mit Europa verbunden ist, müßte sich auch hier die Verschiebung durch telegraphische Längenmessung im Laufe von fünf bis zehn Jahren einwandfrei ermitteln lassen[138].

Weniger günstig liegen offenbar die Verhältnisse bei der Längendifferenz Europa–Nordamerika. Nach unserer Tabelle ist hier ein jährlicher Zuwachs des Abstandes von zwei bis drei Metern zu erwarten, aber diese Zahl gilt als Mittel seit dem Abriß Neufundlands von Irland. Seitdem scheint sich die Bewegungsrichtung Nordamerikas durch den Abriß von Grönland geändert zu haben, indem sie sich mehr nach Süden richtete. Dies geht aus der heutigen Lage zu Grönland hervor und wird auch bestätigt durch die beginnende Stauchung der kalifornischen Halbinsel und die Sprungrichtung bei der Erdbebenspalte von San Franzisko. Es läßt sich also schwer sagen, wie groß hier der zu erwartende heutige Zuwachs der Längendifferenz ist. Man kann nur so viel sagen, daß er jedenfalls kleiner sein wird als die genannte Zahl. Aus den vorliegenden, mit dem Kabel gewonnenen transatlantischen Längenbestimmungen von 1866, 1870 und 1892 hatte ich seinerzeit auf eine tatsächliche Vergrößerung des Abstandes von vier Metern pro Jahr geschlossen. NachGalle[139]sind jedoch die dabei zugrunde gelegten Messungen unrichtig kombiniert, wodurch der Betrag zu groß wird. Kurz vor dem Kriege war mit Rücksicht auf unsere Frage eine neue Längenmessung mit Amerika im Gange, die auch durch eine funkentelegraphische Messung kontrolliert wurde. Obwohl diese Messung durch Zerschneiden des Kabels bei Kriegsbeginn vorzeitig abgebrochen wurde und infolgedessen das Resultat nicht die wünschenswerte Genauigkeit besitzt, scheint doch daraus hervorzugehen, daß die Veränderung noch zu klein ist, um als gesichert gelten zu können. Es wurde nämlich für den Längenunterschied Cambridge–Greenwich gefunden[140]:

1872. . . . .4h44m31,016s1892. . . . .4h44m31,032s1914. . . . .4h44m31,039s

1872. . . . .4h44m31,016s1892. . . . .4h44m31,032s1914. . . . .4h44m31,039s

Die älteste Bestimmung von 1866, für welche ich 4h44m30,89sgefunden hatte, ist als zu ungenau fortgelassen worden. Es ist hiernach wohl sehr zu wünschen, daß eine neue vollständige Längenbestimmung ausgeführt wird, aber man wird mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß die Verschiebung zu klein ist, um mit Rücksicht auf den mittleren Fehler der Beobachtung schon jetzt sicher wahrgenommen zu werden.

Vielleicht wird es aber möglich sein, die Verschiebung Nordamerikas durch korrespondierende Breitenbestimmungen mit Grönland zu ermitteln. Nach unserer Tabelle hat sich Labrador mit einer mittleren Geschwindigkeit von 8 bis 16 Meter pro Jahr von Südgrönland nach SWbewegt. Nehmen wir an, daß hiervon etwa sechs Meter pro Jahr auf die Breitenänderung entfallen, so würde sich der Breitenunterschied dieser beiden Orte jährlich um etwa 0,2″ vergrößern, ein Betrag, der durch die viel genaueren Breitenbestimmungen in relativ kurzer Zeit ermittelt werden könnte. Auch bei der Breitendifferenz Madagaskar–Afrika und vielleicht sogar Vorderindien–Afrika und Australien–Wilkesland besteht wohl Aussicht, ihre Änderung durch wiederholte korrespondierende Breitenbestimmungen in nicht allzu langer Zeit zu messen.

Zum Schluß sei noch auf die bekannte Erscheinung der säkularen Breitenabnahme der europäischen und nordamerikanischen Sternwarten hingewiesen. Nach A.Hall[141]sind folgende Breitenabnahmen als gesichert zu betrachten: bei Washington in 18 Jahren um 0,47″; bei Paris in 28 Jahren um 1,3″; bei Mailand in 60 Jahren um 1,51″; bei Rom in 56 Jahren um 0,17″; bei Neapel in 51 Jahren um 1,21″; bei Königsberg i. Pr. in 23 Jahren um 0,15″; bei Greenwich in 18 Jahren um 0,51″. Auch fürPulkowaergibt sich nachKostinskyundSokoloweine säkulare Breitenabnahme. Die Ursache dieser Breitenänderungen kann entweder die Polflucht der Kontinente oder eine Verlegung des Pols nach der vom Atlantik abgewendeten Seite hin sein. Im ersteren Falle wäre zu erwarten, daß Japan gleichfalls eine Breitenabnahme hat, im letzteren müßte hier die Breite zunehmen. Bevor einwandfreie Beobachtungen aus Ostasien vorliegen, wird man eine Entscheidung hierüber kaum treffen können. Zum Vergleich sei nur angeführt, daß für die Zeit zwischen Eozän und Eiszeit (etwa zehn Millionen Jahre) eine totale Polverschiebung von etwa 65°, das ist 0,02″ pro Jahr, resultiert.


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