Wie groß und schön erscheint uns die Welt unserer Erde! Vor der Erkenntnis der wahren Einrichtung des Weltgebäudes und seiner Dimensionen, die kaum mehr als drei Jahrhunderte alt ist, war ja die Erde die eigentliche Welt in ihrem hauptsächlichsten Umfange, und all die Sterne, die sich wie unterwürfige Vasallen um sie drehten, galten in dieser Weltanschauung nur als Nachtlichter, die keine andere Aufgabe hatten als das sonst gar zu bedrückend schwarze Himmelsgewölbe nachts zu beleben.
Wie groß und schön erscheint uns die Welt unserer Erde! Vor der Erkenntnis der wahren Einrichtung des Weltgebäudes und seiner Dimensionen, die kaum mehr als drei Jahrhunderte alt ist, war ja die Erde die eigentliche Welt in ihrem hauptsächlichsten Umfange, und all die Sterne, die sich wie unterwürfige Vasallen um sie drehten, galten in dieser Weltanschauung nur als Nachtlichter, die keine andere Aufgabe hatten als das sonst gar zu bedrückend schwarze Himmelsgewölbe nachts zu beleben.
Welch eine unendliche Fülle des Geschaffenen birgt diese Welt der Erde! Die Meere verbreiten sich fast unbegrenzt über sie hin, erfüllt mit Millionen und aber Millionen von Lebewesen aller Art, und ihre Wunder beleben noch die letzten finstern Tiefen. Hoch bis über die Wolken erheben sich die schneebedeckten Häupter der Bergriesen, und in den Ebenen zu ihren Füßen dehnen sich Wälder und grüne Matten, unterbrochen von den Städten der Menschen, über anderthalb tausend Millionen an Zahl, die diese weite Schöpfung zu beherrschen lernten, und deren Geist sich in alle Höhen und Tiefen schwingt. Wie geheimnisvoll arbeitet es in jeder Ader, in jedem Blatt, wie unendlich vielartig verschlungen ist das Geschehen dieser Welt allein! Überblickt man von ihr auch nur einen fast verschwindend kleinen Teil, so erkennt man die Unmöglichkeit, auch nur diesen Ausschnitt unserer Erdenwelt in seinem Wesen völlig zu erfassen und zu durchdringen, und wir bewundern die Größe der Schöpfung in jedem Infusor.
Und diese unermeßlich große schöpferische Kraft sollte sich dort oben am stillen Himmel noch unermeßlich viele Male wiederholen? Der Gedanke ist eben in Wirklichkeit unfaßbar; noch heute weigert sich der einfache Menschenverstand, seine Möglichkeit nur anzunehmen. Die vierhundert Jahre, die seit der Großtat des Kopernikus verflossen sind, genügten bei weitem nicht, diesem revolutionärsten Gedanken, der je gedacht worden ist, und der diese ganze Erdenschöpfung aus dem Mittelpunkt der Welt verdrängte, allgemeines Bürgerrecht zuverschaffen. Predigt man die neue Lehre auch allerorten, so ist sie doch nur wenigen wirklich in Fleisch und Blut gedrungen. Hält sich nicht jeder einzelne, mit den wenigen Ausnahmen innerlich bescheidener Menschen, für das wichtigste Glied seiner besonderen Gemeinschaft, nicht für nur einen unter Millionen, und gibt es nicht heute noch Herrscher, die meinen, daß von ihnen allein alle Macht ausgehe, während auch sie regiert werden, wie sie regieren, Glieder sind in einer Reihe von Verkettungen mächtigerer Einflüsse, als sie sie jemals üben können! So vermögen es sich auch nur wenige vorzustellen, daß diese so unfaßbar große Erde nur ein kleines Glied in einer höheren Organisation sein solle, in dem Planetensystem, wo Weltkörper, zum Teil noch viel größer als unsere Erde, Spielbällen gleich, mit ihr gemeinschaftlich um die Sonne kreisen, von ihr in jeder Sekunde um viele Kilometer weit durch den leeren Raum getrieben. Ein ungeheurer Gedanke, von dem man wohl begreifen kann, daß er Jahrhunderte braucht, um selbst in hervorragenden Köpfen ganz zur Reife zu kommen.
DasWeltsystem des Ptolemäuswar dagegen menschlich viel verständlicher. In demMünchener Deutschen Museum, das sich den Physiksaal der Berliner Urania, vielfach vergrößert und vervollkommt, zum Vorbild genommen hat, ist ein sehr anschauliches, bewegliches Modell des ptolemäischen Weltsystems ausgestellt (Abb. 1). Wir sehen, wie die Erde im Mittelpunkte ruhig steht, und wie von ihr eine Reihe von Stangen ausgeht, die die Planeten tragen. Zu diesen gehörten damals auch Sonne und Mond. Diese beiden sind in dem Modell unmittelbar an den Enden der um die Erde laufenden Stangen befestigt; dagegen trägt das Ende der andern für Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn bestimmten Stangen je wieder einen Stangenast, der sich seinerseits um das Ende der ersteren Stange in gewissen, für jeden Planeten verschiedenen Zeiträumen dreht. Erst am Ende dieser Stangenäste befinden sich die Planeten, die sich also einmal um einen leeren Punkt (am Ende jener mit der Erde unmittelbar verbundenen Stange) und erst mit diesem um die Erde selbst drehen. Wir können mit eigener Hand das ganze System in Bewegung setzen, und das Modell demonstriert uns dannad oculos, daß es wirklich so geht, daß man nämlich die Bewegungen der Planeten, wie wir sie mit diesen selben Augen am Himmel beobachten, durch eine relativ einfache, mechanische Vorrichtung nachahmen kann. Weshalb sollten die Alten, dievon den wahren Wirkungen der Naturkräfte noch so wenig wußten, sich nicht denken können, von der Erde gingen derartige Stangen aus, die an Gelenken oder Ästen die Planeten trugen, während alles von einem geheimnisvollen Uhrwerk im tiefsten Innern der Welt umgetrieben wurde?
Abb. 1.
Abb. 1.
Die Gelenke, an denen sich die Planeten befanden, waren dadurch notwendig geworden, weil man gesehen hatte, daß diese »Wandelsterne« nicht wie Sonne und Mond immer in gleicher Richtung den Himmel umwandelten, sondern zuweilen in ihrem Laufe stillstanden, zurückgingen, »rückläufig« wurden, wie man es auch heute noch nennt, wieder stillstanden und dann erst ihren gewöhnlichen Lauf von neuem aufnahmen.Dies konnte man durch jene doppelte Bewegung ohne weiteres erklären. Das Modell zeigt es. Wenn der Planet an seiner Gelenkstange, wie ich sie einmal ganz einfach nennen will, gerade zwischen dem Punkte, um den er sich an dem Gelenke dreht, und der Erde vorbeikam, so bewegte er sich in umgekehrter Richtung wie der Gelenkpunkt selbst, der gleichmäßig um die Erde läuft. Der Planet wurde rückläufig. Wenn er aber jenseits stand, so summierten sich beide Bewegungen, der Planet lief schneller als gewöhnlich, und zwarrechtläufig; zwischen beiden Stellungen lagenStillstandspunkte, in denen sich der Planet an seinem Gelenk entweder gegen die Erde hin oder von ihr weg bewegte. Den um die Erde selbst beschriebenen Kreis nannte man denDeferenten, den Kreis, den der Planet um seine Gelenkstange beschrieb, deren Bewegungspunkt auf der Peripherie des Deferenten um die Erde lief, bezeichnete man alsEpizykel. Je nach der Auswahl der Größe dieser Kreise und der Bewegungsgeschwindigkeiten auf ihnen gelang es, die beobachtetenSchleifenbildungender Planeten am Himmel durch solch einen Uhrwerkmechanismus nachzuahmen. Mehr konnte man damals nicht verlangen. Ptolemäus hatte die Planetenbewegungen durchaus befriedigend »beschrieben«.Abb. 2zeigt diesen Mechanismus in einer handgreiflichen Konstruktionsweise.
Abb. 2. Epizyklischer Bewegungsmechanismusnach Ptolemäus.
Abb. 2. Epizyklischer Bewegungsmechanismusnach Ptolemäus.
Ob die Dinge sich wirklich so verhielten, wie es diese Konstruktion darstellte, darüber hat sich Ptolemäus niemals ein Urteil erlaubt. Er blieb als echter beschreibender Forscher durchaus auf dem Standpunkte stehen, den ihm die Kenntnisse seiner Zeit anwiesen, und stellte seine Annahme nur als eine »Arbeitshypothese« hin, auf deren Basis weiter geforscht werden konnte. Im Gange einer exakten Forschung sind immer drei Stufen hervorgetreten. Die erste erforscht das »Was«, die zweite das »Wie« und die dritte erst das »Warum«. Ptolemäus stand noch auf der Stufe, die zu erforschen hatte, was am Himmel vor sich ging, und dies brachte er in eine mathematisch leicht zu übersehende und nachzubildende Form. Wie diese Bewegungen in Wirklichkeit stattfanden, und warum sie geradeso und nicht anders geschehen konnten, das waren die beiden Stufen, die erst nahezu nach zweitausendjähriger BeobachtungsarbeitKeplerundNewtonersteigen konnten.
Kopernikus, nach dem das neue System benannt werden muß, da er die umwälzende Idee zuerst in eine strenge Form brachte, hatte dennoch jene zweite Forschungsstufe nicht erreicht, und er selbst hat auch niemals Anspruch darauf erhoben. Er hatte nur erwiesen, daß die unbekannten Einrichtungen, die die Planeten bewegten, sich außerordentlich viel einfacher gestalten, wenn man sich die Erde nicht mehr stillstehend, sondern sich um die Sonne drehend dachte, um die auch die andern Planeten, mit Ausnahme des Mondes, sich ebenso wie die Erde bewegten. Dann konnte man alle jene Epizykel mit einem Male aus dem Uhrwerk fortlassen, ohne daß die Wiedergabe der beobachteten Bewegungen darunter leiden mußte. Aber auch Kopernikus konnte gewisse epizyklische Bewegungen noch nicht entbehren, worauf wir hier nicht naher eingehen können. Sein System blieb immer noch recht kompliziert. Es hatte zwar sehr viel mehr Wahrscheinlichkeit für sich als das ptolemäische, konnte aber für seine wirkliche Existenz ebensowenig einen triftigen Grund angeben wie dieses.
Abb. 3. Erklärung der ungleichförmigen Bewegung der Sonne nach Hipparch.
Abb. 3. Erklärung der ungleichförmigen Bewegung der Sonne nach Hipparch.
Namentlich blieben manche Bewegungseigentümlichkeiten unerklärlich, die zum Teil schonHipparch, der Nachfolger des Ptolemäus auf dem astronomischen Lehrstuhl in Alexandrien, entdeckt hatte. Er sah, daß die Sonne sich durchaus nicht gleichmäßig um die Erde bewegte; im Winter lief sie schneller als im Sommer. Da man nun an eine andere als eine Kreisbewegung gar nicht zu denken wagte, weil sie für ihn außerhalb aller mechanischen Erklärungsmöglichkeit lag, so konnte man sich nicht anders helfen, als daß man die Erde doch bereits aus dem eigentlichen Mittelpunkte aller Bewegungrückte. Sobald sie, entsprechend derAbbildung 3, zu dem von der Sonne jährlich beschriebenen Kreise exzentrisch steht, erklärt sich jene jahreszeitlich wechselnde Geschwindigkeit ihrer Umlaufsbewegung. Da man die Ursache aller dieser Bewegungen nicht kannte, und ja auch die epizyklische Bewegung um einen leer gedachten Punkt stattfand, so konnte man sich auch diese Lage des Bewegungszentrums der Sonne außerhalb des Erdkörpers wohl als möglich vorstellen. Nun zeigte auch der Mond diese periodische Beschleunigung und Verlangsamung seiner Bewegung, die wieder nur darzustellen war, wenn man das Zentrum seines exzentrischen Kreises an einen andern Punkt verlegte als das für die Sonne. Und noch dazu zeigte es sich, daß die Lage dieses Zentrums selbst wieder sich in etwa neun Jahren um die Erde bewegte. Ähnliches fand man später auch bei den Planetenbewegungen, die in ihren verschiedenen Stellungen zur Erde ungleiche Schleifen durchliefen. Alle diese Ungleichheiten konnte auch Kopernikus nicht anders erklären, als es schon Hipparch getan hatte. Er blieb an der Überzeugung von der in Wirklichkeit gleichmäßig schnellen Bewegung der Himmelskörper in Kreisen hängen.
ErstKeplerräumte mit allen diesen Schwierigkeiten auf, indem er die exzentrischen Kreise durchEllipsenersetzte. Seine drei Grundgesetze aller Bewegungen im Planetensystem heißen:
1.Alle Planeten bewegen sich in Ellipsen um die Sonne, in deren einem Brennpunkt sie steht.
2.Die Bewegungen in diesen Ellipsen finden so statt, daß die von der Verbindungslinie zwischen Sonne und Planet, dem sogenannten Radiusvektor, beschriebenen Flächen den dazu verwendeten Zeiten proportional sind.
3.Die Kuben der Entfernungen der Planeten von der Sonne verhalten sich wie die Quadrate ihrer Umlaufszeiten.
Mit diesen drei einfachen Gesetzen ließen sich nicht nur alle beobachteten Bewegungen der Planeten auf das genaueste durch die Rechnung wiedergeben, sondern man hatte sogar durch sie ein Mittel gefunden, die relativen Entfernungen im System festzuhalten, worüber man bis dahin nur ganz ungefähre Vermutungen haben konnte.
Kepler hatte entdeckt,wiedie Planeten sich bewegen; warum es so sein mußte, fand kaum fünfzig Jahre späterNewton, indem er nachwies, daß die Ursache aller dieser Bewegungen keine andere sei als die, die auch den Stein aus unserer Hand zur Erde fallen läßt, der allgemeinsten von allen täglichen Erscheinungen. Aus dem einenGesetz der Gravitation oder der allgemeinen Schwere, das besagt, daß alle Körper, welcher Art sie auch seien, alle andern Körper in gleicher Weise anziehen, und zwar so, daß diese Anziehung mit der Masse direkt proportional zu- und mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt, lassen sich die drei Keplerschen Gesetze als logische Folgen mathematisch ableiten. Alle Bewegungen der Körper unseres Planetensystems bis in ihre letzten Feinheiten, die unsere haarspalterische Beobachtungskunst aufdeckt, sind einzig und allein aus diesem einen Gesetze für Jahrhunderte und Jahrtausende in Vergangenheit und Zukunft zu berechnen. Theorie und Erfahrung sind im vollkommenen Einklange miteinander, das Gebäude der Himmelsmechanik steht vollendet da; nur Einzelheiten sind noch auszuarbeiten, besonders, wenn die Erfahrung neue Tatsachen herbeigeschafft hat, die sich aber bisher stets mit der Theorie in Einklang bringen ließen, wenn auch in einzelnen verwickelten Fällen dieser Einklang nicht sofort zu erzielen war. Wir werden im folgenden einige solcher Fälle näher zu betrachten haben, wo eine anfängliche Disharmonie stets in einen neuen Triumph des großen einheitlichen Gesetzes ausklang.
DiesesNewtonsche Weltgebäudeist also nicht als eine unter vielen denkbare Hypothese anzusehen, wie es die vorangehenden Weltansichten waren, sondern als die eine große Wahrheit, zu der alle denkenden Geschöpfe gelangen müssen, als dem letzten Triumph ihrer logischen Kraft, in welchem unbekanntesten Winkel des Weltalls sie auch leben, und wie wenig sie auch sonst uns Menschen gleichen mögen; nur müssen sie Augen haben, die hehren Bewegungen der Gestirne zu sehen. Denn es hat sich herausgestellt, daß auch alle Bewegungen der Gestirne außerhalb unseres Planetensystems, soweit wir sie verfolgen können, nach diesem selben Gesetze stattfinden. Diese Überzeugung, der allgemeinsten Wahrheit zu dienen, erhebt unsern Geist machtvoll über das kleinliche Getriebe der Menschenwelt, die tausend Wahnideen für ewige Wahrheiten nimmt, um sich in ihnen schmerzvoll zu verwirren.
Abb. 4.
Abb. 4.
Unsere Erde ist ein für allemal als ein kleines Glied in diesen wunderbaren Organismus eingereiht. Wähnte das anmaßendeMenschengeschlecht einstmals den größten Teil der Welt zu beherrschen, so müssen sich heute seine Machthaber mehr und mehr an den Gedanken gewöhnen, daß sie nur einen kleinen Teil einer Provinz in einem Reiche, dem der Sonne, verwalten, in dem noch Millionen ähnlicher Weltkörper in den unermeßlichen Räumen des allumfassenden Milchstraßensonnenschwarmes ihren unbekannten Zielen entgegeneilen.
Ob unsere so völlig in der großen Gemeinschaft verschwindende Erdenwelt zu den schöneren und bestorganisierten dieser Weltkörper gehört? Das wäre ein gewisser Trost für das von seinem Thron im erträumten Mittelpunkte der Welt für immer verwiesene Menschengeschlecht.
In einem andern Kosmosbändchen habe ich die Leser zum Monde hinaufgeführt, der uns nächsten außerirdischen Welt. Dabei haben wir gesehen, daß der Mond ein von der Erde sehr verschiedenes Weltwesen ist, dessen Organisation auf keinen Fall die Schönheit und Fülle unserer Erdenwelt aufweisen kann. Wie steht es in dieser Hinsicht mit den übrigen Planeten? Dieses Büchlein soll einen Überblick dessen geben, was unsere moderne Beobachtungskunst über das Wesen der Planeten in Erfahrung bringen konnte, und zugleich versuchen, Freunde der hehren Sternkunde, die über Fernrohre mittlerer Kraft verfügen, anzuleiten, wie sie sich in diese andern Welten vertiefen und mithelfen können, deren Geheimnisse mehr und mehr zu entschleiern.
Überblicken wir zu diesem Zwecke zunächst die Ausdehnung und Anordnung des Planetenreiches! Wir unterscheiden diesonnennahenPlaneten,Merkur,Venus,ErdeundMars, von densonnenfernenJupiter,Saturn,UranusundNeptun, zwischen die sich der Ring kleiner Planeten schiebt. Die relativen Abstände, in denen sich diese Planeten um die Sonne bewegen, können wir nach dem dritten Keplerschen Gesetze ohne weiteres ermitteln, nachdem wir beobachtet haben, in welchen Zeiten sie ihre Umläufe vollenden. Wir finden so, daß Merkurseinen Lauf um die Sonne durchschnittlich in einem Abstande ausführt, der nur ungefähr vier Zehntel unseres Abstandes von der Sonne beträgt. Dieser Abstand der Erde von der Sonne ist die Maßeinheit, die Meile, der Zoll oder Millimeter, mit dem die Astronomen alle Entfernungen im Weltgebäude ausmessen, solange diese nicht doch immer noch zu groß werden für diesen Maßstab. Genauere Zahlen werden später folgen. Die ungefähren Abstände sind in der gleich folgenden Tabelle mitangegeben. Die nebenstehendeAbb. 4veranschaulicht die Verhältnisse des Sonnensystems.
Man sieht, wie die Zwischenräume der Planeten untereinander mit ihrer Entfernung von der Sonne beständig wachsen. Man hat eine einfache Regel dafür gefunden, die aber nicht ganz genau innegehalten wird und namentlich für den letzten, Neptun, sehr schlecht stimmt. Man nennt sie dieBode-TituiusscheRegel. In folgender kleinen Tabelle ist sie mit der Wirklichkeit verglichen.
Wir sehen, daß die Faktoren von 0,3 sich mit jedem Planeten verdoppeln. Nur zwischen Mars und Jupiter fehlt der Faktor 8, der, hier eingesetzt, etwa die Mitte der Gruppe der kleinen Planeten angibt. Sehen wir vom Neptun mit seiner großen Abweichung ab, so ist nach dieser Regel wohl anzunehmen, daß eine bestimmte Gesetzlichkeit beim Aufbau unseres Systems stattfand, die nur im Laufe der ungezählten Jahrmillionen, die seither verflossen sind, sich durch unbekannte Einflüsse verwischt hat. Beim sonnenfernsten Planeten sind diese Einflüsse am bedeutendsten gewesen. Trennen auch sehr große Abstände unser System von dem der anderen Sonnen im Weltgebäude, so kann deren Einfluß unter Umständen doch im Laufe so großer Zeiten sehr merklich werden. Die nächste der uns bekannten Sonnen steht von der unsrigen eine Viertelmillion mal weiter ab als wir von dieser. Das macht immer noch 4000 Durchmesser unseres ganzen Systems bis zum Neptun aus. Auch diese Sonne, es ist einer der hellstenSterne am südlichen Himmel, für uns leider nicht sichtbar, Alpha im Zentauren genannt, wird von einer andern Welt umkreist, die selbst eine Sonne ist. Etwaige dunkle Planeten, wie die unsrigen, die vielleicht auch ihn umgeben, könnten wir aus dieser ungeheuern Entfernung längst nicht mehr sehen.
Für so große Entfernungen wird die für unser System gewählte Maßeinheit zu klein. Man nimmt dafür die Zeit, welche das Licht gebraucht, um von dem betreffenden Sterne bis zu uns zu gelangen, während es bekanntlich 300 000 Kilometer in der Sekunde zurücklegt. Bei dieser ungeheuern Geschwindigkeit braucht das Licht der Sonne bis zu uns immerhin schon 8 Minuten, vom Neptun her 4 Stunden und 8 Minuten, aber von jener nächsten Sonne 4,3 Jahre. Von andern Sternen, deren Entfernungen wir längst nicht mehr ausmessen können, dürfen wir vermuten, daß das Licht Tausende von Jahren braucht, um uns ihre Existenz anzuzeigen.
Wie klein ist solchem Maßstab gegenüber unsere Erdenwelt geworden! Es wäre nur eine Spielerei mit Zahlen, wollten wir solche Dimensionen in menschliche Maße übersetzen. Eine Anschauung könnten uns solche Zahlen selbst für das Planetensystem nicht mehr geben. Für viele wichtige Untersuchungen über die Einrichtungen unserer Planetenwelt und der in ihnen wirkenden Kräfte im Vergleich zu denen auf der Erde ist es aber dennoch von großem Werte, die Entfernungen in unserm System nach einem Maße zu bestimmen, mit dem wir auch die Größe unserer Erde ausmessen können, um diese Größe jenen gegenüberzustellen. War es nun, nach Kenntnis des dritten Keplerschen Gesetzes, ein leichtes, die relativen Entfernungen festzustellen, wie sie weiter oben angegeben sind, so blieb dagegen die Ausmessung der Sonnenentfernung, mit der dann alle andern Dimensionen ohne weiteres gegeben waren, in einem Maßstabe, den wir in Händen haben, also zum Beispiel dem Meter, eine außerordentlich schwierige Aufgabe. Von ihr habe ich schon in meinem Kosmosbändchen »Sonne und Sterne«, Seite 9 u. f., gesprochen. Man nennt solche Ausmessung die Bestimmung derSonnenparallaxe. Das ist der Winkel, unter dem der Halbmesser unserer Erde, aus der Entfernung der Sonne gesehen, erscheinen würde. Man hat ihn nach jahrzehntelangen, mühevollen Arbeiten, an denen sich die Astronomen aller Länder beteiligen mußten, zu 8,80 Bogensekunden gefunden, wonach die Sonne durchschnittlich 149 500 000 Kilometer von uns absteht. Aus dieser Zahl kanndann der Leser, wenn es ihm Vergnügen macht, die Millionen von Kilometern berechnen, welche die übrigen Planeten von der Sonne trennen. Wir brauchen im folgenden diese Zahlen nicht und werden sie auch nur gelegentlich anführen. Dagegen interessiert es uns schon mehr zu erfahren, daß etwa 11 700 Kugeln von der Größe unserer ganzen Erdenwelt aneinandergereiht werden müßten, um eine Brücke von uns bis zur Sonne zu bilden.
Sehr merkwürdig ist es, daß die Planeten nahezu in einer Ebene angeordnet sind, daß sie sich also alle nicht sehr über die Ebene erheben können, in der die Erde um die Sonne läuft, und die man alsEkliptikbezeichnet. Diese Anordnung verrät ohne weiteres eine innere Zusammengehörigkeit, einen gemeinsamen Ursprung. Indes zeigen doch nur die großen Planeten solche geringen Abweichungen; die größte unter ihnen besitzt der kleinste und sonnennächste, Merkur, dessen Bahnebene gegen die der Erde um 7 Grad geneigt ist. Nach ihm zeigt die größte Abweichung der sonnenfernste, Neptun, mit 4 Grad. Für die andern Planeten findet man später entsprechende Zahlenangaben. Von den kleinen Planeten können einige sich um mehr als 30 Grad aus der Ebene der Ekliptik erheben, wie sich denn bei diesem eigentümlichen Schwarm von Weltkörperchen manche Besonderheiten zeigen, die uns noch beschäftigen werden. Um eine Anschauung für diese Neigungsverhältnisse zu gewinnen, mag man sich vorstellen, daß eine Schachtel von einem Meter Durchmesser, in der man ein Modell des Sonnensystems mit den großen Planeten allein verpacken wollte, eine Höhe von 12 Zentimetern haben müßte, aber nur von 6 Zentimetern, wenn man Merkur ausschließen würde. Wollte man dagegen auch die kleinen Planeten mitnehmen, so müßte die runde Schachtel beinahe halb so hoch sein, als ihr Durchmesser lang ist.
Außer diesen kleinen Planeten umkreisen die Sonne auch noch vieleKometen, von denen ich die Leser des Kosmos schon in einem besonderen Bändchen unterhalten habe. Darin sprach ich auch von der Lage ihrer Bahnebenen, die bei den nichtperiodischen, d. h. den nicht nachweislich wiederholt unser Sonnensystem besuchenden, Kometen alle Winkel zur Ekliptikebene haben können. Es kommen also Kometen auch gelegentlich senkrecht auf die Ekliptik herab. Die periodischen Kometen, die zu unserm System in einem festen Verhältnis stehen, haben meistens geringere Neigungen; doch ist unterihnen auch einer, der von Pons-Brooks, mit einer Periode von 71 bis 72 Jahren, der sich um 74 Grad über die Ekliptik erhebt.
Endlich gehören noch zum Sonnensystem dieSternschnuppenringe, denen wir zu bestimmten Jahreszeiten begegnen, und vorübergehend die Meteore, die wir gelegentlich in unsere Atmosphäre schlagen sehen. Auch mit ihnen hat sich das vorhin erwähnte Kosmosbändchen befaßt, ebenso behandelte ich in dem Bändchen »Sonne und Sterne« den Hauptkörper unseres Systems selbst und schließlich auch den Mond unserer Erde, so daß zur Vervollständigung des Bildes unseres Sonnenweltreiches nur noch die Planeten selbst mit ihren Monden fehlen, die wir uns hier näher anschauen wollen.
Beginnen wir beim sonnennächsten Planeten,Merkur, der, wie wir schon wissen, die Sonne nur etwa in vier Zehnteln unserer eigenen Sonnenentfernung, genauer 0,3871, umkreist. Wir verstehen es deshalb, daß er sich auch für unsern Standpunkt niemals weit von der Sonne entfernen kann. Steht er in seiner Bahn, von uns aus gesehen, am meisten rechts oder links, westlich oder östlich von der Sonne, so können wir zwischen den drei Gestirnen ein rechtwinkliges Dreieck konstruieren, in dem offenbar die eine Seite 0,4 lang ist, wenn die andere gleich 1 gesetzt wird. Daraus folgt dann, daß Merkur in dieser günstigen Stellung doch nur etwa 25 Grad von der Sonne entfernt steht. In Wirklichkeit schwankt dieser Winkel, die östliche oder westlicheElongationgenannt, zwischen 18 und 27 Grad. Da infolge der täglichen Umdrehung der Erde alle Gestirne zwischen Aufgang und Untergang in einer Stunde 30° zurücklegen, so geht also Merkur im günstigsten Falle nicht viel mehr als eine halbe Stunde vor der Sonne auf oder nach ihr unter. Die günstigste Stellung der Gestirne zueinander findet aber nur alle 116 Tage einmal statt und hält dann kaum länger als je eine Woche an. Während dieser Zeit kann Merkur sogar auffallend hell am Abend- oder Morgenhimmel leuchten, aber doch nur immer ziemlich tief am Horizonte, und man begreift es deshalb wohl, daß ihn nicht viele Menschen mit bloßem Auge in dem Bewußtsein, daß es Merkur war, gesehen haben. Er erscheint dann als hellstrahlender, etwas gelblicher Stern, der ein unruhigeres Licht hat, als man es sonst bei den Planeten zu sehen gewohnt ist. Es zeugt von nicht geringer Beobachtungsgabe, daß die Alten schon seit undenklichen Zeiten dieses Gestirn kannten undseinen Lauf für ihre Verhältnisse gut bestimmten. Freilich liegen die Anfänge der astronomischen Beobachtungskunst in jenen südlichen Ländern, in denen nicht so oft wie in Deutschland neidische Wolken gerade in den günstigen Perioden jeden Ausblick zu den Himmelswelten vereiteln.
Unsere modernen Beobachtungswerkzeuge erlauben es, Merkur auch am Tage aufzufinden und seine wechselnde Lage zur Sonne, beziehungsweise zu einem festen Punkte am Himmel zu bestimmen, wenn der Planet dem strahlenden Tagesgestirne nicht gar zu nahe gekommen ist. Man hat dabei gefunden, daß Merkur, wie alle Planeten, nicht in einem Kreise, sondern in einer Ellipse um die Sonne läuft. Beim Merkur ist diese Abweichung von der Kreisbahn am größten unter allen großen Planeten. Das Maß für diese Abweichung von der Kreisbahn ist dieExzentrizität. Sie wird durch den längsten und kürzesten Durchmesser der Ellipse, ihregroße und kleine Achse, bestimmt. Nennt man diese beiden Längenaundb, so ist die Exzentrizität gleicha–b, dividiert durcha. Diese Größe ist bei Merkur gleich 0,206. Nach dem uns schon bekannten ersten Keplerschen Gesetze befindet sich die Sonne nicht im Mittelpunkte der Bahnellipse, sondern in einem ihrer beiden Brennpunkte. Wir wollen uns hier nicht damit aufhalten zu ermitteln, wie diese Punkte mathematisch zu finden sind, aber es interessiert uns der Umstand, daß die beiden Verbindungslinien, von irgendeinem Punkte der Ellipse zu den Brennpunkten hin zusammengenommen, immer eine für dieselbe Ellipse unveränderliche Größe haben, die gleich der Länge der großen Achse ist. Die Verbindungslinie, die nach dem Brennpunkte führt, worin sich die Sonne befindet, heißt derRadiusvektor. Die Richtung, nach der er am kürzesten, der Planet der Sonne also am nächsten ist, nennt man die Richtung desPerihelsoder, ganz fachmännisch, wenngleich recht unpassend ausgedrückt,die Länge des Perihels, weil man es sich angewöhnt hat, die auf der Kreislinie der Ekliptik gezählten Bogenstrecken Längen zu nennen. Wir begreifen es leicht, daß diese Beziehungen der Planeten zur Sonne, die sich durch ihreBahnelementeausdrücken, von großer Bedeutung für die physischen Verhältnisse ihrer Oberflächen sein müssen, mit denen wir uns noch eingehend zu beschäftigen haben. Deshalb war es unumgänglich, diese kleine mathematische Exkursion vorher zu machen.
Abb. 5. Neigung und Knotenlinie zweier Planetenbahnen.
Abb. 5. Neigung und Knotenlinie zweier Planetenbahnen.
Zu den uns schon bekannten Bahnelementen, der großenAchse, der Exzentrizität und der Länge des Perihels, kommen nun noch dieNeigung der Bahn, das ist der Winkel, den die Bahnebene mit der Ekliptik macht, ferner die Richtung, wo sich beide Bahnen kreuzen (Abb. 5), die sogenanntenKnotenlängen, aufsteigende dort genannt, wo der Planet von Süden nach Norden die Ekliptik passiert, dann die Zeit, wann er einmal durch sein Perihel gegangen ist,Perihelzeit, und endlich seineUmlaufszeit. Eigentlich müßte noch die Richtung angegeben werden, in der sich die Körper in ihren Bahnen bewegen, diese ist aber für alle Planeten dieselbe, nur einige Monde, die um sie kreisen, bewegen sich in entgegengesetzter Richtung.
Abb. 6. Phasen und Größenverhältnisse des Merkur.
Abb. 6. Phasen und Größenverhältnisse des Merkur.
Alle diese Bahnelemente konnten für Merkur ebenso genau ermittelt werden, wie für die andern, für die direkte Beobachtung günstiger gestellten Planeten, da wir ihn zur Bestimmung seiner Lage am Himmel auch am Tage beobachten können. Wir bemerken dabei, daß er eine mit seiner Stellung zur Sonne wechselnde Gestalt besitzt. Er zeigtPhasenwie der Mond. Während dieser aber dabei immer dieselbe Größe beibehält, wenn wir von den Resultaten genauer Messung absehen, so wechselt der Durchmesser der Merkurphasen dagegen sehr beträchtlich. Unsere Kenntnis von der Bahnlage des Merkur erklärt uns dies sofort, nachdem wir an den Phasenselbst erkannten, daß Merkur ein an sich dunkler Körper, wie die Erde und der Mond, sein muß, der sein Licht von der Sonne erhält. Die nebenstehendeAbb. 6erleichtert die Anschauung der wechselnden Beleuchtungs- und Größenverhältnisse. Geht Merkur in seiner Bahn ungefähr zwischen uns und der Sonne vorüber, so steht er uns am nächsten, wendet uns aber seine unbeleuchtete Seite zu. Steht er noch etwas westlich, rechts von der Sonne, so hat seine Sichel die Gestalt des abnehmenden Mondes und ist zugleich am größten. Dann verschwindet der Planet für einige Zeit in den Strahlen der Sonne, aus denen er dann östlich, links, wieder als zunehmende Phase auftaucht. Diese wächst während dessynodischen Umlaufs, wie man die Zeit nennt, die zwischen zwei gleichen Zusammenkünften,Konjunktionen, des Planeten mit der Sonne verläuft, noch immer weiter. Jenseits der Sonne, in derunteren Konjunktion, wie man diese im Gegensatze zu der eben betrachtetenoberennennt, würde uns dann der Planet als volle Scheibe erscheinen, wenn man ihn überhaupt noch sehen könnte. Nachdem er hinter der Sonne vorbeigegangen ist, nimmt er wieder ab, wird aber zugleich im Durchmesser größer, bis seine zuerst betrachtete Lage zu uns und der Sonne wieder eintritt. Dieses Spiel wiederholt sich durchschnittlich alle 116 Tage, ein Zeitraum, der also die synodische Umlaufszeit des Merkur darstellt. Da der mittlere Abstand des Merkur von der Sonne 0,4 ist, wenn wir den der Erde gleich 1 setzen, so kann der Planet uns bis auf 1 – 0,4 also 0,6 nahekommen und sich auf 1 + 0,4, also 1,4 entfernen; sein Durchmesser schwankt daher zwischen 0,6 und 1,4 einer bestimmten Mittelgröße. Die direkte Messung ergibt für diese Größen etwa 12 und 5 Bogensekunden, was dem obigen Verhältnis entspricht. Um eine Vorstellung zu gewinnen, was solche Größen bedeuten, füge ich hinzu, daß eine Scheibe von 1cmDurchmesser in eine Entfernung von 206mgestellt werden müßte, damit sie unter einem Winkel von 10′′ erscheint. In dieser Entfernung kann man die Scheibe natürlich längst nicht mehr als solche mit dem bloßen Auge unterscheiden. Ist sie sehr leuchtend, so erkennt man sie als strahlenden Punkt, eben wie den Merkur am Himmel. Wendet man aber ein Fernrohr mit 200facher Vergrößerung an, so rückt die Scheibe bis auf einen Meter zu uns heran, und jeder kann sich durch den Versuch davon überzeugen, daß man nun ihre Scheibenform deutlich wahrnimmt. Auch wenn wir die Scheibe nur 5mmgroß machen, wobei sieden Merkur in seiner größten Entfernung von uns vertritt, erkennt man noch die leuchtende Fläche.
In unserm Bändchen über den Mond haben wir uns schon etwas eingehender mit den Eigenschaften der Fernrohre beschäftigt und dabei gefunden, daß ein etwa 200fach vergrößerndes Fernrohr eine Länge oder Brennweite von nur 1mzu haben braucht. Dies stellt ungefähr die unterste Grenze der optischen Kraft dar, welche man nötig hat, um mit einiger Deutlichkeit gewisse Einzelheiten auf den Planeten wahrzunehmen. Ein Fernrohr aber von 2½mBrennweite und etwa 208mmObjektivöffnung zeigt bei gutem Luftzustande einem geübten Auge schon fast alles, was auch die größten Instrumente im Reiche der Planeten zu sehen vermögen, denn die weitere Verstärkung der Sehmittel dient von dieser Grenze ab hauptsächlich nur der Erhöhung der Lichtstärke; an Licht aber fehlt es den Planeten nicht.
Es mag hier interessieren, in welchen Preislagen solche Instrumente heute zu erhalten sind, die uns in die Welt der Planeten mit Vorteil einführen können. Ich wähle den Katalog vonZeißinJena, einer Firma, die als die teuerste gilt, aber auch als die zuverlässigste für die Lieferung unzweifelhaft erstklassiger Erzeugnisse. Ein einfaches Fernrohr, das etwa der untersten Grenze der betreffenden Anforderungen entspricht, mit 103cmBrennweite und 70mmÖffnung, dessen Okulare aber nur bis zu 114facher Vergrößerung gehen, kostet M 445.–. Solch ein Fernrohr ist nur horizontal und vertikal beweglich. Man kann damit nur Sterne unmittelbar auffinden, die auch schon mit bloßem Auge deutlich zu sehen sind. Fernrohre mit Einstellkreisen und sogenannter parallaktischer Aufstellung sind gleich viel komplizierter und deshalb teurer, erlauben aber die Auffindung jedes Sternes, der ihrer optischen Kraft noch zugänglich ist, wenn man seinen Ort am Himmel nach den Angaben der betreffenden Verzeichnisse kennt. Ein Fernrohr von der gleichen Größe, wie das vorhin angegebene, kostet schon M 800.–. Ihm stelle ich ein parallaktisch montiertes und mit allem erwünschten Zubehör versehenes Fernrohr von 2,6mBrennweite und 175mmÖffnung gegenüber, das also bei 520facher Vergrößerung etwa die obere Grenze des für Freunde der Sternkunde noch Erwünschten darstellt und M 9950.– kostet. Dies, wie gesagt, nur zur ungefähren Orientierung.
Würde man aber auch mit dem vorzüglichsten Fernrohrden Merkur betrachten, wenn er sich so nahe dem Horizonte befindet, wie man ihn erst mit bloßem Auge sehen kann, so wird man recht enttäuscht sein. Statt einer leuchtenden Scheibe oder Sichel, die man erwartet hatte, sieht man meist nur eine Art von Flamme, die unruhig im Winde hin und her zu flackern scheint. Wenn die aus dem Weltraum in unsere Atmosphäre dringenden Lichtstrahlen sie so schräg durchschneiden müssen, wie es bei tiefem Stande des Gestirns geschieht, so haben sie sehr viel mehr Luft zu durcheilen als bei graderem Eindringen. Durch Brechung in dieser Luft wird der Lichtstrahl von seinem geraden Wege abgelenkt, und dies geschieht bei verschiedenen Temperaturen der Luft in verschiedenem Maße. Da die Luft nun beständig bewegt ist, so wird der Strahl durch die Luftströmungen in der Tat wie eine Flamme hin und her geworfen; es entstehen »wallende« Bilder, die jede Beobachtung von Einzelheiten vereiteln. Sehr selten, nur während weniger Stunden im Jahre, herrschen selbst bis in die oberen Luftregionen so ruhige und gleichmäßige Zustände, daß das Bild des Merkur im Fernrohr keine merklich wallenden Ränder mehr zeigt. Nur auf hohen, isolierten Bergen, wo der Lichtstrahl über den unruhigen Dunstschichten bleibt, die sich unmittelbar auf die ungleich erwärmte Erdoberfläche lagern, oder auf Inseln, wo über der Meeresfläche ausgeglichenere Temperaturen herrschen, wie z. B. auf Capri, sind brauchbare Bilder im Fernrohr häufiger anzutreffen.
Für den Besitzer eines Fernrohrs, das gestattet, Merkur auch schon am Tage aufzufinden, gestalten sich die Dinge dagegen wesentlich besser. Aber auch dann bleibt Merkur stets ein undankbares Objekt. Bei voller Tageshelle überdeckt der blaue Schleier der Luft das Bild und hindert jede Möglichkeit, etwa Einzelheiten auf dem Planeten zu entdecken. Es bleibt dann nichts anderes übrig als die Form der Sichel zu verfolgen und, wenn man über ein Mikrometer am Fernrohr verfügt, die von Tag zu Tag wechselnde Größe des Durchmessers zu konstatieren. Sobald derTagsich zur Dämmerung neigt, und das Licht des Planeten entsprechend zuzunehmen scheint, steigt er auch gleichzeitig mehr und mehr zum Horizont hinab. Weder Messungen noch Beobachtungen irgendwelcher Art sind noch möglich.
Die unter günstigsten Bedingungen ausgeführten Messungen haben ergeben, daß der Durchmesser des Merkur in seiner mittleren Entfernung von der Sonne gleich 6,59′′ ist, worausman dann findet, daß seine Kugel 4780kmhält, gegen 12 700 bei der Erde. Merkur ist also im Durchmesser etwa dreimal kleiner als unsere Erdenwelt, seine Oberfläche enthält 71 800 000qkm, sie ist also siebenmal so klein wie die der Erde und kommt etwa dem Flächeninhalt von Asien und Afrika zusammengenommen gleich. Aus dem körperlichen Inhalt seiner Kugel und der seiner Masse proportional steigenden Anziehungskraft, die wir ihn nach außen hin ausüben sehen, können wir ermitteln, daß die Materie, aus der er aufgebaut ist, nur wenig (1,05) dichter ist als die der Erde. Man hat nicht finden können, daß diese Weltkugel nach einer Seite hin abgeplattet ist, daß also ihr Durchmesser nach einer bestimmten Richtung kleiner sei als in den andern, wie es bekanntlich bei der Erde der Fall ist. Aber wir müssen hinzufügen, daß unsere Messungsmittel nicht ausreichen würden, eine Abplattung, wie die der Erde, am Merkur noch zu entdecken, wenn er sie wirklich besitzen sollte.
Diese verhältnismäßig kleine Weltkugel bewegt sich in 87,96926 Tagen um die Sonne, und aus dem Umfang der dabei beschriebenen Bahn können wir berechnen, daß der Planet in dieser seiner »Jahresbewegung« 47kmin jeder Sekunde zurücklegt.
Die bisher gegebenen Daten über die sonnennahe Welt des Merkur waren mit ziemlich großer Genauigkeit zu ermitteln. Dem Wunsche aber, noch tiefer in ihr Wesen einzudringen, stellen sich jene obenerwähnten Beobachtungsschwierigkeiten entgegen. Wir hätten gern erfahren, ob sich auf Merkur auch Festländer und Meere, Berge und Tiefländer befinden, ob eine Atmosphäre wie bei uns Wolken und Winde hervorbringt, und ob auch dort ein Wechsel von Tag und Nacht, von Sommer und Winter herrscht. Alle diese Fragen würden sich durch die Beobachtung von Flecken beantworten lassen, die man etwa auf seiner Scheibe oder Sichel erkennen und in ihren Bewegungen verfolgen würde. Aber gerade wenn der Planet uns am nächsten steht, und man solche Einzelheiten also am besten sehen würde, wendet er uns seine unbeleuchtete Seite bis auf jene schmale Sichel zu, auf der es selbst bei den besten atmosphärischen Verhältnissen schwer ist, irgend etwas zu entdecken. Dennoch glauben einige wenige, besonders begünstigte Beobachter Streifen und Flecken bemerkt zu haben, deren Aussehen immer gleich bleibt, die also einer festen Oberfläche angehören würden. Insbesondere hatSchiaparelli, jener namentlichdurch seine Marsforschungen berühmte Mailänder Astronom, als Frucht langjährigen Studiums unter dem reinen italienischen Himmel die untenstehende »Karte des Merkur« (Abb. 7) entworfen. An die Verfolgung dieser Flecke hat sich eine eigentümliche Kontroverse geknüpft, die auch heute noch nicht entschieden ist.
Abb. 7. Merkur,gezeichnet von Schiaparelli in Mailand.
Abb. 7. Merkur,gezeichnet von Schiaparelli in Mailand.
Wenn Merkur sich um eine Achse dreht wie die Erde und dadurch auf seiner Oberfläche einen Wandel von Tag und Nacht hervorbringt, so müssen sich diese Flecke langsam über die Scheibe des Planeten hinbewegen, wie wir es bei Mars und Jupiter deutlich sehen. Findet die Umdrehung,Rotation, in etwa derselben Zeit statt, wie die der Erde, also in 24 Stunden, so mußte die betreffende Oberflächenzeichnung, die etwa auf der schmalen Sichel noch zu erkennen war, während einer Reihe von aufeinanderfolgenden Beobachtungstagen immer dieselbe sein, weil die Zeiten, in denen man Merkur überhaupt nur beobachten konnte, eben auch immer nahezu 24 Stunden oder ein Mehrfaches davon zwischen sich hatten. Dies glaubte man nun in der Tat, auch schon lange vor Schiaparelli, beobachtet zu haben, und man schloß also, daß die Tageslänge auf dem Merkur ungefähr der unsrigen gleich sei. Aber man hatte damit voreilig geschlossen. Denn auch wenn sich Merkur inzwischengar nichtweiter um sich selbst gedreht hatte, mußte dieselbe Erscheinung eintreten. Daß dies aber wirklich stattfindet, glaubt nun Schiaparelli sicher erkannt zu haben, indem er den Planeten auch während mehrerer Tagesstunden verfolgen konnte, wobei die Flecke immer an derselben Stelle blieben. Danach würde also Merkur der Sonne stets dieselbe Seite zukehren, wie es zwischen Erde und Mond stattfindet.An sich wäre dies wohl möglich, denn diese Übereinstimmung zwischen Umlaufs- und Umschwungsbewegung ist eine Folge der besonderen Anziehung, welche wir als Ebbe und Flut bei uns wahrnehmen, und die zwischen Sonne und Merkur einstmals ebenso gewirkt haben muß, wie zwischen Erde und Mond.
In neuerer Zeit sind nun aber Zweifel darüber entstanden, ob die an sich wohl zu erkennenden Flecke, die zu diesen Schlüssen führten, nicht überhaupt auf optischen Täuschungen beruhen, woraus wir noch bei Venus zurückkommen. Die Frage der Tageslänge auf Merkur muß also einstweilen noch als unentschieden gelten, wie so vieles andere noch bei diesem Planeten, der die schwierigsten Beobachtungsverhältnisse von allen übrigen aufweist.
Schiaparelli glaubte auch gelegentlich helle Flecke auf Merkur zu sehen, die als Wolken aufgefaßt werden könnten. Dann besäße er also auch eine Atmosphäre. Hierüber kann nur unter Umständen noch ein anderes Instrument Aufschluß geben, das uns über die chemische Beschaffenheit der Materie, die der zu untersuchende Lichtstrahl durchdringt, Mitteilung macht, dasSpektroskop. Im Spektrum der Sonne treten gewisse »atmosphärische Banden« auf; je tiefer sie steht, desto mehr Luft haben ihre Strahlen also zu durchdringen. Sie müssen also dem Einfluß unserer irdischen Luft zugeschrieben werden. Diese Banden treten deshalb bei allen Himmelskörpern in entsprechender Weise auf, sie gehören ihnen nicht an. Würden nun im Spektrum des Merkur noch andere Banden erkannt, wie diese, so folgte daraus, daß das zurückgeworfene Sonnenlicht vorher noch andere Gasschichten durchdrungen haben müßte, die dann einer Merkuratmosphäre angehörten. Solche andern Banden sind aber im Merkurspektrum nicht nachzuweisen, höchstens glaubteVogelAndeutungen gefunden zu haben, daß jene atmosphärischen Banden sich verbreiterten, wenn vom hellen Himmelsgrunde, der jene atmosphärischen Banden zeigt, das Spektroskop auf Merkur gerichtet wurde. Daraus würde folgen, daß der Planet eine der irdischen gleiche Lufthülle besäße; aber, wie gesagt, auch hier bleiben die Beobachtungen höchst unsicher.
Einen, wenn auch nur ganz allgemeinen Aufschluß über die Oberflächenbeschaffenheit eines lichtreflektierenden Körpers kann die Bestimmung der zurückgeworfenen Lichtmenge im Vergleich zu der ursprünglich ihr zugestrahlten geben. Es ist klar,daß ein spiegelndes Metall mehr Licht zurückwirft als rauhes Gestein, und daß dieses wieder, je nach seiner Färbung, heller oder dunkler erscheint. Ein absolut schwarzer, rauher Körper verschluckt alles Licht. Würde ein Planet etwa aus Kohle bestehen, so könnten wir ihn überhaupt nicht sehen. Man hat zum Messen der Lichtmengen, die uns ein leuchtender Körper zusendet, besondere Instrumente,Photometer, erfunden, und die sich ihrer bedienende Wissenschaft derPhotometriehat sehr wertvolle Beiträge zur Kenntnis der Himmelskörper geliefert. Für Merkur sagte sie uns aus, daß seine Oberfläche nur 0,14 der ihm zugestrahlten Lichtmenge zurückgibt, und daß dieses Verhältnis, dieAlbedogenannt, dem beim Monde gefundenen nahekommt. Danach hätten wir anzunehmen, daß die Oberfläche des Merkur ebenso rauh sei wie die des Mondes, und daß keine merkliche Atmosphäre diese Beleuchtungsverhältnisse modifiziert. Wäre Merkur von einer mit Wolken teilweise bedeckten Atmosphäre umgeben, so müßte er viel mehr Licht zurückwerfen, und namentlich müßten auch die Helligkeiten in den verschiedenen Phasen in anderer Weise wechseln, als es geschieht.