Achtes Kapitel.

Achtes Kapitel.Am Tage darauf erschien das ganze zahlreiche Heer der Goten vor der ewigen Stadt, die es in sieben Lagern umschloß.Und nun begann jene denkwürdige Belagerung, die nicht minder das Feldherrntalent und die Erfindungsgabe Belisars als den Mut der Belagerer entfalten sollte.Mit Schrecken hatten die Bürger Roms von ihren Mauern herab mit angesehen, wie die Scharen der Goten nicht enden wollten. »Sieh hin, o Präfekt, sie überflügeln alle deine Mauern.« – »Ja! in die Breite! laß sehen, ob sie sie in der Höhe überflügeln. Ohne Flügel kommen sie nicht herüber.«Nur zwei Tausendschaften hatte Witichis in Ravenna zurückgelassen, acht hatte er unter den Grafen Uligis von Urbssalvia und Ansa von Asculum nach Dalmatien ent[pg 242]sendet, diese Provinz und Liburnien den Byzantinern zu entreißen und zumal das wichtige Salona wieder zu gewinnen; durch Söldner, in Savien geworben, sollten sie sich verstärken.Auch die gotische Flotte sollte – gegen Tejas Rat! – dort, nicht gegen den Hafen von Rom, Portus, wirken.Den Umkreis der Stadt Rom aber, und ihre weit hinausgestreckten Wälle, die Mauern Aurelians und des Präfekten, umgürtete nun der König mit einhundertundfünfzig Tausendschaften.Rom hatte damals fünfzehn Hauptthore und einige kleinere.Von diesen umschlossen die Goten den schwächeren Teil der Umwallung, den Raum, der von dem flaminischen Thor im Norden (östlich von der jetzigen Porta del Popolo) bis zum pränestinischen Thor reicht, vollständig mit sechs Heerlagern; nämlich die Wälle vom flaminischen Thor gegen Osten bis ans pincianische und salarische, dann bis an das nomentanische Thor (südöstlich von Porta pia), ferner bis gegen das »geschlossene Thor«, die Porta clausa, endlich südlich von da das tiburtinische Thor (heute Porta San Lorenzo) und das asinarische, metronische, latinische (an der Via latina), das appische (an der Via appia) und das Sankt Pauls-Thor, das zunächst dem Tiberufer lag. Alle diese sechs Lager waren auf dem linken Ufer des Flusses.Um aber zu verhüten, daß die Belagerten durch Zerstörung der milvischen Brücke den Angreifern den Übergang über den Fluß und das ganze Gebiet auf dem rechten Tiberufer bis an die See abschnitten, schlugen die Goten ein siebentes Lager auf dem rechten Tiberufer: »auf dem Felde Neros,« vom vatikanischen Hügel bis gegen die milvische Brücke hin (unter dem »Monte Mario«). So[pg 243]war die milvische Brücke durch ein Gotenlager gedeckt und die Brücke Hadrians bedroht, sowie der Weg nach der Stadt durch die »Porta Sancti Petri«, wie man damals schon, nach Prokops Bericht, das innere Thor Aurelians nannte. Es war das nächste an dem Grabmal Hadrians. Aber auch das Thor von Sankt Pankratius rechts des Tibers war von den Goten scharf beobachtet.Dies Lager auf dem neronischen Feld, auf dem rechten Tiberufer, zwischen dem pankratischen und dem Petrus-Thor, überwies Witichis dem Grafen Markja von Mediolanum, der aus den Cottischen Alpen und der Beobachtung der Franken zurückgerufen worden war. Aber der König selbst weilte oft hier, das Grabmal Hadrians mit scharfen Blicken prüfend.Er hatte kein einzelnes Lager übernommen, sich die Gesamtleitung vorbehaltend, vielmehr die sechs übrigen an Hildebrand, Totila, Hildebad, Teja, Guntharis und Grippa verteilt. Jedes der sieben Lager ließ der König mit einem tiefen Grabenumziehn,die dadurch ausgehobne Erde zu einem hohen Wall zwischen Graben und Lager aufhäufen und diesen mit Pfahlwerk verstärken, – sich gegen Ausfälle zu sichern.Aber auch Belisar und Cethegus verteilten ihre Feldherren und Mannschaften nach den Thoren und Regionen Roms. Belisar übertrug das pränestinische Thor im Osten der Stadt (heute Porta maggiore) Bessas, das stark bedrohte flaminische, dem ein gotisches Lager, das Totilas, in gefährlicher Nähe lag, Constantinus, der es durch Marmorquadern, aus römischen Tempeln und Palästen gebrochen, fast ganz zubauen ließ.Belisar selbst schlug sein Standlager auf im Norden der Stadt. Dieser war unter den ihm von Cethegus eingeräumten Teilen der Festung Rom der schwächste.[pg 244]Den Westen und Süden hielt eifersüchtig, unentfernbar und unentbehrlich, der Präfekt.Aber hier im Norden war Belisar Herr: zwischen dem flaminischen und dem pincianischen – oder nun »belisarischen« – Thor, dem schwächsten Teil der Umwallung, ließ er sich nieder, zugleich Ausfälle gegen die Barbaren planend. Die übrigen Thore überwies er den Führern des Fußvolks Peranius, Magnus, Ennes, Artabanes, Azarethas und Chilbudius.Der Präfekt hatte übernommen alle Thore auf dem rechten Tiberufer, die neue Porta aurelia an der älischen Brücke bei dem Grabmal Hadrians, die Porta septimiana, das alte aurelische Thor, das nun das pankratische hieß, und die Porta portuensis: auf dem linken Ufer aber noch das Thor Sankt Pauls. Erst das nächste Thor weiter östlich, das ardeatinische, stand unter byzantinischer Besatzung: Chilbudius befehligte hier.Gleich unermüdlich und gleich erfinderisch erwiesen sich die Belagerer und die Belagerten in Plänen des Angriffs und der Verteidigung. Lange Zeit handelte es sich nur um Maßregeln, welche die Bedrängung der Römer ohne Sturm, vor dem Sturm, bezweckten und andrerseits, sie abwehren sollten.Die Goten, Herren und Meister der Campagna, suchten die Belagerten auszudursten: sie schnitten alle die prachtvollen vierzehn Wasserleitungen ab, welche die Stadt speisten. Belisar ließ vor allem, als er dies wahrnahm, die Mündungen innerhalb der Stadt verschütten und vermauern. »Denn,« hatte ihm Prokop gesagt, »nachdem du, o großer Held Belisarius, durch eine solche Wasserrinne nach Neapolis hineingekrochen bist, könnte es den Barbaren einfallen, – und kaum schimpflich scheinen, –[pg 245]auf dem gleichen Heldenpfad sich nach Rom hinein zu krabbeln.«Den Genuß des geliebten Bades mußten die Belagerten entbehren: kaum reichten die Brunnen indenvom Fluß entlegenen Stadtteilen für das Trinkwasser aus.Durch das Abschneiden des Wassers hatten aber die Barbaren den Römern auch das Brot abgeschnitten. – Wenigstens schien es so. Denn die sämtlichen Wassermühlen Roms versagten nun. Das aufgespeicherte Getreide, das Cethegus aus Sicilien gekauft, das Belisar aus der Umgegend Roms zwangsweise hatte in die Stadt schaffen lassen, trotz des Murrens der Pächter und Colonen, dieses Getreide konnte nicht mehr gemahlen werden.»Laßt die Mühlen durch Esel und Rinder drehen!« rief Belisar. »Die meisten Esel waren klug genug und die Rinder, ach Belisarius,« sprach Prokop, »sich nicht mit uns hier einsperren zu lassen. Wir haben nur soviel, als wir brauchen, sie zu schlachten. Sie können unmöglich erst Mühlen drehen und dann noch Fleisch genug haben, das gemahlene Brot selbst zu belegen.«»So rufe mir Martinus. Ich habe gestern an dem Tiber, die Gotenzelte zählend, zugleich einen Gedanken gehabt ... –«»Den Martinus wieder aus dem Belisarischen in das Mögliche übersetzen muß. Armer Mann! Aber ich gehe, ihn zu holen.«Als aber am Abend des gleichen Tages Belisar und Martinus durch zusammengelegte Boote im Tiber die erste Schiffsmühle herstellten, welche die Welt kannte, da sprach bewundernd Prokopius: »Das Brot der Schiffsmühle wird länger die Menschen erfreu’n, als deine größten Thaten. Dies so gemahlene Mehl schmeckt nach – Unsterblichkeit.« Und wirklich ersetzten die von Belisar erdachten, von[pg 246]Martinus ausgeführten Schiffsmühlen den Belagerten während der ganzen Dauer der Einschließung die gelähmten Wassermühlen.Hinter der Brücke nämlich, die jetzt Ponte San Sisto heißt, auf der Senkung des Janiculus, befestigte Belisar zwei Schiffe mit Seilen und legte Mühlen über deren flaches Deck, so daß die Mühlenräder durch den Fluß, der aus dem Brückenbogen mit verstärkter Gewalt hervorströmte, von selbst getrieben wurden.Eifrig trachteten alsbald die Belagerer, diese Vorrichtungen, die ihnen Überläufer schilderten, zu zerstören. Balken, Holzflöße, Bäume warfen sie oberhalb der Brücke von dem von ihnen beherrschten Teil aus in den Fluß und zertrümmerten so in Einer Nacht wirklich alle Mühlen. Aber Belisar ließ sie wieder herstellen und nun oberhalb der Brücke starke Ketten gerade über den Fluß ziehen und so auffangen, was, die Mühlen bedrohend, herabtrieb.Nicht nur seine Mühlen sollten diese eisernen Stromriegel decken: sie sollten auch verhindern, daß die Goten auf Kähnen und Flößen den Fluß herab und, ohne die Brücke, in die Stadt drängen.Denn Witichis traf nun alle Vorbereitungen zum Sturm.Er ließ hölzerne Türme bauen, höher als die Zinnen der Stadtmauer, die auf vier Rädern von Rindern gezogen werden sollten. Dann ließ er Sturmleitern in großer Zahl beschaffen und vier furchtbare Widder oder Mauerbrecher, die je eine halbe Hundertschaft schob und bediente. Mit unzähligen Bündeln von Reisig und Schilf sollten die tiefen Gräben ausgefüllt werden.Dagegen pflanzten Belisar und Cethegus, jener im Norden und Osten, dieser im Westen und Süden die Verteidigung der Stadt überwachend, Ballisten und Wurf[pg 247]bogen auf die Wälle, die auf große Entfernung balkenähnliche Speergeschosse schleuderten mit solcher Kraft, daß sie einen gepanzerten Mann völlig durchbohrten. Die Thore schützten sie durch »Wölfe«, d. h. Querbalken, mit eisernen Stacheln besetzt, die man auf die Angreifer niederschmettern ließ, wann sie dicht bis an das Thor gelangt waren. Und endlich streuten sie zahlreiche Fußangeln und Stachelkugeln auf den Vorraum zwischen den Gräben der Stadt und dem Lager der Barbaren.Neuntes Kapitel.Trotz alledem, sagten die Römer, hätten längst die Goten die Mauern erstiegen, wäre nicht des Präfekten Egeria gewesen.Denn es war merkwürdig: so oft die Barbaren einen Sturm vorbereiteten –: Cethegus ging zu Belisar und warnte und bezeichnete im voraus den Tag. So oft Teja oder Hildebad in kühnem Handstreich ein Thor zu überrumpeln, eine Schanze wegzunehmen gedachten: – Cethegus sagte es vorher, und die Angreifer stießen auf das Zweifache der gewöhnlichen Besatzung der Punkte. So oft in nächtigem Überfall die Kette des Tibers gesprengt werden sollte: – Cethegus schien es geahnt zu haben und schickte den Schiffen der Feinde Brander und Feuerkähne entgegen.So ging es viele Monate hin. Die Goten konnten sich nicht verhehlen, daß sie, trotz unablässiger Angriffe, seit Anfang der Belagerung keinerlei Fortschritte gemacht.Lange trugen sie diese Unfälle, die Entdeckung und Vereitelung all ihrer Pläne, mit ungebeugtem Mut. Aber[pg 248]allmählich bemächtigte sich nicht bloß der großen Masse Verdrossenheit, insbesondere da Mangel an Lebensmitteln fühlbar zu werden begann, – auch des Königs klarer Sinn wurde von trüber Schwermut verdüstert, als er all’ seine Kraft, all’ seine Ausdauer, all’ seine Kriegskunst wie von einem bösen Dämon vereitelt sah. Und kam er von einem fehlgeschlagenen Unternehmen, von einem verunglückten Sturm, matt und gebeugt, in sein Königszelt, so ruhten die stolzen Augen seiner schweigsamen Königin mit einem ihm unverständlichen, aber grauenvoll unheimlichen Ausdruck auf ihm, daß er sich schaudernd abwandte.»Es ist nicht anders,« sagte er finster zu Teja, »es ist gekommen, wie ich vorausgesagt. Mit Rauthgundis ist mein Glück von mir gewichen, wie die Freudigkeit meiner Seele. Es ist, als läge ein Fluch auf meiner Krone. Und diese Amalungentochter wandelt um mich her, schweigend und finster, wie mein lebendiges Unglück.«»Du könntest Recht haben,« sprach Teja. »Vielleicht lös’ ich diesen Zauberbann. Gieb mir Urlaub für heut’ Nacht.«Am selben Tage, fast in derselben Stunde, forderte drinnen in Rom Johannes, der Blutige, von Belisar Urlaub für diese Nacht. Belisar schlug es ab. »Jetzt ist nicht Zeit zu nächtlichen Vergnügen,« sagte er.»Wird kein groß Vergnügen sein, in der Nacht zwischen alten feuchten Mauern und gotischen Lanzen einem Fuchs nachspüren, der zehnmal schlauer ist als wir beide.«»Was hast du vor?« fragte Belisar, aufmerksam werdend.»Was ich vorhabe? Ein Ende zu machen der verfluchten Stellung, in der wir alle, in der du, o Feldherr, nicht zum mindesten stehst. Es ist schon alles ganz recht.[pg 249]Seit Monaten liegen die Barbaren vor diesen Mauern und haben nichts dabei gewonnen. Wir erschießen sie wie Knaben die Dohlen vom Hinterhalt und können ihrer lachen. Aber wer ist es eigentlich, der all dies vollbringt? Nicht, wie es sein sollte, du, des Kaisers Feldherr, noch des Kaisers Heer: sondern dieser eisige Römer, der nur lachen kann, wenn er höhnt. Der sitzt da oben im Kapitol und verlacht den Kaiser und die Goten und uns und, mit Verlaub zu sagen, dich selber am meisten. Woher weiß dieser Odysseus und Ajax in Einer Person alle Gotenpläne so scharf, als säße er mit im Rat des Königs Witichis? Durch sein Dämonium, sagen die einen. Durch seine Egeria, sagen die andern. Er hat einen Raben, der hören und sprechen kann wie Menschen, meinen wieder andere: den schickt er alle Nacht ins Gotenlager. Das mögen die alten Weiber glauben und die Römer, nicht meiner Mutter Sohn. Ich glaube, den Raben zu kennen und das Dämonium. Gewiß ist, er kann die Kunde nur aus dem Gotenlager selbst holen; laß uns doch sehen, ob wir nicht selbst an seiner Statt aus dieser Quelle schöpfen können.«»Ich habe das längst bedacht, aber ich sah kein Mittel.«»Ich habe von meinen Hunnen alle seine Schritte belauern lassen. Es ist verdammt schwer: denn dieser braune Maurenteufel folgt ihm wie ein Schatte. Aber tagelang ist Syphax fern: – und dann gelingt es eher. Nun, ich habe erspäht, daß Cethegus so manche Nacht die Stadt verließ, bald aus der Porta portuensis, rechts vom Tiber, bald aus der Porta Sankt Pauls, links vom Tiber im Süden, die er beide besetzt hält. Weiter wagten ihm die Späher nicht zu folgen. Ich aber denke heute Nacht – denn heute muß es wieder treffen, – ihm so nicht von den Fersen zu weichen. Doch muß ich ihnvordem Thore erwarten: seine Isaurier ließen mich nicht durch;[pg 250]ich werde bei einer Runde vor den Mauern in einem der Gräben zurückbleiben.«»Gut. Es sind aber, wie du sagst, zwei Thore zu beobachten.« – »Deshalb hab’ ich mir Perseus, meinen Bruder, zum Genossen erkoren; er hütet das paulinische, ich das portuensische Thor; verlaß dich drauf – bis morgen vor Sonnenaufgang kennt einer von uns das Dämonium des Präfekten.« – Und wirklich: einer von ihnen sollte es kennen lernen.Gerade gegenüber dem Sankt Pauls-Thor, etwa drei Pfeilschüsse von den äußersten Gräben der Stadt, lag ein mächtiges altertümliches Gebäude, die Basilika Sancti Pauli extra muros, die Paulskapelle vor den Mauern, deren letzte Reste erst zur Zeit der Belagerung Roms durch den Connetable von Bourbon völlig verschwanden. Ursprünglich ein Tempel des Jupiter Stator war der Bau seit zwei Jahrhunderten dem Apostel geweiht worden: aber noch stand die bronzene Kolossalstatue des bärtigen Gottes aufrecht: man hatte ihm nur den flammenden Donnerkeil aus der Rechten genommen und dafür ein Kreuz hineingeschoben: im übrigen paßte die breite und bärtige Gestalt gut zu ihrem neuen Namen.Es war um die sechste Stunde der Nacht. Der Mond stand glanzvoll über der ewigen Stadt und goß sein silbernes Licht über die Mauerzinnen und über die Ebene, zwischen den römischen Schanzen und der Basilika, deren schwarze Schatten nach dem Gotenlager hin fielen.Eben hatte die Wache am Sankt Pauls-Thor gewechselt.Aber es waren sieben Mann hinausgeschritten und nur sechs kamen herein. Der siebente wandte der Pforte den Rücken und schritt heraus ins freie Feld.Vorsichtig wählte er seinen Weg: vorsichtig vermied er die zahlreichen Fußangeln, Wolfsgruben, Selbstschüsse[pg 251]vergifteter Pfeile, die hier überall umhergestreut waren und manchem Goten bei den Angriffen auf die Stadt Verderben gebracht hatten. Der Mann schien sie alle zu kennen und wich ihnen leicht aus. Aber er vermied auch das Mondlicht sorgfältig, den Schatten der Mauervorsprünge suchend und oft von Baum zu Baum springend.Als er aus dem äußersten Graben auftauchte, sah er sich um und blieb im Schatten einer Cypresse stehen, deren Zweige die Ballistengeschosse zerschmettert hatten. Er entdeckte nichts Lebendes weit und breit: und er eilte nun mit raschen Schritten der Kirche zu.Hätte er nochmal umgeblickt, er hätte es wohl nicht gethan.Denn, sowie er den Baum verließ, tauchte aus dem Graben eine zweite Gestalt hervor, die in drei Sprüngen ihrerseits den Schatten der Cypresse erreicht hatte. »Gewonnen, Johannes! du stolzer Bruder, diesmal war das Glück dem jüngeren Bruder hold. Jetzt ist Cethegus mein und sein Geheimnis.« Und vorsichtig folgte er dem rasch Voranschreitenden.Aber plötzlich war dieser vor seinen Augen verschwunden, als habe ihn die Erde verschlungen. Es war hart an der äußern Mauer der Kirche, die doch dem Armenier, als er sie erreicht, keine Thür oder Öffnung zeigte.»Kein Zweifel,« sagte der Lauscher, »das Stelldichein ist drinnen im Tempel: ich muß nach.«Allein an dieser Stelle war die Mauer unübersteiglich.Tastend und suchend bog der Späher um die Ecke derselben. Umsonst, die Mauer war überall gleich hoch. – Im Suchen verstrich ihm fast eine Viertelstunde.Endlich fand er eine Lücke in dem Gestein: mühsam zwängte er sich hindurch. Und er stand nun im Vorhofe des alten Tempels, in dem die dicken dorischen Säulen[pg 252]breite Schatten warfen, in deren Schutz er von der rechten Seite her bis an das Hauptgebäude gelangte.Er spähte durch einen Riß des Gemäuers, den ihm die Zugluft verraten hatte. Drinnen war alles finster. Aber plötzlich wurde sein Auge von einem grellen Lichtstrahl geblendet. Als er es wieder aufschlug, sah er einen hellen Streifen in der Dunkelheit: – er rührte von einer Blendlaterne her, deren Licht sich plötzlich gezeigt hatte.Deutlich erkannte er, was in dem Bereich der Laterne stand, den Träger derselben aber nicht: wohl dagegen Cethegus den Präfekten, der hart vor der Statue des Apostels stand und sich an diese zu lehnen schien: vor ihm stand eine zweite Gestalt: ein schlankes Weib, auf dessen dunkelrotes Haar schimmernd das Licht der Laterne fiel.»Die schöne Gotenkönigin, bei Eros und Anteros!« dachte der Lauscher: »kein schlechtes Stelldichein, sei’s nun Liebe, sei’s Politik! Horch, sie spricht. Leider kam ich zu spät, auch den Anfang der Unterredung zu hören.«»Also: merk’ es dir wohl! übermorgen auf der Straße vor dem Thor von Tibur wird etwas gefährliches geplant.« – »Gut: aber was?« frug des Präfekten Stimme. – »Genaueres konnte ich nicht erkunden: und ich kann es dir auch nicht mehr mitteilen, wenn ich es noch erfahre. Ich wage nicht mehr, dich hier wieder zu sehen: denn« ... – Sie sprach nun leiser.Perseus drückte das Ohr hart an die Spalte: da klirrte seine Schwertscheide an das Gestein und nun traf ihn ein Strahl des Lichts.»Horch!« rief eine dritte Stimme – es war eine Frauenstimme, die der Trägerin der Laterne, die sich jetzt in dem Strahl ihres eigenen Blendlichts gezeigt hatte, da sie sich rasch gegen die Richtung des Schalles gekehrt hatte. Perseus erkannte eine Sklavin in maurischer Tracht.[pg 253]Einen Augenblick schwieg alles in dem Tempel. Perseus hielt den Atem an. Er fühlte, es galt das Leben. Denn Cethegus griff ans Schwert.»Alles still,« sagte die Sklavin. »Es fiel wohl nur ein Stein auf den Erzbeschlag draußen.«»Auch in das Grab vor dem portuensischen Thor geh’ ich nicht mehr. Ich fürchte, man ist uns gefolgt.« – »Wer?« – »Einer, der niemals schläft, wie es scheint: Graf Teja.« Des Präfekten Lippe zuckte.»Und er ist auch bei einem rätselhaften Eidbund gegen Belisars Leben: der bloße Scheinangriff gilt dem Sankt Pauls-Thor.« »Gut!« sagte Cethegus nachdenklich. »Belisar würde nicht entrinnen, wenn nicht gewarnt. Sie liegen irgendwo, – aber ich weiß nicht, wo – fürcht’ ich, im Hinterhalt, mit Übermacht, Graf Totila führt sie.«»Ich will ihn schon warnen!« sagte Cethegus langsam.»Wenn es gelänge ..!« – »Sorge nicht, Königin! Mir liegt an Rom nicht weniger denn dir. Und wenn der nächste Sturm fehlschlägt, – so müssen sie die Belagerung aufgeben, so zähe sie sind. Und das, Königin, ist dein Verdienst. Laß mich in dieser Nacht – vielleicht der letzten, da wir uns treffen, – dir mein ganzes staunendes Herz enthüllen. Cethegus staunt nicht leicht und nicht leicht gesteht er’s, wenn er staunen muß. Aber dich – bewundere ich, Königin. Mit welch’ totverachtender Kühnheit, mit welch’ dämonischer List hast du alle Pläne der Barbaren vereitelt! Wahrlich: viel that Belisar, – mehr that Cethegus, – das meiste: Mataswintha.«»Sprächst du wahr!« sagte Mataswintha mit funkelnden Augen.»Undwenn die Krone diesem Frevler vom Haupte fällt ... – –«»War esdeineHand, deren sich das Schicksal Roms bedient hat. Aber, Königin, nicht damit kannst du enden![pg 254]Wie ich dich erkannte, in diesen Monaten – darfst du nicht als gefangene Gotenkönigin nach Byzanz. Diese Schönheit, dieser Geist, diese Kraft muß herrschen – nicht dienen, in Byzanz. Darum bedenke, wenn er nun gestürzt ist – dein Tyrann, – willst du nicht dann den Weg gehn, den ich dir gezeigt?«»Ich habe noch nie über seinen Fall hinaus gedacht,« sagte sie düster.»Aber ich – für dich! Wahrlich, Mataswintha,« – und sein Auge ruhte mit Bewunderung auf ihr, – »du bist – wunderschön. Ich rechn’ es mir zum größten Stolz, daß selbst du mich nicht in Liebe entzündet und von meinen Plänen abgebracht hast. Aber du bist zu schön, zu köstlich, nur der Rache und dem Haß zu leben. Wenn unser Ziel erreicht, – dann nach Byzanz!Als mehr denn Kaiserin: – als Überwinderin der Kaiserin!«»Wenn mein Ziel erreicht, ist mein Leben vollendet. Glaubst du, ich ertrüge den Gedanken, aus eitel Herrschsucht mein Volk zu verderben, um kluger Zwecke willen? Nein: ich konnt’ es nur, weil ich mußte. Die Rache ist jetzt meine Liebe und mein Leben und« ... – –Da scholl von der Fronte des Gebäudes her, aber noch innerhalb der Mauer, laut und schrillend der Ruf des Käuzchens, einmal – zweimal rasch nach einander.Wie staunte Perseus, als er den Präfekten eilig an die Kehle der Bildsäule drücken sah, an der er lehnte, und wie sich diese geräuschlos in zwei Hälften auseinander schlug. Cethegus schlüpfte in die Öffnung: die Statue klappte wieder zusammen. Mataswintha aber und Aspa sanken wie betend auf die Stufen des Altars.»Also war’s ein Zeichen! Es droht Gefahr:« dachte der Späher; »aber wo ist die Gefahr? und wo der[pg 255]Warner?« Und er wandte sich, trat vor und sah nach links, nach der Seite der Goten.Allein damit trat er in den Bereich des Mondlichts: und in den Blick des Mauren Syphax, der vor der Eingangsthür des Hauptgebäudes in einer leeren Nische Schildwache stand, und bisher scharf nach der linken, der gotischen, Seite hin, gespäht hatte.Von dort, von links her, schritt langsam ein Mann heran. Seine Streitaxt blitzte im Mondlicht.Aber auch Perseus sah jetzt eine Waffe aufblitzen: es war der Maure, der leise sein Schwert aus der Scheide zog.»Ha,« lachte Perseus, »bis die beiden mit einander fertig sind, bin ich in Rom, mit meinem Geheimnis.«Und in raschen Sprüngen eilte er nach der Mauerlücke des Vorhofs, durch die er eingedrungen. Zweifelnd blickte Syphax einen Augenblick nach rechts und nach links. Zur Rechten sah er entweichen einen Lauscher, den er jetzt erst ganz entdeckte. Zur Linken schritt ein gotischer Krieger herein in den Tempelhof. Er konnte nicht hoffen, beide zu erreichen und zu töten.Da plötzlich schrie er laut: »Teja, Graf Teja! Hilfe! zu Hilfe! Ein Römer! rettet die Königin! dort rechts an der Mauer, ein Römer!«Im Fluge war Teja heran, bei Syphax. »Dort! rief dieser: »ich schütze die Frauen in der Kirche!« Und er eilte in den Tempel.»Steh, Römer!« rief Teja, und sprang dem fliehenden Perseus nach.Aber Perseus stand nicht: er lief an die Mauer: er erreichte die Lücke, durch welche er hereingekommen war: doch er konnte sich in der Eile nicht wieder hindurchzwängen: so schwang er sich mit der Kraft der Verzweiflung auf die Mauerkrone: und schon hob er den Fuß, sich jen[pg 256]seits hinabzulassen: da traf ihn Tejas Axt im Wurf ans Haupt und rücklings stürzte er nieder, samt seinem erlauschten Geheimnis. –Teja beugte sich über ihn: deutlich erkannte er die Züge des Toten. »Der Archon Perseus,« sagte er, »der Bruder des Johannes.« Und sofort schritt er die Stufen hinan, die zur Kirche führten. An der Schwelle trat ihm Mataswintha entgegen, hinter ihr Syphax und Aspa mit der Blendlaterne. Einen Moment maßen sich beide schweigend mit mißtrauischen Blicken.»Ich habe dir zu danken, Graf Teja von Tarentum,« sagte endlich die Fürstin. »Ich war bedroht in meiner einsamen Andacht.«»Seltsam wählstduOrt und Stunde für deine Gebete. Laß sehen, ob dieser Römer der einzige Feind war.«Er nahm aus Aspas Hand die Leuchte und ging in das Innere der Kapelle. Nach einer Weile kam er wieder, einen mit Gold eingelegten Lederschuh in der Hand. »Ich fand nichts als – diese Sandale am Altar, dicht vor dem Apostel. Es ist ein Mannesfuß.«»Eine Votivgabe von mir,« sagte Syphax rasch. Der Apostel heilte meinen Fuß, ich hatte mir einen Dorn eingetreten.«»Ich dachte, du verehrst nur den Schlangengott?« – »Ich verehre, was da hilft.« – »In welchem Fuße stak der Dorn.« Syphax schwankte einen Augenblick. »Im rechten,« sagte er dann, rasch entschlossen.»Schade,« sprach Teja, »die Sandale ist auf den linken geschnitten.« Und er steckte sie in den Gürtel. »Ich warne dich, Königin, vor solcher nächtlichen Andacht.«»Ich werde thun, was meine Pflicht,« sagte Mataswintha herb.»Und ich, was meine.« Mit diesen Worten schritt[pg 257]Teja voran, zurück zum Lager: schweigend folgte die Königin und ihre Sklaven.Vor Sonnenaufgang stand Teja vor Witichis und berichtete ihm alles.»Was du sagst, ist kein Beweis,« sagte der König. – »Aber schwerer Verdacht. Und du sagtest selbst, die Königin sei dir unheimlich.«»Gerade deshalb hüt’ ich mich, nach bloßem Verdacht zu handeln. Ich zweifle manchmal, ob wir an ihr nicht Unrecht gethan. Fast so schwer, wie an Rauthgundis.« – »Wohl, aber diese nächtlichen Gänge?« – »Werd’ ich verhindern. Schon um ihretwillen.«»Und der Maure? Ich trau’ ihm nicht. Ich weiß, daß er tagelang abwesend: dann taucht er wieder auf im Lager. Er ist ein Späher.«»Ja, Freund,« lächelte Witichis. »Aber der meine. Er geht mit meinem Wissen in Rom aus und ein. Er ist es, der mir noch alle Gelegenheiten verraten.«»Und noch keine hat genützt! Und die falsche Sandale?«»Ist wirklich ein Votivopfer. Aber für Diebstahl; er hat mir, noch ehe du kamst, alles gebeichtet. Er hat, bei der Begleitung der Königin sich langweilend, in einem Gewölbe der Kirche herumgestöbert und da unten allerlei Priestergewänder und vergrabnen Schmuck gefunden und behalten. Aber später, den Zorn des Apostels fürchtend, wollt’ er ihn beschwichtigen, und opferte, in seinem Heidensinn, diese Goldsandale aus seiner Beute. Er beschrieb sie mir ganz genau: mit goldnen Seitenstreifen und einem Achatknopf, oben mit einemC–. Du siehst, es trifft alles zu. Er kannte sie also: sie kann nicht von einem Flüchtenden verloren sein. Und er versprach, als Beweis[pg 258]die dazu gehörige Sandale des rechten Fußes zu bringen. Aber vor allem: er hat mir einen neuen Plan verraten, der all’ unsrer Not ein Ende machen und Belisarius selbst in unsre Hände liefern soll.«Zehntes Kapitel.Während der Gotenkönig diesen Plan seinem Freunde mitteilte, stand Cethegus, in frühester Stunde nach dem belisarischen Thor beschieden, vor Belisar und Johannes.»Präfekt von Rom,« herrschte ihn der Feldherr beim Eintreten an, »wo warst du heute Nacht?«»Auf meinem Posten. Wohin ich gehöre. Am Thor Sankt Pauls.«»Weißt du, daß in dieser Nacht einer der besten meiner Anführer, Perseus der Archon, des Johannes Bruder, die Stadt verlassen hat und seitdem verschwunden ist?«»Thut mir leid. Aber du weißt: es ist verboten, ohne Erlaubnis die Mauer zu überschreiten.«»Ich habe aber Grund zu glauben,« fuhr Johannes auf, »daß du recht gut weißt, was aus meinem Bruder geworden, daß sein Blut an deinen Händen klebt.« »Und beim Schlummer Justinians!« brauste Belisar auf, »das sollst du büßen. Nicht länger sollst du herrschen über des Kaisers Heer und Feldherrn. Die Stunde der Abrechnung ist gekommen. Die Barbaren sind so gut wie vernichtet. Und laß sehn, ob nicht mit deinem Haupt auch das Kapitol fällt.«»Steht es so?« dachte Cethegus, »jetzt sieh dich vor, Belisarius.« Doch er schwieg.[pg 259]»Rede!« rief Johannes. »Wo hast du meinen Bruder ermordet?« Ehe Cethegus antworten konnte, trat Artasines, ein persischer Leibwächter Belisars, herein. »Herr,« sagte er, »draußen stehn sechs gotische Krieger. Sie bringen die Leiche Perseus, des Archonten. König Witichis läßt dir sagen: er sei heut’ Nacht vor den Mauern durch Graf Tejas Beil gefallen. Er sendet ihn zur ehrenden Bestattung.«»Der Himmel selbst,« sprach Cethegus stolz hinausschreitend, »straft eure Bosheit Lügen.« Aber langsam und nachdenklich ging der Präfekt über den Quirinal und das Forum Trajans nach seinem Wohnhaus. »Du drohst, Belisarius? Dank’ für den Wink! Laß sehn, ob wir dich nicht entbehren können.«In seiner Wohnung fand er Syphax, der ihn ungeduldig erwartet hatte und ihm raschen Bericht ablegte. »Vor allem, Herr,« schloß er nun, »laß also deinen Sandalenbinder peitschen. Du siehst, wie schlecht du bedient bist, ist Syphax fern: – und gieb mir gütigst deinen rechten Schuh.«»Ich sollte dir ihn nicht geben und dich zappeln lassen für dein freches Lügen,« lachte der Präfekt. »Dieses Stück Leder ist jetzt dein Leben wert, mein Panther. Womit willst du’s lösen?«»Mit wichtiger Kunde. Ich weiß nun alles ganz genau von dem Plan gegen Belisars Leben: Ort und Zeit: und die Namen der Eidbrüder. Es sind: Teja, Totila und Hildebad.«»Jeder allein genug für den Magister Militum,« murmelte Cethegus vergnüglich.»Ich denke, o Herr, du hast den Barbaren wohl wieder[pg 260]eine schöne Falle gestellt! Ich habe ihnen, auf deinen Befehl, entdeckt, daß Belisar selbst morgen zum tiburtinischen Thor hinausziehen will, um Vorräte aufzutreiben.«»Ja, er selbst geht mit, weil sich die oft aufgefangnen Hunnen nicht mehr allein hinauswagen; er führt nur vierhundert Mann.«»Es werden nun die drei Eidbrüder am Grab der Fulvier einen Hinterhalt von tausend Mann gegen Belisar legen. »Das verdient wirklich den Schuh!« sagte Cethegus und warf ihm denselben zu.»König Witichis wird indessen nur einen Scheinangriff machen lassen auf das Thor Sankt Pauls, die Gedanken der Unsern von Belisar abzulenken. Ich eile nun also zu Belisar, ihm zu sagen, wie du mir aufgetragen, daß er drei Tausend mit sich nimmt und jene gegen ihn Verschwornen vernichtet.«»Halt!« sagte Cethegus ruhig, »nicht so eilfertig! Du meldest nichts.«»Wie?« fragte Syphax erstaunt. »Ungewarnt ist er verloren!« –»Man muß dem Schutzgeist des Feldherrn nicht schon wieder, nicht immer, ins Amt greifen. Belisar mag morgen seinen Stern erproben.«»Ei,« sagte Syphax mit pfiffigem Lächeln, »solches gefällt dir? Dann bin ich lieber Syphax, der Sklave, als Belisarius, der Magister Militum. Arme Witwe Antonina!«Cethegus wollte sich auf das Lager strecken, da meldete Fidus, der Ostiarius: »Kallistratos von Korinth.«»Immer willkommen.«Der junge Grieche mit dem sanften Antlitz trat ein.Ein Hauch anmutiger Röte von Scham oder Freude[pg 261]färbte seine Wangen: es war ersichtlich, daß ihn ein besonderer Anlaß herführte.»Was bringst du des Schönen noch außer dir selbst?« so fragte Cethegus in griechischer Sprache.Der Jüngling schlug die leuchtenden Augen auf: »Ein Herz voll Bewunderung für dich: und den Wunsch, dir diese zu bewähren. Ich bitte um die Gunst, wie die beiden Licinier und Piso, für dich und Rom fechten zu dürfen.«»Mein Kallistratos! was kümmern dich, unsern Friedensgast, den liebenswürdigsten der Hellenen, unsre blutigen Händel mit den Barbaren? Bleibe du von diesem schweren Ernst und pflege deines heitern Erbes: der Schönheit.«»Ich weiß es wohl, die Tage von Salamis sind ferne wie ein Mythos: und ihr eisernen Römer habt uns niemals Kraft zugetraut. Das ist hart – aber doch leichter zu tragen, weil ihr es seid, die unsre Welt, die Kunst und edle Sitte verteidigt gegen die dumpfen Barbaren. Ihr, das heißt Rom und Rom heißt mir Cethegus. So faß ich diesen Kampf und so gefaßt, siehst du, so geht er wohl auch den Hellenen an.«Erfreut lächelte der Präfekt. »Nun, wenn dir Rom Cethegus ist, so nimmt Rom gern die Hilfe des Hellenen an: du bist fortan Tribun der Milites Romani wie Licinius.«»In Thaten will ich dir danken! Aber eins noch muß ich dir gestehn – denn ich weiß: du liebst nicht überrascht zu sein. Oft hab’ ich gesehen, wie teuer dir das Grabmal Hadrians und seine Zier von Götterstatuen ist. Neulich hab’ ich diese marmornen Wächter gezählt und zweihundertachtundneunzig gefunden. Da macht’ ich denn das dritte Hundert voll und habe meine beiden Letoiden, die du so[pg 262]hoch gelobt, den Apollon und die Artemis, dort aufgestellt, dir und Rom zu einem Weihgeschenk.«»Junger lieber Verschwender,« sprach Cethegus, »was hast du da gethan!«»Das Gute und Schöne,« antwortete Kallistratos einfach.»Aber bedenke – das Grabmal ist jetzt eine Schanze: –»Wenn die Goten stürmen –« – »Die Letoiden stehen auf der zweiten, der innern Mauer. Und soll ich fürchten, daß je Barbaren wieder den Lieblingsplatz des Cethegus erreichen? Wo sind die schönen Götter sichrer als in deiner Burg? Deine Schanze ist mir ihr bester, weil ihr sicherster Tempel. Mein Weihgeschenk sei zugleich ein glücklich Omen.«»Das soll es sein,« rief Cethegus lebhaft, »und ich glaube selber: dein Geschenk ist gut geborgen. Aber gestatte mir dagegen« –»Du hast mir schon dafür erlaubt, für dich zu kämpfen. Chaire!« lachte der Grieche und war hinaus.»Der Knabe hat mich sehr lieb,« sagte Cethegus, ihm nachsehend. »Und mir geht’s wie andern Menschenthoren: – mir thut das wohl. Und nicht bloß, weil ich ihn dadurch beherrsche.«Da hallten feste Schritte auf dem Marmor des Vestibulums und ein Tribun der Milites ward gemeldet.Es war ein junger Krieger mit edeln, aber über seine Jahre hinaus ernsten Zügen. In echt römischem Schnitt setzten die Wangenknochen, fast im rechten Winkel, an die gerade strenge Stirn: in dem tief eingelassenen Auge lag römische Kraft und – in dieser Stunde – entschlossener Ernst und rücksichtsloser Wille.»Siehe da, Severinus, des Boëthius Sohn, willkommen mein junger Held und Philosoph. Viele Monate habe ich dich nicht gesehen – woher kommst du?«[pg 263]»Vom Grabe meiner Mutter,« sagte Severinus mit festem Blick auf den Frager.Cethegus sprang auf. »Wie? Rusticiana? meine Jugendfreundin! meines Boëthius Weib!«»Sie ist tot,« sagte der Sohn kurz. Der Präfekt wollte seine Hand fassen. Severinus entzog sie.»Mein Sohn, mein armer Severinus! Und starb sie – ohne ein Wort für mich?«»Ich bringe dir ihr letztes Wort – es galt dir!«»Wie starb sie? an welchem Leiden?« – »An Schmerz und Reue.« – »Schmerz –« seufzte Cethegus, »das begreif’ ich. Aber was sollte sie bereuen! Und mir galt ihr letztes Wort! – sag’ an, wie lautet es?«Da trat Severinus hart an den Präfekten, daß er sein Knie berührte und blickte ihm bohrend ins Auge. »Fluch, Fluch über Cethegus, der meine Seele vergiftet und mein Kind.«Ruhig sah ihn Cethegus an. »Starb sie im Irrsinn?« fragte er kalt.»Nein, Mörder: sie lebte im Irrsinn, solang sie dir vertraute. In ihrer Todesstunde hat sie Cassiodor und mir gestanden, daß ihre Hand dem jungen Tyrannen das Gift gereicht, das du gebraut. Sie erzählte uns den Hergang. Der alte Corbulo und seine Tochter Daphnidion stützten sie. »Spät erst erfuhr ich,« schloß sie, »daß mein Kind aus dem tödlichen Becher getrunken. Und niemand war da, Kamilla in den Arm zu fallen, als sie trinken wollte. Denn ich war noch im Boot auf dem Meere und Cethegus noch in dem Platanengang.« Da rief der alte Corbulo erbleichend: »Wie? der Präfekt wußte, daß der Becher Gift enthielt?« – »Gewiß,« antwortete meine Mutter. »Als ich ihn im Garten traf, sagt’ ich es ihm: »es istgeschehen.««Corbulo verstummte vor Entsetzen:[pg 264]aber Daphnidion schrie in wildem Schmerz: »Weh! meine arme Domna! so hat er sie ermordet! Denn er stand dabei, dicht neben mir, und sah zu, wie sie trank.« – »Er sah zu, wie sie trank?« fragte meine Mutter mit einem Tone, der ewig durch mein Leben gellen wird.»Er sah zu, wie sie trank!« wiederholten der Freigelassene und sein Kind. »O so sei den untern Dämonen sein verfluchtes Haupt geweiht! Rache, Gott, in der Hölle, Rache, meine Söhne, auf Erden für Kamilla! Fluch über Cethegus!« Und sie fiel zurück und war tot.«Der Präfekt blieb unerschüttert stehen. Nur griff er leise an den Dolch unter den Brustfalten der Tunika. »Du aber« – fragte er nach einer Pause – »was thatest du?«»Ich aber kniete nieder an der Leiche und küßte ihre kalte Hand und schwor ihr’s zu, ihr Sterbewort zu vollenden. Wehe dir, Präfekt von Rom: Giftmischer, Mörder meiner Schwester – du sollst nicht leben.«»Sohn des Boëthius, willst du zum Mörder werden um die Wahnworte eines läppischen Sklaven und seiner Dirne? Würdig des Helden und des Philosophen!«»Nichts von Mord. Wäre ich ein Germane, nach dem Brauche dieser Barbaren: – er dünkt mir heute sehr vortrefflich! – rief’ ich dich zum Zweikampf, du verhaßter Feind. Ich aber bin ein Römer und suche meine Rache auf dem Wege des Rechts. Hüte dich, Präfekt, noch giebt es Richter in Italien. Lange Monate hielt mich der Krieg, der Feind von diesen Mauern ab. – Erst heute habe ich Rom, von der See her, erreicht: und morgen erheb’ ich die Klage bei den Senatoren, die deine Richter sind – dort finden wir uns wieder.«Cethegus vertrat ihm plötzlich den Weg an die Thüre.Aber Severinus rief: »Gemach, man sieht sich vor bei[pg 265]Mördern. Drei Freunde haben mich an dein Haus begleitet: – Sie werden mich mit den Liktoren suchen, komm’ ich nicht wieder, noch in dieser Stunde.«»Ich wollte dich nur,« sagte Cethegus wieder ganz ruhig, »vor dem Wege der Schande warnen. Willst du den ältesten Freund deines Hauses um der Fieberreden einer Sterbenden willen mit unbeweisbarer Mordklage verfolgen, – thu’s: ich kann’s nicht hindern. Aber noch einen Auftrag zuvor: du bist mein Ankläger geworden: aber du bleibst Soldat: und mein Tribun. Du wirst gehorchen, wenn dein Feldherr befiehlt.«»Ich werde gehorchen.«»Morgen steht ein Ausfall Belisars bevor: und ein Sturm der Barbaren. Ich muß die Stadt beschirmen. Doch ahnt mir Gefahr für den löwenkühnen Mann: – ich muß ihn treu gehütet wissen. Du wirst morgen, – ich befehl’ es, – den Feldherrn begleiten und sein Leben decken.«»Mit meinem eignen.«»Gut, Tribun, ich verlasse mich auf dein Wort.«»Bau’ du auf meines: auf Wiedersehn: nach der Schlacht: vor dem Senat. Nach beiden Kämpfen lüstet mich gleich sehr. Auf Wiedersehn: – – vor dem Senat.«»Auf Nimmerwiedersehn,« sprach Cethegus, als sein Schritt verhallte. »Syphax,« rief er laut, »bringe Wein und das Hauptmahl. Wir müssen uns stärken: – auf morgen.«

Achtes Kapitel.Am Tage darauf erschien das ganze zahlreiche Heer der Goten vor der ewigen Stadt, die es in sieben Lagern umschloß.Und nun begann jene denkwürdige Belagerung, die nicht minder das Feldherrntalent und die Erfindungsgabe Belisars als den Mut der Belagerer entfalten sollte.Mit Schrecken hatten die Bürger Roms von ihren Mauern herab mit angesehen, wie die Scharen der Goten nicht enden wollten. »Sieh hin, o Präfekt, sie überflügeln alle deine Mauern.« – »Ja! in die Breite! laß sehen, ob sie sie in der Höhe überflügeln. Ohne Flügel kommen sie nicht herüber.«Nur zwei Tausendschaften hatte Witichis in Ravenna zurückgelassen, acht hatte er unter den Grafen Uligis von Urbssalvia und Ansa von Asculum nach Dalmatien ent[pg 242]sendet, diese Provinz und Liburnien den Byzantinern zu entreißen und zumal das wichtige Salona wieder zu gewinnen; durch Söldner, in Savien geworben, sollten sie sich verstärken.Auch die gotische Flotte sollte – gegen Tejas Rat! – dort, nicht gegen den Hafen von Rom, Portus, wirken.Den Umkreis der Stadt Rom aber, und ihre weit hinausgestreckten Wälle, die Mauern Aurelians und des Präfekten, umgürtete nun der König mit einhundertundfünfzig Tausendschaften.Rom hatte damals fünfzehn Hauptthore und einige kleinere.Von diesen umschlossen die Goten den schwächeren Teil der Umwallung, den Raum, der von dem flaminischen Thor im Norden (östlich von der jetzigen Porta del Popolo) bis zum pränestinischen Thor reicht, vollständig mit sechs Heerlagern; nämlich die Wälle vom flaminischen Thor gegen Osten bis ans pincianische und salarische, dann bis an das nomentanische Thor (südöstlich von Porta pia), ferner bis gegen das »geschlossene Thor«, die Porta clausa, endlich südlich von da das tiburtinische Thor (heute Porta San Lorenzo) und das asinarische, metronische, latinische (an der Via latina), das appische (an der Via appia) und das Sankt Pauls-Thor, das zunächst dem Tiberufer lag. Alle diese sechs Lager waren auf dem linken Ufer des Flusses.Um aber zu verhüten, daß die Belagerten durch Zerstörung der milvischen Brücke den Angreifern den Übergang über den Fluß und das ganze Gebiet auf dem rechten Tiberufer bis an die See abschnitten, schlugen die Goten ein siebentes Lager auf dem rechten Tiberufer: »auf dem Felde Neros,« vom vatikanischen Hügel bis gegen die milvische Brücke hin (unter dem »Monte Mario«). So[pg 243]war die milvische Brücke durch ein Gotenlager gedeckt und die Brücke Hadrians bedroht, sowie der Weg nach der Stadt durch die »Porta Sancti Petri«, wie man damals schon, nach Prokops Bericht, das innere Thor Aurelians nannte. Es war das nächste an dem Grabmal Hadrians. Aber auch das Thor von Sankt Pankratius rechts des Tibers war von den Goten scharf beobachtet.Dies Lager auf dem neronischen Feld, auf dem rechten Tiberufer, zwischen dem pankratischen und dem Petrus-Thor, überwies Witichis dem Grafen Markja von Mediolanum, der aus den Cottischen Alpen und der Beobachtung der Franken zurückgerufen worden war. Aber der König selbst weilte oft hier, das Grabmal Hadrians mit scharfen Blicken prüfend.Er hatte kein einzelnes Lager übernommen, sich die Gesamtleitung vorbehaltend, vielmehr die sechs übrigen an Hildebrand, Totila, Hildebad, Teja, Guntharis und Grippa verteilt. Jedes der sieben Lager ließ der König mit einem tiefen Grabenumziehn,die dadurch ausgehobne Erde zu einem hohen Wall zwischen Graben und Lager aufhäufen und diesen mit Pfahlwerk verstärken, – sich gegen Ausfälle zu sichern.Aber auch Belisar und Cethegus verteilten ihre Feldherren und Mannschaften nach den Thoren und Regionen Roms. Belisar übertrug das pränestinische Thor im Osten der Stadt (heute Porta maggiore) Bessas, das stark bedrohte flaminische, dem ein gotisches Lager, das Totilas, in gefährlicher Nähe lag, Constantinus, der es durch Marmorquadern, aus römischen Tempeln und Palästen gebrochen, fast ganz zubauen ließ.Belisar selbst schlug sein Standlager auf im Norden der Stadt. Dieser war unter den ihm von Cethegus eingeräumten Teilen der Festung Rom der schwächste.[pg 244]Den Westen und Süden hielt eifersüchtig, unentfernbar und unentbehrlich, der Präfekt.Aber hier im Norden war Belisar Herr: zwischen dem flaminischen und dem pincianischen – oder nun »belisarischen« – Thor, dem schwächsten Teil der Umwallung, ließ er sich nieder, zugleich Ausfälle gegen die Barbaren planend. Die übrigen Thore überwies er den Führern des Fußvolks Peranius, Magnus, Ennes, Artabanes, Azarethas und Chilbudius.Der Präfekt hatte übernommen alle Thore auf dem rechten Tiberufer, die neue Porta aurelia an der älischen Brücke bei dem Grabmal Hadrians, die Porta septimiana, das alte aurelische Thor, das nun das pankratische hieß, und die Porta portuensis: auf dem linken Ufer aber noch das Thor Sankt Pauls. Erst das nächste Thor weiter östlich, das ardeatinische, stand unter byzantinischer Besatzung: Chilbudius befehligte hier.Gleich unermüdlich und gleich erfinderisch erwiesen sich die Belagerer und die Belagerten in Plänen des Angriffs und der Verteidigung. Lange Zeit handelte es sich nur um Maßregeln, welche die Bedrängung der Römer ohne Sturm, vor dem Sturm, bezweckten und andrerseits, sie abwehren sollten.Die Goten, Herren und Meister der Campagna, suchten die Belagerten auszudursten: sie schnitten alle die prachtvollen vierzehn Wasserleitungen ab, welche die Stadt speisten. Belisar ließ vor allem, als er dies wahrnahm, die Mündungen innerhalb der Stadt verschütten und vermauern. »Denn,« hatte ihm Prokop gesagt, »nachdem du, o großer Held Belisarius, durch eine solche Wasserrinne nach Neapolis hineingekrochen bist, könnte es den Barbaren einfallen, – und kaum schimpflich scheinen, –[pg 245]auf dem gleichen Heldenpfad sich nach Rom hinein zu krabbeln.«Den Genuß des geliebten Bades mußten die Belagerten entbehren: kaum reichten die Brunnen indenvom Fluß entlegenen Stadtteilen für das Trinkwasser aus.Durch das Abschneiden des Wassers hatten aber die Barbaren den Römern auch das Brot abgeschnitten. – Wenigstens schien es so. Denn die sämtlichen Wassermühlen Roms versagten nun. Das aufgespeicherte Getreide, das Cethegus aus Sicilien gekauft, das Belisar aus der Umgegend Roms zwangsweise hatte in die Stadt schaffen lassen, trotz des Murrens der Pächter und Colonen, dieses Getreide konnte nicht mehr gemahlen werden.»Laßt die Mühlen durch Esel und Rinder drehen!« rief Belisar. »Die meisten Esel waren klug genug und die Rinder, ach Belisarius,« sprach Prokop, »sich nicht mit uns hier einsperren zu lassen. Wir haben nur soviel, als wir brauchen, sie zu schlachten. Sie können unmöglich erst Mühlen drehen und dann noch Fleisch genug haben, das gemahlene Brot selbst zu belegen.«»So rufe mir Martinus. Ich habe gestern an dem Tiber, die Gotenzelte zählend, zugleich einen Gedanken gehabt ... –«»Den Martinus wieder aus dem Belisarischen in das Mögliche übersetzen muß. Armer Mann! Aber ich gehe, ihn zu holen.«Als aber am Abend des gleichen Tages Belisar und Martinus durch zusammengelegte Boote im Tiber die erste Schiffsmühle herstellten, welche die Welt kannte, da sprach bewundernd Prokopius: »Das Brot der Schiffsmühle wird länger die Menschen erfreu’n, als deine größten Thaten. Dies so gemahlene Mehl schmeckt nach – Unsterblichkeit.« Und wirklich ersetzten die von Belisar erdachten, von[pg 246]Martinus ausgeführten Schiffsmühlen den Belagerten während der ganzen Dauer der Einschließung die gelähmten Wassermühlen.Hinter der Brücke nämlich, die jetzt Ponte San Sisto heißt, auf der Senkung des Janiculus, befestigte Belisar zwei Schiffe mit Seilen und legte Mühlen über deren flaches Deck, so daß die Mühlenräder durch den Fluß, der aus dem Brückenbogen mit verstärkter Gewalt hervorströmte, von selbst getrieben wurden.Eifrig trachteten alsbald die Belagerer, diese Vorrichtungen, die ihnen Überläufer schilderten, zu zerstören. Balken, Holzflöße, Bäume warfen sie oberhalb der Brücke von dem von ihnen beherrschten Teil aus in den Fluß und zertrümmerten so in Einer Nacht wirklich alle Mühlen. Aber Belisar ließ sie wieder herstellen und nun oberhalb der Brücke starke Ketten gerade über den Fluß ziehen und so auffangen, was, die Mühlen bedrohend, herabtrieb.Nicht nur seine Mühlen sollten diese eisernen Stromriegel decken: sie sollten auch verhindern, daß die Goten auf Kähnen und Flößen den Fluß herab und, ohne die Brücke, in die Stadt drängen.Denn Witichis traf nun alle Vorbereitungen zum Sturm.Er ließ hölzerne Türme bauen, höher als die Zinnen der Stadtmauer, die auf vier Rädern von Rindern gezogen werden sollten. Dann ließ er Sturmleitern in großer Zahl beschaffen und vier furchtbare Widder oder Mauerbrecher, die je eine halbe Hundertschaft schob und bediente. Mit unzähligen Bündeln von Reisig und Schilf sollten die tiefen Gräben ausgefüllt werden.Dagegen pflanzten Belisar und Cethegus, jener im Norden und Osten, dieser im Westen und Süden die Verteidigung der Stadt überwachend, Ballisten und Wurf[pg 247]bogen auf die Wälle, die auf große Entfernung balkenähnliche Speergeschosse schleuderten mit solcher Kraft, daß sie einen gepanzerten Mann völlig durchbohrten. Die Thore schützten sie durch »Wölfe«, d. h. Querbalken, mit eisernen Stacheln besetzt, die man auf die Angreifer niederschmettern ließ, wann sie dicht bis an das Thor gelangt waren. Und endlich streuten sie zahlreiche Fußangeln und Stachelkugeln auf den Vorraum zwischen den Gräben der Stadt und dem Lager der Barbaren.Neuntes Kapitel.Trotz alledem, sagten die Römer, hätten längst die Goten die Mauern erstiegen, wäre nicht des Präfekten Egeria gewesen.Denn es war merkwürdig: so oft die Barbaren einen Sturm vorbereiteten –: Cethegus ging zu Belisar und warnte und bezeichnete im voraus den Tag. So oft Teja oder Hildebad in kühnem Handstreich ein Thor zu überrumpeln, eine Schanze wegzunehmen gedachten: – Cethegus sagte es vorher, und die Angreifer stießen auf das Zweifache der gewöhnlichen Besatzung der Punkte. So oft in nächtigem Überfall die Kette des Tibers gesprengt werden sollte: – Cethegus schien es geahnt zu haben und schickte den Schiffen der Feinde Brander und Feuerkähne entgegen.So ging es viele Monate hin. Die Goten konnten sich nicht verhehlen, daß sie, trotz unablässiger Angriffe, seit Anfang der Belagerung keinerlei Fortschritte gemacht.Lange trugen sie diese Unfälle, die Entdeckung und Vereitelung all ihrer Pläne, mit ungebeugtem Mut. Aber[pg 248]allmählich bemächtigte sich nicht bloß der großen Masse Verdrossenheit, insbesondere da Mangel an Lebensmitteln fühlbar zu werden begann, – auch des Königs klarer Sinn wurde von trüber Schwermut verdüstert, als er all’ seine Kraft, all’ seine Ausdauer, all’ seine Kriegskunst wie von einem bösen Dämon vereitelt sah. Und kam er von einem fehlgeschlagenen Unternehmen, von einem verunglückten Sturm, matt und gebeugt, in sein Königszelt, so ruhten die stolzen Augen seiner schweigsamen Königin mit einem ihm unverständlichen, aber grauenvoll unheimlichen Ausdruck auf ihm, daß er sich schaudernd abwandte.»Es ist nicht anders,« sagte er finster zu Teja, »es ist gekommen, wie ich vorausgesagt. Mit Rauthgundis ist mein Glück von mir gewichen, wie die Freudigkeit meiner Seele. Es ist, als läge ein Fluch auf meiner Krone. Und diese Amalungentochter wandelt um mich her, schweigend und finster, wie mein lebendiges Unglück.«»Du könntest Recht haben,« sprach Teja. »Vielleicht lös’ ich diesen Zauberbann. Gieb mir Urlaub für heut’ Nacht.«Am selben Tage, fast in derselben Stunde, forderte drinnen in Rom Johannes, der Blutige, von Belisar Urlaub für diese Nacht. Belisar schlug es ab. »Jetzt ist nicht Zeit zu nächtlichen Vergnügen,« sagte er.»Wird kein groß Vergnügen sein, in der Nacht zwischen alten feuchten Mauern und gotischen Lanzen einem Fuchs nachspüren, der zehnmal schlauer ist als wir beide.«»Was hast du vor?« fragte Belisar, aufmerksam werdend.»Was ich vorhabe? Ein Ende zu machen der verfluchten Stellung, in der wir alle, in der du, o Feldherr, nicht zum mindesten stehst. Es ist schon alles ganz recht.[pg 249]Seit Monaten liegen die Barbaren vor diesen Mauern und haben nichts dabei gewonnen. Wir erschießen sie wie Knaben die Dohlen vom Hinterhalt und können ihrer lachen. Aber wer ist es eigentlich, der all dies vollbringt? Nicht, wie es sein sollte, du, des Kaisers Feldherr, noch des Kaisers Heer: sondern dieser eisige Römer, der nur lachen kann, wenn er höhnt. Der sitzt da oben im Kapitol und verlacht den Kaiser und die Goten und uns und, mit Verlaub zu sagen, dich selber am meisten. Woher weiß dieser Odysseus und Ajax in Einer Person alle Gotenpläne so scharf, als säße er mit im Rat des Königs Witichis? Durch sein Dämonium, sagen die einen. Durch seine Egeria, sagen die andern. Er hat einen Raben, der hören und sprechen kann wie Menschen, meinen wieder andere: den schickt er alle Nacht ins Gotenlager. Das mögen die alten Weiber glauben und die Römer, nicht meiner Mutter Sohn. Ich glaube, den Raben zu kennen und das Dämonium. Gewiß ist, er kann die Kunde nur aus dem Gotenlager selbst holen; laß uns doch sehen, ob wir nicht selbst an seiner Statt aus dieser Quelle schöpfen können.«»Ich habe das längst bedacht, aber ich sah kein Mittel.«»Ich habe von meinen Hunnen alle seine Schritte belauern lassen. Es ist verdammt schwer: denn dieser braune Maurenteufel folgt ihm wie ein Schatte. Aber tagelang ist Syphax fern: – und dann gelingt es eher. Nun, ich habe erspäht, daß Cethegus so manche Nacht die Stadt verließ, bald aus der Porta portuensis, rechts vom Tiber, bald aus der Porta Sankt Pauls, links vom Tiber im Süden, die er beide besetzt hält. Weiter wagten ihm die Späher nicht zu folgen. Ich aber denke heute Nacht – denn heute muß es wieder treffen, – ihm so nicht von den Fersen zu weichen. Doch muß ich ihnvordem Thore erwarten: seine Isaurier ließen mich nicht durch;[pg 250]ich werde bei einer Runde vor den Mauern in einem der Gräben zurückbleiben.«»Gut. Es sind aber, wie du sagst, zwei Thore zu beobachten.« – »Deshalb hab’ ich mir Perseus, meinen Bruder, zum Genossen erkoren; er hütet das paulinische, ich das portuensische Thor; verlaß dich drauf – bis morgen vor Sonnenaufgang kennt einer von uns das Dämonium des Präfekten.« – Und wirklich: einer von ihnen sollte es kennen lernen.Gerade gegenüber dem Sankt Pauls-Thor, etwa drei Pfeilschüsse von den äußersten Gräben der Stadt, lag ein mächtiges altertümliches Gebäude, die Basilika Sancti Pauli extra muros, die Paulskapelle vor den Mauern, deren letzte Reste erst zur Zeit der Belagerung Roms durch den Connetable von Bourbon völlig verschwanden. Ursprünglich ein Tempel des Jupiter Stator war der Bau seit zwei Jahrhunderten dem Apostel geweiht worden: aber noch stand die bronzene Kolossalstatue des bärtigen Gottes aufrecht: man hatte ihm nur den flammenden Donnerkeil aus der Rechten genommen und dafür ein Kreuz hineingeschoben: im übrigen paßte die breite und bärtige Gestalt gut zu ihrem neuen Namen.Es war um die sechste Stunde der Nacht. Der Mond stand glanzvoll über der ewigen Stadt und goß sein silbernes Licht über die Mauerzinnen und über die Ebene, zwischen den römischen Schanzen und der Basilika, deren schwarze Schatten nach dem Gotenlager hin fielen.Eben hatte die Wache am Sankt Pauls-Thor gewechselt.Aber es waren sieben Mann hinausgeschritten und nur sechs kamen herein. Der siebente wandte der Pforte den Rücken und schritt heraus ins freie Feld.Vorsichtig wählte er seinen Weg: vorsichtig vermied er die zahlreichen Fußangeln, Wolfsgruben, Selbstschüsse[pg 251]vergifteter Pfeile, die hier überall umhergestreut waren und manchem Goten bei den Angriffen auf die Stadt Verderben gebracht hatten. Der Mann schien sie alle zu kennen und wich ihnen leicht aus. Aber er vermied auch das Mondlicht sorgfältig, den Schatten der Mauervorsprünge suchend und oft von Baum zu Baum springend.Als er aus dem äußersten Graben auftauchte, sah er sich um und blieb im Schatten einer Cypresse stehen, deren Zweige die Ballistengeschosse zerschmettert hatten. Er entdeckte nichts Lebendes weit und breit: und er eilte nun mit raschen Schritten der Kirche zu.Hätte er nochmal umgeblickt, er hätte es wohl nicht gethan.Denn, sowie er den Baum verließ, tauchte aus dem Graben eine zweite Gestalt hervor, die in drei Sprüngen ihrerseits den Schatten der Cypresse erreicht hatte. »Gewonnen, Johannes! du stolzer Bruder, diesmal war das Glück dem jüngeren Bruder hold. Jetzt ist Cethegus mein und sein Geheimnis.« Und vorsichtig folgte er dem rasch Voranschreitenden.Aber plötzlich war dieser vor seinen Augen verschwunden, als habe ihn die Erde verschlungen. Es war hart an der äußern Mauer der Kirche, die doch dem Armenier, als er sie erreicht, keine Thür oder Öffnung zeigte.»Kein Zweifel,« sagte der Lauscher, »das Stelldichein ist drinnen im Tempel: ich muß nach.«Allein an dieser Stelle war die Mauer unübersteiglich.Tastend und suchend bog der Späher um die Ecke derselben. Umsonst, die Mauer war überall gleich hoch. – Im Suchen verstrich ihm fast eine Viertelstunde.Endlich fand er eine Lücke in dem Gestein: mühsam zwängte er sich hindurch. Und er stand nun im Vorhofe des alten Tempels, in dem die dicken dorischen Säulen[pg 252]breite Schatten warfen, in deren Schutz er von der rechten Seite her bis an das Hauptgebäude gelangte.Er spähte durch einen Riß des Gemäuers, den ihm die Zugluft verraten hatte. Drinnen war alles finster. Aber plötzlich wurde sein Auge von einem grellen Lichtstrahl geblendet. Als er es wieder aufschlug, sah er einen hellen Streifen in der Dunkelheit: – er rührte von einer Blendlaterne her, deren Licht sich plötzlich gezeigt hatte.Deutlich erkannte er, was in dem Bereich der Laterne stand, den Träger derselben aber nicht: wohl dagegen Cethegus den Präfekten, der hart vor der Statue des Apostels stand und sich an diese zu lehnen schien: vor ihm stand eine zweite Gestalt: ein schlankes Weib, auf dessen dunkelrotes Haar schimmernd das Licht der Laterne fiel.»Die schöne Gotenkönigin, bei Eros und Anteros!« dachte der Lauscher: »kein schlechtes Stelldichein, sei’s nun Liebe, sei’s Politik! Horch, sie spricht. Leider kam ich zu spät, auch den Anfang der Unterredung zu hören.«»Also: merk’ es dir wohl! übermorgen auf der Straße vor dem Thor von Tibur wird etwas gefährliches geplant.« – »Gut: aber was?« frug des Präfekten Stimme. – »Genaueres konnte ich nicht erkunden: und ich kann es dir auch nicht mehr mitteilen, wenn ich es noch erfahre. Ich wage nicht mehr, dich hier wieder zu sehen: denn« ... – Sie sprach nun leiser.Perseus drückte das Ohr hart an die Spalte: da klirrte seine Schwertscheide an das Gestein und nun traf ihn ein Strahl des Lichts.»Horch!« rief eine dritte Stimme – es war eine Frauenstimme, die der Trägerin der Laterne, die sich jetzt in dem Strahl ihres eigenen Blendlichts gezeigt hatte, da sie sich rasch gegen die Richtung des Schalles gekehrt hatte. Perseus erkannte eine Sklavin in maurischer Tracht.[pg 253]Einen Augenblick schwieg alles in dem Tempel. Perseus hielt den Atem an. Er fühlte, es galt das Leben. Denn Cethegus griff ans Schwert.»Alles still,« sagte die Sklavin. »Es fiel wohl nur ein Stein auf den Erzbeschlag draußen.«»Auch in das Grab vor dem portuensischen Thor geh’ ich nicht mehr. Ich fürchte, man ist uns gefolgt.« – »Wer?« – »Einer, der niemals schläft, wie es scheint: Graf Teja.« Des Präfekten Lippe zuckte.»Und er ist auch bei einem rätselhaften Eidbund gegen Belisars Leben: der bloße Scheinangriff gilt dem Sankt Pauls-Thor.« »Gut!« sagte Cethegus nachdenklich. »Belisar würde nicht entrinnen, wenn nicht gewarnt. Sie liegen irgendwo, – aber ich weiß nicht, wo – fürcht’ ich, im Hinterhalt, mit Übermacht, Graf Totila führt sie.«»Ich will ihn schon warnen!« sagte Cethegus langsam.»Wenn es gelänge ..!« – »Sorge nicht, Königin! Mir liegt an Rom nicht weniger denn dir. Und wenn der nächste Sturm fehlschlägt, – so müssen sie die Belagerung aufgeben, so zähe sie sind. Und das, Königin, ist dein Verdienst. Laß mich in dieser Nacht – vielleicht der letzten, da wir uns treffen, – dir mein ganzes staunendes Herz enthüllen. Cethegus staunt nicht leicht und nicht leicht gesteht er’s, wenn er staunen muß. Aber dich – bewundere ich, Königin. Mit welch’ totverachtender Kühnheit, mit welch’ dämonischer List hast du alle Pläne der Barbaren vereitelt! Wahrlich: viel that Belisar, – mehr that Cethegus, – das meiste: Mataswintha.«»Sprächst du wahr!« sagte Mataswintha mit funkelnden Augen.»Undwenn die Krone diesem Frevler vom Haupte fällt ... – –«»War esdeineHand, deren sich das Schicksal Roms bedient hat. Aber, Königin, nicht damit kannst du enden![pg 254]Wie ich dich erkannte, in diesen Monaten – darfst du nicht als gefangene Gotenkönigin nach Byzanz. Diese Schönheit, dieser Geist, diese Kraft muß herrschen – nicht dienen, in Byzanz. Darum bedenke, wenn er nun gestürzt ist – dein Tyrann, – willst du nicht dann den Weg gehn, den ich dir gezeigt?«»Ich habe noch nie über seinen Fall hinaus gedacht,« sagte sie düster.»Aber ich – für dich! Wahrlich, Mataswintha,« – und sein Auge ruhte mit Bewunderung auf ihr, – »du bist – wunderschön. Ich rechn’ es mir zum größten Stolz, daß selbst du mich nicht in Liebe entzündet und von meinen Plänen abgebracht hast. Aber du bist zu schön, zu köstlich, nur der Rache und dem Haß zu leben. Wenn unser Ziel erreicht, – dann nach Byzanz!Als mehr denn Kaiserin: – als Überwinderin der Kaiserin!«»Wenn mein Ziel erreicht, ist mein Leben vollendet. Glaubst du, ich ertrüge den Gedanken, aus eitel Herrschsucht mein Volk zu verderben, um kluger Zwecke willen? Nein: ich konnt’ es nur, weil ich mußte. Die Rache ist jetzt meine Liebe und mein Leben und« ... – –Da scholl von der Fronte des Gebäudes her, aber noch innerhalb der Mauer, laut und schrillend der Ruf des Käuzchens, einmal – zweimal rasch nach einander.Wie staunte Perseus, als er den Präfekten eilig an die Kehle der Bildsäule drücken sah, an der er lehnte, und wie sich diese geräuschlos in zwei Hälften auseinander schlug. Cethegus schlüpfte in die Öffnung: die Statue klappte wieder zusammen. Mataswintha aber und Aspa sanken wie betend auf die Stufen des Altars.»Also war’s ein Zeichen! Es droht Gefahr:« dachte der Späher; »aber wo ist die Gefahr? und wo der[pg 255]Warner?« Und er wandte sich, trat vor und sah nach links, nach der Seite der Goten.Allein damit trat er in den Bereich des Mondlichts: und in den Blick des Mauren Syphax, der vor der Eingangsthür des Hauptgebäudes in einer leeren Nische Schildwache stand, und bisher scharf nach der linken, der gotischen, Seite hin, gespäht hatte.Von dort, von links her, schritt langsam ein Mann heran. Seine Streitaxt blitzte im Mondlicht.Aber auch Perseus sah jetzt eine Waffe aufblitzen: es war der Maure, der leise sein Schwert aus der Scheide zog.»Ha,« lachte Perseus, »bis die beiden mit einander fertig sind, bin ich in Rom, mit meinem Geheimnis.«Und in raschen Sprüngen eilte er nach der Mauerlücke des Vorhofs, durch die er eingedrungen. Zweifelnd blickte Syphax einen Augenblick nach rechts und nach links. Zur Rechten sah er entweichen einen Lauscher, den er jetzt erst ganz entdeckte. Zur Linken schritt ein gotischer Krieger herein in den Tempelhof. Er konnte nicht hoffen, beide zu erreichen und zu töten.Da plötzlich schrie er laut: »Teja, Graf Teja! Hilfe! zu Hilfe! Ein Römer! rettet die Königin! dort rechts an der Mauer, ein Römer!«Im Fluge war Teja heran, bei Syphax. »Dort! rief dieser: »ich schütze die Frauen in der Kirche!« Und er eilte in den Tempel.»Steh, Römer!« rief Teja, und sprang dem fliehenden Perseus nach.Aber Perseus stand nicht: er lief an die Mauer: er erreichte die Lücke, durch welche er hereingekommen war: doch er konnte sich in der Eile nicht wieder hindurchzwängen: so schwang er sich mit der Kraft der Verzweiflung auf die Mauerkrone: und schon hob er den Fuß, sich jen[pg 256]seits hinabzulassen: da traf ihn Tejas Axt im Wurf ans Haupt und rücklings stürzte er nieder, samt seinem erlauschten Geheimnis. –Teja beugte sich über ihn: deutlich erkannte er die Züge des Toten. »Der Archon Perseus,« sagte er, »der Bruder des Johannes.« Und sofort schritt er die Stufen hinan, die zur Kirche führten. An der Schwelle trat ihm Mataswintha entgegen, hinter ihr Syphax und Aspa mit der Blendlaterne. Einen Moment maßen sich beide schweigend mit mißtrauischen Blicken.»Ich habe dir zu danken, Graf Teja von Tarentum,« sagte endlich die Fürstin. »Ich war bedroht in meiner einsamen Andacht.«»Seltsam wählstduOrt und Stunde für deine Gebete. Laß sehen, ob dieser Römer der einzige Feind war.«Er nahm aus Aspas Hand die Leuchte und ging in das Innere der Kapelle. Nach einer Weile kam er wieder, einen mit Gold eingelegten Lederschuh in der Hand. »Ich fand nichts als – diese Sandale am Altar, dicht vor dem Apostel. Es ist ein Mannesfuß.«»Eine Votivgabe von mir,« sagte Syphax rasch. Der Apostel heilte meinen Fuß, ich hatte mir einen Dorn eingetreten.«»Ich dachte, du verehrst nur den Schlangengott?« – »Ich verehre, was da hilft.« – »In welchem Fuße stak der Dorn.« Syphax schwankte einen Augenblick. »Im rechten,« sagte er dann, rasch entschlossen.»Schade,« sprach Teja, »die Sandale ist auf den linken geschnitten.« Und er steckte sie in den Gürtel. »Ich warne dich, Königin, vor solcher nächtlichen Andacht.«»Ich werde thun, was meine Pflicht,« sagte Mataswintha herb.»Und ich, was meine.« Mit diesen Worten schritt[pg 257]Teja voran, zurück zum Lager: schweigend folgte die Königin und ihre Sklaven.Vor Sonnenaufgang stand Teja vor Witichis und berichtete ihm alles.»Was du sagst, ist kein Beweis,« sagte der König. – »Aber schwerer Verdacht. Und du sagtest selbst, die Königin sei dir unheimlich.«»Gerade deshalb hüt’ ich mich, nach bloßem Verdacht zu handeln. Ich zweifle manchmal, ob wir an ihr nicht Unrecht gethan. Fast so schwer, wie an Rauthgundis.« – »Wohl, aber diese nächtlichen Gänge?« – »Werd’ ich verhindern. Schon um ihretwillen.«»Und der Maure? Ich trau’ ihm nicht. Ich weiß, daß er tagelang abwesend: dann taucht er wieder auf im Lager. Er ist ein Späher.«»Ja, Freund,« lächelte Witichis. »Aber der meine. Er geht mit meinem Wissen in Rom aus und ein. Er ist es, der mir noch alle Gelegenheiten verraten.«»Und noch keine hat genützt! Und die falsche Sandale?«»Ist wirklich ein Votivopfer. Aber für Diebstahl; er hat mir, noch ehe du kamst, alles gebeichtet. Er hat, bei der Begleitung der Königin sich langweilend, in einem Gewölbe der Kirche herumgestöbert und da unten allerlei Priestergewänder und vergrabnen Schmuck gefunden und behalten. Aber später, den Zorn des Apostels fürchtend, wollt’ er ihn beschwichtigen, und opferte, in seinem Heidensinn, diese Goldsandale aus seiner Beute. Er beschrieb sie mir ganz genau: mit goldnen Seitenstreifen und einem Achatknopf, oben mit einemC–. Du siehst, es trifft alles zu. Er kannte sie also: sie kann nicht von einem Flüchtenden verloren sein. Und er versprach, als Beweis[pg 258]die dazu gehörige Sandale des rechten Fußes zu bringen. Aber vor allem: er hat mir einen neuen Plan verraten, der all’ unsrer Not ein Ende machen und Belisarius selbst in unsre Hände liefern soll.«Zehntes Kapitel.Während der Gotenkönig diesen Plan seinem Freunde mitteilte, stand Cethegus, in frühester Stunde nach dem belisarischen Thor beschieden, vor Belisar und Johannes.»Präfekt von Rom,« herrschte ihn der Feldherr beim Eintreten an, »wo warst du heute Nacht?«»Auf meinem Posten. Wohin ich gehöre. Am Thor Sankt Pauls.«»Weißt du, daß in dieser Nacht einer der besten meiner Anführer, Perseus der Archon, des Johannes Bruder, die Stadt verlassen hat und seitdem verschwunden ist?«»Thut mir leid. Aber du weißt: es ist verboten, ohne Erlaubnis die Mauer zu überschreiten.«»Ich habe aber Grund zu glauben,« fuhr Johannes auf, »daß du recht gut weißt, was aus meinem Bruder geworden, daß sein Blut an deinen Händen klebt.« »Und beim Schlummer Justinians!« brauste Belisar auf, »das sollst du büßen. Nicht länger sollst du herrschen über des Kaisers Heer und Feldherrn. Die Stunde der Abrechnung ist gekommen. Die Barbaren sind so gut wie vernichtet. Und laß sehn, ob nicht mit deinem Haupt auch das Kapitol fällt.«»Steht es so?« dachte Cethegus, »jetzt sieh dich vor, Belisarius.« Doch er schwieg.[pg 259]»Rede!« rief Johannes. »Wo hast du meinen Bruder ermordet?« Ehe Cethegus antworten konnte, trat Artasines, ein persischer Leibwächter Belisars, herein. »Herr,« sagte er, »draußen stehn sechs gotische Krieger. Sie bringen die Leiche Perseus, des Archonten. König Witichis läßt dir sagen: er sei heut’ Nacht vor den Mauern durch Graf Tejas Beil gefallen. Er sendet ihn zur ehrenden Bestattung.«»Der Himmel selbst,« sprach Cethegus stolz hinausschreitend, »straft eure Bosheit Lügen.« Aber langsam und nachdenklich ging der Präfekt über den Quirinal und das Forum Trajans nach seinem Wohnhaus. »Du drohst, Belisarius? Dank’ für den Wink! Laß sehn, ob wir dich nicht entbehren können.«In seiner Wohnung fand er Syphax, der ihn ungeduldig erwartet hatte und ihm raschen Bericht ablegte. »Vor allem, Herr,« schloß er nun, »laß also deinen Sandalenbinder peitschen. Du siehst, wie schlecht du bedient bist, ist Syphax fern: – und gieb mir gütigst deinen rechten Schuh.«»Ich sollte dir ihn nicht geben und dich zappeln lassen für dein freches Lügen,« lachte der Präfekt. »Dieses Stück Leder ist jetzt dein Leben wert, mein Panther. Womit willst du’s lösen?«»Mit wichtiger Kunde. Ich weiß nun alles ganz genau von dem Plan gegen Belisars Leben: Ort und Zeit: und die Namen der Eidbrüder. Es sind: Teja, Totila und Hildebad.«»Jeder allein genug für den Magister Militum,« murmelte Cethegus vergnüglich.»Ich denke, o Herr, du hast den Barbaren wohl wieder[pg 260]eine schöne Falle gestellt! Ich habe ihnen, auf deinen Befehl, entdeckt, daß Belisar selbst morgen zum tiburtinischen Thor hinausziehen will, um Vorräte aufzutreiben.«»Ja, er selbst geht mit, weil sich die oft aufgefangnen Hunnen nicht mehr allein hinauswagen; er führt nur vierhundert Mann.«»Es werden nun die drei Eidbrüder am Grab der Fulvier einen Hinterhalt von tausend Mann gegen Belisar legen. »Das verdient wirklich den Schuh!« sagte Cethegus und warf ihm denselben zu.»König Witichis wird indessen nur einen Scheinangriff machen lassen auf das Thor Sankt Pauls, die Gedanken der Unsern von Belisar abzulenken. Ich eile nun also zu Belisar, ihm zu sagen, wie du mir aufgetragen, daß er drei Tausend mit sich nimmt und jene gegen ihn Verschwornen vernichtet.«»Halt!« sagte Cethegus ruhig, »nicht so eilfertig! Du meldest nichts.«»Wie?« fragte Syphax erstaunt. »Ungewarnt ist er verloren!« –»Man muß dem Schutzgeist des Feldherrn nicht schon wieder, nicht immer, ins Amt greifen. Belisar mag morgen seinen Stern erproben.«»Ei,« sagte Syphax mit pfiffigem Lächeln, »solches gefällt dir? Dann bin ich lieber Syphax, der Sklave, als Belisarius, der Magister Militum. Arme Witwe Antonina!«Cethegus wollte sich auf das Lager strecken, da meldete Fidus, der Ostiarius: »Kallistratos von Korinth.«»Immer willkommen.«Der junge Grieche mit dem sanften Antlitz trat ein.Ein Hauch anmutiger Röte von Scham oder Freude[pg 261]färbte seine Wangen: es war ersichtlich, daß ihn ein besonderer Anlaß herführte.»Was bringst du des Schönen noch außer dir selbst?« so fragte Cethegus in griechischer Sprache.Der Jüngling schlug die leuchtenden Augen auf: »Ein Herz voll Bewunderung für dich: und den Wunsch, dir diese zu bewähren. Ich bitte um die Gunst, wie die beiden Licinier und Piso, für dich und Rom fechten zu dürfen.«»Mein Kallistratos! was kümmern dich, unsern Friedensgast, den liebenswürdigsten der Hellenen, unsre blutigen Händel mit den Barbaren? Bleibe du von diesem schweren Ernst und pflege deines heitern Erbes: der Schönheit.«»Ich weiß es wohl, die Tage von Salamis sind ferne wie ein Mythos: und ihr eisernen Römer habt uns niemals Kraft zugetraut. Das ist hart – aber doch leichter zu tragen, weil ihr es seid, die unsre Welt, die Kunst und edle Sitte verteidigt gegen die dumpfen Barbaren. Ihr, das heißt Rom und Rom heißt mir Cethegus. So faß ich diesen Kampf und so gefaßt, siehst du, so geht er wohl auch den Hellenen an.«Erfreut lächelte der Präfekt. »Nun, wenn dir Rom Cethegus ist, so nimmt Rom gern die Hilfe des Hellenen an: du bist fortan Tribun der Milites Romani wie Licinius.«»In Thaten will ich dir danken! Aber eins noch muß ich dir gestehn – denn ich weiß: du liebst nicht überrascht zu sein. Oft hab’ ich gesehen, wie teuer dir das Grabmal Hadrians und seine Zier von Götterstatuen ist. Neulich hab’ ich diese marmornen Wächter gezählt und zweihundertachtundneunzig gefunden. Da macht’ ich denn das dritte Hundert voll und habe meine beiden Letoiden, die du so[pg 262]hoch gelobt, den Apollon und die Artemis, dort aufgestellt, dir und Rom zu einem Weihgeschenk.«»Junger lieber Verschwender,« sprach Cethegus, »was hast du da gethan!«»Das Gute und Schöne,« antwortete Kallistratos einfach.»Aber bedenke – das Grabmal ist jetzt eine Schanze: –»Wenn die Goten stürmen –« – »Die Letoiden stehen auf der zweiten, der innern Mauer. Und soll ich fürchten, daß je Barbaren wieder den Lieblingsplatz des Cethegus erreichen? Wo sind die schönen Götter sichrer als in deiner Burg? Deine Schanze ist mir ihr bester, weil ihr sicherster Tempel. Mein Weihgeschenk sei zugleich ein glücklich Omen.«»Das soll es sein,« rief Cethegus lebhaft, »und ich glaube selber: dein Geschenk ist gut geborgen. Aber gestatte mir dagegen« –»Du hast mir schon dafür erlaubt, für dich zu kämpfen. Chaire!« lachte der Grieche und war hinaus.»Der Knabe hat mich sehr lieb,« sagte Cethegus, ihm nachsehend. »Und mir geht’s wie andern Menschenthoren: – mir thut das wohl. Und nicht bloß, weil ich ihn dadurch beherrsche.«Da hallten feste Schritte auf dem Marmor des Vestibulums und ein Tribun der Milites ward gemeldet.Es war ein junger Krieger mit edeln, aber über seine Jahre hinaus ernsten Zügen. In echt römischem Schnitt setzten die Wangenknochen, fast im rechten Winkel, an die gerade strenge Stirn: in dem tief eingelassenen Auge lag römische Kraft und – in dieser Stunde – entschlossener Ernst und rücksichtsloser Wille.»Siehe da, Severinus, des Boëthius Sohn, willkommen mein junger Held und Philosoph. Viele Monate habe ich dich nicht gesehen – woher kommst du?«[pg 263]»Vom Grabe meiner Mutter,« sagte Severinus mit festem Blick auf den Frager.Cethegus sprang auf. »Wie? Rusticiana? meine Jugendfreundin! meines Boëthius Weib!«»Sie ist tot,« sagte der Sohn kurz. Der Präfekt wollte seine Hand fassen. Severinus entzog sie.»Mein Sohn, mein armer Severinus! Und starb sie – ohne ein Wort für mich?«»Ich bringe dir ihr letztes Wort – es galt dir!«»Wie starb sie? an welchem Leiden?« – »An Schmerz und Reue.« – »Schmerz –« seufzte Cethegus, »das begreif’ ich. Aber was sollte sie bereuen! Und mir galt ihr letztes Wort! – sag’ an, wie lautet es?«Da trat Severinus hart an den Präfekten, daß er sein Knie berührte und blickte ihm bohrend ins Auge. »Fluch, Fluch über Cethegus, der meine Seele vergiftet und mein Kind.«Ruhig sah ihn Cethegus an. »Starb sie im Irrsinn?« fragte er kalt.»Nein, Mörder: sie lebte im Irrsinn, solang sie dir vertraute. In ihrer Todesstunde hat sie Cassiodor und mir gestanden, daß ihre Hand dem jungen Tyrannen das Gift gereicht, das du gebraut. Sie erzählte uns den Hergang. Der alte Corbulo und seine Tochter Daphnidion stützten sie. »Spät erst erfuhr ich,« schloß sie, »daß mein Kind aus dem tödlichen Becher getrunken. Und niemand war da, Kamilla in den Arm zu fallen, als sie trinken wollte. Denn ich war noch im Boot auf dem Meere und Cethegus noch in dem Platanengang.« Da rief der alte Corbulo erbleichend: »Wie? der Präfekt wußte, daß der Becher Gift enthielt?« – »Gewiß,« antwortete meine Mutter. »Als ich ihn im Garten traf, sagt’ ich es ihm: »es istgeschehen.««Corbulo verstummte vor Entsetzen:[pg 264]aber Daphnidion schrie in wildem Schmerz: »Weh! meine arme Domna! so hat er sie ermordet! Denn er stand dabei, dicht neben mir, und sah zu, wie sie trank.« – »Er sah zu, wie sie trank?« fragte meine Mutter mit einem Tone, der ewig durch mein Leben gellen wird.»Er sah zu, wie sie trank!« wiederholten der Freigelassene und sein Kind. »O so sei den untern Dämonen sein verfluchtes Haupt geweiht! Rache, Gott, in der Hölle, Rache, meine Söhne, auf Erden für Kamilla! Fluch über Cethegus!« Und sie fiel zurück und war tot.«Der Präfekt blieb unerschüttert stehen. Nur griff er leise an den Dolch unter den Brustfalten der Tunika. »Du aber« – fragte er nach einer Pause – »was thatest du?«»Ich aber kniete nieder an der Leiche und küßte ihre kalte Hand und schwor ihr’s zu, ihr Sterbewort zu vollenden. Wehe dir, Präfekt von Rom: Giftmischer, Mörder meiner Schwester – du sollst nicht leben.«»Sohn des Boëthius, willst du zum Mörder werden um die Wahnworte eines läppischen Sklaven und seiner Dirne? Würdig des Helden und des Philosophen!«»Nichts von Mord. Wäre ich ein Germane, nach dem Brauche dieser Barbaren: – er dünkt mir heute sehr vortrefflich! – rief’ ich dich zum Zweikampf, du verhaßter Feind. Ich aber bin ein Römer und suche meine Rache auf dem Wege des Rechts. Hüte dich, Präfekt, noch giebt es Richter in Italien. Lange Monate hielt mich der Krieg, der Feind von diesen Mauern ab. – Erst heute habe ich Rom, von der See her, erreicht: und morgen erheb’ ich die Klage bei den Senatoren, die deine Richter sind – dort finden wir uns wieder.«Cethegus vertrat ihm plötzlich den Weg an die Thüre.Aber Severinus rief: »Gemach, man sieht sich vor bei[pg 265]Mördern. Drei Freunde haben mich an dein Haus begleitet: – Sie werden mich mit den Liktoren suchen, komm’ ich nicht wieder, noch in dieser Stunde.«»Ich wollte dich nur,« sagte Cethegus wieder ganz ruhig, »vor dem Wege der Schande warnen. Willst du den ältesten Freund deines Hauses um der Fieberreden einer Sterbenden willen mit unbeweisbarer Mordklage verfolgen, – thu’s: ich kann’s nicht hindern. Aber noch einen Auftrag zuvor: du bist mein Ankläger geworden: aber du bleibst Soldat: und mein Tribun. Du wirst gehorchen, wenn dein Feldherr befiehlt.«»Ich werde gehorchen.«»Morgen steht ein Ausfall Belisars bevor: und ein Sturm der Barbaren. Ich muß die Stadt beschirmen. Doch ahnt mir Gefahr für den löwenkühnen Mann: – ich muß ihn treu gehütet wissen. Du wirst morgen, – ich befehl’ es, – den Feldherrn begleiten und sein Leben decken.«»Mit meinem eignen.«»Gut, Tribun, ich verlasse mich auf dein Wort.«»Bau’ du auf meines: auf Wiedersehn: nach der Schlacht: vor dem Senat. Nach beiden Kämpfen lüstet mich gleich sehr. Auf Wiedersehn: – – vor dem Senat.«»Auf Nimmerwiedersehn,« sprach Cethegus, als sein Schritt verhallte. »Syphax,« rief er laut, »bringe Wein und das Hauptmahl. Wir müssen uns stärken: – auf morgen.«

Achtes Kapitel.Am Tage darauf erschien das ganze zahlreiche Heer der Goten vor der ewigen Stadt, die es in sieben Lagern umschloß.Und nun begann jene denkwürdige Belagerung, die nicht minder das Feldherrntalent und die Erfindungsgabe Belisars als den Mut der Belagerer entfalten sollte.Mit Schrecken hatten die Bürger Roms von ihren Mauern herab mit angesehen, wie die Scharen der Goten nicht enden wollten. »Sieh hin, o Präfekt, sie überflügeln alle deine Mauern.« – »Ja! in die Breite! laß sehen, ob sie sie in der Höhe überflügeln. Ohne Flügel kommen sie nicht herüber.«Nur zwei Tausendschaften hatte Witichis in Ravenna zurückgelassen, acht hatte er unter den Grafen Uligis von Urbssalvia und Ansa von Asculum nach Dalmatien ent[pg 242]sendet, diese Provinz und Liburnien den Byzantinern zu entreißen und zumal das wichtige Salona wieder zu gewinnen; durch Söldner, in Savien geworben, sollten sie sich verstärken.Auch die gotische Flotte sollte – gegen Tejas Rat! – dort, nicht gegen den Hafen von Rom, Portus, wirken.Den Umkreis der Stadt Rom aber, und ihre weit hinausgestreckten Wälle, die Mauern Aurelians und des Präfekten, umgürtete nun der König mit einhundertundfünfzig Tausendschaften.Rom hatte damals fünfzehn Hauptthore und einige kleinere.Von diesen umschlossen die Goten den schwächeren Teil der Umwallung, den Raum, der von dem flaminischen Thor im Norden (östlich von der jetzigen Porta del Popolo) bis zum pränestinischen Thor reicht, vollständig mit sechs Heerlagern; nämlich die Wälle vom flaminischen Thor gegen Osten bis ans pincianische und salarische, dann bis an das nomentanische Thor (südöstlich von Porta pia), ferner bis gegen das »geschlossene Thor«, die Porta clausa, endlich südlich von da das tiburtinische Thor (heute Porta San Lorenzo) und das asinarische, metronische, latinische (an der Via latina), das appische (an der Via appia) und das Sankt Pauls-Thor, das zunächst dem Tiberufer lag. Alle diese sechs Lager waren auf dem linken Ufer des Flusses.Um aber zu verhüten, daß die Belagerten durch Zerstörung der milvischen Brücke den Angreifern den Übergang über den Fluß und das ganze Gebiet auf dem rechten Tiberufer bis an die See abschnitten, schlugen die Goten ein siebentes Lager auf dem rechten Tiberufer: »auf dem Felde Neros,« vom vatikanischen Hügel bis gegen die milvische Brücke hin (unter dem »Monte Mario«). So[pg 243]war die milvische Brücke durch ein Gotenlager gedeckt und die Brücke Hadrians bedroht, sowie der Weg nach der Stadt durch die »Porta Sancti Petri«, wie man damals schon, nach Prokops Bericht, das innere Thor Aurelians nannte. Es war das nächste an dem Grabmal Hadrians. Aber auch das Thor von Sankt Pankratius rechts des Tibers war von den Goten scharf beobachtet.Dies Lager auf dem neronischen Feld, auf dem rechten Tiberufer, zwischen dem pankratischen und dem Petrus-Thor, überwies Witichis dem Grafen Markja von Mediolanum, der aus den Cottischen Alpen und der Beobachtung der Franken zurückgerufen worden war. Aber der König selbst weilte oft hier, das Grabmal Hadrians mit scharfen Blicken prüfend.Er hatte kein einzelnes Lager übernommen, sich die Gesamtleitung vorbehaltend, vielmehr die sechs übrigen an Hildebrand, Totila, Hildebad, Teja, Guntharis und Grippa verteilt. Jedes der sieben Lager ließ der König mit einem tiefen Grabenumziehn,die dadurch ausgehobne Erde zu einem hohen Wall zwischen Graben und Lager aufhäufen und diesen mit Pfahlwerk verstärken, – sich gegen Ausfälle zu sichern.Aber auch Belisar und Cethegus verteilten ihre Feldherren und Mannschaften nach den Thoren und Regionen Roms. Belisar übertrug das pränestinische Thor im Osten der Stadt (heute Porta maggiore) Bessas, das stark bedrohte flaminische, dem ein gotisches Lager, das Totilas, in gefährlicher Nähe lag, Constantinus, der es durch Marmorquadern, aus römischen Tempeln und Palästen gebrochen, fast ganz zubauen ließ.Belisar selbst schlug sein Standlager auf im Norden der Stadt. Dieser war unter den ihm von Cethegus eingeräumten Teilen der Festung Rom der schwächste.[pg 244]Den Westen und Süden hielt eifersüchtig, unentfernbar und unentbehrlich, der Präfekt.Aber hier im Norden war Belisar Herr: zwischen dem flaminischen und dem pincianischen – oder nun »belisarischen« – Thor, dem schwächsten Teil der Umwallung, ließ er sich nieder, zugleich Ausfälle gegen die Barbaren planend. Die übrigen Thore überwies er den Führern des Fußvolks Peranius, Magnus, Ennes, Artabanes, Azarethas und Chilbudius.Der Präfekt hatte übernommen alle Thore auf dem rechten Tiberufer, die neue Porta aurelia an der älischen Brücke bei dem Grabmal Hadrians, die Porta septimiana, das alte aurelische Thor, das nun das pankratische hieß, und die Porta portuensis: auf dem linken Ufer aber noch das Thor Sankt Pauls. Erst das nächste Thor weiter östlich, das ardeatinische, stand unter byzantinischer Besatzung: Chilbudius befehligte hier.Gleich unermüdlich und gleich erfinderisch erwiesen sich die Belagerer und die Belagerten in Plänen des Angriffs und der Verteidigung. Lange Zeit handelte es sich nur um Maßregeln, welche die Bedrängung der Römer ohne Sturm, vor dem Sturm, bezweckten und andrerseits, sie abwehren sollten.Die Goten, Herren und Meister der Campagna, suchten die Belagerten auszudursten: sie schnitten alle die prachtvollen vierzehn Wasserleitungen ab, welche die Stadt speisten. Belisar ließ vor allem, als er dies wahrnahm, die Mündungen innerhalb der Stadt verschütten und vermauern. »Denn,« hatte ihm Prokop gesagt, »nachdem du, o großer Held Belisarius, durch eine solche Wasserrinne nach Neapolis hineingekrochen bist, könnte es den Barbaren einfallen, – und kaum schimpflich scheinen, –[pg 245]auf dem gleichen Heldenpfad sich nach Rom hinein zu krabbeln.«Den Genuß des geliebten Bades mußten die Belagerten entbehren: kaum reichten die Brunnen indenvom Fluß entlegenen Stadtteilen für das Trinkwasser aus.Durch das Abschneiden des Wassers hatten aber die Barbaren den Römern auch das Brot abgeschnitten. – Wenigstens schien es so. Denn die sämtlichen Wassermühlen Roms versagten nun. Das aufgespeicherte Getreide, das Cethegus aus Sicilien gekauft, das Belisar aus der Umgegend Roms zwangsweise hatte in die Stadt schaffen lassen, trotz des Murrens der Pächter und Colonen, dieses Getreide konnte nicht mehr gemahlen werden.»Laßt die Mühlen durch Esel und Rinder drehen!« rief Belisar. »Die meisten Esel waren klug genug und die Rinder, ach Belisarius,« sprach Prokop, »sich nicht mit uns hier einsperren zu lassen. Wir haben nur soviel, als wir brauchen, sie zu schlachten. Sie können unmöglich erst Mühlen drehen und dann noch Fleisch genug haben, das gemahlene Brot selbst zu belegen.«»So rufe mir Martinus. Ich habe gestern an dem Tiber, die Gotenzelte zählend, zugleich einen Gedanken gehabt ... –«»Den Martinus wieder aus dem Belisarischen in das Mögliche übersetzen muß. Armer Mann! Aber ich gehe, ihn zu holen.«Als aber am Abend des gleichen Tages Belisar und Martinus durch zusammengelegte Boote im Tiber die erste Schiffsmühle herstellten, welche die Welt kannte, da sprach bewundernd Prokopius: »Das Brot der Schiffsmühle wird länger die Menschen erfreu’n, als deine größten Thaten. Dies so gemahlene Mehl schmeckt nach – Unsterblichkeit.« Und wirklich ersetzten die von Belisar erdachten, von[pg 246]Martinus ausgeführten Schiffsmühlen den Belagerten während der ganzen Dauer der Einschließung die gelähmten Wassermühlen.Hinter der Brücke nämlich, die jetzt Ponte San Sisto heißt, auf der Senkung des Janiculus, befestigte Belisar zwei Schiffe mit Seilen und legte Mühlen über deren flaches Deck, so daß die Mühlenräder durch den Fluß, der aus dem Brückenbogen mit verstärkter Gewalt hervorströmte, von selbst getrieben wurden.Eifrig trachteten alsbald die Belagerer, diese Vorrichtungen, die ihnen Überläufer schilderten, zu zerstören. Balken, Holzflöße, Bäume warfen sie oberhalb der Brücke von dem von ihnen beherrschten Teil aus in den Fluß und zertrümmerten so in Einer Nacht wirklich alle Mühlen. Aber Belisar ließ sie wieder herstellen und nun oberhalb der Brücke starke Ketten gerade über den Fluß ziehen und so auffangen, was, die Mühlen bedrohend, herabtrieb.Nicht nur seine Mühlen sollten diese eisernen Stromriegel decken: sie sollten auch verhindern, daß die Goten auf Kähnen und Flößen den Fluß herab und, ohne die Brücke, in die Stadt drängen.Denn Witichis traf nun alle Vorbereitungen zum Sturm.Er ließ hölzerne Türme bauen, höher als die Zinnen der Stadtmauer, die auf vier Rädern von Rindern gezogen werden sollten. Dann ließ er Sturmleitern in großer Zahl beschaffen und vier furchtbare Widder oder Mauerbrecher, die je eine halbe Hundertschaft schob und bediente. Mit unzähligen Bündeln von Reisig und Schilf sollten die tiefen Gräben ausgefüllt werden.Dagegen pflanzten Belisar und Cethegus, jener im Norden und Osten, dieser im Westen und Süden die Verteidigung der Stadt überwachend, Ballisten und Wurf[pg 247]bogen auf die Wälle, die auf große Entfernung balkenähnliche Speergeschosse schleuderten mit solcher Kraft, daß sie einen gepanzerten Mann völlig durchbohrten. Die Thore schützten sie durch »Wölfe«, d. h. Querbalken, mit eisernen Stacheln besetzt, die man auf die Angreifer niederschmettern ließ, wann sie dicht bis an das Thor gelangt waren. Und endlich streuten sie zahlreiche Fußangeln und Stachelkugeln auf den Vorraum zwischen den Gräben der Stadt und dem Lager der Barbaren.Neuntes Kapitel.Trotz alledem, sagten die Römer, hätten längst die Goten die Mauern erstiegen, wäre nicht des Präfekten Egeria gewesen.Denn es war merkwürdig: so oft die Barbaren einen Sturm vorbereiteten –: Cethegus ging zu Belisar und warnte und bezeichnete im voraus den Tag. So oft Teja oder Hildebad in kühnem Handstreich ein Thor zu überrumpeln, eine Schanze wegzunehmen gedachten: – Cethegus sagte es vorher, und die Angreifer stießen auf das Zweifache der gewöhnlichen Besatzung der Punkte. So oft in nächtigem Überfall die Kette des Tibers gesprengt werden sollte: – Cethegus schien es geahnt zu haben und schickte den Schiffen der Feinde Brander und Feuerkähne entgegen.So ging es viele Monate hin. Die Goten konnten sich nicht verhehlen, daß sie, trotz unablässiger Angriffe, seit Anfang der Belagerung keinerlei Fortschritte gemacht.Lange trugen sie diese Unfälle, die Entdeckung und Vereitelung all ihrer Pläne, mit ungebeugtem Mut. Aber[pg 248]allmählich bemächtigte sich nicht bloß der großen Masse Verdrossenheit, insbesondere da Mangel an Lebensmitteln fühlbar zu werden begann, – auch des Königs klarer Sinn wurde von trüber Schwermut verdüstert, als er all’ seine Kraft, all’ seine Ausdauer, all’ seine Kriegskunst wie von einem bösen Dämon vereitelt sah. Und kam er von einem fehlgeschlagenen Unternehmen, von einem verunglückten Sturm, matt und gebeugt, in sein Königszelt, so ruhten die stolzen Augen seiner schweigsamen Königin mit einem ihm unverständlichen, aber grauenvoll unheimlichen Ausdruck auf ihm, daß er sich schaudernd abwandte.»Es ist nicht anders,« sagte er finster zu Teja, »es ist gekommen, wie ich vorausgesagt. Mit Rauthgundis ist mein Glück von mir gewichen, wie die Freudigkeit meiner Seele. Es ist, als läge ein Fluch auf meiner Krone. Und diese Amalungentochter wandelt um mich her, schweigend und finster, wie mein lebendiges Unglück.«»Du könntest Recht haben,« sprach Teja. »Vielleicht lös’ ich diesen Zauberbann. Gieb mir Urlaub für heut’ Nacht.«Am selben Tage, fast in derselben Stunde, forderte drinnen in Rom Johannes, der Blutige, von Belisar Urlaub für diese Nacht. Belisar schlug es ab. »Jetzt ist nicht Zeit zu nächtlichen Vergnügen,« sagte er.»Wird kein groß Vergnügen sein, in der Nacht zwischen alten feuchten Mauern und gotischen Lanzen einem Fuchs nachspüren, der zehnmal schlauer ist als wir beide.«»Was hast du vor?« fragte Belisar, aufmerksam werdend.»Was ich vorhabe? Ein Ende zu machen der verfluchten Stellung, in der wir alle, in der du, o Feldherr, nicht zum mindesten stehst. Es ist schon alles ganz recht.[pg 249]Seit Monaten liegen die Barbaren vor diesen Mauern und haben nichts dabei gewonnen. Wir erschießen sie wie Knaben die Dohlen vom Hinterhalt und können ihrer lachen. Aber wer ist es eigentlich, der all dies vollbringt? Nicht, wie es sein sollte, du, des Kaisers Feldherr, noch des Kaisers Heer: sondern dieser eisige Römer, der nur lachen kann, wenn er höhnt. Der sitzt da oben im Kapitol und verlacht den Kaiser und die Goten und uns und, mit Verlaub zu sagen, dich selber am meisten. Woher weiß dieser Odysseus und Ajax in Einer Person alle Gotenpläne so scharf, als säße er mit im Rat des Königs Witichis? Durch sein Dämonium, sagen die einen. Durch seine Egeria, sagen die andern. Er hat einen Raben, der hören und sprechen kann wie Menschen, meinen wieder andere: den schickt er alle Nacht ins Gotenlager. Das mögen die alten Weiber glauben und die Römer, nicht meiner Mutter Sohn. Ich glaube, den Raben zu kennen und das Dämonium. Gewiß ist, er kann die Kunde nur aus dem Gotenlager selbst holen; laß uns doch sehen, ob wir nicht selbst an seiner Statt aus dieser Quelle schöpfen können.«»Ich habe das längst bedacht, aber ich sah kein Mittel.«»Ich habe von meinen Hunnen alle seine Schritte belauern lassen. Es ist verdammt schwer: denn dieser braune Maurenteufel folgt ihm wie ein Schatte. Aber tagelang ist Syphax fern: – und dann gelingt es eher. Nun, ich habe erspäht, daß Cethegus so manche Nacht die Stadt verließ, bald aus der Porta portuensis, rechts vom Tiber, bald aus der Porta Sankt Pauls, links vom Tiber im Süden, die er beide besetzt hält. Weiter wagten ihm die Späher nicht zu folgen. Ich aber denke heute Nacht – denn heute muß es wieder treffen, – ihm so nicht von den Fersen zu weichen. Doch muß ich ihnvordem Thore erwarten: seine Isaurier ließen mich nicht durch;[pg 250]ich werde bei einer Runde vor den Mauern in einem der Gräben zurückbleiben.«»Gut. Es sind aber, wie du sagst, zwei Thore zu beobachten.« – »Deshalb hab’ ich mir Perseus, meinen Bruder, zum Genossen erkoren; er hütet das paulinische, ich das portuensische Thor; verlaß dich drauf – bis morgen vor Sonnenaufgang kennt einer von uns das Dämonium des Präfekten.« – Und wirklich: einer von ihnen sollte es kennen lernen.Gerade gegenüber dem Sankt Pauls-Thor, etwa drei Pfeilschüsse von den äußersten Gräben der Stadt, lag ein mächtiges altertümliches Gebäude, die Basilika Sancti Pauli extra muros, die Paulskapelle vor den Mauern, deren letzte Reste erst zur Zeit der Belagerung Roms durch den Connetable von Bourbon völlig verschwanden. Ursprünglich ein Tempel des Jupiter Stator war der Bau seit zwei Jahrhunderten dem Apostel geweiht worden: aber noch stand die bronzene Kolossalstatue des bärtigen Gottes aufrecht: man hatte ihm nur den flammenden Donnerkeil aus der Rechten genommen und dafür ein Kreuz hineingeschoben: im übrigen paßte die breite und bärtige Gestalt gut zu ihrem neuen Namen.Es war um die sechste Stunde der Nacht. Der Mond stand glanzvoll über der ewigen Stadt und goß sein silbernes Licht über die Mauerzinnen und über die Ebene, zwischen den römischen Schanzen und der Basilika, deren schwarze Schatten nach dem Gotenlager hin fielen.Eben hatte die Wache am Sankt Pauls-Thor gewechselt.Aber es waren sieben Mann hinausgeschritten und nur sechs kamen herein. Der siebente wandte der Pforte den Rücken und schritt heraus ins freie Feld.Vorsichtig wählte er seinen Weg: vorsichtig vermied er die zahlreichen Fußangeln, Wolfsgruben, Selbstschüsse[pg 251]vergifteter Pfeile, die hier überall umhergestreut waren und manchem Goten bei den Angriffen auf die Stadt Verderben gebracht hatten. Der Mann schien sie alle zu kennen und wich ihnen leicht aus. Aber er vermied auch das Mondlicht sorgfältig, den Schatten der Mauervorsprünge suchend und oft von Baum zu Baum springend.Als er aus dem äußersten Graben auftauchte, sah er sich um und blieb im Schatten einer Cypresse stehen, deren Zweige die Ballistengeschosse zerschmettert hatten. Er entdeckte nichts Lebendes weit und breit: und er eilte nun mit raschen Schritten der Kirche zu.Hätte er nochmal umgeblickt, er hätte es wohl nicht gethan.Denn, sowie er den Baum verließ, tauchte aus dem Graben eine zweite Gestalt hervor, die in drei Sprüngen ihrerseits den Schatten der Cypresse erreicht hatte. »Gewonnen, Johannes! du stolzer Bruder, diesmal war das Glück dem jüngeren Bruder hold. Jetzt ist Cethegus mein und sein Geheimnis.« Und vorsichtig folgte er dem rasch Voranschreitenden.Aber plötzlich war dieser vor seinen Augen verschwunden, als habe ihn die Erde verschlungen. Es war hart an der äußern Mauer der Kirche, die doch dem Armenier, als er sie erreicht, keine Thür oder Öffnung zeigte.»Kein Zweifel,« sagte der Lauscher, »das Stelldichein ist drinnen im Tempel: ich muß nach.«Allein an dieser Stelle war die Mauer unübersteiglich.Tastend und suchend bog der Späher um die Ecke derselben. Umsonst, die Mauer war überall gleich hoch. – Im Suchen verstrich ihm fast eine Viertelstunde.Endlich fand er eine Lücke in dem Gestein: mühsam zwängte er sich hindurch. Und er stand nun im Vorhofe des alten Tempels, in dem die dicken dorischen Säulen[pg 252]breite Schatten warfen, in deren Schutz er von der rechten Seite her bis an das Hauptgebäude gelangte.Er spähte durch einen Riß des Gemäuers, den ihm die Zugluft verraten hatte. Drinnen war alles finster. Aber plötzlich wurde sein Auge von einem grellen Lichtstrahl geblendet. Als er es wieder aufschlug, sah er einen hellen Streifen in der Dunkelheit: – er rührte von einer Blendlaterne her, deren Licht sich plötzlich gezeigt hatte.Deutlich erkannte er, was in dem Bereich der Laterne stand, den Träger derselben aber nicht: wohl dagegen Cethegus den Präfekten, der hart vor der Statue des Apostels stand und sich an diese zu lehnen schien: vor ihm stand eine zweite Gestalt: ein schlankes Weib, auf dessen dunkelrotes Haar schimmernd das Licht der Laterne fiel.»Die schöne Gotenkönigin, bei Eros und Anteros!« dachte der Lauscher: »kein schlechtes Stelldichein, sei’s nun Liebe, sei’s Politik! Horch, sie spricht. Leider kam ich zu spät, auch den Anfang der Unterredung zu hören.«»Also: merk’ es dir wohl! übermorgen auf der Straße vor dem Thor von Tibur wird etwas gefährliches geplant.« – »Gut: aber was?« frug des Präfekten Stimme. – »Genaueres konnte ich nicht erkunden: und ich kann es dir auch nicht mehr mitteilen, wenn ich es noch erfahre. Ich wage nicht mehr, dich hier wieder zu sehen: denn« ... – Sie sprach nun leiser.Perseus drückte das Ohr hart an die Spalte: da klirrte seine Schwertscheide an das Gestein und nun traf ihn ein Strahl des Lichts.»Horch!« rief eine dritte Stimme – es war eine Frauenstimme, die der Trägerin der Laterne, die sich jetzt in dem Strahl ihres eigenen Blendlichts gezeigt hatte, da sie sich rasch gegen die Richtung des Schalles gekehrt hatte. Perseus erkannte eine Sklavin in maurischer Tracht.[pg 253]Einen Augenblick schwieg alles in dem Tempel. Perseus hielt den Atem an. Er fühlte, es galt das Leben. Denn Cethegus griff ans Schwert.»Alles still,« sagte die Sklavin. »Es fiel wohl nur ein Stein auf den Erzbeschlag draußen.«»Auch in das Grab vor dem portuensischen Thor geh’ ich nicht mehr. Ich fürchte, man ist uns gefolgt.« – »Wer?« – »Einer, der niemals schläft, wie es scheint: Graf Teja.« Des Präfekten Lippe zuckte.»Und er ist auch bei einem rätselhaften Eidbund gegen Belisars Leben: der bloße Scheinangriff gilt dem Sankt Pauls-Thor.« »Gut!« sagte Cethegus nachdenklich. »Belisar würde nicht entrinnen, wenn nicht gewarnt. Sie liegen irgendwo, – aber ich weiß nicht, wo – fürcht’ ich, im Hinterhalt, mit Übermacht, Graf Totila führt sie.«»Ich will ihn schon warnen!« sagte Cethegus langsam.»Wenn es gelänge ..!« – »Sorge nicht, Königin! Mir liegt an Rom nicht weniger denn dir. Und wenn der nächste Sturm fehlschlägt, – so müssen sie die Belagerung aufgeben, so zähe sie sind. Und das, Königin, ist dein Verdienst. Laß mich in dieser Nacht – vielleicht der letzten, da wir uns treffen, – dir mein ganzes staunendes Herz enthüllen. Cethegus staunt nicht leicht und nicht leicht gesteht er’s, wenn er staunen muß. Aber dich – bewundere ich, Königin. Mit welch’ totverachtender Kühnheit, mit welch’ dämonischer List hast du alle Pläne der Barbaren vereitelt! Wahrlich: viel that Belisar, – mehr that Cethegus, – das meiste: Mataswintha.«»Sprächst du wahr!« sagte Mataswintha mit funkelnden Augen.»Undwenn die Krone diesem Frevler vom Haupte fällt ... – –«»War esdeineHand, deren sich das Schicksal Roms bedient hat. Aber, Königin, nicht damit kannst du enden![pg 254]Wie ich dich erkannte, in diesen Monaten – darfst du nicht als gefangene Gotenkönigin nach Byzanz. Diese Schönheit, dieser Geist, diese Kraft muß herrschen – nicht dienen, in Byzanz. Darum bedenke, wenn er nun gestürzt ist – dein Tyrann, – willst du nicht dann den Weg gehn, den ich dir gezeigt?«»Ich habe noch nie über seinen Fall hinaus gedacht,« sagte sie düster.»Aber ich – für dich! Wahrlich, Mataswintha,« – und sein Auge ruhte mit Bewunderung auf ihr, – »du bist – wunderschön. Ich rechn’ es mir zum größten Stolz, daß selbst du mich nicht in Liebe entzündet und von meinen Plänen abgebracht hast. Aber du bist zu schön, zu köstlich, nur der Rache und dem Haß zu leben. Wenn unser Ziel erreicht, – dann nach Byzanz!Als mehr denn Kaiserin: – als Überwinderin der Kaiserin!«»Wenn mein Ziel erreicht, ist mein Leben vollendet. Glaubst du, ich ertrüge den Gedanken, aus eitel Herrschsucht mein Volk zu verderben, um kluger Zwecke willen? Nein: ich konnt’ es nur, weil ich mußte. Die Rache ist jetzt meine Liebe und mein Leben und« ... – –Da scholl von der Fronte des Gebäudes her, aber noch innerhalb der Mauer, laut und schrillend der Ruf des Käuzchens, einmal – zweimal rasch nach einander.Wie staunte Perseus, als er den Präfekten eilig an die Kehle der Bildsäule drücken sah, an der er lehnte, und wie sich diese geräuschlos in zwei Hälften auseinander schlug. Cethegus schlüpfte in die Öffnung: die Statue klappte wieder zusammen. Mataswintha aber und Aspa sanken wie betend auf die Stufen des Altars.»Also war’s ein Zeichen! Es droht Gefahr:« dachte der Späher; »aber wo ist die Gefahr? und wo der[pg 255]Warner?« Und er wandte sich, trat vor und sah nach links, nach der Seite der Goten.Allein damit trat er in den Bereich des Mondlichts: und in den Blick des Mauren Syphax, der vor der Eingangsthür des Hauptgebäudes in einer leeren Nische Schildwache stand, und bisher scharf nach der linken, der gotischen, Seite hin, gespäht hatte.Von dort, von links her, schritt langsam ein Mann heran. Seine Streitaxt blitzte im Mondlicht.Aber auch Perseus sah jetzt eine Waffe aufblitzen: es war der Maure, der leise sein Schwert aus der Scheide zog.»Ha,« lachte Perseus, »bis die beiden mit einander fertig sind, bin ich in Rom, mit meinem Geheimnis.«Und in raschen Sprüngen eilte er nach der Mauerlücke des Vorhofs, durch die er eingedrungen. Zweifelnd blickte Syphax einen Augenblick nach rechts und nach links. Zur Rechten sah er entweichen einen Lauscher, den er jetzt erst ganz entdeckte. Zur Linken schritt ein gotischer Krieger herein in den Tempelhof. Er konnte nicht hoffen, beide zu erreichen und zu töten.Da plötzlich schrie er laut: »Teja, Graf Teja! Hilfe! zu Hilfe! Ein Römer! rettet die Königin! dort rechts an der Mauer, ein Römer!«Im Fluge war Teja heran, bei Syphax. »Dort! rief dieser: »ich schütze die Frauen in der Kirche!« Und er eilte in den Tempel.»Steh, Römer!« rief Teja, und sprang dem fliehenden Perseus nach.Aber Perseus stand nicht: er lief an die Mauer: er erreichte die Lücke, durch welche er hereingekommen war: doch er konnte sich in der Eile nicht wieder hindurchzwängen: so schwang er sich mit der Kraft der Verzweiflung auf die Mauerkrone: und schon hob er den Fuß, sich jen[pg 256]seits hinabzulassen: da traf ihn Tejas Axt im Wurf ans Haupt und rücklings stürzte er nieder, samt seinem erlauschten Geheimnis. –Teja beugte sich über ihn: deutlich erkannte er die Züge des Toten. »Der Archon Perseus,« sagte er, »der Bruder des Johannes.« Und sofort schritt er die Stufen hinan, die zur Kirche führten. An der Schwelle trat ihm Mataswintha entgegen, hinter ihr Syphax und Aspa mit der Blendlaterne. Einen Moment maßen sich beide schweigend mit mißtrauischen Blicken.»Ich habe dir zu danken, Graf Teja von Tarentum,« sagte endlich die Fürstin. »Ich war bedroht in meiner einsamen Andacht.«»Seltsam wählstduOrt und Stunde für deine Gebete. Laß sehen, ob dieser Römer der einzige Feind war.«Er nahm aus Aspas Hand die Leuchte und ging in das Innere der Kapelle. Nach einer Weile kam er wieder, einen mit Gold eingelegten Lederschuh in der Hand. »Ich fand nichts als – diese Sandale am Altar, dicht vor dem Apostel. Es ist ein Mannesfuß.«»Eine Votivgabe von mir,« sagte Syphax rasch. Der Apostel heilte meinen Fuß, ich hatte mir einen Dorn eingetreten.«»Ich dachte, du verehrst nur den Schlangengott?« – »Ich verehre, was da hilft.« – »In welchem Fuße stak der Dorn.« Syphax schwankte einen Augenblick. »Im rechten,« sagte er dann, rasch entschlossen.»Schade,« sprach Teja, »die Sandale ist auf den linken geschnitten.« Und er steckte sie in den Gürtel. »Ich warne dich, Königin, vor solcher nächtlichen Andacht.«»Ich werde thun, was meine Pflicht,« sagte Mataswintha herb.»Und ich, was meine.« Mit diesen Worten schritt[pg 257]Teja voran, zurück zum Lager: schweigend folgte die Königin und ihre Sklaven.Vor Sonnenaufgang stand Teja vor Witichis und berichtete ihm alles.»Was du sagst, ist kein Beweis,« sagte der König. – »Aber schwerer Verdacht. Und du sagtest selbst, die Königin sei dir unheimlich.«»Gerade deshalb hüt’ ich mich, nach bloßem Verdacht zu handeln. Ich zweifle manchmal, ob wir an ihr nicht Unrecht gethan. Fast so schwer, wie an Rauthgundis.« – »Wohl, aber diese nächtlichen Gänge?« – »Werd’ ich verhindern. Schon um ihretwillen.«»Und der Maure? Ich trau’ ihm nicht. Ich weiß, daß er tagelang abwesend: dann taucht er wieder auf im Lager. Er ist ein Späher.«»Ja, Freund,« lächelte Witichis. »Aber der meine. Er geht mit meinem Wissen in Rom aus und ein. Er ist es, der mir noch alle Gelegenheiten verraten.«»Und noch keine hat genützt! Und die falsche Sandale?«»Ist wirklich ein Votivopfer. Aber für Diebstahl; er hat mir, noch ehe du kamst, alles gebeichtet. Er hat, bei der Begleitung der Königin sich langweilend, in einem Gewölbe der Kirche herumgestöbert und da unten allerlei Priestergewänder und vergrabnen Schmuck gefunden und behalten. Aber später, den Zorn des Apostels fürchtend, wollt’ er ihn beschwichtigen, und opferte, in seinem Heidensinn, diese Goldsandale aus seiner Beute. Er beschrieb sie mir ganz genau: mit goldnen Seitenstreifen und einem Achatknopf, oben mit einemC–. Du siehst, es trifft alles zu. Er kannte sie also: sie kann nicht von einem Flüchtenden verloren sein. Und er versprach, als Beweis[pg 258]die dazu gehörige Sandale des rechten Fußes zu bringen. Aber vor allem: er hat mir einen neuen Plan verraten, der all’ unsrer Not ein Ende machen und Belisarius selbst in unsre Hände liefern soll.«Zehntes Kapitel.Während der Gotenkönig diesen Plan seinem Freunde mitteilte, stand Cethegus, in frühester Stunde nach dem belisarischen Thor beschieden, vor Belisar und Johannes.»Präfekt von Rom,« herrschte ihn der Feldherr beim Eintreten an, »wo warst du heute Nacht?«»Auf meinem Posten. Wohin ich gehöre. Am Thor Sankt Pauls.«»Weißt du, daß in dieser Nacht einer der besten meiner Anführer, Perseus der Archon, des Johannes Bruder, die Stadt verlassen hat und seitdem verschwunden ist?«»Thut mir leid. Aber du weißt: es ist verboten, ohne Erlaubnis die Mauer zu überschreiten.«»Ich habe aber Grund zu glauben,« fuhr Johannes auf, »daß du recht gut weißt, was aus meinem Bruder geworden, daß sein Blut an deinen Händen klebt.« »Und beim Schlummer Justinians!« brauste Belisar auf, »das sollst du büßen. Nicht länger sollst du herrschen über des Kaisers Heer und Feldherrn. Die Stunde der Abrechnung ist gekommen. Die Barbaren sind so gut wie vernichtet. Und laß sehn, ob nicht mit deinem Haupt auch das Kapitol fällt.«»Steht es so?« dachte Cethegus, »jetzt sieh dich vor, Belisarius.« Doch er schwieg.[pg 259]»Rede!« rief Johannes. »Wo hast du meinen Bruder ermordet?« Ehe Cethegus antworten konnte, trat Artasines, ein persischer Leibwächter Belisars, herein. »Herr,« sagte er, »draußen stehn sechs gotische Krieger. Sie bringen die Leiche Perseus, des Archonten. König Witichis läßt dir sagen: er sei heut’ Nacht vor den Mauern durch Graf Tejas Beil gefallen. Er sendet ihn zur ehrenden Bestattung.«»Der Himmel selbst,« sprach Cethegus stolz hinausschreitend, »straft eure Bosheit Lügen.« Aber langsam und nachdenklich ging der Präfekt über den Quirinal und das Forum Trajans nach seinem Wohnhaus. »Du drohst, Belisarius? Dank’ für den Wink! Laß sehn, ob wir dich nicht entbehren können.«In seiner Wohnung fand er Syphax, der ihn ungeduldig erwartet hatte und ihm raschen Bericht ablegte. »Vor allem, Herr,« schloß er nun, »laß also deinen Sandalenbinder peitschen. Du siehst, wie schlecht du bedient bist, ist Syphax fern: – und gieb mir gütigst deinen rechten Schuh.«»Ich sollte dir ihn nicht geben und dich zappeln lassen für dein freches Lügen,« lachte der Präfekt. »Dieses Stück Leder ist jetzt dein Leben wert, mein Panther. Womit willst du’s lösen?«»Mit wichtiger Kunde. Ich weiß nun alles ganz genau von dem Plan gegen Belisars Leben: Ort und Zeit: und die Namen der Eidbrüder. Es sind: Teja, Totila und Hildebad.«»Jeder allein genug für den Magister Militum,« murmelte Cethegus vergnüglich.»Ich denke, o Herr, du hast den Barbaren wohl wieder[pg 260]eine schöne Falle gestellt! Ich habe ihnen, auf deinen Befehl, entdeckt, daß Belisar selbst morgen zum tiburtinischen Thor hinausziehen will, um Vorräte aufzutreiben.«»Ja, er selbst geht mit, weil sich die oft aufgefangnen Hunnen nicht mehr allein hinauswagen; er führt nur vierhundert Mann.«»Es werden nun die drei Eidbrüder am Grab der Fulvier einen Hinterhalt von tausend Mann gegen Belisar legen. »Das verdient wirklich den Schuh!« sagte Cethegus und warf ihm denselben zu.»König Witichis wird indessen nur einen Scheinangriff machen lassen auf das Thor Sankt Pauls, die Gedanken der Unsern von Belisar abzulenken. Ich eile nun also zu Belisar, ihm zu sagen, wie du mir aufgetragen, daß er drei Tausend mit sich nimmt und jene gegen ihn Verschwornen vernichtet.«»Halt!« sagte Cethegus ruhig, »nicht so eilfertig! Du meldest nichts.«»Wie?« fragte Syphax erstaunt. »Ungewarnt ist er verloren!« –»Man muß dem Schutzgeist des Feldherrn nicht schon wieder, nicht immer, ins Amt greifen. Belisar mag morgen seinen Stern erproben.«»Ei,« sagte Syphax mit pfiffigem Lächeln, »solches gefällt dir? Dann bin ich lieber Syphax, der Sklave, als Belisarius, der Magister Militum. Arme Witwe Antonina!«Cethegus wollte sich auf das Lager strecken, da meldete Fidus, der Ostiarius: »Kallistratos von Korinth.«»Immer willkommen.«Der junge Grieche mit dem sanften Antlitz trat ein.Ein Hauch anmutiger Röte von Scham oder Freude[pg 261]färbte seine Wangen: es war ersichtlich, daß ihn ein besonderer Anlaß herführte.»Was bringst du des Schönen noch außer dir selbst?« so fragte Cethegus in griechischer Sprache.Der Jüngling schlug die leuchtenden Augen auf: »Ein Herz voll Bewunderung für dich: und den Wunsch, dir diese zu bewähren. Ich bitte um die Gunst, wie die beiden Licinier und Piso, für dich und Rom fechten zu dürfen.«»Mein Kallistratos! was kümmern dich, unsern Friedensgast, den liebenswürdigsten der Hellenen, unsre blutigen Händel mit den Barbaren? Bleibe du von diesem schweren Ernst und pflege deines heitern Erbes: der Schönheit.«»Ich weiß es wohl, die Tage von Salamis sind ferne wie ein Mythos: und ihr eisernen Römer habt uns niemals Kraft zugetraut. Das ist hart – aber doch leichter zu tragen, weil ihr es seid, die unsre Welt, die Kunst und edle Sitte verteidigt gegen die dumpfen Barbaren. Ihr, das heißt Rom und Rom heißt mir Cethegus. So faß ich diesen Kampf und so gefaßt, siehst du, so geht er wohl auch den Hellenen an.«Erfreut lächelte der Präfekt. »Nun, wenn dir Rom Cethegus ist, so nimmt Rom gern die Hilfe des Hellenen an: du bist fortan Tribun der Milites Romani wie Licinius.«»In Thaten will ich dir danken! Aber eins noch muß ich dir gestehn – denn ich weiß: du liebst nicht überrascht zu sein. Oft hab’ ich gesehen, wie teuer dir das Grabmal Hadrians und seine Zier von Götterstatuen ist. Neulich hab’ ich diese marmornen Wächter gezählt und zweihundertachtundneunzig gefunden. Da macht’ ich denn das dritte Hundert voll und habe meine beiden Letoiden, die du so[pg 262]hoch gelobt, den Apollon und die Artemis, dort aufgestellt, dir und Rom zu einem Weihgeschenk.«»Junger lieber Verschwender,« sprach Cethegus, »was hast du da gethan!«»Das Gute und Schöne,« antwortete Kallistratos einfach.»Aber bedenke – das Grabmal ist jetzt eine Schanze: –»Wenn die Goten stürmen –« – »Die Letoiden stehen auf der zweiten, der innern Mauer. Und soll ich fürchten, daß je Barbaren wieder den Lieblingsplatz des Cethegus erreichen? Wo sind die schönen Götter sichrer als in deiner Burg? Deine Schanze ist mir ihr bester, weil ihr sicherster Tempel. Mein Weihgeschenk sei zugleich ein glücklich Omen.«»Das soll es sein,« rief Cethegus lebhaft, »und ich glaube selber: dein Geschenk ist gut geborgen. Aber gestatte mir dagegen« –»Du hast mir schon dafür erlaubt, für dich zu kämpfen. Chaire!« lachte der Grieche und war hinaus.»Der Knabe hat mich sehr lieb,« sagte Cethegus, ihm nachsehend. »Und mir geht’s wie andern Menschenthoren: – mir thut das wohl. Und nicht bloß, weil ich ihn dadurch beherrsche.«Da hallten feste Schritte auf dem Marmor des Vestibulums und ein Tribun der Milites ward gemeldet.Es war ein junger Krieger mit edeln, aber über seine Jahre hinaus ernsten Zügen. In echt römischem Schnitt setzten die Wangenknochen, fast im rechten Winkel, an die gerade strenge Stirn: in dem tief eingelassenen Auge lag römische Kraft und – in dieser Stunde – entschlossener Ernst und rücksichtsloser Wille.»Siehe da, Severinus, des Boëthius Sohn, willkommen mein junger Held und Philosoph. Viele Monate habe ich dich nicht gesehen – woher kommst du?«[pg 263]»Vom Grabe meiner Mutter,« sagte Severinus mit festem Blick auf den Frager.Cethegus sprang auf. »Wie? Rusticiana? meine Jugendfreundin! meines Boëthius Weib!«»Sie ist tot,« sagte der Sohn kurz. Der Präfekt wollte seine Hand fassen. Severinus entzog sie.»Mein Sohn, mein armer Severinus! Und starb sie – ohne ein Wort für mich?«»Ich bringe dir ihr letztes Wort – es galt dir!«»Wie starb sie? an welchem Leiden?« – »An Schmerz und Reue.« – »Schmerz –« seufzte Cethegus, »das begreif’ ich. Aber was sollte sie bereuen! Und mir galt ihr letztes Wort! – sag’ an, wie lautet es?«Da trat Severinus hart an den Präfekten, daß er sein Knie berührte und blickte ihm bohrend ins Auge. »Fluch, Fluch über Cethegus, der meine Seele vergiftet und mein Kind.«Ruhig sah ihn Cethegus an. »Starb sie im Irrsinn?« fragte er kalt.»Nein, Mörder: sie lebte im Irrsinn, solang sie dir vertraute. In ihrer Todesstunde hat sie Cassiodor und mir gestanden, daß ihre Hand dem jungen Tyrannen das Gift gereicht, das du gebraut. Sie erzählte uns den Hergang. Der alte Corbulo und seine Tochter Daphnidion stützten sie. »Spät erst erfuhr ich,« schloß sie, »daß mein Kind aus dem tödlichen Becher getrunken. Und niemand war da, Kamilla in den Arm zu fallen, als sie trinken wollte. Denn ich war noch im Boot auf dem Meere und Cethegus noch in dem Platanengang.« Da rief der alte Corbulo erbleichend: »Wie? der Präfekt wußte, daß der Becher Gift enthielt?« – »Gewiß,« antwortete meine Mutter. »Als ich ihn im Garten traf, sagt’ ich es ihm: »es istgeschehen.««Corbulo verstummte vor Entsetzen:[pg 264]aber Daphnidion schrie in wildem Schmerz: »Weh! meine arme Domna! so hat er sie ermordet! Denn er stand dabei, dicht neben mir, und sah zu, wie sie trank.« – »Er sah zu, wie sie trank?« fragte meine Mutter mit einem Tone, der ewig durch mein Leben gellen wird.»Er sah zu, wie sie trank!« wiederholten der Freigelassene und sein Kind. »O so sei den untern Dämonen sein verfluchtes Haupt geweiht! Rache, Gott, in der Hölle, Rache, meine Söhne, auf Erden für Kamilla! Fluch über Cethegus!« Und sie fiel zurück und war tot.«Der Präfekt blieb unerschüttert stehen. Nur griff er leise an den Dolch unter den Brustfalten der Tunika. »Du aber« – fragte er nach einer Pause – »was thatest du?«»Ich aber kniete nieder an der Leiche und küßte ihre kalte Hand und schwor ihr’s zu, ihr Sterbewort zu vollenden. Wehe dir, Präfekt von Rom: Giftmischer, Mörder meiner Schwester – du sollst nicht leben.«»Sohn des Boëthius, willst du zum Mörder werden um die Wahnworte eines läppischen Sklaven und seiner Dirne? Würdig des Helden und des Philosophen!«»Nichts von Mord. Wäre ich ein Germane, nach dem Brauche dieser Barbaren: – er dünkt mir heute sehr vortrefflich! – rief’ ich dich zum Zweikampf, du verhaßter Feind. Ich aber bin ein Römer und suche meine Rache auf dem Wege des Rechts. Hüte dich, Präfekt, noch giebt es Richter in Italien. Lange Monate hielt mich der Krieg, der Feind von diesen Mauern ab. – Erst heute habe ich Rom, von der See her, erreicht: und morgen erheb’ ich die Klage bei den Senatoren, die deine Richter sind – dort finden wir uns wieder.«Cethegus vertrat ihm plötzlich den Weg an die Thüre.Aber Severinus rief: »Gemach, man sieht sich vor bei[pg 265]Mördern. Drei Freunde haben mich an dein Haus begleitet: – Sie werden mich mit den Liktoren suchen, komm’ ich nicht wieder, noch in dieser Stunde.«»Ich wollte dich nur,« sagte Cethegus wieder ganz ruhig, »vor dem Wege der Schande warnen. Willst du den ältesten Freund deines Hauses um der Fieberreden einer Sterbenden willen mit unbeweisbarer Mordklage verfolgen, – thu’s: ich kann’s nicht hindern. Aber noch einen Auftrag zuvor: du bist mein Ankläger geworden: aber du bleibst Soldat: und mein Tribun. Du wirst gehorchen, wenn dein Feldherr befiehlt.«»Ich werde gehorchen.«»Morgen steht ein Ausfall Belisars bevor: und ein Sturm der Barbaren. Ich muß die Stadt beschirmen. Doch ahnt mir Gefahr für den löwenkühnen Mann: – ich muß ihn treu gehütet wissen. Du wirst morgen, – ich befehl’ es, – den Feldherrn begleiten und sein Leben decken.«»Mit meinem eignen.«»Gut, Tribun, ich verlasse mich auf dein Wort.«»Bau’ du auf meines: auf Wiedersehn: nach der Schlacht: vor dem Senat. Nach beiden Kämpfen lüstet mich gleich sehr. Auf Wiedersehn: – – vor dem Senat.«»Auf Nimmerwiedersehn,« sprach Cethegus, als sein Schritt verhallte. »Syphax,« rief er laut, »bringe Wein und das Hauptmahl. Wir müssen uns stärken: – auf morgen.«

Achtes Kapitel.Am Tage darauf erschien das ganze zahlreiche Heer der Goten vor der ewigen Stadt, die es in sieben Lagern umschloß.Und nun begann jene denkwürdige Belagerung, die nicht minder das Feldherrntalent und die Erfindungsgabe Belisars als den Mut der Belagerer entfalten sollte.Mit Schrecken hatten die Bürger Roms von ihren Mauern herab mit angesehen, wie die Scharen der Goten nicht enden wollten. »Sieh hin, o Präfekt, sie überflügeln alle deine Mauern.« – »Ja! in die Breite! laß sehen, ob sie sie in der Höhe überflügeln. Ohne Flügel kommen sie nicht herüber.«Nur zwei Tausendschaften hatte Witichis in Ravenna zurückgelassen, acht hatte er unter den Grafen Uligis von Urbssalvia und Ansa von Asculum nach Dalmatien ent[pg 242]sendet, diese Provinz und Liburnien den Byzantinern zu entreißen und zumal das wichtige Salona wieder zu gewinnen; durch Söldner, in Savien geworben, sollten sie sich verstärken.Auch die gotische Flotte sollte – gegen Tejas Rat! – dort, nicht gegen den Hafen von Rom, Portus, wirken.Den Umkreis der Stadt Rom aber, und ihre weit hinausgestreckten Wälle, die Mauern Aurelians und des Präfekten, umgürtete nun der König mit einhundertundfünfzig Tausendschaften.Rom hatte damals fünfzehn Hauptthore und einige kleinere.Von diesen umschlossen die Goten den schwächeren Teil der Umwallung, den Raum, der von dem flaminischen Thor im Norden (östlich von der jetzigen Porta del Popolo) bis zum pränestinischen Thor reicht, vollständig mit sechs Heerlagern; nämlich die Wälle vom flaminischen Thor gegen Osten bis ans pincianische und salarische, dann bis an das nomentanische Thor (südöstlich von Porta pia), ferner bis gegen das »geschlossene Thor«, die Porta clausa, endlich südlich von da das tiburtinische Thor (heute Porta San Lorenzo) und das asinarische, metronische, latinische (an der Via latina), das appische (an der Via appia) und das Sankt Pauls-Thor, das zunächst dem Tiberufer lag. Alle diese sechs Lager waren auf dem linken Ufer des Flusses.Um aber zu verhüten, daß die Belagerten durch Zerstörung der milvischen Brücke den Angreifern den Übergang über den Fluß und das ganze Gebiet auf dem rechten Tiberufer bis an die See abschnitten, schlugen die Goten ein siebentes Lager auf dem rechten Tiberufer: »auf dem Felde Neros,« vom vatikanischen Hügel bis gegen die milvische Brücke hin (unter dem »Monte Mario«). So[pg 243]war die milvische Brücke durch ein Gotenlager gedeckt und die Brücke Hadrians bedroht, sowie der Weg nach der Stadt durch die »Porta Sancti Petri«, wie man damals schon, nach Prokops Bericht, das innere Thor Aurelians nannte. Es war das nächste an dem Grabmal Hadrians. Aber auch das Thor von Sankt Pankratius rechts des Tibers war von den Goten scharf beobachtet.Dies Lager auf dem neronischen Feld, auf dem rechten Tiberufer, zwischen dem pankratischen und dem Petrus-Thor, überwies Witichis dem Grafen Markja von Mediolanum, der aus den Cottischen Alpen und der Beobachtung der Franken zurückgerufen worden war. Aber der König selbst weilte oft hier, das Grabmal Hadrians mit scharfen Blicken prüfend.Er hatte kein einzelnes Lager übernommen, sich die Gesamtleitung vorbehaltend, vielmehr die sechs übrigen an Hildebrand, Totila, Hildebad, Teja, Guntharis und Grippa verteilt. Jedes der sieben Lager ließ der König mit einem tiefen Grabenumziehn,die dadurch ausgehobne Erde zu einem hohen Wall zwischen Graben und Lager aufhäufen und diesen mit Pfahlwerk verstärken, – sich gegen Ausfälle zu sichern.Aber auch Belisar und Cethegus verteilten ihre Feldherren und Mannschaften nach den Thoren und Regionen Roms. Belisar übertrug das pränestinische Thor im Osten der Stadt (heute Porta maggiore) Bessas, das stark bedrohte flaminische, dem ein gotisches Lager, das Totilas, in gefährlicher Nähe lag, Constantinus, der es durch Marmorquadern, aus römischen Tempeln und Palästen gebrochen, fast ganz zubauen ließ.Belisar selbst schlug sein Standlager auf im Norden der Stadt. Dieser war unter den ihm von Cethegus eingeräumten Teilen der Festung Rom der schwächste.[pg 244]Den Westen und Süden hielt eifersüchtig, unentfernbar und unentbehrlich, der Präfekt.Aber hier im Norden war Belisar Herr: zwischen dem flaminischen und dem pincianischen – oder nun »belisarischen« – Thor, dem schwächsten Teil der Umwallung, ließ er sich nieder, zugleich Ausfälle gegen die Barbaren planend. Die übrigen Thore überwies er den Führern des Fußvolks Peranius, Magnus, Ennes, Artabanes, Azarethas und Chilbudius.Der Präfekt hatte übernommen alle Thore auf dem rechten Tiberufer, die neue Porta aurelia an der älischen Brücke bei dem Grabmal Hadrians, die Porta septimiana, das alte aurelische Thor, das nun das pankratische hieß, und die Porta portuensis: auf dem linken Ufer aber noch das Thor Sankt Pauls. Erst das nächste Thor weiter östlich, das ardeatinische, stand unter byzantinischer Besatzung: Chilbudius befehligte hier.Gleich unermüdlich und gleich erfinderisch erwiesen sich die Belagerer und die Belagerten in Plänen des Angriffs und der Verteidigung. Lange Zeit handelte es sich nur um Maßregeln, welche die Bedrängung der Römer ohne Sturm, vor dem Sturm, bezweckten und andrerseits, sie abwehren sollten.Die Goten, Herren und Meister der Campagna, suchten die Belagerten auszudursten: sie schnitten alle die prachtvollen vierzehn Wasserleitungen ab, welche die Stadt speisten. Belisar ließ vor allem, als er dies wahrnahm, die Mündungen innerhalb der Stadt verschütten und vermauern. »Denn,« hatte ihm Prokop gesagt, »nachdem du, o großer Held Belisarius, durch eine solche Wasserrinne nach Neapolis hineingekrochen bist, könnte es den Barbaren einfallen, – und kaum schimpflich scheinen, –[pg 245]auf dem gleichen Heldenpfad sich nach Rom hinein zu krabbeln.«Den Genuß des geliebten Bades mußten die Belagerten entbehren: kaum reichten die Brunnen indenvom Fluß entlegenen Stadtteilen für das Trinkwasser aus.Durch das Abschneiden des Wassers hatten aber die Barbaren den Römern auch das Brot abgeschnitten. – Wenigstens schien es so. Denn die sämtlichen Wassermühlen Roms versagten nun. Das aufgespeicherte Getreide, das Cethegus aus Sicilien gekauft, das Belisar aus der Umgegend Roms zwangsweise hatte in die Stadt schaffen lassen, trotz des Murrens der Pächter und Colonen, dieses Getreide konnte nicht mehr gemahlen werden.»Laßt die Mühlen durch Esel und Rinder drehen!« rief Belisar. »Die meisten Esel waren klug genug und die Rinder, ach Belisarius,« sprach Prokop, »sich nicht mit uns hier einsperren zu lassen. Wir haben nur soviel, als wir brauchen, sie zu schlachten. Sie können unmöglich erst Mühlen drehen und dann noch Fleisch genug haben, das gemahlene Brot selbst zu belegen.«»So rufe mir Martinus. Ich habe gestern an dem Tiber, die Gotenzelte zählend, zugleich einen Gedanken gehabt ... –«»Den Martinus wieder aus dem Belisarischen in das Mögliche übersetzen muß. Armer Mann! Aber ich gehe, ihn zu holen.«Als aber am Abend des gleichen Tages Belisar und Martinus durch zusammengelegte Boote im Tiber die erste Schiffsmühle herstellten, welche die Welt kannte, da sprach bewundernd Prokopius: »Das Brot der Schiffsmühle wird länger die Menschen erfreu’n, als deine größten Thaten. Dies so gemahlene Mehl schmeckt nach – Unsterblichkeit.« Und wirklich ersetzten die von Belisar erdachten, von[pg 246]Martinus ausgeführten Schiffsmühlen den Belagerten während der ganzen Dauer der Einschließung die gelähmten Wassermühlen.Hinter der Brücke nämlich, die jetzt Ponte San Sisto heißt, auf der Senkung des Janiculus, befestigte Belisar zwei Schiffe mit Seilen und legte Mühlen über deren flaches Deck, so daß die Mühlenräder durch den Fluß, der aus dem Brückenbogen mit verstärkter Gewalt hervorströmte, von selbst getrieben wurden.Eifrig trachteten alsbald die Belagerer, diese Vorrichtungen, die ihnen Überläufer schilderten, zu zerstören. Balken, Holzflöße, Bäume warfen sie oberhalb der Brücke von dem von ihnen beherrschten Teil aus in den Fluß und zertrümmerten so in Einer Nacht wirklich alle Mühlen. Aber Belisar ließ sie wieder herstellen und nun oberhalb der Brücke starke Ketten gerade über den Fluß ziehen und so auffangen, was, die Mühlen bedrohend, herabtrieb.Nicht nur seine Mühlen sollten diese eisernen Stromriegel decken: sie sollten auch verhindern, daß die Goten auf Kähnen und Flößen den Fluß herab und, ohne die Brücke, in die Stadt drängen.Denn Witichis traf nun alle Vorbereitungen zum Sturm.Er ließ hölzerne Türme bauen, höher als die Zinnen der Stadtmauer, die auf vier Rädern von Rindern gezogen werden sollten. Dann ließ er Sturmleitern in großer Zahl beschaffen und vier furchtbare Widder oder Mauerbrecher, die je eine halbe Hundertschaft schob und bediente. Mit unzähligen Bündeln von Reisig und Schilf sollten die tiefen Gräben ausgefüllt werden.Dagegen pflanzten Belisar und Cethegus, jener im Norden und Osten, dieser im Westen und Süden die Verteidigung der Stadt überwachend, Ballisten und Wurf[pg 247]bogen auf die Wälle, die auf große Entfernung balkenähnliche Speergeschosse schleuderten mit solcher Kraft, daß sie einen gepanzerten Mann völlig durchbohrten. Die Thore schützten sie durch »Wölfe«, d. h. Querbalken, mit eisernen Stacheln besetzt, die man auf die Angreifer niederschmettern ließ, wann sie dicht bis an das Thor gelangt waren. Und endlich streuten sie zahlreiche Fußangeln und Stachelkugeln auf den Vorraum zwischen den Gräben der Stadt und dem Lager der Barbaren.

Am Tage darauf erschien das ganze zahlreiche Heer der Goten vor der ewigen Stadt, die es in sieben Lagern umschloß.

Und nun begann jene denkwürdige Belagerung, die nicht minder das Feldherrntalent und die Erfindungsgabe Belisars als den Mut der Belagerer entfalten sollte.

Mit Schrecken hatten die Bürger Roms von ihren Mauern herab mit angesehen, wie die Scharen der Goten nicht enden wollten. »Sieh hin, o Präfekt, sie überflügeln alle deine Mauern.« – »Ja! in die Breite! laß sehen, ob sie sie in der Höhe überflügeln. Ohne Flügel kommen sie nicht herüber.«

Nur zwei Tausendschaften hatte Witichis in Ravenna zurückgelassen, acht hatte er unter den Grafen Uligis von Urbssalvia und Ansa von Asculum nach Dalmatien ent[pg 242]sendet, diese Provinz und Liburnien den Byzantinern zu entreißen und zumal das wichtige Salona wieder zu gewinnen; durch Söldner, in Savien geworben, sollten sie sich verstärken.

Auch die gotische Flotte sollte – gegen Tejas Rat! – dort, nicht gegen den Hafen von Rom, Portus, wirken.

Den Umkreis der Stadt Rom aber, und ihre weit hinausgestreckten Wälle, die Mauern Aurelians und des Präfekten, umgürtete nun der König mit einhundertundfünfzig Tausendschaften.

Rom hatte damals fünfzehn Hauptthore und einige kleinere.

Von diesen umschlossen die Goten den schwächeren Teil der Umwallung, den Raum, der von dem flaminischen Thor im Norden (östlich von der jetzigen Porta del Popolo) bis zum pränestinischen Thor reicht, vollständig mit sechs Heerlagern; nämlich die Wälle vom flaminischen Thor gegen Osten bis ans pincianische und salarische, dann bis an das nomentanische Thor (südöstlich von Porta pia), ferner bis gegen das »geschlossene Thor«, die Porta clausa, endlich südlich von da das tiburtinische Thor (heute Porta San Lorenzo) und das asinarische, metronische, latinische (an der Via latina), das appische (an der Via appia) und das Sankt Pauls-Thor, das zunächst dem Tiberufer lag. Alle diese sechs Lager waren auf dem linken Ufer des Flusses.

Um aber zu verhüten, daß die Belagerten durch Zerstörung der milvischen Brücke den Angreifern den Übergang über den Fluß und das ganze Gebiet auf dem rechten Tiberufer bis an die See abschnitten, schlugen die Goten ein siebentes Lager auf dem rechten Tiberufer: »auf dem Felde Neros,« vom vatikanischen Hügel bis gegen die milvische Brücke hin (unter dem »Monte Mario«). So[pg 243]war die milvische Brücke durch ein Gotenlager gedeckt und die Brücke Hadrians bedroht, sowie der Weg nach der Stadt durch die »Porta Sancti Petri«, wie man damals schon, nach Prokops Bericht, das innere Thor Aurelians nannte. Es war das nächste an dem Grabmal Hadrians. Aber auch das Thor von Sankt Pankratius rechts des Tibers war von den Goten scharf beobachtet.

Dies Lager auf dem neronischen Feld, auf dem rechten Tiberufer, zwischen dem pankratischen und dem Petrus-Thor, überwies Witichis dem Grafen Markja von Mediolanum, der aus den Cottischen Alpen und der Beobachtung der Franken zurückgerufen worden war. Aber der König selbst weilte oft hier, das Grabmal Hadrians mit scharfen Blicken prüfend.

Er hatte kein einzelnes Lager übernommen, sich die Gesamtleitung vorbehaltend, vielmehr die sechs übrigen an Hildebrand, Totila, Hildebad, Teja, Guntharis und Grippa verteilt. Jedes der sieben Lager ließ der König mit einem tiefen Grabenumziehn,die dadurch ausgehobne Erde zu einem hohen Wall zwischen Graben und Lager aufhäufen und diesen mit Pfahlwerk verstärken, – sich gegen Ausfälle zu sichern.

Aber auch Belisar und Cethegus verteilten ihre Feldherren und Mannschaften nach den Thoren und Regionen Roms. Belisar übertrug das pränestinische Thor im Osten der Stadt (heute Porta maggiore) Bessas, das stark bedrohte flaminische, dem ein gotisches Lager, das Totilas, in gefährlicher Nähe lag, Constantinus, der es durch Marmorquadern, aus römischen Tempeln und Palästen gebrochen, fast ganz zubauen ließ.

Belisar selbst schlug sein Standlager auf im Norden der Stadt. Dieser war unter den ihm von Cethegus eingeräumten Teilen der Festung Rom der schwächste.

Den Westen und Süden hielt eifersüchtig, unentfernbar und unentbehrlich, der Präfekt.

Aber hier im Norden war Belisar Herr: zwischen dem flaminischen und dem pincianischen – oder nun »belisarischen« – Thor, dem schwächsten Teil der Umwallung, ließ er sich nieder, zugleich Ausfälle gegen die Barbaren planend. Die übrigen Thore überwies er den Führern des Fußvolks Peranius, Magnus, Ennes, Artabanes, Azarethas und Chilbudius.

Der Präfekt hatte übernommen alle Thore auf dem rechten Tiberufer, die neue Porta aurelia an der älischen Brücke bei dem Grabmal Hadrians, die Porta septimiana, das alte aurelische Thor, das nun das pankratische hieß, und die Porta portuensis: auf dem linken Ufer aber noch das Thor Sankt Pauls. Erst das nächste Thor weiter östlich, das ardeatinische, stand unter byzantinischer Besatzung: Chilbudius befehligte hier.

Gleich unermüdlich und gleich erfinderisch erwiesen sich die Belagerer und die Belagerten in Plänen des Angriffs und der Verteidigung. Lange Zeit handelte es sich nur um Maßregeln, welche die Bedrängung der Römer ohne Sturm, vor dem Sturm, bezweckten und andrerseits, sie abwehren sollten.

Die Goten, Herren und Meister der Campagna, suchten die Belagerten auszudursten: sie schnitten alle die prachtvollen vierzehn Wasserleitungen ab, welche die Stadt speisten. Belisar ließ vor allem, als er dies wahrnahm, die Mündungen innerhalb der Stadt verschütten und vermauern. »Denn,« hatte ihm Prokop gesagt, »nachdem du, o großer Held Belisarius, durch eine solche Wasserrinne nach Neapolis hineingekrochen bist, könnte es den Barbaren einfallen, – und kaum schimpflich scheinen, –[pg 245]auf dem gleichen Heldenpfad sich nach Rom hinein zu krabbeln.«

Den Genuß des geliebten Bades mußten die Belagerten entbehren: kaum reichten die Brunnen indenvom Fluß entlegenen Stadtteilen für das Trinkwasser aus.

Durch das Abschneiden des Wassers hatten aber die Barbaren den Römern auch das Brot abgeschnitten. – Wenigstens schien es so. Denn die sämtlichen Wassermühlen Roms versagten nun. Das aufgespeicherte Getreide, das Cethegus aus Sicilien gekauft, das Belisar aus der Umgegend Roms zwangsweise hatte in die Stadt schaffen lassen, trotz des Murrens der Pächter und Colonen, dieses Getreide konnte nicht mehr gemahlen werden.

»Laßt die Mühlen durch Esel und Rinder drehen!« rief Belisar. »Die meisten Esel waren klug genug und die Rinder, ach Belisarius,« sprach Prokop, »sich nicht mit uns hier einsperren zu lassen. Wir haben nur soviel, als wir brauchen, sie zu schlachten. Sie können unmöglich erst Mühlen drehen und dann noch Fleisch genug haben, das gemahlene Brot selbst zu belegen.«

»So rufe mir Martinus. Ich habe gestern an dem Tiber, die Gotenzelte zählend, zugleich einen Gedanken gehabt ... –«

»Den Martinus wieder aus dem Belisarischen in das Mögliche übersetzen muß. Armer Mann! Aber ich gehe, ihn zu holen.«

Als aber am Abend des gleichen Tages Belisar und Martinus durch zusammengelegte Boote im Tiber die erste Schiffsmühle herstellten, welche die Welt kannte, da sprach bewundernd Prokopius: »Das Brot der Schiffsmühle wird länger die Menschen erfreu’n, als deine größten Thaten. Dies so gemahlene Mehl schmeckt nach – Unsterblichkeit.« Und wirklich ersetzten die von Belisar erdachten, von[pg 246]Martinus ausgeführten Schiffsmühlen den Belagerten während der ganzen Dauer der Einschließung die gelähmten Wassermühlen.

Hinter der Brücke nämlich, die jetzt Ponte San Sisto heißt, auf der Senkung des Janiculus, befestigte Belisar zwei Schiffe mit Seilen und legte Mühlen über deren flaches Deck, so daß die Mühlenräder durch den Fluß, der aus dem Brückenbogen mit verstärkter Gewalt hervorströmte, von selbst getrieben wurden.

Eifrig trachteten alsbald die Belagerer, diese Vorrichtungen, die ihnen Überläufer schilderten, zu zerstören. Balken, Holzflöße, Bäume warfen sie oberhalb der Brücke von dem von ihnen beherrschten Teil aus in den Fluß und zertrümmerten so in Einer Nacht wirklich alle Mühlen. Aber Belisar ließ sie wieder herstellen und nun oberhalb der Brücke starke Ketten gerade über den Fluß ziehen und so auffangen, was, die Mühlen bedrohend, herabtrieb.

Nicht nur seine Mühlen sollten diese eisernen Stromriegel decken: sie sollten auch verhindern, daß die Goten auf Kähnen und Flößen den Fluß herab und, ohne die Brücke, in die Stadt drängen.

Denn Witichis traf nun alle Vorbereitungen zum Sturm.

Er ließ hölzerne Türme bauen, höher als die Zinnen der Stadtmauer, die auf vier Rädern von Rindern gezogen werden sollten. Dann ließ er Sturmleitern in großer Zahl beschaffen und vier furchtbare Widder oder Mauerbrecher, die je eine halbe Hundertschaft schob und bediente. Mit unzähligen Bündeln von Reisig und Schilf sollten die tiefen Gräben ausgefüllt werden.

Dagegen pflanzten Belisar und Cethegus, jener im Norden und Osten, dieser im Westen und Süden die Verteidigung der Stadt überwachend, Ballisten und Wurf[pg 247]bogen auf die Wälle, die auf große Entfernung balkenähnliche Speergeschosse schleuderten mit solcher Kraft, daß sie einen gepanzerten Mann völlig durchbohrten. Die Thore schützten sie durch »Wölfe«, d. h. Querbalken, mit eisernen Stacheln besetzt, die man auf die Angreifer niederschmettern ließ, wann sie dicht bis an das Thor gelangt waren. Und endlich streuten sie zahlreiche Fußangeln und Stachelkugeln auf den Vorraum zwischen den Gräben der Stadt und dem Lager der Barbaren.

Neuntes Kapitel.Trotz alledem, sagten die Römer, hätten längst die Goten die Mauern erstiegen, wäre nicht des Präfekten Egeria gewesen.Denn es war merkwürdig: so oft die Barbaren einen Sturm vorbereiteten –: Cethegus ging zu Belisar und warnte und bezeichnete im voraus den Tag. So oft Teja oder Hildebad in kühnem Handstreich ein Thor zu überrumpeln, eine Schanze wegzunehmen gedachten: – Cethegus sagte es vorher, und die Angreifer stießen auf das Zweifache der gewöhnlichen Besatzung der Punkte. So oft in nächtigem Überfall die Kette des Tibers gesprengt werden sollte: – Cethegus schien es geahnt zu haben und schickte den Schiffen der Feinde Brander und Feuerkähne entgegen.So ging es viele Monate hin. Die Goten konnten sich nicht verhehlen, daß sie, trotz unablässiger Angriffe, seit Anfang der Belagerung keinerlei Fortschritte gemacht.Lange trugen sie diese Unfälle, die Entdeckung und Vereitelung all ihrer Pläne, mit ungebeugtem Mut. Aber[pg 248]allmählich bemächtigte sich nicht bloß der großen Masse Verdrossenheit, insbesondere da Mangel an Lebensmitteln fühlbar zu werden begann, – auch des Königs klarer Sinn wurde von trüber Schwermut verdüstert, als er all’ seine Kraft, all’ seine Ausdauer, all’ seine Kriegskunst wie von einem bösen Dämon vereitelt sah. Und kam er von einem fehlgeschlagenen Unternehmen, von einem verunglückten Sturm, matt und gebeugt, in sein Königszelt, so ruhten die stolzen Augen seiner schweigsamen Königin mit einem ihm unverständlichen, aber grauenvoll unheimlichen Ausdruck auf ihm, daß er sich schaudernd abwandte.»Es ist nicht anders,« sagte er finster zu Teja, »es ist gekommen, wie ich vorausgesagt. Mit Rauthgundis ist mein Glück von mir gewichen, wie die Freudigkeit meiner Seele. Es ist, als läge ein Fluch auf meiner Krone. Und diese Amalungentochter wandelt um mich her, schweigend und finster, wie mein lebendiges Unglück.«»Du könntest Recht haben,« sprach Teja. »Vielleicht lös’ ich diesen Zauberbann. Gieb mir Urlaub für heut’ Nacht.«Am selben Tage, fast in derselben Stunde, forderte drinnen in Rom Johannes, der Blutige, von Belisar Urlaub für diese Nacht. Belisar schlug es ab. »Jetzt ist nicht Zeit zu nächtlichen Vergnügen,« sagte er.»Wird kein groß Vergnügen sein, in der Nacht zwischen alten feuchten Mauern und gotischen Lanzen einem Fuchs nachspüren, der zehnmal schlauer ist als wir beide.«»Was hast du vor?« fragte Belisar, aufmerksam werdend.»Was ich vorhabe? Ein Ende zu machen der verfluchten Stellung, in der wir alle, in der du, o Feldherr, nicht zum mindesten stehst. Es ist schon alles ganz recht.[pg 249]Seit Monaten liegen die Barbaren vor diesen Mauern und haben nichts dabei gewonnen. Wir erschießen sie wie Knaben die Dohlen vom Hinterhalt und können ihrer lachen. Aber wer ist es eigentlich, der all dies vollbringt? Nicht, wie es sein sollte, du, des Kaisers Feldherr, noch des Kaisers Heer: sondern dieser eisige Römer, der nur lachen kann, wenn er höhnt. Der sitzt da oben im Kapitol und verlacht den Kaiser und die Goten und uns und, mit Verlaub zu sagen, dich selber am meisten. Woher weiß dieser Odysseus und Ajax in Einer Person alle Gotenpläne so scharf, als säße er mit im Rat des Königs Witichis? Durch sein Dämonium, sagen die einen. Durch seine Egeria, sagen die andern. Er hat einen Raben, der hören und sprechen kann wie Menschen, meinen wieder andere: den schickt er alle Nacht ins Gotenlager. Das mögen die alten Weiber glauben und die Römer, nicht meiner Mutter Sohn. Ich glaube, den Raben zu kennen und das Dämonium. Gewiß ist, er kann die Kunde nur aus dem Gotenlager selbst holen; laß uns doch sehen, ob wir nicht selbst an seiner Statt aus dieser Quelle schöpfen können.«»Ich habe das längst bedacht, aber ich sah kein Mittel.«»Ich habe von meinen Hunnen alle seine Schritte belauern lassen. Es ist verdammt schwer: denn dieser braune Maurenteufel folgt ihm wie ein Schatte. Aber tagelang ist Syphax fern: – und dann gelingt es eher. Nun, ich habe erspäht, daß Cethegus so manche Nacht die Stadt verließ, bald aus der Porta portuensis, rechts vom Tiber, bald aus der Porta Sankt Pauls, links vom Tiber im Süden, die er beide besetzt hält. Weiter wagten ihm die Späher nicht zu folgen. Ich aber denke heute Nacht – denn heute muß es wieder treffen, – ihm so nicht von den Fersen zu weichen. Doch muß ich ihnvordem Thore erwarten: seine Isaurier ließen mich nicht durch;[pg 250]ich werde bei einer Runde vor den Mauern in einem der Gräben zurückbleiben.«»Gut. Es sind aber, wie du sagst, zwei Thore zu beobachten.« – »Deshalb hab’ ich mir Perseus, meinen Bruder, zum Genossen erkoren; er hütet das paulinische, ich das portuensische Thor; verlaß dich drauf – bis morgen vor Sonnenaufgang kennt einer von uns das Dämonium des Präfekten.« – Und wirklich: einer von ihnen sollte es kennen lernen.Gerade gegenüber dem Sankt Pauls-Thor, etwa drei Pfeilschüsse von den äußersten Gräben der Stadt, lag ein mächtiges altertümliches Gebäude, die Basilika Sancti Pauli extra muros, die Paulskapelle vor den Mauern, deren letzte Reste erst zur Zeit der Belagerung Roms durch den Connetable von Bourbon völlig verschwanden. Ursprünglich ein Tempel des Jupiter Stator war der Bau seit zwei Jahrhunderten dem Apostel geweiht worden: aber noch stand die bronzene Kolossalstatue des bärtigen Gottes aufrecht: man hatte ihm nur den flammenden Donnerkeil aus der Rechten genommen und dafür ein Kreuz hineingeschoben: im übrigen paßte die breite und bärtige Gestalt gut zu ihrem neuen Namen.Es war um die sechste Stunde der Nacht. Der Mond stand glanzvoll über der ewigen Stadt und goß sein silbernes Licht über die Mauerzinnen und über die Ebene, zwischen den römischen Schanzen und der Basilika, deren schwarze Schatten nach dem Gotenlager hin fielen.Eben hatte die Wache am Sankt Pauls-Thor gewechselt.Aber es waren sieben Mann hinausgeschritten und nur sechs kamen herein. Der siebente wandte der Pforte den Rücken und schritt heraus ins freie Feld.Vorsichtig wählte er seinen Weg: vorsichtig vermied er die zahlreichen Fußangeln, Wolfsgruben, Selbstschüsse[pg 251]vergifteter Pfeile, die hier überall umhergestreut waren und manchem Goten bei den Angriffen auf die Stadt Verderben gebracht hatten. Der Mann schien sie alle zu kennen und wich ihnen leicht aus. Aber er vermied auch das Mondlicht sorgfältig, den Schatten der Mauervorsprünge suchend und oft von Baum zu Baum springend.Als er aus dem äußersten Graben auftauchte, sah er sich um und blieb im Schatten einer Cypresse stehen, deren Zweige die Ballistengeschosse zerschmettert hatten. Er entdeckte nichts Lebendes weit und breit: und er eilte nun mit raschen Schritten der Kirche zu.Hätte er nochmal umgeblickt, er hätte es wohl nicht gethan.Denn, sowie er den Baum verließ, tauchte aus dem Graben eine zweite Gestalt hervor, die in drei Sprüngen ihrerseits den Schatten der Cypresse erreicht hatte. »Gewonnen, Johannes! du stolzer Bruder, diesmal war das Glück dem jüngeren Bruder hold. Jetzt ist Cethegus mein und sein Geheimnis.« Und vorsichtig folgte er dem rasch Voranschreitenden.Aber plötzlich war dieser vor seinen Augen verschwunden, als habe ihn die Erde verschlungen. Es war hart an der äußern Mauer der Kirche, die doch dem Armenier, als er sie erreicht, keine Thür oder Öffnung zeigte.»Kein Zweifel,« sagte der Lauscher, »das Stelldichein ist drinnen im Tempel: ich muß nach.«Allein an dieser Stelle war die Mauer unübersteiglich.Tastend und suchend bog der Späher um die Ecke derselben. Umsonst, die Mauer war überall gleich hoch. – Im Suchen verstrich ihm fast eine Viertelstunde.Endlich fand er eine Lücke in dem Gestein: mühsam zwängte er sich hindurch. Und er stand nun im Vorhofe des alten Tempels, in dem die dicken dorischen Säulen[pg 252]breite Schatten warfen, in deren Schutz er von der rechten Seite her bis an das Hauptgebäude gelangte.Er spähte durch einen Riß des Gemäuers, den ihm die Zugluft verraten hatte. Drinnen war alles finster. Aber plötzlich wurde sein Auge von einem grellen Lichtstrahl geblendet. Als er es wieder aufschlug, sah er einen hellen Streifen in der Dunkelheit: – er rührte von einer Blendlaterne her, deren Licht sich plötzlich gezeigt hatte.Deutlich erkannte er, was in dem Bereich der Laterne stand, den Träger derselben aber nicht: wohl dagegen Cethegus den Präfekten, der hart vor der Statue des Apostels stand und sich an diese zu lehnen schien: vor ihm stand eine zweite Gestalt: ein schlankes Weib, auf dessen dunkelrotes Haar schimmernd das Licht der Laterne fiel.»Die schöne Gotenkönigin, bei Eros und Anteros!« dachte der Lauscher: »kein schlechtes Stelldichein, sei’s nun Liebe, sei’s Politik! Horch, sie spricht. Leider kam ich zu spät, auch den Anfang der Unterredung zu hören.«»Also: merk’ es dir wohl! übermorgen auf der Straße vor dem Thor von Tibur wird etwas gefährliches geplant.« – »Gut: aber was?« frug des Präfekten Stimme. – »Genaueres konnte ich nicht erkunden: und ich kann es dir auch nicht mehr mitteilen, wenn ich es noch erfahre. Ich wage nicht mehr, dich hier wieder zu sehen: denn« ... – Sie sprach nun leiser.Perseus drückte das Ohr hart an die Spalte: da klirrte seine Schwertscheide an das Gestein und nun traf ihn ein Strahl des Lichts.»Horch!« rief eine dritte Stimme – es war eine Frauenstimme, die der Trägerin der Laterne, die sich jetzt in dem Strahl ihres eigenen Blendlichts gezeigt hatte, da sie sich rasch gegen die Richtung des Schalles gekehrt hatte. Perseus erkannte eine Sklavin in maurischer Tracht.[pg 253]Einen Augenblick schwieg alles in dem Tempel. Perseus hielt den Atem an. Er fühlte, es galt das Leben. Denn Cethegus griff ans Schwert.»Alles still,« sagte die Sklavin. »Es fiel wohl nur ein Stein auf den Erzbeschlag draußen.«»Auch in das Grab vor dem portuensischen Thor geh’ ich nicht mehr. Ich fürchte, man ist uns gefolgt.« – »Wer?« – »Einer, der niemals schläft, wie es scheint: Graf Teja.« Des Präfekten Lippe zuckte.»Und er ist auch bei einem rätselhaften Eidbund gegen Belisars Leben: der bloße Scheinangriff gilt dem Sankt Pauls-Thor.« »Gut!« sagte Cethegus nachdenklich. »Belisar würde nicht entrinnen, wenn nicht gewarnt. Sie liegen irgendwo, – aber ich weiß nicht, wo – fürcht’ ich, im Hinterhalt, mit Übermacht, Graf Totila führt sie.«»Ich will ihn schon warnen!« sagte Cethegus langsam.»Wenn es gelänge ..!« – »Sorge nicht, Königin! Mir liegt an Rom nicht weniger denn dir. Und wenn der nächste Sturm fehlschlägt, – so müssen sie die Belagerung aufgeben, so zähe sie sind. Und das, Königin, ist dein Verdienst. Laß mich in dieser Nacht – vielleicht der letzten, da wir uns treffen, – dir mein ganzes staunendes Herz enthüllen. Cethegus staunt nicht leicht und nicht leicht gesteht er’s, wenn er staunen muß. Aber dich – bewundere ich, Königin. Mit welch’ totverachtender Kühnheit, mit welch’ dämonischer List hast du alle Pläne der Barbaren vereitelt! Wahrlich: viel that Belisar, – mehr that Cethegus, – das meiste: Mataswintha.«»Sprächst du wahr!« sagte Mataswintha mit funkelnden Augen.»Undwenn die Krone diesem Frevler vom Haupte fällt ... – –«»War esdeineHand, deren sich das Schicksal Roms bedient hat. Aber, Königin, nicht damit kannst du enden![pg 254]Wie ich dich erkannte, in diesen Monaten – darfst du nicht als gefangene Gotenkönigin nach Byzanz. Diese Schönheit, dieser Geist, diese Kraft muß herrschen – nicht dienen, in Byzanz. Darum bedenke, wenn er nun gestürzt ist – dein Tyrann, – willst du nicht dann den Weg gehn, den ich dir gezeigt?«»Ich habe noch nie über seinen Fall hinaus gedacht,« sagte sie düster.»Aber ich – für dich! Wahrlich, Mataswintha,« – und sein Auge ruhte mit Bewunderung auf ihr, – »du bist – wunderschön. Ich rechn’ es mir zum größten Stolz, daß selbst du mich nicht in Liebe entzündet und von meinen Plänen abgebracht hast. Aber du bist zu schön, zu köstlich, nur der Rache und dem Haß zu leben. Wenn unser Ziel erreicht, – dann nach Byzanz!Als mehr denn Kaiserin: – als Überwinderin der Kaiserin!«»Wenn mein Ziel erreicht, ist mein Leben vollendet. Glaubst du, ich ertrüge den Gedanken, aus eitel Herrschsucht mein Volk zu verderben, um kluger Zwecke willen? Nein: ich konnt’ es nur, weil ich mußte. Die Rache ist jetzt meine Liebe und mein Leben und« ... – –Da scholl von der Fronte des Gebäudes her, aber noch innerhalb der Mauer, laut und schrillend der Ruf des Käuzchens, einmal – zweimal rasch nach einander.Wie staunte Perseus, als er den Präfekten eilig an die Kehle der Bildsäule drücken sah, an der er lehnte, und wie sich diese geräuschlos in zwei Hälften auseinander schlug. Cethegus schlüpfte in die Öffnung: die Statue klappte wieder zusammen. Mataswintha aber und Aspa sanken wie betend auf die Stufen des Altars.»Also war’s ein Zeichen! Es droht Gefahr:« dachte der Späher; »aber wo ist die Gefahr? und wo der[pg 255]Warner?« Und er wandte sich, trat vor und sah nach links, nach der Seite der Goten.Allein damit trat er in den Bereich des Mondlichts: und in den Blick des Mauren Syphax, der vor der Eingangsthür des Hauptgebäudes in einer leeren Nische Schildwache stand, und bisher scharf nach der linken, der gotischen, Seite hin, gespäht hatte.Von dort, von links her, schritt langsam ein Mann heran. Seine Streitaxt blitzte im Mondlicht.Aber auch Perseus sah jetzt eine Waffe aufblitzen: es war der Maure, der leise sein Schwert aus der Scheide zog.»Ha,« lachte Perseus, »bis die beiden mit einander fertig sind, bin ich in Rom, mit meinem Geheimnis.«Und in raschen Sprüngen eilte er nach der Mauerlücke des Vorhofs, durch die er eingedrungen. Zweifelnd blickte Syphax einen Augenblick nach rechts und nach links. Zur Rechten sah er entweichen einen Lauscher, den er jetzt erst ganz entdeckte. Zur Linken schritt ein gotischer Krieger herein in den Tempelhof. Er konnte nicht hoffen, beide zu erreichen und zu töten.Da plötzlich schrie er laut: »Teja, Graf Teja! Hilfe! zu Hilfe! Ein Römer! rettet die Königin! dort rechts an der Mauer, ein Römer!«Im Fluge war Teja heran, bei Syphax. »Dort! rief dieser: »ich schütze die Frauen in der Kirche!« Und er eilte in den Tempel.»Steh, Römer!« rief Teja, und sprang dem fliehenden Perseus nach.Aber Perseus stand nicht: er lief an die Mauer: er erreichte die Lücke, durch welche er hereingekommen war: doch er konnte sich in der Eile nicht wieder hindurchzwängen: so schwang er sich mit der Kraft der Verzweiflung auf die Mauerkrone: und schon hob er den Fuß, sich jen[pg 256]seits hinabzulassen: da traf ihn Tejas Axt im Wurf ans Haupt und rücklings stürzte er nieder, samt seinem erlauschten Geheimnis. –Teja beugte sich über ihn: deutlich erkannte er die Züge des Toten. »Der Archon Perseus,« sagte er, »der Bruder des Johannes.« Und sofort schritt er die Stufen hinan, die zur Kirche führten. An der Schwelle trat ihm Mataswintha entgegen, hinter ihr Syphax und Aspa mit der Blendlaterne. Einen Moment maßen sich beide schweigend mit mißtrauischen Blicken.»Ich habe dir zu danken, Graf Teja von Tarentum,« sagte endlich die Fürstin. »Ich war bedroht in meiner einsamen Andacht.«»Seltsam wählstduOrt und Stunde für deine Gebete. Laß sehen, ob dieser Römer der einzige Feind war.«Er nahm aus Aspas Hand die Leuchte und ging in das Innere der Kapelle. Nach einer Weile kam er wieder, einen mit Gold eingelegten Lederschuh in der Hand. »Ich fand nichts als – diese Sandale am Altar, dicht vor dem Apostel. Es ist ein Mannesfuß.«»Eine Votivgabe von mir,« sagte Syphax rasch. Der Apostel heilte meinen Fuß, ich hatte mir einen Dorn eingetreten.«»Ich dachte, du verehrst nur den Schlangengott?« – »Ich verehre, was da hilft.« – »In welchem Fuße stak der Dorn.« Syphax schwankte einen Augenblick. »Im rechten,« sagte er dann, rasch entschlossen.»Schade,« sprach Teja, »die Sandale ist auf den linken geschnitten.« Und er steckte sie in den Gürtel. »Ich warne dich, Königin, vor solcher nächtlichen Andacht.«»Ich werde thun, was meine Pflicht,« sagte Mataswintha herb.»Und ich, was meine.« Mit diesen Worten schritt[pg 257]Teja voran, zurück zum Lager: schweigend folgte die Königin und ihre Sklaven.Vor Sonnenaufgang stand Teja vor Witichis und berichtete ihm alles.»Was du sagst, ist kein Beweis,« sagte der König. – »Aber schwerer Verdacht. Und du sagtest selbst, die Königin sei dir unheimlich.«»Gerade deshalb hüt’ ich mich, nach bloßem Verdacht zu handeln. Ich zweifle manchmal, ob wir an ihr nicht Unrecht gethan. Fast so schwer, wie an Rauthgundis.« – »Wohl, aber diese nächtlichen Gänge?« – »Werd’ ich verhindern. Schon um ihretwillen.«»Und der Maure? Ich trau’ ihm nicht. Ich weiß, daß er tagelang abwesend: dann taucht er wieder auf im Lager. Er ist ein Späher.«»Ja, Freund,« lächelte Witichis. »Aber der meine. Er geht mit meinem Wissen in Rom aus und ein. Er ist es, der mir noch alle Gelegenheiten verraten.«»Und noch keine hat genützt! Und die falsche Sandale?«»Ist wirklich ein Votivopfer. Aber für Diebstahl; er hat mir, noch ehe du kamst, alles gebeichtet. Er hat, bei der Begleitung der Königin sich langweilend, in einem Gewölbe der Kirche herumgestöbert und da unten allerlei Priestergewänder und vergrabnen Schmuck gefunden und behalten. Aber später, den Zorn des Apostels fürchtend, wollt’ er ihn beschwichtigen, und opferte, in seinem Heidensinn, diese Goldsandale aus seiner Beute. Er beschrieb sie mir ganz genau: mit goldnen Seitenstreifen und einem Achatknopf, oben mit einemC–. Du siehst, es trifft alles zu. Er kannte sie also: sie kann nicht von einem Flüchtenden verloren sein. Und er versprach, als Beweis[pg 258]die dazu gehörige Sandale des rechten Fußes zu bringen. Aber vor allem: er hat mir einen neuen Plan verraten, der all’ unsrer Not ein Ende machen und Belisarius selbst in unsre Hände liefern soll.«

Trotz alledem, sagten die Römer, hätten längst die Goten die Mauern erstiegen, wäre nicht des Präfekten Egeria gewesen.

Denn es war merkwürdig: so oft die Barbaren einen Sturm vorbereiteten –: Cethegus ging zu Belisar und warnte und bezeichnete im voraus den Tag. So oft Teja oder Hildebad in kühnem Handstreich ein Thor zu überrumpeln, eine Schanze wegzunehmen gedachten: – Cethegus sagte es vorher, und die Angreifer stießen auf das Zweifache der gewöhnlichen Besatzung der Punkte. So oft in nächtigem Überfall die Kette des Tibers gesprengt werden sollte: – Cethegus schien es geahnt zu haben und schickte den Schiffen der Feinde Brander und Feuerkähne entgegen.

So ging es viele Monate hin. Die Goten konnten sich nicht verhehlen, daß sie, trotz unablässiger Angriffe, seit Anfang der Belagerung keinerlei Fortschritte gemacht.

Lange trugen sie diese Unfälle, die Entdeckung und Vereitelung all ihrer Pläne, mit ungebeugtem Mut. Aber[pg 248]allmählich bemächtigte sich nicht bloß der großen Masse Verdrossenheit, insbesondere da Mangel an Lebensmitteln fühlbar zu werden begann, – auch des Königs klarer Sinn wurde von trüber Schwermut verdüstert, als er all’ seine Kraft, all’ seine Ausdauer, all’ seine Kriegskunst wie von einem bösen Dämon vereitelt sah. Und kam er von einem fehlgeschlagenen Unternehmen, von einem verunglückten Sturm, matt und gebeugt, in sein Königszelt, so ruhten die stolzen Augen seiner schweigsamen Königin mit einem ihm unverständlichen, aber grauenvoll unheimlichen Ausdruck auf ihm, daß er sich schaudernd abwandte.

»Es ist nicht anders,« sagte er finster zu Teja, »es ist gekommen, wie ich vorausgesagt. Mit Rauthgundis ist mein Glück von mir gewichen, wie die Freudigkeit meiner Seele. Es ist, als läge ein Fluch auf meiner Krone. Und diese Amalungentochter wandelt um mich her, schweigend und finster, wie mein lebendiges Unglück.«

»Du könntest Recht haben,« sprach Teja. »Vielleicht lös’ ich diesen Zauberbann. Gieb mir Urlaub für heut’ Nacht.«

Am selben Tage, fast in derselben Stunde, forderte drinnen in Rom Johannes, der Blutige, von Belisar Urlaub für diese Nacht. Belisar schlug es ab. »Jetzt ist nicht Zeit zu nächtlichen Vergnügen,« sagte er.

»Wird kein groß Vergnügen sein, in der Nacht zwischen alten feuchten Mauern und gotischen Lanzen einem Fuchs nachspüren, der zehnmal schlauer ist als wir beide.«

»Was hast du vor?« fragte Belisar, aufmerksam werdend.

»Was ich vorhabe? Ein Ende zu machen der verfluchten Stellung, in der wir alle, in der du, o Feldherr, nicht zum mindesten stehst. Es ist schon alles ganz recht.[pg 249]Seit Monaten liegen die Barbaren vor diesen Mauern und haben nichts dabei gewonnen. Wir erschießen sie wie Knaben die Dohlen vom Hinterhalt und können ihrer lachen. Aber wer ist es eigentlich, der all dies vollbringt? Nicht, wie es sein sollte, du, des Kaisers Feldherr, noch des Kaisers Heer: sondern dieser eisige Römer, der nur lachen kann, wenn er höhnt. Der sitzt da oben im Kapitol und verlacht den Kaiser und die Goten und uns und, mit Verlaub zu sagen, dich selber am meisten. Woher weiß dieser Odysseus und Ajax in Einer Person alle Gotenpläne so scharf, als säße er mit im Rat des Königs Witichis? Durch sein Dämonium, sagen die einen. Durch seine Egeria, sagen die andern. Er hat einen Raben, der hören und sprechen kann wie Menschen, meinen wieder andere: den schickt er alle Nacht ins Gotenlager. Das mögen die alten Weiber glauben und die Römer, nicht meiner Mutter Sohn. Ich glaube, den Raben zu kennen und das Dämonium. Gewiß ist, er kann die Kunde nur aus dem Gotenlager selbst holen; laß uns doch sehen, ob wir nicht selbst an seiner Statt aus dieser Quelle schöpfen können.«

»Ich habe das längst bedacht, aber ich sah kein Mittel.«

»Ich habe von meinen Hunnen alle seine Schritte belauern lassen. Es ist verdammt schwer: denn dieser braune Maurenteufel folgt ihm wie ein Schatte. Aber tagelang ist Syphax fern: – und dann gelingt es eher. Nun, ich habe erspäht, daß Cethegus so manche Nacht die Stadt verließ, bald aus der Porta portuensis, rechts vom Tiber, bald aus der Porta Sankt Pauls, links vom Tiber im Süden, die er beide besetzt hält. Weiter wagten ihm die Späher nicht zu folgen. Ich aber denke heute Nacht – denn heute muß es wieder treffen, – ihm so nicht von den Fersen zu weichen. Doch muß ich ihnvordem Thore erwarten: seine Isaurier ließen mich nicht durch;[pg 250]ich werde bei einer Runde vor den Mauern in einem der Gräben zurückbleiben.«

»Gut. Es sind aber, wie du sagst, zwei Thore zu beobachten.« – »Deshalb hab’ ich mir Perseus, meinen Bruder, zum Genossen erkoren; er hütet das paulinische, ich das portuensische Thor; verlaß dich drauf – bis morgen vor Sonnenaufgang kennt einer von uns das Dämonium des Präfekten.« – Und wirklich: einer von ihnen sollte es kennen lernen.

Gerade gegenüber dem Sankt Pauls-Thor, etwa drei Pfeilschüsse von den äußersten Gräben der Stadt, lag ein mächtiges altertümliches Gebäude, die Basilika Sancti Pauli extra muros, die Paulskapelle vor den Mauern, deren letzte Reste erst zur Zeit der Belagerung Roms durch den Connetable von Bourbon völlig verschwanden. Ursprünglich ein Tempel des Jupiter Stator war der Bau seit zwei Jahrhunderten dem Apostel geweiht worden: aber noch stand die bronzene Kolossalstatue des bärtigen Gottes aufrecht: man hatte ihm nur den flammenden Donnerkeil aus der Rechten genommen und dafür ein Kreuz hineingeschoben: im übrigen paßte die breite und bärtige Gestalt gut zu ihrem neuen Namen.

Es war um die sechste Stunde der Nacht. Der Mond stand glanzvoll über der ewigen Stadt und goß sein silbernes Licht über die Mauerzinnen und über die Ebene, zwischen den römischen Schanzen und der Basilika, deren schwarze Schatten nach dem Gotenlager hin fielen.

Eben hatte die Wache am Sankt Pauls-Thor gewechselt.

Aber es waren sieben Mann hinausgeschritten und nur sechs kamen herein. Der siebente wandte der Pforte den Rücken und schritt heraus ins freie Feld.

Vorsichtig wählte er seinen Weg: vorsichtig vermied er die zahlreichen Fußangeln, Wolfsgruben, Selbstschüsse[pg 251]vergifteter Pfeile, die hier überall umhergestreut waren und manchem Goten bei den Angriffen auf die Stadt Verderben gebracht hatten. Der Mann schien sie alle zu kennen und wich ihnen leicht aus. Aber er vermied auch das Mondlicht sorgfältig, den Schatten der Mauervorsprünge suchend und oft von Baum zu Baum springend.

Als er aus dem äußersten Graben auftauchte, sah er sich um und blieb im Schatten einer Cypresse stehen, deren Zweige die Ballistengeschosse zerschmettert hatten. Er entdeckte nichts Lebendes weit und breit: und er eilte nun mit raschen Schritten der Kirche zu.

Hätte er nochmal umgeblickt, er hätte es wohl nicht gethan.

Denn, sowie er den Baum verließ, tauchte aus dem Graben eine zweite Gestalt hervor, die in drei Sprüngen ihrerseits den Schatten der Cypresse erreicht hatte. »Gewonnen, Johannes! du stolzer Bruder, diesmal war das Glück dem jüngeren Bruder hold. Jetzt ist Cethegus mein und sein Geheimnis.« Und vorsichtig folgte er dem rasch Voranschreitenden.

Aber plötzlich war dieser vor seinen Augen verschwunden, als habe ihn die Erde verschlungen. Es war hart an der äußern Mauer der Kirche, die doch dem Armenier, als er sie erreicht, keine Thür oder Öffnung zeigte.

»Kein Zweifel,« sagte der Lauscher, »das Stelldichein ist drinnen im Tempel: ich muß nach.«

Allein an dieser Stelle war die Mauer unübersteiglich.

Tastend und suchend bog der Späher um die Ecke derselben. Umsonst, die Mauer war überall gleich hoch. – Im Suchen verstrich ihm fast eine Viertelstunde.

Endlich fand er eine Lücke in dem Gestein: mühsam zwängte er sich hindurch. Und er stand nun im Vorhofe des alten Tempels, in dem die dicken dorischen Säulen[pg 252]breite Schatten warfen, in deren Schutz er von der rechten Seite her bis an das Hauptgebäude gelangte.

Er spähte durch einen Riß des Gemäuers, den ihm die Zugluft verraten hatte. Drinnen war alles finster. Aber plötzlich wurde sein Auge von einem grellen Lichtstrahl geblendet. Als er es wieder aufschlug, sah er einen hellen Streifen in der Dunkelheit: – er rührte von einer Blendlaterne her, deren Licht sich plötzlich gezeigt hatte.

Deutlich erkannte er, was in dem Bereich der Laterne stand, den Träger derselben aber nicht: wohl dagegen Cethegus den Präfekten, der hart vor der Statue des Apostels stand und sich an diese zu lehnen schien: vor ihm stand eine zweite Gestalt: ein schlankes Weib, auf dessen dunkelrotes Haar schimmernd das Licht der Laterne fiel.

»Die schöne Gotenkönigin, bei Eros und Anteros!« dachte der Lauscher: »kein schlechtes Stelldichein, sei’s nun Liebe, sei’s Politik! Horch, sie spricht. Leider kam ich zu spät, auch den Anfang der Unterredung zu hören.«

»Also: merk’ es dir wohl! übermorgen auf der Straße vor dem Thor von Tibur wird etwas gefährliches geplant.« – »Gut: aber was?« frug des Präfekten Stimme. – »Genaueres konnte ich nicht erkunden: und ich kann es dir auch nicht mehr mitteilen, wenn ich es noch erfahre. Ich wage nicht mehr, dich hier wieder zu sehen: denn« ... – Sie sprach nun leiser.

Perseus drückte das Ohr hart an die Spalte: da klirrte seine Schwertscheide an das Gestein und nun traf ihn ein Strahl des Lichts.

»Horch!« rief eine dritte Stimme – es war eine Frauenstimme, die der Trägerin der Laterne, die sich jetzt in dem Strahl ihres eigenen Blendlichts gezeigt hatte, da sie sich rasch gegen die Richtung des Schalles gekehrt hatte. Perseus erkannte eine Sklavin in maurischer Tracht.

Einen Augenblick schwieg alles in dem Tempel. Perseus hielt den Atem an. Er fühlte, es galt das Leben. Denn Cethegus griff ans Schwert.

»Alles still,« sagte die Sklavin. »Es fiel wohl nur ein Stein auf den Erzbeschlag draußen.«

»Auch in das Grab vor dem portuensischen Thor geh’ ich nicht mehr. Ich fürchte, man ist uns gefolgt.« – »Wer?« – »Einer, der niemals schläft, wie es scheint: Graf Teja.« Des Präfekten Lippe zuckte.

»Und er ist auch bei einem rätselhaften Eidbund gegen Belisars Leben: der bloße Scheinangriff gilt dem Sankt Pauls-Thor.« »Gut!« sagte Cethegus nachdenklich. »Belisar würde nicht entrinnen, wenn nicht gewarnt. Sie liegen irgendwo, – aber ich weiß nicht, wo – fürcht’ ich, im Hinterhalt, mit Übermacht, Graf Totila führt sie.«

»Ich will ihn schon warnen!« sagte Cethegus langsam.

»Wenn es gelänge ..!« – »Sorge nicht, Königin! Mir liegt an Rom nicht weniger denn dir. Und wenn der nächste Sturm fehlschlägt, – so müssen sie die Belagerung aufgeben, so zähe sie sind. Und das, Königin, ist dein Verdienst. Laß mich in dieser Nacht – vielleicht der letzten, da wir uns treffen, – dir mein ganzes staunendes Herz enthüllen. Cethegus staunt nicht leicht und nicht leicht gesteht er’s, wenn er staunen muß. Aber dich – bewundere ich, Königin. Mit welch’ totverachtender Kühnheit, mit welch’ dämonischer List hast du alle Pläne der Barbaren vereitelt! Wahrlich: viel that Belisar, – mehr that Cethegus, – das meiste: Mataswintha.«

»Sprächst du wahr!« sagte Mataswintha mit funkelnden Augen.»Undwenn die Krone diesem Frevler vom Haupte fällt ... – –«

»War esdeineHand, deren sich das Schicksal Roms bedient hat. Aber, Königin, nicht damit kannst du enden![pg 254]Wie ich dich erkannte, in diesen Monaten – darfst du nicht als gefangene Gotenkönigin nach Byzanz. Diese Schönheit, dieser Geist, diese Kraft muß herrschen – nicht dienen, in Byzanz. Darum bedenke, wenn er nun gestürzt ist – dein Tyrann, – willst du nicht dann den Weg gehn, den ich dir gezeigt?«

»Ich habe noch nie über seinen Fall hinaus gedacht,« sagte sie düster.

»Aber ich – für dich! Wahrlich, Mataswintha,« – und sein Auge ruhte mit Bewunderung auf ihr, – »du bist – wunderschön. Ich rechn’ es mir zum größten Stolz, daß selbst du mich nicht in Liebe entzündet und von meinen Plänen abgebracht hast. Aber du bist zu schön, zu köstlich, nur der Rache und dem Haß zu leben. Wenn unser Ziel erreicht, – dann nach Byzanz!

Als mehr denn Kaiserin: – als Überwinderin der Kaiserin!«

»Wenn mein Ziel erreicht, ist mein Leben vollendet. Glaubst du, ich ertrüge den Gedanken, aus eitel Herrschsucht mein Volk zu verderben, um kluger Zwecke willen? Nein: ich konnt’ es nur, weil ich mußte. Die Rache ist jetzt meine Liebe und mein Leben und« ... – –

Da scholl von der Fronte des Gebäudes her, aber noch innerhalb der Mauer, laut und schrillend der Ruf des Käuzchens, einmal – zweimal rasch nach einander.

Wie staunte Perseus, als er den Präfekten eilig an die Kehle der Bildsäule drücken sah, an der er lehnte, und wie sich diese geräuschlos in zwei Hälften auseinander schlug. Cethegus schlüpfte in die Öffnung: die Statue klappte wieder zusammen. Mataswintha aber und Aspa sanken wie betend auf die Stufen des Altars.

»Also war’s ein Zeichen! Es droht Gefahr:« dachte der Späher; »aber wo ist die Gefahr? und wo der[pg 255]Warner?« Und er wandte sich, trat vor und sah nach links, nach der Seite der Goten.

Allein damit trat er in den Bereich des Mondlichts: und in den Blick des Mauren Syphax, der vor der Eingangsthür des Hauptgebäudes in einer leeren Nische Schildwache stand, und bisher scharf nach der linken, der gotischen, Seite hin, gespäht hatte.

Von dort, von links her, schritt langsam ein Mann heran. Seine Streitaxt blitzte im Mondlicht.

Aber auch Perseus sah jetzt eine Waffe aufblitzen: es war der Maure, der leise sein Schwert aus der Scheide zog.

»Ha,« lachte Perseus, »bis die beiden mit einander fertig sind, bin ich in Rom, mit meinem Geheimnis.«

Und in raschen Sprüngen eilte er nach der Mauerlücke des Vorhofs, durch die er eingedrungen. Zweifelnd blickte Syphax einen Augenblick nach rechts und nach links. Zur Rechten sah er entweichen einen Lauscher, den er jetzt erst ganz entdeckte. Zur Linken schritt ein gotischer Krieger herein in den Tempelhof. Er konnte nicht hoffen, beide zu erreichen und zu töten.

Da plötzlich schrie er laut: »Teja, Graf Teja! Hilfe! zu Hilfe! Ein Römer! rettet die Königin! dort rechts an der Mauer, ein Römer!«

Im Fluge war Teja heran, bei Syphax. »Dort! rief dieser: »ich schütze die Frauen in der Kirche!« Und er eilte in den Tempel.

»Steh, Römer!« rief Teja, und sprang dem fliehenden Perseus nach.

Aber Perseus stand nicht: er lief an die Mauer: er erreichte die Lücke, durch welche er hereingekommen war: doch er konnte sich in der Eile nicht wieder hindurchzwängen: so schwang er sich mit der Kraft der Verzweiflung auf die Mauerkrone: und schon hob er den Fuß, sich jen[pg 256]seits hinabzulassen: da traf ihn Tejas Axt im Wurf ans Haupt und rücklings stürzte er nieder, samt seinem erlauschten Geheimnis. –

Teja beugte sich über ihn: deutlich erkannte er die Züge des Toten. »Der Archon Perseus,« sagte er, »der Bruder des Johannes.« Und sofort schritt er die Stufen hinan, die zur Kirche führten. An der Schwelle trat ihm Mataswintha entgegen, hinter ihr Syphax und Aspa mit der Blendlaterne. Einen Moment maßen sich beide schweigend mit mißtrauischen Blicken.

»Ich habe dir zu danken, Graf Teja von Tarentum,« sagte endlich die Fürstin. »Ich war bedroht in meiner einsamen Andacht.«

»Seltsam wählstduOrt und Stunde für deine Gebete. Laß sehen, ob dieser Römer der einzige Feind war.«

Er nahm aus Aspas Hand die Leuchte und ging in das Innere der Kapelle. Nach einer Weile kam er wieder, einen mit Gold eingelegten Lederschuh in der Hand. »Ich fand nichts als – diese Sandale am Altar, dicht vor dem Apostel. Es ist ein Mannesfuß.«

»Eine Votivgabe von mir,« sagte Syphax rasch. Der Apostel heilte meinen Fuß, ich hatte mir einen Dorn eingetreten.«

»Ich dachte, du verehrst nur den Schlangengott?« – »Ich verehre, was da hilft.« – »In welchem Fuße stak der Dorn.« Syphax schwankte einen Augenblick. »Im rechten,« sagte er dann, rasch entschlossen.

»Schade,« sprach Teja, »die Sandale ist auf den linken geschnitten.« Und er steckte sie in den Gürtel. »Ich warne dich, Königin, vor solcher nächtlichen Andacht.«

»Ich werde thun, was meine Pflicht,« sagte Mataswintha herb.

»Und ich, was meine.« Mit diesen Worten schritt[pg 257]Teja voran, zurück zum Lager: schweigend folgte die Königin und ihre Sklaven.

Vor Sonnenaufgang stand Teja vor Witichis und berichtete ihm alles.

»Was du sagst, ist kein Beweis,« sagte der König. – »Aber schwerer Verdacht. Und du sagtest selbst, die Königin sei dir unheimlich.«

»Gerade deshalb hüt’ ich mich, nach bloßem Verdacht zu handeln. Ich zweifle manchmal, ob wir an ihr nicht Unrecht gethan. Fast so schwer, wie an Rauthgundis.« – »Wohl, aber diese nächtlichen Gänge?« – »Werd’ ich verhindern. Schon um ihretwillen.«

»Und der Maure? Ich trau’ ihm nicht. Ich weiß, daß er tagelang abwesend: dann taucht er wieder auf im Lager. Er ist ein Späher.«

»Ja, Freund,« lächelte Witichis. »Aber der meine. Er geht mit meinem Wissen in Rom aus und ein. Er ist es, der mir noch alle Gelegenheiten verraten.«

»Und noch keine hat genützt! Und die falsche Sandale?«

»Ist wirklich ein Votivopfer. Aber für Diebstahl; er hat mir, noch ehe du kamst, alles gebeichtet. Er hat, bei der Begleitung der Königin sich langweilend, in einem Gewölbe der Kirche herumgestöbert und da unten allerlei Priestergewänder und vergrabnen Schmuck gefunden und behalten. Aber später, den Zorn des Apostels fürchtend, wollt’ er ihn beschwichtigen, und opferte, in seinem Heidensinn, diese Goldsandale aus seiner Beute. Er beschrieb sie mir ganz genau: mit goldnen Seitenstreifen und einem Achatknopf, oben mit einemC–. Du siehst, es trifft alles zu. Er kannte sie also: sie kann nicht von einem Flüchtenden verloren sein. Und er versprach, als Beweis[pg 258]die dazu gehörige Sandale des rechten Fußes zu bringen. Aber vor allem: er hat mir einen neuen Plan verraten, der all’ unsrer Not ein Ende machen und Belisarius selbst in unsre Hände liefern soll.«

Zehntes Kapitel.Während der Gotenkönig diesen Plan seinem Freunde mitteilte, stand Cethegus, in frühester Stunde nach dem belisarischen Thor beschieden, vor Belisar und Johannes.»Präfekt von Rom,« herrschte ihn der Feldherr beim Eintreten an, »wo warst du heute Nacht?«»Auf meinem Posten. Wohin ich gehöre. Am Thor Sankt Pauls.«»Weißt du, daß in dieser Nacht einer der besten meiner Anführer, Perseus der Archon, des Johannes Bruder, die Stadt verlassen hat und seitdem verschwunden ist?«»Thut mir leid. Aber du weißt: es ist verboten, ohne Erlaubnis die Mauer zu überschreiten.«»Ich habe aber Grund zu glauben,« fuhr Johannes auf, »daß du recht gut weißt, was aus meinem Bruder geworden, daß sein Blut an deinen Händen klebt.« »Und beim Schlummer Justinians!« brauste Belisar auf, »das sollst du büßen. Nicht länger sollst du herrschen über des Kaisers Heer und Feldherrn. Die Stunde der Abrechnung ist gekommen. Die Barbaren sind so gut wie vernichtet. Und laß sehn, ob nicht mit deinem Haupt auch das Kapitol fällt.«»Steht es so?« dachte Cethegus, »jetzt sieh dich vor, Belisarius.« Doch er schwieg.[pg 259]»Rede!« rief Johannes. »Wo hast du meinen Bruder ermordet?« Ehe Cethegus antworten konnte, trat Artasines, ein persischer Leibwächter Belisars, herein. »Herr,« sagte er, »draußen stehn sechs gotische Krieger. Sie bringen die Leiche Perseus, des Archonten. König Witichis läßt dir sagen: er sei heut’ Nacht vor den Mauern durch Graf Tejas Beil gefallen. Er sendet ihn zur ehrenden Bestattung.«»Der Himmel selbst,« sprach Cethegus stolz hinausschreitend, »straft eure Bosheit Lügen.« Aber langsam und nachdenklich ging der Präfekt über den Quirinal und das Forum Trajans nach seinem Wohnhaus. »Du drohst, Belisarius? Dank’ für den Wink! Laß sehn, ob wir dich nicht entbehren können.«In seiner Wohnung fand er Syphax, der ihn ungeduldig erwartet hatte und ihm raschen Bericht ablegte. »Vor allem, Herr,« schloß er nun, »laß also deinen Sandalenbinder peitschen. Du siehst, wie schlecht du bedient bist, ist Syphax fern: – und gieb mir gütigst deinen rechten Schuh.«»Ich sollte dir ihn nicht geben und dich zappeln lassen für dein freches Lügen,« lachte der Präfekt. »Dieses Stück Leder ist jetzt dein Leben wert, mein Panther. Womit willst du’s lösen?«»Mit wichtiger Kunde. Ich weiß nun alles ganz genau von dem Plan gegen Belisars Leben: Ort und Zeit: und die Namen der Eidbrüder. Es sind: Teja, Totila und Hildebad.«»Jeder allein genug für den Magister Militum,« murmelte Cethegus vergnüglich.»Ich denke, o Herr, du hast den Barbaren wohl wieder[pg 260]eine schöne Falle gestellt! Ich habe ihnen, auf deinen Befehl, entdeckt, daß Belisar selbst morgen zum tiburtinischen Thor hinausziehen will, um Vorräte aufzutreiben.«»Ja, er selbst geht mit, weil sich die oft aufgefangnen Hunnen nicht mehr allein hinauswagen; er führt nur vierhundert Mann.«»Es werden nun die drei Eidbrüder am Grab der Fulvier einen Hinterhalt von tausend Mann gegen Belisar legen. »Das verdient wirklich den Schuh!« sagte Cethegus und warf ihm denselben zu.»König Witichis wird indessen nur einen Scheinangriff machen lassen auf das Thor Sankt Pauls, die Gedanken der Unsern von Belisar abzulenken. Ich eile nun also zu Belisar, ihm zu sagen, wie du mir aufgetragen, daß er drei Tausend mit sich nimmt und jene gegen ihn Verschwornen vernichtet.«»Halt!« sagte Cethegus ruhig, »nicht so eilfertig! Du meldest nichts.«»Wie?« fragte Syphax erstaunt. »Ungewarnt ist er verloren!« –»Man muß dem Schutzgeist des Feldherrn nicht schon wieder, nicht immer, ins Amt greifen. Belisar mag morgen seinen Stern erproben.«»Ei,« sagte Syphax mit pfiffigem Lächeln, »solches gefällt dir? Dann bin ich lieber Syphax, der Sklave, als Belisarius, der Magister Militum. Arme Witwe Antonina!«Cethegus wollte sich auf das Lager strecken, da meldete Fidus, der Ostiarius: »Kallistratos von Korinth.«»Immer willkommen.«Der junge Grieche mit dem sanften Antlitz trat ein.Ein Hauch anmutiger Röte von Scham oder Freude[pg 261]färbte seine Wangen: es war ersichtlich, daß ihn ein besonderer Anlaß herführte.»Was bringst du des Schönen noch außer dir selbst?« so fragte Cethegus in griechischer Sprache.Der Jüngling schlug die leuchtenden Augen auf: »Ein Herz voll Bewunderung für dich: und den Wunsch, dir diese zu bewähren. Ich bitte um die Gunst, wie die beiden Licinier und Piso, für dich und Rom fechten zu dürfen.«»Mein Kallistratos! was kümmern dich, unsern Friedensgast, den liebenswürdigsten der Hellenen, unsre blutigen Händel mit den Barbaren? Bleibe du von diesem schweren Ernst und pflege deines heitern Erbes: der Schönheit.«»Ich weiß es wohl, die Tage von Salamis sind ferne wie ein Mythos: und ihr eisernen Römer habt uns niemals Kraft zugetraut. Das ist hart – aber doch leichter zu tragen, weil ihr es seid, die unsre Welt, die Kunst und edle Sitte verteidigt gegen die dumpfen Barbaren. Ihr, das heißt Rom und Rom heißt mir Cethegus. So faß ich diesen Kampf und so gefaßt, siehst du, so geht er wohl auch den Hellenen an.«Erfreut lächelte der Präfekt. »Nun, wenn dir Rom Cethegus ist, so nimmt Rom gern die Hilfe des Hellenen an: du bist fortan Tribun der Milites Romani wie Licinius.«»In Thaten will ich dir danken! Aber eins noch muß ich dir gestehn – denn ich weiß: du liebst nicht überrascht zu sein. Oft hab’ ich gesehen, wie teuer dir das Grabmal Hadrians und seine Zier von Götterstatuen ist. Neulich hab’ ich diese marmornen Wächter gezählt und zweihundertachtundneunzig gefunden. Da macht’ ich denn das dritte Hundert voll und habe meine beiden Letoiden, die du so[pg 262]hoch gelobt, den Apollon und die Artemis, dort aufgestellt, dir und Rom zu einem Weihgeschenk.«»Junger lieber Verschwender,« sprach Cethegus, »was hast du da gethan!«»Das Gute und Schöne,« antwortete Kallistratos einfach.»Aber bedenke – das Grabmal ist jetzt eine Schanze: –»Wenn die Goten stürmen –« – »Die Letoiden stehen auf der zweiten, der innern Mauer. Und soll ich fürchten, daß je Barbaren wieder den Lieblingsplatz des Cethegus erreichen? Wo sind die schönen Götter sichrer als in deiner Burg? Deine Schanze ist mir ihr bester, weil ihr sicherster Tempel. Mein Weihgeschenk sei zugleich ein glücklich Omen.«»Das soll es sein,« rief Cethegus lebhaft, »und ich glaube selber: dein Geschenk ist gut geborgen. Aber gestatte mir dagegen« –»Du hast mir schon dafür erlaubt, für dich zu kämpfen. Chaire!« lachte der Grieche und war hinaus.»Der Knabe hat mich sehr lieb,« sagte Cethegus, ihm nachsehend. »Und mir geht’s wie andern Menschenthoren: – mir thut das wohl. Und nicht bloß, weil ich ihn dadurch beherrsche.«Da hallten feste Schritte auf dem Marmor des Vestibulums und ein Tribun der Milites ward gemeldet.Es war ein junger Krieger mit edeln, aber über seine Jahre hinaus ernsten Zügen. In echt römischem Schnitt setzten die Wangenknochen, fast im rechten Winkel, an die gerade strenge Stirn: in dem tief eingelassenen Auge lag römische Kraft und – in dieser Stunde – entschlossener Ernst und rücksichtsloser Wille.»Siehe da, Severinus, des Boëthius Sohn, willkommen mein junger Held und Philosoph. Viele Monate habe ich dich nicht gesehen – woher kommst du?«[pg 263]»Vom Grabe meiner Mutter,« sagte Severinus mit festem Blick auf den Frager.Cethegus sprang auf. »Wie? Rusticiana? meine Jugendfreundin! meines Boëthius Weib!«»Sie ist tot,« sagte der Sohn kurz. Der Präfekt wollte seine Hand fassen. Severinus entzog sie.»Mein Sohn, mein armer Severinus! Und starb sie – ohne ein Wort für mich?«»Ich bringe dir ihr letztes Wort – es galt dir!«»Wie starb sie? an welchem Leiden?« – »An Schmerz und Reue.« – »Schmerz –« seufzte Cethegus, »das begreif’ ich. Aber was sollte sie bereuen! Und mir galt ihr letztes Wort! – sag’ an, wie lautet es?«Da trat Severinus hart an den Präfekten, daß er sein Knie berührte und blickte ihm bohrend ins Auge. »Fluch, Fluch über Cethegus, der meine Seele vergiftet und mein Kind.«Ruhig sah ihn Cethegus an. »Starb sie im Irrsinn?« fragte er kalt.»Nein, Mörder: sie lebte im Irrsinn, solang sie dir vertraute. In ihrer Todesstunde hat sie Cassiodor und mir gestanden, daß ihre Hand dem jungen Tyrannen das Gift gereicht, das du gebraut. Sie erzählte uns den Hergang. Der alte Corbulo und seine Tochter Daphnidion stützten sie. »Spät erst erfuhr ich,« schloß sie, »daß mein Kind aus dem tödlichen Becher getrunken. Und niemand war da, Kamilla in den Arm zu fallen, als sie trinken wollte. Denn ich war noch im Boot auf dem Meere und Cethegus noch in dem Platanengang.« Da rief der alte Corbulo erbleichend: »Wie? der Präfekt wußte, daß der Becher Gift enthielt?« – »Gewiß,« antwortete meine Mutter. »Als ich ihn im Garten traf, sagt’ ich es ihm: »es istgeschehen.««Corbulo verstummte vor Entsetzen:[pg 264]aber Daphnidion schrie in wildem Schmerz: »Weh! meine arme Domna! so hat er sie ermordet! Denn er stand dabei, dicht neben mir, und sah zu, wie sie trank.« – »Er sah zu, wie sie trank?« fragte meine Mutter mit einem Tone, der ewig durch mein Leben gellen wird.»Er sah zu, wie sie trank!« wiederholten der Freigelassene und sein Kind. »O so sei den untern Dämonen sein verfluchtes Haupt geweiht! Rache, Gott, in der Hölle, Rache, meine Söhne, auf Erden für Kamilla! Fluch über Cethegus!« Und sie fiel zurück und war tot.«Der Präfekt blieb unerschüttert stehen. Nur griff er leise an den Dolch unter den Brustfalten der Tunika. »Du aber« – fragte er nach einer Pause – »was thatest du?«»Ich aber kniete nieder an der Leiche und küßte ihre kalte Hand und schwor ihr’s zu, ihr Sterbewort zu vollenden. Wehe dir, Präfekt von Rom: Giftmischer, Mörder meiner Schwester – du sollst nicht leben.«»Sohn des Boëthius, willst du zum Mörder werden um die Wahnworte eines läppischen Sklaven und seiner Dirne? Würdig des Helden und des Philosophen!«»Nichts von Mord. Wäre ich ein Germane, nach dem Brauche dieser Barbaren: – er dünkt mir heute sehr vortrefflich! – rief’ ich dich zum Zweikampf, du verhaßter Feind. Ich aber bin ein Römer und suche meine Rache auf dem Wege des Rechts. Hüte dich, Präfekt, noch giebt es Richter in Italien. Lange Monate hielt mich der Krieg, der Feind von diesen Mauern ab. – Erst heute habe ich Rom, von der See her, erreicht: und morgen erheb’ ich die Klage bei den Senatoren, die deine Richter sind – dort finden wir uns wieder.«Cethegus vertrat ihm plötzlich den Weg an die Thüre.Aber Severinus rief: »Gemach, man sieht sich vor bei[pg 265]Mördern. Drei Freunde haben mich an dein Haus begleitet: – Sie werden mich mit den Liktoren suchen, komm’ ich nicht wieder, noch in dieser Stunde.«»Ich wollte dich nur,« sagte Cethegus wieder ganz ruhig, »vor dem Wege der Schande warnen. Willst du den ältesten Freund deines Hauses um der Fieberreden einer Sterbenden willen mit unbeweisbarer Mordklage verfolgen, – thu’s: ich kann’s nicht hindern. Aber noch einen Auftrag zuvor: du bist mein Ankläger geworden: aber du bleibst Soldat: und mein Tribun. Du wirst gehorchen, wenn dein Feldherr befiehlt.«»Ich werde gehorchen.«»Morgen steht ein Ausfall Belisars bevor: und ein Sturm der Barbaren. Ich muß die Stadt beschirmen. Doch ahnt mir Gefahr für den löwenkühnen Mann: – ich muß ihn treu gehütet wissen. Du wirst morgen, – ich befehl’ es, – den Feldherrn begleiten und sein Leben decken.«»Mit meinem eignen.«»Gut, Tribun, ich verlasse mich auf dein Wort.«»Bau’ du auf meines: auf Wiedersehn: nach der Schlacht: vor dem Senat. Nach beiden Kämpfen lüstet mich gleich sehr. Auf Wiedersehn: – – vor dem Senat.«»Auf Nimmerwiedersehn,« sprach Cethegus, als sein Schritt verhallte. »Syphax,« rief er laut, »bringe Wein und das Hauptmahl. Wir müssen uns stärken: – auf morgen.«

Während der Gotenkönig diesen Plan seinem Freunde mitteilte, stand Cethegus, in frühester Stunde nach dem belisarischen Thor beschieden, vor Belisar und Johannes.

»Präfekt von Rom,« herrschte ihn der Feldherr beim Eintreten an, »wo warst du heute Nacht?«

»Auf meinem Posten. Wohin ich gehöre. Am Thor Sankt Pauls.«

»Weißt du, daß in dieser Nacht einer der besten meiner Anführer, Perseus der Archon, des Johannes Bruder, die Stadt verlassen hat und seitdem verschwunden ist?«

»Thut mir leid. Aber du weißt: es ist verboten, ohne Erlaubnis die Mauer zu überschreiten.«

»Ich habe aber Grund zu glauben,« fuhr Johannes auf, »daß du recht gut weißt, was aus meinem Bruder geworden, daß sein Blut an deinen Händen klebt.« »Und beim Schlummer Justinians!« brauste Belisar auf, »das sollst du büßen. Nicht länger sollst du herrschen über des Kaisers Heer und Feldherrn. Die Stunde der Abrechnung ist gekommen. Die Barbaren sind so gut wie vernichtet. Und laß sehn, ob nicht mit deinem Haupt auch das Kapitol fällt.«

»Steht es so?« dachte Cethegus, »jetzt sieh dich vor, Belisarius.« Doch er schwieg.

»Rede!« rief Johannes. »Wo hast du meinen Bruder ermordet?« Ehe Cethegus antworten konnte, trat Artasines, ein persischer Leibwächter Belisars, herein. »Herr,« sagte er, »draußen stehn sechs gotische Krieger. Sie bringen die Leiche Perseus, des Archonten. König Witichis läßt dir sagen: er sei heut’ Nacht vor den Mauern durch Graf Tejas Beil gefallen. Er sendet ihn zur ehrenden Bestattung.«

»Der Himmel selbst,« sprach Cethegus stolz hinausschreitend, »straft eure Bosheit Lügen.« Aber langsam und nachdenklich ging der Präfekt über den Quirinal und das Forum Trajans nach seinem Wohnhaus. »Du drohst, Belisarius? Dank’ für den Wink! Laß sehn, ob wir dich nicht entbehren können.«

In seiner Wohnung fand er Syphax, der ihn ungeduldig erwartet hatte und ihm raschen Bericht ablegte. »Vor allem, Herr,« schloß er nun, »laß also deinen Sandalenbinder peitschen. Du siehst, wie schlecht du bedient bist, ist Syphax fern: – und gieb mir gütigst deinen rechten Schuh.«

»Ich sollte dir ihn nicht geben und dich zappeln lassen für dein freches Lügen,« lachte der Präfekt. »Dieses Stück Leder ist jetzt dein Leben wert, mein Panther. Womit willst du’s lösen?«

»Mit wichtiger Kunde. Ich weiß nun alles ganz genau von dem Plan gegen Belisars Leben: Ort und Zeit: und die Namen der Eidbrüder. Es sind: Teja, Totila und Hildebad.«

»Jeder allein genug für den Magister Militum,« murmelte Cethegus vergnüglich.

»Ich denke, o Herr, du hast den Barbaren wohl wieder[pg 260]eine schöne Falle gestellt! Ich habe ihnen, auf deinen Befehl, entdeckt, daß Belisar selbst morgen zum tiburtinischen Thor hinausziehen will, um Vorräte aufzutreiben.«

»Ja, er selbst geht mit, weil sich die oft aufgefangnen Hunnen nicht mehr allein hinauswagen; er führt nur vierhundert Mann.«

»Es werden nun die drei Eidbrüder am Grab der Fulvier einen Hinterhalt von tausend Mann gegen Belisar legen. »Das verdient wirklich den Schuh!« sagte Cethegus und warf ihm denselben zu.

»König Witichis wird indessen nur einen Scheinangriff machen lassen auf das Thor Sankt Pauls, die Gedanken der Unsern von Belisar abzulenken. Ich eile nun also zu Belisar, ihm zu sagen, wie du mir aufgetragen, daß er drei Tausend mit sich nimmt und jene gegen ihn Verschwornen vernichtet.«

»Halt!« sagte Cethegus ruhig, »nicht so eilfertig! Du meldest nichts.«

»Wie?« fragte Syphax erstaunt. »Ungewarnt ist er verloren!« –

»Man muß dem Schutzgeist des Feldherrn nicht schon wieder, nicht immer, ins Amt greifen. Belisar mag morgen seinen Stern erproben.«

»Ei,« sagte Syphax mit pfiffigem Lächeln, »solches gefällt dir? Dann bin ich lieber Syphax, der Sklave, als Belisarius, der Magister Militum. Arme Witwe Antonina!«

Cethegus wollte sich auf das Lager strecken, da meldete Fidus, der Ostiarius: »Kallistratos von Korinth.«

»Immer willkommen.«

Der junge Grieche mit dem sanften Antlitz trat ein.

Ein Hauch anmutiger Röte von Scham oder Freude[pg 261]färbte seine Wangen: es war ersichtlich, daß ihn ein besonderer Anlaß herführte.

»Was bringst du des Schönen noch außer dir selbst?« so fragte Cethegus in griechischer Sprache.

Der Jüngling schlug die leuchtenden Augen auf: »Ein Herz voll Bewunderung für dich: und den Wunsch, dir diese zu bewähren. Ich bitte um die Gunst, wie die beiden Licinier und Piso, für dich und Rom fechten zu dürfen.«

»Mein Kallistratos! was kümmern dich, unsern Friedensgast, den liebenswürdigsten der Hellenen, unsre blutigen Händel mit den Barbaren? Bleibe du von diesem schweren Ernst und pflege deines heitern Erbes: der Schönheit.«

»Ich weiß es wohl, die Tage von Salamis sind ferne wie ein Mythos: und ihr eisernen Römer habt uns niemals Kraft zugetraut. Das ist hart – aber doch leichter zu tragen, weil ihr es seid, die unsre Welt, die Kunst und edle Sitte verteidigt gegen die dumpfen Barbaren. Ihr, das heißt Rom und Rom heißt mir Cethegus. So faß ich diesen Kampf und so gefaßt, siehst du, so geht er wohl auch den Hellenen an.«

Erfreut lächelte der Präfekt. »Nun, wenn dir Rom Cethegus ist, so nimmt Rom gern die Hilfe des Hellenen an: du bist fortan Tribun der Milites Romani wie Licinius.«

»In Thaten will ich dir danken! Aber eins noch muß ich dir gestehn – denn ich weiß: du liebst nicht überrascht zu sein. Oft hab’ ich gesehen, wie teuer dir das Grabmal Hadrians und seine Zier von Götterstatuen ist. Neulich hab’ ich diese marmornen Wächter gezählt und zweihundertachtundneunzig gefunden. Da macht’ ich denn das dritte Hundert voll und habe meine beiden Letoiden, die du so[pg 262]hoch gelobt, den Apollon und die Artemis, dort aufgestellt, dir und Rom zu einem Weihgeschenk.«

»Junger lieber Verschwender,« sprach Cethegus, »was hast du da gethan!«

»Das Gute und Schöne,« antwortete Kallistratos einfach.

»Aber bedenke – das Grabmal ist jetzt eine Schanze: –

»Wenn die Goten stürmen –« – »Die Letoiden stehen auf der zweiten, der innern Mauer. Und soll ich fürchten, daß je Barbaren wieder den Lieblingsplatz des Cethegus erreichen? Wo sind die schönen Götter sichrer als in deiner Burg? Deine Schanze ist mir ihr bester, weil ihr sicherster Tempel. Mein Weihgeschenk sei zugleich ein glücklich Omen.«

»Das soll es sein,« rief Cethegus lebhaft, »und ich glaube selber: dein Geschenk ist gut geborgen. Aber gestatte mir dagegen« –

»Du hast mir schon dafür erlaubt, für dich zu kämpfen. Chaire!« lachte der Grieche und war hinaus.

»Der Knabe hat mich sehr lieb,« sagte Cethegus, ihm nachsehend. »Und mir geht’s wie andern Menschenthoren: – mir thut das wohl. Und nicht bloß, weil ich ihn dadurch beherrsche.«

Da hallten feste Schritte auf dem Marmor des Vestibulums und ein Tribun der Milites ward gemeldet.

Es war ein junger Krieger mit edeln, aber über seine Jahre hinaus ernsten Zügen. In echt römischem Schnitt setzten die Wangenknochen, fast im rechten Winkel, an die gerade strenge Stirn: in dem tief eingelassenen Auge lag römische Kraft und – in dieser Stunde – entschlossener Ernst und rücksichtsloser Wille.

»Siehe da, Severinus, des Boëthius Sohn, willkommen mein junger Held und Philosoph. Viele Monate habe ich dich nicht gesehen – woher kommst du?«

»Vom Grabe meiner Mutter,« sagte Severinus mit festem Blick auf den Frager.

Cethegus sprang auf. »Wie? Rusticiana? meine Jugendfreundin! meines Boëthius Weib!«

»Sie ist tot,« sagte der Sohn kurz. Der Präfekt wollte seine Hand fassen. Severinus entzog sie.

»Mein Sohn, mein armer Severinus! Und starb sie – ohne ein Wort für mich?«

»Ich bringe dir ihr letztes Wort – es galt dir!«

»Wie starb sie? an welchem Leiden?« – »An Schmerz und Reue.« – »Schmerz –« seufzte Cethegus, »das begreif’ ich. Aber was sollte sie bereuen! Und mir galt ihr letztes Wort! – sag’ an, wie lautet es?«

Da trat Severinus hart an den Präfekten, daß er sein Knie berührte und blickte ihm bohrend ins Auge. »Fluch, Fluch über Cethegus, der meine Seele vergiftet und mein Kind.«

Ruhig sah ihn Cethegus an. »Starb sie im Irrsinn?« fragte er kalt.

»Nein, Mörder: sie lebte im Irrsinn, solang sie dir vertraute. In ihrer Todesstunde hat sie Cassiodor und mir gestanden, daß ihre Hand dem jungen Tyrannen das Gift gereicht, das du gebraut. Sie erzählte uns den Hergang. Der alte Corbulo und seine Tochter Daphnidion stützten sie. »Spät erst erfuhr ich,« schloß sie, »daß mein Kind aus dem tödlichen Becher getrunken. Und niemand war da, Kamilla in den Arm zu fallen, als sie trinken wollte. Denn ich war noch im Boot auf dem Meere und Cethegus noch in dem Platanengang.« Da rief der alte Corbulo erbleichend: »Wie? der Präfekt wußte, daß der Becher Gift enthielt?« – »Gewiß,« antwortete meine Mutter. »Als ich ihn im Garten traf, sagt’ ich es ihm: »es istgeschehen.««Corbulo verstummte vor Entsetzen:[pg 264]aber Daphnidion schrie in wildem Schmerz: »Weh! meine arme Domna! so hat er sie ermordet! Denn er stand dabei, dicht neben mir, und sah zu, wie sie trank.« – »Er sah zu, wie sie trank?« fragte meine Mutter mit einem Tone, der ewig durch mein Leben gellen wird.

»Er sah zu, wie sie trank!« wiederholten der Freigelassene und sein Kind. »O so sei den untern Dämonen sein verfluchtes Haupt geweiht! Rache, Gott, in der Hölle, Rache, meine Söhne, auf Erden für Kamilla! Fluch über Cethegus!« Und sie fiel zurück und war tot.«

Der Präfekt blieb unerschüttert stehen. Nur griff er leise an den Dolch unter den Brustfalten der Tunika. »Du aber« – fragte er nach einer Pause – »was thatest du?«

»Ich aber kniete nieder an der Leiche und küßte ihre kalte Hand und schwor ihr’s zu, ihr Sterbewort zu vollenden. Wehe dir, Präfekt von Rom: Giftmischer, Mörder meiner Schwester – du sollst nicht leben.«

»Sohn des Boëthius, willst du zum Mörder werden um die Wahnworte eines läppischen Sklaven und seiner Dirne? Würdig des Helden und des Philosophen!«

»Nichts von Mord. Wäre ich ein Germane, nach dem Brauche dieser Barbaren: – er dünkt mir heute sehr vortrefflich! – rief’ ich dich zum Zweikampf, du verhaßter Feind. Ich aber bin ein Römer und suche meine Rache auf dem Wege des Rechts. Hüte dich, Präfekt, noch giebt es Richter in Italien. Lange Monate hielt mich der Krieg, der Feind von diesen Mauern ab. – Erst heute habe ich Rom, von der See her, erreicht: und morgen erheb’ ich die Klage bei den Senatoren, die deine Richter sind – dort finden wir uns wieder.«

Cethegus vertrat ihm plötzlich den Weg an die Thüre.

Aber Severinus rief: »Gemach, man sieht sich vor bei[pg 265]Mördern. Drei Freunde haben mich an dein Haus begleitet: – Sie werden mich mit den Liktoren suchen, komm’ ich nicht wieder, noch in dieser Stunde.«

»Ich wollte dich nur,« sagte Cethegus wieder ganz ruhig, »vor dem Wege der Schande warnen. Willst du den ältesten Freund deines Hauses um der Fieberreden einer Sterbenden willen mit unbeweisbarer Mordklage verfolgen, – thu’s: ich kann’s nicht hindern. Aber noch einen Auftrag zuvor: du bist mein Ankläger geworden: aber du bleibst Soldat: und mein Tribun. Du wirst gehorchen, wenn dein Feldherr befiehlt.«

»Ich werde gehorchen.«

»Morgen steht ein Ausfall Belisars bevor: und ein Sturm der Barbaren. Ich muß die Stadt beschirmen. Doch ahnt mir Gefahr für den löwenkühnen Mann: – ich muß ihn treu gehütet wissen. Du wirst morgen, – ich befehl’ es, – den Feldherrn begleiten und sein Leben decken.«

»Mit meinem eignen.«

»Gut, Tribun, ich verlasse mich auf dein Wort.«

»Bau’ du auf meines: auf Wiedersehn: nach der Schlacht: vor dem Senat. Nach beiden Kämpfen lüstet mich gleich sehr. Auf Wiedersehn: – – vor dem Senat.«

»Auf Nimmerwiedersehn,« sprach Cethegus, als sein Schritt verhallte. »Syphax,« rief er laut, »bringe Wein und das Hauptmahl. Wir müssen uns stärken: – auf morgen.«


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