Gerhart Hauptmanns Werke in Einzelausgaben

(Klas Olfers kommt.)

(Klas Olfers kommt.)

Klas Olfers:

(schon aus einiger Entfernung):

(schon aus einiger Entfernung):

't gibt Sturm, Herrschaft. Is Herr Moaler Schilling hier bei Sie, meine Hern?

Mäurer:

Gott sei's geklagt, da können wir leider nicht mit Ja antworten. Mensch, schlag mich tot, ich kann das nicht in meinen Hirnkasten kriegen, daß es da wirklich keinen Ausweg geben soll.

Rasmussen:

Ich denke, das ist doch'n Ausweg, Ottfried.

Klas Olfers:

Herr Schilling is nich tu Hus. Hei is heidi up und davon loopen.

Mäurer:

Mein braver Herr Olfers, Sie täuschten sich.

Klas Olfers:

In goar keenen Fall, ich täusche mich nich, Herr Professor; 's Bett is leer, wir suchen em und wi finden em nich.

Rasmussen:

Weit kann er gar nicht gegangen sein. Vielleicht hat er sich auf den Flur geschleppt und wird möglicherweise in einem Ihrer leeren Zimmer liegen.

Klas Olfers:

Nee, is nich! Ick und Frau Elias, wi hoaben oalle Zimmer bis unner de Betten abgesucht. Hei is fort! Hei is gegen den Strand hin loopen!

Mäurer

(ruft durch die hohlen Hände):

(ruft durch die hohlen Hände):

Schilling! Schilling!

Rasmussen:

Kinder, da müssen wir allerdings stramm suchen gehn. Es ist gar nicht unmöglich, daß er hier draußen irgendwo halb oder ganz bewußtlos liegt. Er kann die Nacht durch hier draußen nicht liegen bleiben.

Mäurer

(wie vorher):

(wie vorher):

Schilling! Schilling!

Rasmussen:

Ich glaube schwerlich, daß er dich hört.

Schuckert mit zwei anderen Fischern kommt. Schuckert trägt eine brennende Laterne.

Schuckert mit zwei anderen Fischern kommt. Schuckert trägt eine brennende Laterne.

Klas Olfers:

Na, Schuckert, wat is?

Schuckert:

Wi hewen nix funden. Wi hewen binoah den ganzen Strand bis Grobe hin abgesucht.

Klas Olfers:

Und da häbt jie nix von dem Moaler Schilling, ock in den Dünen nich, gespürt?

Schuckert:

Nich an Strand unten und ock nich in den Dünen.(Er schreit durch die Hände):Ahoi! Ahoi!

(Fischer rechts am Strande antworten.)

(Fischer rechts am Strande antworten.)

Die Fischer:

Ahoi! Ahoi!

Schuckert:

Häbt jie wat funden?

Die Fischer

(rufen zurück):

(rufen zurück):

Nä, wi nich!

Mäurer:

Wer kommt denn dort?

Der Wind bricht los mit gesteigerter Heftigkeit. Alle können nur mühsam gegen ihn ankämpfen. Lucie kommt.

Der Wind bricht los mit gesteigerter Heftigkeit. Alle können nur mühsam gegen ihn ankämpfen. Lucie kommt.

Lucie:

Famos, Ottfried, daß Schilling doch seinen Sturm noch kriegt!

Mäurer:

Wir sind auf der Suche nach Schilling, Lucie! Schilling ist nämlich aus dem Bett gestiegen und hat sich leise davongemacht.

Rasmussen:

Wir wollen mal überlegen, Kinder!

Lucie

(spontan):

(spontan):

Flucht! begreiflicherweise Flucht! — Dann ist das doch Hanna Elias gewesen. Es schreit nämlich eine weibliche Stimme dort unten in der Nähe, wo Fischer Kummer wohnt, fortwährend mit einigen Leuten herum.

Mäurer:

Schusterchen, geh und such sie auf. Gib mal acht: du hast die Aufgabe, sie möglichst von Schilling fernzuhalten.

Der Tischler Kühn tritt aus der Dunkelheit heran.

Der Tischler Kühn tritt aus der Dunkelheit heran.

Kühn:

Suchen Sie den Herrn Maler Schilling, meine Herrn?

Mäurer:

Jawohl, jawohl!

Kühn:

Herr Schilling ist eben, vor eene kleene Viertelstunde erst, hier gewesen.

Mäurer:

Wo ist er gewesen?

Kühn:

Hier, meine Herren.

Mäurer:

Täuschen Sie sich da etwa nicht, Meister?

Kühn:

Ich hab sojar jesprochen mit ihm.

Mäurer:

Was haben Sie denn mit ihm gesprochen?

Kühn:

So allerhand! Und dann ooch was, was mir jetzt erst uf die Seele gefallen ist. Ich sollte gehn und sollte Ihnen sagen, daß Herr Schilling baden gegangen is!

Klas Olfers:

Nanu, Schuckert, nu woll wi den Schuppen ufmaken! Nu woll wi dat kleene Boot flottmachen.Komm man fix. Hast du den Slissel mitbrockt, Tjung?

Schuckert:

Tja, Klas Olfers, ick hebb em all.

Schuckert verschwindet hinter dem Schuppen, man hört den großen Schlüssel knarren und danach das große Tor aufgähnen.

Schuckert verschwindet hinter dem Schuppen, man hört den großen Schlüssel knarren und danach das große Tor aufgähnen.

Rasmussen:

Herr Olfers, ich werde mit ins Boot steigen.(Zu Mäurer):Es ist tatsächlich nicht ausgeschlossen, daß Schilling in seiner Wassergier noch mal hinausgeschwommen ist.

Er läuft mit Klas Olfers und den anderen Leuten hinter den Schuppen, von wo man hört, wie alle zusammen das kleine Rettungsboot herausschaffen. Zuweilen dringt das dumpfe Poltern der Ruder durch den zunehmenden Wind. Das Meer beginnt stärker zu rauschen.

Er läuft mit Klas Olfers und den anderen Leuten hinter den Schuppen, von wo man hört, wie alle zusammen das kleine Rettungsboot herausschaffen. Zuweilen dringt das dumpfe Poltern der Ruder durch den zunehmenden Wind. Das Meer beginnt stärker zu rauschen.

Lucie:

Ich suche Hanna Elias auf.

Mäurer:

Wart mal! Wenn der arme Kerl wirklich mit Selbstmordgedanken etwa hinausgeschwommen ist, und ihn draußen womöglich Reue anwandelt ... Komm, wir machen ein Feuer an.

Lucie:

Die Pechpfanne brennt ja schon vor dem Schuppen.

Das rote Licht der Pechpfanne und beleuchteter Rauch dringen hinterm Schuppen hervor. Mehr und mehr Fischerweiber und Kinder kommen, in den Wind schwatzend und schreiend, aus der Dunkelheit. Sie fragen einander, dringen auf die Männer ein, um zu erfahren, was los ist; diese aber scheinen wortkarg nur damit beschäftigt, das Boot klarzumachen. Die Jungen klettern auf das umgestülpte Boot auf der Düne; einige die Strickleiter am Signalmast empor. Das Boot ist inzwischen ins Wasser gebracht.

Das rote Licht der Pechpfanne und beleuchteter Rauch dringen hinterm Schuppen hervor. Mehr und mehr Fischerweiber und Kinder kommen, in den Wind schwatzend und schreiend, aus der Dunkelheit. Sie fragen einander, dringen auf die Männer ein, um zu erfahren, was los ist; diese aber scheinen wortkarg nur damit beschäftigt, das Boot klarzumachen. Die Jungen klettern auf das umgestülpte Boot auf der Düne; einige die Strickleiter am Signalmast empor. Das Boot ist inzwischen ins Wasser gebracht.

Mäurer

(zu den Leuten, die ihn bestürmen):

(zu den Leuten, die ihn bestürmen):

Ich weiß nicht! Ich kann keine Auskunft geben! — Ich weiß nicht! — Ich weiß nicht! — Es tut mir leid!

Hanna Elias, in aufgelöstem Zustande, dringt durch die Menge hervor.

Hanna Elias, in aufgelöstem Zustande, dringt durch die Menge hervor.

Hanna:

Herr Professor Mäurer, ist er gefunden?

Mäurer:

Nein. Eben erst ist das Boot flottgemacht.

Hanna:

Er ist immer noch nicht gefunden?

Mäurer:

Nein.

Hanna:

Ich will mit ins Boot, ich muß mit hinausfahren.

Sie reißt sich los und eilt fliegenden Haares gegen das Boot hinunter.

Sie reißt sich los und eilt fliegenden Haares gegen das Boot hinunter.

Lucie:

Ich weiß nicht, ich kann ihr nicht böse sein!

Mäurer:

Wie denkst du? Wollen wir uns auch anschließen?

Lucie:

Sieh mal, wie das gespenstisch ist! Das ganze Meer sieht wie Steinkohle aus! Und es wirft schon wieder ziemliche Schaumkämme.

Mäurer:

Auch förmlich wie gelber Steinkohlenschaum.

Lucie:

Schön! Und sieh mal im nassen Sande die gelben Reflexe.

Mäurer:

Ja, gelb und dahinter purpurrot! — Sag mal, du bist ja so ruhig, Schusterchen.

Lucie:

Ich weiß nicht, seit der Wind so auffrischt, kommt so ein neues, frisches, freies Gefühl über mich. — Ich glaube nämlich ... jetzt ist er für ewig geborgen!

Mäurer:

Hast du Schilling gern gehabt?

Lucie

(zu ihm aufblickend):

(zu ihm aufblickend):

Nicht so, wie dich!

Mäurer:

Wollen wir immer beisammen bleiben?

Lucie

(fatalistisch):

(fatalistisch):

So lange es dauert in dieser Welt. — Still! Sie rufen dort unten so unheimlich!

Mäurer:

Am Ende ist er gefunden. Komm!

Lucie:

Nein, Ottfried, ich gehe nicht mit.

Mäurer:

Warum nicht?

Lucie:

Ich mag nicht! Ich kann das nicht. Wenn Schilling wirklich geflohen ist ... nein, nicht mehr ... nicht mehr wie die Jagdhunde nachlaufen.

Mäurer:

Gut. Amen.

Lucie

(schnell):

(schnell):

Wahrhaftig, sie bringen ihn.

Dunkle Gestalten werden sichtbar, Fischer, die eine Bahre tragen, auf der Schilling tot liegt. Fischerweiber und Kinder folgen. Rasmussen geht neben der Bahre. Der Zug bewegt sich schweigend, hinter dem Schuppen hervor, unter dem Gallion vorüber, nach links vorbei. Lucie und Mäurer blicken Hand in Hand von einem erhöhten Standpunkt auf ihn herunter. Etwas Lautloses, Unwirkliches liegt in dem Vorgang.

Dunkle Gestalten werden sichtbar, Fischer, die eine Bahre tragen, auf der Schilling tot liegt. Fischerweiber und Kinder folgen. Rasmussen geht neben der Bahre. Der Zug bewegt sich schweigend, hinter dem Schuppen hervor, unter dem Gallion vorüber, nach links vorbei. Lucie und Mäurer blicken Hand in Hand von einem erhöhten Standpunkt auf ihn herunter. Etwas Lautloses, Unwirkliches liegt in dem Vorgang.

Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig.

Geheftet 24 Mark, in Halbpergament gebunden 30 Mark, in Ganzpergament 36 Mark.

1. Band: Soziale Dramen: Einleitung — Vor Sonnenaufgang — Die Weber — Der Biberpelz — Der rote Hahn.

2. Band: Soziale Dramen u. Prosa: Fuhrmann Henschel — Rose Bernd — Bahnwärter Thiel — Der Apostel.

3. Band: Familiendramen: Das Friedensfest — Einsame Menschen — Kollege Crampton — Michael Kramer.

4. Band: Märchendramen: Hanneles Himmelfahrt — Die versunkene Glocke — Der arme Heinrich.

5. Band: Historische Dramen: Florian Geyer.

6. Band: Märchendramen und Fragmentarisches: Elga — Schluck und Jau — Und Pippa tanzt — Helios — Das Hirtenlied.

Niemand wird das tiefgewurzelte Gefühl der Dankbarkeit in uns zerstören können, daß diese Werke da sind. Als Ausdruck des dichterischen Geistes unserer Tage — sei er nun groß oder klein, doch er ist unser — sind und bleiben sie uns Deutschen kostbar. Deutsch sind sie bis ins Letzte, voll keuscher Beseeltheit, voll inniger Fülle. Diesfühlenwir auch jenseits alles Urteilens und Verstehens. Und darumliebenwir, wir können gar nichts anders. (Neue Freie Presse, Wien)

Niemand wird das tiefgewurzelte Gefühl der Dankbarkeit in uns zerstören können, daß diese Werke da sind. Als Ausdruck des dichterischen Geistes unserer Tage — sei er nun groß oder klein, doch er ist unser — sind und bleiben sie uns Deutschen kostbar. Deutsch sind sie bis ins Letzte, voll keuscher Beseeltheit, voll inniger Fülle. Diesfühlenwir auch jenseits alles Urteilens und Verstehens. Und darumliebenwir, wir können gar nichts anders. (Neue Freie Presse, Wien)

Anmerkungen zur Transkription:Folgende Korrekturen wurden vorgenommen:"d'hote" in "d'hôte" geändert."Eunosthus" in "Eunostus" geändert."Kreuzeretüden" in "Kreutzeretüden" geändert.Folgende Schreibweisen wurden nicht geändert, da sie früher gebräuchlich waren:Gallion, GallionfigurGehörstäuschunghellichtenHollunderstrauchMöve, Seemöveunstät, UnstätesIn der wörtlichen Rede sind Worte so geschrieben, wie sie gesprochen werden, ohne Auslassungszeichen zu verwenden. Das ist so beibehalten worden, wie beispielsweise:altbacknen ander anziehn ausruhn begehn bescheidnes bitt bittren borg dacht eignes entgegengehn erheb fühl geborner gehn gehts geschehn gesehn grad gratulier häng hätt heut hinübergehn jag kenn konnt kriech leb lieg möcht nehm nich offne red Ruhn seh sehn stehn stehts überm unbescheidnen verzeihn wackren werd Wiedersehn wirs wünsch zuhausFolgende Schreibweisen wurden uneinheitlich belassen:"Ku ui", "Kuui" und "Ku u i"Folgende Schreibweisen wurden zu der meist gebrauchten Schreibweise vereinheitlicht:"Jaketts" (getrennt als Ja-ketts geschrieben) zu "Jacketts"An folgenden Stellen wurde die Interpunktion geändert:... von der Mauer nach außen. Lucie läuft ... (Punkt eingefügt)... solche Anfälle, wie den gestrigen, schon früher gehabt? (2. Komma eingefügt)Die folgenden Sätze wurden geändert, der ersetzte Buchstabe als Setzfehler gewertet:wenn wir mal ne Erinnerung über die Leber lauft (Original)wenn mir mal ne Erinnerung über die Leber läuft (Transskript)Die folgenden Sätze wurden geändert, die falsche Grammatik erlaubte kein flüssiges Lesen der Textstellen:Warum lebst du denn hier mit deine Freunde? (Original)Warum lebst du denn hier mit deinen Freunden? (Transskript)(Original) krankhafte Märchen, ausgebrütet von eine sich beleidigt glaubenden Frau, (Transskript) krankhafte Märchen, ausgebrütet von einer sich beleidigt glaubenden Frau,

Folgende Korrekturen wurden vorgenommen:

Folgende Schreibweisen wurden nicht geändert, da sie früher gebräuchlich waren:

In der wörtlichen Rede sind Worte so geschrieben, wie sie gesprochen werden, ohne Auslassungszeichen zu verwenden. Das ist so beibehalten worden, wie beispielsweise:

altbacknen ander anziehn ausruhn begehn bescheidnes bitt bittren borg dacht eignes entgegengehn erheb fühl geborner gehn gehts geschehn gesehn grad gratulier häng hätt heut hinübergehn jag kenn konnt kriech leb lieg möcht nehm nich offne red Ruhn seh sehn stehn stehts überm unbescheidnen verzeihn wackren werd Wiedersehn wirs wünsch zuhaus

Folgende Schreibweisen wurden uneinheitlich belassen:

Folgende Schreibweisen wurden zu der meist gebrauchten Schreibweise vereinheitlicht:

An folgenden Stellen wurde die Interpunktion geändert:

... von der Mauer nach außen. Lucie läuft ... (Punkt eingefügt)

... solche Anfälle, wie den gestrigen, schon früher gehabt? (2. Komma eingefügt)

Die folgenden Sätze wurden geändert, der ersetzte Buchstabe als Setzfehler gewertet:

Die folgenden Sätze wurden geändert, die falsche Grammatik erlaubte kein flüssiges Lesen der Textstellen:

(Original) krankhafte Märchen, ausgebrütet von eine sich beleidigt glaubenden Frau, (Transskript) krankhafte Märchen, ausgebrütet von einer sich beleidigt glaubenden Frau,


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