The Project Gutenberg eBook ofGeschichte Alexanders des GrossenThis ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online atwww.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook.Title: Geschichte Alexanders des GrossenAuthor: Johann Gustav DroysenRelease date: December 6, 2007 [eBook #23756]Language: GermanCredits: Produced by Inka Weide, Wolfgang Menges, Markus Brennerand the Online Distributed Proofreading Team athttp://www.pgdp.net*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK GESCHICHTE ALEXANDERS DES GROSSEN ***
This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online atwww.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook.
Title: Geschichte Alexanders des GrossenAuthor: Johann Gustav DroysenRelease date: December 6, 2007 [eBook #23756]Language: GermanCredits: Produced by Inka Weide, Wolfgang Menges, Markus Brennerand the Online Distributed Proofreading Team athttp://www.pgdp.net
Title: Geschichte Alexanders des Grossen
Author: Johann Gustav Droysen
Author: Johann Gustav Droysen
Release date: December 6, 2007 [eBook #23756]
Language: German
Credits: Produced by Inka Weide, Wolfgang Menges, Markus Brennerand the Online Distributed Proofreading Team athttp://www.pgdp.net
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK GESCHICHTE ALEXANDERS DES GROSSEN ***
Alexander
Verlags-Signet
Druckerei-Signet
Vorwort von Dr. Sven von HedinVIIEinleitung von Dr. Arthur RosenbergXIIIErstes BuchErstes Kapitel: Die Aufgabe — Der Gang der griechischen Entwicklung — König Philipp II. und dessen Politik — Der Korinthische Bund von 338 — Das Perserreich bis Dareios III.  3Zweites Kapitel: Das makedonische Land, Volk, Königtum — König Philipps II. innere Politik — Der Adel; der Hof — Olympias — Alexanders Jugend — Zerwürfnis im Königshause. Attalos — Philipps II. Ermordung  66Drittes Kapitel: Gefahren von außen — Der Zug nach Griechenland 336 — Erneuerung des Bundes von Korinth — Das Ende des Attalos — Die Nachbarn im Norden — Feldzug nach Thrakien, an die Donau, gegen die Illyrier — Zweiter Zug nach Griechenland — Zerstörung Thebens — Zweite Erneuerung des Bundes von Korinth  91Zweites BuchErstes Kapitel: Die Vorbereitungen zum Kriege — Das Münzwesen — Die Bundesverhältnisse des Königtums — Die Armee — Übergang nach Asien — Schlacht am Granikos — Okkupation der Westküste Kleinasiens — Eroberung von Halikarnaß — Zug durch Lykien, Pamphylien, Pisidien — Organisation der neuen Gebiete  125Zweites Kapitel: Persische Rüstungen — Die persische Flotte unter Memnon und die Griechen — Alexanders Marsch über den Taurus — Okkupation Ciliciens — Schlacht bei Issos — Das Manifest — Aufregung in Hellas — Die Belagerung von Tyrus — Die Eroberung Gazas — Okkupation Ägyptens  192Drittes Kapitel: Die persischen Rüstungen — Alexanders Marsch nach Syrien, über den Euphrat, nach dem Tigris. Schlacht bei Gaugamela — Marsch nach Babylon — Besetzung von Susa — Brand von Persepolis  248Viertes Kapitel: Aufbruch aus Persepolis — Dareios' Rückzug aus Ekbatana — Seine Ermordung — Alexander in Parthien und Hyrkanien — Das Unternehmen Zopyrions, Empörung Thrakiens, Schilderhebung des Agis, seine Niederlage, Beruhigung Griechenlands  295Drittes BuchErstes Kapitel: Verfolgung des Bessos — Aufstand in Areia — Marsch des Heeres nach Süden, durch Areia, Drangiana, Arachosien, bis zum Südabhang des indischen Kaukasus — Der Gedanke Alexanders und Aristoteles' Theorie — Die entdeckte Verschwörung — Die neue Heeresorganisation  323Zweites Kapitel: Alexander nach Baktra — Verfolgung des Bessos, dessen Auslieferung — Zug gegen die Skythen am Jaxartes — Empörung in Sogdiana — Bewältigung der Empörer — Winterrast in Zariaspa — Zweite Empörung der Sogdianer — Bewältigung — Rast in Marakanda — Kleitos' Ermordung — Einbruch der Skythen nach Zariaspa. Winterrast in Nautaka — Die Burgen der Hyparchen — Vermählung mit Roxane — Verschwörung der Edelknaben — Kallisthenes' Strafe  347Drittes Kapitel: Das indische Land — Die Kämpfe diesseits des Indus — Der Übergang über den Indus — Zug nach dem Hydaspes — Der Fürst von Taxila — Krieg gegen den König Poros — Schlacht am Hydaspes — Kämpfe gegen die freien Stämme — Das Heer am Hyphasis — Umkehr  393Viertes Kapitel: Die Rückkehr — Die Flotte auf dem Akesines — Der Kampf gegen die Maller — Alexander in Lebensgefahr — Die Kämpfe am unteren Indus — Abmarsch des Krateros — Die Kämpfe im Indusdelta — Alexanders Fahrt in den Ozean — Sein Abmarsch aus Indien  448Viertes BuchErstes Kapitel: Der Abmarsch — Kämpfe im Lande der Oreiten — Zug des Heeres durch die Wüste Gedrosiens — Ankunft der Reste des Heeres in Karmanien — Nearchos in Harmozia — Zerrüttung im Reich — Strafgerichte — Rückkehr nach Persien — Zweite Flucht des Harpalos — Die Hochzeitfeier in Susa — Neue Organisation des Heeres — Aufbruch nach Opis  485Zweites Kapitel: Der Soldatenaufruhr in Opis — Zurücksendung der Veteranen — Zersetzung der Parteien in Athen — Befehl zur Rückkehr der Verbannten — Harpalos' Umtriebe in Athen, der harpalische Prozeß — Die innere Politik Alexanders und ihre Wirkungen  516Drittes Kapitel: Alexanders Zug nach Medien — Hephaistions Tod — Kampf gegen die Kossaier — Rückkehr nach Babylon — Gesandtschaften — Aussendungen ins südliche Meer, Rüstungen, neue Pläne — Alexanders Krankheit — Sein Tod  558Anmerkungen587Personen- und Sachregister597Verdeutschung der Fachausdrücke im makedonischen Heer615Stammbaum Alexanders des Großen616
Vorwort von Dr. Sven von HedinVII
Einleitung von Dr. Arthur RosenbergXIII
Erstes Kapitel: Die Aufgabe — Der Gang der griechischen Entwicklung — König Philipp II. und dessen Politik — Der Korinthische Bund von 338 — Das Perserreich bis Dareios III.  3
Zweites Kapitel: Das makedonische Land, Volk, Königtum — König Philipps II. innere Politik — Der Adel; der Hof — Olympias — Alexanders Jugend — Zerwürfnis im Königshause. Attalos — Philipps II. Ermordung  66
Drittes Kapitel: Gefahren von außen — Der Zug nach Griechenland 336 — Erneuerung des Bundes von Korinth — Das Ende des Attalos — Die Nachbarn im Norden — Feldzug nach Thrakien, an die Donau, gegen die Illyrier — Zweiter Zug nach Griechenland — Zerstörung Thebens — Zweite Erneuerung des Bundes von Korinth  91
Erstes Kapitel: Die Vorbereitungen zum Kriege — Das Münzwesen — Die Bundesverhältnisse des Königtums — Die Armee — Übergang nach Asien — Schlacht am Granikos — Okkupation der Westküste Kleinasiens — Eroberung von Halikarnaß — Zug durch Lykien, Pamphylien, Pisidien — Organisation der neuen Gebiete  125
Zweites Kapitel: Persische Rüstungen — Die persische Flotte unter Memnon und die Griechen — Alexanders Marsch über den Taurus — Okkupation Ciliciens — Schlacht bei Issos — Das Manifest — Aufregung in Hellas — Die Belagerung von Tyrus — Die Eroberung Gazas — Okkupation Ägyptens  192
Drittes Kapitel: Die persischen Rüstungen — Alexanders Marsch nach Syrien, über den Euphrat, nach dem Tigris. Schlacht bei Gaugamela — Marsch nach Babylon — Besetzung von Susa — Brand von Persepolis  248
Viertes Kapitel: Aufbruch aus Persepolis — Dareios' Rückzug aus Ekbatana — Seine Ermordung — Alexander in Parthien und Hyrkanien — Das Unternehmen Zopyrions, Empörung Thrakiens, Schilderhebung des Agis, seine Niederlage, Beruhigung Griechenlands  295
Erstes Kapitel: Verfolgung des Bessos — Aufstand in Areia — Marsch des Heeres nach Süden, durch Areia, Drangiana, Arachosien, bis zum Südabhang des indischen Kaukasus — Der Gedanke Alexanders und Aristoteles' Theorie — Die entdeckte Verschwörung — Die neue Heeresorganisation  323
Zweites Kapitel: Alexander nach Baktra — Verfolgung des Bessos, dessen Auslieferung — Zug gegen die Skythen am Jaxartes — Empörung in Sogdiana — Bewältigung der Empörer — Winterrast in Zariaspa — Zweite Empörung der Sogdianer — Bewältigung — Rast in Marakanda — Kleitos' Ermordung — Einbruch der Skythen nach Zariaspa. Winterrast in Nautaka — Die Burgen der Hyparchen — Vermählung mit Roxane — Verschwörung der Edelknaben — Kallisthenes' Strafe  347
Drittes Kapitel: Das indische Land — Die Kämpfe diesseits des Indus — Der Übergang über den Indus — Zug nach dem Hydaspes — Der Fürst von Taxila — Krieg gegen den König Poros — Schlacht am Hydaspes — Kämpfe gegen die freien Stämme — Das Heer am Hyphasis — Umkehr  393
Viertes Kapitel: Die Rückkehr — Die Flotte auf dem Akesines — Der Kampf gegen die Maller — Alexander in Lebensgefahr — Die Kämpfe am unteren Indus — Abmarsch des Krateros — Die Kämpfe im Indusdelta — Alexanders Fahrt in den Ozean — Sein Abmarsch aus Indien  448
Erstes Kapitel: Der Abmarsch — Kämpfe im Lande der Oreiten — Zug des Heeres durch die Wüste Gedrosiens — Ankunft der Reste des Heeres in Karmanien — Nearchos in Harmozia — Zerrüttung im Reich — Strafgerichte — Rückkehr nach Persien — Zweite Flucht des Harpalos — Die Hochzeitfeier in Susa — Neue Organisation des Heeres — Aufbruch nach Opis  485
Zweites Kapitel: Der Soldatenaufruhr in Opis — Zurücksendung der Veteranen — Zersetzung der Parteien in Athen — Befehl zur Rückkehr der Verbannten — Harpalos' Umtriebe in Athen, der harpalische Prozeß — Die innere Politik Alexanders und ihre Wirkungen  516
Drittes Kapitel: Alexanders Zug nach Medien — Hephaistions Tod — Kampf gegen die Kossaier — Rückkehr nach Babylon — Gesandtschaften — Aussendungen ins südliche Meer, Rüstungen, neue Pläne — Alexanders Krankheit — Sein Tod  558
Anmerkungen587
Personen- und Sachregister597
Verdeutschung der Fachausdrücke im makedonischen Heer615
Stammbaum Alexanders des Großen616
Karte
Die erste Auflage von J. G. Droysens »Geschichte Alexanders des Großen« erschien im Jahre 1833 und erwies sich von vornherein als eine derjenigen seltenen und ausgezeichneten historischen Veröffentlichungen, die lange Jahre hindurch ihren Wert unverändert beibehalten. Im Jahre 1898 kam eine fünfte Auflage heraus. Jetzt, da diese wertvolle Arbeit zum sechsten Male der Öffentlichkeit übergeben wird, sind seit ihrem ersten Erscheinen 84 Jahre vergangen.
Daß eine historische Arbeit während so langer Zeit ihre hohe Rangstufe hat behaupten können, beruht ohne Zweifel zum großen Teil auf der Natur ihres Quellenmaterials. Die Schicksale Alexanders sind von seinen klassischen Geschichtschreibern geschildert worden, und innerhalb der von diesen gezogenen Grenzen mußte der moderne Forscher sich bewegen. Jedoch schließt das nicht aus, daß sich in den letzten Jahren neues Licht über viele Einzelheiten verbreitet hat. Die von Alexander durchzogenen Gebiete von West-Asien sind heute unvergleichlich viel besser bekannt, als zur Zeit Droysens, und man hat deshalb jetzt die Spuren des makedonischen Königs weit besser verfolgen können, als ehedem. An der Hand der vorhandenen genauen Karten vom Hindukusch, hat man bezüglich der Pässe, über die Alexander seine Heere geführt hat, seine Schlüsse ziehen können. Wiederholtsind neue Beiträge zur Kenntnis seiner Märsche gegeben worden und nicht zum wenigsten haben deutsche Forscher dazu beigetragen.
Alexanders Feldzug gehört zu den glänzendsten Taten der Kriegsgeschichte, und kaum irgendeiner der großen Namen der alten Zeit ist von solchem Glanz umstrahlt wie der seine. Jahrtausende haben nicht vermocht, seinen Ruhm erblassen zu lassen. Über seine Eigenschaften als Feldherr sagt Hans Delbrück in seiner Geschichte der Kriegskunst (II, 227): »Alexander war nicht nur ein großer Feldherr, sondern auch ein Feldherr im großen Stil. Aber er war noch mehr. Er nimmt dadurch eine einzigartige Stellung ein, daß er den welterobernden Strategen und den unübertroffenen, tapferen, ritterlichen Vorkämpfer in einer Person vereinigt. Kunstvoll führt er das Heer an den Feind heran, überwindet Geländehindernisse, läßt es aus Engpässen aufmarschieren, kombiniert die verschiedenen Waffen je nach den verschiedenen Umständen verschieden von stärkster Gesamtwirkung, sichert strategisch seine Basis und seine Verbindungen, sorgt für die Verpflegung, wartet ab, bis die Vorbereitungen und Rüstungen vollendet sind, stürmt vorwärts, verfolgt nach dem Siege bis zur äußersten Erschöpfung der Kräfte, und derselbe Mann kämpft in jedem Gefecht an der Spitze seiner Ritterschaft mit Speer und Schwert, dringt an der Spitze der Sturmkolonne in die Bresche oder überspringt als erster die feindliche Mauer.«
Nicht nur Europa ist es, das seinem Namen Bewunderung zollt. Auch im westlichen Asien, das so reich an sagen- und legendenhaften Gestalten ist, lebt seine Erinnerung noch fort. Wie oft hört man nicht in Turkestan geographische Namen, wie Iskender-tagh, Iskender-kul oder andere Gegenstände als Berge und Seen, die mit seinem Namen verknüpft sind. Oberhalb Babylon gibt eseinen Kanal, der noch seinen Namen trägt, Nahr Iskenderije. In Unkenntnis betreffend den Platz, wo er starb, und die Stelle, wohin seine Leiche übergeführt wurde, machen verschiedene Orte in Zentralasien darauf Anspruch, seine irdische Hülle zu bergen. Im Jahre 1890 besuchte ich in Margelan ein »Gur-i-Iskender Bek« oder Alexanders Grab. Die Margelan-Bewohner waren stolz darauf, dieses Grab zu besitzen. Auf dem in ihrer Einbildung bemerkenswerten Platz erhob sich eine kleine Moschee, auf deren Mauer eine Inschrift bekundete, daß der Zar die Mittel zur Wiederherstellung der Grabmoschee bewilligt hatte. Mitten auf dem Hofe sah man einen großen gemauerten Grabstein, unter welchem der Heldenkönig angeblich ruht.
Auch andere als Geschichtsforscher haben Grund, sich in das Studium des Feldzuges Alexanders zu vertiefen. So habe ich z. B. in meinem Buche »Über Land nach Indien« (II, 200) an der Hand der Schilderungen, die wir über Alexanders Feldzug durch das südliche Belutschistan besitzen, zu beweisen versucht, daß das Klima in diesem Teil von Asien seit jener Zeit keine nennenswerten Veränderungen aufzuweisen hat. Wenn man das erste Kapitel von Delbrücks Heereszahlen liest, fühlt man sich doch versucht, in Frage zu stellen, ob Alexander wirklich vermocht hat, mit 30 bis 40 000 Kämpfern, einer Anzahl, die Droysen ebenfalls anführt, nach Westen aufzubrechen.
Für einen Forschungsreisenden, der das Glück gehabt hat, bis zur Quelle des Indus vorzudringen, ist es von großem Interesse, Arrians Geschichte über Alexanders Vorstellungen über das Verhältnis des Indussystems zum Nil zu lesen. Der große Feldherr tritt hier auch als Entdeckungsreisender im großen Stil hervor, und es wird einem klar, daß auch die geographischen ProblemeGegenstand seiner Aufmerksamkeit waren. »Zwar hatte er früher in dem Indus, dem einzigen Flusse außer dem Nil, Krokodile gesehen, und an den Ufern des Acesines ebensolche Bohnen, wie sie der Boden Ägyptens hervorbringt, und zudem gehört, daß der Acesines sich in den Indus ergieße, und bildete sich nun ein, die Quellen des Nils aufgefunden zu haben: der Nil, glaubte er nämlich, entspringe hier irgendwo in Indien, durchströme hierauf viel ödes Land und verliere daselbst seinen Namen Indus; wo er sodann seinen Lauf wieder durch bewohntes Land fortsetze, werde er nun von den Äthiopen jener Gegend und den Ägyptern Nil genannt, — wie ihm auch Homer nach dem Lande Ägyptos den Namen Ägyptos beigelegt habe — und ergieße sich dann endlich in das Mittelmeer. Und demgemäß habe er auch in einem Briefe an die Olympias neben anderen Nachrichten über das indische Land ihr geschrieben, daß er die Quellen des Nil glaube aufgefunden zu haben, wobei er freilich seine Schlüsse in einer so wichtigen Sache auf recht unbedeutende und nichtssagende Beweisgründe stützte. Als er sich jedoch genauer über den Fluß Indus erkundigt, habe er von den Eingeborenen erfahren: der Hydaspes fließe in den Acesines, der Acesines in den Indus, und beide geben an diesen ihren Namen ab; der Indus dagegen ergieße sich in das große Meer, und zwar in zwei Mündungen, ohne in irgendeiner Verbindung mit Ägypten zu stehen. Darauf habe er im Briefe an seine Mutter die Nachricht über den Nil wieder getilgt«....
Da er also anfänglich in dem Glauben lebte, daß er die Quelle des Nils entdeckt hätte (Nili se caput reperisse arbitrabatur), aber nachher erfuhr, daß er es nur mit dem Indus zu tun hatte, muß er seine Fahrt abwärts dieses Flusses, in der Annahme, dessen Quelle entdeckt zu haben, begonnen haben. Denn daß er davonüberzeugt war, sich in unmittelbarer Nähe der Quelle befunden zu haben, geht sowohl aus Arrian als aus Strabo hervor, von denen letzterer vom Aornus sagt:cujus radices Indus non procul a fonte suo alluit. Um ausfindig machen zu können, was die alten Geographen unter »Indus-Quelle« verstanden, wäre es von Wert gewesen, zu erfahren, wo Aornus lag. Aller Wahrscheinlichkeit nach glaubte man, daß die Quelle gerade an dem Punkt gelegen war, wo die gewaltige Wassermenge der Talmündung entströmte, hinter der nichts anders als hohe, unübersteigbare Berge sichtbar waren. Noch vor 250 Jahren wurde die Hydrographie des Himalaja in dieser Weise dargestellt; man konnte ja auch nichts anderes erwarten, da das ganze Bergland im Norden eine vollständigeTerra incognitawar.
Droysens Arbeit über Alexander gehört zu den Büchern, die ich stets nahe zur Hand habe und zu denen ich immer gleich gerne zurückkehre. Die am meisten sagenähnliche Epoche im Leben des Heldenkönigs spielt sich ja auf dieser alten asiatischen Erde, wo ich dreizehn glückliche Jahre verbracht habe, ab. Einzig und allein dieser Umstand erklärt es, daß ich dazu aufgefordert wurde, zu dieser neuen Auflage von Droysens Buch über Alexanders Leben ein Vorwort zu schreiben. Noch im Sommer 1916 hatte ich Gelegenheit, mich seines Namens zu erinnern, als ich in Begleitung des Professors Koldewey die Ruinen Babylons durchwanderte. Wir kamen damals auch zu den Überresten von Emach, Ninmachs Tempel, von denen Koldewey annimmt, daß es hier war, wo Alexander, auch während seiner letzten Krankheit, seine täglichen Opfer darbrachte. (Vergleiche auch Koldewey: Die Tempel von Babylon und Borsippa, Leipzig 1911, Seite 17.)
In Hindenburgs Vaterland, in diesem Deutschland, das mit unsterblichem Ruhm seinen Kampf fast gegen die ganze übrige Welt auskämpft, wird Makedoniens König, Asiens Eroberer zahlreichere Freunde und Bewunderer finden, als jemals zuvor.
Stockholm, 28. März 1917.  Sven Hedin
Droysens Buch über Alexander den Großen gehört unstreitig zu den klassischen Werken der deutschen historischen Prosa: die Gediegenheit der Forschungen, die Tiefe der Auffassung, die Frische des Stils, wie sie in dem Buche zutage treten, berechtigen zu diesem Urteil. »Droysens Verständnis für den idealen Gehalt der Vergangenheit, seine lebhafte Auffassung historischer Charaktere und seine Anlage für deren Vergegenwärtigung trafen mit der Lehre Hegels von der Verkörperung der großen, weltbewegenden Ideen in den Heroen der Geschichte zusammen. Diesem Zusammentreffen ist Droysens erste historische Arbeit, sein Alexander von Makedonien entsprungen«, schreibt Max Duncker in seiner trefflichen, unmittelbar nach dem Tode des Forschers verfaßten biographischen Skizze. Man muß freilich gestehen, daß die allgemeinen Prinzipien der heutigen historischen Wissenschaft nicht mehr die gleichen sind wie die des jungen Droysen. Was wir heute suchen, ist nicht der »ideale Gehalt der Vergangenheit«, sondern einfach die Vergangenheit an sich, und unser Urteil über geschichtliche Persönlichkeiten ist von der Lehre Hegels nicht mehr beeinflußt. Indessen, in der Praxis der historischen Arbeit verfuhr Droysen durchaus modern. Das Ideale der antiken Geschichte sucht er niemals durch Schönfärberei oder willkürliche Auswahl der überlieferten Tatsachen zu gewinnen, sondern in streng kritischer, voraussetzungsloser Untersuchung der Tradition will Droysen sich das Bild des griechischen Staates und seiner Leistungen schaffen: wenn dieses Bild dann groß und erhaben wirkt, und vorbildlich für die eigene Zeit, so ist das für den Geschichtschreiber erfreulich, aber es belastet das Gewissen des Gelehrten nicht. Was den zweiten Punkt betrifft, so kommt es ja tatsächlich oftmals vor, daß die großen politischen Gedanken der Völker in einzelnen Männern gewissermaßen Fleisch und Blut gewinnen, von ihnen vollkommen erfaßt und in die Wirklichkeit umgesetzt werden. Es genügt hier, an den Gedanken der deutschen Einheit und an Bismarck zu erinnern. Aber so gewaltig Bismarcks Können und Wollen auch gewesen ist, er hätte sein Ziel nicht erreicht, wenn ihm das Schicksal nicht einen Monarchen an die Seite gestellt hätte, der ihn und seine Ideen verstand und es ihm möglich machte, sein Werk zu schaffen. Und wenn wir nicht nur an Bismarck, sondern auch an Kaiser Wilhelm I. denken, kommen wir zu einer rechten Würdigung des historischen Alexander so gut wie des Alexanderbildes von Droysen. So wenig auch äußerlich Wilhelm I. und Alexandros, der Sohn des Philippos, miteinander gemein haben, der schlichte, durch und durch solide, seinen Mitarbeitern unbedingt treue, norddeutsche Fürst, der im Bilde des Greises in der Nachwelt weiterlebt — und auf der anderen Seite der hochbegabte, aber theatralische Südländer, auf dessen Andenken es lastet, daß erseinenMoltke heimtückisch umbringen ließ, und den Roman und Legende durch zwei Jahrtausende zum Heldenjüngling gestaltet haben: die Jahrzehnte, in denen das deutsche Volk seine Einigung und Weltstellung gewann, stehen unter dem Zeichen Wilhelms I., und die Epoche, in der das hellenische Volk, frisch geeinigt, die Weltherrschaft eroberte, ist das Zeitalter Alexanders.
Droysen hat den König Alexander für einen ganz großen Menschen, für einen Genius ersten Ranges, gehalten. Die moderne Forschung ist zum Teil andere Wege gegangen. Es läßt sich, bei der Dürftigkeit des auf uns gekommenen authentischen Materials, nicht ganz sicher entscheiden, wer recht hat, ob Johann Gustav Droysen, oder — um gleich den Namen seines Antipoden zu nennen, Julius Beloch. Fest steht es, daß die hellenische Welteroberung zugleich eine Tat des Königs Alexander gewesen ist, daß sich die Entwicklung der Nation und das Leben des einen Mannes nicht trennen läßt.
Aber auch schon für Droysen selbst ist die Sache wichtiger gewesen als die Person: die Bedeutung Alexanders liegt für ihn darin, daß er das Ende einer Weltepoche bezeichnet, und den Anfang einer neuen. Diese neue Epoche bringt die »Verbreitung griechischer Herrschaft und Bildung über die Völker ausgelebter Kulturen«, mit einem Wort: die Entstehung des Hellenismus. Es bleibt für alle Zeiten eine wissenschaftliche Großtat Droysens, daß er, man kann wohl sagen, der Entdecker des Hellenismus geworden ist. Drei Jahre nach dem Erscheinen der Alexandergeschichte folgte ihre Fortsetzung, die Schilderung der Epoche der Diadochen (1836), 1843 schloß sich die Geschichte der nächsten Generation griechischer Herrscher, der sog. Epigonen an. In einer zweiten Auflage hat Droysen alle drei Bände als »Geschichte des Hellenismus« vereinigt (1877/78). Für den einseitigen Klassizismus hört das vorbildliche Griechentum mit Chaironeia und Demosthenes auf: was danach kommt, ist Entartung und Verfall. Tatsächlich ist es aber gerade die hellenistische Periode, in der das griechische Volk politisch die größten Erfolge gehabt hat, so daß man direkt berechtigt ist, von einer griechischen Weltherrschaft im Zeitalter des Hellenismus zu sprechen, und auch die kulturellen Schöpfungen dieser Epoche lassen sich aus der Entwicklung der abendländischen Menschheit nicht wegdenken. Droysen hat als erster durch ein großzügiges Geschichtswerk die welthistorische Bedeutung des Jahrhunderts von Alexander bis zur Intervention der Römer im Osten klargelegt, sowie den Zusammenhang der politischen Begebenheiten dieser Zeit mit glänzender Kombinationskraft aus der vielhaft trümmerhaften Überlieferung zu gewinnen gesucht.
Zur rechten Würdigung Alexanders und des Hellenismus waren freilich zwei Vorfragen zu lösen, die wieder untereinander eng zusammenhängen: es sind die Probleme der Nationalität der Makedonen, und der Politik des Demosthenes. In beiden Fragen hat Droysen den gleichen Standpunkt gewonnen, wie ihn im wesentlichen auch die neueste Forschung einnimmt. Freilich ist der Streit über beide Probleme noch nicht beendet. Die Frage, ob die Makedonen Griechen gewesen sind, oder nicht, istvon einschneidender Bedeutung: wenn ja, dann haben Philipp und Alexander den Hellenen die nationale Einigung gegeben, wenn nein — dann sind die Griechen unter die Herrschaft ausländischer Zwingherren geraten, welche sie für ihre Zwecke ausnutzten. Eine Entscheidung der Frage kann nur eine Prüfung der Sprache der Makedonen geben; leider ist unsere Kenntnis des makedonischen Dialekts nur mäßig, aber das sprachliche Material läßt doch den Schluß ziehen, daß die Makedonen ein griechischer Stamm gewesen sind: diese Überzeugung hat bereits Droysen trefflich vertreten. Wenn er freilich die Makedonen, ebenso wie die anderen, in ihrer Entwicklung zurückgebliebenen Nordstämme, als »Pelasger« bezeichnet, so werden wir diesen Namen hier lieber nicht anwenden; denn die Theorie von den »Pelasgern« als den Urgriechen läßt sich heutzutage nicht mehr aufrechterhalten. Sie ist eine Spekulation der Mythenhistoriker des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts. Von der Auffassung der Makedonenfrage hängt auch gutenteils das Urteil über die Politik des Demosthenes ab. Waren König Philipp und sein Sohn keine Hellenen, dann war Demosthenes der Vorkämpfer gegen die Fremdherrschaft, im anderen Falle aber nur der Vertreter eines überlebten Partikularismus. Die Bewunderung für Demosthenes als literarische Erscheinung hat in alter und neuer Zeit dazu geführt, daß man auch seine politische Wirksamkeit in der Verklärung sah. Mit ausgezeichneten Gründen bekämpft Droysen diese Auffassung: den Patriotismus des Atheners will er nicht leugnen, und das Attribut des »größten Redners aller Zeiten« will er ihm nicht entziehen. Aber Droysen bezweifelt es, daß Demosthenes als Staatsmann groß, und daß er überhaupt »der Staatsmann der nationalen Politik Griechenlands« gewesen ist. In einer glücklichen Kombination malt Droysen das Bild der griechischen Zustände aus, wie sie sich nach einem Siege des Demosthenes unstreitig gestaltet hätten: »Mochten die attischen Patrioten den Kampf gegen Philipp im Namen der Freiheit, der Autonomie, der hellenischen Bildung, der nationalen Ehre zu führen glauben oder vorgeben, keins dieser Güter wäre mit dem Siege Athens sichergestellt gewesen.«Die neueste Forschung ist in der Kritik an Demosthenes noch weiter gegangen als Droysen: es scheint sich immer mehr herauszustellen, daß Demosthenes zwar ein großer Advokat, aber ein recht kleiner Mensch gewesen ist. Aber darüber darf man ein Zweites nicht vergessen: das ist die rührende Aufopferung, mit der das athenische Volk sein Blut für all die Dinge verspritzt hat, die ihm seine Politiker vorgaukelten. Droysen geht viel zu weit, wenn er von dem »schwatzhaft, unkriegerisch, banausisch gewordenen Bürgertum Athens« spricht. Der wahre Held von Chaironeia ist nicht der Redner, der auf dem Marktplatz mit seinen gut vorbereiteten Tiraden den Makedonenkönig vernichtete, sondern es ist der schlichte athenische Handwerksmeister und Familienvater, der pflichtgemäß für seine republikanische Freiheit unter den Lanzen der makedonischen Veteranen den Tod findet. Die Stimmung der Kämpfer von Chaironeia ist in einer Grabschrift für die Gefallenen rührend zum Ausdruck gekommen. Die vier Verszeilen mögen hier — in der Übersetzung von Wilamowitz — Platz finden:
Zeit, du überschauest alles Menschenschicksal, Freud und Leid,Das Geschick, dem wir erlagen, künde du der Ewigkeit.Auf Boiotiens Schlachtfeld sanken wir, gefällt vom Feindesspeere,Was wir wollten, war, zu wahren unseres heiligen Hellas Ehre.
Freilich, man mag der überwundenen Partei die Gerechtigkeit widerfahren lassen, die ihr zukommt, sachlich bleibt die Auffassung Droysens unanfechtbar, daß nur der Sieg des makedonischen Königtums die griechische Nation von dem Fluch der Kleinstaaterei erlösen und die in ihr schlummernden Kräfte erwecken konnte.
Das Thema der Alexandergeschichte hatte ohne Zweifel für Droysen einen aktuellen Reiz: in der Einigung der Hellenen durch die makedonische Dynastie wird er ein Vorbild gesehen haben, in dessen Art er auch die Lösung der deutschen Frage erstrebte. Am 6. April 1848 hat Droysen erklärt, daß »Preußen sich Deutschland eingliedern, durch seine große und gesunde Machtorganisation, sein Heer und seine Finanzen den Rahmen des neuen Ganzen bilden müsse«. Als Abgeordneter in derPaulskirche war er bemüht, »der Einigung Deutschlands unter der Oberherrschaft der Hohenzollern Anhänger zu werben«. Der starke Anteil an den Forderungen seiner eigenen Zeit hat ja dazu geführt, daß Droysen auch als Forscher das Gebiet der griechischen Geschichte mit dem der preußischen vertauschte, daß er auf die »Geschichte des Hellenismus« die Biographie des Feldmarschalls Yorck und die vielen Bände der »Preußischen Politik« folgen ließ.
Hat aber auch für den Leser von 1917 die Geschichte Alexanders einen unmittelbaren Reiz, abgesehen von der Belehrung über eine wichtige Epoche der Vergangenheit? Man wird diese Frage wohl bejahen dürfen, und zwar wegen des hervorragenden kriegsgeschichtlichen Interesses, das die Feldzüge des makedonischen Königs erwecken. Man kann wohl sagen, daß wir bei der Eroberung des Perserreiches durch Alexander zum erstenmal in der Weltgeschichte die systematische Arbeit eines denkenden Generalstabs verfolgen können. Größere Truppenbewegungen sind natürlich auch schon in der Epoche vor Alexander erdacht und geleitet worden. Achtbar sind z. B. die Leistungen des Perserreichs auf diesem Gebiete. Als König Darius seinen sog. Skythenzug vorbereitete, hatte er eine Armee etwa aus der Gegend des heutigen Bagdad in die Dobrudscha zu versetzen: eine Leistung, die auch im Zeitalter der Eisenbahnen und Automobile recht achtbar wäre; um so mehr im Altertum mit seiner primitiven Technik. Aber die Soldaten des Perserkönigs hatten diesen Weg im eigenen Lande, unterstützt von der eigenen Reichsverwaltung zurückzulegen: das Feindesland begann eigentlich erst an der Donaumündung. Als nun aber die wirkliche militärische Aufgabe einsetzte, die Perser die untere Donau überschritten und in Beßarabien vordrangen, da begannen auch die Schwierigkeiten des Unternehmens deutlich zu werden: bekanntlich haben die Perser bald den Rückzug antreten müssen. Das ist etwa ein Beispiel für das militärische Können der Epoche um 500 vor Christus. Die kriegerischen Unternehmungen der griechischen Staaten des 5. und 4. Jahrhunderts zeichnen sich ebenfalls durch ihre Langsamkeit, Schwerfälligkeit und relative Ergebnislosigkeit aus. Welch anderes Bild geben da die Feldzüge Alexanders! Die makedonische Armee beginnt ihre Offensive mit der Überschreitung der Dardanellen und schlägt einen starken, durchaus achtbaren Feind überall, wo sie ihn trifft. Ein geheimer Mechanismus scheint dieses Heer zu lenken, im Winter geht es ebenso vorwärts wie im Sommer, Flußlinien, Hochgebirgsketten, Wüsten werden glatt überwunden. Jede feindliche Festung fällt, wenn es auch manchmal recht viel Zeit und Mühe kostet. Etappenlinien von vielen Hunderten von Kilometern, im Feindesland, werden in Ordnung gehalten, weite Gebiete okkupiert und sofort in eigene Verwaltung genommen. So passiert diese Armee Kleinasien und dringt dann über Syrien nach Ägypten vor, es folgt der Vormarsch nach Mesopotamien, Babylon wird genommen, das eigentliche Persien betreten. Das gewaltige Iran wird durchzogen; über Afghanistan und den Hindukusch zieht die griechische Armee nordwärts bis tief in die Wüsten von Turkestan; daran schließt sich der letzte Akt: die Expedition nach Indien. All diese erstaunlichen Leistungen sind nicht denkbar ohne eine vorbedachte, mit einem fein verzweigten Apparat arbeitende Heeresleitung. Einen zwanzigjährigen König, und sei er noch so geistvoll, wird man nicht gut als den alleinigen Urheber solcher Erfolge ansehen: hier arbeitet ein Generalstab, so gut wie in den Operationen des deutschen Heeres 1870/71 oder 1914/17. Wir wissen auch genau, wer die Generalstäbler Alexanders gewesen sind: es sind die alten Generale aus der Schule seines Vaters, die sog. Adjutanten (Somatophylakes), welche dem König bei der Kriegführung zur Seite stehen, und als Chef des makedonischen Generalstabs tritt, auch noch in unserer höfisch gefärbten Überlieferung, der alte Parmenion deutlich genug hervor.
In den Feldzügen Alexanders fehlt, wenn man sie richtig erfaßt, das romantisch-enthusiastische Element durchaus; im Gegenteil, mit ruhiger Überlegung, und geradezu pedantischer Vorsicht, werden die nötigen Entschlüsse gefaßt. Diesen Charakter der militärischen Dispositionen Alexanders hat Droysen vortrefflich hervorgehoben, nur führt er durchweg den König selbstals den geistigen Leiter des Krieges ein, während tatsächlich Alexander in den meisten Fällen nach dem Rat seiner Adjutanten gehandelt haben wird.
Die vorliegende neue Auflage des Droysenschen Werkes gibt ohne jede Änderung den Text der letzten, vom Verfasser selbst veranstalteten Ausgabe wieder. Das Material zur Geschichte Alexanders hat sich seitdem nur unbedeutend vermehrt, aber in einigen immerhin bemerkenswerten Gesichtspunkten ist doch die moderne Forschung über Droysen hinausgekommen. Im folgenden sollen diese Punkte wenigstens kurz erörtert werden. Der Leser kann sich dann ohne Mühe selbst die Auffassung Droysens von den betreffenden Fragen berichtigen.
In erster Linie ist hier die Schilderung des persischen Heeres und die Schätzung seiner Stärke zu nennen. Droysen hält noch an den überlieferten Zahlen fest. Am Granikos nimmt er 20 000 persische Reiter und ebenso viele griechische, im Dienste des Perserkönigs stehende Söldner an. Die Armee, welche Alexander bei Issos besiegte, schätzt er auf Hunderttausende, darunter 30 000 griechische und 100 000 asiatische Schwerbewaffnete, und auch bei Gaugamela läßt er eine persische Riesenarmee auftreten. Indessen haben die Forschungen von Eduard Meyer und Hans Delbrück über das persische Heerwesen zu dem Ergebnis geführt, daß der Perserkönig niemals ein Millionenheer aufgestellt hat; die Armeen, mit denen König Alexander zu kämpfen hatte, sind erheblich schwächer gewesen; schwerlich stärker an Zahl als die makedonischen Sieger selbst. An sich wäre es ja durchaus möglich gewesen, daß das Perserreich, das etwa 50 Millionen Einwohner zählte, ein Millionenheer aufgebracht hätte. Aber im persischen Reich hat eine allgemeine Wehrpflicht, wie in den antiken griechischen und in den modernen Staaten, niemals existiert. Die persische Armee war vielmehr eine Berufsarmee, und Berufsheere sind niemals sehr stark. Die iranische Nation, welche die eigentlich staatserhaltende Kraft im Perserreich darstellte, lieferte dem König zunächst eine ausgezeichnete Adelsreiterei, sodann eine große Zahl erprobteBogenschützen. Mit diesen Tausenden von Rittern und Zehntausenden von Schützen haben die ersten Perserkönige die militärisch nur wenig leistungsfähigen orientalischen Großmächte: Babylonien, Lydien, Ägypten niedergeworfen. Im eroberten Gebiet richteten sich die Perser ähnlich ein wie später die Türken im 15. bis 17. Jahrhundert: der Herrscher wies seinen Rittern große Lehensgüter an. Auf dem Besitze eines solchen Gutes lastete die Verpflichtung, im Kriegsfalle eine Anzahl Reiter zu stellen; vielleicht auch ein paar iranische Bogenschützen zu unterhalten. Neben diesen Lehenstruppen stand dann die königliche Garde, die 10 000 sog. »Unsterblichen«, entsprechend etwa den Janitscharen des Sultans. Eine solche Berufsarmee bleibt auf der Höhe, solange der Staat dauernd Krieg führt und die Maschinerie im Gang bleibt. Wenn aber längere Perioden des Friedens kommen, verrostet das Uhrwerk leicht. So ist es dem Türkischen Reich im 18. Jahrhundert ergangen: aus den Janitscharen wurde ein Korps von Staatspensionären, das keinen Feind mehr schreckte. Ähnlich gestaltete sich die Entwicklung im Perserreich, als die Periode der ständigen Kriege mit König Xerxes aufhörte. Die Inhaber der Lehen wurden allmählich zu bequem, um wirkliche Krieger zu unterhalten, und wenn der König die Heeresfolge ansagte, schickten sie statt dessen ihre Hausdiener (vgl. Xenophon, Cyrop. VIII 8, 20). Immerhin hat sich wenigstens die persische Reiterei in den Alexanderschlachten tapfer geschlagen. Die asiatische Infanterie dagegen war völlig verkommen, statt ihrer stellte man schon seit dem Ausgang des 5. Jahrhunderts lieber griechische Söldner ein.
Die operierende persische Feldarmee ist zur Zeit ihrer höchsten Blüte, unter König Xerxes, im Feldzug von 480/79, höchstens 50 000 Mann stark gewesen; unter Darius III. waren es höchstens ebenso viele, wahrscheinlich aber weniger Leute. Die phantastische Vorstellung von den Millionenheeren des Perserkönigs hat die griechische Volkstradition des 5. Jahrhunderts gebildet, auf der die Darstellung Herodots beruht. Die späteren Geschichtschreiber haben dann diese Auffassung übernommen, und die Historiker Alexanders sind von der Tradition nicht abgewichen:im Gegenteil, sie haben die Furchtbarkeit des Perserheeres mit Behagen ausgemalt, um die Größe der makedonischen Kriegstaten ins rechte Licht zu rücken.
Der griechische Bund, an dessen Spitze König Alexander stand, hatte nur etwa 1/10 der Einwohnerzahl des Perserreichs. Aber seine militärische Kraft war weit überlegen. Hellas war damals stark übervölkert: viele Tausende von kühnen und kräftigen Männern waren bereit, in den Osten zu ziehen, um sich dort eine neue Heimat zu erobern. Dem makedonischen Volksheer winkte im Orient ein ruhmvoller, leichter Sieg und unermeßliche Beute; auch die kräftigen Barbarenstämme der Balkanhalbinsel, die dem makedonischen König unterstanden, waren militärisch nicht unwichtig. Alles in allem war König Alexander imstande, zur Zeit der Schlacht bei Gaugamela mit 50 000 Mann Kerntruppen — mit einer Kavallerie, die dem Feind zumindest gewachsen, und einer Infanterie, die ihm in jeder Beziehung überlegen war — die Perser anzugreifen. Etwa ebenso viele Leute mögen zur selben Zeit als Etappentruppen und Garnisonen das weite Gebiet von den Dardanellen bis Mesopotamien gedeckt haben. Endlich stand noch eine starke Reservearmee daheim, bereit, etwaige partikularistische Bewegungen in Griechenland niederzuwerfen. Im ganzen ist es wohl kaum übertrieben, wenn man die damalige Gesamtstärke der Heere Alexanders auf etwa 150 000 gute Soldaten berechnet. Das war eine Heeresmacht, gegen die kein anderer Staat der Welt aufkommen konnte, auch nicht das Perserreich mit seinem durchaus überlebten Wehrsystem. Diese Erwägungen mögen die Leistungen König Alexanders und seines Heeres leichter verständlich machen; sie können aber die Bewunderung für die Taten der makedonischen Heeresleitung nicht vermindern.
Eine der merkwürdigsten Episoden in der Geschichte Alexanders ist unstreitig sein Zug zu der Oase des Ammon, wo er sich von den Priestern als der Sohn des Gottes begrüßen ließ. Droysen schildert dieses Ereignis in anschaulicher und eindringlicher Art. Die Frage drängt sich auf, was Alexander bei dem ägyptischen Gott gewollt, welche Absichten er mit seiner Erklärung zumGottessohn verfolgt hat. Droysen meint, der König habe gewollt, daß ihn »in das Innere des Morgenlandes eine geheimere Weihe, eine höhere Verheißung begleiten« sollte, »in der die Völker ihn als den zum König der Könige, zum Herrn von Aufgang bis Niedergang Erkorenen erkennen sollten«. Aber tatsächlich hat wohl Alexander mit jenem mystischen Vorgang gar nicht auf die Orientalen, sondern allein auf die Griechen wirken wollen. Der Gedanke von der Göttlichkeit des Herrschers war den Untertanen des Perserkönigs — außerhalb von Ägypten — fremd: den Iraniern, welche sich zur Religion des Zarathustra bekannten, den babylonischen Verehrern des Marduk und der Istar, den semitischen Dienern ihrer Stammesgottheiten, und all den anderen Völkern des Ostens wurde der fremde Eroberer wahrlich deshalb nicht ehrwürdiger oder sympathischer, weil er sich als der Sohn des ägyptischen Ammon ausgab. In Ägypten war freilich die Auffassung zu Hause, daß der Pharao der Sohn des großen Sonnengottes sei, und die Priester waren gern bereit, auch jedem fremden Herrscher, der es wünschte, dieses Attribut zu erteilen. Aber eine solche Anerkennung konnte Alexander in jedem beliebigen ägyptischen Heiligtum empfangen; hätte er wirklich dem Herzen des ägyptischen Volkes näherkommen wollen, dann würde er sich an einen der führenden nationalen Tempel gewandt haben, aber sicher nicht an den Ammon der libyschen Oase, der im ägyptischen Kulturleben so gut wie nichts bedeutete. Indessen, und das bringt uns der Lösung des Rätsels näher, der Ammon von Siwas war — über Kyrene — schon seit dem 5. Jahrhundert in Griechenland bekannt geworden, und sein Orakel erfreute sich dort einer gewissen Autorität, seitdem Delphi aus der Mode gekommen war. Wenn also Alexander für die Hellenen ein Gott sein wollte, dann war das Ammonsorakel die Stelle, deren Autorität er sich mit Aussicht auf Erfolg zu bedienen vermochte. Was bedeutete aber die Anerkennung der Gottheit Alexanders durch die griechischen Gemeinden? Nichts mehr und nichts weniger als eine vollkommene Reform der hellenischen Bundesverfassung. Die beschränkten Kompetenzen des Bundespräsidenten, wie sie für König Philipp ausreichendgewesen waren, genügten für Alexander nicht. Er wünschte, wenn er es für nötig hielt, ohne Hindernis in die griechischen Angelegenheiten eingreifen zu können, ohne zugleich die Selbständigkeit der griechischen Republiken ganz aufzuheben. Da bot sich der bequeme Ausweg, daß der ehemalige Bundespräsident zum Staatsgott der einzelnen Gemeinden wurde: nunmehr mußten seine Erlasse als göttliche Gebote befolgt werden. Was dies in der Praxis zu bedeuten hatte, zeigte sich sofort, als Alexander die Verordnung über die Rückkehr der Verbannten erließ. Dieser Akt, der die Parteikämpfe in den griechischen Kleinstaaten formell abschließen sollte, wäre nach den Artikeln des Korinthischen Bundes — wie auch Droysen treffend hervorhebt — nicht möglich gewesen. Dagegen konnte der »Gott« Alexander ohne weiteres eine solche Maßregel durchführen.
Das »Gottkönigtum«, wie es Alexander begründete, sollte noch die bedeutsamsten Folgen für die spätere Entwicklung des Altertums haben. Es blieb die maßgebende Form, in der sich eine starke monarchische Gewalt mit der republikanischen Selbständigkeit einer größeren Zahl von Stadtstaaten wenigstens einigermaßen vereinigen ließ. Die hellenistischen Monarchien des Orients waren so organisiert, und das römische Kaisertum ging dann die gleiche Bahn.
Hat Alexander selbst an seine Göttlichkeit geglaubt? Droysen deutet die Möglichkeit an, daß der König gewisse pantheistische Gedanken von einer Einheit zwischen der Gottheit und den Menschen gehabt hat; Gedanken, in denen sich griechische Philosophie und ägyptische Priesterweisheit vereinigten. Aber wenn wir die praktisch-politische Bedeutung des Zuges zum Ammonion in den Vordergrund stellen, in der Art, wie es von den neueren Forschern vor allem Eduard Meyer getan hat, werden wir auch hier wohl eine einfachere Lösung suchen müssen. Über das wirkliche religiöse Innenleben Alexanders läßt sich kaum etwas Bestimmtes sagen. Wenn er sich den »Kinderglauben« bewahrt hatte, kann es nur der an die Götter seiner makedonischen Heimat gewesen sein. Aber daneben konnte er sehr wohl glauben, daß er für die Angehörigen seines Reichs selbst ein »Gott« sei.Perikles hat einmal in einer berühmten Rede erklärt, daß man die Existenz der Götter erschließe aus der Verehrung, die sie finden, und aus den Wohltaten, die sie den Menschen erweisen. In diesem Sinne war auch der große König, der all den vielen Griechenstädten Frieden, Wohlstand, ja die Existenz sicherte, ein »Gott«. Daß er Wunder tun, durch seinen Willen die Naturgesetze aufheben könne, hat Alexander sicher nicht angenommen.
Wenn man die Geschichte Alexanders überdenkt, drängt sich unwillkürlich die Frage auf, ob es wirklich den wahren Interessen des griechisch-makedonischen Volkes entsprochen hat, daß ein hellenisches Riesenreich gegründet wurde, das sich vom Adriatischen Meere aus bis tief nach Indien erstreckte. Dieses Problem, an dem man bei der Würdigung des Staatsmannes Alexander nicht vorübergehen kann, ist von Droysen nicht gestellt worden. Es ist doch bemerkenswert, daß der Hellenismus nichts von dem gewaltigen Gebiet behauptet hat, das er damals eroberte. Das griechische Volk bewohnt heute im großen und ganzen denselben Raum, wie zur Zeit Philipps von Makedonien. Damit vergleiche man die Dauerhaftigkeit, welche die Eroberungen des Romanismus gehabt haben, wie sich aus dem römischen Kaiserreich heraus die lateinischen Nationen Westeuropas entwickeln, wie selbst ein so spät und oberflächlich romanisiertes Land wie Dakien seinen lateinischen Charakter bis auf den heutigen Tag behauptete. Der Unterschied erklärt sich daraus, daß Rom in weitem Umfang bäuerliche Kolonisten ansetzte, während die Griechen im Orient im wesentlichen nur in die Städte gingen, sowie als Offiziere und Beamte die herrschende Oberschicht bildeten. Daher fegte der erste beste, politische Mißerfolg die hellenische Kolonisation wieder weg, während der romanische, mit dem Boden verwachsene Bauer, sich nicht mehr verdrängen ließ. Aber warum haben die Römer so gründlich kolonisiert und die Griechen der hellenistischen Zeit so oberflächlich?
Aus dem einfachen Grund, daß Griechenland gar nicht so viele Menschen übrig hatte, um nach dem römischen System zu kolonisieren. Das römische Italien hatte zudem beschränktere Aufgaben zu lösen, erst sog es die Lombardei und Venetien auf,dann wurden Spanien und Südfrankreich lateinisch gemacht, und allmählich drang das Römertum weiter vor. Das griechische Volk dagegen gewann mit einem Schlage ein Riesenreich, dessen Hellenisierung so gut wie unmöglich war. Daß schon König Philipp den Eroberungskrieg in Asien geplant hat, steht fest. Aber es bleibt doch sehr zweifelhaft, ob er — der größte Staatsmann, den das griechische Volk hervorgebracht hat — bis nach Indien und Turkestan gegangen wäre. Kleinasien hätte sicher auch Philipp für das Griechentum erobern wollen; vielleicht hätte er auch die Perser vom Mittelmeer verdrängt, indem er in irgendeiner Form Syrien und Ägypten unter seine Autorität brachte: den Zug über den Euphrat möchte man ihm nicht zutrauen. In Kleinasien waren die Küsten bereits griechisch, und auch die Eingeborenen, wie die Karer, Lyder und Lykier, waren auf dem besten Wege sich zu hellenisieren. Wäre es möglich gewesen, all die hellenischen Volkssplitter, die sich unter und nach Alexander im ganzen Orient zerstreuten, in Kleinasien zu vereinigen, so wäre dieses Land in wenigen Generationen vollkommen griechisch geworden. Aber daneben hatte das griechische Volk noch eine andere Aufgabe, deren Lösung freilich nicht so glanzvoll war wie die Eroberung des Ostens: das wäre die Gewinnung und Besiedlung des Rumpfes der Balkanhalbinsel gewesen. Hier wie überall hatte König Philipp das Richtige erkannt und dessen Durchführung angebahnt. Das von ihm gegründete Philippopolis trägt noch heute seinen Namen und zeugt von der Absicht des Makedonen, das griechische Volks- und Sprachgebiet bis zum Balkangebirge auszudehnen. Es ist geradezu das Verhängnis der Griechen geworden, daß an dieser Aufgabe nicht weiter gearbeitet worden ist. Die Weltgeschichte hätte eine andere Wendung genommen, wenn etwa die Balkanhalbinsel — nebst dem westlichen Kleinasien — ein einheitliches Nationalgebiet geworden wäre, in der Art, wie sich das zuerst so vielsprachige Italien unter dem römischen Einfluß umgewandelt hat. Eben dadurch, daß Alexander, die gerade damals vorhandene militärische Überlegenheit Makedoniens voll ausnutzend, das griechische Weltreich gründete, hat erseinem Volke den Weg zur wirklichen nationalen Größe dauernd verbaut[1].
Diese Betrachtungen sollen weiter nichts darstellen als eine kleine Ergänzung zu Droysens trefflichem Werke, das hoffentlich auch in dieser Ausgabe der Wissenschaft und der Geschichte des Altertums neue Freunde werben wird.
Berlin.  Arthur Rosenberg.