Drittes KapitelAuf der Reise

Das Land, welches die Reisenden durchmaßen, war sehr eben, und das Auge erkannte bei der Durchsichtigkeit und Klarheit der Luft jener südlichen Gegenden auch entfernte Gegenstände mit großer Deutlichkeit. Der Boden ward immer mehr mit Gras und Kräutern bedeckt, je weiter sie zogen, und die dürren Sandflächen des nördlichen Landstrichs, aus dem sie kamen, verloren sich ganz. Oft sah Pieter Maritz in weiter Entfernung Herden der Springböcke und Gnus erscheinen, die in der Ebene weideten und die in langen Sprüngen verschwanden, wenn ihr feines Gehör den Lärm des Wagenzugs vernahm. Zuweilen war das Gras so hoch, daß es über den Hörnern der Ochsen zusammenschlug und nur die Reiter noch einen freien Umblick hatten. Dann wühlten sich die Ochsen und der Wagen mühsam eine Furche und ließen einen fest gestampften Weg hinter sich, der einem Engpasse gleich dahinlief. Bald war das Gras niedrig und mit vielen schön duftenden, bunten Blumen untermischt. Dann tauchten zahlreiche Völker von Rebhühnern, Perlhühnern und Fasanen vor und neben dem Wagen auf. Sie waren so wenig scheu, daß sie erst dicht vor den Hufen der Ochsen emporflogen, und die Schwarzenfingen mehrere von ihnen mit den Händen oder erlegten sie mit einem Schlage der langen Peitsche. Sie warfen die erjagten Tiere in den Wagen, um sie beim Abendessen zuzubereiten.

Oft ward Jager unruhig und blies seine Nüstern auf, wenn er das gehörnte Wild, Antilopen kleiner und größerer Arten witterte, und Pieter Maritz fühlte, wie er vorwärts strebte zur Jagd. Aber der Knabe gedachte seiner Aufgabe, ein wachsames Auge auf die Zulus zu haben, und dämpfte den Eifer seines Rosses.

Nach dreistündiger Fahrt wurde in der Nähe eines Teiches Halt gemacht. Die Ochsen wurden ausgespannt und stürzten sich alsbald in das Wasser. Es wurde Kaffee gekocht und gefrühstückt. Dann nach zweistündiger Rast wurden die Ochsen wieder eingefangen, und die Fahrt fortgesetzt.

So ging die Reise bis Mittag weiter, als das Land hügelig zu werden anfing. Kleine Höhenzüge wechselten mit sanften Thälern ab, und helle Bäche liefen im Grunde der Thäler. Mühsam schleppten die Ochsen den Wagen bergauf, und unter vielem Geschrei der Schwarzen und kräftigem Gegenstemmen der Zugochsen ging es auf der andern Seite bergab. Dann schlürften die Tiere, indem sie den Bach durchschritten, mit gierigen Mäulern das erfrischende Naß. Die Diener aber gossen das Wasserfaß aus, welches im Wagen mitgeführt wurde, und füllten es neu.

Nun gelangte der Wagen an ein größeres Flüßchen, welches zwischen tiefen Uferrändern dahinfloß und nicht zu überschreiten war. Doch führte ein Weg längs des Wassers hin, ein Weg, der durch tief eingedrückte Räderspuren bezeichnet war und andeutete, daß hier ein häufiger Verkehr sein mußte und vermutlich auch eine Furt zu finden war, welche es gestatten würde, den Fluß zu durchmessen. Trauerweiden und ein dichtes Gebüsch von Butterbäumen und Speckbäumen, deren Stämme so weich sind, daß man sie mit einem Messer durchschneiden kann, säumten das Ufer ein, und in diesem Dickicht ging die Fahrt längs des Flusses hin. Da ließ sich in der Entfernung ein Lärm hören, der immer lauter wurde, je weiter der Zug vorwärts kam. Peitschenknallen und Ochsengebrüll, dazu gellende Rufe ertönten, dann ward es plötzlich still, und dann erhob sich der Lärm mit erneuter Kraft. Mit einem Mal erscholl in der Nähe ein lautes Platschen und Poltern und der Schreckensruf von verschiedenen Stimmen.

Pieter Maritz drängte sein Pferd an dem Wagen vorbei, um zu sehen, was vorginge, und erreichte eine Öffnung in dem Gebüsch,welches die Aussicht auf den Fluß versperrte. Da sah er nun die Ursache des Lärms und des Schreckens. Hier war die Furt, und inmitten der seichten Stelle im Wasser lag ein langer, ziegelrot angestrichener Wagen in jämmerlichem Zustande. Er lag auf der Seite, zwei Räder sahen aus dem Wasser heraus, und um die Räder herum schwammen Kisten und Tonnen, die aus dem Wagen hervorgetaucht waren. Mehrere Männer standen bis an die Brust im Wasser, schrieen laut und bemühten sich, die schwimmenden Gegenstände zu retten, damit sie nicht vom Wasser fortgespült würden. Ein langer Zug von Ochsen stand in großer Verwirrung vor dem umgestürzten Wagen. Die vordersten Paare waren schon am Ufer und im Trockenen, während die im Wasser stehenden sich hin und her wandten und bald anzogen, bald sich stemmten.

Pieter Maritz ritt alsbald ins Wasser hinein und rief seinen Begleitern zu, sie möchten hilfreiche Hand anlegen. So kam auch der Missionar mit seinen Dienern heran, und auch die Zulus sprangen alsbald ins Wasser und halfen die schwimmenden Sachen ans Land bringen. Mit großer Mühe gelang es dann endlich, auch den Wagen wieder aufzurichten und ihn von den Ochsen auf das Ufer ziehen zu lassen. Hier war nun ein Zustand großer Not. Der Besitzer des verunglückten Wagens, ein langer, hagerer Mann mit gelbem Gesicht und langem, schwarzem Bart, wehklagte laut und lief hin und her, um die Kisten und Kasten zu betrachten, die naß im Grase lagen. Dann ließ er sie öffnen, und seine farbigen Leute zogen allerhand Bänder und Tücher, Zeug und fertige Kleider, Leinwand und Wäsche heraus. Alles tropfte von Wasser, und die Klagen des Eigentümers wurden immer lauter.

»Gott der gerechte!« rief er einmal über das andere, »ist mir verloren die Hälfte des Wertes!«

»Wer seid Ihr, Freund?« fragte ihn der Missionar.

»Ich bin der Smaus Abraham ten Winkel,« sagte der schwarzbärtige Mann. »Gott der gerechte, welch ein Verlust!«

Damit fiel er über einen Salzsack her, der im Grase lag, hob ihn in die Höhe und sah mit großer Betrübnis, wie die Tropfen aus dem Sacke liefen. »Ist mir das halbe Salz ausgelaufen!«

Dann ergriff er einen Kasten, der mit Nägeln gefüllt war, und rüttelte ihn verzweiflungsvoll. »Werden mir alle verrosten!« rief er. »Und der feine Rollenkanaster!« hub er von neuem an, indem er von dem Kasten zu einer kleinen Tonne ging. »Hu, wie naßist der Tabak! Wird ihn keiner mehr rauchen wollen, ist das ganze Aroma pleite gegangen!«

Doch nun ergriff der Smaus wirksame Maßregeln, seinen Schaden möglichst gering werden zu lassen. Er ließ alle seine durchnäßten Zeuge an dem Gebüsch zum Trocknen aufhängen, und es gewährte einen wunderlichen Anblick, das Ufer mit den bunten Stoffen und Blusen, Beinkleidern und Frauenkleidern behängt zu sehen. Tabak und Salz legte er in die Sonne und die Nägel trocknete er mit einem wollenen Tuche ab.

Bei alledem ließ er seine schwarzen Augen unaufhörlich hin und her rollen, von einem zum andern, um zu sehen, ob ihm keiner der Fremden etwas entwendete. Besonders hatte er die Schepsels in Obacht.

»Wartet nur, ihr sollt kriegen,« rief er. »Ihr habt mir geholfen, und ich will es euch lohnen, aber wartet nur, Geduld müßt ihr haben.«

Aber die Schepsels waren listig. Kobus hatte mit scharfem Blicke ein Fäßchen entdeckt, welches der Smaus vorsichtig mit dem Fuße verstohlenerweise hinter einen Kaktusbusch gerollt hatte, und kam mit dem Fäßchen angeschleppt, gleich als wollte er es retten. Während der schwer geprüfte Jude sich eben die Schweißtropfen von der Stirne wischte und seufzend dem Missionar erzählte, er habe schon seit vorgestern mittag hier am Flusse gewartet, weil derselbe vom Regen so sehr angeschwollen sei, daß er mit dem Wagen nicht durchgekonnt habe, machte sich Kobus in sonderbarer Weise mit dem Fäßchen zu thun, und plötzlich zeigte es sich, daß es nicht mehr dicht hielt. Kobus hielt ein Blechgefäß darunter und fing alsbald an zu trinken. Kaum hatten dies die andern Diener bemerkt, als sie alle Arbeit stehen und liegen ließen und sich auf das Fäßchen stürzten.

»Zoopje, Zoopje!« schrieen sie und hielten die Hände unter, um den stark duftenden Schnaps aufzufangen, der aus dem leck gewordenen Fasse lief.

Vergeblich rannte der bestürzte Jude auf sie zu und bat sie ihm den Schnaps nicht auszutrinken, vergeblich schalt er. Auch der Missionar erhob umsonst seine Stimme, um die Farbigen vom Trunke wegzuscheuchen. Die Schepsels ließen ihn reden, aber tranken weiter. Nur die Gesandten des Zulukönigs standen vornehm beiseite und blickten voll Verachtung auf die Scene. Da ergriff der Jude den Sjambock und ließ ihn auf die Rücken seiner Diener undder Diener des Missionars niedersausen. Die Schepsels zuckten und wanden sich, aber sie hörten nicht auf zu trinken. Das betäubende Getränk half ihnen über die Schmerzen der Rhinozerospeitsche hinweg, und sie standen erst auf, als sie satt waren. Nun waren sie überaus lustig, lachten laut und sangen, wandten sich mit tausend Bitten um Verzeihung an ihre Herren, beteuerten mit lallenden Zungen, daß sie nur hätten retten wollen, weil das Faß ja doch entzwei gewesen sei, und tanzten mit ungeheuerlichen Sprüngen umher. Nach und nach aber wurden sie müde, und einer nach dem andern sank im Grase nieder, um zu schlafen.

Währenddessen war es spät am Nachmittage geworden. Die Hilfe, welche der Zug des Missionars dem Handelsmann gebracht, hatte viel Zeit gekostet. Es wäre unmöglich gewesen, die Furt zu passieren, bevor nicht der Wagen des Smaus aus derselben entfernt worden wäre, und der gute Wille, dem Nächsten in der Not zu helfen, ging hier mit der Notwendigkeit, den Weg frei zu machen, Hand in Hand. Aber mehrere Stunden waren darüber verflossen, und es war nun nicht mehr an Fortsetzung der Reise zu denken, weil die Diener unfähig waren, ihren Dienst zu thun. Der Missionar beschloß, sich den Umständen zu fügen, und auch dem Smaus blieb nichts anderes übrig, als sich in das Schicksal zu finden. Die Herren selbst mußten sich unter Beistand des Knaben und der beiden Zulus dazu bequemen, die Ochsen auszuspannen und das Abendessen zu bereiten.

Der Platz war nicht ungeeignet, um dort die Nacht zu verbringen. Das Wichtigste war, daß Wasser in unmittelbarer Nähe war, so daß das Vieh saufen konnte. Dazu wuchs üppiges Gras, untermischt mit herrlichen Kallas und anderen Blumen am Ufer, zum Futter für die Tiere, und das ringsum laufende Dickicht bildete gleichsam einen Zaun, der die Ochsen verhinderte, sich allzu weit zu entfernen. Nur zeigte es sich schwierig, ein größeres Feuer anzuzünden. Hier in der Nähe des Flusses waren alle Gewächse so voll von Saft, daß sie nicht brennen wollten, und die Reisenden mußten sich mit dem kleinen Feuer begnügen, welches ausreichte, um die Speisen zu kochen, durften aber nicht hoffen, während der Nacht ein Lagerfeuer zur Abwehr der wilden Tiere unterhalten zu können. Die Zulus suchten mehrere Arme voll Zweige und Büsche zusammen, welche einigermaßen trocken waren und gingen dem Missionar unter Beobachtung einer gewissen stolzen Würde an die Hand. Der Jude brachte seinerseits Mais und Kaffeeherbei, und so wurde eine Mahlzeit hergestellt, welche nach den Mühen des Tages herrlich schmeckte. Dann brach die Nacht herein, und sogleich begannen die hellen Sterne zu schimmern. Die Reisenden saßen im Kreise zusammen um das erlöschende Feuer. Pieter Maritz hatte seine Büchse neben sich liegen, ebenso der Jude, die Zulus lagerten auf ihren Mänteln von Tigerfell, welche sie sich aus dem Wagen herbeigeholt, und hatten ihre Assagaien, die scharfspitzigen Wurfspieße mit leichtem Rohrschaft, zur Hand, nur der Missionar, der unbewaffnet durch die Wildnis zog, auf Gott allein vertrauend, hatte ein Werkzeug der Wissenschaft neben sich, einen Sextanten, mit dem er die Höhe des Sternes Kanopus im Augenblick seines Durchganges durch den Meridian berechnen wollte. Er führte eine kleine Laterne mit Magnesiumdraht mit sich, welche er anzünden wollte, um die Zahlen auf dem Nonius ablesen zu können.

Ehe er jedoch seine Berechnung anfing, war er in ein Gespräch mit Pieter Maritz vertieft, der seine Verwunderung darüber aussprach, wie die farbigen Diener so ganz der Pflicht und der Gefahr der Lage vergessen und sich sinnloser Trunkenheit hätten hingeben können.

»Diese armen Leute sind wie die Kinder,« sagte der Missionar, »und die größte Schuld an ihrem schlechten Benehmen tragen gewissenlose Weiße, welche ihnen den Branntwein ins Land geführt haben.«

Der Smaus rückte auf seinem Lager und schien sich getroffen zu fühlen. »Wollen die Schepsels trinken, so finden sie immer Zoopje,« sagte er. »Bin ich's nicht, der ihn verkauft, so ist's ein anderer. Mache ich nicht das Geschäft, macht's ein anderer.«

»Das ist wohl wahr,« entgegnete der Missionar, »aber es gab eine Zeit, wo diese Leute den Branntwein überhaupt noch nicht kannten. Damals waren sie ein großes Volk, das bis ans Meer hin das ganze Land dicht bewohnte. Nun sind sie verstreut und sind die Knechte der Weißen. Wohl haben sie den Segen der christlichen Predigt erfahren, aber der Teufel säte viel Unkraut unter den Weizen, und die Gewinnsucht der Kolonisten verdarb, was die Prediger Gutes schufen. Ich habe ein altes Buch in meinem Wagen, Pieter Maritz, das will ich dir morgen zu lesen geben, so Gott will. Darin findest du die älteste Geschichte dieses Landes. Es ist zu Anfang des vorigen Jahrhunderts geschrieben, von einem meiner Landsleute, Peter Kolb, der lange Jahre am Kap gelebt hat. Er war von dem preußischen Geheimen Rat Baron vonKrosigk im Jahre 1704 dorthin geschickt worden, um wissenschaftliche Untersuchungen anzustellen. Kannst du denn lesen, Pieter Maritz?«

»Jawohl,« erwiderte dieser stolz. »Ich habe schon von meinem zwölften Jahre an, sobald ich ordentlich reiten und schießen gelernt hatte, Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen gehabt, und ich kann holländische und englische Bücher lesen.«

»Dann wirst du aber dieses Buch doch wohl nicht lesen können. Es ist deutsch geschrieben. Aber ich werde dir daraus erzählen, wenn du etwas von den ersten Thaten der Europäer in Südafrika wissen willst.«

»Es waren Holländer, die zuerst an das Kap kamen,« sagte Pieter Maritz. »Mein Vater hat mir erzählt, daß von Rechts wegen alles Land hier den Holländern gehörte, daß aber die Engländer es uns weggenommen hätten.«

»Zuerst war es ein portugiesischer Seemann, der die weite Fahrt nach der Südspitze von Afrika machte,« erzählte der Missionar. »Er hieß Bartholomeo Diaz und kam im Jahre 1486 mit drei Schiffen nach Sierra Parda, einem Küstenplatz im Lande der Namaquas. Dort richtete er ein Kreuz auf, aber zog bald wieder weiter, weil Stürme seine Schiffe bedrohten und seine Mannschaft unzufrieden war. Dann kam elf Jahre später ein anderer Portugiese, Vasco da Gama, und landete in Natal, begrüßte die dunkelbraunen Eingeborenen, welche Hottentotten genannt wurden, fuhr dann zur Mosselbai, wo er eine Säule mit dem portugiesischen Wappen aufrichtete, blieb aber auch nicht lange, sondern segelte nach Indien. Die Holländer kamen erst viel später, mehr als hundert Jahre nach diesen beiden portugiesischen Seefahrern, aber sie machten nicht einen flüchtigen Besuch, sondern gründeten am Kap der guten Hoffnung eine Kolonie. Am 6. April 1652 ankerten vier holländische Schiffe in der Bai am Tafelberge, und etwa hundert Kolonisten unter Führung des unternehmenden Johann van Riebek, welcher vordem Schiffsarzt gewesen war, stiegen ans Land und gründeten eine Handelskompanie, welche mit der Ostindischen Kompanie in Verbindung stand. Die Holländer bauten eine kleine Festung, legten einen großen, schönen Garten an und handelten mit den Hottentotten um Elfenbein, Straußenfedern und andere Landesprodukte. Als es ihnen gut ging, schickten ihnen die Generalstaaten von Holland eine große Anzahl von Mädchen aus den Armen- und Waisenhäusern nach, und so wurden Familien gegründet.

»Als nun die Kolonie zu Wohlstand kam und sich immer weiterausbreitete, indem sie den Hottentotten Land abkaufte, da kamen immer mehr Menschen aus Holland herüber, und unter den guten auch schlechte Leute, welche die Eingeborenen betrogen und mißhandelten. Herr Peter Kolb erzählt, daß die Hottentotten gute, ehrliche, sanftmütige und liebevolle Menschen gewesen sind, welche ihr Wort heilig hielten und die Gerechtigkeit achteten. Sie nährten sich von Obst, Kräutern, Wurzeln und Milch, und viele wurden über hundert Jahre, manche hundertunddreißig bis hundertundfünfzig Jahre alt. Als sie aber die gekochten Speisen der Europäer und deren gesalzene und gewürzte Gerichte, besonders aber den Branntwein kennen lernten, da wurden sie lecker und trunksüchtig, bekamen viele Krankheiten, wurden nicht mehr alt und verloren ihre Tugenden. Dazu kamen sie in Streit und Krieg mit den Europäern, wurden deren Sklaven und starben in der Knechtschaft schnell aus oder wurden Räuber, welche Buschmänner genannt wurden, und fielen im Kampfe, so daß sie jetzt nur noch zerstreut in den Ländern wohnen, welche ehedem von ihnen dicht bevölkert waren.

»Der Europäer aber wurden immer mehr. In den Jahren 1685 bis 1688 kamen französische Protestanten herüber, welche nach Aufhebung des Edikts von Nantes ihre Heimat verließen, um ihren Glauben zu bewahren. Zuerst kamen nur dreihundert, nach und nach aber wohl viertausend Franzosen. Doch mußten sie sich den Holländern fügen, und in ihren Kirchen wurde holländisch gepredigt. Auch Deutsche kamen in großer Zahl aus ihrem Vaterlande herüber. Sie vermischten sich gleich den Franzosen mit den Holländern, und alle zusammen nannten sich Buern, das heißt Bauern: Leute, welche Ackerbau und Viehzucht treiben. Die Buern aber eroberten ringsum Land und schickten vom Jahre 1774 an kleine Heere aus, welche Kommandos genannt wurden und nach allen Seiten hin ihre Herrschaft weithin bis zum Oranjefluß und Vaalfluß befestigten. Damals aber hatten auch schon einige von Gott dem Herrn ausgesandte Männer angefangen, den Heiden das Evangelium zu predigen, und mitten zwischen Blut und Mord und gierigem Trachten nach Erwerb zogen Missionare umher, um den Frieden Christi zu predigen.

»Aber noch andere Ankömmlinge lernte das Land kennen, ein mächtiges Volk, das sich den Buern überlegen zeigte. Das stolze England, welches an allen Punkten der Erde seine Schiffe, seine Handelsleute und seine Krieger landen läßt, zeigte sich auch am Kap. Im Jahre 1806 mußten die Kolonisten die Herrschaft derBriten im Kaplande über sich ergehen lassen, und was der Fleiß, der Mut und auch die ungerechte Gewinnsucht der Buern den Hottentotten abgenommen hatten, fiel nun dem stärkeren Räuber zur Beute. Grollend zogen die Buern immer weiter nach Norden, um nicht unter britischen Gesetzen, sondern unter ihren eigenen zu stehen, und im Jahre 1837 setzten sie sich in den Ländern fest, die wir jetzt Oranjefreistaat und Transvaal nennen. Im Jahre 1848 gründeten sie unter Andreas Pretorius nach offenem Kampfe mit den Engländern auf dem rechten Ufer des Vaalflusses den Staat Transvaal, in welchem wir uns jetzt befinden, und 1854 erklärten sich auch die Buern auf dem linken Vaalufer, zwischen Oranjefluß und Vaalfluß für unabhängig und nannten ihr Land Oranjefreistaat, obwohl der englische Gouverneur der Kapkolonie, Sir Henry George Smith, am 3. Februar 1848 die Königin von England für die Oberherrin aller dieser Landstriche erklärt hatte. Seitdem haben die Buern vieler Freiheit genossen, denn die Engländer hatten nicht die Macht, ihre Herrschaft zur Geltung zu bringen; doch nun hat sich die Lage verändert. Vor neun Monaten, am 12. April 1877, ist Sir Theophilus Shepstone, der englische Kommissar für die Angelegenheiten der Eingeborenen von Natal, mit einer Schar berittener Polizeibeamten nach Pretoria, der Hauptstadt von Transvaal, gekommen, hat dort die englische Fahne aufgezogen und das Land für englisch erklärt. Das hat die Buern sehr erbittert, und wer weiß, welche Kämpfe und schreckliche Dinge daraus entstehen werden.«

Pieter Maritz hatte dieser Erzählung aufmerksam zugehört, denn vieles von dem, was der Missionar vortrug, war ihm unbekannt, und er liebte es, zu lernen. Besonders aber hörte er gern alles, was die Geschichte seines Vaterlandes anging. Als der Missionar aber schwieg, sah der Knabe ihn mit blitzenden Augen an und sagte, indem seine Hand fest den Lauf der Büchse umschloß; »Mein Vater hat gestern, als er starb, die Engländer unsere Feinde genannt, und ich hoffe es bald zu sehen, daß wir ihnen zeigen, auf welcher Seite das Recht ist.«

Der Missionar antwortete nicht, denn er begriff, was in der Seele des Knaben vorging. Er nahm sein astronomisches Instrument zur Hand und setzte alsdann den Magnesiumdraht in der Laterne in Glut. Als der außerordentlich helle, blendende Schein aufflammte, gerieten die Umhersitzenden in das höchste Erstaunen. Keiner von ihnen hatte je ein solches Licht gesehen, und als derMissionar beim Schein desselben mit dem Sextanten arbeitete und bald gen Himmel, bald auf die Zahlen des Instruments blickte, rückten die Zulus voll Entsetzen zurück. Sie waren überzeugt, daß hier die größte Zauberei vollführt werde, ein eiskalter Schauder lief ihnen über den Rücken, und ihre Lippen wurden blaß vor Furcht. Doch eingedenk ihrer Würde und der Gegenwart des Juden und des Knaben, welche ruhig sitzen blieben, gaben sie ihrer Neigung, schleunigst davonzulaufen, nicht nach, sondern zwangen sich, ihre Angst zu verbergen. Während so die tiefste Stille herrschte, der Missionar seine Notizen machte und ringsum alles finster war, bis auf den kleinen überaus hellen Fleck, den die Laterne beschien, ging mit einem Male ein ängstliches Schnauben durch die Herde des ruhenden Hornviehs, und unmittelbar darauf ertönte ein furchtbares Gebrüll in nächster Nähe. Ungeheurer Tumult erhob sich bei diesem Ton, welcher die Erde zu erschüttern schien. Sämtliche Ochsen sprangen mit ängstlichem Brüllen vom Boden auf und stürzten nach allen Richtungen hin auseinander, die an den Wagen gebundenen Pferde stiegen in die Höhe, schlugen mit den Vorderbeinen und zerrten so heftig an den Zäumen, daß die schweren Wagen sich bewegten. Die Zulus waren aufgesprungen und hielten ihre Assagaien kampfbereit in der Hand, der Jude lag, von einem Ochsen zu Boden geworfen, laut schreiend da, Pieter Maritz hielt sein Gewehr schußbereit in den Händen, und der Missionar hatte die Thür der Laterne weit geöffnet und leuchtete im Kreise umher, um zu sehen, von wo die Gefahr drohe.

Jetzt fiel das Licht der Laterne auf die Öffnung im Gebüsche, dem Fluß gerade gegenüber, und in ihrem hellen Scheine waren zwei ungeheure Löwen zu erblicken, welche kaum dreißig Schritte weit entfernt waren. Die Tiere standen aufrecht und unbeweglich nebeneinander, ihre großen Köpfe waren von langen gelben Mähnen umwallt, und ihre Gesichter blickten mit feierlichem Ernst vor sich hin. Augenscheinlich waren sie geblendet von der Flamme des Magnesiumdrahts und konnten nichts von dem erkennen, was vor ihnen lag. Denn es war alles dunkel bis auf den Platz, auf welchem sie selber standen, und sie waren so deutlich zu sehen, daß man die starren schwarzen Spürhaare ihrer Oberlippe hätte zählen können.

Pieter Maritz hatte die Büchse an die Wange erhoben und stand so ruhig wie ein Steinbild. Jetzt berührte er den Drücker, eine Flamme fuhr aus der Mündung hervor, und, gerade ins rechte Auge getroffen, stürzte der größte der beiden Löwen zusammen.Da duckte sich der andere Löwe und sprang, ehe der Knabe zum zweiten Schuß recht zielen konnte, in gewaltigem Satze voll Mut ins Ungewisse hinein vorwärts. Er kam dicht vor dem Schützen zur Erde, hier blendete ihn der Lichtschein nicht, und mit einem Schlage seiner gewaltigen Tatze mußte er jetzt den Knaben erreichen. Aber in diesem Augenblicke der größten Gefahr kam Hilfe. Zu derselben Sekunde, wo Pieter Maritz sein Gewehr senkte, um es auf den Feind dicht vor sich zu richten, traten mit Blitzesschnelligkeit zwei dunkle athletische Gestalten vor das Untier, und zwei Assagaien bohrten ihre blinkenden scharfen Stahlspitzen in den Rachen und in das Herz des Löwen. So zahlten Humbati und Molihabantschi den Zoll ihrer Dankbarkeit gegen den Buernsohn.

Der Kampf mit dem Löwen.

Der Kampf mit dem Löwen.

Beide Löwen wälzten sich zum Tode verwundet in den letzten Zuckungen und schlugen mit den Krallen in die Erde, da kamen auch die farbigen Diener, ihrer sieben an Zahl, herbei. Sie waren durch das Gebrüll aus ihrem Schlafe erweckt, und der gewaltige Lärm des Viehs sowie der Schuß, welchen der Knabe abgefeuert, hatten sie völlig munter gemacht. Auch hatte Christian einen Tritt von einem der fliehenden Ochsen erhalten, wodurch ihm ein gut Stück Haut vom Beine abgeschürft worden war. Aber obwohl sie nun nahe an acht Stunden geschlafen hatten, war der Rausch noch nicht völlig wieder aus ihren Köpfen gewichen, und es dauerte einige Zeit, ehe sie ihre verstörten Mienen verloren. Sie standen zuerst voll Staunen und Verwunderung stumm neben den Löwen, dann aber fingen sie nach des Kobus Vorgang sämtlich an zu schwatzen und ruhmredige Worte darüber zu führen, was sie gethan haben würden, wenn sie die Löwen lebend erblickt hätten. Sie hätten keine Furcht vor Löwen, beteuerten sie; sie hätten den Löwen zeigen wollen, was es heiße, nachts an die Ochsen heranzuschleichen. Die Herren hätten ganz ruhig sein können; solange sie, Kobus, Jan, Christian und die vier Diener des Smauses, dagewesen wären, hätte es keine Gefahr gegeben.

Aber der Missionar brachte sie zum Schweigen. »Schämt ihr euch nicht, ihr faulen Knechte?« rief er. »Wie, Kobus, hast du nicht erst im vorigen Jahre die heiligen Sakramente empfangen und den Taufunterricht genossen, so daß ich billig erwarten könnte, du erinnertest dich noch meiner Ermahnungen und der Lehren der Kirche? Und nun bist du der erste, der sich der Völlerei hingiebt und liegst betrunken am Boden, während die Tiere der Wildnis dich und deine Genossen und deinen Lehrer und Herrn bedrohen? Und dazu willstdu noch prahlen und lügen und deine Schuld zu verstecken suchen, anstatt sie zu bekennen und durch Reue wieder gut zu machen?«

Von diesen Worten wurde Kobus tief getroffen, und sein Gewissen ward in ihm rege. Er fing an laut zu weinen und zu schluchzen, seine Betrübnis teilte sich den andern mit, und alle sieben heulten und bekannten, daß sie leichtsinnig und schlecht gewesen wären, daß sie es aber nie wieder sein wollten.

»Nun,« sagte der Missionar, »so macht euch jetzt gleich auf die Beine und schafft Holz herbei, daß wir ein Feuer anzünden können. Sowie aber die Sonne aufgeht, sucht nach den zerstreuten Ochsen, damit wir unsere Reise fortsetzen können.«

Gehorsam machten sich die Schwarzen ans Werk. Beim schwachen Licht der Sterne suchten sie im Dickicht nach trockenem Holze, wobei sie laut sangen und schrieen, um die Hyänen fern zu halten, deren Geheul ringsum von weitem ertönte. Sie brachten auch nach und nach genug herbei, um ein tüchtiges Feuer entzünden und unterhalten zu können. Beim schützenden Schein desselben schlief die Gesellschaft der Reisenden bis zum Morgen.

Nun aber ergab sich eine große Schwierigkeit. Die Zugtiere waren weder zu sehen noch zu hören, und bevor sie nicht zurückgebracht worden waren, konnte der Marsch nicht weitergehen. Noch ermüdet und elend von ihrer Ausschweifung machten sich die farbigen Diener auf, um die Tiere zu suchen. Während dieser Zeit beschlossen die Zulus, auf die Jagd zu gehen, um für Wildbret zu sorgen. Pieter Maritz sah, daß sie sich miteinander besprachen und dann, die Assagaien in der Hand, davongingen. Er war seines Auftrages eingedenk, und obwohl er nicht glaubte, daß sie sich entfernen wollten, fühlte er sich doch verpflichtet, ihnen zu folgen. Rasch sattelte er Jager, warf die Büchse auf den Rücken und ritt ihnen nach.

Sie gingen umschauend und nach allen Seiten spähend nebeneinander und tauschten einen verständnisvollen Blick unter sich aus, als sie den eiligen Schritt des Rosses hinter sich hörten und des Knaben ansichtig wurden. Pieter Maritz sagte ihnen in englischer Sprache, daß er an der Jagd, die sie wahrscheinlich vorhätten, teilnehmen wolle, und nun setzten sie ihren Weg gemeinsam fort, der Knabe zu Pferde, die Zulus vor ihm, Jagdhunden gleich spürend und durch das Buschwerk kriechend. Sie hatten noch nicht lange umgeschaut, da stieß Humbati einen leisen Ruf aus, und zu gleicher Zeit streckte das Pferd seinen Kopf vor und setzte sich alsbald inGalopp. Pieter Maritz sah die Hörner zweier Antilopen in der Ferne über das hohe Gras herblicken.

Aber auch die Antilopen wurden zu derselben Zeit aufmerksam; die dunklen Streifen, welche des Knaben scharfes Auge oberhalb der wogenden Grasfläche erblickt und an ihren dem Korkzieher ähnlichen Windungen als Hörner der größten Antilopenart erkannt hatte, setzten sich in schnelle Bewegung. Wären die Zulus allein auf der Jagd gewesen, so würden sie sich wohl unbemerkt nahe genug an das Wild herangeschlichen haben, um es mit dem Wurfspieß zu erlegen, aber die Gegenwart des Pferdes ward von den feinen Sinnen der Antilopen in der Ferne schon wahrgenommen. Nun galt es schnelle und ausdauernde Verfolgung. Zuerst gewannen die Antilopen einen Vorsprung. Ihre schlanken, sehnigen Glieder durcheilten die Ebene mit so weiten Sätzen, daß der Raum zwischen ihnen und den Jägern sich vergrößerte. Aber Jager trug seinen jugendlichen Reiter mit äußerster Kraftanstrengung vorwärts und streckte die Beine im schnellsten Laufe. Pieter Maritz ließ dem Tiere die Zügel, da er dessen Natur kannte und wohl wußte, wie groß seine Jagdleidenschaft und wie scharf sein Auge war. Er hielt die Büchse mit beiden Händen vor sich, und die Zügel lagen dem Pferde auf dem Halse.

Doch erstaunte der Knabe, als er wahrnahm, daß mit dem langgestreckten Galopp seines edlen Pferdes die Zulus Schritt hielten. Er war es gewohnt, die Schwarzen schnellfüßig zu sehen, denn auch die Kaffern und Hottentotten, Betschuanen und Namaquas, welche er kannte, zeichneten sich durch Behendigkeit im Laufen aus. Aber niemals hatte er Menschen von solcher Schnelligkeit gesehen, wie diese erprobten Krieger des kriegerischsten aller südafrikanischen Völker. Humbati hatte sich rechts, Molihabantschi links gewandt, und sie strebten danach, das verfolgte Wild auf kürzerer Linie einzuholen, falls es sich etwa im Bogen seitwärts wenden sollte. Zwar dort, wo das Gras niedrig und der Boden sehr eben war, kam Jager vor, und die Zulus blieben zurück; wo aber das hohe Gras dem Pferde im Laufe hinderlich war oder wo Büsche im Wege standen und wo es Hügel hinauf und Hügel hinunter ging, da gewannen die Läufer ihren Raum zurück. Ihre nackten schlanken Gestalten, deren glänzend schwarze Haut die feurigen Strahlen der Sonne zurückwarf wie ein Spiegel, glitten so gewandt wie schimmernde Schlangen durch das saftige Grün und die prächtig in allen Farben glühenden Blumen dieses fruchtbarenLandstrichs, und ihre muskulösen Beine durchmaßen wie im leichten Tanz die weite Entfernung. Die langen Federn des blauen Kranichs, welche sie in ihrem dicht gelockten Haar trugen, wehten wie im Sturmwind nach rückwärts, während sie so, die Assagaien in der Faust hoch erhoben, dahinjagten.

Wohl zeigten sich Herden einer kleineren Antilopenart auf dem Wege, und die Jagd auf diese Tiere würde leichter und ergiebiger gewesen sein; wohl erhoben sich Ketten von Hühnern und Fasanen vom Boden; aber es hatte sich nun der Eifer des Wettlaufs der Jäger bemächtigt, und sie fühlten, daß es mehr der Ehre galt als dem Gewinn. Sie wollten alle den Triumph feiern, die Ongiris, die stolzesten aller Antilopen, erjagt zu haben, und wiederum zwischen den Zulus und dem Buernsohn war das Feuer des Ehrgeizes im Wettkampf entbrannt. Ja selbst Jager schien zu fühlen, was es galt, denn er blickte mit rollenden Augen bald vorwärts auf die Beute, bald seitwärts nach den behenden schwarzen Gestalten, und er lief mit nie an ihm gesehener Schnelligkeit.

Jetzt durchfegte er ein Dickicht stachlichter Büsche, und ein langer Riß in der Haut ließ dem Tiere die Blutstropfen über den braunen Hals herablaufen. Ein Dorn von Kaktus zerriß auch den Ärmel von Pieter Maritz' Bluse. Aber die schlanken Gestalten der Zulus waren links und rechts in gleicher Linie mit dem Pferde, und vorwärts ging es. Nun kamen sie in ein sumpfiges Land, wo die herrlichsten schneeweißen Kelche der Kalla, glänzende blaue Blüten von Lilien und die wunderlichen farbenstrahlenden Gebilde der Orchideen dicht gedrängt gleich dem schönsten Teppich sich ausbreiteten. Ein Wirbel von Schlamm erhob sich unter den Hufen des Pferdes, und nur ächzend kam es an der andern Seite wieder auf festen Boden. Aber auf beiden Seiten glitten die Zulukrieger wie auf Flügeln über den morastigen Boden hin, indem sie gewandt auf faulende Stämme sprangen, die im Schlamm lagen und von einem Holze sich auf das andere schwangen. Nun ging es einen Hügel hinauf, auf der andern Seite hinunter. Unten floß ein silberhelles Wasser, wohl zwanzig Schritte breit. Ohne zu zaudern, warf Jager sich in die Flut und schwamm hindurch. Aber als er auf dieser Seite hineinstürzte, stiegen die Zulus schon auf der andern Seite heraus, und während Jager schnaubend mit den Fluten kämpfte, flogen die Zulus schon den nächsten Hügel hinan, und die Wassertropfen rollten von ihren schwarzen Leibern herab, in der Sonne glitzernd und ohne eine Spur von Nässe auf der fettigen Haut zurückzulassen.

Pieter Maritz biß die Zähne zusammen. Hier, wo Berg und Thal wechselten, mußte er das Rennen verlieren. Er kam die Höhe hinauf, und hier erblickte er die Zulus schon mehr als zweihundert Schritte im Vorteil. Doch zugleich erblickte er jetzt deutlich die Antilopen. Sie waren zu Anfang die schnelleren gewesen, aber nun war ihre Kraft erschöpft. Ihre Sprünge waren nicht mehr weit, sie erlahmten in der Flucht. Aber sicherlich mußten sie jetzt die Beute der Zulus werden. Die Schnelligkeit dieser Jäger schien zuzunehmen, von zwei Seiten kamen sie mit hoch geschwungenen Assagaien daher, und in wenigen Minuten konnten sie den Sieg errungen haben.

Da zog Pieter Maritz, dessen Gesicht vor Eifer glühte, mit einem plötzlichen Entschluß die Zügel an. Die Entfernung war weit, aber er kannte die Tragweite seines Martini-Henry. Das Pferd schien zu verstehen, es stand still, als wäre es von Erz gegossen. Pieter Maritz zog das Gewehr an die Backe, ein Knall und noch ein Knall — er jauchzte laut: beide Antilopen flogen in hohem Satze empor und stürzten zu Boden.

»Mein junger Freund hat ein sicheres Auge und eine ruhige Hand,« sagte Humbati, als die drei Jäger sich bei dem erlegten Wilde zusammenfanden. Er lehnte sich auf seinen Wurfspieß, dessen stumpfes Ende er auf den Boden gestemmt hatte, und betrachtete Pieter Maritz mit einem Blick, aus welchem Bewunderung sprach, während ein höfliches Lächeln um seinen Mund spielte.

Der Knabe blieb auf dem Pferde sitzen und beugte sich hinab, um die Antilopen zu betrachten. Jager senkte den Kopf und beroch gleich einem Jagdhund die Beute.

»Das Gewehr der weißen Männer trägt weiter als der Assagai und der Pfeil,« fuhr Humbati fort. »Gewiß aber giebt es nicht viele Männer unter den Buern, die so gut schießen wie mein junger Freund.«

»Ich bin nur ein Knabe,« entgegnete Pieter Maritz, »und ich hoffe, noch schießen zu lernen, wie die Buern schießen.«

Humbati schwieg eine kleine Weile und fing dann von neuem an. »Es giebt sehr viele Buern. Ihre Zahl ist groß, und vielewohnen in ihren Wagen und Zelten, viele aber auch in großen Häusern, welche immer auf derselben Stelle bleiben. Doch der englischen Krieger giebt es noch mehr, und sie werden die Buern zu ihren Sklaven machen.«

Ein Zornblitz schoß aus des Knaben Augen hervor, und er erwiderte heftig: »Das wird niemals geschehen, solange noch ein Buer lebt, der das Gewehr tragen kann.«

»Mein junger Freund hat recht,« sagte Humbati. »Edle Männer sterben lieber, als daß sie unter den Armen leben und am Festmahl der Vornehmen keinen Anteil haben. Der große König Tschetschwajo liebt die Buern, denn er weiß, daß sie Krieger sind. Wenn die Buern dem mächtigen König helfen wollten gegen die Engländer, so würden sie ihm gegen ihren eigenen Feind helfen. Humbati und Molihabantschi möchten dies den weisen Männern unter den Buern sagen, aber die Buern wollten die Gesandten des Königs tot schießen. Mein junger Freund ist sehr weise, obwohl er an Jahren noch jung ist. Er kann Humbati und Molihabantschi einen guten Rat geben, wie sie es machen sollen, um die Buern der Freundschaft Tschetschwajos zu versichern.«

Mit überlegender Klugheit hatte der Zulu zu seiner Rede einen Augenblick gewählt, wo der Knabe in stolzer, freudiger Erregung war. Und beinahe wäre Pieter Maritz darauf eingegangen, dem Gesandten wirklich einen Rat zu geben oder ihm behilflich zu sein. Aber noch zu rechter Zeit entsann er sich der eigenen Unerfahrenheit und des Auftrags, den er von Baas van der Goot erhalten hatte.

»Sind es die jungen Knaben unter den Zulus, welche den Führern Rat erteilen?« fragte er lächelnd.

Humbati wandte sich zur Seite und wechselte einen Blick des Verständnisses mit Molihabantschi. Er wunderte sich über die Antwort, und sein Freund teilte dies Gefühl.

»Ich kann euch beiden nur einen Rat geben,« fuhr Pieter Maritz fort. »Das ist, ruhig eure Straße zu ziehen, bis ihr an die Grenze eures Landes kommt. Denn wir Buern trauen euch nicht, weil Tschetschwajo oft in unser Land eingebrochen ist und durch seine Heere Vieh hat forttreiben und die Dörfer verbrennen lassen.«

Die Zulus tauschten wieder einen Blick miteinander aus, aber sie antworteten nichts weiter, sondern machten sich an die Arbeit, das Wild zu zerlegen, wobei sie sich der scharfen Klingen ihrerAssagaispitzen bedienten. Zuerst öffneten sie den Tieren den Leib, nahmen mit großer Geschicklichkeit die Gedärme heraus und tranken nach ihrer wilden Art das Blut, welches sich in der Bauchhöhle sammelte, während das Herz noch in seinen letzten Pulsen schlug. Dann lösten sie den Rücken der Tiere heraus, schnitten die Hinterschenkel ab und luden diese Stücke, wohl eingewickelt in breite Blätter, um sie vor der Sonne zu schützen, auf ihre Schultern. Das übrige ließen sie liegen. Dann traten alle drei den Rückweg nach der Lagerstelle an.

Hier hatten die Diener inzwischen nach mehrstündiger Arbeit wieder Ordnung geschaffen. Sie hatten die Zugochsen nach langem Suchen und Jagen wieder zusammengetrieben, wobei ihnen der Instinkt der Tiere zu Hilfe gekommen war. Denn diese hatten sich nicht allzu weit entfernt, sondern waren, nachdem das Gebrüll der Löwen verstummt war, auf weichen Grasplätzen innerhalb des Dickichts am Flusse geblieben. Doch fehlten zwei der Ochsen, welche trotz aller Mühe nicht hatten aufgefunden werden können, und es war allen wahrscheinlich, daß sie von den Hyänen zerrissen worden seien. Beide Ochsen gehörten zum Zuge des Smauses Abraham ten Winkel, und der unglückliche Mann, der schon so viel Widerwärtigkeiten innerhalb der letzten Tage erlitten hatte, konnte sich über diesen neuen Verlust nur schwer trösten.

Als die Jäger mit dem Wildbret erschienen, wurden Vorkehrungen zu einer gemeinsamen Mahlzeit getroffen, welche Frühstück und Mittagessen in sich vereinigen sollte. Denn die Sonne stand schon hoch am Himmel, die gewöhnliche Einteilung der Zeit konnte heute nicht inne gehalten werden, und der größere Teil der heutigen Weiterfahrt mußte auf den Nachmittag und Abend verlegt werden. Nun wurden Kessel über Feuerlöchern angesetzt und Kaffee und Mais gekocht, dazu eiserne Gabeln in den Boden gestoßen, über denen Spieße mit Antilopenbraten sich drehten. Nur die Zulukrieger verschmähten das über dem Feuer gebratene Fleisch und bereiteten es sich in ihrer eigenen Weise zu. Sie legten einen Antilopenrücken ohne Salz einfach in die Kohlen hinein und drehten ihn im Feuer mit einem Stabe um, wenn er gar zu arg zu verbrennen drohte. Nach einer Weile zogen sie dann den Rücken heraus, rissen das mürbe Gewordene mit den Fingern ringsum ab, verschlangen es und warfen den noch rohen Teil von neuem in die Kohlen. Das wiederholten sie mehreremale, bis sie alles bis auf den Knochen abgenagt hatten.

Nach der Mahlzeit trennte sich die Gesellschaft. Der Jude zog gen Norden, betrübt über die Verluste, die er an dieser Stelle erlitten hatte, der Missionar mit seiner Begleitung wandte sich nach Südosten. Der Wagen dieses letztern Zuges war um eine stattliche Beute bereichert worden: die Felle der beiden gewaltigen Löwen, welche die Zulus mit geübter Hand abgehäutet hatten. Um nicht dasselbe Schicksal zu erleiden, das den roten Wagen des Juden betroffen hatte, ward die Furt genau untersucht. Denn die Flut hatte sich nur wenig verringert, so daß das Wasser nur wenige Handbreit niedriger stand als am vergangenen Tage. Die Zulus gingen daher zuerst in den Fluß und erprobten dessen Tiefe und Gangbarkeit. Sie fanden eine Stelle etwas oberhalb des Punktes, wo der Wagen des Smauses umgestürzt war, weil ein Rad über einen allzu hohen Stein wegging. Hier war der Boden eben, und das Wasser ging an den tiefsten Punkten den Zulus nur bis an die Mitte der Brust. Der Zug der Ochsen ward hierher geführt und quer hindurchgeleitet, und das Überschreiten der Furt lief glücklich ab. Zwar kamen die Ochsen so tief hinein, daß sie zuweilen schwimmen mußten und daß nur noch ihre Köpfe mit den langen Hörnern und dem dicken Jochholz oberhalb des Wasserspiegels zu sehen waren, aber der Zug war so lang, daß der größere Teil der Tiere immer gehen konnte. Als die Hinterochsen noch schwammen, wandelten die vordersten Paare schon jenseits auf dem Ufer, und so wurde kein Paar seitwärts getrieben, obwohl der Fluß ziemlich reißend strömte. Pieter Maritz schloß den Zug auf Jagers Rücken. Es machte ihm wenig aus, daß seine Stiefel und ledernen Beinkleider naß wurden, denn sie waren von der Jagd her noch nicht wieder ganz trocken. Aber bald sollten sie trocknen. Das jenseitige Ufer war kahl und sandig, der Weg auf eine unabsehbare Entfernung hin ohne Baum und Strauch und die Sonne von einer ungewöhnlichen Glut. Sie stand zur rechten Hand des Zuges ganz hoch am Himmel, und ihre Scheibe erschien durch die erhitzte Luft über der Erde in einer eigentümlichen Weise verändert. Sie schwamm wie ein goldener Teller im weißlich flimmernden Luftmeer. Nur unten, dicht über dem Horizont waren leichte, duftige Wolken zu sehen, sonst glich die ganze Himmelsdecke einer riesigen glühenden Kuppel von funkelndem Metall. Die Erde war unter diesem Strahlenglanz in hohem Grade erhitzt und schien dem Himmel gleich zu brennen. Die Ochsen hoben im Marsche ihre Beine hoch auf und tauchten mit sichtbarem Widerstreben ihre Hufe in denSand. Links und rechts lagen an mehreren Stellen des Weges Gerippe, welche seltsam vom Boden emporblickten, indem neben den starken, gewölbten Rippen der weiße Schädel mit den gebogenen, langen, schwarzen Hörnern emporragte.

Der Missionar hatte sich in den Wagen gesetzt, um unter dem Verdeck geschützt zu sein, die farbigen Diener hatten breitrandige helle Filzhüte auf dem Kopfe, nur die Zulus gingen schutzlos in der Sonne und ließen das Licht ruhig auf ihre krausen Frisuren und die glänzenden schwarzen Körper fallen. Nichts Lebendes ließ sich zu dieser Stunde außer dem Zuge des Missionars auf der Ebene sehen, nur einmal rannte in weiter Ferne ein Rudel Zebra dahin, deren schwarze und weiße Streifen Pieter Maritz mit seinen scharfen Augen unterscheiden konnte.

Der Marsch hatte nun schon über drei Stunden gedauert, den Zugochsen hing die dürstende Zunge aus dem Halse, und noch war kein Fleck zu sehen, der sich zur Ruhe geeignet hätte. Der Missionar ließ halten und kam aus dem Wagen hervor.

»Es geht so nicht weiter,« sagte er zu Pieter Maritz, »was sollen wir machen? Die Tiere bedürfen des Wassers, aber wir finden hier kein Wasser am Wege.«

»Ich sehe dort einen Hügel,« sagte der Knabe, zur linken Hand hin weisend. »Ich will mit den Zulus dorthin, um zu sehen, ob wir an seinem Fuße Wasser finden. Wir wollen Spaten mitnehmen, um ein Loch zu graben.«

»Gut,« sagte der Missionar, »aber die Tiere können es nicht lange mehr aushalten, und wir müssen ihnen wohl aus dem Fasse geben.«

Er ließ die Ochsen ausspannen, damit sie sich erholen könnten, und man sah sie alsbald nach allen Seiten hin schnuppern, ob sie etwa eine ferne Quelle oder auch nur ein Wasserloch entdecken könnten. Aber sie senkten mutlos die Köpfe und stellten sich dann so, daß ihre brennenden Hufe im Schatten der eigenen Körper standen, wobei sie sich zusammendrängten und immer die außerhalb Stehenden sich bemühten, in das Innere des Haufens einzudringen. Der Missionar ließ indessen aus dem Fasse in Becher laufen und erquickte seine Begleiter und sich selbst. Das Wasser war warm geworden und zu einer andern Zeit würde es wohl von jedem verschmäht worden sein, aber heute erschien es allen wie ein köstliches Getränk. Als dann die Menschen getrunken hatten, ließ er einen Eimer füllen, und mit großer Not inmitten der sich nun herandrängendenTiere wurde jedem der Ochsen ein kleiner Trunk verabreicht.

Währenddessen begaben sich Pieter Maritz und die Zulus, denen sich zuletzt auch noch der Missionar selbst zu Pferde anschloß, nach dem Hügel und spähten eifrig nach Fußspuren von Wild, welche angedeutet haben würden, daß Wasser in der Nähe sei. Aber es waren keine Fährten zu entdecken. Der Hügel war entlegener, als sie zuerst vermutet hatten, und nahm beim Näherkommen eine andere Gestalt an, indem er sich als Ausläufer einer Hügelkette zeigte. Er war sandig, mit Steinen bedeckt und ohne jeden Pflanzenwuchs, aber als die Reisenden auf seinen Gipfel kamen, sahen sie Buschwerk und einzelne Bäume auf der andern Seite. Die Zulus entdeckten sogar, was die Weißen nicht zu erkennen vermochten: den Rauch aus menschlichen Wohnungen in weiter Ferne sich aus waldiger Umgebung emporkräuseln. Belebt durch die Aussicht auf das Buschwerk, da dies die Hoffnung auf Wasser erweckte, stiegen sie den Hügel auf der andern Seite hinab, waren aber erst einige hundert Schritte gegangen, als sie plötzlich still standen, indem sie frische Spuren von Löwen am Boden bemerkten, die vor ganz kurzer Zeit auf diesem Platze gewesen sein mußten. Dann gingen sie, vorsichtig um sich blickend, weiter. Am Fuße des Hügels erblickten sie gar bald ein rundes Loch in der Nähe einiger Rhenosterbüsche, und dies Loch war mit Wasser gefüllt. Sie eilten dahin, aber ein abschreckender Gestank kam ihnen entgegen. In dem Wasser von trübem Aussehen schwamm eine Masse, welche nicht deutlich zu erkennen war, und als die Zulus diese Masse mit dem Schafte ihrer Spieße bewegten und emporhoben, zeigte sich, daß es eine tote Hyäne war. Dem Anschein nach war dies Loch von Kaffern gegraben und das Wasser von ihnen vergiftet, um die Raubtiere zu vertilgen. Es mußten Wohnungen von Kaffern in dieser Gegend sein.

Mit Abscheu wandten sich die Reisenden von dem häßlichen Anblick des vergifteten Tieres ab und gingen weiter, auf die Bäume zu, als sich ihnen ein Schauspiel von herzbewegender Traurigkeit bot. Ganz einsam unter einem der Bäume, Euphorbien, die ihre blattlosen Zweige von dem glatten Stamm aus in gleichen Winkeln kandelaberförmig in die Höhe streckten, saß ein altes, schwarzes Weib, nackt, ein lebendiges Gerippe, und lehnte ihr weißhaariges Haupt auf die Kniee. Sie blickte empor, als sie die Nähe der Fremden bemerkte, und blickte entsetzt auf die weißen Gesichter.Dann versuchte sie aufzustehen, um zu fliehen, aber zitternd vor Schwäche sank sie wieder zusammen.

Der Missionar stieg vom Pferde, redete sie mit sanftem Tone in der Sprache des Volkes jenes Landes an und nannte sie mit einem Namen, welcher unter jedem Himmelsstrich süß klingt, und selbst das Ohr des Wilden sanft berührt. »Meine Mutter,« sagte er, »fürchte nichts. Wir sind Freunde, wir wollen dir kein Leid thun. Wie kommst du in diese Wildnis, und warum bist du so allein?«

Sie antwortete zuerst nicht, sondern sah nur erschrocken in des Missionars Gesicht, bis er seine Frage wiederholte. Dann sagte sie mit schwacher Stimme: »Ich bin eine alte Frau, ich sitze hier seit vier Tagen; meine Kinder haben mich hier zurückgelassen, damit ich sterbe.«

»Deine Kinder?« fragte der Missionar.

»Ja,« sagte sie, die magere Hand auf ihre welke, runzlige Brust legend, »meine eigenen Kinder, drei Söhne und zwei Töchter. Sie sind dorthin gegangen, nach jenen blauen Bergen und haben mich hier zurückgelassen, um zu sterben.«

»Und warum haben sie dich verlassen? Ich bitte dich, sage es mir!« rief der Missionar voller Entsetzen, indem er seine Hände faltete.

»Ich bin alt,« sagte sie, »und ich bin nicht mehr kräftig genug, ihnen zu dienen. Wenn sie auf die Jagd gehen, kann ich nicht mehr das Fleisch nach Hause tragen, weil ich zu schwach bin. Ich kann kein Holz mehr sammeln, um Feuer zu machen und ich kann auch ihre Kinder nicht mehr wie früher auf meinem Rücken tragen.«

Als das alte Weib so sprach, blickte der Missionar gen Himmel und weinte laut. »O Heidentum!« rief er, »o Heidentum! O du Heiland aller Menschen, laß deine Liebe zu diesem armen, unseligen Volke kommen!«

Auch Pieter Maritz konnte seine Bewegung nicht verbergen, und obwohl ihm die Zunge vor Hitze und Durst am Gaumen klebte, rann ein Strom von Thränen über seine Wangen. Nur die Zulus blickten unbewegten Auges auf die Scene und betrachteten die Thränen der Weißen mit verächtlicher Verwunderung.

»Ich bin erstaunt, dich hier lebend zu sehen,« sagte der Missionar von neuem zu der Alten. »Denn es gehen Löwen hier umher und müssen dich längst bemerkt haben.«

Die alte Frau faßte die Haut ihres linken Armes mit den Fingerspitzen und zog sie empor, als sei es lockeres, leichtes Gewand. »Ich habe die Löwen gehört und gesehen,« sagte sie, »aber es ist nichts an mir, was sie fressen möchten.«

Der Missionar griff in die Tasche und holte ein Stück Maiskuchen und gedörrtes Fleisch hervor. »Nimm dies, meine Mutter,« sagte er, »und iß. Wir wollen dich nicht sterben lassen, du sollst nicht hier bleiben. Wir wollen dich mit uns nehmen und für dich sorgen.«

Die Alte nahm die Lebensmittel, aber als sie die Worte des Missionars hörte, fing sie vor Angst zu zittern an. »Ich will nicht mit,« sagte sie flehend, »laßt mich hier. Es ist so unsere Sitte, ich bin auch schon beinahe tot, ich will nicht das Sterben noch einmal anfangen.«

Vergeblich redete der Missionar ihr zu und versprach ihr, sie zu stützen, daß sie zu seinem Wagen gehen könne, und auch künftig für sie zu sorgen. Sie ward von diesen Vorschlägen so erregt, daß sie in Krämpfe zu verfallen drohte, und der Missionar mußte davon abstehen, sie mit sich zu nehmen. Doch beschloß er, mit dem Wagen hierher zu kommen, sobald sich Wasser gefunden hätte, weil er es nicht übers Herz bringen konnte, die alte Frau zu verlassen. Er wollte seine Reise unterbrechen und von der vorgesetzten Richtung abbiegen, um dies unglückliche Wesen zu beschützen. So setzten die Reisenden vorläufig ihren Weg fort.

»Dieses sklavische Volk hat schlechte Sitten,« sagte Molihabantschi. »Es ist nicht gut, die alten Leute verhungern zu lassen. Selbst die Löwen haben bessere Sitten, denn wenn sie eine Beute teilen, fressen die alten Tiere zuerst, und die jungen warten, bis jene satt sind. Ist aber ein Löwe zu alt und schwach, um mit auf die Jagd zu gehen, so bringen ihm seine Kinder das Futter.«

»Glaubst du, daß die Löwen dies mit Verstand und Überlegung thun?« fragte der Missionar.

Molihabantschi sah ihn verwundert an. »Die Löwen sind sehr klug,« erwiderte er. »Ich sah einen Löwen, welcher auf einem Felsen am Flußufer lauerte, um Zebras zu fangen, welche zur Tränke gingen. Er wollte auf das letzte Tier der Herde springen, aber versah sich und sprang zu kurz, so daß die Zebras flohen und er keines davon bekam. Da beguckte er sich die Stelle, von wo er gesprungen war, und machte den Satz mehreremale, bis dieser weit genug war. Dann kamen noch zwei Löwen zu ihmund sie gingen zusammen auf und ab, wobei er ihnen die Stelle zeigte, wo die Zebras zu trinken pflegten. Sie sprachen dabei laut miteinander, doch konnte ich kein Wort verstehen, obschon sie stark brüllten.«

Pieter Maritz und der Missionar wußten, daß die Kaffernvölker glauben, die Tiere sprächen miteinander, und sie lachten nicht über die Erzählung des Zulu. Sie schritten weiter im Thale hin und kamen zu ihrer Freude an ein Gewässer. Zwar war es nur ein Teich, der nicht im Fließen war und trübe aussah, aber sie waren glücklich. Der Missionar beschloß, hier Rast zu halten.

»Ich habe die Absicht, mich nach Botschabelo, der Missionsstation, zu begeben,« sagte er zu dem Knaben. »Ich dachte diesen Platz in zwei Tagen zu erreichen, werde nun aber drei Tage auf den Weg verwenden müssen. Denn ich bringe die Ochsen heute nicht mehr weiter, vor allem aber wüßte ich nicht, wie ich die arme alte Frau fortbringen sollte, ohne daß der Wagen hierher kommt. Wir wollen umkehren und den Wagen holen.«

Während dieser Worte ging der Missionar an das Wasser hinab, und er sowohl wie seine Begleiter und die beiden Pferde labten sich an einem Trunk. Pieter Maritz glaubte zu bemerken, daß die Zulus aufmerksam geworden wären, als sie den Namen Botschabelo hörten, doch achtete er nicht weiter darauf, weil sich ihm jetzt ein wunderlicher Anblick bot. Ein großer Vogel erhob sich auf dem jenseitigen Ufer, der einen dunklen Gegenstand in seinen Krallen trug. Er flog gerade empor und ließ dann das Ding, welches er trug, zu Boden fallen, auf die Steine, welche dort zerstreut lagen. Alsdann schoß er selbst herab, packte den Gegenstand von neuem und wiederholte dasselbe Spiel, indem er ihn aus der Höhe fallen ließ. Pieter Maritz ritt, da er sich dies nicht erklären konnte, eilig um den Teich herum, und bei seinem Herannahen ward der Vogel scheu und flog davon, ohne das Ding mitzunehmen, mit welchem er beschäftigt war. Der Knabe erreichte die Steine und sah, daß es eine Schildkröte war, welche der Raubvogel erbeutet hatte. Sie lag dort mit zerbrochenem Schilde, und der Vogel hatte sie auf die Steine geworfen, um sich ihres Fleisches bemächtigen zu können. Mehrere zerbrochene Schilder von Schildkröten lagen außerdem umher. Der Knabe hob das Tier auf, welches wohl fünfzehn Pfund wiegen mochte, und nahm es mit sich als einen Beitrag zum Abendessen.

Dann kehrten die Reisenden zurück, um den Wagen zu holen.Sie kamen an der Stelle vorüber, wo das alte Weib saß, und fanden es wieder mit dem Kopfe auf den Knieen in seiner hockenden Lage. Sie gingen ruhig vorüber, um es nicht von neuem zu ängstigen, und stiegen wieder über den Hügel, welcher in die Ebene führte. Hier herrschte eine unendliche Glut, und die freie Fläche dort unten glich einem riesigen Herde, von welchem Hitze emporstrahlt. Sie blickten nach dem Wagen hin, der eine halbe Wegstunde entfernt sein mußte, aber anstatt der dunklen Gruppe, die sie vorhin beim Umschauen von dem Hügel aus gesehen, bot sich ihnen ein anderes und wunderbares Bild.

Sie sahen einen See vor sich ausgebreitet, dessen heller Spiegel erfrischend glänzte, und dessen Ufer in lieblichster Weise mit schwankenden, vom Winde bewegten Bäumen eingefaßt waren. Schlanke Palmen, Tamarisken und Agaven wiegten ihre graziösen Blattflächen und hellen Blüten, und zwischen ihnen erhoben sich weiße Landhäuser und phantastische, spitze Türme mit goldenen Kuppeln.

Staunend sahen sie diesen reizenden Anblick, welcher ein Paradies vor ihre brennenden Augen hinzauberte, und langsam schritten sie den Hügel hinab darauf zu. Da löste sich ein langer Zug von Menschen und Tieren von dem Gestade des lockenden Sees los und kam ihnen entgegen. Reiter und Fußgänger mit wallenden Mänteln und langen Speeren kamen daher, über ihren Häuptern flatterten Fahnen und ihre Waffen blitzten. Aber nach und nach, wie die Reisenden vorwärts kamen, wuchsen die vordersten Reiter des ihnen entgegenkommenden Zuges zu Riesen an. Ihre Lanzenspitzen reichten bis zum Himmel, und ihre Rosse wurden größer wie Giraffen und Elefanten. Sie gingen noch weiter vor, in Staunen verloren, und nun wurden die Gestalten und der See blässer und blässer, der wundersame Schimmer, welcher das Land verklärte, ward zu einem gelblichen, durchsichtigen Nebel, und endlich war alles verschwunden, und sie fanden sich in der glühenden gelben Sandwüste, den Wagen mit den verschmachtenden Ochsen gerade vor sich.

Es hatte sich ihnen, wie der Missionar erklärte, eine Luftspiegelung, eine Fata Morgana gezeigt, welche zuweilen entsteht, wenn die Hitze der Sonnenstrahlen von der flachen Erde zurückgeworfen wird.

Der letzte Rest aus dem Wasserfasse ward jetzt unter die Ochsen verteilt, um ihnen neuen Mut zu geben, und obwohl ein jedes Tiernur einen Zug thun durfte, war die Wirkung doch sehr belebend. Dann ging es vom Wege seitwärts ab nach dem hügeligen Lande. Die Ochsen merkten, daß es zur Rast ging, sie setzten ihre letzte Kraft daran und kamen stöhnend über den Hügel in das Thal. Aber als sie den Platz erreichten, wo die alte Frau sein mußte, da fanden sie ihren Körper zwar wieder, aber für jede Hilfe war es zu spät, denn die Seele war entflohen. Die Umschlingung ihrer Kniee mit den Armen hatte sich gelöst, ihr Kopf war nach rückwärts gefallen, und kein Atem bewegte mehr die Brust und die Lippen.

Da sprach der Missionar ein Gebet, und die schwarzen Diener schaufelten eine Grube in den Sand und legten den mageren Leib hinein. Dann ging es wieder vorwärts. Mühsam wühlten sich die Ochsen durch den tiefen Sand des Thales nach den noch entfernt stehenden Bäumen und Büschen hin, welche den Ort des Teiches erkennen ließen. Sie ließen die Köpfe hängen und schnoben aus tiefster Brust.

Mit einem Male begann ein Wind dem Zuge entgegenzuwehen, der einen seltsam frischen Hauch mit sich führte. Der Wind blies aus Nordost und er hatte eine Art von Beigeschmack wie von frischem Grase. Die Ochsen erhoben ihre Köpfe, sogen die Luft mit Begierde ein, und drangen schneller vor. Sie schüttelten die Joche, als seien sie ungeduldig, nicht ungehindert laufen zu können. Wenige Minuten später ward der Wind stärker, und ein sonderbares Heulen begleitete seinen Gang über die Hügel hin. Zugleich veränderte sich die Beleuchtung. Die Reisenden blickten sich um, da es war, als rücke ein Schatten von hinten her über den Himmel weg, und sie sahen, daß die kleinen zarten Wolken, welche um Mittag dicht über dem Horizont gestanden hatten, nun heraufgezogen waren und gleich Schneebergen, ganz weiß mit einem leichten, gelben Saume, dem Winde entgegeneilten.

Nun entstand plötzlich eine Totenstille. Es war, als begegneten sich der Wind und die Schneeberge zu einem Kampfe und rüsteten sich schweigend. Die Ochsen standen still, kein Schlag brachte sie vorwärts, sie zitterten und bohrten ihre Hufe in den Boden.

»Schirrt sie ab!« rief der Missionar. »Ein Gewitter kommt!«

Alsbald stürzten sich die Schwarzen auf das Gespann, lösten die Jochhölzer ab und ließen das Zugseil fallen. Während sie so arbeiteten, zeigte der Himmel eine auffallende Veränderung. Diegroßen, den Schneebergen ähnlichen Wolken zogen mit scharf umrissenen Formen noch immer in der Richtung nach Nordosten, aber ihnen gegenüber waren, ohne daß man sagen konnte, woher sie kamen, andere Wolken entstanden, welche den entgegengesetzten Weg zogen. Diese gingen tiefer über der Erde hin und glichen losem Wasserdampf, der keine bestimmte Gestalt annimmt, sondern schleierartig wallt. Beide Wolkenschichten zogen mit großer Schnelligkeit gegeneinander und untereinander, und das Sonnenlicht verschwand vollständig. Es ward dunkel und noch immer dauerte die unheimliche Stille. Da, auf einen Schlag, brach ein gewaltiges Wetter los. Es sah aus, als sprängen Blitze in mannigfacher Form, im Zickzack, schräg hin und auch in Bogenlinien, von der Erde empor nach dem Himmel. Dann sah es wieder aus, als fiele eine feurige Kette in Stücken von den Wolken herab. Die Blitze fielen so häufig, daß oft zwanzig in einer Minute zu zählen waren, und ein Donner erschütterte die Luft, der Schlag auf Schlag mit solcher Kraft rollte, daß die Erde unter den Füßen der Reisenden bebte. Dies dauerte mehrere Minuten lang und dann ergoß sich eine Wasserflut vom Himmel herab, als stürze ein Ocean aus den Wolken nieder. Es war ganz finster, nur die Blitze erhellten die Scene. Sie sprangen nicht mehr zwischen Himmel und Erde auf und nieder, sondern wälzten sich gleichsam am Boden hin wie feurige Schlangen, die in ganzen Herden sich daherringelten. Ohne Aufhören brüllte dazu der Donner.

Pieter Maritz war vom Pferde gestiegen und hielt das zitternde Tier am Zügel. Er blickte zum Wagen hin und sah keinen der Ochsen mehr. Als der Sturm losbrach, die Blitze zuckten und der Donner grollte, waren sie voller Entsetzen davongestürmt. Der heulende Wind trieb das losgerissene Verdeck einem Segel gleich empor und ließ es wie eine riesige Fahne flattern. Die farbigen Diener waren unter den Wagen gekrochen und hockten dort in angstvoller Stellung. Neben dem Wagen stand der Missionar. Er hielt gleich dem Knaben sein Pferd am Zügel und blickte in einer andächtigen Stellung mit über der Brust gefalteten Händen zu dem von Blitzen erleuchteten Himmel auf. Sein von weißem Haar und Bart umgebenes Antlitz erschien dem Knaben unbeschreiblich ehrwürdig. Nur für Augenblicke war dies Bild dem Knaben sichtbar, alsdann ward es wieder in Finsternis getaucht. Denn die Wolken hingen so niedrig zur Erde herab und gossen solche Regenschauer nieder, daß nur die Blitze Licht geben konnten. Jetzthuschte etwas ungemein Schnelles heran, es glich einem Trupp von Schweinen mit hoch gebogenen Rücken, doch wie es dicht neben dem Knaben vorüberkam, sah er, daß es ein Rudel Hyänen war. Ihre unheimlichen Gestalten verschwanden so schnell wie sie erschienen waren. Die Tiere waren in Angst und dachten nur an Flucht vor dem Unwetter, wie auch die Pferde vor dem Anblick der gefährlichen Bestien zu dieser Stunde nicht scheuten, sondern unter dem stärkeren Eindruck der entfesselten Elemente standen.

Die Wassergüsse hatten schon nach kurzer Zeit den Boden völlig aufgeweicht. Sie spülten den losen Sand von den Hügeln herunter und ließen die kleineren Steine mitrollen. Diese von den Höhen fließenden Bäche sammelten sich in den Thälern, und bald rann ein Strom von mehreren Fuß Tiefe durch die Niederungen, wo die Reisenden sich befanden und spülte bis an die Achse des Wagens. Der Missionar und Pieter Maritz mußten mit ihren Pferden seitwärts die Höhe hinansteigen, um außerhalb der Fluten zu sein, und in Schreck und Furcht schlossen sich ihnen die Diener an, welche das Wasser unter dem Wagen hervorgetrieben hatte. Wären die Hügel höher und die Tiefen abschüssiger gewesen, so wäre der Wagen fortgespült worden. Es war ein Glück, daß die unebene Bildung des Bodens nur in geringem Maße vorhanden war. So war es auch ein Glück, daß die Ochsen vom Wagen abgeschirrt waren, denn sie hätten gewiß beim Leuchten der Blitze und dem furchtbaren Krachen der Donnerschläge in wilder Flucht den Wagen mit sich gerissen und wären mit ihm zu Grunde gegangen. So durften die Reisenden hoffen, die versprengten Tiere nach dem Aufhören des Gewitters wiederzufinden.

Der heftige Zorn der drohenden Wolken hielt nicht lange an, bald hörten Blitz und Donner auf, die schwarzen Wolken trennten sich und ließen die Sonne wieder durchscheinen. Doch zogen die Wolken nicht völlig vorüber, sondern nach kurzer Helligkeit gab es neue Güsse, und dieses Wetter hielt an, bis die Sonne untergegangen und die Nacht hereingebrochen war. Dann klärte sich der Himmel auf, der Mond und die Sterne gossen ihr mildes, weißes Licht über das Land aus.

Die Reisenden hatten bis jetzt zusammengedrängt am Hügel gestanden, von Nässe triefend, frierend und ohne imstande zu sein, irgend etwas zu unternehmen. Doch verloren sich jetzt mit zauberhafter Schnelligkeit die Wasserfluten. Der Erdboden schien sie plötzlich eingesogen zu haben, sobald neuer Zufluß aufhörte. Nunmachten sich der Missionar und seine Begleiter sofort auf, um nach den Ochsen zu sehen. Sie schritten beim Mondlicht vorwärts in dem Thale und erreichten die Stelle, wo sie am Nachmittage den Teich gefunden hatten. Aber wie war die Scene verändert! Ein großer See war an der Stelle jenes Teiches, seine Wellen schlugen weit über die ehemaligen Ufer hinaus und bespülten die Bäume, welche vorhin hoch emporgeragt hatten, bis zur halben Höhe des Stammes. Von den Ochsen war nichts zu sehen. Sollten sie in diesen See geraten und ertrunken sein?

Ein unheimliches Brüllen erhob sich jetzt in der Nachbarschaft und ließ erkennen, daß die Löwen aus ihren Höhlen hervorgekommen waren und nach Beute ausgingen. Es war wegen der Nacht und wegen der Raubtiere nicht ratsam, auf eine fernere Suche nach den Ochsen auszugehen. Der Missionar beschloß, nach dem Wagen zurückzukehren und in demselben zu übernachten. Ein Feuer konnte nicht angezündet werden, da alle Gegenstände, alles Holz, alle Büsche völlig naß waren.

Mit einem Male fiel es Pieter Maritz auf, daß Humbati und Molihabantschi nicht zu sehen waren. Ein Schrecken fuhr durch seine Glieder.

»Wo sind die Zulus?« rief er.

Niemand konnte ihm Auskunft geben.

»Sie werden einen sichern Unterschlupf gefunden haben,« sagte der Missionar. »Diese Leute sind mit der Natur vertrauter als wir.«

Der Knabe sagte nichts, aber er glaubte nicht, daß sie noch in der Nähe wären. Große Sorge überfiel ihn. Er konnte nicht umherreiten, um sie zu suchen. Wohin hätte er reiten sollen? — Die farbigen Diener befestigten das Zeltdach über dem Wagen, und der Missionar mit seinen Begleitern krochen hinein.

»Ich werde Wache stehen,« sagte der Knabe, und getreulich hielt er, die Büchse im Arme, Wache während der Nacht. Er spähte unaufhörlich umher, ob er etwas hörte oder sähe, was ihn beruhigen könnte, denn ihn folterte die Befürchtung, seinen Auftrag schlecht vollführt zu haben. Aber nur die Stimmen der Nachttiere, das Heulen der Panther und Hyänen und das Brüllen der Löwen, durchbrach die Stille. Nur einmal glaubte er Molihabantschi vor sich zu sehen. Er erblickte plötzlich funkelnde Augen in der Nähe, die ihm Ähnlichkeit mit dem Blick dieses Kriegers zu haben schienen, und er hoffte für eine Sekunde, in der dunkeln Gestalt, die dort auftauchte, den Zulu zu erkennen. Aber imnächsten Augenblick sah er deutlicher. Die Augen gehörten einer großen Hyäne an, und noch mehrere andere Paar blitzender Augen tauchten auf. Die Tiere hatten sich heimlich und still herangeschlichen, ohne daß die übermüdeten Pferde, die im Stehen, an den Wagen angebunden, schliefen, es bemerkt hatten.

Pieter Maritz nahm die große Hyäne aufs Korn, und als der Schuß krachte, wälzte sie sich tödlich getroffen am Boden; die andern flohen, aber noch zweimal fuhr die mörderische Kugel in das Rudel hinein und streckte noch zwei der Tiere auf der Flucht nieder. Erschrocken fuhren die Schläfer empor, aber legten sich bald wieder nieder, als der Knabe sie beruhigte. Dann ward es still umher, der Knall der menschlichen Waffe hatte die Wildnis beruhigt.

Doch des Knaben blaue Augen ruhten nicht. Sie blickten nach den verschwundenen Gesandten des Zulukönigs aus.


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