Courage erfährt, wer ihre Eltern gewesen, und bekommt wieder einen andern Mann.
Courage erfährt, wer ihre Eltern gewesen, und bekommt wieder einen andern Mann.
Aber ich hätte lang harren müssen, biß mir etwas Rechts angebissen, dann die gute Geschlechter[77]verblieben bei ihres gleichen, und was sonst reich war, konte auch sonst reiche und schöne und vornehmlich (welches man damals noch in etwas beobachtete) auch ehrliche Jungfrauen zu Weibern haben, also daß sie nicht bedorften, sich an eine verlassene Soldatenhur zu henken. Hingegen waren etliche, die entweder Banquerot gemacht oder bald zu machen gedachten; die wolten zwar mein Geld, ich wolte aber darum sie nicht. Die Handwerksleut waren mir ohnedas zu schlecht. Und damit blieb ich ein ganz Jahr sitzen, welches mir länger zu gedulden gar schwer und ganz wider die Natur war, sintemal ich von der guten Sache, die ich genosse, ganz kützelig wurde; dann ich brauchte mein Geld, so ich hie und dort in den großen Städten hatte, den Kauf- und Wechselherren zuzeiten beizuschießen[78], daraus ich so ein ehrlich Gewinnchen erhielte, daß ich ziemliche gute Tag davon haben konte und nichts von der Hauptsumma verzehren dorfte. Weilen es mir dann an einem andern Ort mangelte und meine schwache Beine diese gute Sache nicht mehr ertragen konten oder wolten, machte ich mein Geld per Wechsel auf Prag, mich selbst aber mit etlichen Kaufherren hernach und suchte Zuflucht bei meiner Kostfrauen zu Bragoditz, ob mir vielleicht alldorten ein besser Glück anstehen möchte. Dieselbe fande ich gar arm, weder[79]ich sie verlassen, dann der Krieg hatte sie nit allein sehr verderbt[80], sondern sie hatte auch allbereit vor dem Krieg mit mir, und ich nit mit ihr gezehret.Sie freuete sich meiner Ankunft gar sehr, vornehmlich als sie sahe, daß ich nicht mit leerer Hand angestochen kam; ihr erstes Willkommenheißen aber war doch lauter Weinen; und indem sie mich küßte, nennete sie mich zugleich ein unglückseliges Fräulin, welches seinem Herkommen gemäß schwerlich würde sein Leben und Stand führen mögen, mit fernerem Anhang, daß sie mir fürderhin nit mehr wie vor diesem zu helfen, zu rathen und vorzustehen wisse, weil meine beste Freund und Verwandten entweder verjagt oder gar todt wären.
Und überdas sagte sie, würde ich mich schwerlich vor den Kaiserlichen dörfen sehen lassen, wann sie meinen Ursprung wissen wolten.
Und damit heulete sie immer fort, also daß ich mich in ihre Rede nicht richten, noch begreifen konte, ob es gehauen oder gestochen, gebrant oder gebohrt wäre. Da ich sie aber mit Essen und Trinken, dann die gute Tröpfin muste den jämmerlichen Schmalhansen in ihrem Quartier beherbergen, wiederum gelabt und also zurecht gebracht, daß sie schier ein Tummel[81]hatte, erzählte sie mir mein Herkommen gar offenherzig und sagte, daß mein natürlicher Vatter ein Graf und vor wenig Jahren der gewaltigste Herr im ganzen Königreich gewesen, nunmehr aber wegen seiner Rebellion wider den Kaiser des Lands vertrieben worden[82]und, wie die Zeitungen mitgebracht, jetzunder an der türkischen Porten sei, alda er auch so gar sein christliche Religion in die türkische verändert haben solle. Meine Mutter, sagte sie, sei zwar von ehrlichem Geschlecht geboren, aber eben so arm als schön gewesen. Sie hätte sich bei des gedachten Grafen Gemahlin vor eine Staatsjungfer aufgehalten, und indem sie der Gräfin aufgewartet, wäre der Graf selbst ihr Leibeigener worden, und hätte solche Dienste getrieben, biß er sie auf einen adelichen Sitz verschafft, da sie mit mir niederkommen; und weilen eben damals sie, meine Kostfrau, auch einen jungen Sohn entwöhnet, den sie mit desselbigen Schlosses Edelmann erzeugt, hätte sie meine Säugamme werden und mich folgends zu Bragoditz adelich auferziehen müssen, worzu dann beides Vatter und Mutter genugsame Mittel und Unterhaltung hergeben.
»Ihr seid zwar, liebes Fräulin«, sagte sie ferner, »einem tapferen Edelmann von euerem Vatter versprochen worden,derselbe ist aber bei Eroberung von Pilsen gefangen und als ein Meineidiger neben andern mehr durch die Kaiserlichen aufgehenkt worden.«
Also erfuhr ich, was ich vorlängst zu wissen gewünscht, und wünschte doch nunmehr, daß ichs niemal erfahren hätte; sintemal ich so schlechten Nutzen von meiner hohen Geburt zu hoffen. Und weil ich keinen andern und bessern Rath wuste, so machte ich einen Accord mit meiner Säugamm, daß sie hinfort meine Mutter und ich ihre Tochter sein solte. Sie war viel schlauer als ich, derowegen zog ich auch auf ihren Rath mit ihr von Bragoditz auf Prag; nicht allein zwar, daß wir den Bekanten aus den Augen kämen, sondern zu sehen, ob uns vielleicht alldorten ein anders Glück anscheinen möchte. Im übrigen so waren wir recht vor einander, nicht daß sie hätte kupplen und ich huren sollen, sondern weil sie eine Ernährerin, ich aber eine getreue Person bedorfte, gleich wie diese eine gewesen, deren ich beides Ehr und Gut vertrauen konte. Ich hatte ohne Kleider und Geschmuck bei 3000 Reichsthaler baar Geld beieinander und dannenhero damals keine Ursach, durch schändlichen Gewinn meine Nahrung zu suchen. Meine neue Mutter kleidete ich wie eine ehrbare alte Matron, hielte sie selbst in großen Ehren und erzeigte ihr vor den Leuten allen Gehorsam. Wir gaben uns vor Leute aus, die auf der teutschen Grenz durch den Krieg vertrieben worden wären, suchten unseren Gewinn mit Nähen, auch Gold-, Silber- und Seidensticken, und hielten uns im übrigen gar still und eingezogen, meine Batzen genau zusammen haltend, weil man solche zu verthun pflegt, ehe mans vermeint, und deren keine andere kan gewinnen, wann man gern wolte.
Nun, diß wäre ein feines Leben gewest, das wir führten, ja gleichsam ein klösterliches, wann uns nur die Beständigkeit nicht abgangen wäre. Ich bekam bald Buhler; etliche suchten mich wie das Frauenzimmer im Bordell, und andere Tropfen, die mir meine Ehre nit zu bezahlen getrauten, sagten mir viel vom Heurathen, beide Theil aber wolten mich bereden, sie würden durch die grausame Liebe, die sie zu mir trügen, zu ihren Begierden angesporet. Ich hätte aber keinem geglaubt, wann ich selbst ein keusche Ader in mir gehabt. Es gieng halt nach dem alten Sprichwort: Gleich und gleich gesellt sich gern; dann gleich wie man sagt, das Stroh in den Schuhen, ein Spindel im Sack und eine Hur im Haus läßt sich nicht verbergen,also wurde ich auch gleich bekant und wegen meiner Schönheit überal berühmt. Dannenhero bekamen wir viel zu stricken, und unter anderem von einem Hauptmann ein Wehrgehenk, welcher vorgabe, daß er vor Liebe in den letzten Züge läge. Hingegen wuste ich ihm von der Keuschheit so ein Haufen aufzuschneiden, daß er sich stellte, als wolte er gar verzweifeln; dann ich ermaße die Beschaffenheit und das Vermögen meiner Kunden nach der Regul meines Wirths zum Guldenen Löwen zu N. Dieser sagte: Wann mir ein Gast kommt und gar zu unmäßig viel höflicher Complimenten macht, so ist ein gewisse Anzeigung, daß er entweder nicht viel zum besten, oder sonst nicht im Sinn hat, viel zu vergeben; kommt aber einer mit Trutzen und nimmt die Einkehr bei mir gleichsam mit Pochen und einer herrischen Botmäßigkeit, so gedenke ich: holla, diesem Kerl ist der Beutel geschwollen, dem must du schrepfen!
Also tractiere ich die Höfliche mit Gegenhöflichkeit, damit sie mich und meine Herberg anderwärts loben, die Schnarcher[83]aber mit allem, das sie begehren, damit ich Ursach habe, ihren Beutel rechtschaffen zu actioniren.
Indem ich nun diesen meinen Hauptmann hielte wie dieser Wirth seine höfliche Gäst, als hielte er mich hingegen, wo nicht gar vor einen halben Engel, jedoch wenigst vor ein Muster und Ebenbild der Keuschheit, ja schier vor die Frommkeit selbsten. In Summa er kam so weit, daß er von der Verehlichung mit mir anfieng zu schwätzen, und ließe auch nicht nach, biß er das Jawort erhielte. Die Heuratspuncten waren diese, daß ich ihm 1000 Reichsthaler baar Geld zubringen, er aber hingegen mich in Teutschland zu seinem Heimath um dieselbige versichern solte, damit, wann er vor mir ohne Erben sterben solte, ich deren wieder habhaft werden könte; die übrige 2000 Reichsthaler, die ich noch hätte, solten an ein gewiß Ort auf Zins gelegt und in stehender Ehe die Zins von meinem Hauptmann genossen werden, das Capital aber ohnverändert bleiben, biß wir Erben hätten; auch solte ich Macht haben, wann ich ohne Erben sterben solte, mein ganz Vermögen, darunter auch die 1000 Reichsthaler verstanden, die ich ihm zugebracht, hin zu vertestieren wohin ich wolte &c. Demnach wurde die Hochzeit gehalten, und als wir vermeinten, zu Prag bei einander, so lang der Krieg währete, in der Guarnison gleich wie im Frieden in Ruhe zu leben, sihe, da kam Ordre, daß wir nach Holstein in den Dänemärkischen Krieg marschiern müsten.
Fußnoten:[77]Geschlechter, Patricier.[78]beischießen, etwas in das Geschäft geben.[79]weder, als, wie; sonst häufiger nach Comparativen.[80]verderben, zu Grunde richten.[81]Tummel, Taumel, Rausch.[82]Vgl. die Einleitung.[83]Schnarcher, die mit groben Redensarten auftreten.
[77]Geschlechter, Patricier.
[77]Geschlechter, Patricier.
[78]beischießen, etwas in das Geschäft geben.
[78]beischießen, etwas in das Geschäft geben.
[79]weder, als, wie; sonst häufiger nach Comparativen.
[79]weder, als, wie; sonst häufiger nach Comparativen.
[80]verderben, zu Grunde richten.
[80]verderben, zu Grunde richten.
[81]Tummel, Taumel, Rausch.
[81]Tummel, Taumel, Rausch.
[82]Vgl. die Einleitung.
[82]Vgl. die Einleitung.
[83]Schnarcher, die mit groben Redensarten auftreten.
[83]Schnarcher, die mit groben Redensarten auftreten.
Nachdem Courage anfähet sich fromm zu halten, wird sie wieder unversehens zu einer Wittib.
Nachdem Courage anfähet sich fromm zu halten, wird sie wieder unversehens zu einer Wittib.
Ich rüstete mich trefflich ins Feld, weil ich schon besser als mein Hauptmann wuste, was darzu gehörete; und indem ich mich ängstigte, daß ich wieder dahin muste, wo man die Courage kennete, erzählte ich meinem Mann mein ganzes geführtes Leben, biß auf die Hurenstücke, die ich hie und da begangen, und was sich mit mir und dem Rittmeister zugetragen. Vom Namen Courage überredet ich ihn, daß er mir wegen meiner Tapferkeit zugewachsen wäre, wie dann sonst auch jedermann von mir glaubte. Mit dieser Erzählung kam ich denjenigen vor, die mir sonst etwan bei ihm einen bösen Rauch gemacht, wann sie ihm vielleicht solches und noch mehr darzu, ja mehr als mir lieb gewesen, erzählet hätten. Und gleich wie er mir damal schwerlich glaubte, wie ich mich in offenen Schlachten gegen dem Feind gehalten, biß es folgends andere Leut bei der Armee bezeugten, also glaubte er nachgehends auch andern Leuten nicht, wann sie ihm von meinen schlimmen Stücken aufschnitten, weil ich solche läugnete. Sonst war er in allen seinen Handlungen sehr bedächtig und vernünftig, ansehenlich von Person und einer von den Beherzten, also daß ich mich selbst oft verwunderte, warum er mich genommen, da ihm doch billicher etwas Ehrliches gebührt hätte.
Meine Mutter nahm ich mit mir vor eine Haushalterin und Köchin, weil sie nit zuruck bleiben wolt. Ich versahe unseren Bagagewagen mit allem dem, was man ersinnen hätte mögen, das uns im Feld solt nöthig gewesen sein, und machte eine solche Anstalt unter dem Gesind, daß weder mein Mann selbst drum sorgen noch einen Hofmeister darzu bedorfte; mich selbst aber mundirte ich wieder, wie vor diesem, mit Pferd, Gewehr, Sattel und Zeug, und also staffiert kamen wir bei den Häusern Gleichen[84]zu der Tillischen Armee, alwo ich balderkant, und von den mehristen Spottvögeln zusammen geschrieen wurde: »Lustig, ihr Brüder, wir haben ein gut Omen, künftige Schlacht zu gewinnen!«
»Warum?«
»Darum, die Courage ist wieder bei uns ankommen.«
Und zwar diese Lappen redeten nicht übel von der Sach, dann das Volk, mit dem ich kam, war ein Succurs von drei Regimentern zu Pferd und zweien zu Fuß, welches nicht zu verachten, sondern der Armada Courage genug mitgebracht, wann ich gleich nicht dabei gewesen wäre.
Meines Behalts[85]den zweiten Tag nach dieser glücklichen Conjunction geriethen die Unserige dem König von Dänemark bei Lutter in die Haar, allwo ich fürwahr nicht bei der Bagage bleiben mochte, sondern als des Feinds erste Hitze verloschen und die Unserige das Treffen wieder tapfer erneuert, mich mitten ins Gedräng mischte, wo es am allerdicksten war. Ich mochte keine geringe Kerl gefangen nehmen, sondern wolte meinem Mann gleich in der Erste[86]weisen, daß mein Zunamen an mir nicht übel angelegt wäre, noch er sich dessen zu schämen hätte, machte derowegen meinen edlen Hengst, der seines gleichen in Prag nicht gehabt, mit dem Säbel Platz, biß ich einen Rittmeister von vornehmen dänischen Geschlecht beim Kopf kriegte und aus dem Gedräng zu meinem Bagagewagen brachte. Ich und mein Pferd bekamen zwar starke Püff; wir ließen aber keinen Tropfen Blut auf der Walstatt, sondern trugen nur etliche Mäler und Beulen darvon. Weilen ich dann sahe, daß es so glücklich abgieng, machte ich mein Gewehr wieder fertig, jagte hin und holete noch einen Quartiermeister samt einem gemeinen Reuter, welche nicht ehe gewahr wurden, daß ich ein Weibsbild war, als biß ich sie zu obengedachten Rittmeister und meinen Leuten brachte. Ich besuchte[87]keinen von ihnen, weil jeder selbst sein Geld und Geldswerth heraus gab, was er hatte; vornehmlich aber ließe ich den Rittmeister fast höflich tractiren und nit anrühren, viel weniger gar ausziehen. Aber als ich mich mit Fleiß ein wenig beiseits machte, vertauschten meine Knecht mit den andern beiden ihre Kleider, weil sie trefflich wol mit Köllern mondirt waren. Ich hätte es zum dritten mal gewagt und fortgeschmiedet, dieweildas Eisen weich gewesen und die Schlacht gewähret, so mochte ich aber meinem guten Pferd nicht zu viel zumuthen. Indessen bekam mein Mann auch etwas wenigs an Beuten von denen, die sich aufs Schloß Lutter retiriert und ewiglich auf Gnad und Ungnad ergeben hatten, also daß wir beide in und nach dieser Schlacht in allem und allem aus tausend Gulden werth vom Feind erobert, welches wir gleich nach dem Treffen zugemacht und ohnverweilt per Wechsel nacher Prag zu meinen alldortigen 2000 Reichsthalern überschafft, weil wir dessen im Feld nicht bedörftig und täglich hofften, noch mehr Beuten zu machen.
Ich und mein Mann bekamen einander je länger je lieber, und schätzte sich als das eine glückselig, weil es das andere zum Ehegemahl hatte, und wann wir uns nit beide geschämt hätten, so glaub ich, ich wäre Tag und Nacht, in den Laufgräben, auf der Wacht und in allen Occasionen niemal von seiner Seiten kommen. Wir vermachten einander alles unser Vermögen, also daß das Letztlebende, wir bekämen gleich Erben oder nicht, das Verstorbene erben[88], meine Säugamme oder Mutter aber gleichwol auch ernähren solte, so lang sie lebte, als welche uns großen Fleiß und Treu bezeugte. Solche Vermächtnus hinterlegten wir, weil wirs in Duplo ausgefertigt, eine zu Prag hinter dem Senat, und die ander in meines Manns Heimath hin, Hochteutschland[89], so damals noch in seinem besten Flor stunde und von dem Kriegswesen das geringste nicht erlitten.
Nach diesem Lutterischen Treffen nahmen wir Steinbruck, Verden[90], Langenwedel, Rotenburg, Ottersberg und Hoya ein, in welchem letztgenanten Schloß Hoya mein Mann mit etlichen commandirten Völkern ohne Bagage muste liegen verbleiben. Gleichwie mich aber sonst nirgends keine Gefahr von meinem Mann behalten[91]konte, also wolte ich ihn auch auf diesem Schloß nit allein lassen, aus Furcht, die Läuse möchten mir ihn fressen, weil keine Weibsbilder da waren, so die Soldatesca gesäubert hätten. Unsere Bagage aber verblieb bei dem Regiment, welches hingieng, die Winterquartier zu genießen, bei welcher ich auch verbleiben und solchen Genuß hätte einziehen sollen.
Sobald nun solches bei angehendem Winter geschehen, und Tilly dergestalt seine Völker zertheilet, sihe, da kam der König in Dänemark mit einer Armee und wolte im Winter wieder gewinnen, was er im Sommer verloren. Er stellte sich, Verden einzunehmen; weil ihm aber die Nuß zu hart zu beißen war, ließe er selbige Stadt liegen und seinen Zorn am Schloß Hoya aus, welches er in 7 Tagen mit mehr als tausend Kanonschüssen durchlöchert, darunter auch einer meinen lieben Mann traf und mich zu einer unglückseligen Wittib machte.
Fußnoten:[84]Die festen Häuser, dieGleichen, südwestlich von Göttingen. Vgl. die Einleitung.[85]meines Behalts, soviel ich behalten habe.[86]in der Erste(nieders.in der erst), gleich zu Anfang.[87]besuchen, durchsuchen nach Werthsachen.[88]erben,trans.beerben.[89]Hochteutschland, der höher liegende südliche Theil Deutschlands, Oberdeutschland, im Gegensatz gegen Niederdeutschland.[90]Verden, vgl. die Einleitung.[91]behalten, abhalten, trennen.
[84]Die festen Häuser, dieGleichen, südwestlich von Göttingen. Vgl. die Einleitung.
[84]Die festen Häuser, dieGleichen, südwestlich von Göttingen. Vgl. die Einleitung.
[85]meines Behalts, soviel ich behalten habe.
[85]meines Behalts, soviel ich behalten habe.
[86]in der Erste(nieders.in der erst), gleich zu Anfang.
[86]in der Erste(nieders.in der erst), gleich zu Anfang.
[87]besuchen, durchsuchen nach Werthsachen.
[87]besuchen, durchsuchen nach Werthsachen.
[88]erben,trans.beerben.
[88]erben,trans.beerben.
[89]Hochteutschland, der höher liegende südliche Theil Deutschlands, Oberdeutschland, im Gegensatz gegen Niederdeutschland.
[89]Hochteutschland, der höher liegende südliche Theil Deutschlands, Oberdeutschland, im Gegensatz gegen Niederdeutschland.
[90]Verden, vgl. die Einleitung.
[90]Verden, vgl. die Einleitung.
[91]behalten, abhalten, trennen.
[91]behalten, abhalten, trennen.
Der Courage wird ihr treffliche Courage auch trefflich eingetränkt.
Der Courage wird ihr treffliche Courage auch trefflich eingetränkt.
Als nun die Unserige das Schloß aus Forcht, es möchte einfallen und uns alle bedecken, dem König übergaben und herauszogen, ich auch also ganz betrübt und weinend mit marschierte, sahe mich zu allem Unglück derjenige Major, den ich hiebevor von den Braunschweigischen bei dem Mainstrom gefangen bekommen. Er erkundiget alsobalden die Gewißheit meiner Person von den Unserigen, und als er auch meinen damaligen Stand erfuhre, daß ich nämlich allererst zu einer Wittib worden wäre, da nahme er die Gelegenheit in Acht und zwackte mich ohnversehens von dem Troupen hinweg.
»Du Bluthex«, sagte er, »jetzt wil ich dir den Spott wieder vergelten, den du mir vor Jahren bei Höchst bewiesen hast, und dich lehren, daß du hinfort weder Wehr noch Waffen mehr führen, noch dich weiters unterstehen sollest, einen Cavalier gefangen zu nehmen!«
Er sahe so gräßlich aus, daß ich mich auch nur vor seinem Anblick entsetzte. Wäre ich aber auf meinem Rappen gesessen und hätte ihn allein für mir im Feld gehabt, so hätte ich getraut, ihn eine andere Sprache reden zu lernen. Indessen führte er mich mitten unter einen Troupen Reuter und gab mich dem Fahnenjunker in Verwahrung, welcher alles, was ich mit dem Obristleutenant (dann er hatte seither diese Stell bekommen) zu thun hatte, von mir erkundigt. Der erzählte mir hingegen, daß er beinahe damals, als ich ihn gefangen bekommen, schier den Kopf oder wenigst sein Majorstell verlorenhätte, um daß er sich von einem Weibsbild vor der Brigaden hinweg fangen lassen und dardurch dem Troupen eine Unordnung und gänzliche Zertrennung verursacht, wofern er nicht sich damit ausgeredet, daß ihn diejenige, so ihn hinweg genommen, durch Zauberei verblendet; zuletzt hätte er doch aus Scham resignirt und dänische Dienst angenommen.
Die folgende Nacht logirten wir in einem Quartier, darin wenig zum besten war, allwo mich der Obristleutenant zwang, zu Revanche seiner Schmach, wie ers nennete, seine viehische Begierden zu vollbringen, worbei doch (pfui der schändlichen Thorheit) weder Lust noch Freud sein konte, indem er mir an statt der Küß, ob ich mich gleich nit sonderlich sperret, nur dichte Ohrfeigen gab. Den andern Tag rissen sie unversehens aus wie die flüchtige Hasen, hinter denen die Windhund herstreichen, also daß ich mir nichts anders einbilden konte, als daß sie der Tilly jagte, wiewol sie nur flohen aus Forcht gejagt zu werden. Die zweite Nacht fanden sie Quartier, da der Bauer den Tisch deckte. Da lude mein tapferer Held von Officiern seines Gelichters zu Gast, die sich durch mich mit ihm verschwägern musten, also daß meine sonst ohnersättliche fleischliche Begierden dermalen genugsam contentirt wurden. Die dritte Nacht, als sie den ganzen Tag abermal gelassen waren, als wann sie der Teufel selbst gejagt, gieng es mir gar nit besser, sondern viel ärger; dann nachdem ich dieselbe kümmerlich überstanden und alle diese Hengste sich müd gerammelt hatten (pfui, ich schämte michs beinahe zu sagen, wann ichs dir, Simplicissime, nit zu Ehren und Gefallen thäte), muste ich auch vor der Herren Angesicht mich von den Knechten treffen lassen. Ich hatte bißher alles mit Geduld gelitten und gedacht, ich hätte es hiebevor verschuldet; aber da es hierzu kam, war mirs ein abscheulicher Greuel, also daß ich anfieng zu lamentiren, zu schmälen und Gott um Hülf und Rach anzurufen. Aber ich fande keine Barmherzigkeit bei diesen viehischen Unmenschen, welche aller Scham und christlichen Ehrbarkeit vergessen mich zuerst nackend auszohen, wie ich auf diese Welt kommen, und ein paar Handvoll Erbsen auf die Erden schütten, die ich auflesen muste, worzu sie mich dann mit Spießruthen nöthigten. Ja sie würzten mich mit Salz und Pfeffer, daß ich gumpen und plützen[92]muste wie ein Esel, dem manein Handvoll Dorn oder Nesseln unter den Schweif gebunden; und ich glaube, wann es nicht Winterszeit gewesen wäre, daß sie mich auch mit Brennesseln gegeißelt hätten.
Hierauf hielten sie Rath, ob sie mich den Jungen preis geben, oder mir als einer Zauberin den Proceß durch den Henker machen lassen wollten. Das letzte, bedunkte sie, gereiche ihnen allen zu schlechter Ehr, weil sie sich meines Leibs theilhaftig gemacht. Zudem sagten die Verständigste (wann anders diese Bestien auch noch ein Fünklein des menschlichen Verstands gehabt haben), wann man ein solche Procedur mit mir hätte vornehmen wollen, so solte mich der Oberstleutenant gleich anfangs unberührt gelassen und in die Hände der Justitz geliefert haben. Also kam das Urtheil heraus, daß man mich den Nachmittag (dann sie lagen denselben Tag in ihrer Sicherheit still) den Reuterjungens preisgeben solte. Als sie sich nun des elenden Spectaculs des Erbsenauflesens satt gesehen, dorfte ich meine Kleider wieder anziehen, und da ich allerdings damit fertig, begehrte ein Cavalier mit dem Obristleutenant zu sprechen, und das war eben derjenige Rittmeister, den ich vor Lutter gefangen bekommen; der hatt von meiner Gefangenschaft gehört. Als dieser den Obristleutenant nach mir fragte und zugleich sagte, er verlange mich zu sehen, weil ich ihn vor Lutter gefangen, führete ihn der Obristleutenant gleich bei der Hand in das Zimmer und sagte: »Da sitzt die Carania[93]; ich will sie jetzt strack den Jungen preisgeben.« Dann er nicht anders vermeinte, als der Rittmeister würde sowol als er ein grausame Rach an mir üben wollen. Aber der ehrliche Cavalier war ganz anders gesinnet. Er sahe mich kaum so kläglich dort sitzen, als er anfieng mit einem Seufzen den Kopf zu schütteln. Ich merkte gleich sein Mitleiden, fiele derowegen auf die Knie nieder und bat ihn um aller seiner adelichen Tugenden willen, daß er sich über mich elende Dame erbarmen und mich vor mehrerer Schand beschirmen wolte. Er hub mich bei der Hand auf und sagte zu dem Oberstenleutenant und seinen Cameraden: »Ach, ihr rechtschaffene Brüder, was habt ihr mit dieser Damen angefangen?«
Der Obersteleutenant, so sich bereits halber bierschellig gesoffen, fiele ihm in die Red und sagte: »Was, sie ist eine Zauberin!« »Ach mein Herr verzeihe mir«, antwortet derRittmeister; »so viel ich von ihr weiß, so bedunkt mich, sie sei des tapfern alten Grafen von T.[94]seiner leiblichen Frauen Tochter, welcher rechtschaffene Held bei dem gemeinen Wesen Leib und Leben, ja Land und Leut aufgesetzt, also daß mein gnädigster König nicht gut heißen wird, wann man dessen Kinder so tractirt, ob sie gleich ein paar Officier von uns auf die kaiserliche Seiten gefangen bekommen. Ja ich dörfte glauben, ihr Herr Vatter richtet auf diese Stunde in Ungarn noch mehr wider den Kaiser aus, als mancher thun mag, der eine fliegende Armada gegen ihn zu Felde führet.« »Ha«, antwortet der flegelhaftige Oberstleutenant, »was hab ich gewust? Warum hat sie das Maul nicht aufgethan?«
Die andern Officier, welche den Rittmeister wol kanten und wusten, daß er nicht allein von einem hohen dänischen Geschlecht, sondern auch bei dem König in höchsten Gnaden war, baten gar demüthig, der Rittmeister wolte diß übersehen, als eine geschehene Sach zum besten richten und vermittlen, daß sie hierdurch in keine Ungelegenheit kämen; dahingegen obligirten sie sich, ihme auf alle begebende Gelegenheit mit Darsetzung Guts und Bluts bedient zu sein. Sie baten mich auch alle auf den Knien um Verzeihung; ich konte ihnen aber nur mit Weinen vergeben. Und also kam ich, zwar übel geschändt, aus dieser Bestien Gewalt in des Rittmeisters Hände, welcher mich weit höflicher zu tractiren wuste; dann er schickte mich alsobalden, ohne daß er mich einmal berührt hatte, durch einen Diener und einen Reuter von seiner Compagnia in Dänemark auf ein adelich Haus, das ihm kürzlich von seiner Mutter Schwester erblich zugefallen war, allwo ich wie eine Princessin unterhalten wurde; welche unversehene Erlösung ich beides meiner Schönheit und meiner Säugamme zu danken, als die ohne mein Wissen und Willen dem Rittmeister mein Herkommen verträulich erzählt hatte.
Fußnoten:[92]plitzen,plützen, plutzen, niederfallen.[93]Carania, ital.carogna, Luder, liederliches Weib.[94]Vgl. die Einleitung.
[92]plitzen,plützen, plutzen, niederfallen.
[92]plitzen,plützen, plutzen, niederfallen.
[93]Carania, ital.carogna, Luder, liederliches Weib.
[93]Carania, ital.carogna, Luder, liederliches Weib.
[94]Vgl. die Einleitung.
[94]Vgl. die Einleitung.
Was vor gute Täge und Nächte die gräflich Fräulin im Schloß genosse, und wie sie selbige wieder verloren.
Was vor gute Täge und Nächte die gräflich Fräulin im Schloß genosse, und wie sie selbige wieder verloren.
Ich pflegte meiner Gesundheit und bähete mich aus, wie einer, der halb erfroren aus einem kalten Wasser hinter einem Stubenofen oder zum Feuer kommt; dann ich hatte damals auf der Welt sonst nichts zu thun, als auf der Streu zu liegen und mich wie ein Streitpferd im Winterquartier auszumästen, um auf den künftigen Sommer im Feld desto geruheter zu erscheinen und mich in den vorfallenden Occasionen desto frischer gebrauchen zu lassen. Davon wurde ich in Bälde wieder ganz heil, glatthärig und meines Cavaliers begierig. Der stellte sich auch bei mir ein, ehe die längste Nächt gar vergiengen, weil er der lieblichen Frühlingszeit so wenig als ich mit Geduld erwarten konte.
Er kame mit vier Dienern, da er mich besuchte, davon mich doch nur der eine sehen dorfte, nämlich derjenige, der mich auch hingebracht hatte. Es ist nicht zu glauben, mit was vor herzbrechenden Worten er sein Mitleiden, das er mit mir trug, bezeugete, um daß ich in den leidigen Wittibstand gesetzt worden, mit was vor großen Verheißungen er mich seiner getreuen Dienste versicherte, und mit was vor Höflichkeit er mir klagte, daß er beides mit Leib und Seel vor Lutter mein Gefangner worden wäre.
»Hochgeborne schönste Dam«, sagte er, »dem Leib nach hat mich mein Fatum zwar gleich wieder ledig gemacht und mich doch in übrigen ganz und gar eueren Sclaven bleiben lassen, welcher jetzt nichts anders begehrt und darum hieher kommen, als aus ihrem Munde den Sentenz zum Tod oder zum Leben anzuhören; zum Leben zwar, wann ihr euch über eueren elenden Gefangenen erbarmet, ihn in seinem schweren Gefängnus der Liebe mit tröstlichem Mitleiden tröstet und vom Tod errettet, oder zum Tod, wann ich ihrer Gnad und Gegenliebe nicht theilhaftig werden oder solcher euerer Liebe unwürdig geschätzt werden solte. Ich schätzte mich glückselig, da sie michwie ein andere ritterliche Penthesilea[95]mitten aus der Schlacht gefangen hinweg geführt hatte; und da mir durch äußerliche Lediglassung meiner Person meine vermeintliche Freiheit wieder zugestellt wurde, hube sich allererst mein Jammer an, weil ich diejenige nicht mehr sehen konte, die mein Herz noch gefangen hielte, zumalen auch kein Hoffnung machen konte, dieselbe wegen beiderseits wider einander strebenden Kriegswaffen jemals wiederum ins Gesicht zu bekommen. Solchen meinen bißherigen elenden Jammer bezeugen viel tausend Seufzer, die ich seithero zu meiner liebwürdigen Feindin gesendet, und weil solche alle vergeblich in die leere Luft giengen, geriethe ich allgemach in Verzweifelung und wäre auch ——«
Solche und dergleichen Sachen brachte der Schloßherr vor, mich zu demjenigen zu persuadirn, wornach ich ohne das so sehr als er selbst verlangte. Weil ich aber mehr in dergleichen Schulen gewesen und wol wuste, daß man dasjenige, was einem leicht ankommt, auch gering achtet, als stellte ich mich, gar weit von seiner Meinung entfernt zu sein, und klagte hingegen, daß ich im Werk befande, daß ich sein Gefangner wäre, sintemal ich meines Leibs nit mächtig, sondern in seinem Gewalt aufgehalten würde. Ich müste zwar bekennen, daß ich ihm vor allen andern Cavalieren in der ganzen Welt zum allergenauesten verbunden, weilen er mich von meinen Ehrenschändern errettet, erkennete auch, daß mein Schuldigkeit seie, solche ehrliche und lobwürdige Rach wieder gegen ihm mit höchster Dankbarkeit zu beschulden; wann aber solche meine Schuldigkeit unter dem Deckmantel der Liebe mit Verlust meiner Ehr abgelegt werden müste, und daß ich eben zu solchem Ende an dieses Ort gebracht worden wäre, so könte ich nicht sehen, was er bei der ehrbarn Welt vor die beschehene ruhmwürdige Erlösung vor Ehr und bei mir vor einen Dank zu gewarten, mit demütiger Bitte, er wolle sich durch eine That, die ihn vielleicht bald wieder reuen würde, keinen Schandflecken anhenken, noch dem hohen Ruhm eines ehrliebenden Cavaliers den Nachklang zufreien[96], daß er ein armes verlassenes Weibsbild in seinem Hause wider ihren Willen &c. Und damit fiengich an zu weinen, als wann mirs ein lauterer gründlicher Ernst gewesen wäre, nach dem alten Reimen:
Die Weiber weinen oft mit Schmerzen,Gleich als gieng es ihn von Herzen;Sie pflegen sich nur so zu stellenUnd können weinen, wann sie wöllen.
Die Weiber weinen oft mit Schmerzen,Gleich als gieng es ihn von Herzen;Sie pflegen sich nur so zu stellenUnd können weinen, wann sie wöllen.
Ja, damit er mich noch höher ästimiren solte, bote ich ihm 1000 Reichsthaler vor meine Ranzion an, wann er mich unberührt lassen und mich wiederum zu den Meinigen sicher passieren lassen wolte. Aber er antwortet, seine Liebe gegen mir sei so beschaffen, daß er mich nicht vor das ganze Königreich Böhmen verwechseln könte; zu dem seie er seines Herkommens und Standes halber mir gar nit ungleich, daß es eben etwan wegen einer Heurath zwischen uns beiden viel Difficultäten brauchen solte. Es hatte mit uns beiden natürlich ein Ansehen, als wann ein Täubler irgend einen Tauber und eine Täubin zusammen sperret, daß sie sich paaren sollen, welche sich anfänglich lang genug abmatten, biß sie des Handels endlich eins werden. Eben also machten wirs auch, dann nachdem mich Zeit sein bedunkte, ich hätte mich lang genug widersetzt, wurde ich gegen diesem jungen Buhler, welcher noch nicht über zweiundzwanzig Jahr auf sich hatte, so zahm und geschmeidig, das ich auf seine güldene Promessen in alles einwilligte, was er begehrte. Ich schlug ihm auch so wol zu, daß er einen ganzen Monat bei mir bliebe; doch wuste niemand warum als obgemeldter einiger Diener und eine alte Haushofmeisterin, die mich in ihrer Pfleg hatte und E. Gräfl. Gnaden tituliren muste. Da hielte ich mich, wie das alte Sprichwort lautet:
Ein Schneider auf eim Roß,Ein Hur aufm Schloß,Ein Laus auf dem Grind —Seind drei stolzer Hofgesind.
Ein Schneider auf eim Roß,Ein Hur aufm Schloß,Ein Laus auf dem Grind —Seind drei stolzer Hofgesind.
Mein Liebhaber besuchte mich denselben Winter gar oft, und wann er sich nicht geschämt hätte, so glaub ich, er hätte den Degen gar an einen Nagel gehenkt; aber er muste beides seinen Herren Vattern und den König selbst scheuen, als der sich den Krieg, wiewol mit schlechtem Glück, ernstlich angelegen sein ließe. Doch macht ers mit seinem Besuchen so grob und kam so oft, daß es endlich sein alter Herr Vatter und FrauMutter merkten und auf fleißig Nachforschen erfuhren, was er vor einen Magnet in seinem Schloß heimlich aufhielte, der seine Waffen so oft aus dem Krieg an sich zoge. Derowegen erkundigten sie die Beschaffenheit meiner Person gar eigentlich und trugen große Sorge für ihren Sohn, daß er sich vielleicht mit mir verplempern und hangen bleiben möchte an einer, davon ihr hohes Hause wenig Ehr haben konte. Derowegen wolten sie ein solche Ehe beizeiten zerstören, und doch so behutsam damit umgehen, daß sie sich auch nicht an mir vergriffen, noch meine Verwandte vor den Kopf stießen, wann ich etwan, wie sie von der Haushofmeisterin vernommen, von einem gräflichen Geschlecht geboren sein und ihr Sohn auch mir allbereit die Ehe versprochen haben solte.
Der allererste Angriff zu diesem Handel war dieser, daß mich die alte Haushofmeisterin gar verträulich warnete, es hätten meines Liebsten Eltern erfahren, daß ihr Herr Sohn eine Liebhaberin heimlich enthielte, mit derer er sich wider ihrer, der Eltern, Willen zu verehelichen gedächte, so sie aber durchaus nicht zugeben könten, dieweil sie ihn allbereit an ein fast hohes Haus zu verheurathen versprochen; wären derowegen gesinnet, mich beim Kopf nehmen zu lassen; was sie aber weiters mit mir zu thun entschlossen, seie ihr noch verborgen. Hiermit erschreckte mich zwar die Alte, ich ließe aber meine Angst nicht allein nicht merken, sondern stellte mich darzu so freudig, als wann mich der große Moger[97]aus India wo nit beschützen, doch wenigst revanchiren würde, sintemal ich mich auf meines Liebhabers große Liebe und stattliche Verheißung verlassen, von welchem ich auch gleichsam[98]alle acht Tage nit nur bloße liebreiche Schreiben, sondern auch jedesmal ansehenliche Verehrungen empfieng. Dargegen beklagte ich mich in Widerantwort gegen ihm, wes ich von der Haushofmeisterin verstanden[99], mit Bitt, er wolte mich aus dieser Gefahr erledigen und verhindern, daß mir und meinem Geschlecht kein Spott widerführe. Das End solcher Correspondenz war, daß zuletzt zween Diener, in meines Liebhabers Liberei gekleidet, angestochen kamen, welche mir Schreiben brachten, daß ich mich alsobalden mit ihnen verfügen solte, um mich nacher Hamburg zu bringen, allda er mich, eswäre seinen Eltern gleich lieb oder leid, offentlich zur Kirchen führen wolte; wann alsdann solches geschehen wäre, so würden beides Vatter und Mutter wol ja sagen und als zu einer geschehenen Sach das Beste reden müssen. Ich war gleich fix und fertig, wie ein alt Feuerschloß, und ließe mich so Tags so Nachts erstlich auf Wismar und von dannen auf gedachtes Hamburg führen, allda sich meine zween Diener abstohlen und mich so lang nach einem Cavalier aus Dänemark umsehen ließen, der mich heurathen würde, als ich immer wolte. Da wurde ich allererst gewahr, daß der Hagel geschlagen und die Betrügerin betrogen worden wäre. Ja mir wurde gesagt, ich möchte mit stillschweigender Patienz verlieb nehmen und Gott danken, daß die vornehme Braut unterwegs nicht in der See ertränkt worden wäre, oder man sei auf des Hochzeiters Seiten noch stark genug, mir auch mitten in einer Stadt, da ich mir vielleicht ein vergebliche Sicherheit einbilde, einen Sprung[100]zu weisen, der einer solchen gebühre, worvor man wüste daß ich zu halten sei. Was solt ich machen? Mein Hochzeiterei, meine Hoffnung, meine Einbildungen und alles, worauf ich gespannet[101], war dahin und mit einander zu Grund gefallen. Die verträuliche liebreiche Schreiben, die ich an meinen Liebsten von einer Zeit zur andern abgehen lassen, waren seinen Eltern eingeloffen, und die jeweilige Widerantwortbriefe, die ich empfangen, hatten sie abgeben, mich an den Ort zu bringen, da ich jetzt saße und allgemach anfienge mit dem Schmalhansen zu conferirn, der mich leichtlich überredete, mein täglich Maulfutter mit einer nächtlichen Handarbeit zu gewinnen.
Fußnoten:[95]Penthesilea, Tochter des Ares und der Otrera, Königin der Amazonen, bei Pausanias und Quint. Smyrn.; vgl. auch Ovid,Heroid., Ep. 21. V. 118. Sie kam den Troern zu Hülfe, wurde aber von Achilleus getödtet, der, als er sie sterben sah, von Liebe erfüllt wurde.[96]zufreien, verbinden mit, hinzufügen.[97]Moger, Mogor, Mogul.[98]gleichsam, fast, beinahe,schier, in dieser letzten Bedeutung öfter bei Grimmelshausen.[99]verstehenc. genet., von etwas verständigen, unterrichten.[100]einen Sprung weisen, wie: die Wege weisen.[101]spannen, abzielen.
[95]Penthesilea, Tochter des Ares und der Otrera, Königin der Amazonen, bei Pausanias und Quint. Smyrn.; vgl. auch Ovid,Heroid., Ep. 21. V. 118. Sie kam den Troern zu Hülfe, wurde aber von Achilleus getödtet, der, als er sie sterben sah, von Liebe erfüllt wurde.
[95]Penthesilea, Tochter des Ares und der Otrera, Königin der Amazonen, bei Pausanias und Quint. Smyrn.; vgl. auch Ovid,Heroid., Ep. 21. V. 118. Sie kam den Troern zu Hülfe, wurde aber von Achilleus getödtet, der, als er sie sterben sah, von Liebe erfüllt wurde.
[96]zufreien, verbinden mit, hinzufügen.
[96]zufreien, verbinden mit, hinzufügen.
[97]Moger, Mogor, Mogul.
[97]Moger, Mogor, Mogul.
[98]gleichsam, fast, beinahe,schier, in dieser letzten Bedeutung öfter bei Grimmelshausen.
[98]gleichsam, fast, beinahe,schier, in dieser letzten Bedeutung öfter bei Grimmelshausen.
[99]verstehenc. genet., von etwas verständigen, unterrichten.
[99]verstehenc. genet., von etwas verständigen, unterrichten.
[100]einen Sprung weisen, wie: die Wege weisen.
[100]einen Sprung weisen, wie: die Wege weisen.
[101]spannen, abzielen.
[101]spannen, abzielen.
Was Courage ferners anfieng, und wie sie nach zweier Reuter Tod sich einem Musquetierer theilhaftig machte.
Was Courage ferners anfieng, und wie sie nach zweier Reuter Tod sich einem Musquetierer theilhaftig machte.
Ich weiß nit, wie es meinem Liebhaber gefallen, als er mich nicht wieder in seinem Schlosse angetroffen, ob er gelacht oder geweint habe. Mir wars leid, daß ich seiner nicht mehr zu genießen hatte, und ich glaub, daß er auch gern noch länger mit mir vorlieb genommen hätte, wann ihm nur seineEltern das Fleisch nicht so schnell aus den Zähnen gezogen. Um diese Zeit überschwemmte der Wallensteiner, der Tilly und der Graf Schlick ganz Holstein und andere dänische Länder mit einem Haufen kaiserlicher Völker wie mit einer Sündflut, deren die Hamburger so wol als andere Ort mit Proviant und Munizion aushelfen musten. Dannenhero gab es viel Aus- und Einreutens und bei mir ziemliche Kundenarbeit. Endlich erfuhre ich, daß meine angenommene Mutter sich zwar noch bei der Armee aufenthielte, hingegen aber alle meine Bagage biß auf ein paar Pferde verloren, welches mir den Compaß gewaltig verruckte. Es schlug mir in Hamburg zwar wol zu, und ich hätte mir mein Lebtage kein bessere Händel gewünscht. Weil aber solche Fortuna nicht länger bestehen konte, als so lang das Kriegsvolk im Land lag, so muste ich bedacht sein, mein Sach auch anders zu karten. Es besuchte mich ein junger Reuter, der bedeuchte mich fast liebwürdig, resolut und bei Geldmitteln zu sein. Gegen diesem richtet ich alle meine Netz und unterließe kein Jägerstücklein, biß ich ihn in meine Strick brachte und so verliebt machte, daß er mir Salat aus der Faust essen mögen ohne einigen Ekel. Dieser versprach mir bei Teufelholen die Ehe und hätte mich auch gleich in Hamburg zur Kirchen geführt, wann er nicht zuvor seinem Rittmeisters Consens hierzu hätte erbitten müssen, welchen er auch ohnschwer erhielte, da er mich zum Regiment brachte, also daß er nur auf Zeit und Gelegenheit wartete, die Copulation würklich vollziehen zu lassen. Indessen verwunderten sich seine Cameraden, woher ihm das Glück so eine schöne junge Maitresse zugeschickt, unter welchen die allermeiste gern seine Schwäger hätten werden mögen; dann damals waren die Völker bei dieser sieghaften Armee wegen langwürigen glücklichen Wolergehens und vieler gemachten Beuten durch Ueberfluß aller Dinge dergestalt fett und ausgefüllt, daß der gröste Theil, durch Kützel des Fleisches angetrieben, mehr ihrer Wollust nachzuhängen und solchen abzuwarten als um Beuten zu schauen oder nach Brod und Fourage zu trachten gewohnt war; und sonderlich so war meines Hochzeiters Corporal ein solcher Schnaphahn, der auf dergleichen Nascherei am allermeisten verpicht war, als welcher gleichsam eine Profession daraus machte, anderen die Hörner aufzusetzen, und sichs vor eine große Schand gerechnet hätte, wann er solches irgends unterstanden und nicht werkstellig machen mögen. Wir lagen damalsin Stormaren[102], welches noch niemals gewust, was Krieg gewesen; dannenhero war es noch voll von Ueberfluß und reich an Nahrung, worüber wir uns Herren nanten und den Landmann vor unsere Knechte, Köch und Tafeldecker hielten. Da währete Tag und Nacht das Banquetieren, und lude je ein Reuter den andern auf seines Hauswirths Speis und Trank zu Gast. Diesenmodumhielte mein Hochzeiter auch, worauf angeregter Corporal sein Anschlag machte, mir hinter die Haut zu kommen; dann als mein besagter Hochzeiter sich mit zweien von seinen Cameraden, so aber gleichwol auch des Corporals Creaturen gewesen, in seinem Quartier lustig machte, kam der Corporal und commandirte ihn zu der Standarten auf die Wacht, damit, wann mein Hochzeiter fort wäre, er sich selbst mit mir ergötzen könte. Weil aber mein Hochzeiter den Possen bald merkte und ungern leiden wolte, daß ein anderer seine Stell vertreten oder, daß ichs fein teutsch gebe, daß ihn der Corporal zum Gauch machen solte, sihe, da sagte er ihm, daß noch etliche wären, denen vor ihm gebührte, solche Wacht zu versehen. Der Corporal hingegen sagte ihm, er solte nicht viel disputirn, sondern seinem Commando parirn, oder er wolte ihm Füße machen; dann er wolte diese seine Gelegenheit, meiner theilhaftig zu werden, einmal nicht aus Handen lassen. Demnach ihm aber solche mein Liebster nicht zu gönnen gedachte, widersetzte er sich dem Corporal so lang, biß er von Leder zog und ihn auf die Wacht nöthigen, oder in Kraft habenden Gewalts so exemplarisch zeichnen wolte, daß ein andermal ein anderer wisse, wie weit ein Untergebener seinem Vorgesetzten zu gehorsamen schuldig wäre. Aber ach, mein lieber Stern verstund den Handel leider übel, dann er war eben so bald mit seinem Degen fertig, und verdingte dem Corporal eine solche Wunden in Kopf, die ihn des unkeuschen und erhitzten Geblüts alsobald entledigte und allen Kitzel dergestalt vertriebe, daß ich wol sicher vor ihm sein konte. Die beide Gäst giengen ihrem Corporal auf sein Zuschreien zu Hülf und mit ihren Fochteln auch auf meinen Hochzeiter los, davon er den einen alsobalden durchstach und den andern zum Haus hinaus jagte, welcher aber gleich wieder kam und nit allein den Feldscherer vor die Verwundte, sondern auch etliche Kerl brachte, die meinen Liebsten und mich zum Profosen führten,allwo er an Händ und Füßen in Band und Ketten geschlossen wurde. Man machts gar kurz mit ihm, dann den andern Tag ward Standrecht über ihn gehalten, und ob zwar sonnenklar an Tag kam, daß der Corporal ihn keiner andern Ursachen halber auf die Wacht commandirt, als selbige Nacht an Statt seiner zu schlafen, so wurde doch erkant, um den Gehorsam gegen den Officiern zu erhalten, daß mein Hochzeiter aufgehenkt, ich aber mit Ruthen ausgehauen werden solte, weil ich an solcher That ein Ursächerin gewesen. Jedoch wurden wir beide so weit erbeten[103], daß mein Hochzeiter harquebusirt, ich aber mit dem Steckenknecht vom Regiment geschickt wurde, welches mir gar ein abgeschmackte Reis war.
So sauer kam mich aber diese Reis nicht an, so fanden sich doch zween Reuter in unserm Quartier, die mir und ihnen solche versüßen wolten, dann ich war kaum ein Stund gehend hinweg, da saßen diese beide in einem Busch, dardurch ich muste passiren, mich willkommen zu heißen. Ich bin zwar, wann ich die Wahrheit bekennen muß, meine Tage niemal so hechel[104]gewesen, einem guten Kerl eine Fahrt abzuschlagen, wann ihn die Noth begriffen; aber da diese zween Halunken mitten in meinem Elend eben dasjenige von mir mit Gewalt begehrten, wessentwegen ich verjagt und mein Auserwählter todt geschossen worden, widersetzte ich mich mit Gewalt; dann ich konte mir wol einbilden, wann sie ihren Willen erlangt und vollbracht, daß sie mich auch erst geplündert hätten, als welches Vorhaben ich ihnen gleichsam aus den Augen und von der Stirnen ablesen konte, sintemal sie sich nicht schämten, mit entblößten Degen auf mich wie auf ihren Feind loszugehen, beides mich zu erschrecken und zu dem, was sie suchten, zu nöthigen. Weil ich aber wuste, daß ihre scharfe Klingen meiner Haut weniger als zwo Spießgerten abhaben würden, sihe, da waffnete ich mich mit meinen beiden Messern, von denen ich in jede Hand eins nahm und ihnen dergestalt begegnete, daß der eine eins davon im Herzen stecken hatte, ehe er sichs versahe. Der ander war stärker und vorsichtiger als der erste, wessentwegen ich ihme dann so wenig als er mir an den Leib kommen konte. Wir hatten unter währendem Gefecht ein wildes Geschrei. Er hieße mich eine Hur, eine Vettel, eine Hex und gar einen Teufel; hingegen nante ich ihn einen Schelmen, einen Ehrendieb, undwas mir mehr von solchen ehrbarn Tituln ins Maul kam, welches Balgen einen Musquetierer überzwergs[105]durch den Busch zu uns lockte, der lang stunde und uns zusahe, was wir vor seltzame Sprüng gegen einander verübten, nicht wissend, welchem Theil er unter uns beistehen oder Hülfe leisten solte. Und als wir ihn erblickten, begehrte ein jedes, er wolte es von dem andern erretten. Da kan nun ein jeder wol gedenken, daß Mars der Veneri viel lieber als dem Vulcano beigestanden, vornehmlich als ich ihm gleich güldene Berge versprach und ihn meine ausbündige Schönheit blendet und bezwang. Er paßte auf und schlug auf den Reuter an und brachte ihn mit Bedrohung dahin, daß er mir nicht allein den Rucken wendet, sondern auch anfieng darvon zu laufen, daß ihm die Schuchsohlen hätten herunter fallen mögen, seinen entseelten Cameraden sich in seinem Blut wälzend hinterlassend.
Als nun der Reuter seines Wegs war und wir uns allein beisammen befanden, erstummte dieser junge Musquetierer gleichsam über meiner Schönheit und hatte nit das Herz, etwas anders mit mir zu reden, als daß er mich fragte, durch was vor ein Geschick ich so gar allein zu diesem Reuter kommen wäre. Darauf erzählte ich alles ihm haarklein, was sich mit meinem gehabten Hochzeiter, item mit dem Corporal und dann auch mit mir zugetragen, so dann, daß mich diese beide Reuter, nämlich der gegenwärtige Todte und der Entloffene, als ein armes verlassenes Weibsbild mit Gewalt schänden wollen, deren ich mich aber bißher, wie er selbst zum Theil wol gesehen, ritterlich erwehrt, mit Bitt, er wolte als mein Nothelfer und Ehrenretter mich ferner beschützen helfen, biß ich irgendshin zu ehrlichen Leuten wieder in Sicherheit käme, versicherte ihn auch ferner, daß ich ihme vor solche seine erwiesene Hülfe und Beistand mit einem ehrlichen Recompens zu begegnen nicht ermanglen würde. Er besuchte darauf den Todten und nahme zu sich, was er Schätzbarliches bei sich hatte, welches ihm seine Mühe ziemlich belohnte. Darauf machten wir uns beide bald aus dem Staub, und indem wir unseren Füßen gleichsam über Vermögen zusprachen, kamen wir desto ehender durch den Bosch und erreichten denselben Abend noch des Musquetierers Regiment, welches fertig stunde, mit dem Colalto, Altringer und Gallas in Italia zu gehen.