Mit was vor einem Beding Simplicissimus den Springinsfeld die Kunst lernete.
Mit was vor einem Beding Simplicissimus den Springinsfeld die Kunst lernete.
»Mein Gott, Springinsfeld«, sagte Simplicius, »wie hast du doch so gar ein ungeschliffen Maul!«
»Das ist noch nichts«, antwortet Springinsfeld; »ich sage das Halbe nicht heraus, wie mirs ums Herz ist.«
»Wie ist dir dann?« fragte jener.
»Mir ist schier«, antwortet Springinsfeld, »wann ichs nur sagen dörfte, du seiest ein halber Hexenmeister, oder habest doch wenigst sonst einen trefflichen Lehrmeister gehabt.«
»Und mir«, sagte Simplicius, »ist ganz zu Sinn und glaube es auch festiglich, du seiest ein ganzer Narr und habest dein Handwerk auch ohne einen Lehrmeister gelernet. Mein, was geb ich dir vor Ursachen, so böse Gedanken von mir zu machen?«
»Ich«, antwortet Springinsfeld, »habe ja heut deine Verblendungen genugsam gesehen.«
Simplicius antwortet hingegen: »Es ist dir allerdings ein Schand, daß du allbereit so alt, so lang in der Welt herum geloffen und gleichwol noch so alber bist, daß du natürliche Kunststück und Wissenschaften, wie du heut an Veränderung des Weins, und schlechte Kinderpossen, davon du heut ein Exempel an meinem Buche gesehen hast, vor Zauberei und Verblendungen hältst.«
»Ja«, sagte Springinsfeld, »es ist nit nur das; ich sihe, daß dir das Geld gleichsam zuschneiet, da[329]ich doch mit so großer Müh und Arbeit Pfenning erobern, und wann ich dessen einen Vorrath haben und behalten will, beides an meinem Leib und an meinem Maul ersparen muß.«
»Du Phantast!« sprach Simplicius; »vermeinest du dann, diß Geld komme mich ohne Schnaubens und Bartwischens an? Meine beide Alte haben die 4 Ochsen mit Mühe und Kosten erziehen und ausmästen, ich aber auch laboriren müssen, biß ich diemateriamverfertigt, daraus ich heut Geld gelöst.«
»Was ists aber mit dem Buch?« fragte Springinsfeld; »ists keine Verblendung? lauft nit das kleine Hexenwerk mit unter?«
Simplicius antwortet: »Was ists mit den Taschenspielern und Gauklern? Narren- und Kinderwerk ists, darüber ihr einfältige Tropfen euch nur deshalber verwundert, weil es euer grober Verstand nicht begreifen kan!«
Nach langer solcher Wortwechslung schätzte endlich Springinsfeld den Simplicium glückselig, wann er diese Künste natürlicher Weis könte, und bote ihm 20 Reichsthaler an, wann er ihn die Kunst lernete, daß er auch wie er aus einem Buche wahrsagen oder gauklen könte.
»Dann«, sagt er, »lieber Bruder, ich muß mich mit Bettlen und meiner Geige ernähren; wie vermeinest du wol, daß es mir so trefflich zustatten kommen würde, wann ich mich irgends bei einer Bauernkürbe oder einer Hochzeit einfinden und meine Zuhörer mit diesem artlichen Stückel belustigen und zur Verwunderung bringen könte? Würde es nicht zehenmal mehr Heller bei mir setzen, als wann ich nur geige und meine alte Possen und Grillen übe?«
»Mein Freund«, antwortet Simplicius, »es wäre gut, wann du deine alte Possen und Grillen, wie du es nennest, gar unterwegen ließest; dann sihe, du bist allerdings ein siebenzigjähriger Mann, der auf der Gruben gehet und allerdings kein Stund sicher vorm Tod ist; hingegen hastu, wie ich gesehen, ein fein Stück Geld, darmit du dich, so lang dir Gott das Leben noch gönnen möchte, gar wol ausbringen kanst. Wann ich in deiner Haut steckte, so begäbe ich mich in einen geruhigen Stand, darin ich mein geführtes Leben bedenken, meine begangene Stücklein bereuen, mich zu Gott bekehren und ihme nunmehr allein dienen könte; welches gar füglich irgends in einem Spital, darinnen du dir eine Pfründ kaufen köntest, oder etwan in einem Kloster, da du noch einen Thorhüter abgeben möchtest, beschehen könte. Es ist mehr als genug getobt und Gott versucht, wann wir biß an das Alter der Welt Thorheiten angeklebet und in allerhand Sünden und Lastern gleichsam wie ein Sau im Morast geschwemmt und umgewälzt haben; aber viel ärger und noch eine größere Thorheit ists, wann wir gar bis ans End darin verharren und nicht einmal an unsere Seligkeit oder an unsere Verdammnus, und also auch nicht an unsere Bekehrung gedenken.«
»Närrisch thät ich«, antwortet Springinsfeld, »wann ich mein Geld, das ich mit großer Müh und Arbeit zusammen gebracht, in ein Kloster oder Spital steckte, solches zu belohnen damit es mich meiner Freiheit beraubte.«
Simplicius hingegen sagte: »Alsdann thustu närrisch, wann du eine vermeinte Freiheit zu genießen gedenkest, indessen aber ein Knecht der Sünd, ein Sclav des Teufels und also, ach leider, auch ein Feind Gottes verbleibest. Ich beharre noch meiner vorigen Meinung, daß dir nämlich beides rathsam und nutzlich wäre, zur Bekehrung zu schreiten, ehe dich der Schlaf der ewigen Nacht und Finsternus überfällt, dann sihe, der Tag hat sich bei dir um mehr als 20 Jahr als bei mir geneiget, und dein spater Abend erinnert dich, ehist schlafen zu gehen.«
Springinsfeld antwortet: »Bruder, empfang du zwanzig Thaler von mir vor die begehrte Kunst und lasse die Pfaffenpredigen denen, die ihnen gern zuhören. Hingegen will ich dir versprechen, daß ich mich gleichwol auch auf deine Erinnerung bedenken wolle.«
Gleich wie nun in der ganzen Welt sich nichts so eitel und unnütz befindet, das nicht zu etwas Guts könte emploirt und verwendet werden, also gedachte auch Simplicius durch sein Buch, welches er seine Gaukeltasche nennet, den Springinsfeld zu bekehren; derowegen sagte er zu ihm: »Höre, mein Freund, hieltestu in Ernst darvor, es wäre Zauberei oder wenigst eine geringe Verblendung, als du mich die Kunst auf dem Mark mit dem Buch üben sahest?«
Springinsfeld antwortet: »Ja, und ich glaubte es auch noch, wann ich dich jetzt nicht so gottselig reden hörete.«
»Nun dann«, sagte Simplicius, »dieser Rede und dieses Wahns[330], der dich betrogen, bleib eingedenk biß in dein End, und versprech mir, dich auch desjenigen allweg, so oft du das Buch brauchest, zu erinnern, was ich dir ferner sagen werde! So will ich dich nit allein die vermeinte Kunst umsonst und ohne deine offerirte 20 Reichsthaler lernen, sonder ich will dir noch das Buch darzu schenken, ohne welches du auch die Kunst nit wirst üben können.«
Springinsfeld fragte, was dann dasjenige vor Sachen wären, deren er sich jederzeit bei dem Buch erinnern solte. Simplicius antwortet: »Wann du erstlich den Zusehern lauterweiße Blätter zeigest, so erinnere dich, daß dir Gott in der heiligen Tauf das weiße Kleid der Unschuld wiederum geschenkt habe, welches du aber seither mit allerhand Sünden so vielmal besudelt habest; weisest du dann die Kriegswaffen, so erinnere dich, wie ärgerlich und gottlos du dein Leben im Krieg zugebracht habest; kommstu an das Geld, so gedenke, mit was vor Leibs- und Seelengefahr du demselben nachgestellt. Also erinnere dich auch bei den Trinkgeschirren deiner verübten unflätigen Sauferei, bei den Würfeln und Karten, wie manche edle Zeit und Stund du unnützlich damit zugebracht, was vor Betrug darbei vorgelossen, und mit was vor grausamen Gotteslästerung der Allerhöchste dabei geunehret worden; bei den Knaben und Jungfrauen erinnere dich deiner Hurenjägerei, und wann du an die Narrenköpfe komst, so glaube sicherlich, daß diese ohn allen Zweifel Narren sein, die sich durch obenerzählte der Welt Lockungen betrügen und um ihre ewige Seligkeit bringen lassen. Weisestu aber die Schrift auf, so gedenke, daß die heilige Schrift nicht lüge, die da sagt, daß die Geizige, die Neidige, Zornsüchtige, Haderkatzen, Balger und Mörder, die Spieler, die Saufer und die Hurer und Ehebrecher schwerlich das Reich Gottes werden besitzen, und daß dannenhero derjenig einem Narren gleich thue, der sich von solchen Lastern verführen und so schandlich um seine Seligkeit bringen lasse. Gleich wie nun die meiste und zwar die einfältigste von deinen Zusehern vermeinen, sie würden durch dich verblendet, so doch in Wahrheit nit ist, also bedenke du hingegen und führe wol zu Gemüth, daß die allermeiste von den unverständigen Menschen von dem Teufel und der Welt durch obige Laster unvermerkt verblendet und in die ewige Verdammnus gebracht werden.«
»Mein Bruder«, sagte hierauf Springinsfeld, »des Dings ist gar zu viel; wer zum S. Peter wolte alles im Kopf behalten!«
Simplicius antwortet: »Mein Freund, wann du das nicht kanst, so wirstu auch nit behalten können, wie du recht geschicklich mit dem Buch umgehen sollest.«
»Ei«, sagte Springinsfeld, »das will ich schon lernen.«
»Und das Buch«, antwortet Simplicius, »wird dich alsdann auch schon selber an dasjenig erinnern, waran du meinet- oder vielmehr deinetwegen gedenken sollest.«
»Ich gäbe dir aber«, sagt Springinsfeld, »lieber die 20 Reichsthaler und wäre dieser Obligation ledig.«
Simplicius antwortet: »Diß will aber Simplicius nicht thun; nicht allein darum, weil das Buch und die Wissenschaft, solches zu gebrauchen, ohne die begehrte Erinnerung nicht so viel Gelds werth ist, sonder weil sich Simplicius auch ein Gewissen macht, den geringsten Heller von dir zu nehmen, sintemal er nicht weiß, wie du dein Geld gewonnen und erobert hast. Ja ich gebe dir das Buch nicht, du versprechest mir dann, dich allweg dessen zu erinnern, was ich dir gesagt, wann du mir gleich 100 Reichsthaler baar daher zahltest.«
Springinsfeld kratzte sich im Kopf und sagte: »Du erweckest bei mir fast ängstige Gedanken; ich sihe, daß du deinen Nutzen und auch meinen Schaden nicht begehrest.Ma foi, Bruder, es steckt etwas darhinter, das ich nicht verstehe. So viel kan ich schließen, weil du mir mit Annehmung des Gelds nit schädlich zu sein begehrest, daß du es treulich mit mir meinen und das Gebot der Erinnerung, welches ich vor eine schwere Bürde gehalten, zu meinem Frommen aufladen werdest. Derowegen verspriche ich hiemit, alles dessen eingedenk zu sein, was du von mir vor solche Kunst haben willst.«
Hierauf zog Simplicius das Buch hervor und zeigte dem Springinsfeld alle Vörthel und Griff; und demnach sie mich auch zusehen ließen, faßte ich die Beschaffenheit desselben so genau ins Gedächtnus, daß ich auch stracks eins dergleichen machen könte, wie ich dann etliche Tage hernach thät, um solche Simplicianische Gaukeltasch der ganzen Welt gemein zu machen[331]
Fußnoten:[329]da, in den Ausgaben steht als Druckfehler »das«.[330]Wahns, alle Ausgaben haben: »wann«.[331]Vgl. den Anhang.
[329]da, in den Ausgaben steht als Druckfehler »das«.
[329]da, in den Ausgaben steht als Druckfehler »das«.
[330]Wahns, alle Ausgaben haben: »wann«.
[330]Wahns, alle Ausgaben haben: »wann«.
[331]Vgl. den Anhang.
[331]Vgl. den Anhang.
Tisch- und Nachtgespräch, und warum Springinsfeld kein Weib haben wolte.
Tisch- und Nachtgespräch, und warum Springinsfeld kein Weib haben wolte.
Indessen dieser Discurs und Handlung zwischen Simplicio und Springinsfelden vergieng, näherte sich die Zeit des Nachtessens. Ich wolte mir besonder anrichten lassen, aber Simplicius sagte, ich müste so wol als Springinsfeld sein Gast sein, jener zwar als ein alter Camerad und jetziger neuangestandener[332]Lehrjung, ich aber um dessentwillen, daß ich ihmheut so ein annehmliche Botschaft gebracht, daß nämlich sein Sohn Simplicius von der leichtfertigen Courage nicht geboren worden seie; zu dem seie auch billich, daß er mich beides um den Schreiberlohn und was ich sonst seinetwegen bei den Zigeunern ausgestanden, befriedige. Da wir nun so mit einander redeten, kam auch der junge Simplicius mit noch einem von seinen Collegen, als welcher damals in dieser Stadt studierte und seines Vattern Ankunft vernommen hatte. Er war auch ein riesemäßiger langer Kerl, allerdings wie sein Vatter, und sahe ihm von Angesicht so ähnlich, daß ein jeder, der es auch nicht gewust hätte, unschwer abnehmen können, daß er sein natürlicher Sohn gewesen, ohnangesehen die elende Courage sich einbildet, sie hätte ihn mit einem fremden Kind so meisterlich betrogen.
Also setzten sich zu Tisch der Knan und die Meuder, der alt und junge Simplicius samt seinem Cameraden, dem Studenten, den er mitgebracht, ich, Springinsfeld und Simplicii Baurenknecht. Der Imbs war kurz und gut, weil beide Alte zu Bett eileten, dann sie sagten, ob sie gleich nicht schlafen könten, so thät ihnen doch die Ruhe wol, und dannenhero setzte es auch desto weniger Discursen. Eins gieng vor, woraus ich abnahm, daß Springinsfelds Gedächtnus und Verstand, etwas geschwind zu fassen, nit so gar hölzern war; dann als ermeldter Student verlangte, Simplicii Buch zu sehen, das er ihme von etlichen, die auf dem Mark damit agiren sehen, gar verwunderlich hatte beschreiben lassen, ließe er durch den jungen den alten Simplicium bitten, ob er nicht die Ehr haben könte, solches zu sehen; aber er antwortet, er hätte solches nicht mehr in seiner Possession, doch sagte er zum Springinsfeld, er solte beiden Studenten weisen, was er heut gelernt hätte. Der zog alsbald das Buch herfür und blättert den Studenten die weiße Blätter vor den Augen herum, sagende: »Also glatt und unbeschrieben wie diß weiße Papier seind euere Seelen erschaffen und in diese Welt kommen, und derowegen haben euch euere Eltern hieher gethan (mit solchen Worten wiese er ihnen die Schriften vor), die Schrift zu lernen und zu studieren; aber ihr Kerl pflegt, anstatt löbliche Wissenschaften zu ergreifen, das Geld vergeblich (hie wiese er ihnen die Geldsorten) durchzujagen und zu verschwenden, dasselbe zu versaufen (hie zeigte er die Trinkgeschirr), zu verspielen (und hie die Würfel und Karten), zu verhuren (hie die Dames und Cavaliers) und zuverschlagen (hie das Gewehr). Ich sage euch aber, daß alle diejenige, die solches thun, seien lauter solche Kerl, wie ihr hier vor Augen sehet.«
Und damit zeigte er ihnen die Narren-, Hasen- und Eselsköpfe; und damit wischte er wieder mit dem Buch in Schubsack. Dem alten Simplicius gefiel dieses Stuck so wol, daß er zum Springinsfeld sagte, wann er gewust hätte, daß er die Kunst so bald und so wol begreifen würde, so wolte er ihm nicht halber so viel Lehrgeld abgefordert haben.
Wir machtens mit dem Nachtessen, wie oben gemeldet, nicht lang; bei welchem ich in acht nahm, wie freundlich Simplicius seine beide Alte und diese hinwiederum ihn und seinen Sohn ehreten und tractirten. Da sahe und verspürte man nichts als Lieb und Treu, und ob zwar ein Theil das ander aufs höchste respecirte, so merkte man doch bei keinem einige Forcht, sonder bei jedem blickte ein aufrichtige Verträulichkeit herfür. Der junge Simplicius wuste sich gegen allen am artlichsten zu schicken, und der Baurenknecht, welches sonst plumpeGrobianizu sein pflegen, erzeigte mehr Zucht und Ehrbarkeit, als mancher eines andern Herkommens, der einen eignen Präceptorem gehabt,moreszu lernen, so daß ich mich verwunderte, wie der ehmal ganz rohe und gottlos gewesene Simplicissimus seine Haushaltung auf einen solchen reputirlichen Fuß setzen und seine so einfältige als grobe Hausgenossen zu solchen löblichen Sitten gewöhnen können. Der Springinsfeld war ganz still, nicht weiß ich, verwundert er sich auch, wie ich, oder spintisiert er über die Geheimnussen, so in der Simplicianischen Gaukeltaschen staken, welche ihm meines Davorhaltens allerhand Nachsinnungen verursachten. Im übrigen ists gewiß, daß selten ein Tisch mit so unterschiedlich bekleidten Leuten besetzt wird, miteinander zu speisen, als wie damals der unserige war. Der Knan sah aus wie ein alter ehrbarer Baurenschultheiß, die Meuder wie seine Frau Schultheißin, der Baurenknecht wie ihr Sohn, der alt Simplicius wie ich ihn bereits oben im zweiten Capitel beschrieben, der jung und dessen Camerad wie zwei Stutzer, Springinsfeld wie ein Bettler, und ich wie ein armer Blackscheißer oder Präceptor in seinem abgeschabenen schwarzen Kleidel zu sehen pflegt.
Wir wurden zusammen in eine Kammer logirt, weil es Simplicius also haben wolte und Springinsfeld den Wirth versicherte, daß er keine Läuse hätte. Diese beide lagen jederallein, gleichwie hingegen der Knan und die Meuder, die beide Studiosi, und ich und der Baurenknecht beisammen schliefen. Dieser hielte mich so hart, daß ich ohnangesehen der großen Kälte dieselbige Nacht meine Nase wenig unter der Decken behalten konte, der alte Simplicius aber erwiese mit Schnarchen, daß er so wol stark schlafen als viel Essen und Trinken verdauen könte. Gleich wie wir nun gar zeitlich zu Bett gangen, also verbliebe uns an der winterlangen Nacht viel übrig, daß wir nicht durchzuschlafen vermöchten. Der Knan und die Meuder erwachten zum ersten, und indem jener kröchzet, diese aber mit ihm pappelt, wurden wir übrige allsammen munter. Da nun Simplicius merkte, daß Springinsfeld wachte, fieng er an mit ihm zu reden, weil er sich der Zeit ihrer alten Cameradschaft, und was sich da und dort zwischen ihnen beiden zugetragen, erinnerte. Dannenhero gab es Ursach zu fragen, wie es ihm seithero ergangen, wo er bißher in der Welt herum gestürzt[333], wo sein Vatterland wäre, ob er daselbsten keine Verwandte oder nicht auch Weib und Kind und etwan irgends eine häusliche Wohnung hätte, warum er so armselig und zerrissen daher ziehe, da er doch ein Stückel Geld beisammen hätte &c.
»Ach, Bruder«, antwortet Springinsfeld, »wann ich dir alles erzählen müste, so würde uns der siebenstündige Rest dieser langen Nacht viel zu kurz werden. In meinem Vatterland bin ich zwar kürzlich gewesen; gleich wie ich aber niemal nichts Eigens darin besessen, also gönnete es mir auch vor dißmal kein bleibende Statt, sonder ließe mir die Beschaffenheit meines Zustands rathen, ich solte noch ferner wie der flüchtige Mercurius herum wanderen; wie ich dann auch daselbst keinen Verwandten von siebenzehen Graden, geschweige einige Brüder oder sonst nahe Freund angetroffen. Ja es wolte beinahe niemand meinen Stiefvatter kennen, in dessen Heimat ich gleichwol ihm und seinen Freunden gar genau nachgefragt; wie wolte ich dann etwas von meines rechten Vatters und meiner Mutter Freundschaft[334]haben erfahren können, von welchen ich nicht eigentlich weiß, wo sie gebürtig gewesen? Weilen dann nun hieraus leicht abzunehmen, daß ich kein eigen Haus vermag, also ist auch leicht zu gedenken, daß ich keine Hausfraunoch Kinder hab; und lieber[335], warum solte ich mich mit einer solchen Beschwerung beladen? Daß ich aber meine Batzen zusammen halte, daran thu ich nit unrecht, seitemal ich beides weiß, wie schwerlich sie zu bekommen und wie tröstlich sie einem im verlassenen und mühseligen Alter seien. Und daß ich schließlich so schlecht bekleidet aufziehe, solches geschicht auch nicht ohne sonderbare Ursach, seitemal mein Stamm[336]und Interesse dergleichen Kleidungen und noch wol schlimmere erfordert.«
»Ich hätte gleichwol vermeint«, antwortet Simplicius, »wann ich in deiner Haut steckte, es wäre mir rathsamer, wann ich ein Weib hätte, die mir in meinem gebrechlichen Alter vermittelst ehrlicher Lieb und Treu mit Hilf und Rath zu Trost und Statten käme, als dergestalt im Elend herum zu kriechen und mich von aller Welt verlassen zu sehen. Wie vermeinestu wol, daß dirs gehen wird, wann du irgends bettlägerig würdest?«
»O Bruder«, sagte Springinsfeld, »dieser Schuch ist an meinen Fuß nicht gerecht; dann hätte ich eine Alte, so müste ich vielleicht mehr an ihr als sie an mir apothekern; wäre sie jung, so wäre ich nur der Deckmantel; wäre sie mittelmäßig, so wäre sie vielleicht bös und zanksüchtig; wär sie reich, so wär ich veracht; wäre sie arm, so könt ich ja wol denken, daß sie nur meine paar Batzen genommen, geschweige daß ein jeder sich einbilden kan, etwas Rechts werde keinen Stelzfuß nehmen.«
»Ach«, antwortet Simplicius, »wann du jede Hecken fürchten wilst, so wirstu dein Lebtag in keinen Wald kommen.«
»Ja, Bruder«, sagte Springinsfeld, »wann du wüstest, wie übel mirs mit einem Weib gangen, so würdest du dich gar nit verwundern, wann verbrennte Kinder das Feur förchten.«
Simplicius fragte: »Vielleicht mit der leichtfertigen Courage?«
»Wol nein«, antwortet Springinsfeld; »bei derselbigen hatte ich ein güldene Herrnsach, ohnangesehen sie mir gleichsam offentlich aus dem Geschirr schlug[337]; aber was geheite es mich? Sie war doch nicht meine Ehefrau.«
»Ei pfui«, sagte Simplicius, »rede doch nicht so grob und unbescheiden; denke, daß du bei ehrlichen Leuten seiest! Aber höre, wann dich eine etwan betrogen, vermeinestu drum, es sei kein ehrlich Weib mehr, die treulich mit dir hausen werde?«
Springinsfeld antwortete: »Das will ich nicht läugnen; gleichwol aber ist gewiß, daß alle Wolthaten, die ein Weib dem Mann zu erzeigen pflegt, theur genug bezahlt werden müssen; ihre allerbeste Arbeiten, die sie verrichten, verkündigen dem Mann eitel Kösten und beschwerliche Ausgaben, dardurch dasjenig, was der Mann mit Mühe und Arbeit erworben, zum öftern unnützlich verschwendet wird. Hab ich ein Weib, so ist nichts Gewissers, als daß mir ein jede von meinen Ducaten hinfort nit mehr als einen Thaler gilt. Spinnet sie mir und ihr ein Stück Tuch an Leib, so muß ich Flachs, Woll und Weberlohn bezahlen. Soll sie mir was kochen, so muß ich Speis, Holz, Salz und Schmalz samt dem Kuchengeschirr herbei schaffen. Wolte sie mir bachen, wer muß anders das Mehl hergeben als eben ich? Also auch, wer zahlt Holz, Seif und Wäscherlohn, wann sie mir und ihr das leinen Geräth säubern läßt? Und wie gehts allererst, wann man mit einem Haufen Kindern beladen wird (welches ich zwar nit erfahren habe, aber auch nicht zu erfahrn begehre), wann nämlich eins krank, das ander gesund, das dritte faul, das vierte muthwillig, das fünfte eselhaftig und das sechste sonst widerspenstig, ungehorsam und nichts nutz ist?«
Simplicius antwortet: »Du bist halt ein alter Kracher, der keines rechtschaffenen Weibs werth ist; du würdest sonst von dem heiligen, von Gott selbst eingesetzten und mit vielen Verheißungen gesegneten Ehestand weit anderst reden. Und gleich wie eine fromme, tugendhafte Frau eine Gabe Gottes und eine Kron und Zierd des Manns ist, also verdrüßt dich, daß dich der gütige Himmel mit keiner solchen gewürdigt hat.«
»Wahrhaftig, Simplice«, antwortet Springinsfeld, »du kanst bei deinen Biren wol merken, wann andere zeitigen[338].«
Fußnoten:[332]neuangestandener, neu eingetretener.[333]stürzen, störzen, sich als Landfahrer umhertreiben.[334]Freundschaft, Verwandtschaft.[335]lieber,interj.,quæso.[336]Stamm, Abstammung, Stand.[337]aus dem Geschirr schlagen, wie: über den Strang schlagen.[338]d. h. an deinen eigenen Erfahrungen abnehmen, wie es andern ergeht.
[332]neuangestandener, neu eingetretener.
[332]neuangestandener, neu eingetretener.
[333]stürzen, störzen, sich als Landfahrer umhertreiben.
[333]stürzen, störzen, sich als Landfahrer umhertreiben.
[334]Freundschaft, Verwandtschaft.
[334]Freundschaft, Verwandtschaft.
[335]lieber,interj.,quæso.
[335]lieber,interj.,quæso.
[336]Stamm, Abstammung, Stand.
[336]Stamm, Abstammung, Stand.
[337]aus dem Geschirr schlagen, wie: über den Strang schlagen.
[337]aus dem Geschirr schlagen, wie: über den Strang schlagen.
[338]d. h. an deinen eigenen Erfahrungen abnehmen, wie es andern ergeht.
[338]d. h. an deinen eigenen Erfahrungen abnehmen, wie es andern ergeht.
Springinsfelds Herkunft, und wie er anfangs in Krieg kommen.
Springinsfelds Herkunft, und wie er anfangs in Krieg kommen.
»Nun, das sei dann genug von den Weibern geredet«, sagte Simplicius, »seitemal ich sehe, daß ich dich doch nicht anders oder eine zu heurathen persuadirn können; hingegen aber möchte ich wol von dir vernehmen, wo du gebürtig, wie du in Krieg kommen und wie es dir bißhero darinnen ergangen, biß du aus einem so tapfern Soldaten zu einem solchen elenden Stelzer worden seiest.«
Springinsfeld antwortet: »So du dich nicht gescheuet hast, deinen eignen Lebenslauf aller Welt durch den offenen Druck vor Augen zu legen, so werde ich mich auch nit schämen, den meinigen hier im Finstern zu erzählen; vornehmlich weil bereits offenbar sein soll, was zwischen mir und der Courage vorgangen, die gleichwol uns beide, wie ich vernehme, mit einander verschwägert. Jetzt höre dann deines Schwagers Ankunft.«
»Meine Mutter ist eine Griechin aus Peloponeso von hohem altem Geschlecht und großen Reichthumen, mein rechter Vatter aber ein albanesischer Gaukler und Seiltanzer und darneben von schlechter Ankunft[339]und geringen Mittlen gewesen. Als dieser mit einem zahmen Löwen und einem Dromedari in der Gegend, darin meiner Mutter Eltern gewohnet, herum zohe[340]und beides diese Thier und seine Kunst um Geld sehen ließe, gefiele Besagter meiner Mutter, die damal ein junges Ding von 17 Jahren war, dessen Leibsproportion und Geradigkeit so wol, daß sie sich gleich in ihn vernarrete, also daß sie mit Hülf ihrer Ammen einen Anschlag machte, ihren Eltern ein Stück Geld auszufischen und mit besagtem meinem Vatter wider ihrer Eltern Wissen und Willen darvonzuziehen. Und solches hat ihr auch zu ihrem Unglück geglückt, unangesehen sie einander aufrecht[341]geehlicht. Also wurde meine Mutter aus einer seßhaften vornehmen Damen eine umschweifende Comödiantin, mein Vatter ein halber Junker, und ich selbstdie erste und letzte Frucht dieser ersten Ehe, sintemal mein Vatter, da ich kaum geboren worden, von einem Seil herunter stürzet und den Hals zerbrach, durch welchen leidigen Fall meine Mutter also zeitlich zu einer Wittib wurde.«
»Zu ihren erzörnten Eltern hatte sie das Herz nit wieder heimzukehren, ohne daß sie sich damaln auch über die hundert Meilen von denselbigen im Dalmatia bei einer Compagnie Comödianten befande; hingegen war sie schön, jung und reich und hatte dannenhero unter meines Vattern hinterlassenen Cameraden viel Werber. Von dem sie sich freien ließe, der war ein geborner Sclavonier und der allerfertigste in derjenigen Profession, die mein Vatter geübt hatte. Dieser zohe mich auf, biß ich das elfte Jahr erreichte, und lehrete mich alleprincipiaseiner Kunst, als Trompetn, Trommelschlagen, Geigen, Pfeifen, beides auf der Schalmei und Sackpfeifen, aus der Taschen spielen, durch den Reif springen und andere seltzame Aufzüg und närrische Affen-Posturen machen, also daß ein jeder leichtlich sehen konte, daß mir das eine und das ander mehr angeborn als angeflogen oder durch fleißige Instruction angewöhnet worden. Dabei lernete ich lesen und schreiben, griechisch reden von meiner Mutter und sclavonisch von meinem Vatter. So begriffe ich auch mithin in Steyr, Kärnten und andern angrenzenden teutschen Provinzen um etwas die teutsche Sprach und wurde in Summa Summarum in Bälde ein solcher feiner kurzweiliger Gauklerknab, daß mich gedachter mein Vatter bei seinem Handwerk zu missen um keine 1000 Ducaten verkauft hätte, wann gleich alle Tag Jahrmark gewesen wäre.«
»In solcher meiner blühenden Jugend vagirten wir mehrentheils in Dalmatia, in Sclavonia, Macedonia, Servia, Wossen[342], Walachei, Siebenbürgen, Reußen, Polen, Littau, Mährn, Böhmen, Ungarn, Steyr und Kärnten herummer; und da wir in diesen Ländern viel Geld aufgehoben[343]hatten und mein Stiefvatter willens war, seines Weibs Eltern auch zu besuchen (als vor denen zu erscheinen er sich nicht scheuete, weil er sich gar einen reichen Kerle zu sein bedunkte und wie ein Graf aufziehen konte), sihe, so nahm er seinen Weg aus Histria[344]in Croatiam und Sclavoniam; von dannen führt ers durch Dalmatiaund Albania per Gräciam in Moream zu gehen, alwo dann meiner Mutter Eltern sich befanden.«
»Als wir nun durch Dalmatiam passirten, wolte mein Vatter seine Kunst auch in der berühmten Stadt Ragusa sehen lassen, oder vielmehr dieselbige auch um einen guten Zehrpfenning schätzen[345], als welche damal in völligem Flor und Reichthum stunde. Wir kehrten daselbst zu solchem Ende ein, und zwar nicht in der Kirchen, sonder unserer Gewohnheit nach in dem allerbesten Wirthshause; und als wir blößlich[346]eine Nacht ausgeruhet, gieng mein Stiefvatter hin, um Consens anzuhalten, daß er beides seine bei sich habende fremde Thier und seine Kunst um die Gebühr dem Volk möchte weisen. Es wurde erlaubt, und ehe solche Erlaubnus kaum erbeten ward, wurde ich samt meinem Stiefbruder, der mir weder in Dexterität unserer Kunst noch in andern Stücken bei weitem nicht zu vergleichen, mit einem Reif, einer Gaukeltaschen und andern Instrumenten, geschickt, zu sehen, ob ich nicht auf den Schiffen, die damals im Hafen lagen, ein Stuck Geld verdienen könte. Ich gehorsamte gern, der Meinung, dem Schiff- und Wasservolk durch meine krumme und seltzame Luftsprüng Freud und Lust zu machen; aber ach! ich gelangte an ein Ort, das alles meines Jammers, Elends und eignen Unlusts ein Anfang war; dann nachdem etliche Schiffe außer dem Hafen segelfertig auf der Reide[347]lagen, die nur auf guten Wind warteten, etliche neugeworbene Völker, darunter zwo Compagnien albanesische Speerreuter waren, nach Hispanien zu führen, sihe, da geriethen wir unversehens auf dieselbe Schiffe, weil wir durch einen der Ihrigen im Nachen[348]überredet worden waren, es würde daselbst ein trefflich Trinkgeld setzen, maßen uns auch derselbige Nache mit überführte. Wir hatten unsere Exercitia kaum angefangen, als sich aus Mitternacht ein Wind erhub, der bequem war, aus dem Adriatischen Meer in das Sicilianische zu laufen; demselben vertrauten sie die Segel, nachdem die Anker gelupft waren, und lehreten mich und meinen Bruder das Schiffen wider unsern Willen erdulden. Jener thät, als wolte er verzweifeln; ich aber ließe mich noch trösten, nicht allein darum, weil ich von Natur alles gern auf die leichte Achsel nehme, sonder auch, weil mir der eine Rittmeister,der sich ganz in meine Gestuosität[349]verliebt, gleichsam güldene Berge versprach, wann ich bei ihm bleiben und sein Page abgeben würde. Was solte ich thun? Ich konte wol gedenken, daß kein Schiff unserthalben wieder zurück fahren, noch die Raguser zweier entführten Gauklerbuben wegen, wann sie nicht geliefert wurden, diesen Schiffen nachjagen und mit ihnen eine Seeschlacht angehen oder einen Krieg anfahen würden. Derowegen gab ich mich nur desto geduldiger drein, genosse es auch besser als mein Bruder, welcher sich dergestalt kränkte, daß er starb, ehe wir wieder von Sicilia abfuhren, alwo wir noch einige Fußvölker einnahmen.«
»Von dannen gelangten wir in das Mailändische, und so fort zu Land durch Saphoiam, Burgund, Lotharingen ins Land von Lützenburg, und also in die Spanische Niederlande, alwo wir neben andern Völkern mehr unter dem berühmten Ambrosio Spinola wider des Königs Feinde agirten. Um dieselbige Zeit befande ich mich noch ziemlich wol content: ich war noch jung, mein Herr liebte mich und ließe mir allen Muthwillen zu; ich wurde weder durch strenges Marschiern noch andere Kriegsarbeiten abgemattet; so wuste ich auch noch nichts vom verdrüßlichen Schmalhansen, als welcher damals bei weitem noch nicht so bekant bei unser Soldatesca war, als er sich nachgehends im teutschen Krieg gemacht hat, in welchem ihn auch Obriste und Generalspersonen haben kennen lernen.«
Fußnoten:[339]Ankunft, Abkunft.[340]zohe, altespræt.zu ziehen, zog.[341]aufrecht,adv., aufrichtig, ehrlich.[342]Wossen, Bosnien.[343]aufheben, erheben, einnehmen.[344]Histria, Istria.[345]schätzen, in Contribution setzen, brandschatzen.[346]blößlich, bloß, nur.[347]Reide, Rhede.[348]Nache, Boot.[349]Gestuosität, Beweglichkeit;gestuosuskommt bei Apul. vor.
[339]Ankunft, Abkunft.
[339]Ankunft, Abkunft.
[340]zohe, altespræt.zu ziehen, zog.
[340]zohe, altespræt.zu ziehen, zog.
[341]aufrecht,adv., aufrichtig, ehrlich.
[341]aufrecht,adv., aufrichtig, ehrlich.
[342]Wossen, Bosnien.
[342]Wossen, Bosnien.
[343]aufheben, erheben, einnehmen.
[343]aufheben, erheben, einnehmen.
[344]Histria, Istria.
[344]Histria, Istria.
[345]schätzen, in Contribution setzen, brandschatzen.
[345]schätzen, in Contribution setzen, brandschatzen.
[346]blößlich, bloß, nur.
[346]blößlich, bloß, nur.
[347]Reide, Rhede.
[347]Reide, Rhede.
[348]Nache, Boot.
[348]Nache, Boot.
[349]Gestuosität, Beweglichkeit;gestuosuskommt bei Apul. vor.
[349]Gestuosität, Beweglichkeit;gestuosuskommt bei Apul. vor.
Von dreien merkwürdigen Verschwendern wahrhafte Historien.
Von dreien merkwürdigen Verschwendern wahrhafte Historien.
»Es gehet gemeiniglich denen, so in den Krieg kommen, wie denjenigen, so hexen lernen; dann gleichwie dieselbige, so einmal zu solcher unseligen Congregation gelangen, schwerlich oder wol gar nit mehr darvon kommen können, also gehets auch dem mehrentheils[350]von den Soldaten, welche, wann siegut Sach haben, nicht aus dem Krieg begehren, und wann sie Noth leiden, gemeiniglich nicht draus kommen können. Von denen, welche sich im Krieg wider ihren Willen ferners gedulden müssen, biß sie entweders durch eine Occasion[351]bleiben oder sonst crepirn, verderben und gar Hungers sterben müssen, könte man darvor halten, daß es ihr Fatum oder Verhängnus so mit sich brächte; von denen aber, so reiche Beut machen und gleichwol solche wieder unnützlich verschleudern, kan man gedenken, daß ihnen der gütige Himmel nicht gönne, sich ihr großes Glück zu nutz, sonder vielmehr das Sprichwort wahr zu machen:
So gewonnen,So zerronnen.
So gewonnen,So zerronnen.
und: Was mit Trommeln erobert wird, gehet mit Pfeifen wieder fort.«
»Ich weiß von dreien gemeinen Soldaten auch drei unterschiedliche denkwürdige Exempel, welche solches bestätigen, und derselbigen muß ich hier weitläufiger gedenken. Des ersten, der berühmte Tilly, nachdem er die Stadt Magdenburg ihres jungfräulichen Kränzels, seine Unterhabende[352]aber dieselbe ihrer Zierd und Reichthum beraubt gehabt, erfuhr, daß ein gemeiner Soldat von den Seinigen eine große Beut von Baarschaft, so in lauter Geldsorten bestanden, erobert und alsogleich wieder mit Würfeln verloren hätte. Die Wahrheit zu erfahren, ließe er solchen vor sich kommen, und nachdem er von diesem unglückseligen Spieler selbsten verstanden, daß die gewonnene und wieder verschwendete Summa größer gewesen, als er von andern vernommen (etliche sagten wol von 30000, andere von weit mehrern Ducaten), sagte der Graf zu ihme: Du hättest an diesem Geld die Tag deines Lebens genug haben und wie ein Herr darbei leben können, wann du dirs nur selber hättest gönnen wollen; dieweil du aber dir selbsten nichts nutzen noch zu gut thun wollen, so kan ich nicht sehen, was du meinem Kaiser nutz zu sein begehrest. Und damit erkante dieser General, der sonst den Ruhm eines Soldatenvatters gehabt, daß dieser Kerl als eine unnütze Last der Erden in freien Luft gehenkt werden solte, welches Urtheil auch alsobalden vollzogen worden.«
»Des andern, als der schwedische Königsmark die kleine Seit[353]der Stadt Prag überrumpelt und gleichmäßig ein gemeiner Soldat über 20000 Ducatenin speciedarin erwischt, solche aber bald hernach auf einen Sitz wiederum verspielt hatte, wurde solches dem Königsmark gleichfalls zu Ohren getragen, welcher auch diesen Soldaten vor sich kommen ließe, um ihn erstlich zu sehen und ihm alsdann nach Erkundigung der Wahrheit ebenmäßig obenangeregten Tillyschen Proceß machen zu lassen, wie er ihm dann auch auf eben dieselbige Manier zusprach[354]. Als aber dieser Soldat seines Generals Ernst vermerkte, sagte er mit einer unerschrockenen Resolution: Euer Excellenz können mich mit Billichkeit um dieses Verlusts willen nicht aufhängen lassen, weil ich Hoffnung hab, in der Altstadt noch wol eine größere Beute zu erhalten. Diese Antwort, welche vor ein Omen gehalten wurde, erhielte dem guten Gesellen zwar das Leben, aber gleichwol nicht die eingebildte Beut, vielweniger den Schweden die Stadt, welche damals von deren Exercitu hart bedrängt wurde.«
»Des dritten, wer bei der kurbairischen Armada unter dem Holtzischen Regiment[355]zu Fuß bekant gewesen ist, der wird ohne Zweifel den sogenannten Obristen Lumpus entweder gesehen oder doch wenigst viel von ihm gehöret haben. Er war bei besagtem Regiment ein Musquetierer, und kurz vorm Friedensschluß trug er eine Pique, wie ich ihn dann in solchem Stand und zwar sehr übel bekleidet, also daß ihm das Hemd hinten und vornen zu den Hosen heraushieng, unter währendem Stillstand der Waffen bei selbigem Regiment selbst gesehen. Diesem geriethe in dem Treffen vor Herbsthausen in einem Fäßlein voller französischen Duplonen ein solche Beut in die Hände, daß er selbige schwerlich ertragen, weniger zählen und noch weniger aus ihrer Zahl die Substanz seines damaligen Reichthums wissen und rechnen konte! Was thät dieser liederliche Lumpus aber, da er den übermäßigen Anfall[356]seines großen Glücks nicht erkante? Er verfügte sich in eine Stadt und Vestung[357]der Baiern, über welche ehemalen der große Gustavus Adolphus die Zähne zusammen gebissen, daß er sie nachso viel erhaltenen herrlichen Siegen ungewonnen muste liegen lassen; daselbst staffirte er sich heraus wie ein Freiherr und lebte täglich wie ein Prinz, der jährlich etliche Millionen zu verzehren hat; er hielte zween Kutscher, zween Laquaien, zween Page, ein Kammerdiener in schöner Liberei, und nachdem er sich auch mit einer Kutschen und sechs schönen Pferden versehen, reiste er auch in die Hauptstadt desselbigen Landes über die Donau hinüber, allwo er in der besten Herberg einkehrte, die Zeit mit Essen, Trinken und täglichem Spatzierenfahren zubrachte und sich selbsten mit einem neuen Namen, nämlich den Obristen Lumpus nennete. Solches herrliche Leben währete ungefähr sechs Wochen, in welcher Zeit sein eigner und rechter Obrister, der General von Holtz[358]auch dorthin kam und eben in derselbigen Herberg einkehrte, weilen er ein sonderbares lustigs Zimmer darin hatte, in welchem er zu seiner Hinkunft zu logieren pflegte. Der Wirth sagte ihm gleich, daß ein fremder Cavalier sein gewöhnlich Logement einhätte, welchem er zu weichen nicht zumuthen dörfte, weil er ein ansehenlich Stuck Geld bei ihm verzehrte. Dieser tapfere General war auch viel zu discret, solches zu gestatten. Demnach ihm aber besser als dem großen Atlante[359]sowol alle Weg und Steg, Wälder und Felder, Berge und Thäler, Päß und Wasserflüsse, als auch alle adeliche Familien des Römischen Reichs bekant waren, als fragte er nur nach dieses Cavaliers Namen. Als er aber verstunde, daß er sich den Obristen Lumpus nennete und sich weder eines alten adelichen Geschlechts noch eines Soldaten von Fortun von solchem Namen zu erinnern wuste, bekam er ein Begierde, mit diesem Herrn zu conversirn und sich mit ihm bekant zu machen. Er fragte den Wirth um seine Qualitäten, und da er verstunde, daß er zwar sehr gesellig, eines lustig Humeurs, gleichsam die Freigebigkeit selber, doch aber von wenig Worten wäre, wurde seine Begierde desto größer. Derowegen verfügte[360]er mit dem Wirth, des Lumpi Consens zu erhalten, daß er denselben Abend mit ihm über einer Tafel speisen möchte.«
»Der Herr Obriste Lumpus ließe ihm solches wol gefallenund bei dem Confect in einer Schüssel 500 neue französische Pistolen und eine göldene Ketten von 100 Ducaten auftragen. «Mit diesem Tractament», sagte er zu seinem Obristen, «wollen euer Excellenz verlieb nehmen und meiner dabei im besten gedenken.» Der von Holtz verwundert sich über diß Anerbieten und antwortet, daß er nicht wisse, womit er ein solch Präsent um den Herrn Obristen verdienet oder ins künftig würde verdienen können, derowegen wolte ihm nicht gebühren, solches anzunehmen. Aber Lumpus bat hingegen, er wolte ihn nicht verschmähen; er hoffte, es würde sich die Zeit bald ereignen, in deren ihr Excellenz selbst erkennen würden, daß er diese Verehrung zu thun obligirt sei, und alsdann verhoffe er hinwiederum von seiner Excellenz eine Gnad zu erhalten, die zwar keinen Pfenning kosten würde, daraus er aber erkennen könte, daß er diese Schankung nit übel angelegt. Gleichwie nun dergleichen göldene Streich viel seltener ausgeschlagen als jemanden versetzt werden, also wehrete sich auch der von Holtz nicht länger, sonder acceptirte beides Ketten und Geld, weil es Lumpus überein[361]so haben wolte, mit courtoisen[362]Promessen, solches auf begebende Fäll zu remeritirn.«
»Nach seiner Abreis verschwendete Lumpes immerfort; er passirte nie bei keiner Wacht verüber, da er nicht der Soldatesca, die ihm zu Ehrn ins Gewehr stunde, ein Dutzet oder wenigst ein halb Dutzet Thaler zuwarf, und also machte ers überall, wo er Gelegenheit hatte, sich als ein reicher Herr zu erzeigen. Alle Tag hatte er Gäst und zahlte auch alle Tag den Wirth aus[363], ohne daß er ihm jemals den geringsten Heller abgebrochen oder über eine allzu theure Rechnung sich beschwert hätte. Gleichwie aber ein Brunnen bald zu erschöpfen, also wurde er auch mit seiner Baarschaft bald fertig, und zwar, wie ich schon erwähnet, in sechs Wochen. Darauf versilbert er Kutschen und Pferd; das gieng auch bald hindurch. Endlich musten seine stattliche Kleider samt dem weißen Zeug daran; das jagte er alles durch die Gurgel. Und da seine Diener sahen, daß er auf der Neige war, nahmen sie nacheinander ihren Abschied, welche er auch gern passirn ließe. Zuletzt, da er nichts mehr hatte, als wie er gieng und stunde, nämlich in einem schlechten Kleid, ohne einigen Heller oder Pfenning,schenkte ihm der Wirth 50 Reichsthaler, weil er so viel Geld bei ihm verzehret hatte, auf den Weg; er aber wiche nicht, biß solche auch allerdings wiederum verzehret waren. Der Wirth, entweder daß er sich bei ihm wol begraset, oder ihn übernommen und sich deswegen ein Gewissen macht, oder anderer Ursachen halber, gab ihm wieder 25 Reichsthaler, mit Bitt, sich damit seines Wegs zu machen; aber er gieng nicht, biß er selbe auch verzehrt hatte. Und als er nun fertig war, schenkte ihm der Wirth wiederum 10 Reichsthaler zum Zehrpfennig auf den Weg; er aber antwortet, weil es Zehrgeld sein solte, so wolte ers lieber bei ihm als einem andern verzehren, hörete auch nit auf, biß solche wiederum biß auf den letzten Heller hindurch waren, warüber sich der Wirth mit wunderlichen Gedanken ängstigte und ihm gleichwol noch 5 Reichsthaler gab, sich damit fort zu machen. Und den er zuvor ihr Gnaden genennet und anfänglich unterthänlich willkommen sein heißen, den muste er damal dutzen, wolte er anders seiner los werden; dann als er sahe, daß er auch diese letztere 5 Reichsthaler verzehren wolte, verbote er seinem Gesinde, daß sie ihm weder eins nochs ander darvor geben solten. Da er nun solcher Gestalt gezwungen, dasselbe Wirthshaus zu quittirn, sihe, da gieng er in ein anders und verlöschte in demselbigen das noch übrige kleine Fünklein seines großen Schatzes vollends mit Bier. Folgends kam er wiederum bei Heilbrunn zu seinem Regiment, allwo er alsobalden in die Eisen geschlossen und ihm vom Henken gesagt worden, weil er bei acht Wochen lang ohne Erlaubnus vom Regiment verblieben war. Wolte nun der gute Obriste Lumpes seiner Band und Eisen wie auch der Gefahr des Stricks entübrigt sein, so muste er sich wol seinem Obristen, den er deswegen stattlich verehret, offenbaren, welcher ihn auch alsobalden von beiden befreien ließe, doch mit einem großen Verweis, daß er so viel Gelds so unnützlich verschwendet, worauf er anders nichts antwortet, als daß er zu seiner Enschuldigung sagte, er hätt alle sein Tag nichts mehrers gewünscht, als zu wissen, wie einem großen Herrn zu Muth wäre, der alles genug hätte; und solches hätte er auf solche Weis durch seine Beut erfahren müssen.«