BEDAJAS VON BANDONG. JAVA.
Abends liess der Regent von Bandong seine Bedajas vor uns tanzen und zeigte uns seine kostbaren Waffen. Die goldene Scheide des einen Kris war ganz mit Diamanten besetzt; aber ausser dem sichtbaren besassen manche Klingen einen noch höheren verborgenen Werth durch die ihnen vom Aberglauben beigelegten Eigenschaften; es giebt Klingen, die ihren Besitzer unverwundbar und unüberwindlich machen, andere sind hoch geschätzt, weil sie vor Alters irgend eine berühmte That vollbracht haben. Der obere Theil der Scheidenbestand bei fast allen aus dem kostbaren Holze, das sich beim Absterben eines in Bantam wachsenden Baumes,Tankollo,[84]im Innern des vermodernden Stammes, auf dieselbe Weise, wie das duftende Agalloche, bildet; es war gelb mit braunen oder schwarzen Flecken, sogenannten Flammen, deren Gestalt und Farbe seinen Werth bedingen. Für ein kaum handgrosses Stück, welches die Mündung einer Krisscheide bildete, hatte der Vater des Regenten 200 Gulden bezahlt. Einfacher, aber wegen ihrer Leistungen von dem aufgeklärten Fürsten allen andern vorgezogen, waren zwei Jagdmesser, von der Art, wie sie bei den bereits erwähnten Hirschjagden gebraucht werden. Diese Klingen, welche die Rippen eines Hirsches wie dünnes Holz durchschneiden, kommen aus dem Lande Ssalingri, dessen Eingeborne ausserordentlich geschickt in Bearbeitung des Eisens sind. Ich fragte den Regenten, in welchem Winkel des Archipels das Land läge? „Oh weit, weit!†antwortete er, indem er mir das Messer reichte, das den Stempel „Solingen†trug.
Am folgenden Tage reiste ich ab, zunächst nach dem Vulkan Tampomas. Fast alle Tage hatten wir jetzt heftigen, lange anhaltenden Regen, obwohl wir uns eigentlich mitten in dem trockenen Monsun befanden. Vom Tampomas ging es nach Malembong, von bewaffneten Reitern begleitet, da es hier viele Tiger giebt. An einer Kaffeeplantage kam uns ein Zug von 600 Kulis entgegen, deren jeder zwei Körbe voll Kaffee trug, zusammen 75 Pfund wiegend; die Enden der Traghölzer waren mit kleinen Fähnchen geschmückt, manche auch mit hölzernen Glocken, deren Klang auf den schmalen Bergpfaden an den Kuhreigen erinnerte. Nach Besichtigung einiger von Junghuhn beschriebenen Kalksprudel und einer kleinen Kieselquelle beschlossen wir den heissen Tag mit einem herrlichen Ritt über die mit kurzem Gras bewachsenen Hügel, die sich hier im Westen des Tjitandui ausbreiten. Auf muntern Bergpferden ging es im Galopp, von einer Schaar Reiter mit Lanzen begleitet, bergauf, bergab. Unterwegs sprang ein junger Tiger auf, und eilte lange vor uns dahin, bevor er einen Busch fand, um sich zu verbergen. Bei Putjaran durchfurtheten wir im Angesicht des Sawalberges den Tjitandui, in welchem die zahlreichen, nach allen Himmelsrichtungen auseinander fliessenden Bäche dieses Berges schliesslich ein gemeinsames Bett finden, so dass das hier bei seinem ersten Zusammentreffen mit dem Sawal noch so unbedeutende Flüsschen, bald nachdem es dieSO-Ecke desselben Berges verlassen, schon schiffbar wird. Wir ritten um die NW-Ecke, dann östlich bis zum schönen See Pandjalu, der sehr fischreich und frei von Krokodilen ist, so dass man nach Herzenslust darin schwimmen kann; in seiner Mitte liegt eine kleine wie ein Garten gehaltene Insel.
Am folgenden Morgen schickte der Regent von Galu einen Wagen nebst seinem „Pati,†einem alten würdigen Herrn, der nur meinetwegen das Ungemach der Reise ertragen musste. Der Opziener (Aufseher) von Pari kam zu Pferde an, stellte sich zur Verfügung und gab mir viele Auskunft über die Kaffeepflanzungen, die wir zusammen besichtigten. Neun Paal von hier liegt Kawali, ein wegen seiner Alterthümer bei den Inländern in grossem Ansehen stehender Ort. Das Dorf enthält einen kleinen Tempel, zu dessen sehr engem Eingange ein paar Stufen führten; das Innere war mit Matten und Teppichen geschmückt, zwei Priester hockten darin und holten die Gegenstände zu unserer Besichtigung einzeln hervor. Bei jedem Stück machten sie einen tiefen Salam; mit derselben Ehrerbietung wurden die Reliquien zurückgelegt, nachdem sie vorher in viele Tücher eingewickelt worden. Es waren alte Hellebarden, Glocken, Räuchergefässe, Becher mit erhabenen Figuren, den Thierkreis darstellend, und allerlei zerbrochenes Gerümpel. Auch in Pandjalu werden dergleichen Alterthümer aufbewahrt. Nicht weit vom Dorfe, in einem sorgfältig gepflegten Hain, liegen einige Steine mit alten Inschriften (batu-tulis), die eben so wie die Reliquien schon kopirt und beschrieben sind; und etwas weiter, im Walde, sprudelt eine heilige Quelle, die dem Orte den Namen giebt.
Der Pati lud mich ein, Abends an einem Feste Theil zu nehmen, das mehrere Tage dauern sollte, und liess mich beim schönsten Mondschein mit seinem grossen Schirm abholen. Die Sonnenschirme zeigen in den malayischen Ländern den Rang des Besitzers an, wie in Europa die Epauletten den Rang der Offiziere. In Java werden 27 verschiedene Rangstufen durch die Schirme bezeichnet, deren Farben durch den General-Guvernör im Rath ebenso genau festgestellt sind, wie die Uniformen in Europa. Die vornehmsten sind weiss mit goldenen Rändern, dann folgt dem Range nach grün, blau, braun, in verschiedenen Anordnungen. Nur bei den ersten 6 Stufen sind die Ränder von Gold, bei den übrigen gelb. Auch in Siam spielt der Schirm eine grosse Rolle: der Sonnenschirm von vielen Stockwerken über einander ist ein Attribut des Königs und figurirt auf dem grossen Staatssiegel zu beiden Seiten der pyramidalen Krone. — Das Fest fand in einem grossen Bambusschuppenstatt, der durch bunte Behänge, Laub und Blumen geschmückt war. Vier das Dach tragende Säulenreihen bildeten fünf Abtheilungen, in deren mittlerer eine lange, mit Blumen verzierte Tafel stand. Auch hier zeigte sich wieder viel Geschmack in der Dekoration. Die aus dicken Bambusen bestehenden Säulen waren mit buntem Zeug bekleidet, mit Sockel und Kapitäl aus Blättern und Blumen versehen, durch Bögen aus gespaltenen jungen Palmwedeln verbunden, deren noch gelbe Seitenblätter wie Franzen herabhingen. Der Zwischenraum bis zum Dach bestand aus leichtem Gitterwerk, in welchem einzelne Blumen angebracht waren. An einem Ende des Saals erhob sich ein um mehrere Stufen erhöhter, mit Matten belegter Raum, seine Hinterwand war mit einem Teppich behangen, davor stand vielleicht alles, was sich im Distrikt an kostbaren europäischen Möbeln befand: eine altmodische Kommode, ein Glasschrank und ein paar verzierte Spiegel; zu jeder Seite erhoben sich zwei grosse, mit rothem Stoff bedeckte Paradebetten, an deren Kopfende eine solche Menge verzierter Kissen aufgethürmt waren, dass sie bis zur Decke reichten. Als wir uns zu Tische gesetzt hatten, begannen dreizehn Rongengs zu tanzen, — soviel hatte ich noch nie beisammen gesehen. Hier hörte ich auch zum erstenmal das Anklong (S. 178), dessen Klang so angenehm ist. Es wurde bis spät geschmaust, und dies war der beste Theil des Festes. Die armen Kinder, denen zu Ehren es gegeben wird, kommen weniger gut dabei fort; denn nachdem sie am nächsten Tage im Fluss gebadet sind, werden am dritten Tage den kleinen Mädchen die Zähne abgefeilt, am vierten Tag findet die Beschneidung der Knaben statt. Das Feilen der Zähne und Beschneiden geschieht auf den Paradebetten. Lange weisse Zähne können die Malayen nicht leiden, sie vergleichen sie mit denen des Tigers.
Am folgenden Tage verliess ich den See von Pandjalu und fuhr im Wagen des Regenten am östlichen Ufer des Tjitandui bis Indehiang, wo ich mich von dem würdigen Pati verabschiedete, auf das westliche Ufer überging, Abends einen Pasanggrahan erreichte und am folgenden Morgen den Gelungung erstieg. Man reitet fünf Paal, steigt zwei Paal zu Fuss und befindet sich am obersten Ende der grossen Schuttmasse, die sich im Oktober 1822 in die früher hier vorhandene reiche Ebene wälzte. Ein tiefes kesselförmiges Thal trennt diesen Punkt von der gegenüberliegenden Bergwand, die sich fast senkrecht, wenigstens in sehr steilem Winkel in WNW. erhebt. Mehrere Sturzbäche an derselben erschienen in dieser Ferne, wie dünne Fäden. Das tiefe Kesselthal ist jetzt schon wieder dicht bewachsen, namentlich machtensich hunderte von Baumfarnen geltend. Dieser schöne ruhige, mit einigen Wasserbecken geschmückte Grund ist der Krater des Gelungung, der 1822 die furchtbare Verwüstung anrichtete.
Ich kann mir nicht versagen, Junghuhns Schilderung des Ausbruchs hier folgen zu lassen (Hasskarl's Uebersetzung Bd. II, S. 111.), die zugleich ein eben so schönes als treues Bild des javanischen Lebens giebt.
„In den Gegenden südostwärts von demjenigen Theile der Bergkette, welche unter dem Namen G.-Gelungung bekannt ist, zwischen den beiden Flüssen Tji-Wulan und Tji-Tandui, die beide, der erstere fast in südlicher, der andere mehr in südöstlicher Richtung, der Südküste zuströmen, lag ein reich bebautes und bevölkertes Land, das, eigentlich eine Fortsetzung des Berggehänges, jedoch so sanft nach den niedrigen neptunischen Hügelreihen des Südgebirges zu fällt, dass es füglich eineFlächegenannt werden kann. — Es waren die fruchtbaren Ebenen und Berggehänge der Provinz Tasikmalaja, Indehiang und Singaparna. — Sie waren weit und breit mit Reisfeldern bedeckt und mit Hunderten von Dörfchen, die sich mit den Gruppen ihrer Kokospalmen zerstreut zwischen den Feldern erhoben. Sie waren in allen Richtungen von Wegen durchschnitten, bis zum Fusse der Bergkette hin und noch weit an den Berggehängen hinauf, wo man zwischen blühenden Kaffeegärten wandelte. —
Ueber die reichbegabten Fluren dieses ewig grünen Landes ergoss am 8. Oktober 1822 die Mittagssonne ihren durch kein Wölkchen, durch keine Nebel geschwächten Strahl. Das ganze Land schien verstummt, die animalische Schöpfung lag in tiefer Ruhe, im schattigsten Dickicht sass die Vögelschaar verborgen, und kaum ein Insektchen zirpte noch; die Pflanzenwelt hatte alle ihre Blüthen aufgethan und dampfte ihre ungerochenen Aromata empor in die Luft, welche, von aufsteigenden Strömen bewegt, am Horizonte wellenförmig zitterte. Kein Blatt regte sich, und kaum rauschte zuweilen der höchste Wedel einer Palme; wenn dann und wann ein leises Lüftchen von der Küste her sich erhob.
Auch die Menschenwelt ruhte. Die Arbeiter hatten ihre Felder verlassen, deren künstliche Wasserspiegel unter dem Sonnenstrahle dampften. Sorglos lagen sie auf den Bali-balis ihrer kleinen Hütten ausgestreckt. In den Vorhallen (Pendopo's) der Häuptlinge verstummten allmälig die Schläge des Gamelan, unter deren sanftem, melodischem Getön die javaschen Grossen gewohnt sind, einzuschlummern; auch der Gesang der Tanzmädchen (Ronggengs) wurde bald nicht mehr vernommen, und nur das sanfte Girren der Turteltauben, die in zahlreichen Käfigenvor den ländlichen Wohnungen hängen, war mit dem Rufe eines Priesters, der von seiner baumumgrünten Moschee herab die Herrlichkeiten Allah's und seines Propheten verkündigte, oder mit dem Knarren einer verspäteten Pedati, deren scheibenförmige Räder sich langsam auf der staubigen Strasse umwälzten, gezogen von trägen Karbauen, deren Führer längst eingeschlummert war, vielleicht das einzige Geräusch, das in den weiten Dörfern Tasikmalaja und Singaparna erscholl. Das ganze Land lag in tiefer Ruhe und Frieden. Die Bevölkerung hielt ihren Mittagsschlaf, nicht ahnend, nicht träumend, dass einige Augenblicke später aus dem Innern des G.-Gelungung „dumpf und bang†ihr —Grabgesangertönen würde. Er aber ertönte. — Es war 1 Uhr. — Durch plötzliche Erdstösse aus dem Schlafe geweckt, entflohen die Bewohner ihren Hütten. Ein donnerndes, brüllendes Getöse traf ihr Ohr und Entsetzen bemächtigte sich ihrer, als sie ihre Blicke zum G.-Gelungung wandten und eine schwarze Rauchsäule von ungeheurem Umfange emporschiessen, sich mit Blitzesschnelle ausbreiten, den ganzen Himmel überziehen und im Nu den noch eben hellsten Sonnenschein in die finsterste Nacht verwandeln sahen. — Jetzt flohen sie bestürzt durch einander, nicht wissend, wohin, und ungewiss ihres nächsten Looses. Noch einige Sekunden später und ein Paar Tausend von ihnen waren begraben. Sie wurden theils bedeckt von Schlamm, der vom Krater ausgeschleudert, in ungeheuren Massen aus der Luft herabfiel, theils kamen sie in den Fluthen von heissem Wasser um, das mit Schlamm und Steintrümmern vermengt, dem Krater in ungeheurer Menge entquoll, das (als drohe eine zweite Sündfluth) zehn Minuten weit im Umkreise Alles überströmte, alle Dörfer, Felder und Wälder vernichtete und in einen dampfenden Pfuhl von bläulich-grauer Farbe verwandelte, der mit Cadavern von Menschen und Thieren, mit Häusertrümmern und zerbrochenen Baumstämmen übersäet war. Wild brachen durch diese Schlamm- und Trümmermassen die Bäche Tji-Kunir und Tji-Wulan hindurch; sie waren zu tobenden Fluthen angeschwollen, die Alles auf ihrer Bahn zerstörten, alle Brücken wegspülten und weite Ueberschwemmungen verursachten, in denen noch eine grosse Menge armer Flüchtlinge, die sich schon gerettet glaubten, ihr Leben verloren; — mit Menschen- und Thierleichen aller Art bedeckt, wälzten sie dann ihr schlammiges, kochend heisses Wasser der Südküste zu, deren Bewohner, vor diesem Anblicke entsetzt, die Flucht zu den nächsten Hügeln ergriffen. In das Brausen der Bäche, in das Brüllen des Kraters, in das Krachen zersplitterter Wälder, in das Knacken fortgewälzter Felsenmassen, die an einander stiessen, und in das verzweiflungsvolleJammergeschrei der Tausende von Menschen, die hülflos ihren Tod vor Augen sahen, — dröhnte laut von oben der Donner herab, und Blitze fuhren unaufhörlich nach allen Richtungen aus dem dichten Gewölk, das sich weit und breit über dem Gebirge durch die schnelle Verdichtung der Dämpfe gebildet hatte.
Erst nach drei Stunden, nämlich um 4 Uhr Nachmittags, liess die Heftigkeit des Ausbruchs nach, die sich fortwährend auf eine doppelte Weise offenbart hatte, nämlich durch das Hervorquellen von Schlammmassen aus dem Krater und das Herabströmen derselben und durch das Emporschleudern in höhere Luftschichten von Schlamm, Asche und Steinmassen, die dann als ein Alles verwüstender Regen wieder niederfielen und auch die entfernteren Pflanzungen und Wälder, die in etwas grösserer Entfernung lagen und dadurch auch noch verschont geblieben waren, zerstörten. Um 5 Uhr aber war Alles vorbei. —
Zahlreiche Dörfer mit allen ihren Bewohnern, die sich drei Stunden zuvor noch im Kreise der Ihrigen sorglos der Ruhe überliessen, oder ihre Kinder wiegten, lagen nun begraben unter vulkanischem Schlamm und Steintrümmern, so dass man keine Spur mehr von den Dörfern sah, und das Terrain südöstlich vom Berge um 40–50' hoch durch die Auswurfmassen erhöht war. Wie erschöpft von ihren Anstrengungen (gegen 5 Uhr), versank nun die Natur in Ruhe; es wurde todtstill, und der Himmel heiter, und der Abendstrahl derselben Sonne, die des Mittags über alle Pracht der tropischen Vegetation, über Glück und Luxus geschienen hatte, — jetzt schien sie, fast spottend, über einen Schauplatz von Verwüstung, aus dem alles Grün verschwunden war, über meilenlange, schwärzlich-graue Felder von Schlamm und Lava, gleichsam über Schlachtfelder, welche besäet waren mit zerknickten Baumstämmen und Cadavern von Menschen und Thieren, die theils verstümmelt und verbrannt aus dem Schlamm hervorragten, theils in den tobenden Fluthen des Tji-Wulan und Tji-Tandui dem Meere zutrieben.â€
Das Wasser, das von den steilen Wänden des Kraters aus der Schlucht herabfällt, fliesst in zwei tiefen Rinnen zu beiden Seiten des die letztere ausfüllenden Schuttrückens und vereinigt sich am Ende desselben zu einem wasserreichen Bach, Tjikunir, der in vielen Windungen durch die Ebene fliesst und einige Meilen weiter in den Tjiwulan mündet. Der Schuttberg ist ebenfalls reich bewachsen, namentlich mit vielen Baumfarnen und blühenden Sträuchern; wo er aber sein Ende in der Ebene erreicht, hört diese Vegetation plötzlich auf; nichts als Glagarohr bedeckt die Fläche und die unzähligen kleinen Hügel, die sich aus derselbenerheben, deren durch den Ausbruch veranlasste Entstehung noch nicht genügend erklärt ist und verschiedene Hypothesen hervorgerufen hat. Die vulkanische Thätigkeit am Gelungung ist jetzt auf einige Solfataren und Fumarolen beschränkt, in denen Gyps, Schwefel, Faseralaun und Eisenchlorid gebildet wird. Auch eine Kalksinterquelle ist vorhanden.
Wo die Glagawildniss an die fruchtbare Ebene grenzt, erwartete mich der Bedana von Singaparna. Ich brachte die Nacht bei ihm zu, besichtigte am folgenden Tage, durch strömenden Regen sehr behindert, das interessante Hügelterrain und erreichte die Fahrstrasse wieder bei Tasikmalaja. Von hier läuft der Tjitandui nach Osten, am Südrande des grossen Sawalberges hin, mehrere Gewässer aufnehmend, bei Bandjar führt ihm der Tjimundur, der alle vom Ostabhang desselben Berges abfliessenden Bäche, gegen 20, aufnimmt, so grossen Wasserreichthum zu, dass er für flache Boote schon von hier aus den grössten Theil des Jahres schiffbar ist. Wenige Paal weiter, bei Sindang-adji, nimmt er eine südöstliche Richtung an und schleicht in trägen Windungen durch ein niedriges Sumpfland (Rawa) bis Kaliputjang, wo er durch die Kalkberge, die hier den Südrand Javas einfassen und nur von einer sehr schmalen Meerenge unterbrochen in der Insel Nusa-kumbangan fortsetzen, zu einer mehr östlichen Richtung gezwungen wird. Etwas weiter erreicht er den kleinen, seichten Meerbusen Segoro-anakan, „die Kinderseeâ€, ein hässliches, seichtes, heisses, von Mangelsümpfen eingefasstes Wasserbecken, durch die quer davor liegende Insel Nusa-kumbangan fast ein Binnensee. Von Tasikmalaja folgt die Strasse dem südlichen Ufer des Tjitandui bis Bandjar. Die Gegend ist flachhüglich, weniger bebaut und bewohnt, als die bisher besuchten reichen Distrikte; es fehlen die Sawas, weil kein Berieselungswasser von höher gelegenen Bergen vorhanden ist. Von Bandjar, wo die Landstrasse ihr Ende erreicht, muss die Reise zu Wasser oder zu Pferde fortgesetzt werden; daher fanden wir hier eine grosse Menge von Büffelkarren, welche die Produkte der Preanger Regentschaften an die Regierungspackhäuser abgeliefert hatten, von wo aus sie in eigens dazu erbauten, sehr flach gehenden, eisernen Frachtschiffen stromabwärts an Bantengmati vorbei, über die fast zugeschlämmte „Kinderseeâ€, welche Java von der Insel Nusa-kumbangan trennt, nach Tjelatjap verschifft werden, wo jährlich gegen 50 grosse europäische Schiffe einlaufen, um diese Produkte nach Europa zu bringen. Bandjar hat als Stapelplatz für den südlichen Theil der Preanger Lande dieselbe Bedeutung, wie Tjikao (S. 138) für den nördlichen. Was oben über die mangelhaften Verkehrsmittel der Provinzim Allgemeinen gesagt worden, gilt in erhöhtem Grade für deren südlichen Theil, der nicht, wie der nördliche, durch eine Kulturebene, sondern durch eine Felsenmauer begrenzt wird, welcher kein Schiff zu nahen wagt.
Die Büffelkarren (pedati) nehmen eine hervorragende Stelle in der Staffage javanischer Landschaften ein. Es sind viereckige Körbe mit einem Dach, wie die Wohnhäuser der Inländer, nur viel kleiner und zierlicher. An der vom Dach überragten vorderen Giebelseite ist eine Art Vestibulum, in welchem der Fuhrmann sitzt, man könnte fast sagen, — wohnt, so häuslich richtet er sich bei langen Reisen ein. Oft hockt seine Frau neben ihm, sein Regenhut, Kochtopf und sonstige kleine Bedürfnisse hängen unter dem Dach, an den Seitenwänden. Oben am Giebel ist immer ein Fähnchen oder eine geschnitzte Verzierung angebracht, häufig ein Pfauenkopf; dann ist die hintere Giebelspitze mit einem wirklichen Pfauenschwanz geschmückt. Die an der Achse festsitzenden Räder sind Holzscheiben und bestehen gewöhnlich aus den strebepfeilerartigen schmalen Vorsprüngen, die den am höchsten aufstrebenden Waldbäumen als Stütze dienen. Man begegnet Zügen von mehr als 100 Wagen hinter einander, die unter unaufhörlichem, einförmigem Quieken langsam fortrollen und die Fuhrleute in angenehmen Schlaf lullen. Die Büffel bewegen sich nur langsam vorwärts und müssen häufig gebadet werden. Deshalb wählt man zu Lagerplätzen gern Stellen, an denen sich die Thiere im Wasser oder noch lieber im Schlamm erholen können, während die Menschen an zahlreichen kleinen Feuern ihren Reis kochen.
BÃœFFELKARREN. JAVA.
Von Bandjar wurde mein Wagen über die Kindersee nach Tjelatjap gesandt, während ich die Reise zu Pferde auf schattigen Waldwegen am Rande des niedrigen Höhenzuges fortsetzte, der die einförmige Rawa in SW. einfasst. Der Ritt durch diese wenig besuchten Wälder war ausserordentlich angenehm. Einen bemerkenswerthen Kontrast mit der allgemeinen Ueppigkeit bildeten einige allein stehende 50' hohe dicke Säulen, von denen einzelne grosse vergilbte Fächer herabhingen, während sich über ihnen ein Riesen-Kandelaber erhob, auf dessen sparrigen, horizontal ausgereckten Armen zuweilen ein grosser Nashornvogel sass, der die daran sitzenden reifen Früchte verzehrte. Es waren die an der Südküste so häufigen Fächerpalmen (Corypha gebanga), die nur einmal Früchte tragen und dann, wie wahrscheinlich alle terminal blühende Palmen, absterben. Die Menge der wilden Pfauen verkündete die Nähe von Tigern; eine Gemeinschaft, deren Ursache noch nicht genügend festgestellt ist. Auch Rhinozerosse und wilde Stiere (banteng) sind hierhäufig. Auf weiten Strecken fanden wir die Strasse mit Teakbäumen (spr. Tiek), Tectona grandis L., bepflanzt. Sie wachsen Anfangs schnell, später aber sehr langsam und sind erst nach 60 oder 80 Jahren für den Schiffbau zu gebrauchen, in welcher Verwendung sie alle bekannten Hölzer übertreffen. Das Holz schadet dem Eisen nicht, wirft sich nicht, ist kieselreich und ausserordentlich dauerhaft; Termiten greifen es nicht an und es kann grün verwendet werden. Während Telegraphenstangen in Preussen im günstigsten Falle 5 Jahre halten, sind Teakstangen selbst in Indien unverwüstlich. Der ausgewachsene Baum ist einer der mächtigsten Waldbäume. Im Westen von Java ist das Teak selten, in Mittel- und Ost-Java bildet es grosse Wälder und leidet keine andern Bäume neben sich, die ihm gern den Platz überlassen, da ihm der schlechteste Boden gefällt.[85]Auch Gummibäume sind hier angepflanzt worden, um später ausgebeutet zu werden. So ist die holländische Regierung unablässig bemüht, durch den Anbau neuer Kulturpflanzen den Werth ihrer Kolonie zu erhöhen.
HÄUSERGRUPPE IN EINEM GEBIRGSDÖRFCHEN. JAVA.
Die Nacht brachte ich in einem ganz kleinen selten besuchten Dörfchen in der Nähe des Gunong-gamping, bei armen sehr gefälligen Leuten zu. Einen Theil desselben stellt die beiliegende Zeichnung dar; das grössere Haus links im Vorgrund ist eine Reisscheune (lombong), sie steht auf vier Steinen zum Schutz gegen heimliche Angriffe der Termiten, frei und hoch genug über dem Boden, um der Luft den Durchzug durch die aus Bambus geflochtenen Wände zu gestatten; diese laufen spitz nach unten zu, wodurch der Regen unschädlich gemacht und das Hinaufklettern der Ratten und Mäuse sehr erschwert wird. Am folgenden Morgen besuchte ich mehrere geognostisch-interessante Punkte, den prächtigen Wasserfall Tjipipisan, und gelangte Abends nach Kaliputjang, wo der Tjitandui auf den die Rawa in SW. begrenzenden Höhenzug stösst. Von hier fährt man im Kahn nach Bantengmati, einem kleinen, auf der NW.-Spitze der Insel Nusa-kumbangan gelegenenFort, dessen Kommandant, ein alter, lange in Indien dienender Soldat, mich sehr freundlich aufnahm. Unter den wenigen Soldaten, aus denen die Garnison bestand, waren auch mehrere Neger, die sich anfänglich häufig krank meldeten, wodurch der Dienst sehr litt. Zum Glück besass der alte Herr ein Universalmittel, das nie versagte. Jeder Patient musste, bevor er nur überhaupt die näheren Umstände seiner Krankheit vortragen durfte, ein Weinglas voll Ricinusöl unter den Augen seines Vorgesetzten austrinken. Die Leute sträubten sich oft gewaltig, genasen aber immer nach der ersten Dosis, wenigstens verlangten sie nie eine zweite.
Nach dem langen Aufenthalt im Hochlande fand ich es hier erschlaffend heiss; Moskitos waren so zahlreich, dass um alle Häuser Rauchfeuer brannten. Ich folgte dem Nordrand der Insel, deren westliches Ende aus Kalkklippen besteht, an denen bis zu beträchtlicher Höhe die Einwirkung des Meeres sichtbar ist, obgleich es jetzt nur noch ihren Fuss bespült. In diesen Kalkfelsen sind viele kleine Tropfsteinhöhlen, in denen aber trotz allen Suchens keine Knochen aufzufinden waren. Da, wo die Kalkfelsen aufhören, die Küste flach wird, treten Mangelsümpfe auf, die, wenige felsige Stellen des Südrandes ausgenommen, das ganze übrige Gestade der Kindersee mit einem breiten Gürtel einfassen und die Rawa von Jahr zu Jahr vergrössern. Bevor wir bei Manundjaja, einer ärmlichen, kleinen Häusergruppe im sumpfigen Walde, das Land betraten, besuchten wir Paniteng, eines der merkwürdigen Dörfer, deren sich mehrere mitten aus dem seichten Meere erheben. Es war nur im Kahn zu erreichen und ruhte ganz auf Pfählen. Die Hütten bildeten ein Viereck und waren nach Aussen durch eine Gallerie, nach Innen durch einen Hof von Bambuslatten verbunden, wodurch in diesem Venedig eine Art Markusplatz entstand, auf welchem Fische getrocknet wurden. Es war ein ärmliches, schmutziges Dörfchen, aber interessant als ein Beispiel moderner Pfahlbauten.
Nach vielen vergeblichen Bemühungen von Manundjaja aus Karang-andjar zu erreichen, wo die Rafflesia Padma auf den Wurzeln eines Cissus in solcher Menge wächst, dass Junghuhn „keinen Schritt thun konnte, ohne eine zu zertretenâ€, schifften wir uns nach Tjelatjap ein. Nusa-kumbangan tritt mit der östlichen Hälfte seines Nordrandes so hart an das Festland, dass der Meeresarm, durch welchen die Kindersee mit dem indischen Meer in Verbindung steht, kaum die Breite eines mittelmässigen Flusses hat. Die östliche Spitze biegt sich hornartig nach Norden und schützt dadurch den am jenseitigen Ufer gelegenen Hafenvon Tjelatjap. Von hier bis zur Mündung des Kali-Seraju gen Osten, bildet die Küste einen nach NW. gerichteten Bogen, und streicht dann als flaches Gestadeland in fast gerader Richtung, die Provinzen Banjumas und Bagelen im Süden begrenzend, bis Karang-tritis, im Gebiet des Sultans von Jokjokarta. Dort hört der Strand plötzlich auf; schroffe Felsenwände, die im Allgemeinen dasselbe Streichen beibehalten, aber sehr zerrissen und vielfach ausgezackt sind, fassen nun den Südrand der Insel bis zur östlichsten Spitze ein, nur einmal durch eine sumpfige Ebene unterbrochen. Auf der ganzen Strecke giebt es keinen Hafen mehr, kaum einen Zufluchtsort für Fischer. Die Schifffahrtsbücher beschreiben die Südküste von Java als „eisenumgürtet†(ironbound); kein Schiff wagt ihr zu nahen.
Zwischen Tjelatjap und Karang-tritis erhebt sich aus dem Flachland, etwa im Drittel der Erstreckung, ein ins Meer hineinragender Felsenberg Karang-bollong, der in seiner, dem Meere zugekehrten steilen Wand die berühmten Höhlen enthält, welche die essbaren Vogelnester liefern. Ihnen galt mein erster Besuch.
Eine sehr gute Strasse läuft dem Strande parallel nach dem isolirt liegenden Gebirg. Vom Meer trennt sie nur ein wenige tausend Fuss breiter Saum von dichtem grünem Rasen, auf dem Büffel weiden, oder im Schatten von Bambusbüschen wiederkäuen. Links von der Strasse, landeinwärts, liegen wenige Dörfer, von kleinen Feldern umgeben; der grösste Theil des Flächenraumes wird aber von Morästen eingenommen, in deren Pfützen und Gräben weisse, unbedeutende Nymphaeen und kleinblättrige Limnanthemum blühen. Auch hier waren Teakbäume angepflanzt. Im Pasanggrahan von Adiredjo traf ich drei Landsleute von der topographischen Abtheilung, die mit Aufnahme der Provinz Banjumas beschäftigt war. Die Aufnahmen fanden im Maassstabe von 1:10,000 statt. Die Triangulationen waren über ganz Java beendigt, das Ausfüllen geschah ohne Messtisch, mit Schmalkalderscher Bussole. Ich kam an mehreren Zimmetpflanzungen vorüber und fand auch Baumwolle in kleinen Feldern angebaut, die aber nicht recht gedeihen will, angeblich wegen der grossen Feuchtigkeit. In Gumpangpasir sah ich das Zimmet für den Handel bereiten. Die Pflanze (Cinnamomum zeilanicum) wird als Strauch kultivirt. Man schneidet die Triebe, wenn sie etwa die Grösse eines gewöhnlichen Spazierstocks haben; jeder Baum wird jährlich acht- bis neunmal geschnitten und liefert je 2 oder 3, im Jahre also ungefähr 2 Dutzend Stöcke. Nachdem sie gleich auf der Pflanzung von Laub und Seitenzweigen entblösst sind,werden sie bündelweis in einen Schuppen gebracht, wo ein Arbeiter die Rinde der ganzen Länge nach aufschlitzt und vom Stock löst. Er sitzt dabei auf dem Boden, hält das eine Ende des Stocks mit der Hand, das andere mit den Zehen fest; eine Frau schabt mit einem sichelförmigen, an beiden Enden mit Handgriffen versehenen Messer die Korkschicht von der abgelösten Rinde. Die zurückbleibende Bastschicht, welche den Zimmet des Handels giebt, wird dann in mehreren Lagen über einander zu 3 Fuss langen Streifen an einander gelegt, die sich beim Trocknen von beiden Rändern aus nach der Mittellinie hin zusammenrollen. In der Sonne werden sie vollständig getrocknet. Zweihundert solcher Rollen bilden ein Bündel.
Der Zimmetbau ist 1825 durch die Kolonial-Regierung in Java eingeführt und später als ein Zweig des Kultursystems in grösserer Ausdehnung betrieben worden, hat aber statt des erwarteten Gewinns immer nur Verlust ergeben, so dass man demnächst wohl die Pflanzungen an Privatunternehmer verpachten wird. Die Qualität ist durch sorgfältige Kultur sehr gehoben worden, ohne jedoch der des Zimmets von Ceylon gleichzukommen. Nach dem Durchschnitt der letzten Jahre betrug die Ausfuhr im Mittel etwa 200,000 ℔, beinahe ein Drittel so viel als von der „Zimmetinsel†Ceylon. Wie der Verbrauch fast aller andern Gewürze nimmt auch der des Zimmets eher ab als zu. Die künstliche Vertheuerung[86]dieses ursprünglich auf Ceylon und Malabar beschränkten Gewürzes durch das erst 1833 aufgehobene Monopol hat viel zur Verbreitung der Cassiarinde (Cassia lignea) als Surrogat beigetragen.[87]
Ueber den breiten, aber kurzen Kali-adiredjo führt eine Bambusbrücke, die, auf Bambusflössen ruhend, mit der Ebbe und Fluth fällt und steigt. Zu beiden Seiten derselben standen lange Reihen eigenthümlicher Fischapparate: kleine Häuschen auf 15' hohen Gestellen, jedes mit einem grossen Senknetz versehen, das vermittelst einer rohen Welle und eines Rotangstricks aufgeholt werden kann. Gegen 5 Uhr erreichte ich Djetis, wo ein schlechter Pasanggrahan in hübscher Umgebung am westlichen Ufer des gleichnamigen Flusses liegt, der hier in das indische Meer fällt. Am jenseitigen Ufer erheben sich die hohen Felskuppen von Karang-bollong.
Am folgenden Morgen fuhr ich über den Fluss, der die westliche Grenze von Ambal des südlichen Theils der Provinz Bagelen bildet; ich traf den Assistent-Residenten und setzte in seiner angenehmen Gesellschaft den Weg über den Felsrücken fort, der hier die flache, fast geradlinige Küste plötzlich unterbrechend, mehrere Paal weit ins Meer ragt. Nach wenigen Stunden erreichten wir am jenseitigen Fuss des Berges den Ort Karang-bollong, welcher die Beamtenwohnungen und das Magazin für die Vogelnester enthält. In der Mitte des letzteren erhob sich ein reich geschmücktes, der Geisterkönigin Loro-kidul, Schutzpatronin der Nestersammler, geweihtes Bett, vor welchem Früchte, Blumensträusse, Räuchergefässe standen; eine verzierte Kiste enthielt ihre Garderobe, die von Zeit zu Zeit auf Kosten der Regierung erneuert wird. Loro-kidul hat eine eigene Kammerjungfer, die zur Zeit der Lese die Göttin befragt, ob die Nester gepflückt werden dürfen oder nicht. Die Antwort lautet gewöhnlich bejahend, zuweilen aber auch verneinend; dann wird nach einigen Tagen wieder angefragt, und immer noch hat Loro-kidul zur günstigen Zeit die Erlaubniss ertheilt, vielleicht aus Furcht, durch Eigensinn ihre Kammerjungfer zu verlieren. Die Nester werden dreimal jährlich eingesammelt. Es war jetzt gerade die Zeit, wo mit der zweiten Lese begonnen werden sollte. Die Leute waren beschäftigt, Bambus- und Rotangleitern in Stand zu setzen, um vom oberen Rande der Felsenmauer aus in die Höhlen zu steigen. Vom Meere her sind sie nicht zu erreichen. Für die grosse Höhle Gua-gedeh sollten die Vorbereitungen den nächsten Tag fertig sein; so hatte ich denn Gelegenheit, eine dieser berühmten Höhlen zu besuchen, wozu ein Fremder wohl nicht leicht Erlaubniss erhält. Die Beamten, denen der Besuchfreisteht, haben ihrerseits wenig Lust, sich dem beschwerlichen und als halsbrecherisch geschilderten Gang auszusetzen, da sie nicht die Neugier eines Reisenden besitzen.
Auf dem Gipfel des Bergrückens, der die Thalmulde, in welcher das Packhaus liegt, vom Meer trennt, stehen drei kleine Flaggenstöcke, von denen, wenn die See ruhig ist, so dass man gefahrlos den Eingang der Höhle erreichen kann, weisse, im andern Falle schwarze Flaggen wehen. Loro-kidul war liebenswürdig, 3 weisse Fähnchen winkten von der Höhe.
HÖHLE (GUA) GEDEH.
Hat man den gegen 1000' hohen Bergrücken erstiegen, so geniesst man eine herrliche Aussicht. Jenseits der jähen Felsen, die wie grosse Strebepfeiler die senkrechte Bergwand an der Seeseite stützen, breitet sich das indische Meer, im Osten die Ebene von Bagelen, im Westen die von Banjumas aus. Ein bequemer Pfad führt zur Meeresküste hinab, bis zu einer Stelle, wo derselbe plötzlich an einer senkrechten Wand aufhört. Von hier steigt man auf einer Leiter hinab, deren Seiten aus Rotang, deren Sprossen aber aus Bambus bestehen, und von der nur das oberste um einen Baum geschlungene Ende sichtbar ist, der übrige 90' lange Theil der Leiter hängt frei in der Luft vor der Wand, die an dieser Stelle nach Innen einspringt. Der Sicherheit wegen muss man barfuss gehen. Von der untersten Sprosse tritt man auf einen kaum 11/2' breiten Felsenvorsprung, in dessen Spalten einige Pflöcke eingekeilt und noch ausserdem durch kleine Stricke an den Unebenheiten des Gesteins befestigt sind. An diesen Pflöcken sind die beiden Enden eines dreifachen Rotang fest gemacht, der von hier in die Tiefe hinabhängt, und dessen unten entstehende Biegung (sogenannte doppelte Bucht) eine 27' lange Bambusleiter trägt, deren oberes Ende auch noch an den Pflöcken des Felsenvorsprunges mit kleinen Stricken festgebunden ist. Der ganze Apparat flösst dem Neuling wenig Zutrauen ein. Auf dem kleinen Vorsprunge muss man sich umdrehen, um die Bambusleiter, die man nicht sieht, mit den Füssen zu erreichen und weiter in die Tiefe zu steigen. Auf der untersten Sprosse angelangt, befindet man sich etwa 10' über dem Meeresspiegel. Um diese Sprosse und die die Leiter tragende Rotangschleife ist das Ende eines mehrere 100' langen Rotangs geschlungen, das in die Höhle führt, wo es an den Unebenheiten der Decke vermittelst Arengstricken befestigt ist. Man geht auf diesem Rotang und hält sich mit den Händen an einem zweiten, einige Fuss darüber angebrachten. Es waren nur erst diese beiden Rotangs festgemacht; später zieht man deren mehrere nach allen Richtungen. Die Nester sitzen inReihen an den Felswänden, werden mit der Hand gesammelt, und wenn sie nicht erreichbar sind, mit einer Stange, deren Ende eine Schaufel mit Netzbeutel trägt. Das Geschäft ist wohl nicht so gefährlich, als es aussieht, denn seit 1830, wo der Besitz der Höhle an die Holländer überging, soll nur ein Mann dabei verunglückt sein. Früher pflückte man die Nester je einen Monat früher, wenn noch die jungen Vögel darin lagen, die herausgeworfen und vernichtet wurden; jetzt sammelt man sie erst, nachdem die Jungen flügge geworden sind und sichert sich dadurch einen beständigen Ertrag. Dagegen sind die um so viel älteren Nester nicht durchgängig von so guter Beschaffenheit. Diese Höhlen, deren 19 im Gebirge von Karang-bollong liegen, gingen erst nach Unterdrückung des Aufstandes von Dipo-negoro (1830) in den Besitz der holländischen Regierung über, welche alle seit den ältesten Zeiten bei dem Sammeln üblichen abergläubischen Gebräuche, an denen die Eingebornen so fest hängen, beibehalten hat. Sie geben einen interessanten Einblick in die Sitten der Javanen, weshalb ich eine kurze Beschreibung derselben theils nach Mittheilungen, die ich an Ort und Stelle erhielt, theils nach einer Abhandlung eines früheren Assistent-Residenten von Ambal hier beifüge. —[88]
Das Sammeln der Vogelnester findet dreimal im Jahre statt, die erste Ernte, Unduan-kesongo, Ende April, die zweite, Tellor, Ende August, die dritte, Kapat, im Dezember; der Gesammtertrag beläuft sich auf 44–45 Pikul. Vor dem Beginn der Lese erhalten die Häuptlinge der verschiedenen Klippen Geld zur Beschaffung von 9 Büffeln, 2 Ziegenböcken, Rotangs, Bambus, Fackeln, Opium und Weihrauch, dann werden aus der zugänglichsten Höhle Nogasari bei recht stiller See einige Probenester geholt. Sind die Vögel hinreichend entwickelt, so findet das Opferfest mit Wayang (Schattenspiel) und Toppeng (Maskenspiel) statt. Nach dem Adat[89]beginnt das Fest an einem Donnerstag Abend. Freitag früh werden die Büffel geschlachtet und Stückchen Fleisch an dem Bollong und den Wachthäusern geopfert, an der Klippe Madjingklak aber wird ein Geisbock geopfert und geräuchert; diese Festlichkeiten heissenNgadiran. Nachmittags ist Wayangspiel im Bollong. Nach Beendigung desselben bringt die bereits erwähnte Kammerjungfer das Bett der Loro-kidul (das „Teufelsbettâ€) in Ordnung, der Spiegel am Kopfende desselben wird dann mit seidenen Kleidern behängt. Ausser dieser Frau,Tukang-gedong, darf es Niemand berühren. Nachdem das Bett festlich geschmückt und Lampen angezündet sind, tritt die Frau mit grossen Ehrenbezeugungen vor dasselbe und spricht auf hochjavanisch: „Auf Befehl meines Herrn (des Aufsehers) bringe ich Euch hier zu essenâ€, worauf sie sich gleich selbst die Antwort giebt: „Ya, Mak tukang-gedong: sage dem Vater, meinem Herrn, dass ich ihm für das mir gesandte Essen meinen Dank bezeuge.†Dann fragt Tukang-gedong, ob Njai Kidul erlaubt, dass Nester gepflückt werden, und ob es ohne Unglücksfall geschehen werde, worauf gewöhnlich „ja†geantwortet wird. Während der ganzen Nacht spielt der Toppeng in der Nähe des Packhauses bis zum folgenden Morgen. Samstag früh bringen die Häuptlinge mit ihren Leuten die bereits verfertigten Leitern nach den verschiedenen Klippen und treffen weitere Vorbereitungen. Den ganzen Tag über ist Toppeng, Abends Gamelang und Tanz, wobei die Tänzerinnen zu Ehren Loro-kiduls das Gesicht nach dem Packhause wenden. Inzwischen wird das Essen aufgetragen. Alles setzt sich im Kreise: Schreiber, Bedana, Mantris, die Häuptlinge der Klippen und ihre Leute; der Schreiber führt den Vorsitz und bringt Toaste auf einen guten Erfolg aus. Jeder Anwesende erhält eine Gabe Opium; der Tanz währt bis Mitternacht, womit das Fest sein Ende erreicht. Sonntags gehen die Häuptlinge wieder nach ihren Klippen, verlängern, wenn die See ruhig ist, die Leitern bis an die Höhlen und holen einige Probenester herauf; sind diese hinreichend ausgebildet, so werden die Leitern an den Gestellen befestigt, was gewöhnlich 5–6 Tage erfordert. Ist Alles bereit, so wählt man, um zu beginnen, einen Tag, der für besonders glücklich gilt. Die Zahl der Sammler beträgt zuweilen am ersten Tage 80–90, verringert sich aber schnell mit der Abnahme der Nester. Beim Abliefern ins Packhaus findet wieder ein kleines Festmahl mit rothem und weissem Reis statt. Die Lese dauert 3 Wochen bis 2 Monate, dies hängt vom Zustand der See, aber auch von abergläubischen Rücksichten ab. Die Lese im August oder Anfangs September ist gewöhnlich die ergiebigste. Die Zugänglichkeit der Höhlen ist sehr verschieden; ebenso verschieden ist auch ihr Ertrag: während die Höhle Muliran nur 1–3 Nester lieferte, gab die grosse Höhle Nogosari im Jahre 1857 3229 ℔; der Gesammtertrag aller Höhlen in den verschiedenen Jahren bleibt aber bis auf ganz kleine Schwankungen derselbe, weshalb der amtlichen Büchern entnommene Ertrag von 1857 als Norm hier angeführt werden mag. Die Nester werden sortirt in ganze, zerbrochene und Grus. Für den Markt hat dies aber keine Bedeutung, da die ganzen Nester mit den Bruchstücken vermengt,nach dem Gewicht verkauft werden. Man sortirt aber auch nach drei Qualitäten: 1) weisse, 2) weniger weisse, 3) braune und schwarze. Totalertrag sämmtlicher Höhlen 1857: ganze Nester: 196,583 Stück, zerbrochene: 109,528, Grus: 1106 ℔, Totalertrag in Pfunden: 5354. Im Durchschnitt werden die Nester auf den öffentlichen Auktionen in Batavia 1. Qual. mit 6200 fl., die 2. mit 5000, die 3. mit 2800 fl. per Pikul von 125 ℔ bezahlt. Ueber den Stoff, aus dem die Nester bestehen, herrschten bis vor Kurzem sehr abweichende Vorstellungen. Erst Dr. Bernstein beschrieb nach wiederholten sorgfältigen Beobachtungen ihre Entstehung, sowie er auch der Gattung Collocalia Gr., die Bonaparte wieder zu den Schwalben gestellt hatte, in Folge genauer anatomischer Untersuchungen ihre richtige Stellung im System in der Familie der Cypseliden anwies und dadurch Gray's frühere Klassifikation, ohne sie zu kennen, bestätigte.
Nach Bernstein[90]kennt man von der Gattung Collocalia bis jetzt nur 4 Arten: C. esculenta Lath., G. nidifica Lath., beide auf Java einheimisch, C. troglodytes Gr. & Mitch., den Molukken und Philippinen und C. francica, allein der Insel Mauritius angehörend. Die Nester von C. esculenta, seit Jahrhunderten bekannt und oft beschrieben, haben im Allgemeinen die Form einer der Länge nach geviertelten Eischale, die mit einer Seite am Felsen klebt, welcher die Rückwand des Nestes bildet. Von beiden Enden gehen flügelartige Ausbreitungen aus, die mit ihrer flachen Basis am Gestein festsitzend, die Hauptstütze des Nestes bilden, das aus einer sehr dünnen, durchscheinenden, weissen oder bräunlichen Masse besteht, die am meisten Aehnlichkeit mit Hausenblase hat und wellige Querstreifen zeigt. C. nidifica, die auf Java wohl noch häufiger ist, als die andre Art, wohnt in weniger unzugänglichen Höhlen und baut ihre Nester, die den andern sehr ähnlich sehen, zum grossen Theil aus Pflanzenbestandtheilen, welche durch die leimartige Substanz an einander geklebt werden, während die Nester von C. esculenta ausschliesslich aus dieser Substanz bestehen. Einige hielten diesen Stoff für den verhärteten Saft eines Baumes, Calambone,[91]andere für Seetang, vom Vogel verzehrt und wieder ausgespieen; doch hat man in seinem Magen nie Spuren von Pflanzenstoff, sondern nur Insekten gefunden. Einen Kropf, in dem die Metamorphose vor sich gehen könnte, besitztder Vogel nicht. Bernstein fand aber an ihm ungewöhnlich entwickelte Speicheldrüsen, besonders glandulae sublinguales, die zur Zeit des Nestbaues ausserordentlich anschwellen, dann wieder kleiner werden und später die gewöhnliche Grösse dieses Organs bei verwandten Vögeln nicht übertreffen. Sie sondern einen dicken, zähen Schleim ab, der sich in grosser Menge an der Oeffnung der Ausführungsgänge dieser Drüsen, vorn unter der Zunge, anhäuft. Die Masse hat, oberflächlich betrachtet, grosse Aehnlichkeit mit einer sehr dicken Lösung von Gummi Arabicum, trocknet schnell an der Luft und stimmt auch, unter dem Mikroskop betrachtet, vollständig mit der Substanz der Nester überein. Bernstein beobachtete mehreremale diese Vögel beim Nestbau. Sie fliegen wiederholt an die gewählte Stelle und drücken mit der Zungenspitze einen Tropfen des Speichels gegen die Felswand. Dies wiederholen sie zehn- bis zwanzigmal, ohne sich mehr als eine Elle weit vom Platz zu entfernen, sie müssen also das Material, das sich schnell wiedererzeugt, in grösserer oder geringerer Menge bei sich führen. So entsteht als Grundlage des Nestes eine hufeisenförmige Erhöhung, der Vogel klammert sich daran und vergrössert, indem er mit dem Schnabel hin- und herfährt und den Schleim am Rande aufsetzt, das Nest, wodurch auch die oben erwähnten Streifen entstehen. Alle diese Angaben beruhen nicht auf Vermuthungen, sondern sind die Ergebnisse von Dr. Bernstein's wiederholten, mit grosser Umsicht angestellten Beobachtungen.
Von Karang-bollong kehrte ich nach Tjelatjap zurück. Schon in Adiredjo sah ich grosse Vorbereitungen für den auf den folgenden Tag festgesetzten Empfang des neuen Residenten von Banjumas treffen. Es erhoben sich ganze Reihen von Ehrenpforten aus Bambus, und gegen Abend fanden sich die holländischen und inländischen Beamten mit ihrem zahlreichen Gefolge ein, um dem Residenten von hier aus das Geleit zu geben. Die Strasse nach Tjelatjap war mit Zügen von Lanzenträgern bedeckt, die zu einem Rompok (Tigerstechen) entboten waren. Am folgenden Morgen hatten sich die vornehmsten Beamten mit dem Residenten im Pendopo des Regenten zur Erledigung der amtlichen Geschäfte versammelt. Neben dem Residenten in einfacher Uniform sass der Tumongong (Regent) in vollem Schmuck, den Sarong in künstliche Falten gelegt, 2 Krise an der Seite, eine fast fusshohe cylindrische Mütze auf dem Kopf; daneben auf dem Boden kauernd, dem Range nach geordnet, die höheren inländischen Beamten; vor der Halle im Freien hockten mit ihrem Gefolge die Bedanas und Aeltesten der verschiedenen Dorfschaften, um die Vertheilung der ihre Gemeinden treffenden Steuernund Lasten mit den Regierungsbeamten zu vereinbaren, wie es alljährlich geschieht. Nachdem die Geschäfte abgemacht, hielt der Resident dem Tumongong eine kurze Ansprache, worauf dieser vor die Versammlung trat und sie anredete. Darauf begaben sich der Resident nebst dem Regenten, von fast allen in Tjelatjap anwesenden Europäern gefolgt, nach einem Pavillon, um einen Kampf zwischen Königstiger und Büffel mit anzusehen. Ein wohl 20' hoher cylindrischer Bambuskäfig enthielt einen bekränzten Büffel; auf ein gegebenes Zeichen wurde eine kleine Thür geöffnet, die zu einem daran stossenden, kleineren, den Tiger enthaltenden Käfig führte. Alles wartete mit Spannung, der Tiger erschien aber nicht. Erst nachdem er ziemlich lange durch brennende Fackeln gepeinigt worden, schlüpfte er aus dem kleinen in den grossen Käfig, zeigte aber durchaus keine Kampflust. Er lief einigemal ängstlich im Kreise herum, bis ihm der Büffel, der ihn anscheinend mit dem Gleichmuth eines Unbetheiligten betrachtet hatte, einen Stoss gab, worauf der Tiger vor Angst an den Stäben in die Höhe kletterte. Durch kochendes Wasser, Absud von Pfeffer und Lanzenstiche wurde er von dort vertrieben. Beide Thiere wurden unaufhörlich von den oben auf dem Käfig stehenden Leuten gereizt, bis der Tiger endlich einen Sprung that und sich fest in das rechte Ohr des Büffels einbiss, indem er seine Tatze zugleich in den Nacken seines Gegners tief einschlug. Der Büffel versuchte vergeblich, ihn abzuschütteln, heulte vor Schmerz und schleifte den Tiger mehrmals auf dem Boden rings herum. Endlich liess dieser los und erhielt ein paar so kräftige Stösse, dass er wie todt liegen blieb. Der Büffel beroch ihn; als aber der Tiger den Versuch machte, nach ihm zu schnappen, erhielt er einen solchen Stoss, dass er wieder alle Viere von sich streckte. Das Publikum war zwar noch lange nicht befriedigt und wendete Pfeffer- und Stinkbrühen, Lanzenstiche und brennende Fackeln an, um die erschöpften Thiere noch einmal an einander zu bringen; aber vergeblich; die kleine Thür wurde endlich wieder geöffnet, der Tiger durch Feuer zum Aufstehen genöthigt, schlüpfte behend in seinen Käfig zurück.