Früher habe ich oft Gelegenheit gehabt, mir die Zucht von Seidenraupen anzusehen. Jetzt aber konnte ich trotz aller Bemühungen keinen Seidenraupenzüchter ausfindig machen. In den Zoologischen Handlungen gab man mir den Bescheid, daß die Seidenraupenzucht aufgegeben sei, weil die Aufzucht einen Raum von 70 Kubikmetern verlangt. Den hat man bei der jetzigen Wohnungsknappheit nicht übrig. Alte Seidenhandlungen, an die ich mich wandte, antworteten mir ähnlich. Eine sehr bekannte Firma schrieb mir, daß sie Seidenraupenzüchter nur in Baden und Württemberg kenne.
Wie in vielen Fällen unser berühmter Zoologischer Garten Hilfe in der Not gebracht hat, so war in diesem Falle unser ebenso berühmtes Aquarium der Retter in der Verlegenheit. Wir suchen diese Sehenswürdigkeit ersten Ranges auf und können uns bei dieser Gelegenheit die verschiedenen Goldfischarten, z. B. die Schleierschwänze und Teleskopfische, ferner die Chanchitos und andere tropische Aquariumfische in der wunderbarsten Beleuchtung ansehen.
In zwei Kästen wimmelt es von Raupen unseres Maulbeerspinners. Sie haben etwa die Länge des kleinen Fingers eines Mannes, nur sind sie nicht so dick. Ihre Tätigkeit scheint in dem Programm zu bestehen: Fressen, fressen und abermals fressen. Dementsprechend ist auch die Verdauung. Ueberall sehen wir schwarze Klümpchen auf dem Boden liegen. Verglichen mit den anderen Seidenspinnern sieht übrigens der Schmetterling des Maulbeerspinners sehr unscheinbar aus. In einem Nebenzimmer können wir nämlich die andern Spinnerarten bewundern, den Eichenseidenspinner Nordchinas, den Ailanthusspinner Chinas und Japans, den südamerikanischen SpinnerTelea Polyphemususw.
Die Farbe der Seidenraupe ist perlgrau, die der kleinen Eier ziemlich ebenso. Eine Menge Kokons können wir erblicken, welche die so geschätzte Seide liefern. Ein Kokon enthält einen Faden von 1000 bis 3000 Meter Länge. Hiervon ist jedoch nur ein Teil zur Herstellung von Seide verwendbar. Obendrein müssen mehrere Kokonfäden zusammengedreht werden, um einen Seidenfaden zu liefern.
Zu einem Kilo Seide sind 10 Kilo Kokons erforderlich. Ein Kilo Kokons enthält etwa 2500 Stück.
Deutschland führt jährlich etwa 11 Millionen Kilo im Werte von 158 Millionen Mark ein, wobei nach der heutigen Valuta der Betrag entsprechend erhöht werden muß.
Es wäre sehr wünschenswert, daß ein Teil dieses Materials bei uns selbst hergestellt würde, zumal die Seidenraupenzucht durch Kriegsbeschädigte, Frauen und Kinder ausgeübt werden kann. Sie kostet weniger Mühe als beispielsweise die Bienenzucht.
Ich entsinne mich, an verschiedenen Stellen unserer Heimatprovinz alte Maulbeerbäume gesehen zu haben, deren Früchte vortrefflich schmeckten. Von den Ortseinwohnern erfuhr ich, daß sie im achtzehnten Jahrhundert auf Anordnung von Friedrich dem Großen angepflanzt seien, um die Seidenraupenzucht bei uns einzuführen.
In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts war sogar die Seidenraupenzucht bei uns in einer gewissen Blüte. Dann aber brachen Seuchen unter den Raupen aus, und jetzt ist die Ausbeute sehr gering.
Es ist das Verdienst von Pasteur, die Gefahr der Seuchen fast beseitigt zu haben.
Um in unserem Vaterlande die Seidenraupenzucht wieder zu heben, ist natürlich in erster Linie die Beschaffung von Futter für die Seidenraupen erforderlich. Wie schon der Name sagt, ist ihr zuträglichstes Futter Maulbeerblätter. Als Ersatz kommen Schwarzwurzeln in Betracht. Viele meinen, daß der Rückgang der Seidenraupenzucht deshalb eingetreten sei, weil der Maulbeerbaum bei uns nicht aushalte. Das wird aber von Kennern bestritten, die sich darauf berufen, daß die Maulbeerbäume sogar den harten Winter von 1916 bis 1917 überstanden haben. Außerdem liefert nach ihnen der deutsche Maulbeerbaum viel kräftigeres Futter, so daß schon 7 Kilo Kokons ein Kilo Seide ergeben.
Um recht bald Futter zu erhalten, ist die Anpflanzung des Maulbeerbaums in Hecken am zweckmäßigsten. Obendrein ist dadurch das Füttern erleichtert.
Hat man Futter, so besorgt man sich seuchenfreie Eier. Manche heizen das Zimmer, bis eine Temperatur von 22 bis 25 Grad Celsius vorhanden ist. Andere halten eine Temperatur von 15 bis 18 Grad für durchaus hinreichend. Das ist bei den heutigen hohen Preisen für Brennstoffe von großer Wichtigkeit.
In 10 bis 15 Tagen schlüpfen die jungen Raupen aus den Eiern. Sie müssen regelmäßig gefüttert und sorgfältig umgebettet werden. Nach mehrfacher Häutung hört die Raupe auf zu fressen und spinnt sich ein, wodurch die Kokons entstehen. Die Kokons werden gesammelt, und der in ihnen befindliche, zum Auskriechen bereite Schmetterling durch Wasserdämpfe getötet. Würde man die Kokons nicht einer so hohen Hitze aussetzen, so würde der Schmetterling sich einen Ausweg aus dem Gespinst bahnen, wodurch der Wert des Gespinstes erheblich gemindert wird.
Nur die zu Zuchtzwecken bestimmten Kokons läßt man auskriechen. Die Schmetterlinge paaren sich und sterben bald darauf, nachdem vorher das Weibchen Eier gelegt hat.
Pasteur hat diese Paarung in kleinen Tüllsäcken vor sich gehen lassen. Nach dem Tode werden die Schmetterlinge untersucht, und nur die Eier von gesunden Tieren zur weiteren Zucht verwendet.
Nach dem Besuch unseres Aquariums ersehe ich aus den Zeitungen,daß bei Wertheim eine Seidenraupenzuchtausstellung stattfindet. Veranstaltet wird sie von dem Gemeinnützigen Verband für Seidenbau in Deutschland E. V. zu Berlin-Wilmersdorf, Brandenburgische Straße Nr. 36.
Von dem Vorhandensein eines solchen Verbandes wußten demnach alle von mir befragten Stellen nichts.
Wir begeben uns auch zu dieser Ausstellung, wo etwa das gleiche wie im Aquarium zu beobachten ist. Nur ist das Material hier umfangreicher.
Von Wichtigkeit ist, daß der Verband seuchenfreie Eier und Maulbeerpflänzlinge liefert. Ebenso ist er Abnehmer der Kokons. Auch kann man von ihm eine Broschüre erhalten, die alles nähere über die Seidenraupenzucht enthält (Preis 1,25 Mk.).
Auch in diesem Falle beobachten wir wieder, daß die größte Gefahr von der unnatürlichen Ansammlung des Unrats herrührt. Unter freiem Himmel fällt der Unrat der Raupen an die Erde, und die Tiere selbst werden gar nicht davon berührt. Bei der Zucht im Zimmer muß also für schnelle Beseitigung gesorgt werden.
Es seien zum Schluß die Merkworte des genannten Verbandes für die Seidenraupenzüchter angeführt: Heller, luftiger Zuchtraum. Gleichmäßige und feuchte Wärme. Schüsseln mit Wasser aufstellen. Sind kalte Nächte zu befürchten, die Raupen mit Papier bedecken. Regelmäßiges, reichliches Füttern. Nasses Laub vermeiden. Die Raupen in den Häutungen nicht stören. Für Zufuhr frischer Luft sorgen, Zuchtraum feucht aufwischen, nicht fegen. Kranke und tote Raupen entfernen. Ersatzfutter ist: Kopfsalat, auch im Notfalle Blätter der Schwarzwurzel, wenn einmal Mangel an Maulbeerlaub eintreten sollte.
Bekannt ist die Stelle aus Goethes Tasso:
Verbiete du dem Seidenwurm zu spinnen.
Mit dem Seidenwurm ist natürlich die Seidenraupe gemeint. Der sehr schöne Gedankengang ist folgender: Wie die Seidenraupe, so macht auch mancher Mensch von den ihm verliehenen Gaben Gebrauch, obwohl er weiß, daß er gerade dadurch sein Leben abkürzt.
Hinken tut der Vergleich dadurch, daß der Wurm nicht sterben, sondern als Schmetterling sich paaren will.
Um uns einen Bienenstock anzusehen, wollen wir wieder unsern alten Bekannten, Herrn Böhm, aufsuchen, der ein erfahrener Bienenwirt ist und verschiedene Bienenstöcke hat.
Herr Böhm, der uns freundlich begrüßt, erzählt uns, daß er auf ein Schwärmen der Bienen für den heutigen Tag rechnet oder es vielmehr befürchtet. Er erklärt uns nämlich, daß er ein solches Schwärmen durchaus nicht wünscht. Er hat, wie er uns erzählt, früher gewöhnliche deutsche Bienen gehabt, aber fast alle infolge von Seuchen verloren. Jetzt hat er Heidebienen, die sowieso gern schwärmen. Durch das zu häufige Schwärmen wird das Volk zu sehr geschwächt. Man schätzt die Anzahl eines Volkes auf 30- bis 60000 Stück. Selbstverständlich kann man bei einem Volke nicht jede Biene einzeln zählen. Das wäre ein sehr mühsames Geschäft. Obendrein müßte man auf zahlreiche Stiche gefaßt sein. Dagegen kann man einen Schwarm, den man in einem Behälter gefangen oder »eingeschlagen« hat, wiegen. Zieht man das Gewicht des Behälters ab und wiegt man eine kleine Anzahl von Bienen, so kann man ungefähr feststellen, wie groß die Zahl eines Volkes ist.
Die Ansicht des Herrn Böhm steht also im Widerspruch mit der landläufigen, wonach, da wir noch im Mai stehen, das Schwärmen ein großer Vorteil ist. Denn ein alter Spruch sagt:
Ein Schwarm im Maigilt ein Fuder Heu;Ein Schwarm im Jun',ein fettes Huhn;Ein Schwarm im Jul',kein Federspul'.
Ein Schwarm im Mai
gilt ein Fuder Heu;
Ein Schwarm im Jun',
ein fettes Huhn;
Ein Schwarm im Jul',
kein Federspul'.
Der Widerspruch ist aber nur scheinbar, denn für schwarmwütige Völker paßt der Vers vom Mai überhaupt nicht.
Auch Karo und Hektor haben uns als alte Bekannte freundlich begrüßt, zumal wir ihnen etwas Gutes mitgebracht haben. Als wir uns jedoch den Bienenständen nähern, verlassen sie uns. Sie haben anscheinend bereits üble Erfahrungen mit den Stichen der Bienen gemacht und wünschen nicht, nochmals gestochen zu werden.
Wie uns Herr Böhm weiter erzählt, ist ihm das Schwärmen der Bienen auch aus dem Grunde sehr unerwünscht, weil heute das Durchfüttern der Völker im Winter eine ganz andere Sache ist als früher. Im Winter tragen die Bienen naturgemäß nichts ein. Sie müssen alle vonden gesammelten Vorräten leben. Es müssen also gewissermaßen die im Sommer gemachten Ersparnisse angegriffen werden. Diese sind jedoch bald zu Ende, da der Mensch den Bienen den größten Teil ihrer Ersparnisse abnimmt. Es muß also ein Ersatz geschaffen werden, wenn, was häufig der Fall ist, ungünstige Witterung ein Ausfliegen der Bienen noch nicht gestattet. Damit die Tiere nicht verhungern, müssen sie also gefüttert werden. Früher standen dem Imker oder Bienenwirt zu diesem Zwecke der sehr billige Zucker und der fast wertlose Honig in unbegrenzter Menge zur Verfügung. Heute sind die Verhältnisse vollkommen geändert worden.
Wir können uns natürlich kein Urteil darüber erlauben, ob die Angaben unseres Bekannten zutreffend sind. Jeder Beruf schildert seine Einnahmen in den schwärzesten Farben. Aber wir wissen, daß Zucker und Honig gegenwärtig sehr teuer sind.
Darüber kann wohl kein Zweifel bestehen, daß die Bienenwirtschaft – mehr als 2 Millionen Stöcke – für Deutschland von der größten Bedeutung ist. Von ihr hängt unsere Obsternte ab, da die Bienen durch den Besuch der Blüten die Befruchtung vermitteln. Ferner brauchen Raps, Rübsen, Klee und andere Nutzarten ebenfalls die Bienen.
Wir sind in der Nähe des Bienenstocks angelangt und müssen uns natürlich auf einen Bienenstich gefaßt machen. Herr Böhm erklärt uns näher, aus welchen Anzeichen er auf ein Schwärmen der Bienen schließt.
Einmal seien die Bienen sehr aufgeregt. Bei regelmäßig arbeitenden Bienen kann man ein gemessenes Benehmen beobachten. Außerdem seien sonst niemals eine solche Menge von Bienen auf den Flugbrettern zu sehen.
Sodann sei das Wetter zum Schwärmen sehr geeignet.
Das sind nach seinen Angaben nur Wahrscheinlichkeiten für ein beabsichtigtes Schwärmen. Viel sicherer ist das sogenannte Tüten der alten Königin und das sogenannte Quaken der neuen Königin. Zwei Königinnen bekämpfen sich nämlich auf Tod und Leben oder eine wandert aus.
Wir begeben uns nach der Hinterseite des Bienenstockes, um uns durch eine Glasscheibe das Leben und Treiben der Bienen näher anzusehen.
Es ist wohl allgemein bekannt, daß die Bienen Waben aus Wachs bauen, die aus ganz regelmäßigen sechseckigen Zellen bestehen. Ist es schon ein Wunder, daß Tiere, und obendrein auf der untersten Stufe des Tierreichs stehende Insekten, ein solches Kunststück vollbringen, das dem klugen Menschen nicht leicht fallen würde, so wird unser Erstaunen dadurch gesteigert, wenn wir sehen, daß die Bienen diese Bauten im Dunkeln ausführen.
Wir Menschen sind der Ansicht, daß, wenn man eine so kunstvolle Arbeit ausführt, man gar nicht Licht genug beim Arbeiten haben kann. Die Bienen aber führen dieses Kunstwerk aus ohne die geringste Beleuchtung. Ja, wenn der Mensch ihnen, um ihnen die Arbeit zu erleichtern, Licht beschafft, so wollen sie von der Beleuchtung nichts wissen und bauen nicht.
Wir wissen schon, was wir tun müssen, um eine Erklärung für dieses Rätsel zu finden. Wir müssen fragen: Wie bauen die wilden Bienen? Da erhalten wir die übereinstimmende Antwort, daß sie in den dunkeln Höhlungen von Baumstämmen ihr Heim aufschlagen.
Die Bienen haben also seit Urzeiten im Dunkeln ihre Bauten ausgeführt. Als der Mensch die Bienen wegen des Wohlgeschmacks des Honigs als Haustiere gewinnen wollte, da hat er ihnen zunächst eine Wohnung ebenfalls in Baumstämmen, in sogen. Beuten, angewiesen.
Solche Bienenstöcke in Baumstämmen waren sehr naturgemäß, aber sie hatten den Nachteil, daß man sie häufig nicht in der Nähe hatte. Da war also ein Bienenhaus schon bequemer. Denn ein solches konnte man als Ersatz für den Baumstamm auf seinem Grundstück errichten. Am bequemsten ist natürlich ein Bienenkorb, weil er im Gegensatz zum Baumstamm beweglich ist. Bienenkörbe kann man also von Ort zu Ort bringen. Das ist besonders für den Bienenwirt von größter Wichtigkeit, der seine Bienen nach Stellen hinbringt, wo das Einsammeln von Honig besonders günstig ist. Beispielsweise geschieht das in Heidegegenden, wenn das Heidekraut blüht.
Die Bienen bauen also heute noch im Dunkeln, weil sie seit Urzeiten in dunkeln Höhlungen gebaut haben.
Herr Böhm erzählt uns weiter, daß er für seine Person sich gegen Stiche so gut wie gar nicht schützt. Es kommt nur ausnahmsweise vor, daß er von seinen Bienen gestochen wird. Nach seinen Beobachtungen sind die Bienen am stechlustigsten, wenn ihre Brut gefährdet ist, man also Zellen, die Brut enthalten, zu beseitigen sucht. Sodann sind sie vor Ausbruch eines Gewitters sehr zum Stechen geneigt. Dagegen sind sie viel weniger stechlustig, wenn sie sich zum Schwärmen anschicken. Im übrigen ist ihm noch aufgefallen, daß Personen, die schwitzen, viel leichter gestochen werden als andere. Ebenso werden Frauen eher gestochen als Männer. Menschen in weißen Hemden oder überhaupt in hellen Kleidungen werden ebenfalls viel häufiger gestochen als andere.
Es ist nicht leicht, für die verschiedene Stechlust der Bienen eine Erklärung zu geben. Es ist anzunehmen, daß die Bienen den Imker mit der Zeit kennenlernen und ihn deshalb mit ihren Stichen verschonen. Hierzu haben sie insofern begründete Veranlassung, als ihnen ihre Waffe teuer zu stehen kommt. Der Stich kostet ihnen selbst das Leben, was nach unseren Begriffen höchst unzweckmäßig ist. Wer wird einen Gegner in einen Abgrund stürzen, wenn er weiß, daß er selbst von ihm in die Tiefe mit hinabgerissen wird?
Da eine Biene überhaupt nur sechs Wochen lebt und ein Volk, wie wir wissen, aus 30- bis 60000 Bienen besteht, so ist es klar, daß ein Bienenleben gar keine Rolle spielt. Die Biene soll nicht nutzlos stechen,und das geschieht am besten dadurch, daß ihr der Stich selbst das Leben kostet.
Der Stachel mit dem Widerhaken bleibt nämlich sitzen, da er nicht zurückgezogen werden kann. So verliert die Biene das Ende ihres Hinterleibes, was ihren Tod zur Folge hat. Wenigstens ist das allgemeine Ansicht.
Es ist merkwürdig, daß die Wirkung des Bienenstiches bei den einzelnen Menschen sehr verschieden ist. Die Imker sind dagegen immun oder gefeit, weil sie gewöhnlich bei ihnen gar keine Wirkungen hervorrufen.
Da fast alle Tiermütter sich für ihre Nachkommen opfern, so ist es nicht wunderbar, daß es auch die Bienen tun.
Die Stechlust vor dem Gewitter dürfte sich in folgender Weise erklären: Die Bienen haben ein Vorgefühl dafür, daß Regen kommen wird. Der Regen hindert sie am Eintragen. Daher haben sie es besonders eilig, um vorher noch alles zu schaffen, und empfinden Störungen besonders unangenehm.
Es ist merkwürdig, daß die Biene auf schwitzende Menschen erbost ist. Man sollte annehmen, daß sie, die als Muster des Fleißes gilt, den schwitzenden Menschen besonders liebt. Uebrigens macht man bei Wanderungen im Sommer ähnliche Beobachtungen. Sobald man in Schweiß gerät, wird man von den Mücken besonders überfallen. Das kommt sicherlich daher, daß ein schwitzender Mensch eine besonders starke Ausdünstung hat. Die Biene hat einen äußerst feinen Geruch, was man aus verschiedenen Umständen schließen muß. Wir werden gleich darauf zu sprechen kommen. Die Biene hat also entweder Abneigung gegen Schweißgeruch oder sie riecht einen fremden schwitzenden Menschen sofort und sticht naturgemäß ihn eher als andere Menschen.
Weiße Gegenstände üben auf alle Insekten große Anziehungskraft aus. Das weiß die Hausfrau sehr wohl von ihrer Wäsche, die sie auf dem Rasen ausgebreitet hat.
Ein ausziehender Schwarm ist deshalb nicht so stechlustig, wie man meinen sollte, weil er eine neue Wohnung sucht. Wer neue Verhältnisse aufsucht, ist auf Störungen gefaßt und wird gegen sie nicht sehr empfindlich sein.
Herr Böhm erklärte die größere Stechlust der Bienen gegen Frauen damit, daß sich die Bienen häufig in den langen Haaren der Frauen verwickelten. Sie werden dann ganz rasend, weil die Frauen, anstatt ruhig zu bleiben, nach den Bienen schlagen, wodurch sie noch aufgeregter werden.
Diese Ansicht mag richtig sein. Vielleicht liegt aber noch ein anderer Grund vor.
Ich bin selbst nur einige Male gestochen worden, und ausgerechnet jedesmal im Sommer, wo ich kurzgeschorenes Haar trug. Von einem Verwickeln der Bienen konnte gar keine Rede sein, denn in Haaren von zehn Millimeter Länge kann sich keine Biene verheddern. Da bin ich zuder Ueberzeugung gekommen, daß hier die Angriffslust aus der Lebensweise der wilden Biene zu erklären ist.
Die wilde Biene hat als gefährliche Feinde unter den Säugetieren bei uns Bär und Marder, in heißen Ländern wahrscheinlich die Affen. Haarige Gestalten, die sich dem Bienenkorb nähern, können also die Wut der Bienen erregen. Es genügen aber schon haarige Stellen am menschlichen Körper.
Die Biene verheddert sich also nicht im Frauenhaar und sticht deshalb, sondern die üppigen Haare der Frauen lassen in den Bienen die Wut gegen ihre alten Feinde mit der langen Behaarung wach werden. Sie fliegen auf die haarigen Stellen zu und suchen zu stechen.
Absichtlich bin ich auf die Frage, weshalb die Frauen eher als Männer gestochen werden, etwas näher eingegangen. Es handelt sich ja für zahllose Frauen um eine Lebensfrage. Man sollte meinen, daß ein Beruf, der keine schwere Arbeit erfordert und obendrein süßen Lohn einbringt, fast ausnahmslos von Frauen ausgeübt wird. In Wirklichkeit liegt die Sache genau umgekehrt. Die Zahl der Bienenwirtinnen ist auffallend klein.
Mir ist von ernsten Männern erzählt worden, daß Frauen, die einen Schwarm einfangen wollten, von den Bienen totgestochen worden sind. Deshalb seien Frauen überhaupt nicht als Imkerinnen geeignet.
Es ist nun denkbar, daß Frauen mit unbedecktem, langem Haar die Wut der Bienen aus dem vorhin erwähnten Grunde erregt haben. Aus Erfahrung weiß ich, daß Frauen viel häufiger als Männer gestochen werden. Auch habe ich noch niemals gesehen, daß eine Frau einen Schwarm eingeschlagen hat.
Wenn die Bienen nur deshalb auf die Frauen wütend sind, weil sie langes Haar besitzen, so könnte die Gefahr für die Frauen leicht beseitigt werden. Sie brauchten es nur ganz sorgfältig zu verstecken, etwa in einer Badekappe.
Jedenfalls sollen auch die Männer, wenn sie sich dem Bienenstocke nähern, ihren Kopf bedecken. Das ist um so angebrachter, je üppiger das Haar ist.
Das Verstecken der Haare in eine Kapuze müßte für alle Fälle bei den Frauen von Vorteil sein. Werden die Frauen nicht mehr gestochen, so wird Herr Böhm, und werden es die andern Imker damit erklären, daß sich die Bienen nicht mehr in den langen Haaren verwickeln können. Ich glaube dagegen, daß hier derselbe Fall vorliegt, wie beim Stier und dem roten Tuch oder dem Truthahn und der roten Farbe, nämlich die Erinnerung an einen früheren Feind.
Uebrigens könnte man der wirklichen Ursache leicht auf den Grund kommen. Sind die Bienen deshalb stechlustig, weil haarige Stellen sie an ihre alten Feinde erinnern, so ist es sehr unzweckmäßig, wenn der Imker einen großen Vollbart trägt. Es wäre für ihn vielmehr vorteilhaft, stets glatt rasiert zu gehen. Durch Umfrage bei den Imkern mußsich feststellen lassen, ob solche mit Vollbärten mehr gestochen werden als solche, die keinen Bart oder nur einen Schnurrbart tragen.
Der Mensch gebraucht, wie wir wissen, in erster Linie seine Augen, um einen Gegenstand zu finden. Die Nase kommt dabei nur ausnahmsweise in Betracht.
Die Tiere sind dagegen in der Mehrzahl Nasentiere, die ihre Nahrung durch den Geruch suchen.
Von dem feinen Geruch der Bienen erzählt uns Herr Böhm folgendes Beispiel. Er hatte eine neue Wasserleitung angelegt, aber sie gab noch kein Wasser. Da fiel es ihm auf, daß die Bienen an einem heißen Tage zu dem Wasserleitungshahne flogen. Als er nachsah, stellte er fest, daß inzwischen der Anschluß erfolgt war. Da der Hahn nicht ganz fest geschlossen war, so befanden sich in seinem Innern bereits einige Wassertropfen. Diese Tropfen, die ganz verborgen waren, hatten die Bienen gewittert.
Aehnliche Beobachtungen habe ich ebenfalls gemacht. Die verwandten Wespen zeigen gleichfalls ein erstaunliches Geruchsvermögen. Wird ein Konfitürengeschäft eröffnet, das Süßigkeiten ausstellt, so finden sich selbst in der Großstadt sofort Wespen ein.
Der Geruchsinn ist ohne Frage der Grundsinn bei den Bienen. Schon das Ausräuchern der Bienen als Mittel zu ihrer Vertreibung beweist die Empfindlichkeit ihres Geruchsorgans.
Aber die Augen sind natürlich auch von Bedeutung. Deshalb ist es nicht wunderbar, daß sich die Bienen von Farben leiten lassen. Blau scheinen sie ganz besonders zu lieben. Dann folgt weiß, gelb, rot, grün und orange.
Wollten die Pflanzen Bienen allein durch ihren Duft anlocken, so hätten sie bei ungünstigem Winde wenig Erfolg. Ihre Farbenpracht ist also durchaus zweckmäßig.
Ein Rotschwänzchen, das sich in unserer Nähe zeigt, gibt uns Anlaß, Herrn Böhm über die Schädlichkeit mancher Insektenfresser als Feinde der Bienen zu befragen.
Herr Böhm ist ein großer Freund der Singvögel, wie wohl die meisten Menschen, und glaubt, daß das Rotschwänzchen nur matte Bienen, die sowieso keinen Wert haben, fange. Nach seinen Beobachtungen kann ein Rotschwänzchen gesunde Bienen nicht fangen.
Ich bin ebenfalls ein großer Freund der Singvögel, muß jedoch zu diesen Beobachtungen ein großes Fragezeichen machen.
Unsere Singvögel sind in der Mehrzahl Insektenfresser. Es ist uns sehr lieb, daß sie Insekten fressen. Im Gegenteil; wie bei den Feinden der Nager ist es auch hier unser Wunsch, daß die Vögel recht unter den Insekten aufräumen.
Wie wir aber verlangen, daß frühere Raubtiere eine Ausnahme mit dem Kaninchen machen, obwohl es ein Nager ist, so fordern wir eine solche Ausnahmestellung auch bei den Bienen, obwohl sie zu den Insekten gehören.
Manche Imker denken nicht so milde wie Herr Böhm. Sie verlangen, daß alle Tiere, die eine Biene fangen, auf die Liste der schädlichen Tiere gesetzt werden. Es sind das vielfach solche, die sonst zu den nützlichsten Geschöpfen gerechnet werden, also z. B. Schwalben, Spechte, Meisen, das schon erwähnte Rotschwänzchen, ferner Störche, Würger, Bienenfresser, Wespenbussarde, sodann die sonst so nützliche Spitzmaus und die ebenfalls sehr nützliche Kröte. Unter den Insekten hat die Biene folgende Feinde: Hornissen, Wespen, Bienenwölfe, Maiwürmer, Bienenkäfer, Bienenbuckelfliegen, Wachsmotten, Bienenläuse und andere.
Herr Böhm hat, wie wir schon erwähnten, Heidebienen. Er ist aber gar nicht von ihnen entzückt, weil sie zu schwarmwütig und stechlustig sind.
Erfahrene Bienenkenner weisen darauf hin, daß die deutschen Imker mit der Einführung fremder Bienen einen großen Fehler begangen hätten. Da die geschlechtslosen Arbeiterinnen sich nicht vermehrten, so sei die Haupttätigkeit auf die Zucht der Drohnen und der Königinnen zu legen. Es müsse nach den Grundgesetzen der Tierzucht aus den deutschen Bienen, die für unser Klima am besten passen, eine schwarmträge Rasse gezüchtet werden.
Außer der deutschen einfarbigen Honigbiene gibt es noch die bunte südeuropäische Biene. Namentlich ist hiervon die italienische Biene bekannt, die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts bei uns eingeführt wurde. Sonst gibt es noch die ägyptische, afrikanische, chinesische, indische Biene usw.
Die Heidebiene ist eine Unterart der deutschen Biene und unterscheidet sich durch eine dunklere Färbung von ihr, die nicht so schwarmwütig ist. Einen Uebergang zu der bunten Bienenrasse bildet die nordische Biene, die wegen ihrer Sanftmut beliebt ist. Ebenso sanftmütig ist die zwischen beiden stehende kaukasische Rasse. Ist die italienische Biene bei uns naturgemäß wenig winterhart, so ist die ihr verwandte cyprische Biene obendrein noch sehr bösartig und schwarmwütig.
Die Biene gehört zu den Insekten und zwar zu der Ordnung der Hautflügler. Das Bienenvolk besteht außer den geschlechtslosen Arbeiterinnen aus Drohnen und der Königin. Die Königin ist größer und hat einen längeren Hinterleib. Sie sorgt mit den Drohnen für die Fortpflanzung des Volkes, indem sie einige Tage nach dem Ausschlüpfen ihren Hochzeitsflug unternimmt, auf dem sie befruchtet wird. Sie legt Eier, und zwar entstehen aus den befruchteten Eiern Arbeiterinnen und Königinnen, aus den unbefruchteten Eiern Drohnen. Es wird je ein Ei in eine Zelle gelegt – gestiftet, wie der Imker sagt – und zwar kann die Königin in vierundzwanzig Stunden bis zu 3000 Stück Eier legen.
Die Königin ist also der Mittelpunkt des Ganzen. Schwärmende Bienen lassen sich ruhig einfangen, wenn die Königin dabei ist. Andernfalls fliegen sie fort.
Nach drei Tagen schlüpfen aus den Eiern Larven, die später Bienen werden. Die Entwicklungszeit der Königin dauert 16, die der Arbeitsbienen 21, die der Drohnen 24 Tage.
Die Königin kann 5 Jahre alt werden, die Arbeitsbienen leben, wie schon erwähnt wurde, nur etwa 6 Wochen. Ausnahmen bilden die im Herbste erbrüteten Bienen, die den Winter überdauern. Die Drohnen sterben im August in der sogen. Drohnenschlacht.
Die ganze Arbeitslast des Bienenvolkes wird von den verkümmerten Weibchen geleistet, die deshalb Arbeiterinnen heißen. Sie füttern die Brut, sie lecken den Blumennektar auf, der sich in ihrem Magen in Honig verwandelt, und tragen ihn in die Zellen ein. Nicht so gut ist der Honig von Blattläusen. Die Hinterbeine der Arbeitsbienen sind mit Körbchen und Bürstchen ausgestattet, mittels deren sie den Blütenstaub zu den Zellen bringen und dort abfegen. Zum Stopfen der Ritzen tragen sie Harz oder Stopfwachs ein, das sie von den Knospen der Kastanien und anderer Bäume holen.
Die Arbeitsbienen bauen die Zellen aus Wachs, das sie aus den Leibesringen ausschwitzen. Die Zellen werden wagrecht auf der Mittelwand der Wabe errichtet, die ihrerseits stets senkrecht steht. Die Zelle zur Ausbrütung der Königin ist besonders groß und eichelförmig.
Sehr wichtig ist es, daß bei dem Nichtvorhandensein einer Königin aus der Larve einer Arbeiterin durch besonders reichliche Fütterung eine neue Königin erzogen werden kann.
Es wurde bereits erwähnt, daß die sechseckige Form der Zellen von jeher das Erstaunen der Menschen erregt hat. Die meisten erblicken darin einen Beweis der besonderen Klugheit der Bienen. Andere behaupten dagegen, daß hiervon keine Rede sein könne. Denn aus dem gemeinsamen Bauen der Bienen ergebe sich mit Notwendigkeit diese Form.
Die Waben der heutigen Imker sind häufig beweglich. Herr Böhm nimmt sie heraus und zeigt sie uns. Das ist nicht immer der Fall gewesen, wie wir schon eingangs erwähnt haben. Ursprünglich ließ man die Bienen in ausgehöhlten Baumstämmen, sogen. Klotzbeuten, hausen. Noch heute gibt es in Westpreußen Beutekiefern. Zu einem wirklichen Haustier aber ist die Biene erst durch die bewegliche Wabe geworden, die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts durch Dzierzon und Berlepsch erfunden wurde.
Durch eine Schleudervorrichtung wird der Honig aus den Waben geschleudert. Je nach der Gegend und der Stärke des Stockes läßt der Imker den Bienen bis zu 20 Pfund Honig für den Winter.
Im Gegensatz zum Zucker wird der Honig sofort verdaut. Die Alten haben nicht so ganz Unrecht gehabt, daß sie die heilsame Wirkung des Honigs immer wieder betonten. Keine Nahrung soll das Leben so verlängern wie der Honig.
Wenn wir das Gewimmel und die aufopfernde Tätigkeit der Bienen mit eigenen Augen sehen, wie sie eintragen und wieder eilend fortfliegen, um dem Volke neue Nahrung zu bringen, dann ist es uns ganz verständlich, daß man schon im Altertum den Staat der Bienen den Menschen als Muster vorgehalten hat. Wie die Ameisen, die ohne Ansporn immer tätig sind, so scheinen auch die Bienen einen vorbildlichen Fleiß zu bekunden.
Auch hier fragt es sich, ob wir nicht menschliche Vorstellungen in die Tierwelt hineintragen, wo sie gar nicht hinpassen. Das Bienenvolk wie der Ameisenstaat bestehen aus einem fortpflanzungsfähigen Wesen. Die einzelne Biene pflanzt sich nicht fort. Das ist ein grundlegender Unterschied zu allen andern Geschöpfen. Mit Recht nennt der Imker das ganze Volk »der Bien«. Wie andere Geschöpfe aus zusammenhängenden Zellen bestehen, so der Bien ebenfalls aus Zellen, aber im Gegensatz zu sonstigen Geschöpfen aus beweglichen Zellen.
Ist aber die einzelne Biene gar kein selbständiges Geschöpf, sondern nur eine bewegliche Zelle, dann kann man ihr weder Lob noch Tadel erteilen. Wir loben unser Herz nicht, weil es Tag und Nacht schlägt, ebenso unsere Lungen nicht, die unermüdlich von früh bis spät und selbst die Nacht hindurch für frische Luft sorgen. Hat schon jemand den Magen gelobt, weil er fleißig verdaut?
Es sprechen folgende Umstände dafür, daß die Biene kein selbständiges Geschöpf ist.
1. Wie der Mensch einzelne Zellen für das Ganze opfert, – um nicht auf den Kopf zu fallen, hält er die Arme vor –, so opfern sich die einzelnen Bienen für das Ganze.
2. Unsere Zellen arbeiten Tag und Nacht. Geht man zur Nachtzeit in das Bienenhaus – was ich oft gemacht habe –, so sieht man die Bienen auch nachts in reger Tätigkeit.
3. Unser Körper kapselt eingedrungene Kugeln, die er nicht durch Schwären hinausbekommen kann, ein. Genau so kapselt der Bien eingedrungene Tiere, z. B. Mäuse, ein.
4. Um die Bienenkönigin dreht sich alles. Bei andern selbständigen Geschöpfen kommt ähnliches nicht vor. Ist die Königin der Kern des Biens, dann ist alles verständlich. Dann ist das Schwärmen die Geburt eines neuen Biens.
Wer die Biene als selbständiges Geschöpf bezeichnet, wird für die Drohnenschlacht kaum eine Erklärung haben. Die Tötung der wehrlosen Männchen erscheint mit dem sonstigen Benehmen der fleißigen Geschöpfe ganz unvereinbar.
Ist dagegen das ganze Bienenvolk nur ein Geschöpf, dann ist die Drohnenschlacht, wie ich in meinen Büchern ausführlich begründet habe, ein ganz naturgemäßer Vorgang.
Die Frage, ob die Bienen fleißig sind, läßt sich also nicht so ohne weiteres bejahen. Vom Standpunkte des Menschen aus sind sie unzweifelhaft fleißig. Aber dieser Standpunkt kann sachlich nicht begründet sein.
Wir verabschieden uns jetzt von Herrn Böhm, zumal seine Befürchtung wegen des Schwärmens unbegründet zu sein scheint, und weil wir uns noch die im Aquarium befindlichen Bienenstöcke ansehen wollen.
Hier kann der Besucher noch besser die Tätigkeit der Bienen beobachten, da die Zugänge zum Stock mit Glas überdeckt sind. In dem einen Zugang liegen vier tote Bienen. Von dem vielgepriesenen Reinlichkeitssinn der Bienen kann man in diesem Falle nichts bemerken. Jede Biene bleibt bei der toten Genossin eine Weile stehen und beschnüffelt sie anscheinend. Dann geht es eilends weiter. Von einem Fortbringen der Leichen ist keine Rede.
Wahrscheinlich ist die Handlungsweise der Bienen ganz berechtigt. Sie werden sich sagen, daß das Fortbringen der Toten auch in der Nacht geschehen kann. Dagegen ist das Eintragen von Honig gerade jetzt, wo die Linden so schön zu blühen anfangen, in der Dunkelheit nicht möglich.
Vor dem Einflugsloch befindet sich ein Brettchen, und dicht daneben ein gleichartiges. Niemals irrt sich eine Biene beim Zufliegen in dem Brettchen. Der Ortssinn der Bienen muß also ganz wunderbar sein. Hierüber habe ich schon manchmal gestaunt.
So wohnte ich vor vielen Jahren bei einem befreundeten Bienenzüchter. Dieser verkaufte die Hälfte seines Grundstückes. Infolgedessen mußte der Bienenstand eine andere Stelle erhalten. Tagelang aber flogen die Bienen zunächst nach der ganz leeren Stelle, wo er früher gestanden hatte.
Die Tiere müssen also, wie immer wieder hervorgehoben werden muß, zu dem Raume in einem ganz anderen Verhältnis stehen wie der Mensch.
Zum Vorgang des Schwärmens, den wir leider nicht selbst beobachten konnten, sei bemerkt, daß die Bienen wie eine Wolke dahinziehen und sich traubenförmig an einem Aste niederlassen. Der Imker, der sich gewöhnlich Kopf und Hände durch Vorrichtungen schützt, dabei auch raucht, steigt auf eine Leiter und bringt den Schwarm vorsichtig in einen Eimer oder in ein anderes Gefäß.
Bereits im Altertum ist es aufgefallen, daß Pferde leicht Gefahr laufen, von Bienen gestochen zu werden. Es ist mir nicht bekannt, daß andere Haustiere von Bienen getötet worden sind, aber von Pferden ist es mir wiederholentlich berichtet worden. Ein bekannter Naturforscher führt folgende Fälle an: 1. Im Jahre 1820 fuhr ein Freund von mir von Berlin nach Wittenberg. Nicht weit von Schmögelsdorf fiel ein Bienenschwarm aus unbekannter Ursache wie rasend über die Pferde her. Das eine wurde totgestochen, das andere starb am folgenden Tage. 2. Am 24. Mai 1854 hielt der Bauer Meier vor der Wohnung eines Bauern zu Wotersen auf der Landstraße mit einem Viergespann, als plötzlich die aus etwa sieben Stöcken kommenden Bienenschwärme sichgleichzeitig auf die Pferde warfen. Das erste erlag sogleich den Stichen, die übrigen starben teils an demselben Tage, teils am folgenden. Alle Versuche zur Vertreibung der Bienen durch Abschießen von Pulver und Uebergießen mit kaltem Wasser blieben erfolglos. Die Bienen desselben Bauern hatten schon früher an derselben Stelle zwei Pferde getötet.
Man versteht hiernach, daß unsere Vorfahren nicht so unrecht hatten, wenn sie die Biene als »wilden Wurm« bezeichneten. Vier Pferde auf einen Schlag zu verlieren, ist namentlich bei den heutigen Preisen für Pferde gewiß keine Kleinigkeit.
Die Fälle sind deshalb fast wörtlich angeführt, damit ersichtlich wird, daß die Pferde zu dem Angriff der Bienen nicht den geringsten Anlaß gegeben haben. Sie waren auf der Landstraße und haben, wie immer, ihren regelmäßigen Dienst getan. Bei der Schilderung der Fälle ist auch nicht einmal der Versuch gemacht worden, das Verhalten der Bienen zu erklären.
Ich komme auf meine bereits im Kap.198geäußerte Ansicht zurück. Das Pferd, das regelmäßig braun sein wird, erinnert die Bienen an ihren Todfeind, den Honigbären. Uebrigens gibt es in Europa Bären von der verschiedensten Färbung, wie mir die Felle, die mir ein bekannter Bärenjäger gezeigt hat, beweisen. Das Pferd ist also auch gefährdet, wenn es nicht braun ist.
Der Hund mit seinem zottigen Haar wäre auch gefährdet. Aber die Hundeartigen kennen aus früheren Zeiten die Gefahren durch Bienenstiche und ziehen sich rechtzeitig zurück. Ebenso kennen Wildrinder und Wildschafe in ihrer Heimat wilde Bienen und benehmen sich entsprechend. Auch scheinen die Bienen die Ungefährlichkeit der Wiederkäuer zu kennen.
Dagegen kennt das Pferd keine Wildbienen, weil es in der Steppe kaum Bienen gibt. Umgekehrt wissen die Bienen nicht, daß sie von den Pferden nichts zu fürchten haben.
Da die Pferde gewöhnlich angeschirrt sind, so sind sie wehrlos den Stichen der Bienen preisgegeben.
Die Bienen haben allen Grund, auf den Bären erbost zu sein. Ein Deutscher, der ein Menschenalter hindurch in Rußland Oberförster war, schildert die Angriffe des Bären auf Bienenstöcke in folgender Weise:
In Rußland hat gewöhnlich jeder Buschwächter einige Bienenstöcke, die im Laufe des Sommers auf großen, alten Kiefern angebracht werden, wo sie bis zum Spätherbst bleiben. Findet nun Meister Petz zufällig einen Baum und merkt, daß da oben etwas zu holen ist, so steigt er hinauf und fängt an, den Bienenstock zu bearbeiten, und wirtschaftet so lange, bis er ihn entweder öffnet oder losreißt und vom Baume wirft. Obgleich der ganze Bienenschwarm über ihn herfällt, kümmert er sich wenig darum, denn durch seinen Pelz dringt wohl selten ein fühlbarer Stich, die Augen drückt er zu, und über die Nase fährt er mit der Pranke; also arbeitet er unter dem Gesumme der Bienen, ohne besonders belästigt zu werden. Hat nun der Bär einmal den Honig geschmeckt, dann wehe allen Bienenstöcken, wenn er sie ausfindig macht. So lautet der Bericht unseres Gewährsmannes.
Der Name Honigbär für unseren braunen Bären ist also ganz zutreffend. Die Bienen sind machtlos gegen ihn, da er seine empfindliche Nase durch die vorgehaltene Pranke schützt.
Es kann also leicht sein, daß die Bienen das Pferd mit ihrem Erzfeinde, dem Bären, verwechseln. Dann wäre die Tötung von Pferden durch Bienen erklärlich.
Es würde sich für alle Pferdebesitzer daraus der wichtige Rat ergeben, vor Bienenstöcken lieber einen kleinen Umweg zu machen.
Erwähnt wurde bereits, daß die alten Deutschen die Biene einen wilden Wurm nannten. Ebenso ist der Spruch über das Schwärmen in den verschiedenen Monaten wiedergegeben. Sonst ist noch die Redensart üblich:
Der Bien muß.
Im Grimmschen Wörterbuch finde ich diese Redensart nicht angeführt. Gewöhnlich heißt es, daß in einem Lügenmärchen von Bienen erzählt wird, die so groß wie Schafe sind. Auf die erstaunte Frage, wie die Bienen bei dieser Größe durch das enge Flugloch in den Bienenstock gelangen, wird die vorstehende Redensart als Antwort erteilt.
Bienenwabe mit Brut in verschiedenen EntwicklungszuständenBienenwabe mit Brut in verschiedenen Entwicklungszuständen
Bienenwabe mit Brut in verschiedenen Entwicklungszuständen
Die Geschlechter der Bienen: 1 Königin 2 Arbeiterin 3 DrohneDie Geschlechter der Bienen1 Königin 2 Arbeiterin 3 Drohne
Die Geschlechter der Bienen1 Königin 2 Arbeiterin 3 Drohne
KorbbienenstandKorbbienenstand
Korbbienenstand
Die nähere Begründung der hier ausgesprochenen Ansichten ist in nachstehenden Büchern zu finden: 1. Ist das Tier unvernünftig? 2. Tierfabeln. 3. Straußenpolitik. 4. Streifzüge durch die Tierwelt. 5. Das Pferd als Steppentier. Sämtlich bei Franckh in Stuttgart erschienen. Ferner in 6. Diktatur der Liebe. Bei Hoffmann u. Campe, Berlin.  7. Welche Fingerzeige gibt uns die Lebensweise des Wildschweins für die Behandlung, Züchtung und Fütterung des Hausschweins? Verlag der Vereinigung deutscher Schweinezüchter, Berlin W., An der Apostelkirche 1. 8. Was können wir aus der Lebensweise der Wildschafe zur Hebung der Schafzucht lernen? Bei Hosang u. Co., Hannover.