Chapter 30

Fig. 86.

Fig. 86.

387. Warumsehen manche Menschen entfernte Gegenstände nicht oder sehr undeutlich, während sie doch gut in der Nähe sehen?

Weildie Augen solcher Menschen, die man Kurzsichtige nennt, durch Gewöhnung die Fähigkeit verloren haben, sich für ein Sehen in die Ferne einzurichten, und ihre Krystalllinse und Hornhaut zu stark gekrümmt ist, so daß die hindurchgehenden Lichtstrahlen ferner Gegenstände zu stark gebrochen werden, sich bereits vor der Netzhaut vereinigen und auf diese erst wieder auseinandergehend auffallen, so daß auf derselben wieder die Bilder von Punkten nicht als Punkte, sondern als Kreise erscheinen. Ein deutliches Sehen in die Ferne wird solchen Kurzsichtigen nur durch Brillen mit Hohlgläsern möglich, durch welche ein Auseinanderlaufen der Lichtstrahlen bewirkt wird, so daß die zu starke Brechung in der Krystalllinse nun ihre Vereinigung auf der Netzhaut nicht mehr verhindern kann.

Fig. 87.

Fig. 87.

388. Warumwerden uns durch eine Lupe oder ein Mikroskop Gegenstände deutlich sichtbar gemacht, die wir ihrer Kleinheit wegen mit bloßen Augen nicht sehen können?

Fig. 88.

Fig. 88.

Weildie Lupe uns gestattet, den kleinen Gegenstand in großer Nähe zu betrachten, dieser aber um so größer erscheint, je näher er dem Auge, und je größer sein Sehwinkel ist. Das Auge vermag nämlich nicht in beliebiger Nähe deutlich zu sehen. Die geringste Weite des deutlichen Sehens beträgt für ein gesundes Auge etwa 21 Centimeter; von näher gebrachten Gegenständen vermögen sich die Strahlen nicht mehr auf der Netzhaut zu einem deutlichen Bilde zu vereinigen. Die Lupe ist nun eineerhabene Linse, welche von einem Gegenstande, der sich innerhalb ihrer Brennweite, d. h. zwischen ihr und dem Brennpunkt befindet, ein entferntes Bild erzeugt (Fig. 87). Hält man daher eine solche Lupe vor das Auge, so kann man es einrichten, daß das Bild des dahinter befindlichen Gegenstandes genau in der Weite des deutlichen Sehens erscheint. Je kleiner die Brennweite der Linse ist, desto näher muß der kleine Gegenstand derselben gebracht werden, wenn sein Bild in derselben Entfernung erscheinen soll. Je näher aber der Gegenstand dem Auge rückt, um so größer wird sein Sehwinkel, und um so mehr erscheint er vergrößert. Eine erhabene Linse vergrößert daher um so mehr, je kleiner ihre Brennweite ist. Eine Lupe vergrößert überhaupt so viel mal, als ihre Brennweite in der Sehweite des Auges enthalten ist. Bei dem zusammengesetzten Mikroskop (Fig. 88) wird das von einer Linse (der Objektiv-Linse,AB) in der Nähe des Auges erzeugte Bild (b) durch eine zweite Linse (das Ocular,CD) betrachtet, und der Gegenstand erscheint daher noch stärker vergrößert, weil schon das Bild, welches man durch die Lupe betrachtet, vergrößert ist. Das Mikroskop wurde zu Anfang des 17. Jahrhunderts von dem HolländerZacharias Janssenerfunden.

389. Warumsieht man durch ein Fernrohr Sterne am Himmel, wo das bloße Auge kaum einen Lichtschimmer gewahrt?

Weildie von dem fernen Stern kommenden Lichtstrahlen, die durch Zerstreuung für das bloße Auge zu sehr geschwächt sind, in dem Fernrohr durch eine convexe Linse gesammelt werden,und das dadurch erzeugte Bild des Sternes dann durch eine zweite Convexlinse für das Auge in die deutliche Sehweite gerückt wird. Jedes Fernrohr besteht also aus zwei Linsen, der Objectivlinse, welche das Bild des fernen Gegenstandes erzeugt, und der Ocularlinse, durch welche das Auge das Bild in der deutlichen Sehweite betrachtet. Die Vergrößerung, welche ein Fernrohr bewirkt, ist um so stärker, je größer die Brennweite des Objectivs und je kleiner die des Oculars ist. Statt der convexen Ocularlinse kann man auch eine biconcave oder auf beiden Seiten hohl geschliffene Linse anwenden. Statt der Objectivlinsen, die sich von bedeutender Größe, wie sie zu starken Vergrößerungen erforderlich sind, nicht leicht fehlerfrei herstellen lassen, kann man auch große metallene Hohlspiegel benutzen. Die mit Linsen versehenen Fernröhre nennt man dioptrische, die mit Spiegeln versehenen katoptrische oder Spiegelteleskope. Man unterscheidet daher:

Fig. 89.

Fig. 89.

1) das astronomische oderKepler'sche Fernrohr (Fig. 89) mit zwei convexen Linsen, von welchem sich das terrestrische, zur Betrachtung irdischer Gegenstände bestimmte Fernrohr nur durch einedritteConvexlinse unterscheidet, die zwischen Ocular und Objectiv eingeschoben ist, um das im astronomischen Fernrohr verkehrt erscheinende Bild in die natürliche Lage umzukehren;

Fig. 90.

Fig. 90.

2) das holländische oderGalilei'sche Fernrohr (Fig. 90) mit convexer Objectiv- und concaver Ocularlinse;

Fig. 91.

Fig. 91.

3) das Spiegelteleskop, in welchem das durch den Hohlspiegel erzeugte Bild von einem kleinen Planspiegel aufgefangen und durch die – entweder, wie bei demNewton'schen Teleskop (Fig. 91), in einer Seitenöffnung des Rohrs, oder, wie bei demGregory'schen, in der Mitte des Hohlspiegels selbst befindliche – Ocularlinse betrachtet wird. Bei dem großenHerschel'schen Teleskop, dessen Spiegel 1¼ Meter Durchmesser und 12½ Meter Brennweite hatte, und das eine 7000malige Vergrößerung zuließ, wurde das vom Hohlspiegel erzeugte Bild unmittelbar durch das Ocular betrachtet. Das berühmte Teleskop des LordRossebei Dublin hat sogar einen Spiegel von 17/8Meter Durchmesser und 15½ Meter Brennweite.

Das Fernrohr wurde um das Jahr 1603 von dem HolländerHans Lippersheyund kurz darauf (1610) vonGalileierfunden. Das erste astronomische Fernrohr wurde vonKepler1611 construirt. Das erste Spiegelteleskop rührt vonJames Gregoryin England (1663) her.

Fig. 92.

Fig. 92.

390. Warumsehen wir nur mit beiden Augen die Dinge als wirkliche Körper, und warum können wir das täuschendste Bild doch von einem Körper unterscheiden?

Weilwir von einem Körper in jedem Auge ein anderes Netzhautbild erhalten, mit dem linken Auge nämlich mehr von den linksliegenden Theilen desselben, mit dem rechten mehr von den rechtsliegenden sehen, unser Urtheil sich aber auf die Zusammenfassung dieser verschiedenen gleichzeitigen Eindrücke stützt, wenn es die Vorstellung der Körperlichkeit gewinnt. Auch das beste Gemäldekann immer nur den Eindruck einer Fläche gewähren. In dem Stereoskop ist dagegen der natürliche Vorgang des Sehens nachgeahmt. Zwei von etwas verschiedenen Standpunkten aufgenommene Zeichnungen oder Photographien eines Gegenstandes oder einer Landschaft werden neben einander gelegt und durch Linsengläser betrachtet, die so angebracht sind, daß sich ihre Achsen in der deutlichen Sehweite schneiden, und die beiden Ansichten des Gegenstandes für beide Augen darum zusammenfallen. Bei unserem gewöhnlichen Stereoskop (Fig. 92) sind die Gläser, durch welche die beiden Augen blicken, die keilförmigen Hälften einer durchgeschnittenen Sammellinse. Tritt ein Lichtstrahlaa´in eines dieser Gläser ein, so wird er gebrochen und gelangt in der Richtunga´´ Lin das Auge, das darum auch den Gegenstand der Lichtempfindung, den Punkta, in die Verlängerung dieser Richtung, in die LinieLL´, verlegt. Dasselbe gilt auch für den vom Punktebausgehenden Lichtstrahl, dessen Bild vom andern Auge in der RichtungRR´gesehen wird. Die Bilder der Punkteaundbwerden also zugleich in den LinienLL´undRR´gesehen und fallen darum in ihrem Schnittpunkteczusammen. Sind nunaundbzwei um die natürliche Entfernung der Augen von einander abstehende Punkte zweier gleichen Zeichnungen, so wird dies auch von allen ähnlichen Punktpaaren, also von den ganzen Zeichnungengelten, und auch diese müssen zusammenfallen. Auch die inneren FlächenGundG´der Seitenwände des Stereoskops werden dabei nachsunds´verschoben, und ebenso wird die Flächerder Scheidewand beir´, die Flächelbeil´gesehen, so daß alsor´mitsundl´mits´zusammenfallen.

Fig. 93.

Fig. 93.

Es bedarf auch nicht immer des Stereoskops, um durch zwei für jedes der beiden Augen besonders entworfene Zeichnungen den Eindruck der Körperlichkeit zu gewinnen. Bei kleinen Zeichnungen gelingt dies schon mit den bloßen Augen. Man bringe z. B. die beistehenden, den beiden Augen entsprechenden Zeichnungen eines Würfels (Fig. 93) in die Weite des deutlichen Sehens und richte dann fest und ruhig den Blick auf dieselben oder noch besser auf den sie trennenden Zwischenraum, und man wird die Bilder bald zusammenrücken sehen und den Anblick des Körpers erhalten. Noch leichter gelingt es, wenn man einen Pappstreifen oder ein Brett senkrecht zwischen die Zeichnungen setzt und so mit jedem Auge nur eine Zeichnung fixirt.

Das Stereoskop ist von dem EngländerWheatstoneim Jahre 1838 erfunden und vonBrewsterverbessert worden.


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