Fig. 109.
Fig. 109.
439. Warumerhält ein Stab aus weichem, nicht magnetischem Eisen die Eigenschaft Eisen anzuziehen, wenn man einen mit Seide übersponnenen Kupferdraht um denselben windet, und die Enden des Drahts mit den Polen einer galvanischen Kette verbindet?
Weilder weiche Eisenstab wirklich durch den ihn umkreisenden electrischen Strom in einen Magneten verwandelt wird. Man nennt diesen Magneten einenElectromagneten. Durch sehr kräftige electrische Ströme kann man daher auch sehr kräftige Electromagnete erzeugen, die mehrere Centner zu tragen vermögen. Weiches Eisen wird aber nur vorübergehend durch den electrischen Strom magnetisch gemacht; es verliert seinen Magnetismus, sobald der electrische Strom aufhört. Ein Stahlstab aber behält seinen Magnetismus dauernd.
440. Warumstellt sich bei den electrischen Telegraphen der Zeiger auf der entfernten Station immer genau auf denselben Buchstaben, auf welchen der Zeiger der Anfangsstation gerückt wird?
Weildurch die Bewegung des Zeigers auf der ersten Station bei Berührung eines Buchstaben zugleich eine galvanische Kette geschlossen und also ein electrischer Strom durch den langen Leitungsdrahtzur entfernten Station geführt wird, hier aber dieser Strom einen kleinen Electromagneten magnetisch macht und ihn dadurch veranlaßt, einen Anker anzuziehen und durch diesen wieder einen kleinen Hebel zu bewegen, der endlich in ein Zahnrad eingreift und dies sammt dem daran befindlichen Zeiger um einen Zahn forttreibt. Sobald der Zeiger auf der ersten Station den Buchstaben oder vielmehr den damit in Verbindung stehenden kleinen Stift verläßt, wird die galvanische Kette geöffnet, der electrische Strom also unterbrochen, und der Electromagnet auf der anderen Station seines Magnetismus beraubt, so daß der Anker wieder fällt, und das Zahnrad mit dem Zeiger still steht. Das Wesen des electrischen Telegraphen beruht also einmal auf der außerordentlichen Geschwindigkeit des electrischen Stromes, die auf 150000 bis 450000 Kilometer in der Secunde geschätzt wird; dann auf der Leitungsfähigkeit der Metalle und des Erdbodens, da der Strom von der einen Station zur zweiten durch einen Kupfer- oder starken Eisendraht geleitet wird, von jeder der beiden Stationen aber in die Erde als Leiter abströmt; endlich auf der Möglichkeit, in jeder Entfernung vermittelst des durch eine Drahtspirale geleiteten electrischen Stromes ein Eisenstück nach Belieben magnetisch zu machen und ihm diese Eigenschaft wieder beliebig zu nehmen.
Fig. 110.
Fig. 110.
Je nach der Art, in welcher die Zeichen gegeben werden, unterscheidet manNadel-Telegraphen,Zeiger-Telegraphen,Druck-oderSchreib-TelegraphenundCopir-Telegraphen. Der oben beschriebene ist derZeiger-Telegraph.Bei demNadel-Telegraphenwerden die Zeichen zum Theil durch die Bewegungen einer oder zweier Magnetnadeln gegeben, die an ihrem Ende mit einem Stifte versehen sind, der in einen Farbennapf taucht und auf einem vorübergleitenden Papiere die Spuren der Nadelbewegung als schwarze Punkte hinterläßt. Durch bestimmte Gruppen dieser Punkte werden die verschiedenen Buchstaben bezeichnet; andererseits genügt auch schon das abwechselnde Ausschlagen der Magnetnadel nach links und rechts, um eine Zeichensprache daraus zu bilden. Der seit 1866 in regelmäßigem Betriebe befindliche atlantische Telegraph ist gleichfalls ein Nadel-Telegraph. DerSchreib-oderDruck-Telegraph(Fig. 110) bewirkt das Aufschreiben der aus der Ferne mitgetheilten Zeichen in noch vollkommnerer Weise. Derselbe besteht in der Hauptsache aus einem aufrechtstehenden, kräftigen Electromagneten, an dessen Anker das Ende eines Hebels befestigt ist, dessen anderes Ende einen kleinen stumpfen Stahlstift trägt. Sobald dieser Hebel durch den Electromagneten angezogen wird, drückt sein Stahlstift auf einen Streifen Papier, welcher durch ein Räderwerk gleichmäßig unter einer Walze hingezogen wird. Wird der Strom unterbrochen, so hört auch die Anziehung des Electromagneten auf, und eine Feder zieht dann den Hebelarm und den Stahlstift von dem Papiere wieder zurück. Je nachdem der Strom also für einen Augenblick oder für längere Zeit geschlossen ist, entstehen eingedrückte Punkte oder Striche auf dem Papier und durch die verschiedenen Verbindungen dieser Punkte und Striche lassen sich dann alle Buchstaben des Alphabets darstellen. Bei demCopir-Telegraphenwird sogar die Handschrift selbst wieder gegeben und es können selbst ganze Zeichnungen und Situations-Pläne telegraphirt werden. Man benutzt nämlich hierbei die farbigen Niederschläge, welche gewisse chemische Substanzen bei der Zersetzung durch den electrischen Strom geben. Eine rotirende Walze wird mit einem in dieser Weise chemisch präparirten Papier bedeckt. Wird nun während der Umdrehung der Walze vermittelst einer Feder ein Stift beständig gegen das Papier gedrückt, so beschreibt dieser Stift, so lange ein electrischer Strom durch ihn hindurch zur Walze geht, auf dem Papier einen farbigen, braunen oder blauen Strich. Läßt man zugleich die Walze nach jeder Umdrehung sich etwa um ½ Millimeter seitwärts verschieben, so wird das ganze Papier allmählich mit schraffirten Linien bedeckt. Jede Unterbrechungdes Stromes hat natürlich auch eine Lücke in diesen Linien zur Folge, und wenn diese Unterbrechungen der Form von Buchstaben entsprechen, so erhält man eine weiße Schrift auf schraffirtem Grunde. Um solche Unterbrechungen zu bewirken, stellt man auf der Station, von welcher die Mittheilung ausgeht, eine völlig gleiche und sich gleichbewegende Walze auf, deren Achse mit der Batterie verbunden ist. Ueber diese Walze aber legt man ein Papier, auf welches die Depesche mit firnißhaltiger Schwärze gedruckt oder geschrieben ist. Die Spitze des einen Leitungsdrahts ruht ebenso auf diesem Papier, wie die Spitze des anderen auf dem chemischen Papiere der andern Station, so daß der electrische Strom durch beide Papiere gehen muß. Der Firniß aber unterbricht als Nichtleiter den Strom, so oft der Draht während der Umdrehung der Walze auf ein Schriftzeichen trifft. Drehen sich also beide Walzen mit gleicher Geschwindigkeit, so müssen, da auch die Unterbrechungen des Stromes auf beiden Stationen gleichzeitig geschehen, die Lücken auf dem chemischen Papiere dieselbe Schrift bilden, welche mit der firnißhaltigen Schwärze auf das Blatt der entfernten Station geschrieben war.
Auf einer ganz ähnlichen Einrichtung, wie die electrischen Telegraphen, beruhen auch dieelectrischen Uhren, bei welchen durch die Pendelschläge einer Normaluhr ein electrischer Strom geöffnet und geschlossen und dadurch der Anker eines Electromagneten in Bewegung gesetzt wird, der dann in das Getriebe einer Uhr eingreift und dieses in Bewegung setzt.
Der erste Gedanke einer electrischen Telegraphie rührt wohl vonSömmeringher, der bereits im Jahre 1808 die Berührungselectricität dazu zu benutzen versuchte. Als die Erfinder wirklich brauchbarer electrischer Telegraphen müssen aber die ProfessorenGaußundWebergelten, welche im Jahre 1833 zwischen der Sternwarte und dem physikalischen Kabinet in Göttingen die erste telegraphische Verbindung dieser Art herstellten.Steinheilin München führte im Jahre 1838 einen neuen glänzenden Fortschritt dieser Erfindung herbei, indem er die Leitungsfähigkeit des Erdbodens benutzte, um den einen Leitungsdraht zu ersparen.Wheatstonein England führte im Jahre 1840 den ersten Zeigertelegraphen aus, der durchSiemensundHalskein Berlin glänzende Verbesserungen erhielt. Der AmerikanerMorse(1837) ist der Erfinder des Schreib- und Druck-Telegraphen. Gegenwärtigumspannt das Drahtnetz des electrischen Telegraphen bereits die ganze Erde. Durch Drähte, die in isolirende Kabel eingeschlossen sind, werden selbst unter dem Meere hinweg Continente mit einander telegraphisch verbunden. – Kaum dürfte irgend eine andere Erfindung so tief in das geistige wie materielle Leben der Völker eingegriffen haben, als diese, die den Gedanken mit Blitzesschnelle von Land zu Land über Meere und Wüsten hinweg zu tragen gelehrt hat.