Uebersetzung in fremde Sprachen bleibt vorbehalten.Buchdruckerei von Gustav Schade (Otto Francke) in Berlin.
Uebersetzung in fremde Sprachen bleibt vorbehalten.
Buchdruckerei von Gustav Schade (Otto Francke) in Berlin.
Vorwort.
Warum? Das ist die stehende Frage im Kindesmunde, die Eltern und Lehrern so viel Noth macht, und die man leider so häufig mit der Antwort zurückweist: Das verstehst Du noch nicht! oder: Das wirst Du später lernen! Es ist keineswegs, wie man meint, die Frage bloßer Neugier, sondern die Aeußerung des im Kinde erwachenden Schlußvermögens. Es ist die Frage, in welcher sich zuerst das Verlangen kundgiebt, die Gründe dessen zu erfahren, was man sieht und hört. Es ist aber auch nicht bloß eine kindliche Frage, sondern die Frage eines Jeden, der von den Erscheinungen zum Gesetze fortzuschreiten verlangt. Darum tritt sie auch nirgends so häufig und so berechtigt auf, als in derjenigen Wissenschaft, die es vorzugsweise mit den uns umgebenden Naturerscheinungen und mit der Erkenntniß ihres gesetzlichen Zusammenhanges zu thun hat: in der Naturlehre oder Physik. Die Physik besteht geradezu aus lauter »Warum«'s und »Weil«'s. Darum ist auch nirgends die Methode des Unterrichts so bestimmt vorgeschrieben, so gleichsam durch die Sache selbst gegeben, als hier. Wenn mit Recht darüber geklagt wird, daß der physikalische Unterricht in unseren Schulen zu wenig leiste, so liegt das einfach an der Verleugnung dieser naturgemäßen Methode. Man bleibt entweder bei dem bloßen Anschauungsunterricht stehen, der hier, wo es sich um einen inneren ursächlichen Zusammenhang handelt, völlig unfruchtbar bleiben muß;oder man geht gleich von den Gesetzen aus und sucht die Erscheinungen, statt sie zu erklären, nach der Schablone eines Systems zu ordnen. Man schafft in dem letzteren Falle nur ein Gedächtnißwerk, das in der Seele unverarbeitet bleibt und schwerlich befähigt, für jedes später auftauchende »Warum« auch sein »Weil« zu finden. Diese Erwägungen waren es, die mich zur Abfassung des vorliegenden Buches bestimmten. Ich habe darin eine Anzahl physikalischer »Warum«'s und »Weil«'s zusammengestellt, die den Lehrer beim Unterricht, wie denjenigen, der darauf angewiesen ist, sein eigener Lehrer aus Büchern zu werden, in den Stand setzen sollen, von den bekannten Erscheinungen aus zur Erkenntniß der wichtigsten Gesetze der Physik zu gelangen. Ich habe dabei vorzugsweise auf solche Erscheinungen Rücksicht genommen, mit denen der Lernende bereits völlig vertraut ist, oder die ihm mit Leichtigkeit ohne Hülfe besonders kostspieliger Apparate vorgeführt werden können. Selbstverständlich muß es immerhin dem Lehrer überlassen bleiben, je nach der Fassungskraft seiner Schüler, eine Auswahl unter den vorgeführten Fragen zu treffen. Ebenso wird es jedem Lehrer leicht sein, durch die Erscheinungen selbst, die er dem Lernenden vor Augen führt, noch andere vermittelnde oder weitergehende Fragen wach zu rufen. Wer dann, sei es als Lehrer oder als Lernender, das Bedürfniß eines eingehenderen und umfassenderen Studiums der Physik empfindet, den glaube ich auf meine (beiErnst Keilin Leipzig erschienene) »populäre Naturlehre« verweisen zu dürfen.
Die großen Erfindungen der Gegenwart, die so tief in das Leben der Völker eingreifen, haben die Aufmerksamkeit auf die physikalische Wissenschaft, aus der sie hervorgingen, mehr als je zuvor gelenkt. Es ist kaum noch möglich, ohne Schaden und ohne Schande mit ihren Lehren völlig unbekannt zu bleiben. Selbst die Unterrichtsbehörden wagen nicht länger, dem physikalischenUnterricht seine gebührende Stellung in der Volksschule vorzuenthalten. Einem so anerkannten Bedürfniß gegenüber, glaubte ich, werde jeder Beitrag zu einer Erleichterung der physikalischen Belehrung willkommen sein, wenn er auch sonst nicht gerade Neues biete. Insbesondere hoffte ich mit dieser Schrift manchem Lehrer einen Dienst zu erweisen, indem ich ihn der Mühe und Schwierigkeit überhob, selbst die geeigneten Naturerscheinungen aufsuchen zu müssen, aus denen in methodischer Ordnung die wichtigsten Gesetze abgeleitet werden können. Ich hoffte aber auch den auf Selbstunterricht Angewiesenen mir zu Dank zu verpflichten, indem ich den von Zeit zu Zeit in ihm auftauchenden, aber vom Geräusch des Geschäftslebens übertäubten Fragen einen Ausdruck gab und ihm vielleicht dazu verhalf, sich besser als bisher in den ihn täglich umgebenden Erscheinungen zurecht zu finden und in ihren ursächlichen Zusammenhang einzudringen.
Halle a. S., den 21. November 1867.
Dr.Otto Ule.