Darin, daraus, daran, darauf usw.

Darin, daraus, daran, darauf usw.

Es sind ja aber nicht bloß die Fürwörtererunddieser(oderder), die durch den unsinnigen Mißbrauch verdrängt und vermengt werden; er – wollte sagen „derselbe“ frißt noch weiter, viel weiter. In der lebendigen Sprache haben wir die leichten, zierlichen Adverbia:darin,daraus,daran,darauf,dabei,davor,dahinter,damit,darum,dafür,dazwischenusw.; jeder braucht sie hundertmal des Tags. Aber sowie einer die Feder ergreift – wehe den armen! Dann heißt es:in demselben,aus demselben,an demselben,auf demselben,mit demselben,bei demselben,zwischen denselbenusw. – auch in dieser Gestalt storcht das langbeinige Ungetüm überall durch unsre Schriftsprache. Das Denkmal will alles Prunkvolle vermeiden, nur das allgemein Menschliche sollin demselben(darin!) betont werden – die Geistlichen hatten ihren eignen Predigtstuhl, undin demselben(darin!) jeder seinen bestimmten Platz – so sehr ich in diesem Punkte mit dem Verfasser einverstanden bin, so entschieden muß ich die Forderungen bekämpfen, die eraus demselben(daraus!) ableitet – sie betrachtetensich als die alleinigen Eigentümer des Landes und gestanden andern keinen Anteilan demselben(daran!) zu – obgleich durch den Regen der Abmarsch des Festzuges verspätet und die Beteiligungan demselben(daran!) beeinträchtigt wurde – die Entstellungen sind wirkungslos, ein unbefangner Beurteiler wird sich andieselben(daran!) nicht kehren – im Jahre 1560 wurde der Turm erhöht und eine Wohnungauf demselben(darauf!) erbaut – die Wiesen waren wieder getrocknet, und bald entwickelte sichauf denselben(darauf!) ein üppiger Graswuchs – 1890 reichte die Zahl an den Durchschnitt hinan, 1900 blieb siehinter demselben(dahinter!) zurück – der Boden war überall von so wunderbarer Beschaffenheit, daß sich kaum die fruchtbarsten Gegenden Deutschlandsmit demselben(damit!) vergleichen ließen – der Holzbau ist ein viel zu überwundner Standpunkt, als daß es der Mühe lohnte, sich in der Praxismit demselben(damit!) zu befassen – die Erziehung des Knaben ruhte ausschließlich in den Händen der Mutter, da sich der Vater, der sich viel auf Reisen befand, nichtum dieselbe(darum!) kümmern konnte – hier bedarf es des Glaubens an die gute Sache und der Begeisterungfür dieselbe(dafür!) – keinem kann dieses Studium erlassen werden, wohl aber bereitet sichfür dasselbe(dafür!) ein neuer Maßstab vor – dieser Gedanke wurde am Mainzer Hofe lebhaft erwogen, der Kurfürst war ganzvon demselben(davon!) erfüllt – die Fürstin wünschte lebhaft, das Bild zu besitzen, aber Angelika konnte sichvon demselben(davon!) nicht trennen – in der Mitte des Schrankes hängt ein mächtiges, reich verziertes Schwert,neben demselben(daneben!) rechts und links zwei kleinere Schwerter – in diesem Graben fließt eine bedeutende Wassermenge, deshalb ist auch ein Stegüber denselben(darüber!) gelegt – die Presse ist noch nicht einig, ob sie den Vorfall bedauern oder sichüber denselben(darüber!) freuen soll – das Partizip steht hier absolut, ein Kommahinter demselben(dahinter!) würde nur irreführen usw. Anders wird gar nicht geschrieben.

Nach einem weit verbreiteten Aberglauben sollen sich die Adverbiadarin,darauf,dafürusw. immer nur auf eine Handlung, ein Zeitwort, einen ganzen Satz, aber nie auf ein Hauptwort beziehen können. Es sei also zwar richtig, zu antworten: ich kann mich nichtdaraufbesinnen – wenn gefragt worden sei: besinnst du dich,was dumir damalsversprochen hast? aber nicht, wenn die Frage gelautet habe: besinnst du dich auf denAusdruck, den du damals gebraucht hast? Die angeführten Beispiele zeigen, wie lächerlich dieser Aberglaube ist. Die lebendige Sprache setzt die Adverbia überall statt der Präposition in Verbindung mit einem persönlichen Fürwort. Nur auf Personen können sie sich nicht beziehen, da muß das persönliche Fürwort stehen. Es gibt zwar Fälle, wo das Adverb auch bei Sachen etwas ungewöhnlich klingt, z. B.: wer die hiesigen Universitätsverhältnisse und mein Verhaltendazunicht kennt; aber das liegt nur daran, daß uns das dummederselbeso oft vor die Augen gebracht wird, daß uns schließlich das Einfache und Natürliche befremdet. Und was hindert denn, auch hier das persönliche Fürwort zu gebrauchen? Warum sagt man nicht: die hiesigen Universitätsverhältnisse und mein Verhaltenzu ihnen? Beiohnescheint sowieso nichts andres übrig zu bleiben, denn ein Adverbdarohnegibt es nicht, obwohl man es zu bilden versucht hat. Auch bei dem Neutrum es entsteht eine Schwierigkeit. Sie wollte sich durch das Geld Vorteile verschaffen, auf die sieohne dasselbenicht rechnen konnte – hier ist doch wohldasselbeganz unentbehrlich? Soll man schreiben:ohne es? Jakob Grimm hätte es getan, er schrieb so, er wollte, daß es nicht anders behandelt würde alsihnundsie, und einige sind ihm darin gefolgt. Es klingt aber doch seltsam, dennesist gewöhnlich tonlos, und hier müßte es betont werden. Gibt es denn aber wirklich keinen Ersatz für das fehlendedarohne? Gewiß gibt es einen, und er heißt –sonst! Sie wollte sich durch das Geld Vorteile verschaffen, auf die siesonstnicht rechnen konnte. Das ist gutes Deutsch.

Bisweilen erscheinen in einem Satze zwei gleichklingende persönliche Fürwörter unmittelbar hintereinander, z. B.sieals Femininum und als Plural: Handlungen dieser Art suchte die Gewerbeordnung zu unterdrücken, indemsie sieverbot. Etwas schrecklicheres ist ja nun für die Augen des Papiermenschen nicht denkbar. Da muß es doch unbedingt heißen: indemsie dieselbenverbot? Nein, auch da nicht, denn man spricht nicht so, man spricht frischwegsie sie, und was gesprochen und gehört nicht mißfällt, ja nicht einmal auffällt, kann doch auch geschrieben oder gedruckt keinen Anstoß erregen! Wenn sich in einer Schulklasse die Mädchen gezankt haben, zwei einer dritten ein Buch weggenommen haben, der Lehrer Frieden stiftet und dann fragt: habtihr ihr ihrBuch wiedergegeben? so ist das doch noch viel „schlimmer“. Aber wird der Lehrer deshalb fragen: habtihr derselben ihrBuch wiedergegeben?

Der abhängige Genitiv endlich (desselbenundderselben) kann überall durchseinundihrersetzt werden, denn daß diese Fürwörter nur im reflexiven Sinne gebraucht werden könnten, ist doch auch nur Aberglaube.[109]Als die Kaiserin dasSchloßbesichtigt und die Schönheitdesselbenbewundert hatte – warum nicht:seineSchönheit? Die Sammlung ist so zeitgemäß, daß zur Rechtfertigungderselbenkein Wort zu verlieren ist – warum nicht: zuihrerRechtfertigung? Freilich würden einige Geschäfte dann eingehen, da die ganze Bedeutungderselbendarin beruht usw. – warum nicht:ihreganze Bedeutung? Auch wer sich tief in die Eigentümlichkeiten der spanischen Dichtung versenkt hat und von der lebhaften Bewunderung für die Vorzügederselbendurchdrungen ist – warum nicht: fürihreVorzüge? Wo eine Verwechslung, ein Mißverständnis entstehen könnte, da schreibe mandessenundderen, z. B.: es muß dem Biographen nachgerühmt werden, daß er bei aller Liebe zuseinemHelden doch nicht blind fürdessenSchwächen ist. Aber nur nichtdesselben! In den allermeisten Fällen aber – man achte nur darauf und versuche es! – kann man den Genitiv einfach streichen, ohne daß der Gedanke im geringsten an Deutlichkeit verlöre. Nicht auf den Stoff kommt es an, sondern auf die Behandlungdesselben– über die Aufgaben waren alle einig, nur schlugen sie zur Lösungderselbenverschiedne Wege ein – die Erklärung des Parteitags fand so viel Beifall, daß sich die Führerdesselbenermutigt sahen – Gregor klagte, daß sie die Kirche zerstört und das Materialderselbenzum Bau ihrer Häuser verwendet hätten – zu den Unregelmäßigkeiten in der äußern Anlage unsrer Dörfer kommt noch die Unregelmäßigkeit im innern Aufbauderselben– die steilere Partie des Berges gehört dem weißen, die mäßig geneigten Ausläuferdesselbendem braunen Jura an – ich habe die Fachausdrücke des Deutschen und des Französischen miteinander verglichen und habe gefunden, daß die Mehrzahlderselbenübereinstimmt – nachdem die Gäste das Gasthaus verlassen hatten und die Wirtindesselbendie Tür verschlossen hatte – man streiche überalldesselbenundderselben: ist irgendwo ein Mißverständnis möglich? Der Kaiser unternahm heute einen längern Spazierritt und erledigte nach der Rückkehrvon demselbenRegierungsgeschäfte. Ja, wovon soll er denn sonst zurückgekehrt sein als von – demselben?


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