1.The full title runs: Gesang bey des edlen und hochberühmten Herren Martin Opitzen u.s.w. hocherfreulichen Gegenwart zu Königsberg in Preussen 1638. 29 Heumonat gesungen.2.Vorfahrt=Vorfahren.3.Giebt .. . . Kauff=wird billiger.3Anke van Tharau.Anke van Tharau öss, de my geföllt,Se öss mihn Lewen, mihn Goet on mihn Gölt.Anke van Tharau heft wedder eer HartOp my geröchtet ön Löw’ on ön Schmart.5Anke van Tharau, mihn Rihkdom, mihn Goet,Du mihne Seele, mihn Fleesch on mihn Bloet.Quöm’ allet Wedder glihk ön ons tho schlahn,Wy syn gesönnt by een anger tho stahn.Kranckheit, Verfälgung, Bedröfnös on Pihn10Sal unsrer Löwe Vernöttinge syn.Recht as een Palmen-Bohm äver söck stöcht,Je mehr en Hagel on Regen anföcht,So wardt de Löw’ ön ons mächtig on groht,Dörch Kryhtz, dörch Lyden, dörch allerley Noht.15Wördest du glihk een mahl van my getrennt,Leewdest dar, wor ön dee Sönne kuhm kennt,Eck wöll dy fälgen dörch Wöler, durch Mär,Dörch Yhss, dörch Ihsen, dörch fihndlöcket Hähr.Anke van Tharau, mihn Licht, mihne Sönn,20Mihn Lewen schluht öck ön dihnet henönn.Wat öck geböde, wart van dy gedahn,Wat öck verböde, dat lätstu my stahn.Wat heft de Löwe däch ver een Bestand,Wor nicht een Hart öss, een Mund, eene Hand,25Wor öm söck hartaget, kabbelt on schleyhtOn glihk den Hungen on Katten begeyht?Anke van Tharau, dat war wy nich dohn,Du böst mihn Dyhfken, mihn Schahpken, mihn Hohn.Wat öck begehre, begehrest du ohck,30Eck laht den Rock dy, du lätst my de Brohk.Dit öss dat, Anke, du söteste Ruh,Een Lihf on Seele wart uht öck on du.Dit mahckt dat Lewen tom hämmlischen Rihk,Dörch Zancken wart et der Hellen gelihk.4The same in Herder’s High German translation.Annchen von Tharau ist, die mir gefällt;Sie ist mein Leben, mein Gut und mein Geld.Annchen von Tharau hat wieder ihr HerzAuf mich gerichtet in Lieb’ und in Schmerz.5Annchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut,Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut!Käm’ alles Wetter gleich auf uns zu schlahn,Wir sind gesinnt bei einander zu stahn.Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein,10Soll unsrer Liebe Verknotigung sein.Recht als ein Palmenbaum über sich steigt,Je mehr ihn Hagel und Regen anficht;So wird die Lieb’ in uns mächtig und grossDurch Kreuz, durch Leiden, durch allerlei Noth.15Würdest du gleich einmal von mir getrennt,Lebtest, da wo man die Sonne kaum kennt;Ich will dir folgen durch Wälder, durch Meer,Durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer.Annchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn’,20Mein Leben schliess’ ich um deines herum.Was ich gebiete, wird von dir gethan,Was ich verbiete, das lässt du mir stahn.Was hat die Liebe doch für ein Bestand,Wo nicht ein Herz ist, ein Mund, eine Hand?25Wo man sich peiniget, zanket und schlägt,Und gleich den Hunden und Katzen beträgt?Annchen von Tharau, das woll’n wir nicht thun;Du bist mein Täubchen, mein Schäfchen, mein Huhn.Was ich begehre, ist lieb dir und gut;30Ich lasse den Rock dir, du lässt mir den Hut.Dies ist uns, Annchen, die süsseste Ruh’,Ein Leib und Seele wird aus Ich und Du.Dies macht das Leben zum himmlischen Reich,Durch Zanken wird es der Hölle gleich.LV. PAUL GERHARDT1607-1676. Gerhardt was a Lutheran pastor who is preëminent as a writer of hymns for worship. His psalmody has less of the militant spirit than Luther’s, his voice being the voice of German Protestantism as chastened by the terrible sufferings of the great war. The selections follow Wolff’s edition in Kürschner’sNationalliteratur, Vol. 31.1Befiehl dem Herrn deine Wege.Befiehl du deine Wege,Und was dein Herze kränkt,Der allertreusten PflegeDes, der den Himmel lenkt:5Der Wolken, Luft und WindenGiebt Wege, Lauf und Bahn,Der wird auch Wege finden,Da dein Fuss gehen kann.Dem Herren musst du trauen,10Wann dirs soll wohlergehn;Auf sein Werk musst du schauen,Wann dein Werk soll bestehn.Mit Sorgen und mit GrämenUnd mit selbsteigner Pein15Lässt Gott ihm gar nichts nehmen,Es muss erbeten sein.Dein ewge Treu und Gnade,O Vater, weiss und sieht,Was gut sei oder schade20Dem sterblichen Geblüt:Und was du denn erlesen,Das treibst du, starker Held,Und bringst zum Stand und Wesen,Was deinem Rat gefällt.25Weg hast du allerwegen,An Mitteln fehlt dirs nicht;Dein Thun ist lauter Segen,Dein Gang ist lauter Licht,Dein Werk kann niemand hindern,30Dein Arbeit darf nicht ruhn,Wann du, was deinen KindernErspriesslich ist, willst thun.Und ob gleich alle TeufelHie wollten widerstehn,35So wird doch ohne ZweifelGott nicht zurücke gehn:Was er ihm fürgenommenUnd was er haben will,Das muss doch endlich kommen40Zu seinem Zweck und Ziel.Hoff, o du arme Seele,Hoff und sei unverzagt!Gott wird dich aus der Höhle,Da dich der Kummer plagt,45Mit grossen Gnaden rücken:Erwarte nur der Zeit,So wirst du schon erblickenDie Sonn der schönsten Freud.Auf, auf, gieb deinem Schmerze50Und Sorgen gute Nacht!Lass fahren, was das HerzeBetrübt und traurig macht!Bist du doch nicht Regente,Der alles führen soll;55Gott sitzt im RegimenteUnd führet alles wohl.Ihn, ihn lass thun und walten,Er ist ein weiser FürstUnd wird sich so verhalten,60Dass du dich wundern wirst,Wann er, wie ihm gebühret,Mit wunderbarem RatDas Werk hinausgeführet,Das dich bekümmert hat.65Er wird zwar eine WeileMit seinem Trost verziehnUnd thun an seinem Teile,Als hätt in seinem SinnEr deiner sich begeben;70Und solltst du für und fürIn Angst und Nöten schweben,So frag er nichts nach dir.Wirds aber sich befinden,Dass du ihm treu verbleibst,75So wird er dich entbinden,Da dus am wengsten gläubst:Er wird dein Herze lösenVon der so schweren Last,Die du zu keinem Bösen80Bisher getragen hast.Wohl dir, du Kind der Treue,Du hast und trägst davonMit Ruhm und DankgeschreieDen Sieg und Ehrenkron.85Gott giebt dir selbst die PalmenIn deine rechte Hand,Und du singst FreudenpsalmenDem, der dein Leid gewandt.Mach End, o Herr, mach Ende90An aller unser Not!Stärk unser Füss und HändeUnd lass bis in den TodUns allzeit deiner PflegeUnd Treu empfohlen sein,95So gehen unsre WegeGewiss zum Himmel ein.2Abendlied.Nun ruhen alle Wälder,Vieh, Menschen, Stadt und Felder,Es schläft die ganze Welt:Ihr aber, meine Sinnen,5Auf, auf, ihr sollt beginnen,Was eurem Schöpfer wohlgefällt.Wo bist du, Sonne, blieben?Die Nacht hat dich vertrieben,Die Nacht, des Tages Feind;10Fahr hin, ein ander Sonne,Mein Jesus, meine Wonne,Gar hell in meinem Herzen scheint.Der Tag ist nun vergangen,Die güldnen Sternen prangen15Am blauen Himmels Saal:Also werd ich auch stehen,Wenn mich wird heissen gehenMein Gott aus diesem Jammerthal.Der Leib eilt nun zur Ruhe,20Legt ab das Kleid und Schuhe,Das Bild der Sterblichkeit,Die ich zieh aus: dagegenWird Christus mir anlegenDen Rock der Ehr und Herrlichkeit.25Das Häupt, die Füss und HändeSind froh, dass nu zum EndeDie Arbeit kommen sei:Herz, freu dich, du sollt werdenVom Elend dieser Erden30Und von der Sünden Arbeit frei.Nun geht, ihr matten Glieder,Geht hin und legt euch nieder,Der Betten ihr begehrt:Es kommen Stund und Zeiten,35Da man euch wird bereitenZur Ruh ein Bettlein in der Erd.Mein Augen stehn verdrossen,Im Hui sind sie geschlossen;Wo bleibt denn Leib und Seel?40Nimm sie zu deinen Gnaden,Sei gut für allem Schaden,Du Aug und Wächter Israel.Breit aus die Flügel beide,O Jesu, meine Freude,45Und nimm dein Küchlein ein.Will Satan mich verschlingen,So lass die Englein singen:Dies Kind soll unverletzet sein.Auch euch, ihr meine Lieben,50Soll heinte nicht betrübenEin Unfall noch Gefahr.Gott lass euch selig schlafen,Stell euch die güldne WaffenUms Bett und seiner Engel Schar.LVI. FRIEDRICH SPE1591-1635. Spe was a Jesuit father who won distinction as a poet and also as an opponent of the witch-burning mania. His collection of lyric poems calledTrutz-Nachtigall, orMatch-Nightingale, is interesting for its singular blend oferotic imagery with sincere religious feeling. The poems indicate a genuine delight in certain aspects of nature. The selections follow Wolff’s edition, in Kürschner’sNationalliteratur, Vol. 31.1Ein Liebgesang der Gespons Jesu.Die reine Stirn der MorgenrötWar nie so fast gezieret,Der Frühling, nach dem Winter öd,War nie so schön muntieret,5Die weiche Brust der Schwanen weissWar nie so wohl gebleichet,Die gülden Pfeil der Sonnen heissNie so mit Glanz bereichet:Als Jesu Wangen, Stirn und Mund10Mit Gnad seind übergossen.Lieb hat aus seinen Äuglein rundFast tausend Pfeil verschossen:Hat mir mein Herz verwundet sehr,O weh der süssen Peine!15Für Lieb ich kaum kann rasten mehr,Ohn Unterlass ich weine.Wie Perlen klar aus OrientMir Zähr von Augen schiessen:Wie Rosenwässer wohlgebrennt20Mir Thränen überfliessen.O keusche Lieb, Cupido rein,Allda dein Hitz erkühle,Da dunk dein heisse Flüttig ein,Dass dich so stark nit fühle.25Zu scharf ist mir dein heisser Brand,Zu schnell seind deine Flügel;Drumb nur aus Thränen mit VerstandDir flechte Zaum und Zügel.Komm nit zu streng, mich nit verseng,30Nit brenn mich gar zu Kohlen,Dich weisen lass, halt Ziel und Mass,Dich brauch der linden Strohlen.O Arm und Hände Jesu weiss,Ihr Schwesterlein der Schwanen,35Umbfasset mich nit lind noch leis,Darf euch der Griff ermahnen.Stark heftet mich an seine BrustUnd satt mich lasset weinen:Ich ihn erweich, ist mir bewusst,40Und wär das Herz von Steinen.O Jesu mein, du schöner Held,Lang warten macht verdriessen:Gross Lieb mir nach dem Leben stellt,Wann soll ich dein geniessen?45O süsse Brust! O Freud und Lust!Hast endlich mich gezogen:O miltes Herz! All Pein und SchmerzIst nun in Wind geflogen.Allhie nun will ich rasten lind,50Auf Jesu Brust gebunden:Allhie mich mag Cupido blindBis gar zu Tod verwunden.Am Herzen Jesu sterben hinIst nur in Lusten leben,55Ist nur verlieren mit Gewinn,Ist tot im Leben schweben.2Anders Liebgesang der Gespons Jesu, darin eine Nachtigall mit der Echo oder Wiederschall spielet.Ach, wann doch Jesu, liebster mein,Wann wirst dich mein erbarmen?Wann wieder zu mir kehren ein,Wann fassen mich in Armen?5Was birgest dich,Was kränkest mich?Wann werd ich dich umfangen?Wann reissest einAll meine Pein?10Wann schlichtest mein Verlangen?O willkomm, süsse Nachtigall,Kombst gleich zu rechter Stunde!Erfrisch den Luft mit bestem Schall,Erschöpf die Kunst von Grunde;15Ruf meinem Lieb,Er nit verschieb,“O Jesu!†ruf mit Kräften,Ruf tausend mal,Ruf ohne Zahl,20Wer weiss, es je möcht heften!1Ach, ruf und ruf, o Schwester zart,Mein Jesum zu mir lade,Mir treulich hilf zu dieser Fahrt,Dann ich in Zähren bade.25O Schwester mein,Sing süss und rein,Ruf meinem Schatz mit Namen;Dann kurz, dann langZieh deinen Klang,30All Noten greif zusammen!Wohlan, scheint, mich verstanden hatDie Meisterin in Wälden;Ihrs allbereit geht wohl von Statt,Die Färblein schon sich melden.35In starker Zahl,Nun manches MalDen Ton sie schon erhebet,Weil auch der SchallAus grünem Thal40Ihr deutlich widerstrebet.2Da recht, du fromme Nachtigall,Du jenem Schall nit weiche!Da recht, du treuer Wiederschall,Du stets dich ihr vergleiche!45Zur schönen WettNun beide trett,Mein Jesum lasst erklingen,Obschon im StreitDer schwächsten Seit50Am Leben sollt misslingen.Die Nachtigall den Schall nit kenntUnd hälts für ihr Gespielin,Verwundert sich, wies mög behendSo gleichen Ton erzielen;55Bleibt wenig stumm,Schlägt wiederumb,Denkt ihr bald obzusiegen;Doch WiderpartMachts gleicher Art,60Kein Pünktlein bleibt verschwiegen.Bald steiget auf die NachtigallJe mehr und mehr und mehre;Gleich folget auch der Wiederschall,Wanns je noch höher wäre.65Drumb zierlich fechtUnd stärker schlegtDas Fräulein reich von Stimmen,Steigt auf und aufGanz ohn Verschnauf;70Doch thuts der Schall erklimmen.Alsdann gehts über Ziel und Schnur,Das Herz möcht sich zerspalten,Sie sucht es in B Moll, B Dur,Auf allerhand Gestalten,75Thut hundertfaltDen Bäss und Alt,Tenor und Cant durchstreichen;Doch Stimm doch KunstIst gar umbsonst,80Der Schall thuts auch erreichen.Da kitzlet sie dann Ehr und PreisMit gar zu scharfen Sporen,Erdenkt noch schön und schöner Weis,Meint, sei noch nicht verloren.85All Mut und BlutUnd Atem gut.Versammelt sie mit Haufen,Will noch zum SiegIn schönem Krieg90Mit letzten Kräften laufen.Ei, da kracht ihr so mütigs Herz,Gleich Ton und Seel verschwinden,Da leschet sich die gülden Kerz,Entzuckt von starken Winden.95O mütigs Herz,O schöne Kerz,O wohl, bist wohl gestorben!Die LorbeerkronIm letzten Ton100Du doch noch hast erworben.Dann zwar ein Seufzerlein gar zartIm Tod hast lan erklingen,Das so subtil dein WiderpartMit nichten möcht erschwingen;105Drumb ja nit lieg,Dein ist der Sieg,Das Kränzlein dir gebühret,Welchs dir alleinVon Blümlein fein110Ich schon hab eingeschnüret.Ade dann, falbe Nachtigall,Von falbem Tod entfärbet,Weil du nun liegst in grünem Thal.Sag, wer dein Stimmlein erbet;115Könnts je nit sein,Es wurde mein?O Gott, könnt ichs erwerben!Wollts brauchen stätSo früh, so spät,120Bis auch im Sang thät sterben.Nun doch will ich in diesem WaldBei deinem Grab verbleiben,Hoff, mich mit ihren Pfeilen baldBegierd und Lieb entleiben.125Will rufen starkZum Totensarg,Bis mein Geliebter komme,Will rufen lautMeins Herzen Traut,130Bis letzt ich gar erstumme.1.Heften=haften bleiben, ‘stick fast’ (in his ear), and so win him over.2.2.Widerstrebet=widerhallt.LVII. HOFMANN VON HOFMANNSWALDAUA Silesian scholar (1617-1679) who, after extensive foreign travel, spent his life at Breslau as an exemplary and highly esteemed official of the town. Incidentally he poetized in the inflated and ornate style which has given the so-called second Silesian school its evil reputation. His work is decidedly vacuous as poetry, but has its interest as indicating the literary drift of the age of puffs, powder, and pedantry. The selections follow Bobertag’s edition in Kürschner’sNationalliteratur, Vol. 36.1Die Welt.Was ist die Welt, und ihr berühmtes Gläntzen?Was ist die Welt und ihre gantze Pracht?Ein schnöder Schein in kurtzgefasten Grentzen,Ein schneller Blitz, bey schwarzgewölckter Nacht;5Ein bundtes Feld, da Kummerdisteln grünen;Ein schön Spital, so voller Kranckheit steckt.Ein Sclavenhauss, da alle Menschen dienen,Ein faules Grab, so Alabaster deckt.Das ist der Grund, darauff wir Menschen bauen,10Und was das Fleisch für einen Abgott hält.Komm, Seele, komm, und lerne weiter schauen,Als sich erstreckt der Zirckel dieser Welt.Streich ab von dir derselben kurtzes Prangen,Halt ihre Lust für eine schwere Last.15So wirst du leicht in diesen Port gelangen,Da Ewigkeit und Schönheit sich umbfast.2Die Wollust.Die Wollust bleibet doch der Zucker dieser Zeit,Was kan uns mehr, denn sie, den Lebenslauf versüssen?Sie lässet trinckbar Gold in unsre Kehle fliessen,Und öffnet uns den Schatz beperlter Liebligkeit,5In Tuberosen kan sie Schnee und Eiss verkehren,Und durch das gantze Jahr die Frühlings-Zeit gewehren.Es schaut uns die Natur als rechte Kinder an,Sie schenckt uns ungespart den Reichthum ihrer Brüste,Sie öffnet einen Saal voll zimmetreicher Lüste,10Wo aus des Menschen Wunsch Erfüllung quellen kan.Sie legt als Mutter uns die Wollust in die Armen,Und lässt durch Lieb und Wein den kalten Geist erwarmen.Nur das Gesetze wil allzu tyrannisch seyn,Es zeiget iederzeit ein widriges Gesichte,15Es macht des Menschen Lust und Freyheit gantz zunichte,Und flöst für süssen Most uns Wermuthtropffen ein;Es untersteht sich uns die Augen zu verbinden,Und alle Liebligkeit aus unser Hand zu winden.Die Ros’ entblösset nicht vergebens ihre Pracht,20Jessmin will nicht umsonst uns in die Augen lachen,Sie wollen unser Lust sich dienst- und zinsbar machen,Der ist sein eigen Feind, der sich zu Plagen tracht;Wer vor die Schwanenbrust ihm Dornen will erwehlen,Dem muss es an Verstand und reinen Sinnen fehlen.25Was nutzet endlich uns doch Jugend, Krafft und Muth,Wenn man den Kern der Welt nicht reichlich will genüssen,Und dessen Zucker-Strom lässt unbeschifft verschüssen?1Die Wollust bleibet doch der Menschen höchstes Gut,Wer hier zu Seegel geht, dem wehet das Gelücke30Und ist verschwenderisch mit seinem Liebesblicke.Wer Epicuren nicht für seinen Lehrer hält,Der hat den Welt-Geschmack und allen Witz verloren,Es hat ihr die Natur als Stiefsohn ihn erkoren,Er mus ein Unmensch seyn und Scheusal dieser Welt;35Der meisten Lehrer Wahn erregte Zwang und Schmertzen,Was Epicur gelehrt, das kitzelt noch die Hertzen.3Die Tugend.Die Tugend pflastert uns die rechte Freudenbahn,Sie kan den Nesselstrauch zu Lilgenblättern machen,Sie lehrt uns auf dem Eiss und in dem Feuer lachen,Sie zeiget, wie man auch in Banden herrschen kan;5Sie heisset unsern Geist im Sturme ruhig stehen,Und wenn die Erde weicht, uns im Gewichte gehen.Es giebt uns die Natur Gesundheit, Krafft und Mut,Doch wo die Tugend nicht wil unser Ruder führen,Da wird man Klippen, Sand und endlich Schiffbruch spüren.10Die Tugend bleibet doch der Menschen höchstes Gutt;Wer ohne Tugend sich zu leben hat vermessen,Ist einem Schiffer gleich, so den Compass vergessen.Gesetze müssen ja der Menschen Richtschnur seyn.Wer diesen Pharus ihm nicht zeitlich will erwehlen,15Der wird, wie klug er ist, des Hafens leicht verfehlen,Und läuffet in den Schlund von vielen Jammer ein;Wem Lust und Üppigkeit ist Führerin gewesen,Der hat für Leitstern ihm ein Irrlicht auserlesen.Diss, was man Wollust heisst, verführt und liebt uns nicht,20Die Küsse, so sie giebt, die triffen von Verderben,Sie läst uns durch den Strang der zärtsten Seide sterben,Man fühlet, wie Zibeth das matte Herze bricht,Vergifter Hypocras2will uns die Lippen rühren,Und ein ambrirte3Lust zu Schimpf und Grabe führen.25Die Tugend drückt uns doch, als Mutter, an die Brust,Ihr Gold und edler Schmuck hält Farb und auch Gewichte,Es leitet ihre Hand uns zu dem grossen Lichte,Wo sich die Ewigkeit vermählet mit der Lust;Sie reicht uns eine Kost, so nach dem Himmel schmecket,30Und giebt uns einen Rock, den nicht die Welt beflecket.Die Wollust aber ist, als wie ein Unschlichtlicht,So helle Flammen giebt, doch mit Gestanck vergehet.Wer bey dem Epicur und seinem Häuften stehet,Der lernt, wie diese Waar als dünnes Glas zerbricht;35Es kan die Drachen-Milch uns nicht Artzney gewehren,Noch gelbes Schlangengift in Labsal sich verkehren.1.Verschüssen=verfliessen.2.Hypocras, a sweet spiced wine.3.Ambrirte, ‘resinated’ (perfumed withambra).LVIII. DANIEL CASPER VON LOHENSTEINThe other leading light of the second Silesian school (1635-1683). Like his friend Hofmannswaldau, he was an exemplary Breslau official. He wrote half a dozen impossible tragedies in alexandrine verse and a huge erudite romanceArminius. The selection fromArminiusfollows an edition of 1731, which contains 2868 pages in four quarto volumes.From ‘Arminius,’ Book I: The temple of the Ancient Germans and its wonderful inscription.Es war ein Thal, welches ungefähr eine Meilweges im Umkreise hatte, rings herum mit steilen Felsen umbgeben, welche allein von einem abschüssenden Wasser zertheilet waren. An dieser Gegend hatte die andächtige Vorwelt dem Anfange aller Dinge, nehmlich dem Schöpfer der Welt, zu Ehren auf ieder Seiten eine dreyfache Reihe überaus hoch und gerade empor wachsender Eich-Bäume gepflantzet, und wie dieses gantze Thal, also auch insonderheit den in der Mitte gelegenen Hügel, und die in selbtem von der Natur gemachte Höle, als auch den daraus entspringenden Brunnen für eines der grössesten Heiligthümer Deutschlands verehret, auch den Glauben, dass in selbtem die Andacht der Opfernden durch einen göttlichen Trieb geflügelt, und das Gebet von den Göttern ehe als anderwerts erhöret würde, von mehr als tausend Jahren her auf ihre Nachkommen fortgepflantzet. Denn die alten andächtigen Deutschen waren bekümmerter Gott recht zu verehren, als durch Erbauungköstlicher Tempel die Gebürge ihres Marmels zu berauben und ihre Ertzt-Adern arm zu machen. Diesemnach sie für eine der grösten Thorheiten hielten, Affen, Katzen und Crocodilen, ja Knobloch und Zwibeln mit Weyrauch zu räuchern; welche bey den Egyptiern mehr die aus Iaspis und Porphyr erbaueten, oder aus einem gantzen Felsen gehauene Wundertempel verstellten, als durch derselben Pracht einiges Ansehen ihrer schnöden Hesslichkeit erlangeten.Nichts minder verlachten sie die zu Rom angebetete Furcht und das Fieber, als welche Kranckheiten wohl unvergöttert, ja abscheulich bleiben, wenn gleich zu Überfirnsung ihrer Bilder und Heiligthümer alle Meere ihr Schnecken-Blut, und gantz Morgenland seine Perlen und Edelgesteine dahin zinset. Da hingegen eine wahre Gottheit1eben so ein aus schlechtem Rasen erhöhetes Altar, und ein mehr einem finstern Grabe als einem Tempel ähnliches, aber von dem Feuer andächtiger Seelen erleuchtetes Heiligthum; wie die Sonne alle düstere Wohnungen mit ihrem eigenen Glantze erleuchtet und herrlich macht, also dass ohne die Gegenwart des grossen Auges der Welt alle gestirnte Himmels-Kreise düstern, in Abwesenheit einer wesentlichen Gottheit all von Rubin und loderndem Weyrauch schimmernde Tempel irrdisch sind. Denn ob wohl Gott in und ausser aller Dinge ist, seine Macht und Herrschafft sonder einige Beunruhigung sich über all Geschöpfe erstrecket, seine Liebe ohne Ermüdung allen durch ihre Erhaltung die Hände unterlegt; ob er gleich ohne Ausdehnung alles auswendig umbschleust, alles inwendig ohne seine Verkleinerung durchdringet; und er also in, über, unter und neben allen Sachen, iedoch an keinen Ort angebunden, noch nach einigem Maasse der Höhe, Tieffe und Breite zu messen, seine Grösse nirgends ein-, sein Wesen nirgends auszuschlüssen ist: So ist doch unwidersprechlich, dass Gott seiner Offenbarung nach, und wegen der von denen Sterblichen erfoderten Andacht, einen Ort für dem andern, nicht etwan wegen seiner absonderlichen Herrligkeit, sondern aus einer unerforschlicher Zuneigung, ihm belieben lasse, ja mehrmahls selbst erkieset habe. Über dem Eingange nun dieser ebenfals für andern erwehlten Höle waren nachfolgende Reimen in einen lebendigen Steinfels gegraben, iedoch gar schwer zu lesen; weil sie nicht allein mit denen vom Tuisco erfundenen Buchstaben geschrieben,sondern auch vom Regen abgewaschen und vom Mooss verstellet waren:Ihr Eiteln, weicht von hier! der Anfang aller Dinge,Der eh als dieser Fels und dieser Brunnquell war,Hat hier sein Heiligthum, sein Wohnhaus, sein Altar;Der will, dass man ihm nur zum Opfer Andacht bringe.5Die ist das Eigenthum der Menschen. Weyrauch, Blut,Gold, Weitzen, Oel, und Vieh ist sein selbsteigen Gut.Die Opfer, die ihr ihm auf tausend Tischen schlachtet,Die machen ihn nicht feist, und keine Gabe reich.Ihr selbst genüsset es, wenn ihr den Schöpfer gleich10Durch eure Erstlingen hier zu beschencken trachtet.Euch scheint der Fackeln Licht, ihr rücht des Zimmets Brand;Ja, was ihr gebt, bleibt euch mit Wucher in der Hand.Gott heischt diss zwar, doch nicht aus lüsterner Begierde.Denn was ergeitzt das Meer ihm an der armen Flut15Des Thaues? welcher Stern wünscht ihm der Würmer Glut,Die bey den Nachten scheint, und der Rubinen Zierde?Ihr weiht Gott nur das Hertz zum Zeichen euer Pflicht;Euch selbst zu eurem Nutz, ihm zur Vergnügung nicht.Ja auch die Andacht Selbst weiss Gott nichts zuzufrömen;20Denn eignet sie uns zu gleich seine Gnad und Heil,So hat sein Wohlstand doch nicht an dem unsern Theil,Wie unsre Freude rinnt aus seinen Wohlthats-Strömen.Hingegen wie kein Dunst versehrt der Sonnen Licht,So verunehrt auch ihn kein Aberglaube nicht.25Der Lästerer ihr Fluch thut ihm geringern Schaden,Als wenn ein toller Hund den vollen Mond anbillt.Es rühmt als Richter ihn, was in der Hölle brüllt;Wie’s Lob der Seligen preist seine Vater-Gnaden.Den grossen Gott bewehrt die Kohle, die dort glüht,30So wohl als die, die man wie Sterne gläntzen sieht.So ist’s nun Übermaass, unsäglich grosse Gütte,Dass Gott die Betenden hier würdigt zu erhörn.Weicht, Eitele! um nicht diss Heil’ ge zu versehrn!Denn dass Gott in diss Thal nur einen Blick ausschütte,35Ist gröss’re Gnad, als wenn das Auge dieser WeltDen schlechtsten Sonnen-Staub mit seinem Glantz erhält.1.Gottheit, subject oferleuchtet und herrlich machtunderstood.LIX. HANS JAKOB CHRISTOFFEL VON GRIMMELSHAUSENThe most important writer of prose fiction in the 17th century (ca.1625-1676). He spent his early years as a roving soldier. After the war he published anonymously a number of tales, which are known collectively asSimplicianische Schriften. The best of them isDer abentheuerliche Simplicissimus, which is largely autobiographic. The book parodies the fashionable romances of adventure and takes hints from the picaresque tales which had begun to come in from Spain. It is particularly interesting for its truthful pictures of German life in the time of the great war. The selection follows Braune’sNeudrucke, Nos. 19-25.From ‘Simplicissimus,’ Book I, Chapter 4: The hero’s childhood; brutal soldiers plunder his foster-father’s house and outrage the inmates.Wiewol ich nicht bin gesinnet gewesen, den friedliebenden Leser, mit diesen Reutern, in meines Knäns1Hauss und Hof zuführen, weil es schlim genug darin hergehen wird: So erfodert jedoch die Folge meiner Histori, dass ich der lieben posterität hinterlasse, was vor Grausamkeiten in diesem unserm Teutschen Krieg hin und wieder verübet worden, zumalen mit meinem eigenen Exempel zubezeugen, dass alle solche Übel von der Güte dess Allerhöchsten, zu unserm Nutz, offt notwendig haben verhängt werden müssen: Dan lieber Leser, wer hätte mir gesagt, dass ein Gott im Himmel wäre, wan keine Krieger meines Knäns Hauss zernichtet, und mich durch solche Fahung unter die Leute gezwungen hätten, von denen ich gnugsamen Bericht empfangen? Kurtz zuvor konte ich nichts anders wissen noch mir einbilden, als dass mein Knän, Meuder, ich und das übrige Haussgesind, allein auff Erden sey, weil mir sonst kein Mensch, noch einzige andre menschliche Wohnung bekant war, als diejenige, darin ich täglich auss und einging: Aber bald hernach erfuhr ich dieHerkunfft der Menschen in diese Welt, und dass sie wieder darauss müsten; ich war nur mit der Gestalt ein Mensch, und mit dem Namen ein Christen-Kind, im übrigen aber nur eine Bestia! Aber der Allerhöchste sahe meine Unschuld mit barmhertzigen Augen an, und wolte mich beydes zu seiner und meiner Erkantnus bringen: Und wiewol er tausenderley Wege hierzu hatte, wolte er sich doch ohn zweiffel nur dessjenigen bedienen, in welchem mein Knän und Meuder, andern zum Exempel, wegen ihrer liederlichen Aufferziehung gestrafft würden.Das Erste, das diese Reuter thäten, war, dass sie ihre Pferde einställeten, hernach hatte jeglicher seine sonderbare Arbeit zuverrichten, deren jede lauter Untergang und Verderben anzeigte, dan obzwar etliche anfingen zumetzgen, zusieden und zubraten, dass es sahe, als solte ein lustig Panquet gehalten werden, so waren hingegen andere, die durchstürmten das Hauss unten und oben, ja das heimliche Gemach war nicht sicher, gleichsam ob wäre das golden Fell von Colchis darin verborgen; Andere machten von Tuch, Kleidungen und allerley Haussrath, grosse Päck zusammen, als ob sie irgends einen Krempelmarkt2anrichten wolten, was sie aber nicht mitzunehmen gedachten, ward zerschlagen, etliche durchstachen Heu und Stroh mit ihren Degen, als ob sie nicht Schafe und Schweine genug zustechen gehabt hätten, etliche schütteten die Federn auss den Betten, und fülleten hingegen Speck, andere dürr Fleisch und sonst Geräth hinein, als ob alsdan besser darauff zuschlaffen wäre; Andere schlugen Ofen und Fenster ein, gleichsam als hätten sie einen ewigen Sommer zuverkündigen, Kupffer und Zingeschirr schlugen sie zusammen, und packten die gebogene und verderbte Stücken ein, Bettladen, Tische, Stüle und Bäncke verbranten sie, da doch viel Claffter dürr Holtz im Hof lag, Häfen und Schüsseln muste endlich alles entzwey, entweder weil sie lieber Gebraten assen, oder weil sie bedacht waren, nur eine einzige Mahlzeit allda zuhalten, unsre Magd ward im Stall dermassen tractirt, dass sie nicht mehr darauss gehen konte, welches zwar eine Schande ist zumelden! den Knecht legten sie gebunden auff die Erde, steckten ihm ein Sperrholtz ins Maul, und schütteten ihm einen Melckkübel voll garstig Mistlachen-wasser in Leib, das nanten sie einen Schwedischen Trunck, wodurch sie ihn zwungen,eine Parthey anderwerts zuführen, allda sie Menschen und Viehe hinweg namen, und in unsern Hof brachten, unter welchen mein Knän, meine Meuder, und unsre Ursele auch waren.Da fing man erst an, die Steine3von den Pistolen, und hingegen anstat deren der Bauren Daumen auffzuschrauben, und die armen Schelmen so zufoltern, als wan man hätte Hexen brennen wollen, massen4sie auch einen von den gefangenen Bauren bereits in Backofen steckten, und mit Feuer hinter ihm her waren, unangesehen er noch nichts bekant hatte, einem andern machten sie ein Sail um den Kopff, und raitelten5es mit einem Bengel zusammen, dass ihm das Blut zu Mund, Nas und Ohren herauss sprang. In Summa, es hatte jeder sein eigne invention, die Bauren zupeinigen, und also auch jeder Bauer seine sonderbare Marter: Allein mein Knän war meinem damaligen Bedüncken nach der glückligste, weil er mit lachendem Munde bekante, was andere mit Schmertzen und jämmerlicher Weheklage sagen musten, und solche Ehre wiederfuhr ihm ohn Zweiffel darum, weil er der Haussvater war, dan sie satzten ihn zu einem Feur, banden ihn, dass er weder Hände noch Füsse regen konte, und rieben seine Fusssolen mit angefeuchtem Saltz, welches ihm unsre alte Geiss wieder ablecken, und dadurch also kützeln muste, dass er vor Lachen hätte zerbersten mögen; das kam so artlich, dass ich Gesellschafft halber, oder weil ichs nicht besser verstund, von Hertzen mit lachen muste: In solchem Gelächter bekante er seine Schuldigkeit, und öffnete den verborgenen Schatz, welcher von Gold, Perlen und Cleinodien viel reicher war, als man hinter den Bauren hätte suchen mögen. Von den gefangenen Weibern, Mägden und Töchtern weiss ich sonderlich nichts zusagen, weil mich die Krieger nicht zusehen liessen, wie sie mit ihnen umgingen: Das weiss ich noch wol, dass man theils hin und wieder in den Winckeln erbärmlich schreyen hörte, schätze wol, es sey meiner Meuder und unserm Ursele nit besser gangen, als den andern. Mitten in diesem Elend wante ich Braten, und halff Nachmittag die Pferde träncken, durch welches Mittel ich zu unsrer Magd in Stall kam, welche wunderwercklich zerstrobelt6ausssahe, ich kante sie nicht, sie aber sprach zu mir mit kräncklicher Stimme: O Bub lauff weg, sonst werden dich dieReuter mit nemen, guck dass du davon kommst, du siehst wol, wie es so ubel: mehrers konte sie nicht sagen.1.Knäns=Vaters; Spessart dialect, likeMeuder = Mutterbelow.2.Krempelmarkt=Trödelmarkt.3.Steine, i.e.Feuersteine, ‘gun-flints.’ They were held in by a screw.4.Massen=wie denn.5.Raitelten, ‘twisted.’6.Zerstrobelt=zerschlagen.LX. BENJAMIN NEUKIRCHA trenchant satirist and the father of German literary criticism (1665-1729). He was by birth a Silesian and in his early years an admirer of Hofmannswaldau and Lohenstein. Later he turned against them and against the whole tribe of insincere occasional rimesters, who were bringing the poetic art into contempt. His lyric poems are of small account, but his satires are vigorous and illuminative. The text follows Fulda’s edition in Kürschner’sNationalliteratur, Vol. 39.Auf unverständige Poeten.Lass doch, Lysander, ab, mit Reimen dich zu plagenUnd einer Bettelkunst halb rasend nachzujagen,Die zwar die Phantasei durch süsse Träume rührt,Dich aber auf den Weg der Hungerwiesen führt5Und endlich, wo du dich lässt ihre Grillen treiben,Mit Meistersängern wird in eine Rolle schreiben.Die eben ist das Gift, das wie die MissethatGleich mit der Muttermilch mir ins Geblüte trat.Wie glücklich wär’ ich doch, wenn mich zu rechter Stunden10Ein kluger Arzt davon durch Kräutersaft entbundenUnd alles, was ich nur von Versen angeblickt,Durch hebend Antimon hätt’ in die Luft geschickt;So dürft’ ich nicht wie jetzt in Kummerwinckeln sitzen,Und bei geborgter Lust von langen Sorgen schwitzen,15So hätt’ ich auch vielleicht den Wuchergriff erlernt,Wie man durch Ränke sich von der Vernunft entfernt,Den Trieb der Redlichkeit mit Silberzäumen lenket,Den Geist der Gottesfurcht in klugen Schlaf versenket,Ein reiches Lasterweib zu seinem Willen beugt,20Durch höflichen Betrug auf Ehrenbänke steigtUnd endlich, wenn die Kraft der Jugend uns verlassen,Bei voller Tafel kann von fremdem Gute prassen.So hab’ ich manchen Tag und manche Nacht verreimtUnd oft ein grosses Lied von Zwergen hergeträumt,25Verliebten ihre Lust in Zucker zugemessen,Betrüger reich gemacht, mich aber gar vergessen;Und ob mich endlich gleich mit der verjährten ZeitEin kurzer Sonnenblick bei Hofe noch erfreutUnd Preussens Salomo,1den ich mit Recht gepriesen,30Mir zu der Ehrenburg den Vorhof angewiesen,Ward doch durch seinen Tod, der alles umgekehrt,Mein Glück und auch zugleich mein ganzer Ruhm verzehrtNun lacht die Wucherschar bei ihren Judengriffen,Dass ich der Tugend Lob auf Hoffnung hergepfiffen,35Die Zungendrescherei den Musen nachgesetzt,Und wahre Weisheit mehr als Geld und Gut geschätzt,Und dass ich, da der Hof zum Laufen mich gezwungen,Nicht noch zu rechter Zeit in Schulenstaub gesprungen,Die matte Dürftigkeit in Mäntel eingehüllt,40Mit leerer Wissenschaft die Jugend angefüllt,Die Kinder gegen Lohn den Toten2vorgetriebenUnd wöchentlich ein Lied für Thaler hingeschrieben.Hiebei verbleibt es nicht. Die schwärmende VernunftDer von der Hungersucht bethörten Dichterzunft,45Die sich durch falsche Kunst auf den Parnass geschlichen,Von der gesetzten Bahn der Alten abgewichen,Mit frecher Hurtigkeit gefüllte Bogen schmiertUnd alle Messen fast ein totes Werk gebiert,Wird so verwegen schon, dass sie Gesetze stellet,50Der Griechen Zärtlichkeit das Todesurteil fället,Des Maro klugen Witz in Kinderklassen weist,Horazens Dichterbuch verrauchte Grillen heisst,Und alles, was sich nur nach alter Kraft beweget,Auf lüsterndem3Papier mit Tinte niederschläget.55Da nun das Wespenheer von Tag zu Tage wächst,Und jeder Knabe schon nach Narrenwasser lechzt,Was Wunder ist es denn, wenn Ruhm und Ehre stirbet,Die Kunst zu Grabe geht, die Tugend gar verdirbet? . . .So viel als Reimer sind, so viel und mancherlei60Wirkt in der Poesie nun auch die Phantasei.Ein halb mit Pickelscherz4vermengtes Operettchen,Ein stinkender Roman vom rasenden Chrysettchen,Ein geiles Myrtenlied und ein nach dem AdonDes üppigen Marin5erbauter Venusthron,65Der der Geliebten Schoss bis auf den Grund entdecketUnd Büsch’ und Brunnen draus und Vogelnester hecket,Ein lügenvolles Lob, das uns ins AngesichtDen lastervollen Ruf der Toten widerspricht,Ein rohes Trauerspiel, in dem die Regeln fehlen,70Und so viel Schnitzer fast als Silben sind zu zählen,Ein Brief,6den Adam schon der Eva zugesandt,Da beide dazumal doch keine Schrift gekannt,Ein kreissendes Sonett, das mit dem Tode ringetUnd der Gedanken Rad so wie die Reime zwinget,75Und ein nach Pöbelart gepriesner BuhlerblickIst oft bei dieser Zeit das grösste Meisterstück.So lang ich meinen Vers nach gleicher Art gewogen,Dem Bilde der Natur die Schminke vorgezogen,Der Reime dürren Leib mit Purpur ausgeschmückt80Und abgeborgte Kraft den Wörtern angeflickt,So war ich auch ein Mann von hohen Dichtergaben;Allein sobald ich nur der Spure nachgegraben,Auf der man zur Vernunft beschämt zurücke kreuchtUnd endlich nach und nach nur den Parnass erreicht,85So ist es aus mit mir, so kommt von seinem SuschenEin mit Ebräerwitz gespicktes Philomuschen,7Klaubt ihm ein Jugendwort in meinen Schriften ausUnd untergräbt damit mein ganzes Ehrenhaus.Was soll ich Ärmster thun? Soll ich noch einmal rasen90Und durch mein Haberrohr zum Federsturme blasen?Nein, nein, Lysander, nein! Ich will zurücke stehnUnd der erlauchten Schar nur aus den Augen gehn,Sonst wirft der Schwindelgeist der klugen Weisianer8Mich endlich auf die Bank der reimenden Quintaner95Und jagt mich, ob ich gleich halb notenmässig bin,Ins re, mi, fa, sol, la der Hübneristen9hin,Die sich doch ohnedem an Odermusen10reiben,Sudetenzungen10nur zu Mamelucken schreibenUnd alles, was durch Kunst der Pleisse11nicht geschehn,100Für Eigenliebe kaum mit halben Augen sehn.Zwar weich’ ich darum nicht, als ob ich, wenn es brennte,12Nicht auch ein Jammerlied im Tanze drechseln könnte,Und ob der Trippeltakt der leichten ReimereiIn Dedekindens13Schoss allein zu Hause sei.105Mir ist ja wohl bekannt, wie man den Schädel seifenUnd solche Spötter kann mit Lauge wiedertäufen,Wie mancher ohne Bart in Phöbus’ Auen springt,Und wie ein kollernd Pferd sich auf den Pindus schwingt;Allein ich hab’ einmal die Thorheit aufgegeben.110Es reime, wer da will; ich will in Friede leben.
1.The full title runs: Gesang bey des edlen und hochberühmten Herren Martin Opitzen u.s.w. hocherfreulichen Gegenwart zu Königsberg in Preussen 1638. 29 Heumonat gesungen.2.Vorfahrt=Vorfahren.3.Giebt .. . . Kauff=wird billiger.
1.The full title runs: Gesang bey des edlen und hochberühmten Herren Martin Opitzen u.s.w. hocherfreulichen Gegenwart zu Königsberg in Preussen 1638. 29 Heumonat gesungen.
2.Vorfahrt=Vorfahren.
3.Giebt .. . . Kauff=wird billiger.
Anke van Tharau öss, de my geföllt,
Se öss mihn Lewen, mihn Goet on mihn Gölt.
Anke van Tharau heft wedder eer Hart
Op my geröchtet ön Löw’ on ön Schmart.
Anke van Tharau, mihn Rihkdom, mihn Goet,
Du mihne Seele, mihn Fleesch on mihn Bloet.
Quöm’ allet Wedder glihk ön ons tho schlahn,
Wy syn gesönnt by een anger tho stahn.
Kranckheit, Verfälgung, Bedröfnös on Pihn
Sal unsrer Löwe Vernöttinge syn.
Recht as een Palmen-Bohm äver söck stöcht,
Je mehr en Hagel on Regen anföcht,
So wardt de Löw’ ön ons mächtig on groht,
Dörch Kryhtz, dörch Lyden, dörch allerley Noht.
Wördest du glihk een mahl van my getrennt,
Leewdest dar, wor ön dee Sönne kuhm kennt,
Eck wöll dy fälgen dörch Wöler, durch Mär,
Dörch Yhss, dörch Ihsen, dörch fihndlöcket Hähr.
Anke van Tharau, mihn Licht, mihne Sönn,
Mihn Lewen schluht öck ön dihnet henönn.
Wat öck geböde, wart van dy gedahn,
Wat öck verböde, dat lätstu my stahn.
Wat heft de Löwe däch ver een Bestand,
Wor nicht een Hart öss, een Mund, eene Hand,
Wor öm söck hartaget, kabbelt on schleyht
On glihk den Hungen on Katten begeyht?
Anke van Tharau, dat war wy nich dohn,
Du böst mihn Dyhfken, mihn Schahpken, mihn Hohn.
Wat öck begehre, begehrest du ohck,
Eck laht den Rock dy, du lätst my de Brohk.
Dit öss dat, Anke, du söteste Ruh,
Een Lihf on Seele wart uht öck on du.
Dit mahckt dat Lewen tom hämmlischen Rihk,
Dörch Zancken wart et der Hellen gelihk.
Annchen von Tharau ist, die mir gefällt;
Sie ist mein Leben, mein Gut und mein Geld.
Annchen von Tharau hat wieder ihr Herz
Auf mich gerichtet in Lieb’ und in Schmerz.
Annchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut,
Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut!
Käm’ alles Wetter gleich auf uns zu schlahn,
Wir sind gesinnt bei einander zu stahn.
Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein,
Soll unsrer Liebe Verknotigung sein.
Recht als ein Palmenbaum über sich steigt,
Je mehr ihn Hagel und Regen anficht;
So wird die Lieb’ in uns mächtig und gross
Durch Kreuz, durch Leiden, durch allerlei Noth.
Würdest du gleich einmal von mir getrennt,
Lebtest, da wo man die Sonne kaum kennt;
Ich will dir folgen durch Wälder, durch Meer,
Durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer.
Annchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn’,
Mein Leben schliess’ ich um deines herum.
Was ich gebiete, wird von dir gethan,
Was ich verbiete, das lässt du mir stahn.
Was hat die Liebe doch für ein Bestand,
Wo nicht ein Herz ist, ein Mund, eine Hand?
Wo man sich peiniget, zanket und schlägt,
Und gleich den Hunden und Katzen beträgt?
Annchen von Tharau, das woll’n wir nicht thun;
Du bist mein Täubchen, mein Schäfchen, mein Huhn.
Was ich begehre, ist lieb dir und gut;
Ich lasse den Rock dir, du lässt mir den Hut.
Dies ist uns, Annchen, die süsseste Ruh’,
Ein Leib und Seele wird aus Ich und Du.
Dies macht das Leben zum himmlischen Reich,
Durch Zanken wird es der Hölle gleich.
1607-1676. Gerhardt was a Lutheran pastor who is preëminent as a writer of hymns for worship. His psalmody has less of the militant spirit than Luther’s, his voice being the voice of German Protestantism as chastened by the terrible sufferings of the great war. The selections follow Wolff’s edition in Kürschner’sNationalliteratur, Vol. 31.
Befiehl du deine Wege,
Und was dein Herze kränkt,
Der allertreusten Pflege
Des, der den Himmel lenkt:
Der Wolken, Luft und Winden
Giebt Wege, Lauf und Bahn,
Der wird auch Wege finden,
Da dein Fuss gehen kann.
Dem Herren musst du trauen,
Wann dirs soll wohlergehn;
Auf sein Werk musst du schauen,
Wann dein Werk soll bestehn.
Mit Sorgen und mit Grämen
Und mit selbsteigner Pein
Lässt Gott ihm gar nichts nehmen,
Es muss erbeten sein.
Dein ewge Treu und Gnade,
O Vater, weiss und sieht,
Was gut sei oder schade
Dem sterblichen Geblüt:
Und was du denn erlesen,
Das treibst du, starker Held,
Und bringst zum Stand und Wesen,
Was deinem Rat gefällt.
Weg hast du allerwegen,
An Mitteln fehlt dirs nicht;
Dein Thun ist lauter Segen,
Dein Gang ist lauter Licht,
Dein Werk kann niemand hindern,
Dein Arbeit darf nicht ruhn,
Wann du, was deinen Kindern
Erspriesslich ist, willst thun.
Und ob gleich alle Teufel
Hie wollten widerstehn,
So wird doch ohne Zweifel
Gott nicht zurücke gehn:
Was er ihm fürgenommen
Und was er haben will,
Das muss doch endlich kommen
Zu seinem Zweck und Ziel.
Hoff, o du arme Seele,
Hoff und sei unverzagt!
Gott wird dich aus der Höhle,
Da dich der Kummer plagt,
Mit grossen Gnaden rücken:
Erwarte nur der Zeit,
So wirst du schon erblicken
Die Sonn der schönsten Freud.
Auf, auf, gieb deinem Schmerze
Und Sorgen gute Nacht!
Lass fahren, was das Herze
Betrübt und traurig macht!
Bist du doch nicht Regente,
Der alles führen soll;
Gott sitzt im Regimente
Und führet alles wohl.
Ihn, ihn lass thun und walten,
Er ist ein weiser Fürst
Und wird sich so verhalten,
Dass du dich wundern wirst,
Wann er, wie ihm gebühret,
Mit wunderbarem Rat
Das Werk hinausgeführet,
Das dich bekümmert hat.
Er wird zwar eine Weile
Mit seinem Trost verziehn
Und thun an seinem Teile,
Als hätt in seinem Sinn
Er deiner sich begeben;
Und solltst du für und für
In Angst und Nöten schweben,
So frag er nichts nach dir.
Wirds aber sich befinden,
Dass du ihm treu verbleibst,
So wird er dich entbinden,
Da dus am wengsten gläubst:
Er wird dein Herze lösen
Von der so schweren Last,
Die du zu keinem Bösen
Bisher getragen hast.
Wohl dir, du Kind der Treue,
Du hast und trägst davon
Mit Ruhm und Dankgeschreie
Den Sieg und Ehrenkron.
Gott giebt dir selbst die Palmen
In deine rechte Hand,
Und du singst Freudenpsalmen
Dem, der dein Leid gewandt.
Mach End, o Herr, mach Ende
An aller unser Not!
Stärk unser Füss und Hände
Und lass bis in den Tod
Uns allzeit deiner Pflege
Und Treu empfohlen sein,
So gehen unsre Wege
Gewiss zum Himmel ein.
Nun ruhen alle Wälder,
Vieh, Menschen, Stadt und Felder,
Es schläft die ganze Welt:
Ihr aber, meine Sinnen,
Auf, auf, ihr sollt beginnen,
Was eurem Schöpfer wohlgefällt.
Wo bist du, Sonne, blieben?
Die Nacht hat dich vertrieben,
Die Nacht, des Tages Feind;
Fahr hin, ein ander Sonne,
Mein Jesus, meine Wonne,
Gar hell in meinem Herzen scheint.
Der Tag ist nun vergangen,
Die güldnen Sternen prangen
Am blauen Himmels Saal:
Also werd ich auch stehen,
Wenn mich wird heissen gehen
Mein Gott aus diesem Jammerthal.
Der Leib eilt nun zur Ruhe,
Legt ab das Kleid und Schuhe,
Das Bild der Sterblichkeit,
Die ich zieh aus: dagegen
Wird Christus mir anlegen
Den Rock der Ehr und Herrlichkeit.
Das Häupt, die Füss und Hände
Sind froh, dass nu zum Ende
Die Arbeit kommen sei:
Herz, freu dich, du sollt werden
Vom Elend dieser Erden
Und von der Sünden Arbeit frei.
Nun geht, ihr matten Glieder,
Geht hin und legt euch nieder,
Der Betten ihr begehrt:
Es kommen Stund und Zeiten,
Da man euch wird bereiten
Zur Ruh ein Bettlein in der Erd.
Mein Augen stehn verdrossen,
Im Hui sind sie geschlossen;
Wo bleibt denn Leib und Seel?
Nimm sie zu deinen Gnaden,
Sei gut für allem Schaden,
Du Aug und Wächter Israel.
Breit aus die Flügel beide,
O Jesu, meine Freude,
Und nimm dein Küchlein ein.
Will Satan mich verschlingen,
So lass die Englein singen:
Dies Kind soll unverletzet sein.
Auch euch, ihr meine Lieben,
Soll heinte nicht betrüben
Ein Unfall noch Gefahr.
Gott lass euch selig schlafen,
Stell euch die güldne Waffen
Ums Bett und seiner Engel Schar.
1591-1635. Spe was a Jesuit father who won distinction as a poet and also as an opponent of the witch-burning mania. His collection of lyric poems calledTrutz-Nachtigall, orMatch-Nightingale, is interesting for its singular blend oferotic imagery with sincere religious feeling. The poems indicate a genuine delight in certain aspects of nature. The selections follow Wolff’s edition, in Kürschner’sNationalliteratur, Vol. 31.
Die reine Stirn der Morgenröt
War nie so fast gezieret,
Der Frühling, nach dem Winter öd,
War nie so schön muntieret,
Die weiche Brust der Schwanen weiss
War nie so wohl gebleichet,
Die gülden Pfeil der Sonnen heiss
Nie so mit Glanz bereichet:
Als Jesu Wangen, Stirn und Mund
Mit Gnad seind übergossen.
Lieb hat aus seinen Äuglein rund
Fast tausend Pfeil verschossen:
Hat mir mein Herz verwundet sehr,
O weh der süssen Peine!
Für Lieb ich kaum kann rasten mehr,
Ohn Unterlass ich weine.
Wie Perlen klar aus Orient
Mir Zähr von Augen schiessen:
Wie Rosenwässer wohlgebrennt
Mir Thränen überfliessen.
O keusche Lieb, Cupido rein,
Allda dein Hitz erkühle,
Da dunk dein heisse Flüttig ein,
Dass dich so stark nit fühle.
Zu scharf ist mir dein heisser Brand,
Zu schnell seind deine Flügel;
Drumb nur aus Thränen mit Verstand
Dir flechte Zaum und Zügel.
Komm nit zu streng, mich nit verseng,
Nit brenn mich gar zu Kohlen,
Dich weisen lass, halt Ziel und Mass,
Dich brauch der linden Strohlen.
O Arm und Hände Jesu weiss,
Ihr Schwesterlein der Schwanen,
Umbfasset mich nit lind noch leis,
Darf euch der Griff ermahnen.
Stark heftet mich an seine Brust
Und satt mich lasset weinen:
Ich ihn erweich, ist mir bewusst,
Und wär das Herz von Steinen.
O Jesu mein, du schöner Held,
Lang warten macht verdriessen:
Gross Lieb mir nach dem Leben stellt,
Wann soll ich dein geniessen?
O süsse Brust! O Freud und Lust!
Hast endlich mich gezogen:
O miltes Herz! All Pein und Schmerz
Ist nun in Wind geflogen.
Allhie nun will ich rasten lind,
Auf Jesu Brust gebunden:
Allhie mich mag Cupido blind
Bis gar zu Tod verwunden.
Am Herzen Jesu sterben hin
Ist nur in Lusten leben,
Ist nur verlieren mit Gewinn,
Ist tot im Leben schweben.
Ach, wann doch Jesu, liebster mein,
Wann wirst dich mein erbarmen?
Wann wieder zu mir kehren ein,
Wann fassen mich in Armen?
Was birgest dich,
Was kränkest mich?
Wann werd ich dich umfangen?
Wann reissest ein
All meine Pein?
Wann schlichtest mein Verlangen?
O willkomm, süsse Nachtigall,
Kombst gleich zu rechter Stunde!
Erfrisch den Luft mit bestem Schall,
Erschöpf die Kunst von Grunde;
Ruf meinem Lieb,
Er nit verschieb,
“O Jesu!†ruf mit Kräften,
Ruf tausend mal,
Ruf ohne Zahl,
Wer weiss, es je möcht heften!1
Ach, ruf und ruf, o Schwester zart,
Mein Jesum zu mir lade,
Mir treulich hilf zu dieser Fahrt,
Dann ich in Zähren bade.
O Schwester mein,
Sing süss und rein,
Ruf meinem Schatz mit Namen;
Dann kurz, dann lang
Zieh deinen Klang,
All Noten greif zusammen!
Wohlan, scheint, mich verstanden hat
Die Meisterin in Wälden;
Ihrs allbereit geht wohl von Statt,
Die Färblein schon sich melden.
In starker Zahl,
Nun manches Mal
Den Ton sie schon erhebet,
Weil auch der Schall
Aus grünem Thal
Ihr deutlich widerstrebet.2
Da recht, du fromme Nachtigall,
Du jenem Schall nit weiche!
Da recht, du treuer Wiederschall,
Du stets dich ihr vergleiche!
Zur schönen Wett
Nun beide trett,
Mein Jesum lasst erklingen,
Obschon im Streit
Der schwächsten Seit
Am Leben sollt misslingen.
Die Nachtigall den Schall nit kennt
Und hälts für ihr Gespielin,
Verwundert sich, wies mög behend
So gleichen Ton erzielen;
Bleibt wenig stumm,
Schlägt wiederumb,
Denkt ihr bald obzusiegen;
Doch Widerpart
Machts gleicher Art,
Kein Pünktlein bleibt verschwiegen.
Bald steiget auf die Nachtigall
Je mehr und mehr und mehre;
Gleich folget auch der Wiederschall,
Wanns je noch höher wäre.
Drumb zierlich fecht
Und stärker schlegt
Das Fräulein reich von Stimmen,
Steigt auf und auf
Ganz ohn Verschnauf;
Doch thuts der Schall erklimmen.
Alsdann gehts über Ziel und Schnur,
Das Herz möcht sich zerspalten,
Sie sucht es in B Moll, BÂ Dur,
Auf allerhand Gestalten,
Thut hundertfalt
Den Bäss und Alt,
Tenor und Cant durchstreichen;
Doch Stimm doch Kunst
Ist gar umbsonst,
Der Schall thuts auch erreichen.
Da kitzlet sie dann Ehr und Preis
Mit gar zu scharfen Sporen,
Erdenkt noch schön und schöner Weis,
Meint, sei noch nicht verloren.
All Mut und Blut
Und Atem gut.
Versammelt sie mit Haufen,
Will noch zum Sieg
In schönem Krieg
Mit letzten Kräften laufen.
Ei, da kracht ihr so mütigs Herz,
Gleich Ton und Seel verschwinden,
Da leschet sich die gülden Kerz,
Entzuckt von starken Winden.
O mütigs Herz,
O schöne Kerz,
O wohl, bist wohl gestorben!
Die Lorbeerkron
Im letzten Ton
Du doch noch hast erworben.
Dann zwar ein Seufzerlein gar zart
Im Tod hast lan erklingen,
Das so subtil dein Widerpart
Mit nichten möcht erschwingen;
Drumb ja nit lieg,
Dein ist der Sieg,
Das Kränzlein dir gebühret,
Welchs dir allein
Von Blümlein fein
Ich schon hab eingeschnüret.
Ade dann, falbe Nachtigall,
Von falbem Tod entfärbet,
Weil du nun liegst in grünem Thal.
Sag, wer dein Stimmlein erbet;
Könnts je nit sein,
Es wurde mein?
O Gott, könnt ichs erwerben!
Wollts brauchen stät
So früh, so spät,
Bis auch im Sang thät sterben.
Nun doch will ich in diesem Wald
Bei deinem Grab verbleiben,
Hoff, mich mit ihren Pfeilen bald
Begierd und Lieb entleiben.
Will rufen stark
Zum Totensarg,
Bis mein Geliebter komme,
Will rufen laut
Meins Herzen Traut,
Bis letzt ich gar erstumme.
1.Heften=haften bleiben, ‘stick fast’ (in his ear), and so win him over.2.2.Widerstrebet=widerhallt.
1.Heften=haften bleiben, ‘stick fast’ (in his ear), and so win him over.
2.2.Widerstrebet=widerhallt.
A Silesian scholar (1617-1679) who, after extensive foreign travel, spent his life at Breslau as an exemplary and highly esteemed official of the town. Incidentally he poetized in the inflated and ornate style which has given the so-called second Silesian school its evil reputation. His work is decidedly vacuous as poetry, but has its interest as indicating the literary drift of the age of puffs, powder, and pedantry. The selections follow Bobertag’s edition in Kürschner’sNationalliteratur, Vol. 36.
Was ist die Welt, und ihr berühmtes Gläntzen?
Was ist die Welt und ihre gantze Pracht?
Ein schnöder Schein in kurtzgefasten Grentzen,
Ein schneller Blitz, bey schwarzgewölckter Nacht;
Ein bundtes Feld, da Kummerdisteln grünen;
Ein schön Spital, so voller Kranckheit steckt.
Ein Sclavenhauss, da alle Menschen dienen,
Ein faules Grab, so Alabaster deckt.
Das ist der Grund, darauff wir Menschen bauen,
Und was das Fleisch für einen Abgott hält.
Komm, Seele, komm, und lerne weiter schauen,
Als sich erstreckt der Zirckel dieser Welt.
Streich ab von dir derselben kurtzes Prangen,
Halt ihre Lust für eine schwere Last.
So wirst du leicht in diesen Port gelangen,
Da Ewigkeit und Schönheit sich umbfast.
Die Wollust bleibet doch der Zucker dieser Zeit,
Was kan uns mehr, denn sie, den Lebenslauf versüssen?
Sie lässet trinckbar Gold in unsre Kehle fliessen,
Und öffnet uns den Schatz beperlter Liebligkeit,
In Tuberosen kan sie Schnee und Eiss verkehren,
Und durch das gantze Jahr die Frühlings-Zeit gewehren.
Es schaut uns die Natur als rechte Kinder an,
Sie schenckt uns ungespart den Reichthum ihrer Brüste,
Sie öffnet einen Saal voll zimmetreicher Lüste,
Wo aus des Menschen Wunsch Erfüllung quellen kan.
Sie legt als Mutter uns die Wollust in die Armen,
Und lässt durch Lieb und Wein den kalten Geist erwarmen.
Nur das Gesetze wil allzu tyrannisch seyn,
Es zeiget iederzeit ein widriges Gesichte,
Es macht des Menschen Lust und Freyheit gantz zunichte,
Und flöst für süssen Most uns Wermuthtropffen ein;
Es untersteht sich uns die Augen zu verbinden,
Und alle Liebligkeit aus unser Hand zu winden.
Die Ros’ entblösset nicht vergebens ihre Pracht,
Jessmin will nicht umsonst uns in die Augen lachen,
Sie wollen unser Lust sich dienst- und zinsbar machen,
Der ist sein eigen Feind, der sich zu Plagen tracht;
Wer vor die Schwanenbrust ihm Dornen will erwehlen,
Dem muss es an Verstand und reinen Sinnen fehlen.
Was nutzet endlich uns doch Jugend, Krafft und Muth,
Wenn man den Kern der Welt nicht reichlich will genüssen,
Und dessen Zucker-Strom lässt unbeschifft verschüssen?1
Die Wollust bleibet doch der Menschen höchstes Gut,
Wer hier zu Seegel geht, dem wehet das Gelücke
Und ist verschwenderisch mit seinem Liebesblicke.
Wer Epicuren nicht für seinen Lehrer hält,
Der hat den Welt-Geschmack und allen Witz verloren,
Es hat ihr die Natur als Stiefsohn ihn erkoren,
Er mus ein Unmensch seyn und Scheusal dieser Welt;
Der meisten Lehrer Wahn erregte Zwang und Schmertzen,
Was Epicur gelehrt, das kitzelt noch die Hertzen.
Die Tugend pflastert uns die rechte Freudenbahn,
Sie kan den Nesselstrauch zu Lilgenblättern machen,
Sie lehrt uns auf dem Eiss und in dem Feuer lachen,
Sie zeiget, wie man auch in Banden herrschen kan;
Sie heisset unsern Geist im Sturme ruhig stehen,
Und wenn die Erde weicht, uns im Gewichte gehen.
Es giebt uns die Natur Gesundheit, Krafft und Mut,
Doch wo die Tugend nicht wil unser Ruder führen,
Da wird man Klippen, Sand und endlich Schiffbruch spüren.
Die Tugend bleibet doch der Menschen höchstes Gutt;
Wer ohne Tugend sich zu leben hat vermessen,
Ist einem Schiffer gleich, so den Compass vergessen.
Gesetze müssen ja der Menschen Richtschnur seyn.
Wer diesen Pharus ihm nicht zeitlich will erwehlen,
Der wird, wie klug er ist, des Hafens leicht verfehlen,
Und läuffet in den Schlund von vielen Jammer ein;
Wem Lust und Üppigkeit ist Führerin gewesen,
Der hat für Leitstern ihm ein Irrlicht auserlesen.
Diss, was man Wollust heisst, verführt und liebt uns nicht,
Die Küsse, so sie giebt, die triffen von Verderben,
Sie läst uns durch den Strang der zärtsten Seide sterben,
Man fühlet, wie Zibeth das matte Herze bricht,
Vergifter Hypocras2will uns die Lippen rühren,
Und ein ambrirte3Lust zu Schimpf und Grabe führen.
Die Tugend drückt uns doch, als Mutter, an die Brust,
Ihr Gold und edler Schmuck hält Farb und auch Gewichte,
Es leitet ihre Hand uns zu dem grossen Lichte,
Wo sich die Ewigkeit vermählet mit der Lust;
Sie reicht uns eine Kost, so nach dem Himmel schmecket,
Und giebt uns einen Rock, den nicht die Welt beflecket.
Die Wollust aber ist, als wie ein Unschlichtlicht,
So helle Flammen giebt, doch mit Gestanck vergehet.
Wer bey dem Epicur und seinem Häuften stehet,
Der lernt, wie diese Waar als dünnes Glas zerbricht;
Es kan die Drachen-Milch uns nicht Artzney gewehren,
Noch gelbes Schlangengift in Labsal sich verkehren.
1.Verschüssen=verfliessen.2.Hypocras, a sweet spiced wine.3.Ambrirte, ‘resinated’ (perfumed withambra).
1.Verschüssen=verfliessen.
2.Hypocras, a sweet spiced wine.
3.Ambrirte, ‘resinated’ (perfumed withambra).
The other leading light of the second Silesian school (1635-1683). Like his friend Hofmannswaldau, he was an exemplary Breslau official. He wrote half a dozen impossible tragedies in alexandrine verse and a huge erudite romanceArminius. The selection fromArminiusfollows an edition of 1731, which contains 2868 pages in four quarto volumes.
Es war ein Thal, welches ungefähr eine Meilweges im Umkreise hatte, rings herum mit steilen Felsen umbgeben, welche allein von einem abschüssenden Wasser zertheilet waren. An dieser Gegend hatte die andächtige Vorwelt dem Anfange aller Dinge, nehmlich dem Schöpfer der Welt, zu Ehren auf ieder Seiten eine dreyfache Reihe überaus hoch und gerade empor wachsender Eich-Bäume gepflantzet, und wie dieses gantze Thal, also auch insonderheit den in der Mitte gelegenen Hügel, und die in selbtem von der Natur gemachte Höle, als auch den daraus entspringenden Brunnen für eines der grössesten Heiligthümer Deutschlands verehret, auch den Glauben, dass in selbtem die Andacht der Opfernden durch einen göttlichen Trieb geflügelt, und das Gebet von den Göttern ehe als anderwerts erhöret würde, von mehr als tausend Jahren her auf ihre Nachkommen fortgepflantzet. Denn die alten andächtigen Deutschen waren bekümmerter Gott recht zu verehren, als durch Erbauungköstlicher Tempel die Gebürge ihres Marmels zu berauben und ihre Ertzt-Adern arm zu machen. Diesemnach sie für eine der grösten Thorheiten hielten, Affen, Katzen und Crocodilen, ja Knobloch und Zwibeln mit Weyrauch zu räuchern; welche bey den Egyptiern mehr die aus Iaspis und Porphyr erbaueten, oder aus einem gantzen Felsen gehauene Wundertempel verstellten, als durch derselben Pracht einiges Ansehen ihrer schnöden Hesslichkeit erlangeten.
Nichts minder verlachten sie die zu Rom angebetete Furcht und das Fieber, als welche Kranckheiten wohl unvergöttert, ja abscheulich bleiben, wenn gleich zu Überfirnsung ihrer Bilder und Heiligthümer alle Meere ihr Schnecken-Blut, und gantz Morgenland seine Perlen und Edelgesteine dahin zinset. Da hingegen eine wahre Gottheit1eben so ein aus schlechtem Rasen erhöhetes Altar, und ein mehr einem finstern Grabe als einem Tempel ähnliches, aber von dem Feuer andächtiger Seelen erleuchtetes Heiligthum; wie die Sonne alle düstere Wohnungen mit ihrem eigenen Glantze erleuchtet und herrlich macht, also dass ohne die Gegenwart des grossen Auges der Welt alle gestirnte Himmels-Kreise düstern, in Abwesenheit einer wesentlichen Gottheit all von Rubin und loderndem Weyrauch schimmernde Tempel irrdisch sind. Denn ob wohl Gott in und ausser aller Dinge ist, seine Macht und Herrschafft sonder einige Beunruhigung sich über all Geschöpfe erstrecket, seine Liebe ohne Ermüdung allen durch ihre Erhaltung die Hände unterlegt; ob er gleich ohne Ausdehnung alles auswendig umbschleust, alles inwendig ohne seine Verkleinerung durchdringet; und er also in, über, unter und neben allen Sachen, iedoch an keinen Ort angebunden, noch nach einigem Maasse der Höhe, Tieffe und Breite zu messen, seine Grösse nirgends ein-, sein Wesen nirgends auszuschlüssen ist: So ist doch unwidersprechlich, dass Gott seiner Offenbarung nach, und wegen der von denen Sterblichen erfoderten Andacht, einen Ort für dem andern, nicht etwan wegen seiner absonderlichen Herrligkeit, sondern aus einer unerforschlicher Zuneigung, ihm belieben lasse, ja mehrmahls selbst erkieset habe. Über dem Eingange nun dieser ebenfals für andern erwehlten Höle waren nachfolgende Reimen in einen lebendigen Steinfels gegraben, iedoch gar schwer zu lesen; weil sie nicht allein mit denen vom Tuisco erfundenen Buchstaben geschrieben,sondern auch vom Regen abgewaschen und vom Mooss verstellet waren:
Ihr Eiteln, weicht von hier! der Anfang aller Dinge,Der eh als dieser Fels und dieser Brunnquell war,Hat hier sein Heiligthum, sein Wohnhaus, sein Altar;Der will, dass man ihm nur zum Opfer Andacht bringe.5Die ist das Eigenthum der Menschen. Weyrauch, Blut,Gold, Weitzen, Oel, und Vieh ist sein selbsteigen Gut.Die Opfer, die ihr ihm auf tausend Tischen schlachtet,Die machen ihn nicht feist, und keine Gabe reich.Ihr selbst genüsset es, wenn ihr den Schöpfer gleich10Durch eure Erstlingen hier zu beschencken trachtet.Euch scheint der Fackeln Licht, ihr rücht des Zimmets Brand;Ja, was ihr gebt, bleibt euch mit Wucher in der Hand.Gott heischt diss zwar, doch nicht aus lüsterner Begierde.Denn was ergeitzt das Meer ihm an der armen Flut15Des Thaues? welcher Stern wünscht ihm der Würmer Glut,Die bey den Nachten scheint, und der Rubinen Zierde?Ihr weiht Gott nur das Hertz zum Zeichen euer Pflicht;Euch selbst zu eurem Nutz, ihm zur Vergnügung nicht.Ja auch die Andacht Selbst weiss Gott nichts zuzufrömen;20Denn eignet sie uns zu gleich seine Gnad und Heil,So hat sein Wohlstand doch nicht an dem unsern Theil,Wie unsre Freude rinnt aus seinen Wohlthats-Strömen.Hingegen wie kein Dunst versehrt der Sonnen Licht,So verunehrt auch ihn kein Aberglaube nicht.25Der Lästerer ihr Fluch thut ihm geringern Schaden,Als wenn ein toller Hund den vollen Mond anbillt.Es rühmt als Richter ihn, was in der Hölle brüllt;Wie’s Lob der Seligen preist seine Vater-Gnaden.Den grossen Gott bewehrt die Kohle, die dort glüht,30So wohl als die, die man wie Sterne gläntzen sieht.So ist’s nun Übermaass, unsäglich grosse Gütte,Dass Gott die Betenden hier würdigt zu erhörn.Weicht, Eitele! um nicht diss Heil’ ge zu versehrn!Denn dass Gott in diss Thal nur einen Blick ausschütte,35Ist gröss’re Gnad, als wenn das Auge dieser WeltDen schlechtsten Sonnen-Staub mit seinem Glantz erhält.
Ihr Eiteln, weicht von hier! der Anfang aller Dinge,
Der eh als dieser Fels und dieser Brunnquell war,
Hat hier sein Heiligthum, sein Wohnhaus, sein Altar;
Der will, dass man ihm nur zum Opfer Andacht bringe.
Die ist das Eigenthum der Menschen. Weyrauch, Blut,
Gold, Weitzen, Oel, und Vieh ist sein selbsteigen Gut.
Die Opfer, die ihr ihm auf tausend Tischen schlachtet,
Die machen ihn nicht feist, und keine Gabe reich.
Ihr selbst genüsset es, wenn ihr den Schöpfer gleich
Durch eure Erstlingen hier zu beschencken trachtet.
Euch scheint der Fackeln Licht, ihr rücht des Zimmets Brand;
Ja, was ihr gebt, bleibt euch mit Wucher in der Hand.
Gott heischt diss zwar, doch nicht aus lüsterner Begierde.
Denn was ergeitzt das Meer ihm an der armen Flut
Des Thaues? welcher Stern wünscht ihm der Würmer Glut,
Die bey den Nachten scheint, und der Rubinen Zierde?
Ihr weiht Gott nur das Hertz zum Zeichen euer Pflicht;
Euch selbst zu eurem Nutz, ihm zur Vergnügung nicht.
Ja auch die Andacht Selbst weiss Gott nichts zuzufrömen;
Denn eignet sie uns zu gleich seine Gnad und Heil,
So hat sein Wohlstand doch nicht an dem unsern Theil,
Wie unsre Freude rinnt aus seinen Wohlthats-Strömen.
Hingegen wie kein Dunst versehrt der Sonnen Licht,
So verunehrt auch ihn kein Aberglaube nicht.
Der Lästerer ihr Fluch thut ihm geringern Schaden,
Als wenn ein toller Hund den vollen Mond anbillt.
Es rühmt als Richter ihn, was in der Hölle brüllt;
Wie’s Lob der Seligen preist seine Vater-Gnaden.
Den grossen Gott bewehrt die Kohle, die dort glüht,
So wohl als die, die man wie Sterne gläntzen sieht.
So ist’s nun Übermaass, unsäglich grosse Gütte,
Dass Gott die Betenden hier würdigt zu erhörn.
Weicht, Eitele! um nicht diss Heil’ ge zu versehrn!
Denn dass Gott in diss Thal nur einen Blick ausschütte,
Ist gröss’re Gnad, als wenn das Auge dieser Welt
Den schlechtsten Sonnen-Staub mit seinem Glantz erhält.
1.Gottheit, subject oferleuchtet und herrlich machtunderstood.
1.Gottheit, subject oferleuchtet und herrlich machtunderstood.
The most important writer of prose fiction in the 17th century (ca.1625-1676). He spent his early years as a roving soldier. After the war he published anonymously a number of tales, which are known collectively asSimplicianische Schriften. The best of them isDer abentheuerliche Simplicissimus, which is largely autobiographic. The book parodies the fashionable romances of adventure and takes hints from the picaresque tales which had begun to come in from Spain. It is particularly interesting for its truthful pictures of German life in the time of the great war. The selection follows Braune’sNeudrucke, Nos. 19-25.
Wiewol ich nicht bin gesinnet gewesen, den friedliebenden Leser, mit diesen Reutern, in meines Knäns1Hauss und Hof zuführen, weil es schlim genug darin hergehen wird: So erfodert jedoch die Folge meiner Histori, dass ich der lieben posterität hinterlasse, was vor Grausamkeiten in diesem unserm Teutschen Krieg hin und wieder verübet worden, zumalen mit meinem eigenen Exempel zubezeugen, dass alle solche Übel von der Güte dess Allerhöchsten, zu unserm Nutz, offt notwendig haben verhängt werden müssen: Dan lieber Leser, wer hätte mir gesagt, dass ein Gott im Himmel wäre, wan keine Krieger meines Knäns Hauss zernichtet, und mich durch solche Fahung unter die Leute gezwungen hätten, von denen ich gnugsamen Bericht empfangen? Kurtz zuvor konte ich nichts anders wissen noch mir einbilden, als dass mein Knän, Meuder, ich und das übrige Haussgesind, allein auff Erden sey, weil mir sonst kein Mensch, noch einzige andre menschliche Wohnung bekant war, als diejenige, darin ich täglich auss und einging: Aber bald hernach erfuhr ich dieHerkunfft der Menschen in diese Welt, und dass sie wieder darauss müsten; ich war nur mit der Gestalt ein Mensch, und mit dem Namen ein Christen-Kind, im übrigen aber nur eine Bestia! Aber der Allerhöchste sahe meine Unschuld mit barmhertzigen Augen an, und wolte mich beydes zu seiner und meiner Erkantnus bringen: Und wiewol er tausenderley Wege hierzu hatte, wolte er sich doch ohn zweiffel nur dessjenigen bedienen, in welchem mein Knän und Meuder, andern zum Exempel, wegen ihrer liederlichen Aufferziehung gestrafft würden.
Das Erste, das diese Reuter thäten, war, dass sie ihre Pferde einställeten, hernach hatte jeglicher seine sonderbare Arbeit zuverrichten, deren jede lauter Untergang und Verderben anzeigte, dan obzwar etliche anfingen zumetzgen, zusieden und zubraten, dass es sahe, als solte ein lustig Panquet gehalten werden, so waren hingegen andere, die durchstürmten das Hauss unten und oben, ja das heimliche Gemach war nicht sicher, gleichsam ob wäre das golden Fell von Colchis darin verborgen; Andere machten von Tuch, Kleidungen und allerley Haussrath, grosse Päck zusammen, als ob sie irgends einen Krempelmarkt2anrichten wolten, was sie aber nicht mitzunehmen gedachten, ward zerschlagen, etliche durchstachen Heu und Stroh mit ihren Degen, als ob sie nicht Schafe und Schweine genug zustechen gehabt hätten, etliche schütteten die Federn auss den Betten, und fülleten hingegen Speck, andere dürr Fleisch und sonst Geräth hinein, als ob alsdan besser darauff zuschlaffen wäre; Andere schlugen Ofen und Fenster ein, gleichsam als hätten sie einen ewigen Sommer zuverkündigen, Kupffer und Zingeschirr schlugen sie zusammen, und packten die gebogene und verderbte Stücken ein, Bettladen, Tische, Stüle und Bäncke verbranten sie, da doch viel Claffter dürr Holtz im Hof lag, Häfen und Schüsseln muste endlich alles entzwey, entweder weil sie lieber Gebraten assen, oder weil sie bedacht waren, nur eine einzige Mahlzeit allda zuhalten, unsre Magd ward im Stall dermassen tractirt, dass sie nicht mehr darauss gehen konte, welches zwar eine Schande ist zumelden! den Knecht legten sie gebunden auff die Erde, steckten ihm ein Sperrholtz ins Maul, und schütteten ihm einen Melckkübel voll garstig Mistlachen-wasser in Leib, das nanten sie einen Schwedischen Trunck, wodurch sie ihn zwungen,eine Parthey anderwerts zuführen, allda sie Menschen und Viehe hinweg namen, und in unsern Hof brachten, unter welchen mein Knän, meine Meuder, und unsre Ursele auch waren.
Da fing man erst an, die Steine3von den Pistolen, und hingegen anstat deren der Bauren Daumen auffzuschrauben, und die armen Schelmen so zufoltern, als wan man hätte Hexen brennen wollen, massen4sie auch einen von den gefangenen Bauren bereits in Backofen steckten, und mit Feuer hinter ihm her waren, unangesehen er noch nichts bekant hatte, einem andern machten sie ein Sail um den Kopff, und raitelten5es mit einem Bengel zusammen, dass ihm das Blut zu Mund, Nas und Ohren herauss sprang. In Summa, es hatte jeder sein eigne invention, die Bauren zupeinigen, und also auch jeder Bauer seine sonderbare Marter: Allein mein Knän war meinem damaligen Bedüncken nach der glückligste, weil er mit lachendem Munde bekante, was andere mit Schmertzen und jämmerlicher Weheklage sagen musten, und solche Ehre wiederfuhr ihm ohn Zweiffel darum, weil er der Haussvater war, dan sie satzten ihn zu einem Feur, banden ihn, dass er weder Hände noch Füsse regen konte, und rieben seine Fusssolen mit angefeuchtem Saltz, welches ihm unsre alte Geiss wieder ablecken, und dadurch also kützeln muste, dass er vor Lachen hätte zerbersten mögen; das kam so artlich, dass ich Gesellschafft halber, oder weil ichs nicht besser verstund, von Hertzen mit lachen muste: In solchem Gelächter bekante er seine Schuldigkeit, und öffnete den verborgenen Schatz, welcher von Gold, Perlen und Cleinodien viel reicher war, als man hinter den Bauren hätte suchen mögen. Von den gefangenen Weibern, Mägden und Töchtern weiss ich sonderlich nichts zusagen, weil mich die Krieger nicht zusehen liessen, wie sie mit ihnen umgingen: Das weiss ich noch wol, dass man theils hin und wieder in den Winckeln erbärmlich schreyen hörte, schätze wol, es sey meiner Meuder und unserm Ursele nit besser gangen, als den andern. Mitten in diesem Elend wante ich Braten, und halff Nachmittag die Pferde träncken, durch welches Mittel ich zu unsrer Magd in Stall kam, welche wunderwercklich zerstrobelt6ausssahe, ich kante sie nicht, sie aber sprach zu mir mit kräncklicher Stimme: O Bub lauff weg, sonst werden dich dieReuter mit nemen, guck dass du davon kommst, du siehst wol, wie es so ubel: mehrers konte sie nicht sagen.
1.Knäns=Vaters; Spessart dialect, likeMeuder = Mutterbelow.2.Krempelmarkt=Trödelmarkt.3.Steine, i.e.Feuersteine, ‘gun-flints.’ They were held in by a screw.4.Massen=wie denn.5.Raitelten, ‘twisted.’6.Zerstrobelt=zerschlagen.
1.Knäns=Vaters; Spessart dialect, likeMeuder = Mutterbelow.
2.Krempelmarkt=Trödelmarkt.
3.Steine, i.e.Feuersteine, ‘gun-flints.’ They were held in by a screw.
4.Massen=wie denn.
5.Raitelten, ‘twisted.’
6.Zerstrobelt=zerschlagen.
A trenchant satirist and the father of German literary criticism (1665-1729). He was by birth a Silesian and in his early years an admirer of Hofmannswaldau and Lohenstein. Later he turned against them and against the whole tribe of insincere occasional rimesters, who were bringing the poetic art into contempt. His lyric poems are of small account, but his satires are vigorous and illuminative. The text follows Fulda’s edition in Kürschner’sNationalliteratur, Vol. 39.
Lass doch, Lysander, ab, mit Reimen dich zu plagen
Und einer Bettelkunst halb rasend nachzujagen,
Die zwar die Phantasei durch süsse Träume rührt,
Dich aber auf den Weg der Hungerwiesen führt
Und endlich, wo du dich lässt ihre Grillen treiben,
Mit Meistersängern wird in eine Rolle schreiben.
Die eben ist das Gift, das wie die Missethat
Gleich mit der Muttermilch mir ins Geblüte trat.
Wie glücklich wär’ ich doch, wenn mich zu rechter Stunden
Ein kluger Arzt davon durch Kräutersaft entbunden
Und alles, was ich nur von Versen angeblickt,
Durch hebend Antimon hätt’ in die Luft geschickt;
So dürft’ ich nicht wie jetzt in Kummerwinckeln sitzen,
Und bei geborgter Lust von langen Sorgen schwitzen,
So hätt’ ich auch vielleicht den Wuchergriff erlernt,
Wie man durch Ränke sich von der Vernunft entfernt,
Den Trieb der Redlichkeit mit Silberzäumen lenket,
Den Geist der Gottesfurcht in klugen Schlaf versenket,
Ein reiches Lasterweib zu seinem Willen beugt,
Durch höflichen Betrug auf Ehrenbänke steigt
Und endlich, wenn die Kraft der Jugend uns verlassen,
Bei voller Tafel kann von fremdem Gute prassen.
So hab’ ich manchen Tag und manche Nacht verreimt
Und oft ein grosses Lied von Zwergen hergeträumt,
Verliebten ihre Lust in Zucker zugemessen,
Betrüger reich gemacht, mich aber gar vergessen;
Und ob mich endlich gleich mit der verjährten Zeit
Ein kurzer Sonnenblick bei Hofe noch erfreut
Und Preussens Salomo,1den ich mit Recht gepriesen,
Mir zu der Ehrenburg den Vorhof angewiesen,
Ward doch durch seinen Tod, der alles umgekehrt,
Mein Glück und auch zugleich mein ganzer Ruhm verzehrt
Nun lacht die Wucherschar bei ihren Judengriffen,
Dass ich der Tugend Lob auf Hoffnung hergepfiffen,
Die Zungendrescherei den Musen nachgesetzt,
Und wahre Weisheit mehr als Geld und Gut geschätzt,
Und dass ich, da der Hof zum Laufen mich gezwungen,
Nicht noch zu rechter Zeit in Schulenstaub gesprungen,
Die matte Dürftigkeit in Mäntel eingehüllt,
Mit leerer Wissenschaft die Jugend angefüllt,
Die Kinder gegen Lohn den Toten2vorgetrieben
Und wöchentlich ein Lied für Thaler hingeschrieben.
Hiebei verbleibt es nicht. Die schwärmende Vernunft
Der von der Hungersucht bethörten Dichterzunft,
Die sich durch falsche Kunst auf den Parnass geschlichen,
Von der gesetzten Bahn der Alten abgewichen,
Mit frecher Hurtigkeit gefüllte Bogen schmiert
Und alle Messen fast ein totes Werk gebiert,
Wird so verwegen schon, dass sie Gesetze stellet,
Der Griechen Zärtlichkeit das Todesurteil fället,
Des Maro klugen Witz in Kinderklassen weist,
Horazens Dichterbuch verrauchte Grillen heisst,
Und alles, was sich nur nach alter Kraft beweget,
Auf lüsterndem3Papier mit Tinte niederschläget.
Da nun das Wespenheer von Tag zu Tage wächst,
Und jeder Knabe schon nach Narrenwasser lechzt,
Was Wunder ist es denn, wenn Ruhm und Ehre stirbet,
Die Kunst zu Grabe geht, die Tugend gar verdirbet? . . .
So viel als Reimer sind, so viel und mancherlei
Wirkt in der Poesie nun auch die Phantasei.
Ein halb mit Pickelscherz4vermengtes Operettchen,
Ein stinkender Roman vom rasenden Chrysettchen,
Ein geiles Myrtenlied und ein nach dem Adon
Des üppigen Marin5erbauter Venusthron,
Der der Geliebten Schoss bis auf den Grund entdecket
Und Büsch’ und Brunnen draus und Vogelnester hecket,
Ein lügenvolles Lob, das uns ins Angesicht
Den lastervollen Ruf der Toten widerspricht,
Ein rohes Trauerspiel, in dem die Regeln fehlen,
Und so viel Schnitzer fast als Silben sind zu zählen,
Ein Brief,6den Adam schon der Eva zugesandt,
Da beide dazumal doch keine Schrift gekannt,
Ein kreissendes Sonett, das mit dem Tode ringet
Und der Gedanken Rad so wie die Reime zwinget,
Und ein nach Pöbelart gepriesner Buhlerblick
Ist oft bei dieser Zeit das grösste Meisterstück.
So lang ich meinen Vers nach gleicher Art gewogen,
Dem Bilde der Natur die Schminke vorgezogen,
Der Reime dürren Leib mit Purpur ausgeschmückt
Und abgeborgte Kraft den Wörtern angeflickt,
So war ich auch ein Mann von hohen Dichtergaben;
Allein sobald ich nur der Spure nachgegraben,
Auf der man zur Vernunft beschämt zurücke kreucht
Und endlich nach und nach nur den Parnass erreicht,
So ist es aus mit mir, so kommt von seinem Suschen
Ein mit Ebräerwitz gespicktes Philomuschen,7
Klaubt ihm ein Jugendwort in meinen Schriften aus
Und untergräbt damit mein ganzes Ehrenhaus.
Was soll ich Ärmster thun? Soll ich noch einmal rasen
Und durch mein Haberrohr zum Federsturme blasen?
Nein, nein, Lysander, nein! Ich will zurücke stehn
Und der erlauchten Schar nur aus den Augen gehn,
Sonst wirft der Schwindelgeist der klugen Weisianer8
Mich endlich auf die Bank der reimenden Quintaner
Und jagt mich, ob ich gleich halb notenmässig bin,
Ins re, mi, fa, sol, la der Hübneristen9hin,
Die sich doch ohnedem an Odermusen10reiben,
Sudetenzungen10nur zu Mamelucken schreiben
Und alles, was durch Kunst der Pleisse11nicht geschehn,
Für Eigenliebe kaum mit halben Augen sehn.
Zwar weich’ ich darum nicht, als ob ich, wenn es brennte,12
Nicht auch ein Jammerlied im Tanze drechseln könnte,
Und ob der Trippeltakt der leichten Reimerei
In Dedekindens13Schoss allein zu Hause sei.
Mir ist ja wohl bekannt, wie man den Schädel seifen
Und solche Spötter kann mit Lauge wiedertäufen,
Wie mancher ohne Bart in Phöbus’ Auen springt,
Und wie ein kollernd Pferd sich auf den Pindus schwingt;
Allein ich hab’ einmal die Thorheit aufgegeben.
Es reime, wer da will; ich will in Friede leben.