1.The scene is a low London inn, to which Mellefont, a sentimental profligate, has brought Sara Sampson under promise of marriage. Marwood is Mellefont’s former mistress, by whom he has a daughter, Bella.2.TheBibliothek der schönen Wissenschaften, a magazine conducted by Nicolai and Mendelssohn.3.Caroline Neuber was a famous actress, who between 1727 and 1748 coöperated with Gottsched for the improvement of the Leipzig stage.4.The ‘Swiss critic’ is Bodmer. ‘Darius,’ the ‘Oysters,’ etc., are the titles of plays included in Gottsched’sDeutsche Schaubühne(1740-1745)5.In hisDiscours sur la tragédieVoltaire speaks of Addison’sCatoas “la seule bien écrite d’un bout à l’autre chez votre [Lord Bolingbroke’s] nation.”6.Die Sacheis the fundamental difference between plastic art (Malerei) and poetry.LXXIII. JOHANN GOTTFRIED HERDER1744-1803. Herder’s was the first strong voice to be raised in protest against the inveterate illusion of his countrymen that excellence in poetry depended on the imitation of good models. He took a deep interest in the poetry of primitive and unlettered men, and deduced from that his criteria of excellence; namely, sincerity, naturalness, strength and fulness of expression. The virtue of the greatest poets, such as Homer, Shakspere and Ossian, lay—so he said—in the fulness and fidelity with which they had felt and expressed the life of their nation and their epoch. Thus he became the founder of historical criticism and the harbinger of the coming romantic movement. It was he, more than any one else, who ushered in the ‘storm and stress’ era, with its watchwords of nature, power, genius, originality, and its general spirit of protest against all conventional restrictions.1From ‘Fragments on Recent German Literature’1: Poetry as mother tongue of mankind.Eine Sprache in ihrer Kindheit bricht, wie ein Kind, einsilbichte, rauhe und hohe Töne hervor. Eine Nation in ihrem ersten wilden Ursprunge starret, wie ein Kind, alle Gegenstände an; Schrecken, Furcht, und alsdenn Bewunderung sind die Empfindungen, dererbeide allein fähig sind, und die Sprache dieser Empfindungen sind Töne,—und Gebärden. Zu den Tönen sind ihre Werkzeuge noch ungebraucht: folglich sind jene hoch und mächtig an Accenten; Töne und Gebärden sind Zeichen von Leidenschaften und Empfindungen, folglich sind sie heftig und stark: ihre Sprache spricht für Auge und Ohr, für Sinne und Leidenschaften: sie sind grösserer Leidenschaften fähig, weil ihre Lebensart voll Gefahr und Tod und Wildheit ist: sie verstehen also auch die Sprache des Affects mehr als wir, die wir dies Zeitalter nur aus spätern Berichten und Schlüssen kennen; denn so wenig wir aus unsrer ersten Kindheit Nachricht durch Erinnerung haben, so wenig sind Nachrichten aus dieser Zeit der Sprache möglich, da man noch nicht sprach, sondern tönete; da man noch wenig dachte, aber desto mehr fühlte; und also nichts weniger als schrieb.So wie sich das Kind oder die Nation änderte, so mit ihr die Sprache. Entsetzen, Furcht und Verwunderung verschwand allmählich, da man die Gegenstände mehr kennen lernte; man ward mit ihnen vertraut und gab ihnen Namen, Namen, die von der Natur abgezogen waren, und ihr so viel möglich im Tönen nachahmten. Bei den Gegenständen fürs Auge musste die Gebärdung noch sehr zu Hilfe kommen, um sich verständlich zu machen: und ihr ganzes Wörterbuch war noch sinnlich. Ihre Sprachwerkzeuge wurden biegsamer, und die Accente weniger schreiend. Man sang also, wie viele Völker es noch tun, und wie es die alten Geschichtschreiber durchgehends von ihren Vorfahren behaupten. Man pantomimisierte und nahm Körper und Gebärden zu Hilfe: damals war die Sprache in ihren Verbindungen noch sehr ungeordnet und unregelmässig in ihren Formen.Das Kind erhob sich zum Jünglinge: die Wildheit senkte sich zur politischen Ruhe; die Lebens- und Denkart legte ihr rauschendes Feuer ab: der Gesang der Sprache floss lieblich von der Zunge herunter, wie dem Nestor des Homers, und säuselte in die Ohren. Man nahm Begriffe, die nicht sinnlich waren, in die Sprache; man nannte sie aber, wie von selbst zu vermuten ist, mit bekannten sinnlichen Namen; daher müssen die ersten Sprachen bildervoll und reich an Metaphern gewesen sein.Und dieses jugendliche Sprachalter war bloss das poetische: mansang im gemeinen Leben, und der Dichter erhöhete nur seine Accente in einem für das Ohr gewählten Rhythmus: die Sprache war sinnlich und reich an kühnen Bildern: sie war noch ein Ausdruck der Leidenschaft, sie war noch in den Verbindungen ungefesselt: der Periode fiel aus einander, wie er wollte! —Seht! das ist die poetische Sprache, der poetische Periode. Die beste Blüte der Jugend in der Sprache war die Zeit der Dichter: jetzt sangen dieἀοιδοίundῥαψῳδοί: da es noch keine Schriftsteller gab, so verewigten sie die merkwürdigen Taten durch Lieder: durch Gesänge lehrten sie, und in den Gesängen waren nach der damaligen Zeit der Welt Schlachten und Siege, Fabeln und Sittensprüche, Gesetze und Mythologie enthalten. Dass dies bei den Griechen so gewesen, beweisen die Büchertitel der ältesten verlorenen Schriftsteller, und dass es bei jedem Volk so gewesen, zeugen die ältesten Nachrichten. . . .So löset sich auch der Zweifel eines sprachgelehrten Mannes hiemit leicht auf: ‘Ich weiss nicht, ob es wahr ist, was man in vielen Büchern wiederholet hat, dass bei allen Nationen, die sich durch die schönen Wissenschaften hervorgetan haben, die Poesie eher als die Prose zu einer gewissen Höhe gestiegen sei.’ Es ist allerdings wahr, was alle alte Schriftsteller einmütig behaupten, und was in den neuen Büchern wenig angewandt ist, dass die Poesie lange vorher, ehe es Prose gab, zu ihrer grössten Höhe gestiegen sei, dass diese Prose darauf die Dichtkunst verdrungen, und diese nie wieder ihre vorige Höhe erreichen können. Die ersten Schriftsteller jeder Nation sind Dichter: die ersten Dichter unnachahmlich: zur Zeit der schönen Prose wuchs in Gedichten nichts als die Kunst: sie hatte sich schon über die Erde erhoben und suchte ein Höchstes, bis sie ihre Kräfte erschöpfte und im Äther der Spitzfindigkeit blieb. In der spätern Zeit hat man bloss versifizierte Philosophie oder mittelmässige Poesie.2From ‘Critical Forests’2: Power, not sequence of tones, the essence of poetry.Ich läugne es also, dass Gegenstände, die auf einander oder deren Teile auf einander folgen, deswegen überhaupt Handlungen heissen:und ebenso läugne ich, dass, weil die Dichtkunst Successionen liefre, sie deswegen Handlungen zum Gegenstande habe. Der Begriff des Successiven ist zu einer Handlung nur die halbe Idee: es muss ein Successives durch Kraft sein: so wird Handlung. Ich denke mir ein in der Zeitfolge wirkendes Wesen, ich denke mir Veränderungen, die durch die Kraft einer Substanz auf einander folgen: so wird Handlung. Und sind Handlungen der Gegenstand der Dichtkunst, so wette ich, wird dieser Gegenstand nie aus dem trocknen Begriff der Succession bestimmt werden können:Kraftist der Mittelpunkt ihrer Sphäre.Und dies ist die Kraft, die dem Innern der Worte anklebt, die Zauberkraft, die auf meine Seele durch die Phantasie und Erinnerung wirkt: sie ist das Wesen der Poesie. —Der Leser sieht, dass wir sind, wo wir waren, dass nämlich die Poesie durch willkürliche Zeichen wirke; dass in diesem Willkürlichen, in dem Sinne der Worte, ganz und gar die Kraft der Poesie liege; nicht aber in der Folge der Töne und Worte, in den Lauten, so fern sie natürliche Laute sind. . . .Handlung, Leidenschaft, Empfindung!—auch ich liebe sie in Gedichten über alles: auch ich hasse nichts so sehr als tote stillstehende Schilderungssucht, insonderheit, wenn sie Seiten, Blätter, Gedichte einnimmt; aber nicht mit dem tödlichen Hasse, um jedes einzelne ausführliche Gemälde, wenn es auch coexistent geschildert würde, zu verbannen; nicht mit dem tödlichen Hasse, um jeden Körper nur mit Einem Beiworte an der Handlung Teil nehmen zu lassen, und denn auch nicht aus dem nämlichen Grunde, weil die Poesie in successiven Tönen schildert, oder weil Homer dies und jenes macht und nicht macht—um deswillen nicht.Wenn ich Eins von Homer lerne, so ist’s, dass die Poesie energisch wirke: nie in der Absicht, um bei dem letzten Zuge ein Werk, Bild, Gemälde (obwohl successive) zu liefern, sondern, dass schon während der Energie die ganze Kraft empfunden werden müsse. Ich lerne von Homer, dass die Wirkung der Poesie nie aufs Ohr, durch Töne, nicht aufs Gedächtnis, wie lange ich einen Zug aus der Succession behalte, sondern auf meine Phantasie wirke; von hieraus also, sonst nirgendsher, berechnet werden müsse. So stelle ich sie gegen die Malerei und beklage, dass Hr. L. diesen Mittelpunkt des Wesensder Poesie, ‘Wirkung auf unsre Seele, Energie,’ nicht zum Augenmerke genommen.3From ‘Correspondence concerning Ossian and the Songs of Ancient Peoples’3: The poetic superiority of ‘wild’ folk.Sie wissen aus Reisebeschreibungen, wie stark und fest sich immer die Wilden ausdrücken. Immer die Sache, die sie sagen wollen, sinnlich, klar, lebendig anschauend: den Zweck, zu dem sie reden, unmittelbar und genau fühlend: nicht durch Schattenbegriffe, Halbideen und symbolischen Letternverstand (von dem sie in keinem Worte ihrer Sprache, da sie fast keine Abstracta haben, wissen),—durch alle dies nicht zerstreuet: noch minder durch Künsteleien, sklavische Erwartungen, furchtsamschleichende Politik und verwirrende Prämeditation verdorben—über alle diese Schwächungen des Geistes seligunwissend, erfassen sie den ganzen Gedanken mit dem ganzen Worte, und dies mit jenem. Sie schweigen entweder, oder reden im Moment des Interesse mit einer unvorbedachten Festigkeit, Sicherheit und Schönheit, die alle wohlstudierte Europäer allezeit haben bewundern müssen und—müssen bleiben lassen. Unsre Pedanten, die alles vorher zusammenstoppeln, und auswendig lernen müssen, um alsdenn recht methodisch zu stammeln; unsre Schulmeister, Küster, Halbgelehrte, Apotheker und alle, die den Gelehrten durchs Haus laufen, und nichts erbeuten, als dass sie endlich, wie Shakespear’s Launcelots, Polizeidiener, und Totengräber uneigen, unbestimmt und wie in der letzten Todesverwirrung sprechen—diese gelehrte Leute, was wären die gegen die Wilden? Wer noch bei uns Spuren von dieser Festigkeit finden will, der suche sie ja nicht bei solchen;—unverdorbene Kinder, Frauenzimmer, Leute von gutem Naturverstande, mehr durch Tätigkeit als Spekulation gebildet, die sind, wenn das, was ich anführete, Beredsamkeit ist, alsdenn die einzigen und besten Redner unsrer Zeit.In der alten Zeit aber waren es Dichter, Skalden, Gelehrte, die eben diese Sicherheit und Festigkeit des Ausdrucks am meisten mitWürde, mit Wohlklang, mit Schönheit zu paaren wussten; und da sie also Seele und Mund in den festen Bund gebracht hatten, sich einander nicht zu verwirren, sondern zu unterstützen, beizuhelfen: so entstanden daher jene für uns halbe Wunderwerke vonἀοιδοῖς, Sängern, Barden, Minstrels, wie die grössten Dichter der ältesten Zeiten waren. Homers Rhapsodien und Ossians Lieder waren gleichsam Impromptus, weil man damals noch von nichts als Impromptus der Rede wusste: dem letztern sind die Minstrels, wiewohl so schwach und entfernt, gefolgt; indessen doch gefolgt, bis endlich die Kunst kam und die Natur auslöschte. In fremden Sprachen quälte man sich von Jugend auf, Quantitäten von Silben kennen zu lernen, die uns nicht mehr Ohr und Natur zu fühlen gibt; nach Regeln zu arbeiten, deren wenigste ein Genie als Naturregeln anerkennt; über Gegenstände zu dichten, über die sich nichts denken, noch weniger sinnen, noch weniger imaginieren lässt; Leidenschaften zu erkünsteln, die wir nicht haben, Seelenkräfte nachzuahmen, die wir nicht besitzen,—und endlich wurde alles Falschheit, Schwäche und Künstelei. Selbst jeder beste Kopf ward verwirret und verlor Festigkeit des Auges und der Hand, Sicherheit des Gedankens und des Ausdrucks, mithin die wahre Lebhaftigheit und Wahrheit und Andringlichkeit—alles ging verloren. Die Dichtkunst, die die stürmendste, sicherste Tochter der menschlichen Seele sein sollte, ward die ungewisseste, lahmste, wankendste; die Gedichte fein oft corrigierte Knaben- und Schulexercitien.4From an essay entitled ‘Shakespear’4: Sophocles and Shakspere.Shakespear fand vor und um sich nichts weniger als Simplicität von Vaterlandssitten, Taten, Neigungen und Geschichtstraditionen, die das griechische Drama bildete, und da also nach dem ersten metaphysischen Weisheitssatze aus nichts nichts wird, so wäre, Philosophen überlassen, nicht bloss kein griechisches, sondern, wenn’s ausserdem Nichts gibt, auch gar kein Drama in der Welt mehr geworden, und hätte werden können. Da aber Genie bekanntermassen mehr ist als Philosophie, und Schöpfer ein ander Ding alsZergliederer: so war’s ein Sterblicher mit Götterkraft begabt, eben aus dem entgegengesetztesten Stoff, und in der verschiedensten Bearbeitung, dieselbe Wirkung hervorzurufen, Furcht und Mitleid, und beide in einem Grade, wie jener erste Stoff und Bearbeitung es kaum hervorzubringen vermocht! Glücklicher Göttersohn über sein Unternehmen! Eben das neue, erste, ganz Verschiedene, zeigt die Urkraft seines Berufs.Shakespear fand keinen Chor vor sich, aber wohl Staats- und Marionettenspiele—wohl! Er bildete also aus diesen Staats- und Marionettenspielen, dem so schlechten Leim, das herrliche Geschöpf, das da vor uns steht und lebt. Er fand keinen so einfachen Volks- und Vaterlandscharakter, sondern ein Vielfaches von Ständen, Lebensarten, Gesinnungen, Völkern und Spracharten—der Gram um das Vorige wäre vergebens gewesen;—er dichtete also Stände und Menschen, Völker und Spracharten, König und Narren, Narren und König zu dem herrlichen Ganzen! Er fand keinen so einfachen Geist der Geschichte, der Fabel, der Handlung: er nahm Geschichte, wie er sie fand, und setzte mit Schöpfergeist das verschiedenartigste Zeug zu einem Wunderganzen zusammen, was wir, wenn nicht Handlung im griechischen Verstande, so Aktion im Sinne der mittlern, oder in der Sprache der neuern Zeiten Begebenheit (événement), grosses Ereignis, nennen wollen—o Aristoteles, wenn du erschienest, wie würdest du den neuen Sophokles homerisieren! würdest so eine eigne Theorie über ihn dichten, die jetzt seine Landsleute, Home und Hurd, Pope und Johnson, noch nicht gedichtet haben! Würdest dich freuen, von jedem deiner Stücke, Handlung, Charakter, Meinungen, Ausdruck, Bühne, wie aus zwei Punkten des Dreiecks Linien zu ziehen, die sich oben in Einem Punkte des Zwecks, der Vollkommenheit begegnen! Würdest zu Sophokles sagen: male das heilige Blatt dieses Altars! und du, o nordischer Barde, alle Seiten und Wände dieses Tempels in dein unsterbliches Fresco!Man lasse mich als Ausleger und Rhapsodisten fortfahren, denn ich bin näher Shakespear als dem Griechen. Wenn bei diesem das Eine einer Handlung herrscht, so arbeitet jener auf das Ganze eines Ereignisses, einer Begebenheit. Wenn bei jenem Ein Ton der Charaktere herrschet, so bei diesem alle Charaktere, Stände und Lebensarten, so viel nur fähig und nötig sind, den Hauptklang seinesConcerts zu bilden. Wenn in jenem Eine singende feine Sprache, wie in einem höheren Äther tönet, so spricht dieser die Sprache aller Alter, Menschen und Menschenarten, ist Dolmetscher der Natur in all ihren Zungen—und auf so verschiedenen Wegen beide Vertraute Einer Gottheit. Und wenn jener Griechen vorstellt und lehrt und rührt und bildet, so lehrt, rührt und bildet Shakespear nordische Menschen! Mir ist, wenn ich ihn lese, Theater, Acteur, Coulisse verschwunden! Lauter einzelne im Sturm der Zeiten wehende Blätter aus dem Buch der Begebenheiten, der Vorsehung, der Welt! einzelne Gepräge der Völker, Stände, Seelen! die alle die verschiedenartigsten und abgetrenntest handelnden Maschinen—was wir in der Hand des Weltschöpfers sind—unwissende, blinde Werkzeuge zum ganzen Eines theatralischen Bildes, Einer Grösse habenden Begebenheit, die nur der Dichter überschauet. Wer kann sich einen grössern Dichter der nordischen Menschheit, und in dem Zeitalter, denken!5From ‘Auch eine Philosophie’: The Middle Ages and the Age of Reason.5Die dunkeln Seiten dieses Zeitraums [des Mittelalters] stehen in allen Büchern: jeder klassische Schöndenker, der die Polizierung unsres Jahrhunderts fürsnon plus ultrader Menschheit hält, hat Gelegenheit ganze Jahrhunderte auf Barbarei, elendes Staatsrecht, Aberglauben und Dummheit, Mangel der Sitten und Abgeschmacktheit—in Schulen, in Landsitzen, in Tempeln, in Klöstern, in Rathäusern, in Handwerkszünften, in Hütten und Häusern zu schmälen und über das Licht unsres Jahrhunderts, das ist, über seinen Leichtsinn und Ausgelassenheit, über seine Wärme in Ideen und Kälte in Handlungen, über seine scheinbare Stärke und Freiheit, und über seine wirkliche Todesschwäche und Ermattung unter Unglauben, Despotismus und Üppigkeit zu lobjauchzen. Davon sind alle Bücher unsrer Voltäre und Hume, Robertsons und Iselins voll, und es wird ein so schön Gemälde, wie sie die Aufklärung und Verbesserung der Welt aus den trüben Zeiten des Deismus und Despotismus der Seelen, d.i. zu Philosophie und Ruhe herleiten—dass dabei jedem Liebhaber seiner Zeit das Herz lacht.. . .Dass es jemanden in der Welt unbegreiflich wäre, wie Licht die Menschen nicht nährt! Ruhe und Üppigkeit und sogenannte Gedankenfreiheit nie allgemeine Glückseligkeit und Bestimmung sein kann! Aber Empfindung, Bewegung, Handlung—wenn auch in der Folge ohne Zweck (was hat auf der Bühne der Menschheit ewigen Zweck?), wenn auch mit Stössen und Revolutionen, wenn auch mit Empfindungen, die hie und da schwärmerisch, gewaltsam, gar abscheulich werden—als Werkzeug in den Händen des Zeitlaufs, welche Macht! welche Wirkung! Herz und nicht Kopf genährt! mit Neigungen und Trieben alles gebunden, nicht mit kränkelnden Gedanken! Andacht und Ritterehre, Liebeskühnheit und Bürgerstärke—Staatsverfassung und Gesetzgebung, Religion. —Ich will nichts weniger als die ewigen Völkerzüge und Verwüstungen, Vasallenkriege und Befehdungen, Mönchsheere, Wallfahrten, Kreuzzüge verteidigen; nur erklären möchte ich sie: wie in allem doch Geist hauchet! Gährung menschlicher Kräfte! Grosse Kur der ganzen Gattung durch gewaltsame Bewegung, und wenn ich so kühn reden darf, das Schicksal zog, (allerdings mit grossem Getöse, und ohne dass die Gewichte da ruhig hangen konnten,) die grosse abgelaufene Uhr auf! Da rasselten also die Räder!1.First Collection (1767); see Suphan’s edition of Herder’s works, Vol. I, page 152.2.In hisKritische Wälder(1769) Herder subjected Lessing’sLaokoonto a searching criticism. The passages here given—see Suphan’s edition, Vol. 3, pages 139 ff.—are addressed to the theory advanced in the last of the foregoing selections from Lessing.3.Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian und die Lieder alter Völkerwas published in 1773, as part of a collection of papers (by Herder, Goethe and Möser) entitledVon deutscher Art und Kunst. See Suphan’s Herder, Vol. 5, page 155.4.Published in the aforementioned collectionVon deutscher Art und Kunst(1773). See Suphan’s Herder, Vol. 5, page 208.5.The bookletAuch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheitwas published in 1774. See Suphan’s Herder, Vol. 5, page 475.LXXIV. JOHANN WOLFGANG GOETHE1749-1832. The long-gathering promise of a German literary renascence was splendidly fulfilled in the genius of Goethe. In all thegenreshe wrought with high and peculiar distinction; and so intensely and fully did he live the life of his epoch that he has come to be regarded astherepresentative of the modern spirit. A great critic has called him ‘the clearest, largest, and most helpful thinker of modern times.’ The scope of this book is such that only the youthful Goethe is represented in the selections.1Mailied.Wie herrlich leuchtetMir die Natur!Wie glänzt die Sonne!Wie lacht die Flur!5Es dringen BlütenAus jedem ZweigUnd tausend StimmenAus dem Gesträuch,Und Freud’ und Wonne10Aus jeder Brust.O Erd’, o Sonne!O Glück, o Lust!O Lieb’, o Liebe,So golden schön.15Wie MorgenwolkenAuf jenen Höhn!Du segnest herrlichDas frische Feld,Im Blütendampfe20Die volle Welt.O Mädchen, Mädchen,Wie lieb’ ich dich!Wie blickt dein Auge!Wie liebst du mich!25So liebt die LercheGesang und Luft,Und MorgenblumenDen Himmelsduft,Wie ich dich liebe30Mit warmem Blut,Die du mir JugendUnd Freud’ und MutZu neuen LiedernUnd Tänzen gibst.35Sei ewig glücklich,Wie du mich liebst!2Willkommen und Abschied.Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!Es war getan fast eh gedacht;Der Abend wiegte schon die Erde,Und an den Bergen hing die Nacht.5Schon stand im Nebelkleid die Eiche,Ein aufgetürmter Riese, da,Wo Finsternis aus dem GesträucheMit hundert schwarzen Augen sah.Der Mond von einem Wolkenhügel10Sah kläglich aus dem Duft hervor,Die Winde schwangen leise Flügel,Umsausten schauerlich mein Ohr.Die Nacht schuf tausend Ungeheuer;Doch frisch und fröhlich war mein Mut:15In meinen Adern welches Feuer!In meinem Herzen welche Glut!Dich sah ich, und die milde FreudeFloss von dem süssen Blick auf mich;Ganz war mein Herz an deiner Seite,20Und jeder Atemzug für dich.Ein rosenfarbnes FrühlingswetterUmgab das liebliche Gesicht,Und Zärtlichkeit für mich—ihr Götter!Ich hofft’ es, ich verdient’ es nicht!25Doch ach, schon mit der MorgensonneVerengt der Abschied mir das Herz:In deinen Küssen welche Wonne!In deinem Auge welcher Schmerz!Ich ging, du standst und sahst zur Erden,30Und sahst mir nach mit nassem Blick:Und doch, welch Glück geliebt zu werden!Und lieben, Götter, welch ein Glück!3Neue Liebe neues Leben.Herz, mein Herz, was soll das geben?Was bedränget dich so sehr?Welch ein fremdes neues Leben!Ich erkenne dich nicht mehr.Weg ist alles, was du liebtest,Weg warum du dich betrübtest,Weg dein Fleiss und deine Ruh—Ach, wie kamst du nur dazu!Fesselt dich die Jugendblüte,Diese liebliche Gestalt,Dieser Blick voll Treu’ und GüteMit unendlicher Gewalt?Will ich rasch mich ihr entziehen,Mich ermannen, ihr entfliehen,Führet mich im Augenblick,Ach, mein Weg zu ihr zurück.Und, an diesem Zauberfädchen,Das sich nicht zerreissen lässt,Hält das liebe lose MädchenMich so wider Willen fest;Muss in ihrem ZauberkreiseLeben nun auf ihre Weise.Die Verändrung ach wie gross!Liebe! Liebe! lass mich los!4Rastlose Liebe.Dem Schnee, dem Regen,Dem Wind entgegen,Im Dampf der Klüfte,Durch Nebeldüfte,Immer zu! Immer zu!Ohne Rast und Ruh!Lieber durch LeidenMöcht’ ich mich schlagen,Als so viel FreudenDes Lebens ertragen.Alle das NeigenVon Herzen zu Herzen,Ach, wie so eigenSchaffet das Schmerzen!Wie soll ich fliehen?Wälderwärts ziehen?Alles vergebens!Krone des Lebens!Glück ohne Ruh,Liebe, bist du!5Meeres Stille.Tiefe Stille herrscht im Wasser,Ohne Regung ruht das Meer,Und bekümmert sieht der SchiferGlatte Fläche rings umher.Keine Luft von keiner Seite!Todesstille fürchterlich!In der ungeheuern WeiteReget keine Welle sich.6Glückliche Fahrt.Die Nebel zerreissen,Der Himmel ist helle,Und Äolus lösetDas ängstliche Band.Es säuseln die Winde,Es rührt sich der Schiffer.Geschwinde! Geschwinde!Es teilt sich die Welle,Es naht sich die Ferne;Schon seh’ ich das Land!7Wandrers Nachtlieder.Der du von dem Himmel bist,Alles Leid und Schmerzen stillest,Den, der doppelt elend ist,Doppelt mit Erquickung füllest,Ach ich bin des Treibens müde!Was soll all der Schmerz und Lust?Süsser Friede,Komm, ach komm in meine Brust!Über allen GipfelnIst Ruh,In allen WipfelnSpürest duKaum einen Hauch:Die Vögelein schweigen im Walde.Warte nur, baldeRuhest du auch.8Der König in Thule.Es war ein König in ThuleGar treu bis an das Grab,Dem sterbend seine BuhleEinen goldnen Becher gab.5Es ging ihm nichts darüber,Er leert’ ihn jeden Schmaus;Die Augen gingen ihm über,So oft er trank daraus.Und als er kam zu sterben,10Zählt’ er seine Städt’ im Reich,Gönnt’ alles seinem Erben,Den Becher nicht zugleich.Er sass beim Königsmahle,Die Ritter um ihn her,15Auf hohem Vätersaale,Dort auf dem Schloss am Meer.Dort stand der alte Zecher,Trank letzte Lebensglut,Und warf den heilgen Becher20Hinunter in die Flut.Er sah ihn stürzen, trinken,Und sinken tief ins Meer.Die Augen täten ihm sinken;Trank nie einen Tropfen mehr.9From ‘Prometheus,’ Act 3: The Titan’s defiance.Bedecke deinen Himmel, Zeus,Mit Wolkendunst,Und übe, dem Knaben gleich,Der Disteln köpft,5An Eichen dich und Bergeshöhn;Musst mir meine ErdeDoch lassen stehn,Und meine Hütte, die du nicht gebaut,Und meinen Herd,10Um dessen GlutDu mich beneidest.Ich kenne nichts ÄrmeresUnter der Sonn’, als euch, Götter!Ihr nähret kümmerlich15Von OpfersteuernUnd GebetshauchEure Majestät,Und darbtet, wärenNicht Kinder und Bettler20Hoffnungsvolle Toren.Da ich ein Kind war,Nicht wusste wo aus noch ein,Kehrt’ ich mein verirrtes AugeZur Sonne, als wenn drüber wär’25Ein Ohr, zu hören meine Klage,Ein Herz, wie meins,Sich des Bedrängten zu erbarmen.Wer half mirWider der Titanen Übermut?30Wer rettete vom Tode mich,Von Sclaverei?Hast du nich alles selbst vollendet,Heilig glühend Herz?Und glühtest jung und gut,35Betrogen, RettungsdankDem Schlafenden da droben?Ich dich ehren? Wofür?Hast du die Schmerzen gelindertJe des Beladenen?40Hast du die Tränen gestilletJe des Geängsteten?Hat nicht mich zum Manne geschmiedetDie allmächtige ZeitUnd das ewige Schicksal,45Meine Herren und deine?Wähntest du etwa,Ich sollte das Leben hassen,In Wüsten fliehen,Weil nicht alle50Blütenträume reiften?Hier sitz’ ich, forme Menschen,Nach meinem BildeEin Geschlecht, das mir gleich sei,Zu leiden, zu weinen,55Zu geniessen und zu freuen sich,Und dein nicht zu achten,Wie ich!10From the ‘Sufferings of Young Werther’: Werther’s communion with the All.Am 10 Mai.Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele eingenommen, gleich den süssen Frühlingsmorgen, die ich mit ganzem Herzen geniesse. Ich bin allein und freue mich meines Lebens in dieser Gegend, die für solche Seelen geschaffen ist wie die meine. Ich binso glücklich, mein Bester, so ganz in dem Gefühle von ruhigem Dasein versunken, dass meine Kunst darunter leidet. Ich könnte jetzt nicht zeichnen, nicht einen Strich, und bin nie ein grösserer Maler gewesen als in diesen Augenblicken. Wenn das liebe Tal um mich dampft, und die hohe Sonne an der Oberfläche der undurchdringlichen Finsternis meines Waldes ruht, und nur einzelne Strahlen sich in das innere Heiligtum stehlen, ich dann im hohen Grase am fallenden Bache liege, und näher an der Erde tausend mannichfaltige Gräschen mir merkwürdig werden; wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen unergründlichen Gestalten der Würmchen, der Mückchen näher an meinem Herzen fühle, und fühle die Gegenwart des Allmächtigen, der uns nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Allliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält; mein Freund! wenn’s dann um meine Augen dämmert, und die Welt um mich her und der Himmel ganz in meiner Seele ruhen wie die Gestalt einer Geliebten; dann sehne ich mich oft und denke: ach könntest du das wieder ausdrücken, könntest du dem Papiere das einhauchen, was so voll, so warm in dir lebt, dass es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes! —Mein Freund— Aber ich gehe darüber zu Grunde, ich erliege unter der Gewalt der Herrlichkeit dieser Erscheinungen.Homer as an anodyne for a sick heart.Am 13. Mai.Du fragst, ob du mir meine Bücher schicken sollst? —Lieber, ich bitte dich um Gottes willen, lass mir sie vom Halse! Ich will nicht mehr geleitet, ermuntert, angefeuert sein, braust doch dieses Herz genug aus sich selbst; ich brauche Wiegengesang, und den habe ich in seiner Fülle gefunden in meinem Homer. Wie oft lull’ ich mein empörtes Blut zur Ruhe, denn so ungleich, so unstät, hast du nichts gesehen als dieses Herz. Lieber! brauch’ ich dir das zu sagen, der du so oft die Last getragen hast, mich vom Kummer zur Ausschweifung und von süsser Melancholie zur verderblichen Leidenschaft übergehen zu sehen? Auch halte ich mein Herzchen wie ein krankes Kind; jeder Wille wird ihm gestattet. Sage das nicht weiter, es gibt Leute, die mir es verübeln würden.Werther excited by the reading of Ossian.Am 12. October.Ossian hat in meinem Herzen den Homer verdrängt. Welch eine Welt, in die der Herrliche mich führt! Zu wandern über die Heide, umsaust vom Sturmwinde, der in dampfenden Nebeln die Geister der Väter im dämmernden Lichte des Mondes hinführt. Zu hören vom Gebirge her im Gebrülle des Waldstroms halb verwehtes Ächzen der Geister aus ihren Höhlen, und die Wehklagen des zu Tode sich jammernden Mädchens, um die vier moosbedeckten grasbewachsenen Steine des Edelgefallnen, ihres Geliebten. Wenn ich ihn dann finde, den wandelnden grauen Barden, der auf der weiten Heide die Fussstapfen seiner Väter sucht, und ach! ihre Grabsteine findet, und dann jammernd nach dem lieben Sterne des Abends hinblickt, der sich ins rollende Meer verbirgt, und die Zeiten der Vergangenheit in des Helden Seele lebendig werden, da noch der freundliche Strahl den Gefahren der Tapferen leuchtete, und der Mond ihr bekränztes siegrückkehrendes Schiff beschien. Wenn ich den tiefen Kummer auf seiner Stirn lese, den letzten verlassenen Herrlichen in aller Ermattung dem Grabe zu wanken sehe, wie er immer neue schmerzlich glühende Freuden in der kraftlosen Gegenwart der Schatten seiner Abgeschiedenen einsaugt, und nach der kalten Erde, dem hohen wehenden Grase niedersieht und ausruft: Der Wanderer wird kommen, kommen, der mich kannte in meiner Schönheit, und fragen: Wo ist der Sänger, Fingals trefflicher Sohn? Sein Fusstritt geht über mein Grab hin, und er fragt vergebens nach mir auf der Erde. —O Freund! Ich möchte gleich einem edlen Waffenträger das Schwert ziehen, meinen Fürsten von der zückenden Qual des langsam absterbenden Lebens befreien und dem befreiten Halbgott meine Seele nachsenden.Werther in the depths of despair.Am 3. November.Weiss Gott! ich lege mich so oft zu Bette mit dem Wunsche, ja manchmal mit der Hoffnung, nicht wieder zu erwachen; und morgens schlage ich die Augen auf, sehe die Sonne wieder und bin elend. O dass ich launisch sein könnte, könnte die Schuld aufs Wetter, auf einen Dritten, auf eine fehlgeschlagene Unternehmung schieben, sowürde die unerträgliche Last des Unwillens doch nur halb auf mir ruhen. Wehe mir! ich fühle zu wahr, dass an mir allein alle Schuld liegt—nicht Schuld! Genug, dass in mir die Quelle alles Elendes verborgen ist, wie ehemals die Quelle aller Seligkeiten. Bin ich nicht noch eben derselbe, der ehemals in aller Fülle der Empfindung herumschwebte, dem auf jedem Tritte ein Paradies folgte, der ein Herz hatte, eine ganze Welt liebevoll zu umfassen? Und dies Herz ist jetzt tot, aus ihm fliessen keine Entzückungen mehr, meine Augen sind trocken, und meine Sinne, die nicht mehr von erquickenden Tränen gelabt werden, ziehen ängstlich meine Stirn zusammen. Ich leide viel, denn ich habe verloren was meines Lebens einzige Wonne war, die heilige Kraft, mit der ich Welten um mich schuf; sie ist dahin! —Wenn ich zu meinem Fenster hinaus an den fernen Hügel sehe, wie die Morgensonne über ihn her den Nebel durchbricht und den stillen Wiesengrund bescheint, und der sanfte Fluss zwischen seinen entblätterten Weiden zu mir herschlängelt,—o! wenn da diese herrliche Natur so starr vor mir steht wie ein lackiertes Bildchen, und alle die Wonne keinen Tropfen Seligkeit aus meinem Herzen herauf in das Gehirn pumpen kann, und der ganze Kerl vor Gottes Angesicht steht wie ein versiegter Brunnen, wie ein verlechter Eimer. Ich habe mich oft auf den Boden geworfen und Gott um Tränen gebeten, wie ein Ackersmann um Regen, wenn der Himmel ehern über ihm ist, und um ihn die Erde verdürstet.11From ‘Letters from Switzerland.’1Frei wären die Schweizer? frei diese wohlhabenden Bürger in den verschlossenen Städten? frei diese armen Teufel an ihren Klippen und Felsen? Was man dem Menschen nicht alles weiss machen kann! Besonders wenn man so ein altes Märchen in Spiritus aufbewahrt. Sie machten sich einmal von einem Tyrannen los und konnten sich in einem Augenblick frei denken; nun erschuf ihnen die liebe Sonne aus dem Aas des Unterdrückers einen Schwarm vonkleinen Tyrannen durch eine sonderbare Wiedergeburt. Nun erzählen sie das alte Märchen immer fort, man hört bis zum Überdruss: sie hätten sich einmal frei gemacht und wären frei geblieben. Und nun sitzen sie hinter ihren Mauern, eingefangen von ihren Gewohnheiten und Gesetzen, ihren Fraubasereien und Philistereien, und da draussen auf den Felsen ist’s auch wohl der Mühe wert von Freiheit zu reden, wenn man das halbe Jahr vom Schnee wie ein Murmeltier gefangen gehalten wird.Pfui! wie sieht so ein Menschenwerk und so ein schlechtes notgedrungenes Menschenwerk, so ein schwarzes Städtchen, so ein Schindel- und Steinhaufen, mitten in der grossen herrlichen Natur aus! Grosse Kiesel- und andere Steine auf den Dächern, dass ja der Sturm ihnen die traurige Decke nicht vom Kopfe wegführe, und den Schmutz, den Mist! und staunende Wahnsinnige! —Wo man den Menschen nur wieder begegnet, möchte man von ihnen gleich davon fliehen.Dass in den Menschen so viele geistige Anlagen sind, die sie im Leben nicht entwickeln können, die auf eine bessere Zukunft, auf ein harmonisches Dasein deuten, darin sind wir einig, mein Freund, und meine andere Grille kann ich auch nicht aufgeben, ob du mich gleich schon oft für einen Schwärmer erklärt hast. Wir fühlen auch die Ahnung körperlicher Anlagen, auf deren Entwickelung wir in diesem Leben Verzicht tun müssen: so ist es ganz gewiss mit dem Fliegen. So wie mich sonst die Wolken schon reizten, mit ihnen fort in fremde Länder zu ziehen, wenn sie hoch über meinem Haupte wegzogen, so steh’ ich jetzt oft in Gefahr, dass sie mich von einer Felsenspitze mitnehmen, wenn sie an mir vorbeiziehen. Welche Begierde fühl’ ich, mich in den unendlichen Luftraum zu stürzen, über den schauerlichen Abgründen zu schweben und mich auf einen unzugänglichen Felsen niederzulassen. Mit welchem Verlangen hol’ ich tiefer und tiefer Atem, wenn der Adler in dunkler blauer Tiefe, unter mir, über Felsen und Wäldern schwebt, und in Gesellschaft eines Weibchens um den Gipfel, dem er seinen Horst und seine Jungen anvertraut hat, grosse Kreise in sanfter Eintracht zieht. Soll ich denn nur immer die Höhe erkriechen, am höchsten Felsenwie am niedrigsten Boden kleben, und wenn ich mühselig mein Ziel erreicht habe, mich ängstlich anklammern, vor der Rückkehr schaudern und vor dem Falle zittern?12From ‘Faust’: ‘Feeling is everything.’MargareteVersprich mir, Heinrich!FaustWas ich kann!MargareteNun sag’, wie hast du’s mit der Religion?Du bist ein herzlich guter Mann,Allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon.Faust5Lass das, mein Kind! Du fühlst, ich bin dir gut;Für meine Lieben liess’ ich Leib und Blut,Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.MargareteDas ist nicht recht, man muss dran glauben!FaustMuss man?MargareteAch! wenn ich etwas auf dich könnte!10Du ehrst auch nicht die heilgen Sacramente.FaustIch ehre sie.MargareteDoch ohne Verlangen.Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangenGlaubst du an Gott?FaustMein Liebchen, wer darf sagen:Ich glaub’ an Gott?15Magst Priester oder Weise fragen,Und ihre Antwort scheint nur SpottÜber den Frager zu sein.MargareteSo glaubst du nicht?FaustMishör’ mich nicht, du holdes Angesicht!Wer darf ihn nennen?20Und wer bekennen:Ich glaub’ ihn?Wer empfindenUnd sich unterwindenZu sagen: ich glaub’ ihn nicht?25Der Allumfasser,Der Allerhalter,Fasst und erhält er nichtDich, mich, sich selbst?Wölbt sich der Himmel nicht da droben?30Liegt die Erde nicht hierunten fest?Und steigen freundlich blickendEwige Sterne nicht herauf?Schau’ ich nicht Aug’ in Auge dir,Und drängt nicht alles35Nach Haupt und Herzen dir,Und webt in ewigem GeheimnisUnsichtbar sichtbar neben dir?Erfüll’ davon dein Herz, so gross es ist,Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,40Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!Ich habe keinen NamenDafür! Gefühl ist alles;Name ist Schall und Rauch,Umnebelnd Himmelsglut.Margarete45Das ist alles recht schön und gut;Ungefähr sagt das der Pfarrer auch,Nur mit ein bischen andern Worten.FaustEs sagen’s aller OrtenAlle Herzen unter dem himmlischen Tage,50Jedes in seiner Sprache;Warum nicht ich in der meinen?MargareteWenn man’s so hört, möcht’s leidlich scheinen,Steht aber doch immer schief darum;Denn du hast kein Christentum.1.TheBriefe aus der Schweiz, in two parts, were first published in 1808 as an ‘appendix’ toWerther. They were said to be ‘from Werther’s papers.’ In substance and sentiment, if not in form, they reproduce real letters written by Goethe in his youth.LXXV. MINOR DRAMATISTS OF THE STORM AND STRESS ERAThe name ‘Storm and Stress,’ derived from a play of Klinger (see below), has long been in use to denote the insurgent spirit of the youthful Goethe (beginning withGötz von Berlichingenin 1773), and of certain other writers who followed in his wake. Aside from Schiller, whose early plays are the strongest expression of the revolutionary tendencies, the other more important names are Klinger, Wagner, Lenz, Leisewitz, and Maler Müller. Their favorite form was the prose tragedy of middle-class life. They wrote of crime and remorse; of fratricide, seduction, rape and child-murder; of class conflict, and of fierce passion at war with the social order. While their plays were meant to exemplify a fearless ‘naturalism,’ the language is often unnaturally extravagant and the plots wildly improbable. For the texts see Kürschner’sNationalliteratur,Vols.79-81.1From Klinger’s ‘Storm and Stress,’ Act 1, Scene 1.1
1.The scene is a low London inn, to which Mellefont, a sentimental profligate, has brought Sara Sampson under promise of marriage. Marwood is Mellefont’s former mistress, by whom he has a daughter, Bella.2.TheBibliothek der schönen Wissenschaften, a magazine conducted by Nicolai and Mendelssohn.3.Caroline Neuber was a famous actress, who between 1727 and 1748 coöperated with Gottsched for the improvement of the Leipzig stage.4.The ‘Swiss critic’ is Bodmer. ‘Darius,’ the ‘Oysters,’ etc., are the titles of plays included in Gottsched’sDeutsche Schaubühne(1740-1745)5.In hisDiscours sur la tragédieVoltaire speaks of Addison’sCatoas “la seule bien écrite d’un bout à l’autre chez votre [Lord Bolingbroke’s] nation.”6.Die Sacheis the fundamental difference between plastic art (Malerei) and poetry.
1.The scene is a low London inn, to which Mellefont, a sentimental profligate, has brought Sara Sampson under promise of marriage. Marwood is Mellefont’s former mistress, by whom he has a daughter, Bella.
2.TheBibliothek der schönen Wissenschaften, a magazine conducted by Nicolai and Mendelssohn.
3.Caroline Neuber was a famous actress, who between 1727 and 1748 coöperated with Gottsched for the improvement of the Leipzig stage.
4.The ‘Swiss critic’ is Bodmer. ‘Darius,’ the ‘Oysters,’ etc., are the titles of plays included in Gottsched’sDeutsche Schaubühne(1740-1745)
5.In hisDiscours sur la tragédieVoltaire speaks of Addison’sCatoas “la seule bien écrite d’un bout à l’autre chez votre [Lord Bolingbroke’s] nation.”
6.Die Sacheis the fundamental difference between plastic art (Malerei) and poetry.
1744-1803. Herder’s was the first strong voice to be raised in protest against the inveterate illusion of his countrymen that excellence in poetry depended on the imitation of good models. He took a deep interest in the poetry of primitive and unlettered men, and deduced from that his criteria of excellence; namely, sincerity, naturalness, strength and fulness of expression. The virtue of the greatest poets, such as Homer, Shakspere and Ossian, lay—so he said—in the fulness and fidelity with which they had felt and expressed the life of their nation and their epoch. Thus he became the founder of historical criticism and the harbinger of the coming romantic movement. It was he, more than any one else, who ushered in the ‘storm and stress’ era, with its watchwords of nature, power, genius, originality, and its general spirit of protest against all conventional restrictions.
Eine Sprache in ihrer Kindheit bricht, wie ein Kind, einsilbichte, rauhe und hohe Töne hervor. Eine Nation in ihrem ersten wilden Ursprunge starret, wie ein Kind, alle Gegenstände an; Schrecken, Furcht, und alsdenn Bewunderung sind die Empfindungen, dererbeide allein fähig sind, und die Sprache dieser Empfindungen sind Töne,—und Gebärden. Zu den Tönen sind ihre Werkzeuge noch ungebraucht: folglich sind jene hoch und mächtig an Accenten; Töne und Gebärden sind Zeichen von Leidenschaften und Empfindungen, folglich sind sie heftig und stark: ihre Sprache spricht für Auge und Ohr, für Sinne und Leidenschaften: sie sind grösserer Leidenschaften fähig, weil ihre Lebensart voll Gefahr und Tod und Wildheit ist: sie verstehen also auch die Sprache des Affects mehr als wir, die wir dies Zeitalter nur aus spätern Berichten und Schlüssen kennen; denn so wenig wir aus unsrer ersten Kindheit Nachricht durch Erinnerung haben, so wenig sind Nachrichten aus dieser Zeit der Sprache möglich, da man noch nicht sprach, sondern tönete; da man noch wenig dachte, aber desto mehr fühlte; und also nichts weniger als schrieb.
So wie sich das Kind oder die Nation änderte, so mit ihr die Sprache. Entsetzen, Furcht und Verwunderung verschwand allmählich, da man die Gegenstände mehr kennen lernte; man ward mit ihnen vertraut und gab ihnen Namen, Namen, die von der Natur abgezogen waren, und ihr so viel möglich im Tönen nachahmten. Bei den Gegenständen fürs Auge musste die Gebärdung noch sehr zu Hilfe kommen, um sich verständlich zu machen: und ihr ganzes Wörterbuch war noch sinnlich. Ihre Sprachwerkzeuge wurden biegsamer, und die Accente weniger schreiend. Man sang also, wie viele Völker es noch tun, und wie es die alten Geschichtschreiber durchgehends von ihren Vorfahren behaupten. Man pantomimisierte und nahm Körper und Gebärden zu Hilfe: damals war die Sprache in ihren Verbindungen noch sehr ungeordnet und unregelmässig in ihren Formen.
Das Kind erhob sich zum Jünglinge: die Wildheit senkte sich zur politischen Ruhe; die Lebens- und Denkart legte ihr rauschendes Feuer ab: der Gesang der Sprache floss lieblich von der Zunge herunter, wie dem Nestor des Homers, und säuselte in die Ohren. Man nahm Begriffe, die nicht sinnlich waren, in die Sprache; man nannte sie aber, wie von selbst zu vermuten ist, mit bekannten sinnlichen Namen; daher müssen die ersten Sprachen bildervoll und reich an Metaphern gewesen sein.
Und dieses jugendliche Sprachalter war bloss das poetische: mansang im gemeinen Leben, und der Dichter erhöhete nur seine Accente in einem für das Ohr gewählten Rhythmus: die Sprache war sinnlich und reich an kühnen Bildern: sie war noch ein Ausdruck der Leidenschaft, sie war noch in den Verbindungen ungefesselt: der Periode fiel aus einander, wie er wollte! —Seht! das ist die poetische Sprache, der poetische Periode. Die beste Blüte der Jugend in der Sprache war die Zeit der Dichter: jetzt sangen dieἀοιδοίundῥαψῳδοί: da es noch keine Schriftsteller gab, so verewigten sie die merkwürdigen Taten durch Lieder: durch Gesänge lehrten sie, und in den Gesängen waren nach der damaligen Zeit der Welt Schlachten und Siege, Fabeln und Sittensprüche, Gesetze und Mythologie enthalten. Dass dies bei den Griechen so gewesen, beweisen die Büchertitel der ältesten verlorenen Schriftsteller, und dass es bei jedem Volk so gewesen, zeugen die ältesten Nachrichten. . . .
So löset sich auch der Zweifel eines sprachgelehrten Mannes hiemit leicht auf: ‘Ich weiss nicht, ob es wahr ist, was man in vielen Büchern wiederholet hat, dass bei allen Nationen, die sich durch die schönen Wissenschaften hervorgetan haben, die Poesie eher als die Prose zu einer gewissen Höhe gestiegen sei.’ Es ist allerdings wahr, was alle alte Schriftsteller einmütig behaupten, und was in den neuen Büchern wenig angewandt ist, dass die Poesie lange vorher, ehe es Prose gab, zu ihrer grössten Höhe gestiegen sei, dass diese Prose darauf die Dichtkunst verdrungen, und diese nie wieder ihre vorige Höhe erreichen können. Die ersten Schriftsteller jeder Nation sind Dichter: die ersten Dichter unnachahmlich: zur Zeit der schönen Prose wuchs in Gedichten nichts als die Kunst: sie hatte sich schon über die Erde erhoben und suchte ein Höchstes, bis sie ihre Kräfte erschöpfte und im Äther der Spitzfindigkeit blieb. In der spätern Zeit hat man bloss versifizierte Philosophie oder mittelmässige Poesie.
Ich läugne es also, dass Gegenstände, die auf einander oder deren Teile auf einander folgen, deswegen überhaupt Handlungen heissen:und ebenso läugne ich, dass, weil die Dichtkunst Successionen liefre, sie deswegen Handlungen zum Gegenstande habe. Der Begriff des Successiven ist zu einer Handlung nur die halbe Idee: es muss ein Successives durch Kraft sein: so wird Handlung. Ich denke mir ein in der Zeitfolge wirkendes Wesen, ich denke mir Veränderungen, die durch die Kraft einer Substanz auf einander folgen: so wird Handlung. Und sind Handlungen der Gegenstand der Dichtkunst, so wette ich, wird dieser Gegenstand nie aus dem trocknen Begriff der Succession bestimmt werden können:Kraftist der Mittelpunkt ihrer Sphäre.
Und dies ist die Kraft, die dem Innern der Worte anklebt, die Zauberkraft, die auf meine Seele durch die Phantasie und Erinnerung wirkt: sie ist das Wesen der Poesie. —Der Leser sieht, dass wir sind, wo wir waren, dass nämlich die Poesie durch willkürliche Zeichen wirke; dass in diesem Willkürlichen, in dem Sinne der Worte, ganz und gar die Kraft der Poesie liege; nicht aber in der Folge der Töne und Worte, in den Lauten, so fern sie natürliche Laute sind. . . .
Handlung, Leidenschaft, Empfindung!—auch ich liebe sie in Gedichten über alles: auch ich hasse nichts so sehr als tote stillstehende Schilderungssucht, insonderheit, wenn sie Seiten, Blätter, Gedichte einnimmt; aber nicht mit dem tödlichen Hasse, um jedes einzelne ausführliche Gemälde, wenn es auch coexistent geschildert würde, zu verbannen; nicht mit dem tödlichen Hasse, um jeden Körper nur mit Einem Beiworte an der Handlung Teil nehmen zu lassen, und denn auch nicht aus dem nämlichen Grunde, weil die Poesie in successiven Tönen schildert, oder weil Homer dies und jenes macht und nicht macht—um deswillen nicht.
Wenn ich Eins von Homer lerne, so ist’s, dass die Poesie energisch wirke: nie in der Absicht, um bei dem letzten Zuge ein Werk, Bild, Gemälde (obwohl successive) zu liefern, sondern, dass schon während der Energie die ganze Kraft empfunden werden müsse. Ich lerne von Homer, dass die Wirkung der Poesie nie aufs Ohr, durch Töne, nicht aufs Gedächtnis, wie lange ich einen Zug aus der Succession behalte, sondern auf meine Phantasie wirke; von hieraus also, sonst nirgendsher, berechnet werden müsse. So stelle ich sie gegen die Malerei und beklage, dass Hr. L. diesen Mittelpunkt des Wesensder Poesie, ‘Wirkung auf unsre Seele, Energie,’ nicht zum Augenmerke genommen.
Sie wissen aus Reisebeschreibungen, wie stark und fest sich immer die Wilden ausdrücken. Immer die Sache, die sie sagen wollen, sinnlich, klar, lebendig anschauend: den Zweck, zu dem sie reden, unmittelbar und genau fühlend: nicht durch Schattenbegriffe, Halbideen und symbolischen Letternverstand (von dem sie in keinem Worte ihrer Sprache, da sie fast keine Abstracta haben, wissen),—durch alle dies nicht zerstreuet: noch minder durch Künsteleien, sklavische Erwartungen, furchtsamschleichende Politik und verwirrende Prämeditation verdorben—über alle diese Schwächungen des Geistes seligunwissend, erfassen sie den ganzen Gedanken mit dem ganzen Worte, und dies mit jenem. Sie schweigen entweder, oder reden im Moment des Interesse mit einer unvorbedachten Festigkeit, Sicherheit und Schönheit, die alle wohlstudierte Europäer allezeit haben bewundern müssen und—müssen bleiben lassen. Unsre Pedanten, die alles vorher zusammenstoppeln, und auswendig lernen müssen, um alsdenn recht methodisch zu stammeln; unsre Schulmeister, Küster, Halbgelehrte, Apotheker und alle, die den Gelehrten durchs Haus laufen, und nichts erbeuten, als dass sie endlich, wie Shakespear’s Launcelots, Polizeidiener, und Totengräber uneigen, unbestimmt und wie in der letzten Todesverwirrung sprechen—diese gelehrte Leute, was wären die gegen die Wilden? Wer noch bei uns Spuren von dieser Festigkeit finden will, der suche sie ja nicht bei solchen;—unverdorbene Kinder, Frauenzimmer, Leute von gutem Naturverstande, mehr durch Tätigkeit als Spekulation gebildet, die sind, wenn das, was ich anführete, Beredsamkeit ist, alsdenn die einzigen und besten Redner unsrer Zeit.
In der alten Zeit aber waren es Dichter, Skalden, Gelehrte, die eben diese Sicherheit und Festigkeit des Ausdrucks am meisten mitWürde, mit Wohlklang, mit Schönheit zu paaren wussten; und da sie also Seele und Mund in den festen Bund gebracht hatten, sich einander nicht zu verwirren, sondern zu unterstützen, beizuhelfen: so entstanden daher jene für uns halbe Wunderwerke vonἀοιδοῖς, Sängern, Barden, Minstrels, wie die grössten Dichter der ältesten Zeiten waren. Homers Rhapsodien und Ossians Lieder waren gleichsam Impromptus, weil man damals noch von nichts als Impromptus der Rede wusste: dem letztern sind die Minstrels, wiewohl so schwach und entfernt, gefolgt; indessen doch gefolgt, bis endlich die Kunst kam und die Natur auslöschte. In fremden Sprachen quälte man sich von Jugend auf, Quantitäten von Silben kennen zu lernen, die uns nicht mehr Ohr und Natur zu fühlen gibt; nach Regeln zu arbeiten, deren wenigste ein Genie als Naturregeln anerkennt; über Gegenstände zu dichten, über die sich nichts denken, noch weniger sinnen, noch weniger imaginieren lässt; Leidenschaften zu erkünsteln, die wir nicht haben, Seelenkräfte nachzuahmen, die wir nicht besitzen,—und endlich wurde alles Falschheit, Schwäche und Künstelei. Selbst jeder beste Kopf ward verwirret und verlor Festigkeit des Auges und der Hand, Sicherheit des Gedankens und des Ausdrucks, mithin die wahre Lebhaftigheit und Wahrheit und Andringlichkeit—alles ging verloren. Die Dichtkunst, die die stürmendste, sicherste Tochter der menschlichen Seele sein sollte, ward die ungewisseste, lahmste, wankendste; die Gedichte fein oft corrigierte Knaben- und Schulexercitien.
Shakespear fand vor und um sich nichts weniger als Simplicität von Vaterlandssitten, Taten, Neigungen und Geschichtstraditionen, die das griechische Drama bildete, und da also nach dem ersten metaphysischen Weisheitssatze aus nichts nichts wird, so wäre, Philosophen überlassen, nicht bloss kein griechisches, sondern, wenn’s ausserdem Nichts gibt, auch gar kein Drama in der Welt mehr geworden, und hätte werden können. Da aber Genie bekanntermassen mehr ist als Philosophie, und Schöpfer ein ander Ding alsZergliederer: so war’s ein Sterblicher mit Götterkraft begabt, eben aus dem entgegengesetztesten Stoff, und in der verschiedensten Bearbeitung, dieselbe Wirkung hervorzurufen, Furcht und Mitleid, und beide in einem Grade, wie jener erste Stoff und Bearbeitung es kaum hervorzubringen vermocht! Glücklicher Göttersohn über sein Unternehmen! Eben das neue, erste, ganz Verschiedene, zeigt die Urkraft seines Berufs.
Shakespear fand keinen Chor vor sich, aber wohl Staats- und Marionettenspiele—wohl! Er bildete also aus diesen Staats- und Marionettenspielen, dem so schlechten Leim, das herrliche Geschöpf, das da vor uns steht und lebt. Er fand keinen so einfachen Volks- und Vaterlandscharakter, sondern ein Vielfaches von Ständen, Lebensarten, Gesinnungen, Völkern und Spracharten—der Gram um das Vorige wäre vergebens gewesen;—er dichtete also Stände und Menschen, Völker und Spracharten, König und Narren, Narren und König zu dem herrlichen Ganzen! Er fand keinen so einfachen Geist der Geschichte, der Fabel, der Handlung: er nahm Geschichte, wie er sie fand, und setzte mit Schöpfergeist das verschiedenartigste Zeug zu einem Wunderganzen zusammen, was wir, wenn nicht Handlung im griechischen Verstande, so Aktion im Sinne der mittlern, oder in der Sprache der neuern Zeiten Begebenheit (événement), grosses Ereignis, nennen wollen—o Aristoteles, wenn du erschienest, wie würdest du den neuen Sophokles homerisieren! würdest so eine eigne Theorie über ihn dichten, die jetzt seine Landsleute, Home und Hurd, Pope und Johnson, noch nicht gedichtet haben! Würdest dich freuen, von jedem deiner Stücke, Handlung, Charakter, Meinungen, Ausdruck, Bühne, wie aus zwei Punkten des Dreiecks Linien zu ziehen, die sich oben in Einem Punkte des Zwecks, der Vollkommenheit begegnen! Würdest zu Sophokles sagen: male das heilige Blatt dieses Altars! und du, o nordischer Barde, alle Seiten und Wände dieses Tempels in dein unsterbliches Fresco!
Man lasse mich als Ausleger und Rhapsodisten fortfahren, denn ich bin näher Shakespear als dem Griechen. Wenn bei diesem das Eine einer Handlung herrscht, so arbeitet jener auf das Ganze eines Ereignisses, einer Begebenheit. Wenn bei jenem Ein Ton der Charaktere herrschet, so bei diesem alle Charaktere, Stände und Lebensarten, so viel nur fähig und nötig sind, den Hauptklang seinesConcerts zu bilden. Wenn in jenem Eine singende feine Sprache, wie in einem höheren Äther tönet, so spricht dieser die Sprache aller Alter, Menschen und Menschenarten, ist Dolmetscher der Natur in all ihren Zungen—und auf so verschiedenen Wegen beide Vertraute Einer Gottheit. Und wenn jener Griechen vorstellt und lehrt und rührt und bildet, so lehrt, rührt und bildet Shakespear nordische Menschen! Mir ist, wenn ich ihn lese, Theater, Acteur, Coulisse verschwunden! Lauter einzelne im Sturm der Zeiten wehende Blätter aus dem Buch der Begebenheiten, der Vorsehung, der Welt! einzelne Gepräge der Völker, Stände, Seelen! die alle die verschiedenartigsten und abgetrenntest handelnden Maschinen—was wir in der Hand des Weltschöpfers sind—unwissende, blinde Werkzeuge zum ganzen Eines theatralischen Bildes, Einer Grösse habenden Begebenheit, die nur der Dichter überschauet. Wer kann sich einen grössern Dichter der nordischen Menschheit, und in dem Zeitalter, denken!
Die dunkeln Seiten dieses Zeitraums [des Mittelalters] stehen in allen Büchern: jeder klassische Schöndenker, der die Polizierung unsres Jahrhunderts fürsnon plus ultrader Menschheit hält, hat Gelegenheit ganze Jahrhunderte auf Barbarei, elendes Staatsrecht, Aberglauben und Dummheit, Mangel der Sitten und Abgeschmacktheit—in Schulen, in Landsitzen, in Tempeln, in Klöstern, in Rathäusern, in Handwerkszünften, in Hütten und Häusern zu schmälen und über das Licht unsres Jahrhunderts, das ist, über seinen Leichtsinn und Ausgelassenheit, über seine Wärme in Ideen und Kälte in Handlungen, über seine scheinbare Stärke und Freiheit, und über seine wirkliche Todesschwäche und Ermattung unter Unglauben, Despotismus und Üppigkeit zu lobjauchzen. Davon sind alle Bücher unsrer Voltäre und Hume, Robertsons und Iselins voll, und es wird ein so schön Gemälde, wie sie die Aufklärung und Verbesserung der Welt aus den trüben Zeiten des Deismus und Despotismus der Seelen, d.i. zu Philosophie und Ruhe herleiten—dass dabei jedem Liebhaber seiner Zeit das Herz lacht.. . .
Dass es jemanden in der Welt unbegreiflich wäre, wie Licht die Menschen nicht nährt! Ruhe und Üppigkeit und sogenannte Gedankenfreiheit nie allgemeine Glückseligkeit und Bestimmung sein kann! Aber Empfindung, Bewegung, Handlung—wenn auch in der Folge ohne Zweck (was hat auf der Bühne der Menschheit ewigen Zweck?), wenn auch mit Stössen und Revolutionen, wenn auch mit Empfindungen, die hie und da schwärmerisch, gewaltsam, gar abscheulich werden—als Werkzeug in den Händen des Zeitlaufs, welche Macht! welche Wirkung! Herz und nicht Kopf genährt! mit Neigungen und Trieben alles gebunden, nicht mit kränkelnden Gedanken! Andacht und Ritterehre, Liebeskühnheit und Bürgerstärke—Staatsverfassung und Gesetzgebung, Religion. —Ich will nichts weniger als die ewigen Völkerzüge und Verwüstungen, Vasallenkriege und Befehdungen, Mönchsheere, Wallfahrten, Kreuzzüge verteidigen; nur erklären möchte ich sie: wie in allem doch Geist hauchet! Gährung menschlicher Kräfte! Grosse Kur der ganzen Gattung durch gewaltsame Bewegung, und wenn ich so kühn reden darf, das Schicksal zog, (allerdings mit grossem Getöse, und ohne dass die Gewichte da ruhig hangen konnten,) die grosse abgelaufene Uhr auf! Da rasselten also die Räder!
1.First Collection (1767); see Suphan’s edition of Herder’s works, Vol. I, page 152.2.In hisKritische Wälder(1769) Herder subjected Lessing’sLaokoonto a searching criticism. The passages here given—see Suphan’s edition, Vol. 3, pages 139 ff.—are addressed to the theory advanced in the last of the foregoing selections from Lessing.3.Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian und die Lieder alter Völkerwas published in 1773, as part of a collection of papers (by Herder, Goethe and Möser) entitledVon deutscher Art und Kunst. See Suphan’s Herder, Vol. 5, page 155.4.Published in the aforementioned collectionVon deutscher Art und Kunst(1773). See Suphan’s Herder, Vol. 5, page 208.5.The bookletAuch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheitwas published in 1774. See Suphan’s Herder, Vol. 5, page 475.
1.First Collection (1767); see Suphan’s edition of Herder’s works, Vol. I, page 152.
2.In hisKritische Wälder(1769) Herder subjected Lessing’sLaokoonto a searching criticism. The passages here given—see Suphan’s edition, Vol. 3, pages 139 ff.—are addressed to the theory advanced in the last of the foregoing selections from Lessing.
3.Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian und die Lieder alter Völkerwas published in 1773, as part of a collection of papers (by Herder, Goethe and Möser) entitledVon deutscher Art und Kunst. See Suphan’s Herder, Vol. 5, page 155.
4.Published in the aforementioned collectionVon deutscher Art und Kunst(1773). See Suphan’s Herder, Vol. 5, page 208.
5.The bookletAuch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheitwas published in 1774. See Suphan’s Herder, Vol. 5, page 475.
1749-1832. The long-gathering promise of a German literary renascence was splendidly fulfilled in the genius of Goethe. In all thegenreshe wrought with high and peculiar distinction; and so intensely and fully did he live the life of his epoch that he has come to be regarded astherepresentative of the modern spirit. A great critic has called him ‘the clearest, largest, and most helpful thinker of modern times.’ The scope of this book is such that only the youthful Goethe is represented in the selections.
Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch,
Und Freud’ und Wonne
Aus jeder Brust.
O Erd’, o Sonne!
O Glück, o Lust!
O Lieb’, o Liebe,
So golden schön.
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn!
Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blütendampfe
Die volle Welt.
O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb’ ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!
So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,
Wie ich dich liebe
Mit warmem Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud’ und Mut
Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst!
Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
Es war getan fast eh gedacht;
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht.
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr.
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer;
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!
Dich sah ich, und die milde Freude
Floss von dem süssen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite,
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich—ihr Götter!
Ich hofft’ es, ich verdient’ es nicht!
Doch ach, schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen welche Wonne!
In deinem Auge welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden,
Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!
Herz, mein Herz, was soll das geben?
Was bedränget dich so sehr?
Welch ein fremdes neues Leben!
Ich erkenne dich nicht mehr.
Weg ist alles, was du liebtest,
Weg warum du dich betrübtest,
Weg dein Fleiss und deine Ruh—
Ach, wie kamst du nur dazu!
Fesselt dich die Jugendblüte,
Diese liebliche Gestalt,
Dieser Blick voll Treu’ und Güte
Mit unendlicher Gewalt?
Will ich rasch mich ihr entziehen,
Mich ermannen, ihr entfliehen,
Führet mich im Augenblick,
Ach, mein Weg zu ihr zurück.
Und, an diesem Zauberfädchen,
Das sich nicht zerreissen lässt,
Hält das liebe lose Mädchen
Mich so wider Willen fest;
Muss in ihrem Zauberkreise
Leben nun auf ihre Weise.
Die Verändrung ach wie gross!
Liebe! Liebe! lass mich los!
Dem Schnee, dem Regen,
Dem Wind entgegen,
Im Dampf der Klüfte,
Durch Nebeldüfte,
Immer zu! Immer zu!
Ohne Rast und Ruh!
Lieber durch Leiden
Möcht’ ich mich schlagen,
Als so viel Freuden
Des Lebens ertragen.
Alle das Neigen
Von Herzen zu Herzen,
Ach, wie so eigen
Schaffet das Schmerzen!
Wie soll ich fliehen?
Wälderwärts ziehen?
Alles vergebens!
Krone des Lebens!
Glück ohne Ruh,
Liebe, bist du!
Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schifer
Glatte Fläche rings umher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuern Weite
Reget keine Welle sich.
Die Nebel zerreissen,
Der Himmel ist helle,
Und Äolus löset
Das ängstliche Band.
Es säuseln die Winde,
Es rührt sich der Schiffer.
Geschwinde! Geschwinde!
Es teilt sich die Welle,
Es naht sich die Ferne;
Schon seh’ ich das Land!
Der du von dem Himmel bist,
Alles Leid und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest,
Ach ich bin des Treibens müde!
Was soll all der Schmerz und Lust?
Süsser Friede,
Komm, ach komm in meine Brust!
Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest du
Kaum einen Hauch:
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.
Es war ein König in Thule
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.
Es ging ihm nichts darüber,
Er leert’ ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
So oft er trank daraus.
Und als er kam zu sterben,
Zählt’ er seine Städt’ im Reich,
Gönnt’ alles seinem Erben,
Den Becher nicht zugleich.
Er sass beim Königsmahle,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Vätersaale,
Dort auf dem Schloss am Meer.
Dort stand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensglut,
Und warf den heilgen Becher
Hinunter in die Flut.
Er sah ihn stürzen, trinken,
Und sinken tief ins Meer.
Die Augen täten ihm sinken;
Trank nie einen Tropfen mehr.
Bedecke deinen Himmel, Zeus,Mit Wolkendunst,Und übe, dem Knaben gleich,Der Disteln köpft,5An Eichen dich und Bergeshöhn;Musst mir meine ErdeDoch lassen stehn,Und meine Hütte, die du nicht gebaut,Und meinen Herd,10Um dessen GlutDu mich beneidest.Ich kenne nichts ÄrmeresUnter der Sonn’, als euch, Götter!Ihr nähret kümmerlich15Von OpfersteuernUnd GebetshauchEure Majestät,Und darbtet, wärenNicht Kinder und Bettler20Hoffnungsvolle Toren.Da ich ein Kind war,Nicht wusste wo aus noch ein,Kehrt’ ich mein verirrtes AugeZur Sonne, als wenn drüber wär’25Ein Ohr, zu hören meine Klage,Ein Herz, wie meins,Sich des Bedrängten zu erbarmen.Wer half mirWider der Titanen Übermut?30Wer rettete vom Tode mich,Von Sclaverei?Hast du nich alles selbst vollendet,Heilig glühend Herz?Und glühtest jung und gut,35Betrogen, RettungsdankDem Schlafenden da droben?Ich dich ehren? Wofür?Hast du die Schmerzen gelindertJe des Beladenen?40Hast du die Tränen gestilletJe des Geängsteten?Hat nicht mich zum Manne geschmiedetDie allmächtige ZeitUnd das ewige Schicksal,45Meine Herren und deine?Wähntest du etwa,Ich sollte das Leben hassen,In Wüsten fliehen,Weil nicht alle50Blütenträume reiften?Hier sitz’ ich, forme Menschen,Nach meinem BildeEin Geschlecht, das mir gleich sei,Zu leiden, zu weinen,55Zu geniessen und zu freuen sich,Und dein nicht zu achten,Wie ich!
Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst,
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn;
Musst mir meine Erde
Doch lassen stehn,
Und meine Hütte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Glut
Du mich beneidest.
Ich kenne nichts Ärmeres
Unter der Sonn’, als euch, Götter!
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät,
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Toren.
Da ich ein Kind war,
Nicht wusste wo aus noch ein,
Kehrt’ ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber wär’
Ein Ohr, zu hören meine Klage,
Ein Herz, wie meins,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.
Wer half mir
Wider der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sclaverei?
Hast du nich alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?
Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herren und deine?
Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehen,
Weil nicht alle
Blütenträume reiften?
Hier sitz’ ich, forme Menschen,
Nach meinem Bilde
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, zu weinen,
Zu geniessen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!
Am 10 Mai.
Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele eingenommen, gleich den süssen Frühlingsmorgen, die ich mit ganzem Herzen geniesse. Ich bin allein und freue mich meines Lebens in dieser Gegend, die für solche Seelen geschaffen ist wie die meine. Ich binso glücklich, mein Bester, so ganz in dem Gefühle von ruhigem Dasein versunken, dass meine Kunst darunter leidet. Ich könnte jetzt nicht zeichnen, nicht einen Strich, und bin nie ein grösserer Maler gewesen als in diesen Augenblicken. Wenn das liebe Tal um mich dampft, und die hohe Sonne an der Oberfläche der undurchdringlichen Finsternis meines Waldes ruht, und nur einzelne Strahlen sich in das innere Heiligtum stehlen, ich dann im hohen Grase am fallenden Bache liege, und näher an der Erde tausend mannichfaltige Gräschen mir merkwürdig werden; wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen unergründlichen Gestalten der Würmchen, der Mückchen näher an meinem Herzen fühle, und fühle die Gegenwart des Allmächtigen, der uns nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Allliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält; mein Freund! wenn’s dann um meine Augen dämmert, und die Welt um mich her und der Himmel ganz in meiner Seele ruhen wie die Gestalt einer Geliebten; dann sehne ich mich oft und denke: ach könntest du das wieder ausdrücken, könntest du dem Papiere das einhauchen, was so voll, so warm in dir lebt, dass es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes! —Mein Freund— Aber ich gehe darüber zu Grunde, ich erliege unter der Gewalt der Herrlichkeit dieser Erscheinungen.
Am 13. Mai.
Du fragst, ob du mir meine Bücher schicken sollst? —Lieber, ich bitte dich um Gottes willen, lass mir sie vom Halse! Ich will nicht mehr geleitet, ermuntert, angefeuert sein, braust doch dieses Herz genug aus sich selbst; ich brauche Wiegengesang, und den habe ich in seiner Fülle gefunden in meinem Homer. Wie oft lull’ ich mein empörtes Blut zur Ruhe, denn so ungleich, so unstät, hast du nichts gesehen als dieses Herz. Lieber! brauch’ ich dir das zu sagen, der du so oft die Last getragen hast, mich vom Kummer zur Ausschweifung und von süsser Melancholie zur verderblichen Leidenschaft übergehen zu sehen? Auch halte ich mein Herzchen wie ein krankes Kind; jeder Wille wird ihm gestattet. Sage das nicht weiter, es gibt Leute, die mir es verübeln würden.
Am 12. October.
Ossian hat in meinem Herzen den Homer verdrängt. Welch eine Welt, in die der Herrliche mich führt! Zu wandern über die Heide, umsaust vom Sturmwinde, der in dampfenden Nebeln die Geister der Väter im dämmernden Lichte des Mondes hinführt. Zu hören vom Gebirge her im Gebrülle des Waldstroms halb verwehtes Ächzen der Geister aus ihren Höhlen, und die Wehklagen des zu Tode sich jammernden Mädchens, um die vier moosbedeckten grasbewachsenen Steine des Edelgefallnen, ihres Geliebten. Wenn ich ihn dann finde, den wandelnden grauen Barden, der auf der weiten Heide die Fussstapfen seiner Väter sucht, und ach! ihre Grabsteine findet, und dann jammernd nach dem lieben Sterne des Abends hinblickt, der sich ins rollende Meer verbirgt, und die Zeiten der Vergangenheit in des Helden Seele lebendig werden, da noch der freundliche Strahl den Gefahren der Tapferen leuchtete, und der Mond ihr bekränztes siegrückkehrendes Schiff beschien. Wenn ich den tiefen Kummer auf seiner Stirn lese, den letzten verlassenen Herrlichen in aller Ermattung dem Grabe zu wanken sehe, wie er immer neue schmerzlich glühende Freuden in der kraftlosen Gegenwart der Schatten seiner Abgeschiedenen einsaugt, und nach der kalten Erde, dem hohen wehenden Grase niedersieht und ausruft: Der Wanderer wird kommen, kommen, der mich kannte in meiner Schönheit, und fragen: Wo ist der Sänger, Fingals trefflicher Sohn? Sein Fusstritt geht über mein Grab hin, und er fragt vergebens nach mir auf der Erde. —O Freund! Ich möchte gleich einem edlen Waffenträger das Schwert ziehen, meinen Fürsten von der zückenden Qual des langsam absterbenden Lebens befreien und dem befreiten Halbgott meine Seele nachsenden.
Am 3. November.
Weiss Gott! ich lege mich so oft zu Bette mit dem Wunsche, ja manchmal mit der Hoffnung, nicht wieder zu erwachen; und morgens schlage ich die Augen auf, sehe die Sonne wieder und bin elend. O dass ich launisch sein könnte, könnte die Schuld aufs Wetter, auf einen Dritten, auf eine fehlgeschlagene Unternehmung schieben, sowürde die unerträgliche Last des Unwillens doch nur halb auf mir ruhen. Wehe mir! ich fühle zu wahr, dass an mir allein alle Schuld liegt—nicht Schuld! Genug, dass in mir die Quelle alles Elendes verborgen ist, wie ehemals die Quelle aller Seligkeiten. Bin ich nicht noch eben derselbe, der ehemals in aller Fülle der Empfindung herumschwebte, dem auf jedem Tritte ein Paradies folgte, der ein Herz hatte, eine ganze Welt liebevoll zu umfassen? Und dies Herz ist jetzt tot, aus ihm fliessen keine Entzückungen mehr, meine Augen sind trocken, und meine Sinne, die nicht mehr von erquickenden Tränen gelabt werden, ziehen ängstlich meine Stirn zusammen. Ich leide viel, denn ich habe verloren was meines Lebens einzige Wonne war, die heilige Kraft, mit der ich Welten um mich schuf; sie ist dahin! —Wenn ich zu meinem Fenster hinaus an den fernen Hügel sehe, wie die Morgensonne über ihn her den Nebel durchbricht und den stillen Wiesengrund bescheint, und der sanfte Fluss zwischen seinen entblätterten Weiden zu mir herschlängelt,—o! wenn da diese herrliche Natur so starr vor mir steht wie ein lackiertes Bildchen, und alle die Wonne keinen Tropfen Seligkeit aus meinem Herzen herauf in das Gehirn pumpen kann, und der ganze Kerl vor Gottes Angesicht steht wie ein versiegter Brunnen, wie ein verlechter Eimer. Ich habe mich oft auf den Boden geworfen und Gott um Tränen gebeten, wie ein Ackersmann um Regen, wenn der Himmel ehern über ihm ist, und um ihn die Erde verdürstet.
Frei wären die Schweizer? frei diese wohlhabenden Bürger in den verschlossenen Städten? frei diese armen Teufel an ihren Klippen und Felsen? Was man dem Menschen nicht alles weiss machen kann! Besonders wenn man so ein altes Märchen in Spiritus aufbewahrt. Sie machten sich einmal von einem Tyrannen los und konnten sich in einem Augenblick frei denken; nun erschuf ihnen die liebe Sonne aus dem Aas des Unterdrückers einen Schwarm vonkleinen Tyrannen durch eine sonderbare Wiedergeburt. Nun erzählen sie das alte Märchen immer fort, man hört bis zum Überdruss: sie hätten sich einmal frei gemacht und wären frei geblieben. Und nun sitzen sie hinter ihren Mauern, eingefangen von ihren Gewohnheiten und Gesetzen, ihren Fraubasereien und Philistereien, und da draussen auf den Felsen ist’s auch wohl der Mühe wert von Freiheit zu reden, wenn man das halbe Jahr vom Schnee wie ein Murmeltier gefangen gehalten wird.
Pfui! wie sieht so ein Menschenwerk und so ein schlechtes notgedrungenes Menschenwerk, so ein schwarzes Städtchen, so ein Schindel- und Steinhaufen, mitten in der grossen herrlichen Natur aus! Grosse Kiesel- und andere Steine auf den Dächern, dass ja der Sturm ihnen die traurige Decke nicht vom Kopfe wegführe, und den Schmutz, den Mist! und staunende Wahnsinnige! —Wo man den Menschen nur wieder begegnet, möchte man von ihnen gleich davon fliehen.
Dass in den Menschen so viele geistige Anlagen sind, die sie im Leben nicht entwickeln können, die auf eine bessere Zukunft, auf ein harmonisches Dasein deuten, darin sind wir einig, mein Freund, und meine andere Grille kann ich auch nicht aufgeben, ob du mich gleich schon oft für einen Schwärmer erklärt hast. Wir fühlen auch die Ahnung körperlicher Anlagen, auf deren Entwickelung wir in diesem Leben Verzicht tun müssen: so ist es ganz gewiss mit dem Fliegen. So wie mich sonst die Wolken schon reizten, mit ihnen fort in fremde Länder zu ziehen, wenn sie hoch über meinem Haupte wegzogen, so steh’ ich jetzt oft in Gefahr, dass sie mich von einer Felsenspitze mitnehmen, wenn sie an mir vorbeiziehen. Welche Begierde fühl’ ich, mich in den unendlichen Luftraum zu stürzen, über den schauerlichen Abgründen zu schweben und mich auf einen unzugänglichen Felsen niederzulassen. Mit welchem Verlangen hol’ ich tiefer und tiefer Atem, wenn der Adler in dunkler blauer Tiefe, unter mir, über Felsen und Wäldern schwebt, und in Gesellschaft eines Weibchens um den Gipfel, dem er seinen Horst und seine Jungen anvertraut hat, grosse Kreise in sanfter Eintracht zieht. Soll ich denn nur immer die Höhe erkriechen, am höchsten Felsenwie am niedrigsten Boden kleben, und wenn ich mühselig mein Ziel erreicht habe, mich ängstlich anklammern, vor der Rückkehr schaudern und vor dem Falle zittern?
12From ‘Faust’: ‘Feeling is everything.’MargareteVersprich mir, Heinrich!FaustWas ich kann!MargareteNun sag’, wie hast du’s mit der Religion?Du bist ein herzlich guter Mann,Allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon.Faust5Lass das, mein Kind! Du fühlst, ich bin dir gut;Für meine Lieben liess’ ich Leib und Blut,Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.MargareteDas ist nicht recht, man muss dran glauben!FaustMuss man?MargareteAch! wenn ich etwas auf dich könnte!10Du ehrst auch nicht die heilgen Sacramente.FaustIch ehre sie.MargareteDoch ohne Verlangen.Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangenGlaubst du an Gott?FaustMein Liebchen, wer darf sagen:Ich glaub’ an Gott?15Magst Priester oder Weise fragen,Und ihre Antwort scheint nur SpottÜber den Frager zu sein.MargareteSo glaubst du nicht?FaustMishör’ mich nicht, du holdes Angesicht!Wer darf ihn nennen?20Und wer bekennen:Ich glaub’ ihn?Wer empfindenUnd sich unterwindenZu sagen: ich glaub’ ihn nicht?25Der Allumfasser,Der Allerhalter,Fasst und erhält er nichtDich, mich, sich selbst?Wölbt sich der Himmel nicht da droben?30Liegt die Erde nicht hierunten fest?Und steigen freundlich blickendEwige Sterne nicht herauf?Schau’ ich nicht Aug’ in Auge dir,Und drängt nicht alles35Nach Haupt und Herzen dir,Und webt in ewigem GeheimnisUnsichtbar sichtbar neben dir?Erfüll’ davon dein Herz, so gross es ist,Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,40Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!Ich habe keinen NamenDafür! Gefühl ist alles;Name ist Schall und Rauch,Umnebelnd Himmelsglut.Margarete45Das ist alles recht schön und gut;Ungefähr sagt das der Pfarrer auch,Nur mit ein bischen andern Worten.FaustEs sagen’s aller OrtenAlle Herzen unter dem himmlischen Tage,50Jedes in seiner Sprache;Warum nicht ich in der meinen?MargareteWenn man’s so hört, möcht’s leidlich scheinen,Steht aber doch immer schief darum;Denn du hast kein Christentum.
Margarete
Versprich mir, Heinrich!
Faust
Was ich kann!
Margarete
Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon.
Faust
Lass das, mein Kind! Du fühlst, ich bin dir gut;
Für meine Lieben liess’ ich Leib und Blut,
Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.
Margarete
Das ist nicht recht, man muss dran glauben!
Faust
Muss man?
Margarete
Ach! wenn ich etwas auf dich könnte!
Du ehrst auch nicht die heilgen Sacramente.
Faust
Ich ehre sie.
Margarete
Doch ohne Verlangen.
Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen
Glaubst du an Gott?
Faust
Mein Liebchen, wer darf sagen:
Ich glaub’ an Gott?
Magst Priester oder Weise fragen,
Und ihre Antwort scheint nur Spott
Über den Frager zu sein.
Margarete
So glaubst du nicht?
Faust
Mishör’ mich nicht, du holdes Angesicht!
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
Ich glaub’ ihn?
Wer empfinden
Und sich unterwinden
Zu sagen: ich glaub’ ihn nicht?
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Fasst und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst?
Wölbt sich der Himmel nicht da droben?
Liegt die Erde nicht hierunten fest?
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau’ ich nicht Aug’ in Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimnis
Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfüll’ davon dein Herz, so gross es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!
Ich habe keinen Namen
Dafür! Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsglut.
Margarete
Das ist alles recht schön und gut;
Ungefähr sagt das der Pfarrer auch,
Nur mit ein bischen andern Worten.
Faust
Es sagen’s aller Orten
Alle Herzen unter dem himmlischen Tage,
Jedes in seiner Sprache;
Warum nicht ich in der meinen?
Margarete
Wenn man’s so hört, möcht’s leidlich scheinen,
Steht aber doch immer schief darum;
Denn du hast kein Christentum.
1.TheBriefe aus der Schweiz, in two parts, were first published in 1808 as an ‘appendix’ toWerther. They were said to be ‘from Werther’s papers.’ In substance and sentiment, if not in form, they reproduce real letters written by Goethe in his youth.
1.TheBriefe aus der Schweiz, in two parts, were first published in 1808 as an ‘appendix’ toWerther. They were said to be ‘from Werther’s papers.’ In substance and sentiment, if not in form, they reproduce real letters written by Goethe in his youth.
The name ‘Storm and Stress,’ derived from a play of Klinger (see below), has long been in use to denote the insurgent spirit of the youthful Goethe (beginning withGötz von Berlichingenin 1773), and of certain other writers who followed in his wake. Aside from Schiller, whose early plays are the strongest expression of the revolutionary tendencies, the other more important names are Klinger, Wagner, Lenz, Leisewitz, and Maler Müller. Their favorite form was the prose tragedy of middle-class life. They wrote of crime and remorse; of fratricide, seduction, rape and child-murder; of class conflict, and of fierce passion at war with the social order. While their plays were meant to exemplify a fearless ‘naturalism,’ the language is often unnaturally extravagant and the plots wildly improbable. For the texts see Kürschner’sNationalliteratur,Vols.79-81.