Zimmer im Gasthofe.Wild, La Feu, Blasius(treten auf in Reisekleidern).Wild.Heida! nun einmal in Tumult und Lärmen, dass die Sinnen herumfahren wie Dachfahnen beim Sturm! Das wilde Geräusch hat mir schon so viel Wohlsein entgegengebrüllt, dass mir’s wirklich ein wenig anfängt besser zu werden. Soviel hundert Meilen gereiset, um dich in vergessenden Lärmen zu bringen—tolles Herz! du sollst mir’s danken! Ha! tobe und spanne dich dann aus, labe dich im Wirrwar! —Wie ist’s euch?Blasius.Geh zum Teufel! Kommt meine Donna nach?La Feu.Mach dir Illusion, Narr! Sollt’ mir nicht fehlen, sie von meinem Nagel in mich zu schlürfen, wie einen Tropfen Wasser. Es lebe die Illusion! —Ei, ei! Zauber meiner Phantasie, wandle in den Rosengärten von Phyllis’ Hand geführt—Wild.Stärk’ dich Apoll, närrischer Junge!La Feu.Es soll mir nicht fehlen, das schwarze verrauchte Haus gegenüber, mitsamt dem alten Turm, in ein Feenschloss zu verwandeln. Zauber, Zauberphantasie!— (lauschend) Welch lieblich geistige Symphonieen treffen mein Ohr? —Beim Amor! ich will mich wie ein alt Weib verlieben, in einem alten baufälligen Haus wohnen, meinen zarten Leib in stinkenden Mistlaken baden, bloss um meine Phantasie zu scheren. Ist keine alte Hexe da, mit der ich scharmieren könnte? Ihre Runzeln sollen mir zu Wellenlinien der Schönheit werden; ihre herausstehende schwarze Zähne zu marmornen Säulen an Dianens Tempel; ihre herabhangende lederne Zitzen Helenens Busen übertreffen. Einen so aufzutrocknen, wie mich! —He, meine phantastische Göttin! —Wild, ich kann dir sagen, ich hab’ mich brav gehalten die Tour her. Hab’ Dinge gesehen, gefühlt, die kein Hund geschmeckt, keine Nase gerochen, kein Aug gesehen, kein Geist erschwungen—Wild.Besonders wenn ich dir die Augen zuband. Ha! Ha!La Feu.Zum Orcus! du Ungestüm!— Aber sag’ mir nun auch einmal, wo sind wir in der wirklichen Welt jetzt? In London doch?Wild.Freilich. Merktest du denn nicht, dass wir uns einschifften? Du warst ja seekrank.La Feu.Weiss von allem nichts, bin an allem unschuldig.— Lebt denn mein Vater noch? Schick doch einmal zu ihm, Wild, und lass ihm sagen, sein Sohn lebe noch. Käme soeben von den Pyrenäischen Gebirgen aus Friesland. Weiter nichts.Wild.Aus Friesland?La Feu.In welchem Viertel der Stadt sind wir dann?Wild.In einem Feenschloss, La Feu! Siehst du nicht den goldnen Himmel? die Amors und Amouretten? die Damen und Zwergchen?La Feu.Bind’ mir die Augen zu! (Wild bindet ihm zu.) Wild! Esel! Ochse! nicht zu hart! (Wild bindet ihn los.) He! Blasius, lieber, bissiger, kranker Blasius, wo sind wir?Blasius.Was weiss ich?Wild.Um euch einmal aus dem Traum zu helfen, so wisst, dass ich euch aus Russland nach Spanien führte, weil ich glaubte, der König fange mit dem Mogol Krieg an. Wie aber die spanische Nation träge ist, so war’s auch hier. Ich packte euch also wieder auf, und nun seid ihr mitten im Krieg in Amerika. Ha! lass mich’s nur recht fühlen, auf amerikanischem Boden zu stehen, wo alles neu, alles bedeutend ist. Ich trat ans Land—O dass ich keine Freude rein fühlen kann!La Feu.Krieg und Mord! o meine Gebeine! o meine Schutzgeister! —So gib mir doch ein Feenmärchen! o weh mir!Blasius.Dass dich der Donner erschlüg’, toller Wild! was hast du wieder gemacht? Ist Donna Isabella noch? He! willst du reden? meine Donna!Wild.Ha! Ha! Ha! du wirst ja einmal ordentlich aufgebracht.Blasius.Aufgebracht? Einmal aufgebracht? Du sollst mir’s mit deinem Leben bezahlen, Wild! Was? bin ich wenigstens ein freier Mensch. Geht Freundschaft so weit, dass du in deinen Rasereien einen durch die Welt schleppst wie Kuppelhunde? Uns in die Kutsche zu binden, die Pistole vor die Stirn zu halten, immerfort, klitsch! klatsch! In der Kutsche essen, trinken, uns für Rasende auszugeben, In Krieg und Getümmel von meiner Passion weg, das einzige, was mir übrig blieb—Wild.Du liebst ja nichts, Blasius.Blasius.Nein, ich liebe nichts. Ich hab’s so weit gebracht, nichts zu lieben, und im Augenblick alles zu lieben, und im Augenblick alles zu vergessen. Ich betrüge alle Weiber, dafür betrügen und betrogen mich alle Weiber. Sie haben mich geschunden und zusammengedrückt, dass Gott erbarm’! Ich hab’ alle Figuren angenommen. Dort war ich Stutzer, dort Wildfang, dort tölpisch, dort empfindsam, dort Engelländer, und meine grösste Conquete machte ich, da ich nichts war. Das war bei Donna Isabella. Um wieder zurückzukommen—deine Pistolen sind geladen—Wild.Du bist ein Narr, Blasius, und verstehst keinen Spass.Blasius.Schöner Spass dies! Greif zu! ich bin dein Feind den Augenblick.Wild.Mit dir mich schiessen? Sieh, Blasius! Ich wünschte jetzt in der Welt nichts als mich herumzuschlagen, um meinem Herzen einen Lieblingsschmaus zu geben. Aber mit dir? Ha! Ha! (Hält ihm die Pistole vor.) Sieh ins Mundloch und sag, ob dir’s nicht grösser vorkommt als ein Tor in London? Sei gescheit, Freund! Ich brauch’ und lieb’ euch noch, und ihr mich vielleicht auch. Der Teufel konnte keine grössre Narren und Unglücksvögel zusammen führen als uns. Deswegen müssen wir zusammen bleiben, und auch des Spasses halben. Unser Unglück kommt aus unserer eignen Stimmung des Herzens, die Welt hat dabei getan, aber weniger als wir.Blasius.Toller Kerl! Ich bin ja ewig am Bratspiess.La Feu.Mich haben sie lebendig geschunden und mit Pfeffer eingepökelt. —Die Hunde!Wild.Wir sind nun mitten im Krieg hier, die einzige Glückseligkeit, die ich kenne, im Krieg zu sein. Geniesst der Scenen, tut was ihr wollt.La Feu.Ich bin nicht für’n Krieg.Blasius.Ich bin für nichts.Wild.Gott mach euch noch matter! —Es ist mir wieder so taub vorm Sinn. So gar dumpf. Ich will mich über eine Trommelspannen lassen, um eine neue Ausdehnung zu kriegen. Mir ist so weh wieder. O könnte ich in dem Raum dieser Pistole existieren, bis mich eine Hand in die Luft knallte! O Unbestimmtheit! wie weit, wie schief führst du die Menschen!2From Leisewitz’ ‘Julius of Tarentum,’ Act 3, Scene 3.2Guido, JuliusGuido.Julius, kannst du die Tränen eines Vaters ertragen? Ich kann’s nicht.Julius.Ach, Bruder, wie könnt’ ich?Guido.Meine ganze Seele ist aus ihrer Fassung, ich möchte mir das Gewühl einer Schlacht wünschen, um wieder zu mir selbst zu kommen. —Und das kann eine Träne? Ach, was ist der Mut für ein wunderbares Ding! Fast möchte ich sagen, keine Stärke der Seele, bloss Bekanntschaft mit einem Gegenstande—und wenn das ist, ich bitte dich, was hat der Held, den eine Träne ausser sich bringt, an innerer Würde vor dem Weibe voraus, das vor einer Spinne auffährt?Julius.Bruder, wie sehr gefällt mir dieser dein Ton!Guido.Mir nicht, wie kann mir meine Schwäche gefallen! Ich fühle, dass ich nicht Guido bin. Wahrhaftig, ich zittre—o wenn das ist, so werd’ ich bald auf die rechte Spur kommen!—ich hab’ ein Fieber!Julius.Seltsam—dass sich ein Mensch schämt, dass sein Temperament stärker ist als seine Grundsätze.Guido.Lass uns nicht weiter davon reden!—meine jetzige Laune könnte darüber verfliegen, und ich will sie nutzen! Man muss gewisse Entschlüsse in diesem Augenblick ausführen, aus Furcht, sie möchten uns in den künftigen gereuen. Du weisst es, Bruder, ich liebe Blancan, und habe meine Ehre zum Pfande gegeben,dass ich sie besitzen wollte. —Aber diese Tränen machen mich wankend.Julius.Du setzest mich in Erstaunen.Guido.Ich glaube meiner Ehre genug getan zu haben, wenn sie niemand anders besitzt, wenn sie bleibt, was sie ist—denn wer kann auf den Himmel eifersüchtig sein? Aber du siehst, wenn ich meine Ansprüche aufgebe, so musst du auch die deinigen, mit all den Entwürfen, sie jemals in Freiheit zu setzen, aufgeben. —Lass uns das tun, und wieder Brüder und Söhne sein! —Wie wird sich unser Vater freuen, wenn er uns beide zu gleicher Zeit am Ziel sieht, wenn wir beide aus dem Kampfe mit einander als Sieger zurückkommen, und keiner überwunden. —Und noch heute muss das geschehen, heut’ an seinem Geburtstage.Julius.Ach, Guido!Guido.Eine entscheidende Antwort!Julius.Ich kann nicht.Guido.Du willst nicht? so kann ich auch nicht. Aber von nun an bin ich unschuldig an diesen väterlichen Tränen, ich schwör’ es, ich bin unschuldig. Auch ich bekäme meinen Anteil davon, sagt’ er. —Siehe, ich wälze ihn hiemit auf dich. Dein ist die ganze Erbschaft von Tränen und Flüchen!Julius.Du bist ungerecht,—glaubst du denn, dass sich eine Leidenschaft so leicht ablegen lasse, wie eine Grille, und dass man die Liebe an- und ausziehen könne, wie einen Harnisch? —Ob ich will—ob ich will—wer liebt, will lieben und weiter nichts. —Liebe ist die grosse Feder in dieser Maschine; und hast du je eine so widersinnig künstliche Maschine gesehen, die selbst ein Rad treibt, um sich zu zerstören, und doch noch eine Maschine bleibt?Guido.Ungemein fein, ungemein gründlich—aber unser armer Vater wird sterben!Julius.Wenn das geschieht, so bist du sein Mörder! —Deine Eifersucht wird ihn töten, und hast du nicht eben gesagt, du könntest deine Ansprüche aufgeben, wenn du wolltest—heisst das nicht gestehen, dass du sie nicht liebst, und doch bleibst du halsstarrig? Dein Aufgeben wär’ nicht Tugend gewesen, aber dein Beharren ist Laster!Guido.Bravo! Bravo! Das war unerwartet.Julius.Und was meinst du denn?Guido.Ich will mich erst ausfreuen, dass die Weisheit eben so eine schlanke geschmeidige Nymphe ist, als die Gerechtigkeit, eben so gut ihre Fälle für einen guten Freund hat. Ich könnte meine Ansprüche aufgeben, wenn ich wollte? —Wenn die Ehre will! —Das ist die Feder in meiner Maschine—du kannst nichts tun, ohne die Liebe zu fragen, ich nichts, ohne die Ehre:—wir beide können also für uns selbst nichts, das, denk’ ich, ist doch wohl ein Fall.Julius.Hat man je etwas so Unbilliges gehört, die erste Triebfeder der menschlichen Natur mit der Grille einiger Toren zu vergleichen?Guido.Einiger Toren! —Du rasest! —Ich verachte dich, wie tief stehst du unter mir! Ich halte meine Rührung durch Tränen für Schwachheit,—aber zu diesem Grade meiner Schwachheit ist deine Tugend noch nicht einmal gestiegen.Julius.Es ist immer dein Fehler gewesen, über Empfindungen zu urteilen, die du nicht kennst.Guido.Und dabei immer ums dritte Wort von Tugend zu schwatzen! —Ich glaube, wenn du nun am Ziel deiner Wünsche bist und deinen Vater auf der Bahre siehst, so wirst du anstatt nach getaner Arbeit zu rasten, noch die Leichenträger unterrichten, was Tugend sei, oder was sie nicht sei!Julius.Wie hab’ ich mich geirrt! Bist du nicht schon wieder in deinem gewöhnlichen Tone?Guido.Siehe, du hoffest auf seinen Tod, kannst du das leugnen? Glaubst du, dass ich es nicht sehe, dass du alsdenn das Mädchen aus dem Kloster entführen willst? —Es ist wahr, alsdann bist du Fürst von Tarent, und ich bin nichts—als ein Mann. —Aber dein zartes Gehirnchen könnte zerreissen, wenn du das alles lebhaft dächtest, was ein Mann kann. —Gott sei Dank, es gibt Schwerter, und ich hab’ einen Arm, der noch allenfalls ein Mädchen aus den weichen Armen eines Zärtlings reissen kann! Ruhig sollst du sie nicht besitzen, ich will einen Bund mit dem Geiste unsers Vaters machen, der an deinem Bette winseln wird.Julius.Ich mag so wenig als unser Vater von dir im Affekt hören, was du tun willst. (Ab.)3From Maler Müller’s ‘Golo and Genevieve,’ Act 3, Scene 4.3Golo(hervor). Wie unruhig die Nacht! Hat mich der schönste Stern hervorgezischt? Oder war sie es selbst, die jetzt ebenso liebeunruhig im Grünen irret wie ein angeschossen Reh, meiner heissen Sehnsucht zu begegnen? Wie entglommen mein Herz! O Mathilde, du sagtest mir nicht alles; ich bin wohl glücklicher als ich es selbst gewusst.Ach, süsses Glück der Liebe,Wer dich nicht kost,Des Lebens Freude kennt er nicht,Des Lebens besten Schatz.Still! Was hör’ ich droben am Fenster? Sie selbst, o Himmel! (Zieht sich in die Grotte.)Genoveva(oben auf dem Altan). Die du alles bedeckst, Nacht, bedecke auch meinen Gram, süsse, liebe, heitere Nacht! Ich bin schon wieder froh. Was trauere ich denn auch? Was hat mein Herz verbrochen? (Singt.)Viel lieber wollt’ nicht lebenAls mich dem Gram ergeben;Der Gram das Leben frisst.Was nur der Waldbruder meinte? Sollte es möglich sein, grosser Gott, möglich? Golo ein Verräter an mir, an Siegfried, der ihn so brüderlich liebt? Und warum sollt’ er’s sein? Worin? (Singt.)Aufs sichere Nest kein Vogel geht,Auch Sturm es manchmal rüttelt;Kein Baum im freien Walde weht,Den Winters Gewalt nicht schüttelt.Was auf der Erde lebt und steht;Wechselt immer Schmerz und Wonne;Der Winter wohl nach Sommer geht,Nach Regen lacht die Sonne.Also packt euch, ihr Grillen, wohin ihr wollt; ich mag nicht länger mit euch zu schaffen haben. Wie angenehm der falbe Mondglanz zwischen den Bäumen dort unten! Ich will auch hinunter, mich noch ein Weilchen erlaben, jetzt, da ich allein bin. Das will ich. (Ab.)Golo.Kommt sie herunter? Sie fliegt herunter meinen Armen zu. O Stunde, Stunde, bist du da? Ich hör’, ich hör’ sie schon; da ist sie, da bin ich, wie über Wolken zu dir auf, himmlisches, seliges Wesen!Genoveva.Wer hält mich? Wer ist da? Himmel! Bin ich nicht allein?Golo.Ach, kannst du noch fragen? Ich bin’s, Genoveva, ich, der schon so lange anbetet, nach dir lechzt wie der Hirsch nach frischem Trank, nach dir! Genoveva, Genoveva, du, selig machst du mich jetzt, selig! (Er kniet vor ihr und hält sie.)Genoveva.Edler Ritter, lasst ab, ich bitt’ Euch; haltet ein, Ihr irrt.Golo.O Leben! Nimm mir das Leben! Teure, ich liebe Euch, liebe Euch.Genoveva.Ihr liebt mich, Ritter? Wie? Ihr? Was sagt Ihr?GoloAch hier, wo sich mein Herz verlor,In süssen Jugendtagen,Ihr Stauden, hänget noch betrübtVon meinen schweren Klagen!O schau’ hinauf ins Sternenchor,Sie werden’s all dir sagen,Wie treu und rein der Ritter liebt,Der dir so ist ergeben.So rein ihr Schein,Steht hoffnungsfroh nach dir alleinMein Streben und mein Leben.Erlös’ mich, schönstes Herz, eine arme Seele ans Flammen zu dir! Erbarme dich!Genoveva(zitternd). Was wollt Ihr? Golo, Golo, was sprecht Ihr? Gedenkt doch—O nein, nein, es darf ja nicht—Schweigt doch, der Himmel hört uns beide. Schaut um Euch, junger Ritter; in der Welt werdet Ihr noch eine schöne Gemahlin finden, die Euch trösten darf; sprecht nicht so zu mir; ich vermag’s ja nicht.Golo.O bei den Lichtern, die dort oben brennen, keine unter dem Himmel und auf Erden als du allein! Eh soll sich dies Herz so in Glut verzehren! Du allein, süsses, seliges Wesen, dein Abdruck, rein bis in den Tod.Genoveva.O lasst mich, lasst mich, lasst mich doch, Ritter! Kann Euch nicht länger anhören. O Himmel!Golo.Flieh nicht, Genovevchen, reissest mir die Seele mit weg. Ermorde mich, Grausame; gib mir den Tod; sage, du wollest mich nicht trösten; dein Zorn macht mich zur Leiche.Genoveva.Golo! Ritter, bedenkt doch ums Himmels willen!Golo.Es ist vorbei, ich kann nicht. (Küsst ihre Hand.)Genoveva.Halt!Golo.Engel, süsser Engel!Genoveva.Falscher, was treibt Ihr? Unsinniger!Golo.Umsonst! Umsonst! (Umfasst sie und trägt sie der Höhle zu.)Genoveva.Ungeheuer! Nicht edler Ritter! —Ihr droben, erbarmt euch mein! Hilfe! Hilfe!(Dragones der Grotte zu.)Dragones.Was gibt’s hier? Steht! Wer ist’s? —Eure Stimme, Gräfin? Ehrenräuber! Wer du auch bist, halt! Halt!Golo(lässt Genoveven los, schlägt den Mantel vor.) Hölle! O alles! Da, nimm’s, ungebetener Hund!Dragones.Weh mir! Bin verwundet! Hilfe! O Hilfe!Golo.Was soll ich nun? Genoveva! Was fang’ ich nun an? Verflucht! Dort kommen mehr Leute. Ich muss flüchten, bin verraten, verloren. Weh! Weh!1.Friedrich Maximilian Klinger (1752-1831) was a fellow-townsman and friend of Goethe. HisSturm und Drang, which was at first namedWirrwarr, came out in 1776. The scene is ‘America.’The speakers are Wild, a lusty and masterful man of action; Blasius, ablaséworldling; and La Feu, a sentimental dreamer. They propose to try their fortunes in the French-Indian War.2.Published in 1776—the same year with Klinger’sDie Zwillinge, which also deals with fratricide. Julius, the crown prince, is a studious and romantic dreamer; Guido, a young hotspur. Their father has just been imploring them to end their futile quarrel over the girl Blanca, who has been sent to a nunnery. —Julius of Tarentumis by far the most important work of its author, Johann Anton Leisewitz (1752-1806).3.Friedrich Müller (1749-1825), commonly distinguished as Maler Müller, wrote hisGolo und Genovevabetween 1775 and 1781. Siegfried, Count Palatine, has gone to aid Charles Martel against the Moors, leaving his virtuous and saintly wife, Genevieve, in the care of his trusted vassal Golo. Inflamed by lust and perverted by evil counsels, Golo proves faithless to his trust. The scene is in Genevieve’s castle-garden, where Golo has hidden in a grotto.LXXVI. THE GÖTTINGEN POETIC ALLIANCEIn the year 1772 a number of Göttingen youths formed a society for the cultivation of a vigorousDeutschtumin what they supposed to be the spirit of the forefathers. Klopstock was their hero, Wieland their aversion. They wrote songs, ballads, odes, idyls, elegies, etc., treating of freedom, virtue, love of country, the brave days of old; of nature and the seasons; of common folk and their employments. Their work accords with the general spirit of the ‘Storm and Stress,’ and here and there presages the romantic movement. Of the selections, Nos. 1, 4, 9 are by Count Friedrich Leopold Stolberg (1750-1819); Nos. 2, 5 by Johann Heinrich Voss (1751-1826); Nos. 3, 6, 10 by Ludwig Hölty (1748-1776); Nos. 7, 8 by Johann Martin Miller (1750-1814). See Kürschner’sNationalliteratur, Vols. 49-50.1Die Freiheit.Freiheit! Der Höfling kennt den Gedanken nicht,Sklave! Die Kette rasselt ihm Silberton!Gebeugt das Knie, gebeugt die Seele,Reicht er dem Joche den feigen Nacken.5Mir ein erhabner, schauergebärenderWonne-Gedanke! Fre heit, ich fühle dich!Das ganze Herz, von dir erfüllet,Strömet in voller Empfindung über!Nektar der Seele! Helden entflammtest du,10Welchen die Nachwelt jedes Erstaunen weiht,Du stärktest sie! In SklavenhändenRostet der Stahl, wird entnervt der Bogen.Wer für die Freiheit, wer für das VaterlandMutig den Arm hebt, leuchtet im Blute wie15Der Blitz des Nachtsturms; der GefahrenTrübt ihm nicht eine die heitre Stirne.Namen, mir festlich wie ein Triumphgesang:Brutus! Tell! Hermann! Cato! Timoleon!Im Herzen des, dem freie Seele20Gott gab, mit Flammenschrift eingegraben.2An Goethe.1Der du edel entbranntst, wo hochgelahrteDiener Justinians Banditen zogen,Die in Roms LabyrinthenWürgen das Recht der Vernunft;Freier Goethe, du darfst die goldne Fessel,Aus des Griechen Gesang geschmiedet, höhnen!Shakespeare dürft’ es und Klopstock,Söhne gleich ihm der Natur!Mag doch Heinrichs Homer,2im trägen Mohnkranz,Mag der grosse Corneill’, am Aristarchen—Trone knieend, das KlatschenStaunender Leutlein erflehn!Deutsch und eisern wie Götz, sprich Hohn den Schurken—Mit der Fessel im Arm! Des Sumpfes SchreierSchmäht der Leu zu zerstampfen,Wandelt durch Wälder und herrscht!3An Teuthard.3Trotz jedem Ausland stürmet BegeisterungIn deutschen Seelen. Barden, ihr zeuget es,Die ihr von Sarons Palmen und vonHeimischen Eichen euch Kränze wandet!5Mit schnellern Flügen als der HesperierUnd Brite flogt ihr, Barden des Vaterlands,Zu Bragas Gipfel! Noch war Dämmrung;Dämmrung zerflog, und die MittagssonneStand hoch am Himmel. —Muse Teutoniens,10Du bietest deiner Schwester, der Britin, TrotzUnd überfleugst sie bald! Du lächelst,Muse, der gaukelnden Afterschwester,Die in den goldnen Sälen LutetiensIhr Liedchen klimpert. Schande dem Sohne Teuts,15Der’s durstig trinket, weil es WollustDurch die entloderten Adern strömet!Kein deutscher Jüngling wähle das Mädchen sich,Das deutsche Lieder hasset und BuhlersangDes Galliers in ihre Laute20Tändelnde Silberaccorde tönet!Schwing deine Geissel, Sänger der Tugend, schwingDie Feuergeissel, welche dir Braga gab,Die Natternbrut, die unsre deutscheRedlichkeit, Keuschheit und Treue tötet,25Zurückzustäupen! Ich will, o Freund, indes,Wenn deine Geissel brauset, des tollen SchwarmsAm Busen eines deutschen MädchensUnter den Blumen des Frühlings lachen.4Lied eines deutschen Knaben.Mein Arm wird stark, und gross mein Mut,Gib, Vater mir ein Schwert!Verachte nicht mein junges Blut,Ich bin der Väter wert!5Ich finde fürder keine RuhIm weichen Vaterland!Ich stürb, o Vater, stolz wie du,Den Tod fürs Vaterland!Schon früh in meiner Jugend war10Mein täglich Spiel der Krieg;Im Bette träumt’ ich nur GefahrUnd Wunden nur und Sieg.Mein Feldgeschrei erweckte michAus mancher Türkenschlacht;15Noch jüngst ein Faustschlag, welchen ichDem Bassa zugedacht.Da neulich unsrer Krieger ScharAuf dieser Strasse zog,Und, wie ein Vogel der Husar20Das Haus vorüberflog:Da gaffte starr und freute sichDer Knaben froher Schwarm;Ich aber, Vater, härmte michUnd prüfte meinen Arm.25Mein Arm wird stark, und gross mein Mut,Gib, Vater, mir ein Schwert!Verachte nicht mein junges Blut,Ich bin der Väter wert!5Trinklied für Freie.Mit Eichenlaub den Hut bekränzt!Wohlauf! und trinkt den Wein,Der duftend uns entgegenglänzt!Ihn sandte Vater Rhein.5Ist einem noch die Knechtschaft wert,Und zittert ihm die Hand,Zu heben Kolbe, Lanz’ und Schwert,Wenn’s gilt fürs Vaterland:Weg mit dem Schurken, weg von hier!10Er kriech’ um Schranzenbrot,Und sauf’ um Fürsten sich zum Tier,Und bub’4und lästre Gott!Und putze seinem Herrn die Schuh,Und führe seinem Herrn15Sein Weib und seine Tochter zuUnd trage Band und Stern!Für uns, für uns ist diese Nacht,Für uns der edle Trank!Man keltert’ ihn, als Frankreichs Macht20In Höchstädts5Tälern sank.Drum, Brüder, auf! den Hut bekränzt!Und trinkt, und trinkt den Wein,Der duftend uns entgegenglänzt!Uns sandt’ ihn Vater Rhein.25Uns rötet hohe Freiheitsglut,Uns zittert nicht die Hand,Wir scheuten nicht des Vaters Blut,Geböt’s das Vaterland.Uns, uns gehöret Hermann an,30Und Tell, der Schweizerheld,Und jeder freie deutsche Mann;Wer hat den Sand gezählt?6Vaterlandslied.Gesegnet mir, mein Vaterland,Wo ich so viele Tugend fand,Gesegnet mir, mein Vaterland!Die Männer haben Heldenmut,Verströmen Patriotenblut,Sind edel auch dabei und gut.Die Weiber sind den Engeln gleich,Es ist, fürwahr, ein Himmelreich,Ihr Preislichen, zu schauen euch.Sie lieben Zucht und Biedersinn.O selig Land, worin ich bin!O möcht’ ich lange leben drin!7Lob der Alten.Es leben die Alten,Die Mädchen und WeinFür Mittel gehaltenSich weislich zu freun!5Sie übten die PflichtenDes Biedermanns ausUnd lachten in ZüchtenBeim nächtlichen Schmaus.Da lud man die Jugend10Zum Mahle mit ein,Und predigte TugendDurch Taten allein;Man rühmte die Grossen,Die, tapfer und gut,15Kein andres vergossenAls feindliches Blut.Dem Lande zu EhrenNahm jeder sein Glas;Vergnügen half’s leeren,20Doch hielten sie Mass,Und lachten sich nüchternUnd sangen in RuhVon fröhlichen DichternEin Liedchen dazu.25Um Mitternacht schiedenSie küssend vom Schmaus,Und kehrten in FriedenZum Weibchen nach Haus.Es leben die Alten!30Wir folgen dem Brauch,Auf den sie gehalten,Und freuen uns auch.8Deutsches Trinklied.Auf, ihr meine deutschen Brüder,Feiern wollen wir die Nacht!Schallen sollen frohe Lieder,Bis der Morgenstern erwacht!5Lasst die Stunden uns beflügeln!Hier ist echter, deutscher Wein,Ausgepresst auf deutschen HügelnUnd gereift am alten Rhein!Wer im fremden Tranke prasset,10Meide dieses freie Land!Wer des Rheines Gabe hasset,Trik’ als Knecht am Marnestrand!Singt in lauten Wechselchören!Ebert, Hagedorn und Gleim15Sollen uns Gesänge lehren;Denn wir lieben deutschen Reim.Trotz geboten allen denen,Die, mit Galliens Gezier,Unsre Nervensprache höhnen!20Ihrer spotten wollen wir!Ihrer spotten! Aber, Brüder,Stark und deutsch, wie unser Wein,Sollen immer unsre LiederBei Gelag und Mahlen sein.25Unser Kaiser Joseph lebe!Biedermann und deutsch ist er.Hermanns hoher Schatten schwebeWaltend um den Enkel her,Dass er, mutig in Gefahren,30Sich dem Vaterlande weih’,Und in Kindeskinder-JahrenMuster aller Kaiser sei!Jeder Fürst im Lande lebe,Der es treu und redlich meint!35Jedem wackern Deutschen gebeGott den wärmsten Herzensfreund,Und ein Weib in seine Hütte,Das ihm sei ein Himmelreich,Und ihm Kinder geb’, an Sitte40Seinen braven Vätern gleich!Leben sollen alle Schönen,Die, von fremder Torheit rein,Nur des Vaterlandes SöhnenIhren keuschen Busen weihn!45Deutsche Redlichkeit und TreueMacht uns ihrer Liebe wert:Drum wohlauf! der Tugend weiheJeder-sich, der sie begehrt!9An die Natur.Süsse, heilige Natur,Lass mich gehn auf deiner Spur!Leite mich an deiner Hand,Wie ein Kind am Gängelband!Wenn ich dann ermüdet bin,Rück ich dir am Busen hin,Atme süsse Himmelslust,Hangend an der Mutter Brust.Ach, mir ist so wohl bei dir!Will dich lieben für und für.Lass mich gehn auf deiner Spur,Süsse, heilige Natur!10Frühlingslied.Die Luft ist blau, das Tal ist grün,Die kleinen Maienglocken blühnUnd Schlüsselblumen drunter;Der WiesengrundIst schon so buntUnd malt sich täglich bunter.Drum komme, wem der Mai gefällt,Und freue sich der schönen WeltUnd Gottes Vatergüte,Die diese PrachtHervogebracht,Dem Baum und seine Blüte.1.The ode, written in 1773, alludes to Goethe’s newly publishedGötz, in which there are some drastic comments on German legal procedure under the Code Justinian.2.Allusion to Voltaire’sHenriade.3.Teuthard—poetic name for a rugged Old German—is Fritz Hahn, a member of the Alliance.4.Buben, ‘indulge in shameless vice.’5.At Höchstädt in Bavaria the French were defeated in 1704 by the English and Germans.LXXVII. GOTTFRIED AUGUST BÜRGER1747-1794. The stormy decade 1770-1780, which quickened other germs of what was afterwards to be known as romanticism, brought with it a notable renascence of the ballad. By general consent the first place in the balladryof the time belongs to Bürger’sLenore(1774). The uncanny supernaturalism and onomatopœic word-jingles, which had lent a mysterious fascination to many an old ballad, but had virtually disappeared from the lyric poetry of the reason-worshiping century, were here revived with telling effect.Lenore.Lenore fuhr ums MorgenrotEmpor aus schweren Träumen:“Bist untreu, Wilhelm, oder tot?Wie lange willst du säumen?”5Er war mit König Friedrichs MachtGezogen in die Prager Schlacht,Und hatte nicht geschrieben,Ob er gesund geblieben.Der König und die Kaiserin,10Des langen Haders müde,Erweichten ihren harten SinnUnd machten endlich Friede;Und jedes Heer, mit Sing und Sang,Mit Paukenschlag und Kling und Klang,15Geschmückt mit grünen Reisern,Zog heim zu seinen Häusern.Und überall all überall,Auf Wegen und auf Stegen,Zog alt und jung dem Jubelschall20Der Kommenden entgegen.Gottlob! rief Kind und Gattin laut,Willkommen! manche frohe Braut.Ach! aber für LenorenWar Gruss und Kuss verloren.25Sie frug den Zug wohl auf und ab,Und frug nach allen Namen;Doch keiner war, der Kundschaft gab,Von allen, so da kamen.Als nun das Heer vorüber war,30Zerraufte sie ihr RabenhaarUnd warf sich hin zur Erde,Mit wütiger Gebärde.Die Mutter lief wohl hin zu ihr:—“Ach, dass sich Gott erbarme!35Du trautes Kind, was ist mit dir?”—Und schloss sie in die Arme.—“O Mutter, Mutter, hin ist hin!Nun fahre Welt und alles hin!Bei Gott ist kein Erbarmen.40O weh, o weh mir Armen!”—“Hilf Gott, hilf! Sieh uns gnädig an!Kind, bet’ ein Vaterunser!Was Gott tut, das ist wohlgetan.Gott, Gott erbarmt sich unser!”—45“O Mutter, Mutter, eitler Wahn!Gott hat an mir nicht wohlgetan!Was half, was half mein Beten?Nun ist’s nicht mehr von Nöten.”—“Hilf Gott, hilf! wer den Vater kennt,50Der weiss, er hilft den Kindern.Das hochgelobte SacramentWird deinen Jammer lindern.”—“O Mutter, Mutter, was mich brennt,Das lindert mir kein Sacrament!55Kein Sacrament mag LebenDen Toten wiedergeben.”—“Hör, Kind, wie wenn der falsche Mann,Im fernen Ungerlande,Sich seines Glaubens abgetan,60Zum neuen Ehebande?Lass fahren, Kind, sein Herz dahin!Er hat es nimmermehr Gewinn!Wann Seel’ und Leib sich trennen,Wird ihn sein Meineid brennen.”—65“O Mutter, Mutter, hin ist hin!Verloren ist verloren!Der Tod, der Tod ist mein Gewinn!O wär’ ich nie geboren!Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus!70Stirb hin, stirb hin, in Nacht und Graus!Bei Gott ist kein Erbarmen.O weh, o weh mir Armen!”—“Hilf Gott, hilf! Geh nicht ins GerichtMit deinem armen Kinde!75Sie weiss nicht, was die Zunge spricht.Behalt ihr nicht die Sünde!Ach, Kind, vergiss dein irdisch Leid,Und denk’ an Gott und Seligkeit!So wird doch deiner Seelen80Der Bräutigam nicht fehlen,”—“O Mutter, was ist Seligkeit?O Mutter! Was ist Hölle?Bei ihm, bei ihm ist Seligkeit,Und ohne Wilhelm Hölle!—85Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus!Stirb hin, stirb hin, in Nacht und Graus!Ohn ihn mag ich auf Erden,Mag dort nicht selig werden.”—So wütete Verzweifelung90Ihr in Gehirn und Adern.Sie fuhr mit Gottes VorsehungVermessen fort zu hadern;Zerschlug den Busen und zerrangDie Hand, bis Sonnenuntergang,95Bis auf am HimmelsbogenDie goldnen Sterne zogen.Und aussen, horch! ging’s trap trap trap,Als wie von Rosses Hufen;Und klirrend stieg ein Reiter ab,100An des Geländers Stufen.Und horch! und horch! den PfortenringGanz lose, leise, klinglingling!Dann kamen durch die PforteVernehmlich diese Worte:105“Holla! Holla! Tu auf, mein Kind!Schläfst, Liebchen, oder wachst du?Wie bist noch gegen mich gesinnt?Und weinest oder lachst du?”—“Ach, Wilhelm, du? —So spät bei Nacht?—110Geweinet hab ich und gewacht;Ach, grosses Leid erlitten!Wo kommst du hergeritten?”—“Wir satteln nur um Mitternacht.Weit ritt ich her von Böhmen.115Ich habe spät mich aufgemacht,Und will dich mit mir nehmen.”—“Ach, Wilhelm, erst herein geschwind!Den Hagedorn durchsaust der Wind,Herein, in meinen Armen,120Herzliebster, zu erwarmen!”—“Lass sausen durch den Hagedorn,Lass sausen, Kind, lass sausen!Der Rappe scharrt, es klirrt der Sporn,Ich darf allhier nicht hausen.125Komm, schürze, spring und schwinge dichAuf meinen Rappen hintermich!Muss heut noch hundert MeilenMit dir ins Brautbett eilen.”—“Ach, wolltest hundert Meilen noch130Mich heut ins Brautbett tragen?Und horch! es brummt die Glocke noch,Die elf schon angeschlagen.”—“Sieh hin, sieh her! der Mond scheint hell.Wir und die Toten reiten schnell.135Ich bringe dich, zur Wette,Noch heut ins Hochzeitbette.”—“Sag’ an, wo ist dein Kämmerlein?Wo? Wie dein Hochzeitbettchen?”—“Weit, weit von hier! —Still, kühl und klein!—140Sechs Bretter und zwei Brettchen!”—“Hat’s Raum für mich?” —“Für dich und mich!Komm, schürze, spring und schwinge dich!Die Hochzeitgäste hoffen;Die Kammer steht uns offen.”—145Schön Liebchen schürzte, sprang und schwangSich auf das Ross behende;Wohl um den trauten Reiter schlangSie ihre Lilienhände.Und hurre hurre, hop hop hop,150Ging’s fort im sausenden Galopp,Dass Ross und Reiter schnoben,Und Kies und Funken stoben.Zur rechten und zur linken HandVorbei vor ihren Blicken,155Wie flogen Anger, Heid’ und Land!Wie donnerten die Brücken!“Graut Liebchen auch? —Der Mond scheint hell!Hurra! die Toten reiten schnell!Graut Liebchen auch vor Toten?”—160“Ach, nein! —Doch lass die Toten!”Was klang dort für Gesang und Klang?Was flatterten die Raben?Horch Glockenklang! horch Totensang:“Lasst uns den Leib begraben!”165Und näher zog ein Leichenzug,Der Sarg und Totenbahre trug.Das Lied war zu vergleichenDem Unkenruf in Teichen.“Nach Mitternacht begrabt den Leib,170Mit Klang und Sang und Klage!Jetzt führ’ ich heim mein junges Weib.Mit, mit zum Brautgelage!Komm, Küster, hier! Komm mit dem Chor,Und gurgle mir das Brautlied vor!175Komm, Pfaff, und sprich den Segen,Eh wir zu Bett uns legen!”—Still Klang und Sang. —Die Bahre schwand.—Gehorsam seinem Rufen,Kam’s hurre hurre! nachgerannt,180Hart hinters Rappen Hufen.Und immer weiter, hop hop hop!Ging’s fort im sausenden Galopp,Dass Ross und Reiter schnoben.Und Kies und Funken stoben.185Wie flogen rechts, wie flogen linksGebirge, Bäum’ und Hecken!Wie flogen links, und rechts, und linksDie Dörfer, Städt’ und Flecken!“Graut Liebchen auch? —Der Mond scheint hell!190Hurra! die Toten reiten schnell!Graut Liebchen auch vor Toten?”—“Ach! Lass sie ruhn, die Toten!”—Sieh da! sieh da! Am HochgerichtTanzt’ um des Rades Spindel195Halb sichtbarlich, bei Mondenlicht,Ein lustiges Gesindel.—“Sasa! Gesindel, hier! Komm hier!Gesindel, komm und folge mir!Tanz uns den Hochzeitreigen,200Wann wir zu Bette steigen!”—Und das Gesindel husch husch husch!Kam hinten nachgeprasselt,Wie Wirbelwind am HaselbuschDurch dürre Blätter rasselt205Und weiter, weiter, hop hop hop!Ging’s fort irn sausenden Galopp,Dass Ross und Reiter schnoben,Und Kies und Funken stoben.Wie flog, was rund der Mond beschien,210Wie flog es in die Ferne!Wie flogen oben über hinDer Himmel und die Sterne!—“Graut Liebchen auch? —Der Mond scheint hell!Hurra! die Toten reiten schnell!215Graut Liebchen auch vor Toten?”—“O weh, lass ruhn die Toten!”—“Rapp’! Rapp’! Mich dünkt, der Hahn schon ruft.—Bald wird der Sand verrinnen—Rapp’! Rapp’! Ich wittre Morgenluft—220Rapp’! Tummle dich von hinnen!—Vollbracht, vollbracht ist unser Lauf!Das Hochzeitbette tut sich auf!Die Toten reiten schnelle!Wir sind, wir sind zur Stelle!”—225Rasch auf ein eisern GittertorGing’s mit verhängtem Zügel.Mit schlanker Gert’ ein Schlag davorZersprengte Schloss und Riegel.Die Flügel flogen klirrend auf,230Und über Gräber ging der Lauf.Es blinkten LeichensteineRund um im Mondenscheine.Ha sieh! Ha sieh! im AugenblickHuhu! ein grässlich Wunder!235Des Reiters Koller, Stück für Stück,Fiel ab wie mürber Zunder.Zum Schädel, ohne Schöpf und Zopf,Zum nackten Schädel ward sein Kopf;Sein Körper zum Gerippe,240Mit Stundenglas und Hippe.Hoch bäumte sich, wild schnob der Rapp’,Und sprühte Feuerfunken;Und hui! war ’s unter ihr hinabVerschwunden und versunken.245Geheul! Geheul aus hoher Luft,Gewinsel kam aus tiefer Gruft.Lenorens Herz, mit Beben,Rang zwischen Tod und Leben.Nun tanzten wohl bei Mondenglanz,250Rund um herum im Kreise,Die Geister einen Kettentanz,Und heulten diese Weise:“Geduld! Geduld! Wenn’s Herz auch bricht!Mit Gott im Himmel hadre nicht!255Des Leibes bist du ledig;Gott sei der Seele gnädig!”LXXVIII. FRIEDRICH SCHILLER1759-1805. The more important work of Schiller falls without the limit set for this book. His contribution to the literature of revolution begins with theRobbers(1781), a fierce castigation of the social order, and ends withCabal and Love(1784), which is the only family tragedy of that time that has survived on the stage. The dramatic genius which was to give Schiller the supreme place in the history of the German theater appears full-fledged in his early plays, not, however, his self-control, his wisdom, or his knowledge of human nature.1Lied Amaliens.Schön wie Engel, voll Walhallas Wonne,Schön vor allen Jünglingen war er,Himmlisch mild sein Blick, wie MaiensonneRückgestrahlt vom blauen Spiegelmeer.Seine Küsse—paradiesisch Fühlen!Wie zwo Flammen sich ergreifen, wieHarfentöne in einander spielenZu der himmelvollen Harmonie,—Stürzten, flogen, schmolzen Geist und Geist zusammen,Lippen, Wangen brannten, zitterten,—Seele rann in Seele—Erd’ und Himmel schwammenWie zerronnen um die Liebenden!Er ist hin—vergebens, ach, vergebensStöhnet ihm der bange Seufzer nach!Er ist hin, und alle Lust des LebensWimmert hin in ein verlorenes Ach!2Die Entzückung an Laura.Laura, über diese Welt zu flüchtenWähn’ ich—mich in Himmelmaienglanz zu lichten,Wenn dein Blick in meine Blicke flimmt;Ätherlüfte träum’ ich einzusaugen,5Wenn mein Bild in deiner sanften AugenHimmelblauem Spiegel schwimmt.Leierklang aus Paradieses Fernen,Harfenschwung aus angenehmern Sternen,Ras’ ich in mein trunknes Ohr zu ziehn;10Meine Muse fühlt die Schäferstunde,Wenn von deinem wollustheissen MundeSilbertöne ungern fliehn.Amoretten seh’ ich Flügel schwingen,Hinter dir die trunknen Fichten springen,15Wie von Orpheus’ Saitenruf belebt;Rascher rollen um mich her die Pole,Wenn im Wirbeltanze deine SohleFlüchtig, wie die Welle, schwebt.Deine Blicke, wenn sie Liebe lächeln,20Könnten Leben durch den Marmor fächeln,Felsenadern Pulse leihn;Träume werden um mich her zu Wesen,Kann ich nur in deinen Augen lesen:Laura, Laura mein!3From the ‘Robbers,’ Act 3, Scene 2.
Zimmer im Gasthofe.Wild, La Feu, Blasius(treten auf in Reisekleidern).Wild.Heida! nun einmal in Tumult und Lärmen, dass die Sinnen herumfahren wie Dachfahnen beim Sturm! Das wilde Geräusch hat mir schon so viel Wohlsein entgegengebrüllt, dass mir’s wirklich ein wenig anfängt besser zu werden. Soviel hundert Meilen gereiset, um dich in vergessenden Lärmen zu bringen—tolles Herz! du sollst mir’s danken! Ha! tobe und spanne dich dann aus, labe dich im Wirrwar! —Wie ist’s euch?Blasius.Geh zum Teufel! Kommt meine Donna nach?La Feu.Mach dir Illusion, Narr! Sollt’ mir nicht fehlen, sie von meinem Nagel in mich zu schlürfen, wie einen Tropfen Wasser. Es lebe die Illusion! —Ei, ei! Zauber meiner Phantasie, wandle in den Rosengärten von Phyllis’ Hand geführt—Wild.Stärk’ dich Apoll, närrischer Junge!La Feu.Es soll mir nicht fehlen, das schwarze verrauchte Haus gegenüber, mitsamt dem alten Turm, in ein Feenschloss zu verwandeln. Zauber, Zauberphantasie!— (lauschend) Welch lieblich geistige Symphonieen treffen mein Ohr? —Beim Amor! ich will mich wie ein alt Weib verlieben, in einem alten baufälligen Haus wohnen, meinen zarten Leib in stinkenden Mistlaken baden, bloss um meine Phantasie zu scheren. Ist keine alte Hexe da, mit der ich scharmieren könnte? Ihre Runzeln sollen mir zu Wellenlinien der Schönheit werden; ihre herausstehende schwarze Zähne zu marmornen Säulen an Dianens Tempel; ihre herabhangende lederne Zitzen Helenens Busen übertreffen. Einen so aufzutrocknen, wie mich! —He, meine phantastische Göttin! —Wild, ich kann dir sagen, ich hab’ mich brav gehalten die Tour her. Hab’ Dinge gesehen, gefühlt, die kein Hund geschmeckt, keine Nase gerochen, kein Aug gesehen, kein Geist erschwungen—Wild.Besonders wenn ich dir die Augen zuband. Ha! Ha!La Feu.Zum Orcus! du Ungestüm!— Aber sag’ mir nun auch einmal, wo sind wir in der wirklichen Welt jetzt? In London doch?Wild.Freilich. Merktest du denn nicht, dass wir uns einschifften? Du warst ja seekrank.La Feu.Weiss von allem nichts, bin an allem unschuldig.— Lebt denn mein Vater noch? Schick doch einmal zu ihm, Wild, und lass ihm sagen, sein Sohn lebe noch. Käme soeben von den Pyrenäischen Gebirgen aus Friesland. Weiter nichts.Wild.Aus Friesland?La Feu.In welchem Viertel der Stadt sind wir dann?Wild.In einem Feenschloss, La Feu! Siehst du nicht den goldnen Himmel? die Amors und Amouretten? die Damen und Zwergchen?La Feu.Bind’ mir die Augen zu! (Wild bindet ihm zu.) Wild! Esel! Ochse! nicht zu hart! (Wild bindet ihn los.) He! Blasius, lieber, bissiger, kranker Blasius, wo sind wir?Blasius.Was weiss ich?Wild.Um euch einmal aus dem Traum zu helfen, so wisst, dass ich euch aus Russland nach Spanien führte, weil ich glaubte, der König fange mit dem Mogol Krieg an. Wie aber die spanische Nation träge ist, so war’s auch hier. Ich packte euch also wieder auf, und nun seid ihr mitten im Krieg in Amerika. Ha! lass mich’s nur recht fühlen, auf amerikanischem Boden zu stehen, wo alles neu, alles bedeutend ist. Ich trat ans Land—O dass ich keine Freude rein fühlen kann!La Feu.Krieg und Mord! o meine Gebeine! o meine Schutzgeister! —So gib mir doch ein Feenmärchen! o weh mir!Blasius.Dass dich der Donner erschlüg’, toller Wild! was hast du wieder gemacht? Ist Donna Isabella noch? He! willst du reden? meine Donna!Wild.Ha! Ha! Ha! du wirst ja einmal ordentlich aufgebracht.Blasius.Aufgebracht? Einmal aufgebracht? Du sollst mir’s mit deinem Leben bezahlen, Wild! Was? bin ich wenigstens ein freier Mensch. Geht Freundschaft so weit, dass du in deinen Rasereien einen durch die Welt schleppst wie Kuppelhunde? Uns in die Kutsche zu binden, die Pistole vor die Stirn zu halten, immerfort, klitsch! klatsch! In der Kutsche essen, trinken, uns für Rasende auszugeben, In Krieg und Getümmel von meiner Passion weg, das einzige, was mir übrig blieb—Wild.Du liebst ja nichts, Blasius.Blasius.Nein, ich liebe nichts. Ich hab’s so weit gebracht, nichts zu lieben, und im Augenblick alles zu lieben, und im Augenblick alles zu vergessen. Ich betrüge alle Weiber, dafür betrügen und betrogen mich alle Weiber. Sie haben mich geschunden und zusammengedrückt, dass Gott erbarm’! Ich hab’ alle Figuren angenommen. Dort war ich Stutzer, dort Wildfang, dort tölpisch, dort empfindsam, dort Engelländer, und meine grösste Conquete machte ich, da ich nichts war. Das war bei Donna Isabella. Um wieder zurückzukommen—deine Pistolen sind geladen—Wild.Du bist ein Narr, Blasius, und verstehst keinen Spass.Blasius.Schöner Spass dies! Greif zu! ich bin dein Feind den Augenblick.Wild.Mit dir mich schiessen? Sieh, Blasius! Ich wünschte jetzt in der Welt nichts als mich herumzuschlagen, um meinem Herzen einen Lieblingsschmaus zu geben. Aber mit dir? Ha! Ha! (Hält ihm die Pistole vor.) Sieh ins Mundloch und sag, ob dir’s nicht grösser vorkommt als ein Tor in London? Sei gescheit, Freund! Ich brauch’ und lieb’ euch noch, und ihr mich vielleicht auch. Der Teufel konnte keine grössre Narren und Unglücksvögel zusammen führen als uns. Deswegen müssen wir zusammen bleiben, und auch des Spasses halben. Unser Unglück kommt aus unserer eignen Stimmung des Herzens, die Welt hat dabei getan, aber weniger als wir.Blasius.Toller Kerl! Ich bin ja ewig am Bratspiess.La Feu.Mich haben sie lebendig geschunden und mit Pfeffer eingepökelt. —Die Hunde!Wild.Wir sind nun mitten im Krieg hier, die einzige Glückseligkeit, die ich kenne, im Krieg zu sein. Geniesst der Scenen, tut was ihr wollt.La Feu.Ich bin nicht für’n Krieg.Blasius.Ich bin für nichts.Wild.Gott mach euch noch matter! —Es ist mir wieder so taub vorm Sinn. So gar dumpf. Ich will mich über eine Trommelspannen lassen, um eine neue Ausdehnung zu kriegen. Mir ist so weh wieder. O könnte ich in dem Raum dieser Pistole existieren, bis mich eine Hand in die Luft knallte! O Unbestimmtheit! wie weit, wie schief führst du die Menschen!
Zimmer im Gasthofe.
Wild, La Feu, Blasius(treten auf in Reisekleidern).
Wild.Heida! nun einmal in Tumult und Lärmen, dass die Sinnen herumfahren wie Dachfahnen beim Sturm! Das wilde Geräusch hat mir schon so viel Wohlsein entgegengebrüllt, dass mir’s wirklich ein wenig anfängt besser zu werden. Soviel hundert Meilen gereiset, um dich in vergessenden Lärmen zu bringen—tolles Herz! du sollst mir’s danken! Ha! tobe und spanne dich dann aus, labe dich im Wirrwar! —Wie ist’s euch?
Blasius.Geh zum Teufel! Kommt meine Donna nach?
La Feu.Mach dir Illusion, Narr! Sollt’ mir nicht fehlen, sie von meinem Nagel in mich zu schlürfen, wie einen Tropfen Wasser. Es lebe die Illusion! —Ei, ei! Zauber meiner Phantasie, wandle in den Rosengärten von Phyllis’ Hand geführt—
Wild.Stärk’ dich Apoll, närrischer Junge!
La Feu.Es soll mir nicht fehlen, das schwarze verrauchte Haus gegenüber, mitsamt dem alten Turm, in ein Feenschloss zu verwandeln. Zauber, Zauberphantasie!— (lauschend) Welch lieblich geistige Symphonieen treffen mein Ohr? —Beim Amor! ich will mich wie ein alt Weib verlieben, in einem alten baufälligen Haus wohnen, meinen zarten Leib in stinkenden Mistlaken baden, bloss um meine Phantasie zu scheren. Ist keine alte Hexe da, mit der ich scharmieren könnte? Ihre Runzeln sollen mir zu Wellenlinien der Schönheit werden; ihre herausstehende schwarze Zähne zu marmornen Säulen an Dianens Tempel; ihre herabhangende lederne Zitzen Helenens Busen übertreffen. Einen so aufzutrocknen, wie mich! —He, meine phantastische Göttin! —Wild, ich kann dir sagen, ich hab’ mich brav gehalten die Tour her. Hab’ Dinge gesehen, gefühlt, die kein Hund geschmeckt, keine Nase gerochen, kein Aug gesehen, kein Geist erschwungen—
Wild.Besonders wenn ich dir die Augen zuband. Ha! Ha!
La Feu.Zum Orcus! du Ungestüm!— Aber sag’ mir nun auch einmal, wo sind wir in der wirklichen Welt jetzt? In London doch?
Wild.Freilich. Merktest du denn nicht, dass wir uns einschifften? Du warst ja seekrank.
La Feu.Weiss von allem nichts, bin an allem unschuldig.— Lebt denn mein Vater noch? Schick doch einmal zu ihm, Wild, und lass ihm sagen, sein Sohn lebe noch. Käme soeben von den Pyrenäischen Gebirgen aus Friesland. Weiter nichts.
Wild.Aus Friesland?
La Feu.In welchem Viertel der Stadt sind wir dann?
Wild.In einem Feenschloss, La Feu! Siehst du nicht den goldnen Himmel? die Amors und Amouretten? die Damen und Zwergchen?
La Feu.Bind’ mir die Augen zu! (Wild bindet ihm zu.) Wild! Esel! Ochse! nicht zu hart! (Wild bindet ihn los.) He! Blasius, lieber, bissiger, kranker Blasius, wo sind wir?
Blasius.Was weiss ich?
Wild.Um euch einmal aus dem Traum zu helfen, so wisst, dass ich euch aus Russland nach Spanien führte, weil ich glaubte, der König fange mit dem Mogol Krieg an. Wie aber die spanische Nation träge ist, so war’s auch hier. Ich packte euch also wieder auf, und nun seid ihr mitten im Krieg in Amerika. Ha! lass mich’s nur recht fühlen, auf amerikanischem Boden zu stehen, wo alles neu, alles bedeutend ist. Ich trat ans Land—O dass ich keine Freude rein fühlen kann!
La Feu.Krieg und Mord! o meine Gebeine! o meine Schutzgeister! —So gib mir doch ein Feenmärchen! o weh mir!
Blasius.Dass dich der Donner erschlüg’, toller Wild! was hast du wieder gemacht? Ist Donna Isabella noch? He! willst du reden? meine Donna!
Wild.Ha! Ha! Ha! du wirst ja einmal ordentlich aufgebracht.
Blasius.Aufgebracht? Einmal aufgebracht? Du sollst mir’s mit deinem Leben bezahlen, Wild! Was? bin ich wenigstens ein freier Mensch. Geht Freundschaft so weit, dass du in deinen Rasereien einen durch die Welt schleppst wie Kuppelhunde? Uns in die Kutsche zu binden, die Pistole vor die Stirn zu halten, immerfort, klitsch! klatsch! In der Kutsche essen, trinken, uns für Rasende auszugeben, In Krieg und Getümmel von meiner Passion weg, das einzige, was mir übrig blieb—
Wild.Du liebst ja nichts, Blasius.
Blasius.Nein, ich liebe nichts. Ich hab’s so weit gebracht, nichts zu lieben, und im Augenblick alles zu lieben, und im Augenblick alles zu vergessen. Ich betrüge alle Weiber, dafür betrügen und betrogen mich alle Weiber. Sie haben mich geschunden und zusammengedrückt, dass Gott erbarm’! Ich hab’ alle Figuren angenommen. Dort war ich Stutzer, dort Wildfang, dort tölpisch, dort empfindsam, dort Engelländer, und meine grösste Conquete machte ich, da ich nichts war. Das war bei Donna Isabella. Um wieder zurückzukommen—deine Pistolen sind geladen—
Wild.Du bist ein Narr, Blasius, und verstehst keinen Spass.
Blasius.Schöner Spass dies! Greif zu! ich bin dein Feind den Augenblick.
Wild.Mit dir mich schiessen? Sieh, Blasius! Ich wünschte jetzt in der Welt nichts als mich herumzuschlagen, um meinem Herzen einen Lieblingsschmaus zu geben. Aber mit dir? Ha! Ha! (Hält ihm die Pistole vor.) Sieh ins Mundloch und sag, ob dir’s nicht grösser vorkommt als ein Tor in London? Sei gescheit, Freund! Ich brauch’ und lieb’ euch noch, und ihr mich vielleicht auch. Der Teufel konnte keine grössre Narren und Unglücksvögel zusammen führen als uns. Deswegen müssen wir zusammen bleiben, und auch des Spasses halben. Unser Unglück kommt aus unserer eignen Stimmung des Herzens, die Welt hat dabei getan, aber weniger als wir.
Blasius.Toller Kerl! Ich bin ja ewig am Bratspiess.
La Feu.Mich haben sie lebendig geschunden und mit Pfeffer eingepökelt. —Die Hunde!
Wild.Wir sind nun mitten im Krieg hier, die einzige Glückseligkeit, die ich kenne, im Krieg zu sein. Geniesst der Scenen, tut was ihr wollt.
La Feu.Ich bin nicht für’n Krieg.
Blasius.Ich bin für nichts.
Wild.Gott mach euch noch matter! —Es ist mir wieder so taub vorm Sinn. So gar dumpf. Ich will mich über eine Trommelspannen lassen, um eine neue Ausdehnung zu kriegen. Mir ist so weh wieder. O könnte ich in dem Raum dieser Pistole existieren, bis mich eine Hand in die Luft knallte! O Unbestimmtheit! wie weit, wie schief führst du die Menschen!
Guido, JuliusGuido.Julius, kannst du die Tränen eines Vaters ertragen? Ich kann’s nicht.Julius.Ach, Bruder, wie könnt’ ich?Guido.Meine ganze Seele ist aus ihrer Fassung, ich möchte mir das Gewühl einer Schlacht wünschen, um wieder zu mir selbst zu kommen. —Und das kann eine Träne? Ach, was ist der Mut für ein wunderbares Ding! Fast möchte ich sagen, keine Stärke der Seele, bloss Bekanntschaft mit einem Gegenstande—und wenn das ist, ich bitte dich, was hat der Held, den eine Träne ausser sich bringt, an innerer Würde vor dem Weibe voraus, das vor einer Spinne auffährt?Julius.Bruder, wie sehr gefällt mir dieser dein Ton!Guido.Mir nicht, wie kann mir meine Schwäche gefallen! Ich fühle, dass ich nicht Guido bin. Wahrhaftig, ich zittre—o wenn das ist, so werd’ ich bald auf die rechte Spur kommen!—ich hab’ ein Fieber!Julius.Seltsam—dass sich ein Mensch schämt, dass sein Temperament stärker ist als seine Grundsätze.Guido.Lass uns nicht weiter davon reden!—meine jetzige Laune könnte darüber verfliegen, und ich will sie nutzen! Man muss gewisse Entschlüsse in diesem Augenblick ausführen, aus Furcht, sie möchten uns in den künftigen gereuen. Du weisst es, Bruder, ich liebe Blancan, und habe meine Ehre zum Pfande gegeben,dass ich sie besitzen wollte. —Aber diese Tränen machen mich wankend.Julius.Du setzest mich in Erstaunen.Guido.Ich glaube meiner Ehre genug getan zu haben, wenn sie niemand anders besitzt, wenn sie bleibt, was sie ist—denn wer kann auf den Himmel eifersüchtig sein? Aber du siehst, wenn ich meine Ansprüche aufgebe, so musst du auch die deinigen, mit all den Entwürfen, sie jemals in Freiheit zu setzen, aufgeben. —Lass uns das tun, und wieder Brüder und Söhne sein! —Wie wird sich unser Vater freuen, wenn er uns beide zu gleicher Zeit am Ziel sieht, wenn wir beide aus dem Kampfe mit einander als Sieger zurückkommen, und keiner überwunden. —Und noch heute muss das geschehen, heut’ an seinem Geburtstage.Julius.Ach, Guido!Guido.Eine entscheidende Antwort!Julius.Ich kann nicht.Guido.Du willst nicht? so kann ich auch nicht. Aber von nun an bin ich unschuldig an diesen väterlichen Tränen, ich schwör’ es, ich bin unschuldig. Auch ich bekäme meinen Anteil davon, sagt’ er. —Siehe, ich wälze ihn hiemit auf dich. Dein ist die ganze Erbschaft von Tränen und Flüchen!Julius.Du bist ungerecht,—glaubst du denn, dass sich eine Leidenschaft so leicht ablegen lasse, wie eine Grille, und dass man die Liebe an- und ausziehen könne, wie einen Harnisch? —Ob ich will—ob ich will—wer liebt, will lieben und weiter nichts. —Liebe ist die grosse Feder in dieser Maschine; und hast du je eine so widersinnig künstliche Maschine gesehen, die selbst ein Rad treibt, um sich zu zerstören, und doch noch eine Maschine bleibt?Guido.Ungemein fein, ungemein gründlich—aber unser armer Vater wird sterben!Julius.Wenn das geschieht, so bist du sein Mörder! —Deine Eifersucht wird ihn töten, und hast du nicht eben gesagt, du könntest deine Ansprüche aufgeben, wenn du wolltest—heisst das nicht gestehen, dass du sie nicht liebst, und doch bleibst du halsstarrig? Dein Aufgeben wär’ nicht Tugend gewesen, aber dein Beharren ist Laster!Guido.Bravo! Bravo! Das war unerwartet.Julius.Und was meinst du denn?Guido.Ich will mich erst ausfreuen, dass die Weisheit eben so eine schlanke geschmeidige Nymphe ist, als die Gerechtigkeit, eben so gut ihre Fälle für einen guten Freund hat. Ich könnte meine Ansprüche aufgeben, wenn ich wollte? —Wenn die Ehre will! —Das ist die Feder in meiner Maschine—du kannst nichts tun, ohne die Liebe zu fragen, ich nichts, ohne die Ehre:—wir beide können also für uns selbst nichts, das, denk’ ich, ist doch wohl ein Fall.Julius.Hat man je etwas so Unbilliges gehört, die erste Triebfeder der menschlichen Natur mit der Grille einiger Toren zu vergleichen?Guido.Einiger Toren! —Du rasest! —Ich verachte dich, wie tief stehst du unter mir! Ich halte meine Rührung durch Tränen für Schwachheit,—aber zu diesem Grade meiner Schwachheit ist deine Tugend noch nicht einmal gestiegen.Julius.Es ist immer dein Fehler gewesen, über Empfindungen zu urteilen, die du nicht kennst.Guido.Und dabei immer ums dritte Wort von Tugend zu schwatzen! —Ich glaube, wenn du nun am Ziel deiner Wünsche bist und deinen Vater auf der Bahre siehst, so wirst du anstatt nach getaner Arbeit zu rasten, noch die Leichenträger unterrichten, was Tugend sei, oder was sie nicht sei!Julius.Wie hab’ ich mich geirrt! Bist du nicht schon wieder in deinem gewöhnlichen Tone?Guido.Siehe, du hoffest auf seinen Tod, kannst du das leugnen? Glaubst du, dass ich es nicht sehe, dass du alsdenn das Mädchen aus dem Kloster entführen willst? —Es ist wahr, alsdann bist du Fürst von Tarent, und ich bin nichts—als ein Mann. —Aber dein zartes Gehirnchen könnte zerreissen, wenn du das alles lebhaft dächtest, was ein Mann kann. —Gott sei Dank, es gibt Schwerter, und ich hab’ einen Arm, der noch allenfalls ein Mädchen aus den weichen Armen eines Zärtlings reissen kann! Ruhig sollst du sie nicht besitzen, ich will einen Bund mit dem Geiste unsers Vaters machen, der an deinem Bette winseln wird.Julius.Ich mag so wenig als unser Vater von dir im Affekt hören, was du tun willst. (Ab.)
Guido, Julius
Guido.Julius, kannst du die Tränen eines Vaters ertragen? Ich kann’s nicht.
Julius.Ach, Bruder, wie könnt’ ich?
Guido.Meine ganze Seele ist aus ihrer Fassung, ich möchte mir das Gewühl einer Schlacht wünschen, um wieder zu mir selbst zu kommen. —Und das kann eine Träne? Ach, was ist der Mut für ein wunderbares Ding! Fast möchte ich sagen, keine Stärke der Seele, bloss Bekanntschaft mit einem Gegenstande—und wenn das ist, ich bitte dich, was hat der Held, den eine Träne ausser sich bringt, an innerer Würde vor dem Weibe voraus, das vor einer Spinne auffährt?
Julius.Bruder, wie sehr gefällt mir dieser dein Ton!
Guido.Mir nicht, wie kann mir meine Schwäche gefallen! Ich fühle, dass ich nicht Guido bin. Wahrhaftig, ich zittre—o wenn das ist, so werd’ ich bald auf die rechte Spur kommen!—ich hab’ ein Fieber!
Julius.Seltsam—dass sich ein Mensch schämt, dass sein Temperament stärker ist als seine Grundsätze.
Guido.Lass uns nicht weiter davon reden!—meine jetzige Laune könnte darüber verfliegen, und ich will sie nutzen! Man muss gewisse Entschlüsse in diesem Augenblick ausführen, aus Furcht, sie möchten uns in den künftigen gereuen. Du weisst es, Bruder, ich liebe Blancan, und habe meine Ehre zum Pfande gegeben,dass ich sie besitzen wollte. —Aber diese Tränen machen mich wankend.
Julius.Du setzest mich in Erstaunen.
Guido.Ich glaube meiner Ehre genug getan zu haben, wenn sie niemand anders besitzt, wenn sie bleibt, was sie ist—denn wer kann auf den Himmel eifersüchtig sein? Aber du siehst, wenn ich meine Ansprüche aufgebe, so musst du auch die deinigen, mit all den Entwürfen, sie jemals in Freiheit zu setzen, aufgeben. —Lass uns das tun, und wieder Brüder und Söhne sein! —Wie wird sich unser Vater freuen, wenn er uns beide zu gleicher Zeit am Ziel sieht, wenn wir beide aus dem Kampfe mit einander als Sieger zurückkommen, und keiner überwunden. —Und noch heute muss das geschehen, heut’ an seinem Geburtstage.
Julius.Ach, Guido!
Guido.Eine entscheidende Antwort!
Julius.Ich kann nicht.
Guido.Du willst nicht? so kann ich auch nicht. Aber von nun an bin ich unschuldig an diesen väterlichen Tränen, ich schwör’ es, ich bin unschuldig. Auch ich bekäme meinen Anteil davon, sagt’ er. —Siehe, ich wälze ihn hiemit auf dich. Dein ist die ganze Erbschaft von Tränen und Flüchen!
Julius.Du bist ungerecht,—glaubst du denn, dass sich eine Leidenschaft so leicht ablegen lasse, wie eine Grille, und dass man die Liebe an- und ausziehen könne, wie einen Harnisch? —Ob ich will—ob ich will—wer liebt, will lieben und weiter nichts. —Liebe ist die grosse Feder in dieser Maschine; und hast du je eine so widersinnig künstliche Maschine gesehen, die selbst ein Rad treibt, um sich zu zerstören, und doch noch eine Maschine bleibt?
Guido.Ungemein fein, ungemein gründlich—aber unser armer Vater wird sterben!
Julius.Wenn das geschieht, so bist du sein Mörder! —Deine Eifersucht wird ihn töten, und hast du nicht eben gesagt, du könntest deine Ansprüche aufgeben, wenn du wolltest—heisst das nicht gestehen, dass du sie nicht liebst, und doch bleibst du halsstarrig? Dein Aufgeben wär’ nicht Tugend gewesen, aber dein Beharren ist Laster!
Guido.Bravo! Bravo! Das war unerwartet.
Julius.Und was meinst du denn?
Guido.Ich will mich erst ausfreuen, dass die Weisheit eben so eine schlanke geschmeidige Nymphe ist, als die Gerechtigkeit, eben so gut ihre Fälle für einen guten Freund hat. Ich könnte meine Ansprüche aufgeben, wenn ich wollte? —Wenn die Ehre will! —Das ist die Feder in meiner Maschine—du kannst nichts tun, ohne die Liebe zu fragen, ich nichts, ohne die Ehre:—wir beide können also für uns selbst nichts, das, denk’ ich, ist doch wohl ein Fall.
Julius.Hat man je etwas so Unbilliges gehört, die erste Triebfeder der menschlichen Natur mit der Grille einiger Toren zu vergleichen?
Guido.Einiger Toren! —Du rasest! —Ich verachte dich, wie tief stehst du unter mir! Ich halte meine Rührung durch Tränen für Schwachheit,—aber zu diesem Grade meiner Schwachheit ist deine Tugend noch nicht einmal gestiegen.
Julius.Es ist immer dein Fehler gewesen, über Empfindungen zu urteilen, die du nicht kennst.
Guido.Und dabei immer ums dritte Wort von Tugend zu schwatzen! —Ich glaube, wenn du nun am Ziel deiner Wünsche bist und deinen Vater auf der Bahre siehst, so wirst du anstatt nach getaner Arbeit zu rasten, noch die Leichenträger unterrichten, was Tugend sei, oder was sie nicht sei!
Julius.Wie hab’ ich mich geirrt! Bist du nicht schon wieder in deinem gewöhnlichen Tone?
Guido.Siehe, du hoffest auf seinen Tod, kannst du das leugnen? Glaubst du, dass ich es nicht sehe, dass du alsdenn das Mädchen aus dem Kloster entführen willst? —Es ist wahr, alsdann bist du Fürst von Tarent, und ich bin nichts—als ein Mann. —Aber dein zartes Gehirnchen könnte zerreissen, wenn du das alles lebhaft dächtest, was ein Mann kann. —Gott sei Dank, es gibt Schwerter, und ich hab’ einen Arm, der noch allenfalls ein Mädchen aus den weichen Armen eines Zärtlings reissen kann! Ruhig sollst du sie nicht besitzen, ich will einen Bund mit dem Geiste unsers Vaters machen, der an deinem Bette winseln wird.
Julius.Ich mag so wenig als unser Vater von dir im Affekt hören, was du tun willst. (Ab.)
Golo(hervor). Wie unruhig die Nacht! Hat mich der schönste Stern hervorgezischt? Oder war sie es selbst, die jetzt ebenso liebeunruhig im Grünen irret wie ein angeschossen Reh, meiner heissen Sehnsucht zu begegnen? Wie entglommen mein Herz! O Mathilde, du sagtest mir nicht alles; ich bin wohl glücklicher als ich es selbst gewusst.Ach, süsses Glück der Liebe,Wer dich nicht kost,Des Lebens Freude kennt er nicht,Des Lebens besten Schatz.Still! Was hör’ ich droben am Fenster? Sie selbst, o Himmel! (Zieht sich in die Grotte.)Genoveva(oben auf dem Altan). Die du alles bedeckst, Nacht, bedecke auch meinen Gram, süsse, liebe, heitere Nacht! Ich bin schon wieder froh. Was trauere ich denn auch? Was hat mein Herz verbrochen? (Singt.)Viel lieber wollt’ nicht lebenAls mich dem Gram ergeben;Der Gram das Leben frisst.Was nur der Waldbruder meinte? Sollte es möglich sein, grosser Gott, möglich? Golo ein Verräter an mir, an Siegfried, der ihn so brüderlich liebt? Und warum sollt’ er’s sein? Worin? (Singt.)Aufs sichere Nest kein Vogel geht,Auch Sturm es manchmal rüttelt;Kein Baum im freien Walde weht,Den Winters Gewalt nicht schüttelt.Was auf der Erde lebt und steht;Wechselt immer Schmerz und Wonne;Der Winter wohl nach Sommer geht,Nach Regen lacht die Sonne.Also packt euch, ihr Grillen, wohin ihr wollt; ich mag nicht länger mit euch zu schaffen haben. Wie angenehm der falbe Mondglanz zwischen den Bäumen dort unten! Ich will auch hinunter, mich noch ein Weilchen erlaben, jetzt, da ich allein bin. Das will ich. (Ab.)Golo.Kommt sie herunter? Sie fliegt herunter meinen Armen zu. O Stunde, Stunde, bist du da? Ich hör’, ich hör’ sie schon; da ist sie, da bin ich, wie über Wolken zu dir auf, himmlisches, seliges Wesen!Genoveva.Wer hält mich? Wer ist da? Himmel! Bin ich nicht allein?Golo.Ach, kannst du noch fragen? Ich bin’s, Genoveva, ich, der schon so lange anbetet, nach dir lechzt wie der Hirsch nach frischem Trank, nach dir! Genoveva, Genoveva, du, selig machst du mich jetzt, selig! (Er kniet vor ihr und hält sie.)Genoveva.Edler Ritter, lasst ab, ich bitt’ Euch; haltet ein, Ihr irrt.Golo.O Leben! Nimm mir das Leben! Teure, ich liebe Euch, liebe Euch.Genoveva.Ihr liebt mich, Ritter? Wie? Ihr? Was sagt Ihr?GoloAch hier, wo sich mein Herz verlor,In süssen Jugendtagen,Ihr Stauden, hänget noch betrübtVon meinen schweren Klagen!O schau’ hinauf ins Sternenchor,Sie werden’s all dir sagen,Wie treu und rein der Ritter liebt,Der dir so ist ergeben.So rein ihr Schein,Steht hoffnungsfroh nach dir alleinMein Streben und mein Leben.Erlös’ mich, schönstes Herz, eine arme Seele ans Flammen zu dir! Erbarme dich!Genoveva(zitternd). Was wollt Ihr? Golo, Golo, was sprecht Ihr? Gedenkt doch—O nein, nein, es darf ja nicht—Schweigt doch, der Himmel hört uns beide. Schaut um Euch, junger Ritter; in der Welt werdet Ihr noch eine schöne Gemahlin finden, die Euch trösten darf; sprecht nicht so zu mir; ich vermag’s ja nicht.Golo.O bei den Lichtern, die dort oben brennen, keine unter dem Himmel und auf Erden als du allein! Eh soll sich dies Herz so in Glut verzehren! Du allein, süsses, seliges Wesen, dein Abdruck, rein bis in den Tod.Genoveva.O lasst mich, lasst mich, lasst mich doch, Ritter! Kann Euch nicht länger anhören. O Himmel!Golo.Flieh nicht, Genovevchen, reissest mir die Seele mit weg. Ermorde mich, Grausame; gib mir den Tod; sage, du wollest mich nicht trösten; dein Zorn macht mich zur Leiche.Genoveva.Golo! Ritter, bedenkt doch ums Himmels willen!Golo.Es ist vorbei, ich kann nicht. (Küsst ihre Hand.)Genoveva.Halt!Golo.Engel, süsser Engel!Genoveva.Falscher, was treibt Ihr? Unsinniger!Golo.Umsonst! Umsonst! (Umfasst sie und trägt sie der Höhle zu.)Genoveva.Ungeheuer! Nicht edler Ritter! —Ihr droben, erbarmt euch mein! Hilfe! Hilfe!(Dragones der Grotte zu.)Dragones.Was gibt’s hier? Steht! Wer ist’s? —Eure Stimme, Gräfin? Ehrenräuber! Wer du auch bist, halt! Halt!Golo(lässt Genoveven los, schlägt den Mantel vor.) Hölle! O alles! Da, nimm’s, ungebetener Hund!Dragones.Weh mir! Bin verwundet! Hilfe! O Hilfe!Golo.Was soll ich nun? Genoveva! Was fang’ ich nun an? Verflucht! Dort kommen mehr Leute. Ich muss flüchten, bin verraten, verloren. Weh! Weh!
Golo(hervor). Wie unruhig die Nacht! Hat mich der schönste Stern hervorgezischt? Oder war sie es selbst, die jetzt ebenso liebeunruhig im Grünen irret wie ein angeschossen Reh, meiner heissen Sehnsucht zu begegnen? Wie entglommen mein Herz! O Mathilde, du sagtest mir nicht alles; ich bin wohl glücklicher als ich es selbst gewusst.
Ach, süsses Glück der Liebe,Wer dich nicht kost,Des Lebens Freude kennt er nicht,Des Lebens besten Schatz.
Ach, süsses Glück der Liebe,
Wer dich nicht kost,
Des Lebens Freude kennt er nicht,
Des Lebens besten Schatz.
Still! Was hör’ ich droben am Fenster? Sie selbst, o Himmel! (Zieht sich in die Grotte.)
Genoveva(oben auf dem Altan). Die du alles bedeckst, Nacht, bedecke auch meinen Gram, süsse, liebe, heitere Nacht! Ich bin schon wieder froh. Was trauere ich denn auch? Was hat mein Herz verbrochen? (Singt.)
Viel lieber wollt’ nicht lebenAls mich dem Gram ergeben;Der Gram das Leben frisst.
Viel lieber wollt’ nicht leben
Als mich dem Gram ergeben;
Der Gram das Leben frisst.
Was nur der Waldbruder meinte? Sollte es möglich sein, grosser Gott, möglich? Golo ein Verräter an mir, an Siegfried, der ihn so brüderlich liebt? Und warum sollt’ er’s sein? Worin? (Singt.)
Aufs sichere Nest kein Vogel geht,Auch Sturm es manchmal rüttelt;Kein Baum im freien Walde weht,Den Winters Gewalt nicht schüttelt.Was auf der Erde lebt und steht;Wechselt immer Schmerz und Wonne;Der Winter wohl nach Sommer geht,Nach Regen lacht die Sonne.
Aufs sichere Nest kein Vogel geht,
Auch Sturm es manchmal rüttelt;
Kein Baum im freien Walde weht,
Den Winters Gewalt nicht schüttelt.
Was auf der Erde lebt und steht;
Wechselt immer Schmerz und Wonne;
Der Winter wohl nach Sommer geht,
Nach Regen lacht die Sonne.
Also packt euch, ihr Grillen, wohin ihr wollt; ich mag nicht länger mit euch zu schaffen haben. Wie angenehm der falbe Mondglanz zwischen den Bäumen dort unten! Ich will auch hinunter, mich noch ein Weilchen erlaben, jetzt, da ich allein bin. Das will ich. (Ab.)
Golo.Kommt sie herunter? Sie fliegt herunter meinen Armen zu. O Stunde, Stunde, bist du da? Ich hör’, ich hör’ sie schon; da ist sie, da bin ich, wie über Wolken zu dir auf, himmlisches, seliges Wesen!
Genoveva.Wer hält mich? Wer ist da? Himmel! Bin ich nicht allein?
Golo.Ach, kannst du noch fragen? Ich bin’s, Genoveva, ich, der schon so lange anbetet, nach dir lechzt wie der Hirsch nach frischem Trank, nach dir! Genoveva, Genoveva, du, selig machst du mich jetzt, selig! (Er kniet vor ihr und hält sie.)
Genoveva.Edler Ritter, lasst ab, ich bitt’ Euch; haltet ein, Ihr irrt.
Golo.O Leben! Nimm mir das Leben! Teure, ich liebe Euch, liebe Euch.
Genoveva.Ihr liebt mich, Ritter? Wie? Ihr? Was sagt Ihr?
Golo
Ach hier, wo sich mein Herz verlor,In süssen Jugendtagen,Ihr Stauden, hänget noch betrübtVon meinen schweren Klagen!O schau’ hinauf ins Sternenchor,Sie werden’s all dir sagen,Wie treu und rein der Ritter liebt,Der dir so ist ergeben.So rein ihr Schein,Steht hoffnungsfroh nach dir alleinMein Streben und mein Leben.
Ach hier, wo sich mein Herz verlor,
In süssen Jugendtagen,
Ihr Stauden, hänget noch betrübt
Von meinen schweren Klagen!
O schau’ hinauf ins Sternenchor,
Sie werden’s all dir sagen,
Wie treu und rein der Ritter liebt,
Der dir so ist ergeben.
So rein ihr Schein,
Steht hoffnungsfroh nach dir allein
Mein Streben und mein Leben.
Erlös’ mich, schönstes Herz, eine arme Seele ans Flammen zu dir! Erbarme dich!
Genoveva(zitternd). Was wollt Ihr? Golo, Golo, was sprecht Ihr? Gedenkt doch—O nein, nein, es darf ja nicht—Schweigt doch, der Himmel hört uns beide. Schaut um Euch, junger Ritter; in der Welt werdet Ihr noch eine schöne Gemahlin finden, die Euch trösten darf; sprecht nicht so zu mir; ich vermag’s ja nicht.
Golo.O bei den Lichtern, die dort oben brennen, keine unter dem Himmel und auf Erden als du allein! Eh soll sich dies Herz so in Glut verzehren! Du allein, süsses, seliges Wesen, dein Abdruck, rein bis in den Tod.
Genoveva.O lasst mich, lasst mich, lasst mich doch, Ritter! Kann Euch nicht länger anhören. O Himmel!
Golo.Flieh nicht, Genovevchen, reissest mir die Seele mit weg. Ermorde mich, Grausame; gib mir den Tod; sage, du wollest mich nicht trösten; dein Zorn macht mich zur Leiche.
Genoveva.Golo! Ritter, bedenkt doch ums Himmels willen!
Golo.Es ist vorbei, ich kann nicht. (Küsst ihre Hand.)
Genoveva.Halt!
Golo.Engel, süsser Engel!
Genoveva.Falscher, was treibt Ihr? Unsinniger!
Golo.Umsonst! Umsonst! (Umfasst sie und trägt sie der Höhle zu.)
Genoveva.Ungeheuer! Nicht edler Ritter! —Ihr droben, erbarmt euch mein! Hilfe! Hilfe!
(Dragones der Grotte zu.)
Dragones.Was gibt’s hier? Steht! Wer ist’s? —Eure Stimme, Gräfin? Ehrenräuber! Wer du auch bist, halt! Halt!
Golo(lässt Genoveven los, schlägt den Mantel vor.) Hölle! O alles! Da, nimm’s, ungebetener Hund!
Dragones.Weh mir! Bin verwundet! Hilfe! O Hilfe!
Golo.Was soll ich nun? Genoveva! Was fang’ ich nun an? Verflucht! Dort kommen mehr Leute. Ich muss flüchten, bin verraten, verloren. Weh! Weh!
1.Friedrich Maximilian Klinger (1752-1831) was a fellow-townsman and friend of Goethe. HisSturm und Drang, which was at first namedWirrwarr, came out in 1776. The scene is ‘America.’The speakers are Wild, a lusty and masterful man of action; Blasius, ablaséworldling; and La Feu, a sentimental dreamer. They propose to try their fortunes in the French-Indian War.2.Published in 1776—the same year with Klinger’sDie Zwillinge, which also deals with fratricide. Julius, the crown prince, is a studious and romantic dreamer; Guido, a young hotspur. Their father has just been imploring them to end their futile quarrel over the girl Blanca, who has been sent to a nunnery. —Julius of Tarentumis by far the most important work of its author, Johann Anton Leisewitz (1752-1806).3.Friedrich Müller (1749-1825), commonly distinguished as Maler Müller, wrote hisGolo und Genovevabetween 1775 and 1781. Siegfried, Count Palatine, has gone to aid Charles Martel against the Moors, leaving his virtuous and saintly wife, Genevieve, in the care of his trusted vassal Golo. Inflamed by lust and perverted by evil counsels, Golo proves faithless to his trust. The scene is in Genevieve’s castle-garden, where Golo has hidden in a grotto.
1.Friedrich Maximilian Klinger (1752-1831) was a fellow-townsman and friend of Goethe. HisSturm und Drang, which was at first namedWirrwarr, came out in 1776. The scene is ‘America.’The speakers are Wild, a lusty and masterful man of action; Blasius, ablaséworldling; and La Feu, a sentimental dreamer. They propose to try their fortunes in the French-Indian War.
2.Published in 1776—the same year with Klinger’sDie Zwillinge, which also deals with fratricide. Julius, the crown prince, is a studious and romantic dreamer; Guido, a young hotspur. Their father has just been imploring them to end their futile quarrel over the girl Blanca, who has been sent to a nunnery. —Julius of Tarentumis by far the most important work of its author, Johann Anton Leisewitz (1752-1806).
3.Friedrich Müller (1749-1825), commonly distinguished as Maler Müller, wrote hisGolo und Genovevabetween 1775 and 1781. Siegfried, Count Palatine, has gone to aid Charles Martel against the Moors, leaving his virtuous and saintly wife, Genevieve, in the care of his trusted vassal Golo. Inflamed by lust and perverted by evil counsels, Golo proves faithless to his trust. The scene is in Genevieve’s castle-garden, where Golo has hidden in a grotto.
In the year 1772 a number of Göttingen youths formed a society for the cultivation of a vigorousDeutschtumin what they supposed to be the spirit of the forefathers. Klopstock was their hero, Wieland their aversion. They wrote songs, ballads, odes, idyls, elegies, etc., treating of freedom, virtue, love of country, the brave days of old; of nature and the seasons; of common folk and their employments. Their work accords with the general spirit of the ‘Storm and Stress,’ and here and there presages the romantic movement. Of the selections, Nos. 1, 4, 9 are by Count Friedrich Leopold Stolberg (1750-1819); Nos. 2, 5 by Johann Heinrich Voss (1751-1826); Nos. 3, 6, 10 by Ludwig Hölty (1748-1776); Nos. 7, 8 by Johann Martin Miller (1750-1814). See Kürschner’sNationalliteratur, Vols. 49-50.
Freiheit! Der Höfling kennt den Gedanken nicht,
Sklave! Die Kette rasselt ihm Silberton!
Gebeugt das Knie, gebeugt die Seele,
Reicht er dem Joche den feigen Nacken.
Mir ein erhabner, schauergebärender
Wonne-Gedanke! Fre heit, ich fühle dich!
Das ganze Herz, von dir erfüllet,
Strömet in voller Empfindung über!
Nektar der Seele! Helden entflammtest du,
Welchen die Nachwelt jedes Erstaunen weiht,
Du stärktest sie! In Sklavenhänden
Rostet der Stahl, wird entnervt der Bogen.
Wer für die Freiheit, wer für das Vaterland
Mutig den Arm hebt, leuchtet im Blute wie
Der Blitz des Nachtsturms; der Gefahren
Trübt ihm nicht eine die heitre Stirne.
Namen, mir festlich wie ein Triumphgesang:
Brutus! Tell! Hermann! Cato! Timoleon!
Im Herzen des, dem freie Seele
Gott gab, mit Flammenschrift eingegraben.
Der du edel entbranntst, wo hochgelahrte
Diener Justinians Banditen zogen,
Die in Roms Labyrinthen
Würgen das Recht der Vernunft;
Freier Goethe, du darfst die goldne Fessel,
Aus des Griechen Gesang geschmiedet, höhnen!
Shakespeare dürft’ es und Klopstock,
Söhne gleich ihm der Natur!
Mag doch Heinrichs Homer,2im trägen Mohnkranz,
Mag der grosse Corneill’, am Aristarchen—
Trone knieend, das Klatschen
Staunender Leutlein erflehn!
Deutsch und eisern wie Götz, sprich Hohn den Schurken—
Mit der Fessel im Arm! Des Sumpfes Schreier
Schmäht der Leu zu zerstampfen,
Wandelt durch Wälder und herrscht!
Trotz jedem Ausland stürmet Begeisterung
In deutschen Seelen. Barden, ihr zeuget es,
Die ihr von Sarons Palmen und von
Heimischen Eichen euch Kränze wandet!
Mit schnellern Flügen als der Hesperier
Und Brite flogt ihr, Barden des Vaterlands,
Zu Bragas Gipfel! Noch war Dämmrung;
Dämmrung zerflog, und die Mittagssonne
Stand hoch am Himmel. —Muse Teutoniens,
Du bietest deiner Schwester, der Britin, Trotz
Und überfleugst sie bald! Du lächelst,
Muse, der gaukelnden Afterschwester,
Die in den goldnen Sälen Lutetiens
Ihr Liedchen klimpert. Schande dem Sohne Teuts,
Der’s durstig trinket, weil es Wollust
Durch die entloderten Adern strömet!
Kein deutscher Jüngling wähle das Mädchen sich,
Das deutsche Lieder hasset und Buhlersang
Des Galliers in ihre Laute
Tändelnde Silberaccorde tönet!
Schwing deine Geissel, Sänger der Tugend, schwing
Die Feuergeissel, welche dir Braga gab,
Die Natternbrut, die unsre deutsche
Redlichkeit, Keuschheit und Treue tötet,
Zurückzustäupen! Ich will, o Freund, indes,
Wenn deine Geissel brauset, des tollen Schwarms
Am Busen eines deutschen Mädchens
Unter den Blumen des Frühlings lachen.
Mein Arm wird stark, und gross mein Mut,
Gib, Vater mir ein Schwert!
Verachte nicht mein junges Blut,
Ich bin der Väter wert!
Ich finde fürder keine Ruh
Im weichen Vaterland!
Ich stürb, o Vater, stolz wie du,
Den Tod fürs Vaterland!
Schon früh in meiner Jugend war
Mein täglich Spiel der Krieg;
Im Bette träumt’ ich nur Gefahr
Und Wunden nur und Sieg.
Mein Feldgeschrei erweckte mich
Aus mancher Türkenschlacht;
Noch jüngst ein Faustschlag, welchen ich
Dem Bassa zugedacht.
Da neulich unsrer Krieger Schar
Auf dieser Strasse zog,
Und, wie ein Vogel der Husar
Das Haus vorüberflog:
Da gaffte starr und freute sich
Der Knaben froher Schwarm;
Ich aber, Vater, härmte mich
Und prüfte meinen Arm.
Mein Arm wird stark, und gross mein Mut,
Gib, Vater, mir ein Schwert!
Verachte nicht mein junges Blut,
Ich bin der Väter wert!
Mit Eichenlaub den Hut bekränzt!
Wohlauf! und trinkt den Wein,
Der duftend uns entgegenglänzt!
Ihn sandte Vater Rhein.
Ist einem noch die Knechtschaft wert,
Und zittert ihm die Hand,
Zu heben Kolbe, Lanz’ und Schwert,
Wenn’s gilt fürs Vaterland:
Weg mit dem Schurken, weg von hier!
Er kriech’ um Schranzenbrot,
Und sauf’ um Fürsten sich zum Tier,
Und bub’4und lästre Gott!
Und putze seinem Herrn die Schuh,
Und führe seinem Herrn
Sein Weib und seine Tochter zu
Und trage Band und Stern!
Für uns, für uns ist diese Nacht,
Für uns der edle Trank!
Man keltert’ ihn, als Frankreichs Macht
In Höchstädts5Tälern sank.
Drum, Brüder, auf! den Hut bekränzt!
Und trinkt, und trinkt den Wein,
Der duftend uns entgegenglänzt!
Uns sandt’ ihn Vater Rhein.
Uns rötet hohe Freiheitsglut,
Uns zittert nicht die Hand,
Wir scheuten nicht des Vaters Blut,
Geböt’s das Vaterland.
Uns, uns gehöret Hermann an,
Und Tell, der Schweizerheld,
Und jeder freie deutsche Mann;
Wer hat den Sand gezählt?
Gesegnet mir, mein Vaterland,
Wo ich so viele Tugend fand,
Gesegnet mir, mein Vaterland!
Die Männer haben Heldenmut,
Verströmen Patriotenblut,
Sind edel auch dabei und gut.
Die Weiber sind den Engeln gleich,
Es ist, fürwahr, ein Himmelreich,
Ihr Preislichen, zu schauen euch.
Sie lieben Zucht und Biedersinn.
O selig Land, worin ich bin!
O möcht’ ich lange leben drin!
Es leben die Alten,
Die Mädchen und Wein
Für Mittel gehalten
Sich weislich zu freun!
Sie übten die Pflichten
Des Biedermanns aus
Und lachten in Züchten
Beim nächtlichen Schmaus.
Da lud man die Jugend
Zum Mahle mit ein,
Und predigte Tugend
Durch Taten allein;
Man rühmte die Grossen,
Die, tapfer und gut,
Kein andres vergossen
Als feindliches Blut.
Dem Lande zu Ehren
Nahm jeder sein Glas;
Vergnügen half’s leeren,
Doch hielten sie Mass,
Und lachten sich nüchtern
Und sangen in Ruh
Von fröhlichen Dichtern
Ein Liedchen dazu.
Um Mitternacht schieden
Sie küssend vom Schmaus,
Und kehrten in Frieden
Zum Weibchen nach Haus.
Es leben die Alten!
Wir folgen dem Brauch,
Auf den sie gehalten,
Und freuen uns auch.
Auf, ihr meine deutschen Brüder,
Feiern wollen wir die Nacht!
Schallen sollen frohe Lieder,
Bis der Morgenstern erwacht!
Lasst die Stunden uns beflügeln!
Hier ist echter, deutscher Wein,
Ausgepresst auf deutschen Hügeln
Und gereift am alten Rhein!
Wer im fremden Tranke prasset,
Meide dieses freie Land!
Wer des Rheines Gabe hasset,
Trik’ als Knecht am Marnestrand!
Singt in lauten Wechselchören!
Ebert, Hagedorn und Gleim
Sollen uns Gesänge lehren;
Denn wir lieben deutschen Reim.
Trotz geboten allen denen,
Die, mit Galliens Gezier,
Unsre Nervensprache höhnen!
Ihrer spotten wollen wir!
Ihrer spotten! Aber, Brüder,
Stark und deutsch, wie unser Wein,
Sollen immer unsre Lieder
Bei Gelag und Mahlen sein.
Unser Kaiser Joseph lebe!
Biedermann und deutsch ist er.
Hermanns hoher Schatten schwebe
Waltend um den Enkel her,
Dass er, mutig in Gefahren,
Sich dem Vaterlande weih’,
Und in Kindeskinder-Jahren
Muster aller Kaiser sei!
Jeder Fürst im Lande lebe,
Der es treu und redlich meint!
Jedem wackern Deutschen gebe
Gott den wärmsten Herzensfreund,
Und ein Weib in seine Hütte,
Das ihm sei ein Himmelreich,
Und ihm Kinder geb’, an Sitte
Seinen braven Vätern gleich!
Leben sollen alle Schönen,
Die, von fremder Torheit rein,
Nur des Vaterlandes Söhnen
Ihren keuschen Busen weihn!
Deutsche Redlichkeit und Treue
Macht uns ihrer Liebe wert:
Drum wohlauf! der Tugend weihe
Jeder-sich, der sie begehrt!
Süsse, heilige Natur,
Lass mich gehn auf deiner Spur!
Leite mich an deiner Hand,
Wie ein Kind am Gängelband!
Wenn ich dann ermüdet bin,
Rück ich dir am Busen hin,
Atme süsse Himmelslust,
Hangend an der Mutter Brust.
Ach, mir ist so wohl bei dir!
Will dich lieben für und für.
Lass mich gehn auf deiner Spur,
Süsse, heilige Natur!
Die Luft ist blau, das Tal ist grün,
Die kleinen Maienglocken blühn
Und Schlüsselblumen drunter;
Der Wiesengrund
Ist schon so bunt
Und malt sich täglich bunter.
Drum komme, wem der Mai gefällt,
Und freue sich der schönen Welt
Und Gottes Vatergüte,
Die diese Pracht
Hervogebracht,
Dem Baum und seine Blüte.
1.The ode, written in 1773, alludes to Goethe’s newly publishedGötz, in which there are some drastic comments on German legal procedure under the Code Justinian.2.Allusion to Voltaire’sHenriade.3.Teuthard—poetic name for a rugged Old German—is Fritz Hahn, a member of the Alliance.4.Buben, ‘indulge in shameless vice.’5.At Höchstädt in Bavaria the French were defeated in 1704 by the English and Germans.
1.The ode, written in 1773, alludes to Goethe’s newly publishedGötz, in which there are some drastic comments on German legal procedure under the Code Justinian.
2.Allusion to Voltaire’sHenriade.
3.Teuthard—poetic name for a rugged Old German—is Fritz Hahn, a member of the Alliance.
4.Buben, ‘indulge in shameless vice.’
5.At Höchstädt in Bavaria the French were defeated in 1704 by the English and Germans.
1747-1794. The stormy decade 1770-1780, which quickened other germs of what was afterwards to be known as romanticism, brought with it a notable renascence of the ballad. By general consent the first place in the balladryof the time belongs to Bürger’sLenore(1774). The uncanny supernaturalism and onomatopœic word-jingles, which had lent a mysterious fascination to many an old ballad, but had virtually disappeared from the lyric poetry of the reason-worshiping century, were here revived with telling effect.
Lenore fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
“Bist untreu, Wilhelm, oder tot?
Wie lange willst du säumen?”
Er war mit König Friedrichs Macht
Gezogen in die Prager Schlacht,
Und hatte nicht geschrieben,
Ob er gesund geblieben.
Der König und die Kaiserin,
Des langen Haders müde,
Erweichten ihren harten Sinn
Und machten endlich Friede;
Und jedes Heer, mit Sing und Sang,
Mit Paukenschlag und Kling und Klang,
Geschmückt mit grünen Reisern,
Zog heim zu seinen Häusern.
Und überall all überall,
Auf Wegen und auf Stegen,
Zog alt und jung dem Jubelschall
Der Kommenden entgegen.
Gottlob! rief Kind und Gattin laut,
Willkommen! manche frohe Braut.
Ach! aber für Lenoren
War Gruss und Kuss verloren.
Sie frug den Zug wohl auf und ab,
Und frug nach allen Namen;
Doch keiner war, der Kundschaft gab,
Von allen, so da kamen.
Als nun das Heer vorüber war,
Zerraufte sie ihr Rabenhaar
Und warf sich hin zur Erde,
Mit wütiger Gebärde.
Die Mutter lief wohl hin zu ihr:—
“Ach, dass sich Gott erbarme!
Du trautes Kind, was ist mit dir?”—
Und schloss sie in die Arme.—
“O Mutter, Mutter, hin ist hin!
Nun fahre Welt und alles hin!
Bei Gott ist kein Erbarmen.
O weh, o weh mir Armen!”—
“Hilf Gott, hilf! Sieh uns gnädig an!
Kind, bet’ ein Vaterunser!
Was Gott tut, das ist wohlgetan.
Gott, Gott erbarmt sich unser!”—
“O Mutter, Mutter, eitler Wahn!
Gott hat an mir nicht wohlgetan!
Was half, was half mein Beten?
Nun ist’s nicht mehr von Nöten.”—
“Hilf Gott, hilf! wer den Vater kennt,
Der weiss, er hilft den Kindern.
Das hochgelobte Sacrament
Wird deinen Jammer lindern.”—
“O Mutter, Mutter, was mich brennt,
Das lindert mir kein Sacrament!
Kein Sacrament mag Leben
Den Toten wiedergeben.”—
“Hör, Kind, wie wenn der falsche Mann,
Im fernen Ungerlande,
Sich seines Glaubens abgetan,
Zum neuen Ehebande?
Lass fahren, Kind, sein Herz dahin!
Er hat es nimmermehr Gewinn!
Wann Seel’ und Leib sich trennen,
Wird ihn sein Meineid brennen.”—
“O Mutter, Mutter, hin ist hin!
Verloren ist verloren!
Der Tod, der Tod ist mein Gewinn!
O wär’ ich nie geboren!
Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus!
Stirb hin, stirb hin, in Nacht und Graus!
Bei Gott ist kein Erbarmen.
O weh, o weh mir Armen!”—
“Hilf Gott, hilf! Geh nicht ins Gericht
Mit deinem armen Kinde!
Sie weiss nicht, was die Zunge spricht.
Behalt ihr nicht die Sünde!
Ach, Kind, vergiss dein irdisch Leid,
Und denk’ an Gott und Seligkeit!
So wird doch deiner Seelen
Der Bräutigam nicht fehlen,”—
“O Mutter, was ist Seligkeit?
O Mutter! Was ist Hölle?
Bei ihm, bei ihm ist Seligkeit,
Und ohne Wilhelm Hölle!—
Lisch aus, mein Licht, auf ewig aus!
Stirb hin, stirb hin, in Nacht und Graus!
Ohn ihn mag ich auf Erden,
Mag dort nicht selig werden.”—
So wütete Verzweifelung
Ihr in Gehirn und Adern.
Sie fuhr mit Gottes Vorsehung
Vermessen fort zu hadern;
Zerschlug den Busen und zerrang
Die Hand, bis Sonnenuntergang,
Bis auf am Himmelsbogen
Die goldnen Sterne zogen.
Und aussen, horch! ging’s trap trap trap,
Als wie von Rosses Hufen;
Und klirrend stieg ein Reiter ab,
An des Geländers Stufen.
Und horch! und horch! den Pfortenring
Ganz lose, leise, klinglingling!
Dann kamen durch die Pforte
Vernehmlich diese Worte:
“Holla! Holla! Tu auf, mein Kind!
Schläfst, Liebchen, oder wachst du?
Wie bist noch gegen mich gesinnt?
Und weinest oder lachst du?”—
“Ach, Wilhelm, du? —So spät bei Nacht?—
Geweinet hab ich und gewacht;
Ach, grosses Leid erlitten!
Wo kommst du hergeritten?”—
“Wir satteln nur um Mitternacht.
Weit ritt ich her von Böhmen.
Ich habe spät mich aufgemacht,
Und will dich mit mir nehmen.”—
“Ach, Wilhelm, erst herein geschwind!
Den Hagedorn durchsaust der Wind,
Herein, in meinen Armen,
Herzliebster, zu erwarmen!”—
“Lass sausen durch den Hagedorn,
Lass sausen, Kind, lass sausen!
Der Rappe scharrt, es klirrt der Sporn,
Ich darf allhier nicht hausen.
Komm, schürze, spring und schwinge dich
Auf meinen Rappen hintermich!
Muss heut noch hundert Meilen
Mit dir ins Brautbett eilen.”—
“Ach, wolltest hundert Meilen noch
Mich heut ins Brautbett tragen?
Und horch! es brummt die Glocke noch,
Die elf schon angeschlagen.”—
“Sieh hin, sieh her! der Mond scheint hell.
Wir und die Toten reiten schnell.
Ich bringe dich, zur Wette,
Noch heut ins Hochzeitbette.”—
“Sag’ an, wo ist dein Kämmerlein?
Wo? Wie dein Hochzeitbettchen?”—
“Weit, weit von hier! —Still, kühl und klein!—
Sechs Bretter und zwei Brettchen!”—
“Hat’s Raum für mich?” —“Für dich und mich!
Komm, schürze, spring und schwinge dich!
Die Hochzeitgäste hoffen;
Die Kammer steht uns offen.”—
Schön Liebchen schürzte, sprang und schwang
Sich auf das Ross behende;
Wohl um den trauten Reiter schlang
Sie ihre Lilienhände.
Und hurre hurre, hop hop hop,
Ging’s fort im sausenden Galopp,
Dass Ross und Reiter schnoben,
Und Kies und Funken stoben.
Zur rechten und zur linken Hand
Vorbei vor ihren Blicken,
Wie flogen Anger, Heid’ und Land!
Wie donnerten die Brücken!
“Graut Liebchen auch? —Der Mond scheint hell!
Hurra! die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Toten?”—
“Ach, nein! —Doch lass die Toten!”
Was klang dort für Gesang und Klang?
Was flatterten die Raben?
Horch Glockenklang! horch Totensang:
“Lasst uns den Leib begraben!”
Und näher zog ein Leichenzug,
Der Sarg und Totenbahre trug.
Das Lied war zu vergleichen
Dem Unkenruf in Teichen.
“Nach Mitternacht begrabt den Leib,
Mit Klang und Sang und Klage!
Jetzt führ’ ich heim mein junges Weib.
Mit, mit zum Brautgelage!
Komm, Küster, hier! Komm mit dem Chor,
Und gurgle mir das Brautlied vor!
Komm, Pfaff, und sprich den Segen,
Eh wir zu Bett uns legen!”—
Still Klang und Sang. —Die Bahre schwand.—
Gehorsam seinem Rufen,
Kam’s hurre hurre! nachgerannt,
Hart hinters Rappen Hufen.
Und immer weiter, hop hop hop!
Ging’s fort im sausenden Galopp,
Dass Ross und Reiter schnoben.
Und Kies und Funken stoben.
Wie flogen rechts, wie flogen links
Gebirge, Bäum’ und Hecken!
Wie flogen links, und rechts, und links
Die Dörfer, Städt’ und Flecken!
“Graut Liebchen auch? —Der Mond scheint hell!
Hurra! die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Toten?”—
“Ach! Lass sie ruhn, die Toten!”—
Sieh da! sieh da! Am Hochgericht
Tanzt’ um des Rades Spindel
Halb sichtbarlich, bei Mondenlicht,
Ein lustiges Gesindel.—
“Sasa! Gesindel, hier! Komm hier!
Gesindel, komm und folge mir!
Tanz uns den Hochzeitreigen,
Wann wir zu Bette steigen!”—
Und das Gesindel husch husch husch!
Kam hinten nachgeprasselt,
Wie Wirbelwind am Haselbusch
Durch dürre Blätter rasselt
Und weiter, weiter, hop hop hop!
Ging’s fort irn sausenden Galopp,
Dass Ross und Reiter schnoben,
Und Kies und Funken stoben.
Wie flog, was rund der Mond beschien,
Wie flog es in die Ferne!
Wie flogen oben über hin
Der Himmel und die Sterne!—
“Graut Liebchen auch? —Der Mond scheint hell!
Hurra! die Toten reiten schnell!
Graut Liebchen auch vor Toten?”—
“O weh, lass ruhn die Toten!”—
“Rapp’! Rapp’! Mich dünkt, der Hahn schon ruft.—
Bald wird der Sand verrinnen—
Rapp’! Rapp’! Ich wittre Morgenluft—
Rapp’! Tummle dich von hinnen!—
Vollbracht, vollbracht ist unser Lauf!
Das Hochzeitbette tut sich auf!
Die Toten reiten schnelle!
Wir sind, wir sind zur Stelle!”—
Rasch auf ein eisern Gittertor
Ging’s mit verhängtem Zügel.
Mit schlanker Gert’ ein Schlag davor
Zersprengte Schloss und Riegel.
Die Flügel flogen klirrend auf,
Und über Gräber ging der Lauf.
Es blinkten Leichensteine
Rund um im Mondenscheine.
Ha sieh! Ha sieh! im Augenblick
Huhu! ein grässlich Wunder!
Des Reiters Koller, Stück für Stück,
Fiel ab wie mürber Zunder.
Zum Schädel, ohne Schöpf und Zopf,
Zum nackten Schädel ward sein Kopf;
Sein Körper zum Gerippe,
Mit Stundenglas und Hippe.
Hoch bäumte sich, wild schnob der Rapp’,
Und sprühte Feuerfunken;
Und hui! war ’s unter ihr hinab
Verschwunden und versunken.
Geheul! Geheul aus hoher Luft,
Gewinsel kam aus tiefer Gruft.
Lenorens Herz, mit Beben,
Rang zwischen Tod und Leben.
Nun tanzten wohl bei Mondenglanz,
Rund um herum im Kreise,
Die Geister einen Kettentanz,
Und heulten diese Weise:
“Geduld! Geduld! Wenn’s Herz auch bricht!
Mit Gott im Himmel hadre nicht!
Des Leibes bist du ledig;
Gott sei der Seele gnädig!”
1759-1805. The more important work of Schiller falls without the limit set for this book. His contribution to the literature of revolution begins with theRobbers(1781), a fierce castigation of the social order, and ends withCabal and Love(1784), which is the only family tragedy of that time that has survived on the stage. The dramatic genius which was to give Schiller the supreme place in the history of the German theater appears full-fledged in his early plays, not, however, his self-control, his wisdom, or his knowledge of human nature.
Schön wie Engel, voll Walhallas Wonne,
Schön vor allen Jünglingen war er,
Himmlisch mild sein Blick, wie Maiensonne
Rückgestrahlt vom blauen Spiegelmeer.
Seine Küsse—paradiesisch Fühlen!
Wie zwo Flammen sich ergreifen, wie
Harfentöne in einander spielen
Zu der himmelvollen Harmonie,—
Stürzten, flogen, schmolzen Geist und Geist zusammen,
Lippen, Wangen brannten, zitterten,—
Seele rann in Seele—Erd’ und Himmel schwammen
Wie zerronnen um die Liebenden!
Er ist hin—vergebens, ach, vergebens
Stöhnet ihm der bange Seufzer nach!
Er ist hin, und alle Lust des Lebens
Wimmert hin in ein verlorenes Ach!
Laura, über diese Welt zu flüchten
Wähn’ ich—mich in Himmelmaienglanz zu lichten,
Wenn dein Blick in meine Blicke flimmt;
Ätherlüfte träum’ ich einzusaugen,
Wenn mein Bild in deiner sanften Augen
Himmelblauem Spiegel schwimmt.
Leierklang aus Paradieses Fernen,
Harfenschwung aus angenehmern Sternen,
Ras’ ich in mein trunknes Ohr zu ziehn;
Meine Muse fühlt die Schäferstunde,
Wenn von deinem wollustheissen Munde
Silbertöne ungern fliehn.
Amoretten seh’ ich Flügel schwingen,
Hinter dir die trunknen Fichten springen,
Wie von Orpheus’ Saitenruf belebt;
Rascher rollen um mich her die Pole,
Wenn im Wirbeltanze deine Sohle
Flüchtig, wie die Welle, schwebt.
Deine Blicke, wenn sie Liebe lächeln,
Könnten Leben durch den Marmor fächeln,
Felsenadern Pulse leihn;
Träume werden um mich her zu Wesen,
Kann ich nur in deinen Augen lesen:
Laura, Laura mein!