Nachdem ich Darius besiegtUnd das ganze Land Persien4930Und auch das berühmte IndienMir untertan gemacht,Hob ich mich bald von dannenMit meinen lieben MannenNach Caspen Porten.14935Leid und Furcht wähnte ichNicht mehr zu erdulden.Wir kamen zu einem Wasser,Da liess ich mein Heer ausruhen;Wir dachten den Durst zu stillen.4940Als wir zu dem Wasser kamenUnd es in den Mund nahmen,War es bitter wie Galle;Unerquickt blieben wir alle.Nun brachen wir vom Lager auf4945Und sahen über ein Feld hin,Wo eine schöne Stadt war,Die war geheissen Barbaras,Eine Meile über das Wasser.Meine Ritter all die Weile4950Wollten schwimmen in dem Flusse.Da näherte sich der Schaden:Krokodile kamen,Die meiner Gesellen nahmenSiebenundzwanzig,4955Die verloren das Leben;Ich kann es wahrhaftig sagen,Da ich es selbst ansah,Wie sie sie hinunter frassen;Ich musste sie fahren lassen.4960Da brach mein Heer aufNach reiflicher ÜberlegungUnd kam wieder zu dem Wasser,Das früher bitter war;Jetzt war es süss und gut,4965Des freute sich unser Mut.Da schlugen wir unsre ZelteAuf dem Felde beim FlusseUnd machten ein grosses Feuer.Die Ruhe ward uns sauer,4970Denn aus dem Walde kamenManch fürchterliches TierUnd schreckliches Gewürme.Mit denen mussten wir kämpfenBeinah die ganze Nacht;4975Durst hatte sie dahin gebracht,Sie wollten sich im Wasser laben.Skorpionen taten uns viel Schaden,Die waren breit und langUnd hatten fürchterlichen Gang,4980Teils rote, teils auch weisse;Sie machten uns grosse Not,Sie erbissen uns manchen Mann.Da kamen auch Löwen,Die waren gross und stark.4985Grössere Furcht war nieUnter einem Heere;Den Löwen mussten wir uns wehren.Danach kam zu uns gelaufenManch furchtbarer Eber,4990Grösser noch als die Löwen.Mit den Zähnen hieben sieAlles, was vor ihnen stand;Dass einer von uns am Leben blieb,Dafür Gott habe Dank!4995Ihre Zähne waren lang,Eine Klafter oder mehr;Die taten uns viel weh.Da kamen auch mancheElefanten gegangen,5000Um vom Fluss zu trinken;Wir litten Ungemach.Auch wurden wir heimgesuchtVon masslos langen SchlangenMit aufgerichteter Brust;5005Wir litten grosse Unlust.Es kamen auch Menschen,Die gleich Teufeln waren:Sie waren wie AffenUnter den Augen geschaffen,5010Sie hatten sechs Hände,Lang waren ihre Zähne;Hart plagten sie mein Heer.Den Leuten mussten wir uns wehrenMit Speeren und Geschossen;5015Sie starben ungesättigt.Unsre Not war mannigfach;Da brannten wir den Wald.Das ward deshalb getan,Dass wir Frieden haben könnten5020Vor den schrecklichen Tieren.Nicht lange danachSah ich das grausamste Tier,Das früher oder späterJemand geschaut hat.5025Das sah ich mit meinen Augen;Schrecklicheres Tier gibt es nicht.Es hatte Geweih wie der Hirsch,Mit drei starken Stangen,Die gross und lang waren.5030Wär’ ich nicht dabei gewesen,Es hätte das Leben verlorenEin grosser Teil meines Heers.Es waren sechsunddreissig derer,Die es mit den Hörnern erschlug;5035Es war fürchterlich genug.Auch sag’ ich euch wahrhaftig,Dass derer fünfzig waren,Die es zertrat mit den Füssen.Lines 5193-5358: The wonderful girl-flowersDer edle herrliche WaldWar wunderbar schön;5195Das nahmen wir alles wahr.Hoch waren die Bäume,Die Zweige dicht und breit;In Wahrheit sei es gesagt,Das war eine grosse Wonne.5200Da konnte nie die SonneBis auf die Erde scheinen.Ich und die MeinenLiessen unsre Rosse stehenUnd gingen stracks in den Wald,5205Nach dem wonniglichen Gesang;Die Zeit deuchte uns sehr lang,Bis wir dahin kamen,Wo wir vernahmen,Was das Wunder sein mochte.5210Manch schönes MägdeleinHaben wir da gefunden,Die da in diesen StundenSpielten auf dem grünen Klee.Hunderttausend und mehr,5215Spielten sie und sprangen;Ei, wie schön sie sangen!So dass wir, klein und gross,Wegen des süssen Getöses,Das wir im Walde hörten,5220Ich und meine Helden kühn,Vergassen unser HerzeleidUnd all die grosse ArbeitUnd all das Ungemach,Und was uns Schweres geschehen war.5225Uns allen deuchte es,Wie es wohl mochte,Dass wir genug hättenFür unser ganzes LebenAn Freude und Reichtum.5230Da vergass ich Angst und Leid,Ich und mein Gesinde,Und was uns von der KindheitJe Leides zu teil gewordenBis auf diesen Tag.5235Mir deuchte sofort,Ich könnte nie krank werden,Und könnte ich immer da sein,Würde ich ganz genesenVon all der Angst und Not5240Und nicht mehr fürchten den Tod.Wollt ihr nun recht verstehen,Wie es war um die Frauen,Woher sie kamen,Und welch Ende sie nahmen,5245Das mag euch besondersZum grossen Wunder gereichen.Als der Winter zu Ende war,Und der Sommer anfing,Und es begann zu grünen,5250Und die edlen BlumenIm Walde begannen aufzugehn,Da waren sie sehr lieblich.Hell war ihr Blumenglanz,In Rot und auch in Weiss5255Erglänzten sie weithin.Blumen hat es nie gegeben,Die schöner sein könnten.Sie waren, wie uns deuchte,Ganz rund wie ein Ball5260Und fest geschlossen überall.Sie waren wunderbar gross;Als die Blume sich oben erschloss,Das merket in eurem Sinne,So waren darinne5265Mägdelein ganz vollkommen;Ich sag’ es, wie ich’s vernommen.Sie gingen und lebtenUnd hatten menschlichen SinnUnd redeten und baten,5270Genau als hätten sieEin Alter von zwölf Jahren.Sie waren, das ist wahr,Schön geschaffen am Leibe;Nie sah ich an einem Weibe5275Ein schöneres AntlitzNoch Augen so liebsam.Ihre Hände und ihre ArmeWaren glänzend wie Hermelin,Auch ihre Füsse und Beine.5280Unter ihnen war keine,Die nicht schöner Hübschheit pflag.Sie waren züchtig heiterUnd lachten und waren frohUnd sangen auf solche Weise,5285Dass niemand früher oder späterEine so süsse Stimme vernahm.Wollt ihr es glauben,So mussten diese FrauenImmer im Schatten sein,5290Sonst könnten sie nicht gedeihn;Welche die Sonne beschien,Blieb nicht mehr am Leben.Das Wunder war mannigfach:Als der Wald tönend wurde,5295Von den süssen Stimmen,Die darinne sangen,Die Vögel und die Mägdelein,Wie konnt’ es wonniglicher sein,Früh oder spät?5300All ihre LeibeskleidungWar fest angewachsenAn der Haut und am Körper.Ihre Farbe war dieselbe,Die die Blumen hatte,5305Rot und auch weiss wie Schnee.Als wir sie zu uns kommen sahen,Zog uns der Leib zu ihnen.Solch begehrenswerte WeiberSind der Welt unbekannt.5310Nach meinem Heere schickte ich sofort.Als sie zu mir kamenUnd auch vernahmenDie herrlichen Stimmen,Da gingen sie verständnisvoll5315Und schlugen ihre ZelteIm Walde, nicht auf dem Felde.Da lagen wir nun im SchalleUnd freuten uns alleDer seltsamen Bräute.5320Ich und meine Leute,Wir wollten da bleiben.Wir nahmen sie zu FrauenUnd hatten mehr WonneAls wir je gewonnen5325Seit unserer Geburt.Weh, dass wir sobald verlorenDas grosse Vergnügen!Dies Wunder sah ich allesSelbst mit meinen Augen;5330Das möget ihr glauben.Dies währte, wie ich euch sage,Drei Monate und zwölf Tage,Dass ich und meine Helden kühnIn dem grünen Walde waren5335Und auf den schönen AuenBei den lieben FrauenUnd Wonne mit ihnen hattenUnd mit Freude lebten.Dann geschah uns grosses Leid,5340Das ich nicht genug beklagen kann.Als die Zeit zu Ende ging,Da war unsere Freude vorüber,Die Blumen verwelktenUnd die schönen Frauen starben;5345Die Bäume verloren ihr Laub,Die Brunnen flossen nicht mehr,Die Vögel hörten auf zu singen.Dann begann UnfreudeMein Herz zu bedrücken5350Mit mannigfachem Schmerze.Furchtbar war das Ungemach,Das ich alle Tage sahAn den schönen Frauen.O weh, wie bereute ich sie,5355Als ich sie sterben sahUnd die Blumen verblühen!Da schied ich traurig von dannenMit allen meinen Mannen.1.In Latinad Portas Caspias, the Caspian Gates.XV. KONRAD’S LAY OF ROLANDA translation, made about 1130 in the dialect of the Rhenish Franks, of the famousChanson de Roland. It consists of 9094 verses. The author, who calls himself ‘der Pfaffe Kuonrat,’ says that he translated first into Latin, then into German, adding nothing and omitting nothing; but a comparison with the French text as known to us shows many additions, many omissions and a somewhat different spirit. Kaiser Karl and his men fight for the cross, for the glory of Christian martyrdom, not for ‘sweet France.’ —The situation at the beginning of the poem is this: The Christians have conquered all Spain except Saragossa, whose king, Marsilie, sends envoys to make a treacherous proposal of surrender; the object being to induce the emperor to withdraw the greater part of his army.Lines 675-708: Kaiser Karl.675Die Boten traten vor,Sehr oft fielen sie nieder,In seidenem Gewande,Mit Palmen in der Hand.Immer wieder aufs neue680Fielen sie zur Erde nieder.Sie fanden den Kaiser fürwahrÜber dem Schachbrette.Sein Antlitz war wonniglich.Es gefiel den Boten sehr,685Dass sie ihn sehen durften.Es glänzten ja seine AugenWie der Morgenstern.Man erkannte ihn von weitem,Niemand brauchte zu fragen,690Welcher der Kaiser wäre;Keiner war ihm ähnlich.Sein Antlitz war herrlich.Mit ganz geöffneten AugenKonnten sie ihn nicht ansehn:695Der Glanz blendete sieWie die Sonne zu Mittag.Den Feinden war er schrecklich,Den Armen war er vertraut,Im Unglück war er gnädig,700Gott gegenüber war er treu.Er war ein gerechter Richter,Er lehrte uns die Gesetze,Ein Engel schrieb sie ihm vor;Er verstand alle Rechte,705Im Kampf ein guter Knecht,In aller Tugend ausgezeichnet.Freigebigerer Herr ward nie geboren.Lines 2018-2110: The traitor Genelun delivers Karl’s message to Marsilie, the Saracen king.Der Bote sprach zu Marsilie:“Der König aller Himmel,2020Der uns von der Hölle erlösteUnd die Seinen tröstete,Der gebe dir Gnade,Dass du seinen Frieden habest,Und rette dich vom ewigen Tode.2025Der König von Rom entbietet dir,Dass du Gott ehrest,Dich zum Christentum bekehrest,Dich taufen lassest,An Einen Gott glaubest;2030Davon will er Gewissheit haben.Er lässt dir wahrlich sagen:Empfängst du das Christengesetz,Soll dein Land in Frieden bleiben.Er belehnt dich mit halb Spanien,2035Den andern Teil soll Roland haben;Und wirst du sein Mann,So behältst du grosse Ehre.Der Kaiser entbietet dir ferner:Greifst du etwa zur Gegenwehr,2040Sucht er dich mit einem Heere auf;Er zerstört alle deine HäuserUnd vertreibt dich daraus.Weder auf Erden noch auf dem MeereMagst du dich seiner erwehren.2045Er lässt dich fangen,Auf einem Esel führenVor seinen Thron zu Achen;Da nimmt er Rache an dir:Er lässt dir das Haupt abschlagen.2050Das soll ich dir vom Kaiser sagen.”Marsilie blickte umher,Er wurde sehr bleich,Er hatte ängstliche Gedanken,Er konnte kaum sitzen auf der Bank,2055Es ward ihm kalt und heiss,Hart plagte ihn der Schweiss,Er schüttelte den Kopf,Er sprang hin und her.Seinen Stab ergriff er,2060Mit Zorn hob er ihn empor,Nach Genelun schlug er.Genelun mit ListWich dem Schlage aus.Er trat vor dem König zurück,2065Das Schwert ergriff er,Er blickte auf ihn zurück,Er sagte zu dem Könige:“Du übst also Gewalt.”Halb zog er das Schwert,2070Er sprach: “Karl, meinem Herrn,Diente ich immer mit Ehren.In harten VolkskämpfenErwirkte ich mit dem Schwert,Dass ich nie beschimpft ward.2075Ich brachte dich mit Ehren hierher,Ich habe dich lange geführt.Noch niemals bin ich gefangen.Und vollbringst du den Schlag,So ist es dein letzter Tag;2080Oder aber ich sende zum TodeIrgend welchen Heiden,Dessen Verlust du nie verschmerzest.Ich wähne, du tobst oder rasest.Jetzt muss ich bereuen,2085Dass ich deinen UngetreuenJemals folgte diesen Weg.Man hat mich im Stich gelassen,Ich stehe nun ganz allein.Was ist aus den Eiden geworden,2090Die sie mir schworen,Als wir fortkamen?”Die Fürsten sprangen auf,Sie drangen dazwischen,Sie verwiesen es dem König.2095Sie sagten: “Herr, du tust übel,Den Kaiser so zu beschimpfen.Wenn du zu ihm sendest,Wird deine BotschaftRuhmvoll zu Ende geführt.2100Sie sprechen uns Treue ab;Nun müssen wir bereuen,Dass Friede je gemacht ward.Du liessest ja seine Mannen köpfen.Nun gebiete deinem Zorn!2105Wir wollen gern vermitteln,Und das noch mehr,O Herr, wegen deiner EhreAls um seinetwillen.Stille nun deinen Unmut!”Lines 3394-3488: The preparations for the battle. (Deceived by Genelun, Kaiser Karl has returned to Germany, leaving Roland with a small force in Spain.)Als die Helden vernahmen,3395Dass die Heiden sich sammelten,Baten sie ihre PriesterSich fertig zu machen;Diese griffen ihr Amt an.Den Leib Gottes empfingen sie,3400Sie fielen zum Gebet nieder,Sie riefen zum HimmelViele Stunden hindurch.Sie beschworen Gott bei den Wunden,Wodurch er die Seinen erlöste,3405Dass er sie tröste,Dass er ihnen ihre Sünden vergebeUnd selbst ihr Zeuge sei.Mit Beichte machten sie sich fertig,Zum Tode rüsteten sie sich,3410Und waren jedoch gute Knechte,Zum Märtyrtum bereitUm ihrer Seelen willen.Sie waren Gottes Degen,Nicht wollten sie entfliehen,3415Sie wollten wieder gewinnenUnsere alte Erbschaft.Danach strebten die Helden,Ja führten die edlen HerrenEin christliches Leben.3420Alle hatten Eine Gesinnung,Ihre Herzen waren mit Gott.Sie hatten Zucht und Scham,Reinheit und Gehorsam,Geduld und Minne;3425Sie brannten wahrlich im InnernNach der Süsse Gottes.Sie sollen uns helfen,Dieses arme Leben zu vergessen;Denn jetzt besitzen sie Gottes Reich.3430Als die Degen GottesMit Psalmen und Segen,Mit Beichte und Glaube,Mit tränenden Augen,Mit grosser Demut,3435Mit mancherlei Gutem,Sich zu Gott gewendet,Ihre Seelen gelabtMit Himmelsbrote,Mit dem Blute des Herrn,3440Zum ewigen Leben,Da waffneten sie sich;Gott lobten sie jetzt,Sie waren allesamt froh,Wie zu einem Brautlauf.3445Sie heissen alle Gottes Kinder,Die Welt verschmähten sie,Sie brachten das reine Opfer.Mit dem Kreuze geschmücktEilten sie gern zum Tode;3450Sie kauften das Reich Gottes.Sie waren einander treu;Was dem einen deuchte gut,Das war die Meinung aller.David der Psalmist3455Hat von ihnen geschrieben,Wie Gott, mein Herr, die belohnt,Die brüderlich zusammenhalten.Er gibt ihnen selbst seinen Segen;Sie sollen immer fröhlich leben.3460Eine Zuversicht und Eine Minne,Ein Glaube und Eine Hoffnung,Eine Treue war in ihnen allen.Keiner liess den andern im Stiche,Für alle war Eine Wahrheit;3465Des freut sich die Christenheit.Die verbrecherischen Heiden,Die Gott nicht fürchteten,Hoben ihre Abgötter empor,Mit grosser Hochfahrt kamen sie,3470Sie fielen vor Mahmet nieder;Es war ihr ganzes Gebet,Dass er ihnen erlaube,Roland zu enthaupten,Und, wenn sie ihn erschlagen,3475Sein Haupt vor sich zu tragen.Sie versprachen ihn zu ehren,Sein Lob immer zu mehrenMit Tanz und Saitenspiel;Des Übermuts war da viel.3480Sie vertrauten ihrer Kraft,Sie wussten nicht recht,Dass wer gegen Gott strebt,Der ohne Gott lebt.Sie verschmähten ihren Schöpfer,3485Unsern wahren Heiland,Den obersten Priester,Der keinen ohne Trost lässt,Wenn er mit DemutSuchet das Gute.Lines 6053-6113: Having fought a great fight and slain many heathen, Roland and his men are about to be overwhelmed by numbers; in desperate straits he blows his horn, and it is heard by the far-away emperor.Roland fasste mit beiden HändenDen guten Olivant6055Und setzte ihn an den Mund.Er begann zu blasen;Der Schall ward so gross,Es lärmte so unter den Heiden,Dass keiner den andern hören konnte.6060Sie verstopften selbst die Ohren.Die Hirnschale barst ihm,Dem guten Weigande;Alles änderte sich an ihm,Er konnte kaum noch sitzen,6065Sein Herz zerbrach innen.Seine bekannte StimmeVernahmen sie allesamt,Der Schall flog ins Land.Bald kam zu Hof das Märe,6070Dass des Kaisers BläserBliesen alle zugleich.Dann wusste man wahrlich,Dass die Helden in Not waren.Da gab es ein grosses Jammern.6075Der Kaiser schwitzte vor Angst,Er verlor zum Teil die Fassung,Er ward sehr ungeduldig.Das Haar riss er von der Haut;Da machte starke Vorstellungen6080Genelun der Verräter;Er sprach: “Dieses UngestümGeziemt nicht einem König.Du beträgst dich ungebührlich.Was hast du dir vorzuwerfen?6085Den Roland, wie er im Grase schlief.Hat wohl eine Bremse gebissen,Oder er jagt wohl einen Hasen;Dass das Blasen eines HornesDich so ausser Fassung bringt!”6090Der Kaiser sprach zu ihm:“Weh dass ich dich je gesehen,Oder Kenntnis von dir gewonnen!Das beklage ich immer vor Gott.Von dir allein6095Muss Frankreich immer weinen.Wegen des grossen Schatzes,Den Marsilie dir gab,Hast du den Mord vollbracht.Ich räche ihn, wenn ich’s vermag.6100Was trieb dich dazu?”Auf sprang der Herzog Naimes,Er sprach: “Du Teufels Mann,Du hast schlimmer als Judas getan,Der unsern Herrn verriet.6105Nie verwindest du diesen Tag.Dies hast du gebraut,Du sollst es wahrlich trinken.”Er hätte ihn gern erschlagen,Der Kaiser hiess ihn abstehen;6110Er sprach: “Eine andre sei seine Strafe.Ich will hernach über ihn richten;Und wenn das Urteil ergeht,Er stirbt wohl einen schlimmeren Tod.”XVI. KING ROTHERA poem of 5302 verses, written about 1150 in a mixture of Middle Frankish and Bavarian. It belongs to the order ofSpielmannspoesie, or secular minstrelsy; but the author makes frequent reference to what ‘the books’ say, and evidently meant his work to be read. (The earlier gleemen, so far as known, could not read or write, got their material from oral tradition and composed their poems to be sung or recited to musical accompaniment.) Rother is a king of Italy who sends twelve envoys to Constantinople to win for him the hand of the emperor’s daughter. She favors her unknown suitor, but the irate Constantine throws the envoys into a dungeon. Rother takes the name of Dietrich and sails with many retainers to liberate them. By a waiting-maid he presents the princess with a gold and a silver shoe, both made for the same foot, and retains the mates. The princess, already interested in the distinguished stranger, sends for him to put on the impossible shoes.Lines 2177-2315: Rother, called Dietrich, woos the willing princess.Am Fenster stand die Prinzessin,Bald kam der junge HeldÜber den Hof gegangen.2180Da ward er wohl empfangenVon zweien Rittern ehrlich.Dann ging der Recke Dietrich,Wo die Kemenate offen stand;Darein ging der wohlgestalte Held.2185Den hiess die junge PrinzessinSelber wilkommen seinUnd sagte, was er da bitte,Das würde sie gerne tunNach ihrer beider Ehre.2190“Ich habe dich gern, o Herr,Wegen deiner Tüchtigkeit gesehn;Aus anderm Grund ist’s nicht geschehn.Diese niedlichen Schuhe,Die sollst du mir anziehen.”2195“Sehr gerne,” sprach Dietrich,“Da du es von mir verlangst.”Der Herr setzte sich ihr zu Füssen,Sehr schön war sein Gebaren.Auf sein Bein setzte sie den Fuss,2200Nie wurde Frau besser geschuht.Da sprach der listige Mann:“Nun sage mir, schöne Herrin,Bescheid auf deine Treue,Wie du eine Christin bist,—2205Es warb um dich mancher Mann,—Hing’ es von deinem Willen ab,Welcher unter ihnen allenHat dir am besten gefallen?”“Das sag’ ich dir,” sprach die Dame,2210“In allem Ernst und in Treue,O Herr, auf meiner Seele,Wie ich getaufte Christin bin:Kämen aus allen LandenDie teuren Weigande2215Mit einander zusammen,Da wäre kein Mann darunter,Der dein Genoss sein könnte.Das nehm’ ich auf meine Treue,Dass nie eine Mutter gebar2220Ein Kind so liebenswürdig,Dass es mit Fug, Dietrich,Neben dir stehen könnte.Du bist ein ausgezeichneter Mann.Sollte ich aber die Wahl haben,2225Nähme ich den Helden gut und kühn,Dessen Boten her ins Land kamenUnd jetzt wahrlich liegenIn meines Vaters Kerker.Er heisst mit Namen Rother2230Und sitzt im Westen übers Meer.Ich will immer Magd bleiben,Bekomm’ ich nicht den Helden schön.”Als Dietrich das vernahm,Da sprach der listige Mann:2235“Willst du Rother minnen,Den will ich dir bald bringen.Es lebt keiner auf Erden,Der mir mehr Gutes getan hätte;Des soll er noch geniessen.2240Ehe ihn der Hochmut meisterte,Half er mir oft in der Not;Wir genossen fröhlich das LandUnd lebten glücklich zusammen.Der gute Held war mir stets gnädig,2245Wie wohl er mich jetzt vertrieben.”“In Treue,” sprach die Prinzessin,“Ich verstehe deine Rede;Ist der Rother dir so lieb,Hat er dich nicht vertrieben.2250Von wannen du fährst, kühner Held,Bist du als Bote her gesandt.Dir sind des Königs Mannen lieb.Nun verhehle es mit Worten nicht;Was mir heute gesagt wird,2255Das wird immer wohl verschwiegenBis an den jüngsten Tag.”Der Herr sprach zu der Dame:“Jetzt überlass’ ich meine SacheDer Gnade Gottes und der deinen;2260Es stehen ja deine FüsseIn König Rothers Schosse.”Die Dame erschrak sehr;Sie zog den Fuss wegUnd sprach zu Dietrich2265Sehr bescheidentlich:“Nie ward ich so ungezogen;Mein Übermut hat mich betrogen,Dass ich meinen FussSetzte auf deinen Schoss.2270Und bist du der grosse Rother,Kannst du, König, nimmermehrEinen besseren Ruhm gewinnen.Der ausserordentlichen DingeBist du ein listiger Meister.2275Welches Geschlechts du auch seist,Mein Herz war unglücklich;Und hätte dich Gott hergesandt,Das wäre mir inniglich lieb.Ich mag doch nicht glauben,2280Dass du mir Unwahres sprichst.Und wär’s dann aller Welt leid,Ich räumte sicherlichZusammen mit dir das Reich.So bleibt es aber ungetan.2285Doch lebt kein Mann so schön,Den ich vorziehen würde,Wärest du der König Rother.”Darauf sprach Dietrich(Sein Sinn war sehr listig):2290“Nun hab’ ich keine FreundeAls die armen Herren,Die in dem Kerker sind.Könnten mich diese sehen,Hättest du an ihnen den Beweis,2295Dass ich dir Wahres gesprochen.”“In Treue,” sprach die Prinzessin,“Dir werd’ ich beim Vater meinIrgendwie erwirken,Dass ich sie herauskriege.2300Aber er wird sie keinem geben,Er hafte denn mit seinem Leben,Dass niemand entkomme,Bis alle zurückgebrachtIn den Kerker würden,2305Wo sie in der Not waren.”Drauf antwortete Dietrich:“Ich will es auf mich nehmenVor Constantin, dem reichen,Und morgen sicherlich2310Werde ich zu Hofe gehn.”Die Jungfrau so schönKüsste den Herrn.Da schied er mit EhrenAus der Kemenate.Lines 2819-2942: Having become friendly with Constantine and won for him a great battle against the heathen invader Ymelot, Rother perpetrates a hoax.Dietrich der Weigand2820Nahm Ymelot bei der Hand,Führte ihn zu Constantin,Und übergab ihn diesem.Dann sprach der listige Mann:“Wir sollten einen Boten haben,2825Der den Frauen sagte,Was wir hier vollbracht.”“In Treue,” sprach Constantin,“Der Bote sollst du selbst seinUm meiner Tochter willen;2830Und sage du der KöniginUnd den Frauen allesamt,Dass wir nach Hause reitenMit sehr fröhlichen Herzen.Einen Teil deines Volkes2835Lass du mit mir bleiben.”Da sprach der listige Mann,Dass er gerne täte,Was der König verlange.Dietrich ging von dannen2840Mit seinen Heimatsmannen,Die andern schickte er zum König;Der bat sie grossen Dank haben.Zu sich nahm er seine Leute,Die übers Meer mitgefahren,2845Und erklärte den Kühnen,Was er beabsichtige;Die teuren WeigandeWollten gern nach Hause.Dietrich fuhr von dannen.2850Ein Märchen, das war herrlich,Brachte er zu Constantinopel,Der berühmten Burg:Er sagte, er sei entflohenMit allen seinen Mannen.2855Da weinte die Frau Königin:“Ach weh, wo ist ConstantinUnd die WeigandeAus manchem Lande?Dietrich, lieber Herr,2860Sollen wir sie wiedersehen?”“Nimmermehr, das weiss Gott!Erschlagen hat sie YmelotUnd reitet her mit Heereskraft;Er will die Stadt zerstören,2865Ich kann mich ihm nicht wehrenUnd muss fliehen übers Meer.Die Weiber und die Kinder,So viel ihrer in der Burg sind,Denen wird zuteil der Tod:2870Es erschlägt sie Ymelot.”Da nahm Constantins WeibIhre Tochter, die herrliche,Und sie baten DietrichBeide sehr ernsthaft,2875Sie von den Heiden zu retten,Die mit einem Heere kämen.Da hiess der listige MannDie schönen ZelterDer Königin fortziehen;2880Er führte sie zu den Schiffen.Da gab es, könnt ihr glauben,Von manchen schönen FrauenWeinen und Händeringen;Sie konnten sich nicht fassen.2885Es kam eine grosse GesellschaftZu Dietrich aus der Stadt.Sie wollten alle aufs Meer,Um sich vor Ymelot zu retten.Da tröstete sie der schlaue Mann;2890Er hatte es aus List getan.Dietrich hiess seine MannenSofort in die Schiffe gehen.Asprian, der gute Held,Trug den Kammerschatz darein,2895Sie eilten alle aufs Meer.Da hiess König RotherDie Mutter am Gestade bleiben,Die Tochter in ein Schiff gehn.Es gab ein grosses Weinen.2900Sie sprach: “Ach, Herr Dietrich,Wem willst du, tugendhafter Mann,Uns armen Weiber überlassen?”So sprach die gute Königin:“Nun nimm mich mit ins Schiff2905Zu meiner schönen Tochter.”Da sprach der listige Mann:“Ihr sollt Euch wohl gehaben;Constantin ist nicht geschlagen,Ymelot haben wir gefangen,2910Constantin ist’s wohl ergangen.Er reitet hierher ins LandMit guten Nachrichten;Er kommt über drei Tage.Ihr könnt ihm wahrlich sagen,2915Seine Tochter sei mit RotherWestwärts gefahren übers Meer.Nun befehlt mir, herrliche Frau;Ich heisse ja nicht Dietrich.”“Wohl mir,” sprach die Königin,2920“Dass ich je ins Leben trat.Nun lasse Gott, der gute,In seiner grossen Gnade,Dich meine Tochter schönRecht lang in Freude haben!2925Es ist wahr, teurer Degen,Sie wäre dir leichter gegeben,Als du sie gewonnen hast,Hätte es in meinem Willen gestanden.Wie Constantin das Leben2930Des jungen Weibes quälte,Das ist mir das mindeste,Da du nun Rother bist.Nun fahre, teurer Degen,Und Sankt Gilge segne dich!”2935Da sprach das schöne Mägdlein:“Gehabt Euch wohl, Mutter mein!”Die Frauen so liebsamGingen lachend von dannenZu Constantins Saal2940Und gönnten es dem Rother wohl,Dass Gott ihn bringeMit Ehren ins Heimatland.XVII. DUKE ERNSTAnother example of the secular minstrelsy brought into vogue by the crusading spirit. The poem originated in the 12th century, but the only complete versions known to us are of the 13th. It contains 6022 verses in the dialect of the Middle or Lower Rhine. The saga is of unusual psychological interest. Ernst is a brave and upright Bavarian whom a base calumny deprives of the favor of the emperor Otto. For a while he maintains himself in a bitter feud with the empire, but finally gives up the hopeless fight and sets out, with a few loyal followers, for Jerusalem. In the Orient he has many wonderful adventures, one of which is related below, and so deports himself that on his return the emperor receives him back into favor.Lines 3915-4199: The magnetic rock in the Curdled Sea.3915Die Helden weilten da nicht mehr,Sie fuhren auf der wilden SeeMit fröhlichem Gemüte.Jetzt meinten die guten Helden,Es müsse ihnen wohl gehen.3920Da stieg nun ein SchiffsmannZu oberst auf den Mastbaum;Die Meeresströmung trieb sieSchnell nach jenem Hafen zu.Und nun erschrak er sehr darüber,3925Als er den Berg erkannte;Es ward ihm leid und bange.Hinunter in das SchiffRief er also zu den Recken:“Ihr Helden so schmuck,3930Nun wendet euch geschwindHin zu dem ewigen Wesen!Es kostet uns das Leben,Bleiben wir hier stecken.Der Berg, den wir gesehen,3935Der liegt auf dem Lebermeer!1Es sei denn, dass Gott uns rettet,Wir sterben hier allzusammen.Wir fahren gegen den Stein zu,Von dem ihr mich reden hörtet.3940Jetzt sollt ihr euch hinkehrenZu Gott in wahrer ReueUnd aus dem Herzen tilgen,Was ihr wider ihn getan.Ich will euch, Helden, wissen lassen3945Von der Kraft des FelsenUnd von der Herrschaft,Die er in seiner Art hat:Treibt ein Schiff ihm entgegenInnerhalb dreissig Meilen,3950So hat er in kurzer ZeitEs an sich gezogen;Das ist wahr und nicht erlogen.Haben sie irgendwelches Eisen,Das darf niemand weisen;3955Sie müssen gegen ihren Willen dran.Wo ihr die Schiffe liegen seht,Vor dem dunkeln Berge dortGleich an des Steines Kante,Da müssen wir auch sterben3960Und vor Hunger verenden—Es ist nicht abzuwenden,—Wie alle anderen getan haben,Die hierher segelten.Nun bittet Gott, dass er3965Uns helfe und gnädig sei.Wir sind nahe dem Felsen.”Als der Herzog das vernahm,Sprach der Fürst lobesamZu den Herren sonderlich:3970“Jetzt sollt ihr inniglich,Meine lieben Notgesellen,Zu unserm Herrn flehen,Dass er uns gnädiglichIn sein Reich empfange3975Wir gehn an diesem Stein zugrunde.Nun lobt ihn allzusammenMit Herzen und mit Zungen.Es ist uns wohl gelungen,Sterben wir auf dieser wilden See:3980Wir sind geborgen auf immerdarBei Gott in seinem Reich.Nun freut euch allzugleich,Dass wir ihm so nah gekommen.”Als sie das vernahmen,3985Behielten sie es im Herzen.Nun taten die guten Helden,Wie der Fürst ihnen geraten:Ordneten ihre Sachen schnell,Gaben alles Gott anheim,3990Und beherzigten sein GebotMit Beichte und mit BusseMit sehr grossem Eifer,Wie man Gott gegenüber sollte.Also machten sie sich bereit.3995Als die unglücklichen MännerIhre Gebete verrichtetenUnd ihre Sachen ordneten,Gab es ein jämmerlich Rufen,Das sie zu Gott erhoben.4000Ihren Schöpfer sie baten,Dass er ihre Seelen bewahre.Jetzt waren die Helden gefahrenSo nahe dem Felsen,Dass sie deutlich sehen konnten4005Die Schiffe mit hohen Masten.Der Fels zog die HeldenSo geschwinde zu sich,Seine Kraft brachte das SchiffSo kräftiglich heran,4010Dass die andern SchiffeDiesem entweichen mussten.Es kam so gewaltsamDem Steine zugefahren,Dass die Schiffe allesamt4015Auf einander stiessen.Auch gaben die MastbäumeSich manchen harten Stoss.Die Stösse waren so stark,Dass manches Schiff zerbrach.4020So ward mancher Gast empfangen,Der seitdem verendeteUnd niemals wiederkehrte.Es ist auch wirklich ein Wunder,Dass diese nicht erschlagen wurden4025Durch die hohen Mastbäume,Die, alt und morsch geworden,Von andern Schiffen fielenAuf ihr Schiff mit Gewalt.Als diese herabstürzten,4030Konnte nichts mehr bestehn,Was um das Schiff lag.Dass das Schiff sich erhielt,War ein grosses Wunder;Es musste alles und jedes4035Fallen in das Meer.Der Herzog und seine MännerMussten unerhörte Not leiden,Da sie einen schrecklichen TodÖfters vor sich sahen.4040Doch kamen die kühnen MännerMit dem Leben davon;Gottes Hilfe erschien ihnen.Als das Schiff stehen blieb,Taten sie, wie Leute noch tun,4045Die lange in einer Stätte gelegenUnd etwas Neues sehen mögen:Die zieren Helden sprangenSchnell aus dem SchiffeUnd gingen allesamt,4050Um das mannigfache WunderIn den Schiffen zu besehen.Sie standen dicht wie ein WaldUm den Berg auf dem Meer.Weder früher noch später4055Sah jemand so grossen Reichtum,Als die mutigen HeldenIn den Schiffen fanden,So dass sie in langen StundenIhn nicht überschauen konnten.4060Sie sahen den grössten Schatz,Den jemand haben könnte.Nie hat der weise Mann gelebtDer ihn je in Acht nehmenOder vollauf beschreiben könnte.4065Silber, Gold und Edelsteine,Purpur, Sammet, glänzende Seide,Lag dort so mannigfaltig,Dass niemand es beachten könnte.Als sie das Wunder beschaut,4070Begannen sie weiter zu gehen.Der Herzog und seine MännerStiegen auf den Felsen,Ob sie irgendwo Land sähen.Kein Auge konnte erspähen,4075Dass sie zu Lande kämen;Das war den Recken leid.Der Berg lag im weiten Meer;Da mussten die Helden hilflosHöchst jämmerlich ersterben4080Und am Hunger zugrunde gehen;Den Recken war schwer zu Mute.Da mussten die HeldenVor dem Steine Angst erleiden.Sie sagten allesamt,4085Sie würden es gütlich erdulden,Da ihnen der mächtige GottDas harte Geschick verhängt,Wie auch den andern allen,Die vor ihnen gekommen waren4090Und das Leben verloren hatten.Da sie die Not nicht meiden wollten,Würden sie gerne den TodUm seine Huld erleiden,Und würden die grosse Not4095Als Sündenbusse betrachten.Der Herzog und seine MännerHatten Trost beim Kinde der Maid.Nun schwebte das GesindeSo lange Zeit auf dem Meer,4100Dass früher oder später im LebenSie nie solches Weh ertrugen,Da es ihnen an Speise gebrachUnd an der guten Nahrung,Die sie mitgebracht hatten4105Von dem Lande Grippia,Woselbst die WeigandeDieselbe tapfer erworben.Am Hunger starben sie,Die auf dem Schiffe waren,4110So dass keiner am Leben bliebVon der ganzen MannschaftAusser dem Herzog alleinUnd sieben Mann mit ihm.Die andern trug ein Greif fort,4115Wie sie nacheinander starben.Die Lebenden handelten so:Wen jeweilig der Tod nahm,Den trugen die Helden lobesamBald aus dem Schiffsraume;4120Ihn legten die zieren DegenOben aufs Verdeck.Das habt ihr nun öftersAls Wahrheit sagen hören:Die Greife kamen geflogen4125Und trugen sie ins Nest.Auf diese Weise ward zuletztDem Herzog und seinen MännernVon den Greifen geholfen;Also retteten sie sich.4130Die andern wurden zu AaseDen Greifen und ihren Jungen.Diesen war es schon gelungen,Menschen in grosser AnzahlVon dannen in ihre Neste4135Nach Gewohnheit zu tragen;Davon die mutigen Helden,Der Herzog und seine Mannen,Wieder ans Land kamen.Der Fürst litt Ungemach,4140Als er seine Gefährten sahVor Hunger verbleichenUnd so jämmerlich sterben,Und er ihnen nicht helfen konnte.Darum musst’ er manche Stunde4145Erleiden Jammersnot,Indem sie der TodVor seinen Augen hinwegnahm,Bis der Recke lobesamNur sieben Mann übrig hatte.4150Auch diese behielten das LebenKaum vor Hungersnot:Sie hatten nur ein halbes Brot,Das teilten die Helden unter sich.Es war jämmerlich genug,4155Da sie nichts mehr hatten.Da ergaben sie sich dem Herrn,Mit Leib und Seele Gottes Händen;Dann fielen die tapfern HeldenZum Gebet nieder und baten4160Vor allem inniglich den Herrn,Dass er ihnen gnädig seiUnd helfe aus der grossen Not;Sie fürchteten sehr den Tod.Als diese Unglücklichen4165Ihr Gebet verrichtet hatten,Was später ihnen zu statten kam,Sprach der Graf Wetzel also:“Ich habe in diesen StundenUns eine List erfunden,4170Wie sie nicht besser sein könnte.Sollen wir je gerettet werden,Muss es gewiss davon kommen,Dass wir suchen und spähenUnd gar nicht aufhören.4175Bis wir in den Schiffen findenIrgendwelche Art Häute;Dann schlüpfen wir armen LeuteIn unsre gute Rüstung.Hat man uns dann eingenäht4180In die Häute,” sprach der Degen,“So wollen wir uns legenOben auf das Schiffsverdeck.So nehmen uns da die GreifeUnd tragen uns von dannen.4185Sie können uns nichts anhaben,Die Greife, wegen der Rüstung,Die uns oft beschirmt hat;Die mag uns noch einmal helfen.Und haben wir uns versichert,4190Dass die alten auf Beute fort sind,So schneiden wir uns ausUnd steigen zur Erde nieder.Soll es aber anders werden,Will es Gott, dass wir nicht entkommen,4195So mag es uns doch lieber sein,Dass wir dort redlich tot liegen,Als dass wir hier diese starke NotSo jämmerlich erleiden.”
Nachdem ich Darius besiegtUnd das ganze Land Persien4930Und auch das berühmte IndienMir untertan gemacht,Hob ich mich bald von dannenMit meinen lieben MannenNach Caspen Porten.14935Leid und Furcht wähnte ichNicht mehr zu erdulden.Wir kamen zu einem Wasser,Da liess ich mein Heer ausruhen;Wir dachten den Durst zu stillen.4940Als wir zu dem Wasser kamenUnd es in den Mund nahmen,War es bitter wie Galle;Unerquickt blieben wir alle.Nun brachen wir vom Lager auf4945Und sahen über ein Feld hin,Wo eine schöne Stadt war,Die war geheissen Barbaras,Eine Meile über das Wasser.Meine Ritter all die Weile4950Wollten schwimmen in dem Flusse.Da näherte sich der Schaden:Krokodile kamen,Die meiner Gesellen nahmenSiebenundzwanzig,4955Die verloren das Leben;Ich kann es wahrhaftig sagen,Da ich es selbst ansah,Wie sie sie hinunter frassen;Ich musste sie fahren lassen.4960Da brach mein Heer aufNach reiflicher ÜberlegungUnd kam wieder zu dem Wasser,Das früher bitter war;Jetzt war es süss und gut,4965Des freute sich unser Mut.Da schlugen wir unsre ZelteAuf dem Felde beim FlusseUnd machten ein grosses Feuer.Die Ruhe ward uns sauer,4970Denn aus dem Walde kamenManch fürchterliches TierUnd schreckliches Gewürme.Mit denen mussten wir kämpfenBeinah die ganze Nacht;4975Durst hatte sie dahin gebracht,Sie wollten sich im Wasser laben.Skorpionen taten uns viel Schaden,Die waren breit und langUnd hatten fürchterlichen Gang,4980Teils rote, teils auch weisse;Sie machten uns grosse Not,Sie erbissen uns manchen Mann.Da kamen auch Löwen,Die waren gross und stark.4985Grössere Furcht war nieUnter einem Heere;Den Löwen mussten wir uns wehren.Danach kam zu uns gelaufenManch furchtbarer Eber,4990Grösser noch als die Löwen.Mit den Zähnen hieben sieAlles, was vor ihnen stand;Dass einer von uns am Leben blieb,Dafür Gott habe Dank!4995Ihre Zähne waren lang,Eine Klafter oder mehr;Die taten uns viel weh.Da kamen auch mancheElefanten gegangen,5000Um vom Fluss zu trinken;Wir litten Ungemach.Auch wurden wir heimgesuchtVon masslos langen SchlangenMit aufgerichteter Brust;5005Wir litten grosse Unlust.Es kamen auch Menschen,Die gleich Teufeln waren:Sie waren wie AffenUnter den Augen geschaffen,5010Sie hatten sechs Hände,Lang waren ihre Zähne;Hart plagten sie mein Heer.Den Leuten mussten wir uns wehrenMit Speeren und Geschossen;5015Sie starben ungesättigt.Unsre Not war mannigfach;Da brannten wir den Wald.Das ward deshalb getan,Dass wir Frieden haben könnten5020Vor den schrecklichen Tieren.Nicht lange danachSah ich das grausamste Tier,Das früher oder späterJemand geschaut hat.5025Das sah ich mit meinen Augen;Schrecklicheres Tier gibt es nicht.Es hatte Geweih wie der Hirsch,Mit drei starken Stangen,Die gross und lang waren.5030Wär’ ich nicht dabei gewesen,Es hätte das Leben verlorenEin grosser Teil meines Heers.Es waren sechsunddreissig derer,Die es mit den Hörnern erschlug;5035Es war fürchterlich genug.Auch sag’ ich euch wahrhaftig,Dass derer fünfzig waren,Die es zertrat mit den Füssen.
Nachdem ich Darius besiegt
Und das ganze Land Persien
Und auch das berühmte Indien
Mir untertan gemacht,
Hob ich mich bald von dannen
Mit meinen lieben Mannen
Nach Caspen Porten.1
Leid und Furcht wähnte ich
Nicht mehr zu erdulden.
Wir kamen zu einem Wasser,
Da liess ich mein Heer ausruhen;
Wir dachten den Durst zu stillen.
Als wir zu dem Wasser kamen
Und es in den Mund nahmen,
War es bitter wie Galle;
Unerquickt blieben wir alle.
Nun brachen wir vom Lager auf
Und sahen über ein Feld hin,
Wo eine schöne Stadt war,
Die war geheissen Barbaras,
Eine Meile über das Wasser.
Meine Ritter all die Weile
Wollten schwimmen in dem Flusse.
Da näherte sich der Schaden:
Krokodile kamen,
Die meiner Gesellen nahmen
Siebenundzwanzig,
Die verloren das Leben;
Ich kann es wahrhaftig sagen,
Da ich es selbst ansah,
Wie sie sie hinunter frassen;
Ich musste sie fahren lassen.
Da brach mein Heer auf
Nach reiflicher Überlegung
Und kam wieder zu dem Wasser,
Das früher bitter war;
Jetzt war es süss und gut,
Des freute sich unser Mut.
Da schlugen wir unsre Zelte
Auf dem Felde beim Flusse
Und machten ein grosses Feuer.
Die Ruhe ward uns sauer,
Denn aus dem Walde kamen
Manch fürchterliches Tier
Und schreckliches Gewürme.
Mit denen mussten wir kämpfen
Beinah die ganze Nacht;
Durst hatte sie dahin gebracht,
Sie wollten sich im Wasser laben.
Skorpionen taten uns viel Schaden,
Die waren breit und lang
Und hatten fürchterlichen Gang,
Teils rote, teils auch weisse;
Sie machten uns grosse Not,
Sie erbissen uns manchen Mann.
Da kamen auch Löwen,
Die waren gross und stark.
Grössere Furcht war nie
Unter einem Heere;
Den Löwen mussten wir uns wehren.
Danach kam zu uns gelaufen
Manch furchtbarer Eber,
Grösser noch als die Löwen.
Mit den Zähnen hieben sie
Alles, was vor ihnen stand;
Dass einer von uns am Leben blieb,
Dafür Gott habe Dank!
Ihre Zähne waren lang,
Eine Klafter oder mehr;
Die taten uns viel weh.
Da kamen auch manche
Elefanten gegangen,
Um vom Fluss zu trinken;
Wir litten Ungemach.
Auch wurden wir heimgesucht
Von masslos langen Schlangen
Mit aufgerichteter Brust;
Wir litten grosse Unlust.
Es kamen auch Menschen,
Die gleich Teufeln waren:
Sie waren wie Affen
Unter den Augen geschaffen,
Sie hatten sechs Hände,
Lang waren ihre Zähne;
Hart plagten sie mein Heer.
Den Leuten mussten wir uns wehren
Mit Speeren und Geschossen;
Sie starben ungesättigt.
Unsre Not war mannigfach;
Da brannten wir den Wald.
Das ward deshalb getan,
Dass wir Frieden haben könnten
Vor den schrecklichen Tieren.
Nicht lange danach
Sah ich das grausamste Tier,
Das früher oder später
Jemand geschaut hat.
Das sah ich mit meinen Augen;
Schrecklicheres Tier gibt es nicht.
Es hatte Geweih wie der Hirsch,
Mit drei starken Stangen,
Die gross und lang waren.
Wär’ ich nicht dabei gewesen,
Es hätte das Leben verloren
Ein grosser Teil meines Heers.
Es waren sechsunddreissig derer,
Die es mit den Hörnern erschlug;
Es war fürchterlich genug.
Auch sag’ ich euch wahrhaftig,
Dass derer fünfzig waren,
Die es zertrat mit den Füssen.
Der edle herrliche WaldWar wunderbar schön;5195Das nahmen wir alles wahr.Hoch waren die Bäume,Die Zweige dicht und breit;In Wahrheit sei es gesagt,Das war eine grosse Wonne.5200Da konnte nie die SonneBis auf die Erde scheinen.Ich und die MeinenLiessen unsre Rosse stehenUnd gingen stracks in den Wald,5205Nach dem wonniglichen Gesang;Die Zeit deuchte uns sehr lang,Bis wir dahin kamen,Wo wir vernahmen,Was das Wunder sein mochte.5210Manch schönes MägdeleinHaben wir da gefunden,Die da in diesen StundenSpielten auf dem grünen Klee.Hunderttausend und mehr,5215Spielten sie und sprangen;Ei, wie schön sie sangen!So dass wir, klein und gross,Wegen des süssen Getöses,Das wir im Walde hörten,5220Ich und meine Helden kühn,Vergassen unser HerzeleidUnd all die grosse ArbeitUnd all das Ungemach,Und was uns Schweres geschehen war.5225Uns allen deuchte es,Wie es wohl mochte,Dass wir genug hättenFür unser ganzes LebenAn Freude und Reichtum.5230Da vergass ich Angst und Leid,Ich und mein Gesinde,Und was uns von der KindheitJe Leides zu teil gewordenBis auf diesen Tag.5235Mir deuchte sofort,Ich könnte nie krank werden,Und könnte ich immer da sein,Würde ich ganz genesenVon all der Angst und Not5240Und nicht mehr fürchten den Tod.Wollt ihr nun recht verstehen,Wie es war um die Frauen,Woher sie kamen,Und welch Ende sie nahmen,5245Das mag euch besondersZum grossen Wunder gereichen.Als der Winter zu Ende war,Und der Sommer anfing,Und es begann zu grünen,5250Und die edlen BlumenIm Walde begannen aufzugehn,Da waren sie sehr lieblich.Hell war ihr Blumenglanz,In Rot und auch in Weiss5255Erglänzten sie weithin.Blumen hat es nie gegeben,Die schöner sein könnten.Sie waren, wie uns deuchte,Ganz rund wie ein Ball5260Und fest geschlossen überall.Sie waren wunderbar gross;Als die Blume sich oben erschloss,Das merket in eurem Sinne,So waren darinne5265Mägdelein ganz vollkommen;Ich sag’ es, wie ich’s vernommen.Sie gingen und lebtenUnd hatten menschlichen SinnUnd redeten und baten,5270Genau als hätten sieEin Alter von zwölf Jahren.Sie waren, das ist wahr,Schön geschaffen am Leibe;Nie sah ich an einem Weibe5275Ein schöneres AntlitzNoch Augen so liebsam.Ihre Hände und ihre ArmeWaren glänzend wie Hermelin,Auch ihre Füsse und Beine.5280Unter ihnen war keine,Die nicht schöner Hübschheit pflag.Sie waren züchtig heiterUnd lachten und waren frohUnd sangen auf solche Weise,5285Dass niemand früher oder späterEine so süsse Stimme vernahm.Wollt ihr es glauben,So mussten diese FrauenImmer im Schatten sein,5290Sonst könnten sie nicht gedeihn;Welche die Sonne beschien,Blieb nicht mehr am Leben.Das Wunder war mannigfach:Als der Wald tönend wurde,5295Von den süssen Stimmen,Die darinne sangen,Die Vögel und die Mägdelein,Wie konnt’ es wonniglicher sein,Früh oder spät?5300All ihre LeibeskleidungWar fest angewachsenAn der Haut und am Körper.Ihre Farbe war dieselbe,Die die Blumen hatte,5305Rot und auch weiss wie Schnee.Als wir sie zu uns kommen sahen,Zog uns der Leib zu ihnen.Solch begehrenswerte WeiberSind der Welt unbekannt.5310Nach meinem Heere schickte ich sofort.Als sie zu mir kamenUnd auch vernahmenDie herrlichen Stimmen,Da gingen sie verständnisvoll5315Und schlugen ihre ZelteIm Walde, nicht auf dem Felde.Da lagen wir nun im SchalleUnd freuten uns alleDer seltsamen Bräute.5320Ich und meine Leute,Wir wollten da bleiben.Wir nahmen sie zu FrauenUnd hatten mehr WonneAls wir je gewonnen5325Seit unserer Geburt.Weh, dass wir sobald verlorenDas grosse Vergnügen!Dies Wunder sah ich allesSelbst mit meinen Augen;5330Das möget ihr glauben.Dies währte, wie ich euch sage,Drei Monate und zwölf Tage,Dass ich und meine Helden kühnIn dem grünen Walde waren5335Und auf den schönen AuenBei den lieben FrauenUnd Wonne mit ihnen hattenUnd mit Freude lebten.Dann geschah uns grosses Leid,5340Das ich nicht genug beklagen kann.Als die Zeit zu Ende ging,Da war unsere Freude vorüber,Die Blumen verwelktenUnd die schönen Frauen starben;5345Die Bäume verloren ihr Laub,Die Brunnen flossen nicht mehr,Die Vögel hörten auf zu singen.Dann begann UnfreudeMein Herz zu bedrücken5350Mit mannigfachem Schmerze.Furchtbar war das Ungemach,Das ich alle Tage sahAn den schönen Frauen.O weh, wie bereute ich sie,5355Als ich sie sterben sahUnd die Blumen verblühen!Da schied ich traurig von dannenMit allen meinen Mannen.
Der edle herrliche Wald
War wunderbar schön;
Das nahmen wir alles wahr.
Hoch waren die Bäume,
Die Zweige dicht und breit;
In Wahrheit sei es gesagt,
Das war eine grosse Wonne.
Da konnte nie die Sonne
Bis auf die Erde scheinen.
Ich und die Meinen
Liessen unsre Rosse stehen
Und gingen stracks in den Wald,
Nach dem wonniglichen Gesang;
Die Zeit deuchte uns sehr lang,
Bis wir dahin kamen,
Wo wir vernahmen,
Was das Wunder sein mochte.
Manch schönes Mägdelein
Haben wir da gefunden,
Die da in diesen Stunden
Spielten auf dem grünen Klee.
Hunderttausend und mehr,
Spielten sie und sprangen;
Ei, wie schön sie sangen!
So dass wir, klein und gross,
Wegen des süssen Getöses,
Das wir im Walde hörten,
Ich und meine Helden kühn,
Vergassen unser Herzeleid
Und all die grosse Arbeit
Und all das Ungemach,
Und was uns Schweres geschehen war.
Uns allen deuchte es,
Wie es wohl mochte,
Dass wir genug hätten
Für unser ganzes Leben
An Freude und Reichtum.
Da vergass ich Angst und Leid,
Ich und mein Gesinde,
Und was uns von der Kindheit
Je Leides zu teil geworden
Bis auf diesen Tag.
Mir deuchte sofort,
Ich könnte nie krank werden,
Und könnte ich immer da sein,
Würde ich ganz genesen
Von all der Angst und Not
Und nicht mehr fürchten den Tod.
Wollt ihr nun recht verstehen,
Wie es war um die Frauen,
Woher sie kamen,
Und welch Ende sie nahmen,
Das mag euch besonders
Zum grossen Wunder gereichen.
Als der Winter zu Ende war,
Und der Sommer anfing,
Und es begann zu grünen,
Und die edlen Blumen
Im Walde begannen aufzugehn,
Da waren sie sehr lieblich.
Hell war ihr Blumenglanz,
In Rot und auch in Weiss
Erglänzten sie weithin.
Blumen hat es nie gegeben,
Die schöner sein könnten.
Sie waren, wie uns deuchte,
Ganz rund wie ein Ball
Und fest geschlossen überall.
Sie waren wunderbar gross;
Als die Blume sich oben erschloss,
Das merket in eurem Sinne,
So waren darinne
Mägdelein ganz vollkommen;
Ich sag’ es, wie ich’s vernommen.
Sie gingen und lebten
Und hatten menschlichen Sinn
Und redeten und baten,
Genau als hätten sie
Ein Alter von zwölf Jahren.
Sie waren, das ist wahr,
Schön geschaffen am Leibe;
Nie sah ich an einem Weibe
Ein schöneres Antlitz
Noch Augen so liebsam.
Ihre Hände und ihre Arme
Waren glänzend wie Hermelin,
Auch ihre Füsse und Beine.
Unter ihnen war keine,
Die nicht schöner Hübschheit pflag.
Sie waren züchtig heiter
Und lachten und waren froh
Und sangen auf solche Weise,
Dass niemand früher oder später
Eine so süsse Stimme vernahm.
Wollt ihr es glauben,
So mussten diese Frauen
Immer im Schatten sein,
Sonst könnten sie nicht gedeihn;
Welche die Sonne beschien,
Blieb nicht mehr am Leben.
Das Wunder war mannigfach:
Als der Wald tönend wurde,
Von den süssen Stimmen,
Die darinne sangen,
Die Vögel und die Mägdelein,
Wie konnt’ es wonniglicher sein,
Früh oder spät?
All ihre Leibeskleidung
War fest angewachsen
An der Haut und am Körper.
Ihre Farbe war dieselbe,
Die die Blumen hatte,
Rot und auch weiss wie Schnee.
Als wir sie zu uns kommen sahen,
Zog uns der Leib zu ihnen.
Solch begehrenswerte Weiber
Sind der Welt unbekannt.
Nach meinem Heere schickte ich sofort.
Als sie zu mir kamen
Und auch vernahmen
Die herrlichen Stimmen,
Da gingen sie verständnisvoll
Und schlugen ihre Zelte
Im Walde, nicht auf dem Felde.
Da lagen wir nun im Schalle
Und freuten uns alle
Der seltsamen Bräute.
Ich und meine Leute,
Wir wollten da bleiben.
Wir nahmen sie zu Frauen
Und hatten mehr Wonne
Als wir je gewonnen
Seit unserer Geburt.
Weh, dass wir sobald verloren
Das grosse Vergnügen!
Dies Wunder sah ich alles
Selbst mit meinen Augen;
Das möget ihr glauben.
Dies währte, wie ich euch sage,
Drei Monate und zwölf Tage,
Dass ich und meine Helden kühn
In dem grünen Walde waren
Und auf den schönen Auen
Bei den lieben Frauen
Und Wonne mit ihnen hatten
Und mit Freude lebten.
Dann geschah uns grosses Leid,
Das ich nicht genug beklagen kann.
Als die Zeit zu Ende ging,
Da war unsere Freude vorüber,
Die Blumen verwelkten
Und die schönen Frauen starben;
Die Bäume verloren ihr Laub,
Die Brunnen flossen nicht mehr,
Die Vögel hörten auf zu singen.
Dann begann Unfreude
Mein Herz zu bedrücken
Mit mannigfachem Schmerze.
Furchtbar war das Ungemach,
Das ich alle Tage sah
An den schönen Frauen.
O weh, wie bereute ich sie,
Als ich sie sterben sah
Und die Blumen verblühen!
Da schied ich traurig von dannen
Mit allen meinen Mannen.
1.In Latinad Portas Caspias, the Caspian Gates.
1.In Latinad Portas Caspias, the Caspian Gates.
A translation, made about 1130 in the dialect of the Rhenish Franks, of the famousChanson de Roland. It consists of 9094 verses. The author, who calls himself ‘der Pfaffe Kuonrat,’ says that he translated first into Latin, then into German, adding nothing and omitting nothing; but a comparison with the French text as known to us shows many additions, many omissions and a somewhat different spirit. Kaiser Karl and his men fight for the cross, for the glory of Christian martyrdom, not for ‘sweet France.’ —The situation at the beginning of the poem is this: The Christians have conquered all Spain except Saragossa, whose king, Marsilie, sends envoys to make a treacherous proposal of surrender; the object being to induce the emperor to withdraw the greater part of his army.
675Die Boten traten vor,Sehr oft fielen sie nieder,In seidenem Gewande,Mit Palmen in der Hand.Immer wieder aufs neue680Fielen sie zur Erde nieder.Sie fanden den Kaiser fürwahrÜber dem Schachbrette.Sein Antlitz war wonniglich.Es gefiel den Boten sehr,685Dass sie ihn sehen durften.Es glänzten ja seine AugenWie der Morgenstern.Man erkannte ihn von weitem,Niemand brauchte zu fragen,690Welcher der Kaiser wäre;Keiner war ihm ähnlich.Sein Antlitz war herrlich.Mit ganz geöffneten AugenKonnten sie ihn nicht ansehn:695Der Glanz blendete sieWie die Sonne zu Mittag.Den Feinden war er schrecklich,Den Armen war er vertraut,Im Unglück war er gnädig,700Gott gegenüber war er treu.Er war ein gerechter Richter,Er lehrte uns die Gesetze,Ein Engel schrieb sie ihm vor;Er verstand alle Rechte,705Im Kampf ein guter Knecht,In aller Tugend ausgezeichnet.Freigebigerer Herr ward nie geboren.
Die Boten traten vor,
Sehr oft fielen sie nieder,
In seidenem Gewande,
Mit Palmen in der Hand.
Immer wieder aufs neue
Fielen sie zur Erde nieder.
Sie fanden den Kaiser fürwahr
Über dem Schachbrette.
Sein Antlitz war wonniglich.
Es gefiel den Boten sehr,
Dass sie ihn sehen durften.
Es glänzten ja seine Augen
Wie der Morgenstern.
Man erkannte ihn von weitem,
Niemand brauchte zu fragen,
Welcher der Kaiser wäre;
Keiner war ihm ähnlich.
Sein Antlitz war herrlich.
Mit ganz geöffneten Augen
Konnten sie ihn nicht ansehn:
Der Glanz blendete sie
Wie die Sonne zu Mittag.
Den Feinden war er schrecklich,
Den Armen war er vertraut,
Im Unglück war er gnädig,
Gott gegenüber war er treu.
Er war ein gerechter Richter,
Er lehrte uns die Gesetze,
Ein Engel schrieb sie ihm vor;
Er verstand alle Rechte,
Im Kampf ein guter Knecht,
In aller Tugend ausgezeichnet.
Freigebigerer Herr ward nie geboren.
Der Bote sprach zu Marsilie:“Der König aller Himmel,2020Der uns von der Hölle erlösteUnd die Seinen tröstete,Der gebe dir Gnade,Dass du seinen Frieden habest,Und rette dich vom ewigen Tode.2025Der König von Rom entbietet dir,Dass du Gott ehrest,Dich zum Christentum bekehrest,Dich taufen lassest,An Einen Gott glaubest;2030Davon will er Gewissheit haben.Er lässt dir wahrlich sagen:Empfängst du das Christengesetz,Soll dein Land in Frieden bleiben.Er belehnt dich mit halb Spanien,2035Den andern Teil soll Roland haben;Und wirst du sein Mann,So behältst du grosse Ehre.Der Kaiser entbietet dir ferner:Greifst du etwa zur Gegenwehr,2040Sucht er dich mit einem Heere auf;Er zerstört alle deine HäuserUnd vertreibt dich daraus.Weder auf Erden noch auf dem MeereMagst du dich seiner erwehren.2045Er lässt dich fangen,Auf einem Esel führenVor seinen Thron zu Achen;Da nimmt er Rache an dir:Er lässt dir das Haupt abschlagen.2050Das soll ich dir vom Kaiser sagen.”Marsilie blickte umher,Er wurde sehr bleich,Er hatte ängstliche Gedanken,Er konnte kaum sitzen auf der Bank,2055Es ward ihm kalt und heiss,Hart plagte ihn der Schweiss,Er schüttelte den Kopf,Er sprang hin und her.Seinen Stab ergriff er,2060Mit Zorn hob er ihn empor,Nach Genelun schlug er.Genelun mit ListWich dem Schlage aus.Er trat vor dem König zurück,2065Das Schwert ergriff er,Er blickte auf ihn zurück,Er sagte zu dem Könige:“Du übst also Gewalt.”Halb zog er das Schwert,2070Er sprach: “Karl, meinem Herrn,Diente ich immer mit Ehren.In harten VolkskämpfenErwirkte ich mit dem Schwert,Dass ich nie beschimpft ward.2075Ich brachte dich mit Ehren hierher,Ich habe dich lange geführt.Noch niemals bin ich gefangen.Und vollbringst du den Schlag,So ist es dein letzter Tag;2080Oder aber ich sende zum TodeIrgend welchen Heiden,Dessen Verlust du nie verschmerzest.Ich wähne, du tobst oder rasest.Jetzt muss ich bereuen,2085Dass ich deinen UngetreuenJemals folgte diesen Weg.Man hat mich im Stich gelassen,Ich stehe nun ganz allein.Was ist aus den Eiden geworden,2090Die sie mir schworen,Als wir fortkamen?”Die Fürsten sprangen auf,Sie drangen dazwischen,Sie verwiesen es dem König.2095Sie sagten: “Herr, du tust übel,Den Kaiser so zu beschimpfen.Wenn du zu ihm sendest,Wird deine BotschaftRuhmvoll zu Ende geführt.2100Sie sprechen uns Treue ab;Nun müssen wir bereuen,Dass Friede je gemacht ward.Du liessest ja seine Mannen köpfen.Nun gebiete deinem Zorn!2105Wir wollen gern vermitteln,Und das noch mehr,O Herr, wegen deiner EhreAls um seinetwillen.Stille nun deinen Unmut!”
Der Bote sprach zu Marsilie:
“Der König aller Himmel,
Der uns von der Hölle erlöste
Und die Seinen tröstete,
Der gebe dir Gnade,
Dass du seinen Frieden habest,
Und rette dich vom ewigen Tode.
Der König von Rom entbietet dir,
Dass du Gott ehrest,
Dich zum Christentum bekehrest,
Dich taufen lassest,
An Einen Gott glaubest;
Davon will er Gewissheit haben.
Er lässt dir wahrlich sagen:
Empfängst du das Christengesetz,
Soll dein Land in Frieden bleiben.
Er belehnt dich mit halb Spanien,
Den andern Teil soll Roland haben;
Und wirst du sein Mann,
So behältst du grosse Ehre.
Der Kaiser entbietet dir ferner:
Greifst du etwa zur Gegenwehr,
Sucht er dich mit einem Heere auf;
Er zerstört alle deine Häuser
Und vertreibt dich daraus.
Weder auf Erden noch auf dem Meere
Magst du dich seiner erwehren.
Er lässt dich fangen,
Auf einem Esel führen
Vor seinen Thron zu Achen;
Da nimmt er Rache an dir:
Er lässt dir das Haupt abschlagen.
Das soll ich dir vom Kaiser sagen.”
Marsilie blickte umher,
Er wurde sehr bleich,
Er hatte ängstliche Gedanken,
Er konnte kaum sitzen auf der Bank,
Es ward ihm kalt und heiss,
Hart plagte ihn der Schweiss,
Er schüttelte den Kopf,
Er sprang hin und her.
Seinen Stab ergriff er,
Mit Zorn hob er ihn empor,
Nach Genelun schlug er.
Genelun mit List
Wich dem Schlage aus.
Er trat vor dem König zurück,
Das Schwert ergriff er,
Er blickte auf ihn zurück,
Er sagte zu dem Könige:
“Du übst also Gewalt.”
Halb zog er das Schwert,
Er sprach: “Karl, meinem Herrn,
Diente ich immer mit Ehren.
In harten Volkskämpfen
Erwirkte ich mit dem Schwert,
Dass ich nie beschimpft ward.
Ich brachte dich mit Ehren hierher,
Ich habe dich lange geführt.
Noch niemals bin ich gefangen.
Und vollbringst du den Schlag,
So ist es dein letzter Tag;
Oder aber ich sende zum Tode
Irgend welchen Heiden,
Dessen Verlust du nie verschmerzest.
Ich wähne, du tobst oder rasest.
Jetzt muss ich bereuen,
Dass ich deinen Ungetreuen
Jemals folgte diesen Weg.
Man hat mich im Stich gelassen,
Ich stehe nun ganz allein.
Was ist aus den Eiden geworden,
Die sie mir schworen,
Als wir fortkamen?”
Die Fürsten sprangen auf,
Sie drangen dazwischen,
Sie verwiesen es dem König.
Sie sagten: “Herr, du tust übel,
Den Kaiser so zu beschimpfen.
Wenn du zu ihm sendest,
Wird deine Botschaft
Ruhmvoll zu Ende geführt.
Sie sprechen uns Treue ab;
Nun müssen wir bereuen,
Dass Friede je gemacht ward.
Du liessest ja seine Mannen köpfen.
Nun gebiete deinem Zorn!
Wir wollen gern vermitteln,
Und das noch mehr,
O Herr, wegen deiner Ehre
Als um seinetwillen.
Stille nun deinen Unmut!”
Als die Helden vernahmen,3395Dass die Heiden sich sammelten,Baten sie ihre PriesterSich fertig zu machen;Diese griffen ihr Amt an.Den Leib Gottes empfingen sie,3400Sie fielen zum Gebet nieder,Sie riefen zum HimmelViele Stunden hindurch.Sie beschworen Gott bei den Wunden,Wodurch er die Seinen erlöste,3405Dass er sie tröste,Dass er ihnen ihre Sünden vergebeUnd selbst ihr Zeuge sei.Mit Beichte machten sie sich fertig,Zum Tode rüsteten sie sich,3410Und waren jedoch gute Knechte,Zum Märtyrtum bereitUm ihrer Seelen willen.Sie waren Gottes Degen,Nicht wollten sie entfliehen,3415Sie wollten wieder gewinnenUnsere alte Erbschaft.Danach strebten die Helden,Ja führten die edlen HerrenEin christliches Leben.3420Alle hatten Eine Gesinnung,Ihre Herzen waren mit Gott.Sie hatten Zucht und Scham,Reinheit und Gehorsam,Geduld und Minne;3425Sie brannten wahrlich im InnernNach der Süsse Gottes.Sie sollen uns helfen,Dieses arme Leben zu vergessen;Denn jetzt besitzen sie Gottes Reich.3430Als die Degen GottesMit Psalmen und Segen,Mit Beichte und Glaube,Mit tränenden Augen,Mit grosser Demut,3435Mit mancherlei Gutem,Sich zu Gott gewendet,Ihre Seelen gelabtMit Himmelsbrote,Mit dem Blute des Herrn,3440Zum ewigen Leben,Da waffneten sie sich;Gott lobten sie jetzt,Sie waren allesamt froh,Wie zu einem Brautlauf.3445Sie heissen alle Gottes Kinder,Die Welt verschmähten sie,Sie brachten das reine Opfer.Mit dem Kreuze geschmücktEilten sie gern zum Tode;3450Sie kauften das Reich Gottes.Sie waren einander treu;Was dem einen deuchte gut,Das war die Meinung aller.David der Psalmist3455Hat von ihnen geschrieben,Wie Gott, mein Herr, die belohnt,Die brüderlich zusammenhalten.Er gibt ihnen selbst seinen Segen;Sie sollen immer fröhlich leben.3460Eine Zuversicht und Eine Minne,Ein Glaube und Eine Hoffnung,Eine Treue war in ihnen allen.Keiner liess den andern im Stiche,Für alle war Eine Wahrheit;3465Des freut sich die Christenheit.Die verbrecherischen Heiden,Die Gott nicht fürchteten,Hoben ihre Abgötter empor,Mit grosser Hochfahrt kamen sie,3470Sie fielen vor Mahmet nieder;Es war ihr ganzes Gebet,Dass er ihnen erlaube,Roland zu enthaupten,Und, wenn sie ihn erschlagen,3475Sein Haupt vor sich zu tragen.Sie versprachen ihn zu ehren,Sein Lob immer zu mehrenMit Tanz und Saitenspiel;Des Übermuts war da viel.3480Sie vertrauten ihrer Kraft,Sie wussten nicht recht,Dass wer gegen Gott strebt,Der ohne Gott lebt.Sie verschmähten ihren Schöpfer,3485Unsern wahren Heiland,Den obersten Priester,Der keinen ohne Trost lässt,Wenn er mit DemutSuchet das Gute.
Als die Helden vernahmen,
Dass die Heiden sich sammelten,
Baten sie ihre Priester
Sich fertig zu machen;
Diese griffen ihr Amt an.
Den Leib Gottes empfingen sie,
Sie fielen zum Gebet nieder,
Sie riefen zum Himmel
Viele Stunden hindurch.
Sie beschworen Gott bei den Wunden,
Wodurch er die Seinen erlöste,
Dass er sie tröste,
Dass er ihnen ihre Sünden vergebe
Und selbst ihr Zeuge sei.
Mit Beichte machten sie sich fertig,
Zum Tode rüsteten sie sich,
Und waren jedoch gute Knechte,
Zum Märtyrtum bereit
Um ihrer Seelen willen.
Sie waren Gottes Degen,
Nicht wollten sie entfliehen,
Sie wollten wieder gewinnen
Unsere alte Erbschaft.
Danach strebten die Helden,
Ja führten die edlen Herren
Ein christliches Leben.
Alle hatten Eine Gesinnung,
Ihre Herzen waren mit Gott.
Sie hatten Zucht und Scham,
Reinheit und Gehorsam,
Geduld und Minne;
Sie brannten wahrlich im Innern
Nach der Süsse Gottes.
Sie sollen uns helfen,
Dieses arme Leben zu vergessen;
Denn jetzt besitzen sie Gottes Reich.
Als die Degen Gottes
Mit Psalmen und Segen,
Mit Beichte und Glaube,
Mit tränenden Augen,
Mit grosser Demut,
Mit mancherlei Gutem,
Sich zu Gott gewendet,
Ihre Seelen gelabt
Mit Himmelsbrote,
Mit dem Blute des Herrn,
Zum ewigen Leben,
Da waffneten sie sich;
Gott lobten sie jetzt,
Sie waren allesamt froh,
Wie zu einem Brautlauf.
Sie heissen alle Gottes Kinder,
Die Welt verschmähten sie,
Sie brachten das reine Opfer.
Mit dem Kreuze geschmückt
Eilten sie gern zum Tode;
Sie kauften das Reich Gottes.
Sie waren einander treu;
Was dem einen deuchte gut,
Das war die Meinung aller.
David der Psalmist
Hat von ihnen geschrieben,
Wie Gott, mein Herr, die belohnt,
Die brüderlich zusammenhalten.
Er gibt ihnen selbst seinen Segen;
Sie sollen immer fröhlich leben.
Eine Zuversicht und Eine Minne,
Ein Glaube und Eine Hoffnung,
Eine Treue war in ihnen allen.
Keiner liess den andern im Stiche,
Für alle war Eine Wahrheit;
Des freut sich die Christenheit.
Die verbrecherischen Heiden,
Die Gott nicht fürchteten,
Hoben ihre Abgötter empor,
Mit grosser Hochfahrt kamen sie,
Sie fielen vor Mahmet nieder;
Es war ihr ganzes Gebet,
Dass er ihnen erlaube,
Roland zu enthaupten,
Und, wenn sie ihn erschlagen,
Sein Haupt vor sich zu tragen.
Sie versprachen ihn zu ehren,
Sein Lob immer zu mehren
Mit Tanz und Saitenspiel;
Des Übermuts war da viel.
Sie vertrauten ihrer Kraft,
Sie wussten nicht recht,
Dass wer gegen Gott strebt,
Der ohne Gott lebt.
Sie verschmähten ihren Schöpfer,
Unsern wahren Heiland,
Den obersten Priester,
Der keinen ohne Trost lässt,
Wenn er mit Demut
Suchet das Gute.
Roland fasste mit beiden HändenDen guten Olivant6055Und setzte ihn an den Mund.Er begann zu blasen;Der Schall ward so gross,Es lärmte so unter den Heiden,Dass keiner den andern hören konnte.6060Sie verstopften selbst die Ohren.Die Hirnschale barst ihm,Dem guten Weigande;Alles änderte sich an ihm,Er konnte kaum noch sitzen,6065Sein Herz zerbrach innen.Seine bekannte StimmeVernahmen sie allesamt,Der Schall flog ins Land.Bald kam zu Hof das Märe,6070Dass des Kaisers BläserBliesen alle zugleich.Dann wusste man wahrlich,Dass die Helden in Not waren.Da gab es ein grosses Jammern.6075Der Kaiser schwitzte vor Angst,Er verlor zum Teil die Fassung,Er ward sehr ungeduldig.Das Haar riss er von der Haut;Da machte starke Vorstellungen6080Genelun der Verräter;Er sprach: “Dieses UngestümGeziemt nicht einem König.Du beträgst dich ungebührlich.Was hast du dir vorzuwerfen?6085Den Roland, wie er im Grase schlief.Hat wohl eine Bremse gebissen,Oder er jagt wohl einen Hasen;Dass das Blasen eines HornesDich so ausser Fassung bringt!”6090Der Kaiser sprach zu ihm:“Weh dass ich dich je gesehen,Oder Kenntnis von dir gewonnen!Das beklage ich immer vor Gott.Von dir allein6095Muss Frankreich immer weinen.Wegen des grossen Schatzes,Den Marsilie dir gab,Hast du den Mord vollbracht.Ich räche ihn, wenn ich’s vermag.6100Was trieb dich dazu?”Auf sprang der Herzog Naimes,Er sprach: “Du Teufels Mann,Du hast schlimmer als Judas getan,Der unsern Herrn verriet.6105Nie verwindest du diesen Tag.Dies hast du gebraut,Du sollst es wahrlich trinken.”Er hätte ihn gern erschlagen,Der Kaiser hiess ihn abstehen;6110Er sprach: “Eine andre sei seine Strafe.Ich will hernach über ihn richten;Und wenn das Urteil ergeht,Er stirbt wohl einen schlimmeren Tod.”
Roland fasste mit beiden Händen
Den guten Olivant
Und setzte ihn an den Mund.
Er begann zu blasen;
Der Schall ward so gross,
Es lärmte so unter den Heiden,
Dass keiner den andern hören konnte.
Sie verstopften selbst die Ohren.
Die Hirnschale barst ihm,
Dem guten Weigande;
Alles änderte sich an ihm,
Er konnte kaum noch sitzen,
Sein Herz zerbrach innen.
Seine bekannte Stimme
Vernahmen sie allesamt,
Der Schall flog ins Land.
Bald kam zu Hof das Märe,
Dass des Kaisers Bläser
Bliesen alle zugleich.
Dann wusste man wahrlich,
Dass die Helden in Not waren.
Da gab es ein grosses Jammern.
Der Kaiser schwitzte vor Angst,
Er verlor zum Teil die Fassung,
Er ward sehr ungeduldig.
Das Haar riss er von der Haut;
Da machte starke Vorstellungen
Genelun der Verräter;
Er sprach: “Dieses Ungestüm
Geziemt nicht einem König.
Du beträgst dich ungebührlich.
Was hast du dir vorzuwerfen?
Den Roland, wie er im Grase schlief.
Hat wohl eine Bremse gebissen,
Oder er jagt wohl einen Hasen;
Dass das Blasen eines Hornes
Dich so ausser Fassung bringt!”
Der Kaiser sprach zu ihm:
“Weh dass ich dich je gesehen,
Oder Kenntnis von dir gewonnen!
Das beklage ich immer vor Gott.
Von dir allein
Muss Frankreich immer weinen.
Wegen des grossen Schatzes,
Den Marsilie dir gab,
Hast du den Mord vollbracht.
Ich räche ihn, wenn ich’s vermag.
Was trieb dich dazu?”
Auf sprang der Herzog Naimes,
Er sprach: “Du Teufels Mann,
Du hast schlimmer als Judas getan,
Der unsern Herrn verriet.
Nie verwindest du diesen Tag.
Dies hast du gebraut,
Du sollst es wahrlich trinken.”
Er hätte ihn gern erschlagen,
Der Kaiser hiess ihn abstehen;
Er sprach: “Eine andre sei seine Strafe.
Ich will hernach über ihn richten;
Und wenn das Urteil ergeht,
Er stirbt wohl einen schlimmeren Tod.”
A poem of 5302 verses, written about 1150 in a mixture of Middle Frankish and Bavarian. It belongs to the order ofSpielmannspoesie, or secular minstrelsy; but the author makes frequent reference to what ‘the books’ say, and evidently meant his work to be read. (The earlier gleemen, so far as known, could not read or write, got their material from oral tradition and composed their poems to be sung or recited to musical accompaniment.) Rother is a king of Italy who sends twelve envoys to Constantinople to win for him the hand of the emperor’s daughter. She favors her unknown suitor, but the irate Constantine throws the envoys into a dungeon. Rother takes the name of Dietrich and sails with many retainers to liberate them. By a waiting-maid he presents the princess with a gold and a silver shoe, both made for the same foot, and retains the mates. The princess, already interested in the distinguished stranger, sends for him to put on the impossible shoes.
Am Fenster stand die Prinzessin,Bald kam der junge HeldÜber den Hof gegangen.2180Da ward er wohl empfangenVon zweien Rittern ehrlich.Dann ging der Recke Dietrich,Wo die Kemenate offen stand;Darein ging der wohlgestalte Held.2185Den hiess die junge PrinzessinSelber wilkommen seinUnd sagte, was er da bitte,Das würde sie gerne tunNach ihrer beider Ehre.2190“Ich habe dich gern, o Herr,Wegen deiner Tüchtigkeit gesehn;Aus anderm Grund ist’s nicht geschehn.Diese niedlichen Schuhe,Die sollst du mir anziehen.”2195“Sehr gerne,” sprach Dietrich,“Da du es von mir verlangst.”Der Herr setzte sich ihr zu Füssen,Sehr schön war sein Gebaren.Auf sein Bein setzte sie den Fuss,2200Nie wurde Frau besser geschuht.Da sprach der listige Mann:“Nun sage mir, schöne Herrin,Bescheid auf deine Treue,Wie du eine Christin bist,—2205Es warb um dich mancher Mann,—Hing’ es von deinem Willen ab,Welcher unter ihnen allenHat dir am besten gefallen?”“Das sag’ ich dir,” sprach die Dame,2210“In allem Ernst und in Treue,O Herr, auf meiner Seele,Wie ich getaufte Christin bin:Kämen aus allen LandenDie teuren Weigande2215Mit einander zusammen,Da wäre kein Mann darunter,Der dein Genoss sein könnte.Das nehm’ ich auf meine Treue,Dass nie eine Mutter gebar2220Ein Kind so liebenswürdig,Dass es mit Fug, Dietrich,Neben dir stehen könnte.Du bist ein ausgezeichneter Mann.Sollte ich aber die Wahl haben,2225Nähme ich den Helden gut und kühn,Dessen Boten her ins Land kamenUnd jetzt wahrlich liegenIn meines Vaters Kerker.Er heisst mit Namen Rother2230Und sitzt im Westen übers Meer.Ich will immer Magd bleiben,Bekomm’ ich nicht den Helden schön.”Als Dietrich das vernahm,Da sprach der listige Mann:2235“Willst du Rother minnen,Den will ich dir bald bringen.Es lebt keiner auf Erden,Der mir mehr Gutes getan hätte;Des soll er noch geniessen.2240Ehe ihn der Hochmut meisterte,Half er mir oft in der Not;Wir genossen fröhlich das LandUnd lebten glücklich zusammen.Der gute Held war mir stets gnädig,2245Wie wohl er mich jetzt vertrieben.”“In Treue,” sprach die Prinzessin,“Ich verstehe deine Rede;Ist der Rother dir so lieb,Hat er dich nicht vertrieben.2250Von wannen du fährst, kühner Held,Bist du als Bote her gesandt.Dir sind des Königs Mannen lieb.Nun verhehle es mit Worten nicht;Was mir heute gesagt wird,2255Das wird immer wohl verschwiegenBis an den jüngsten Tag.”Der Herr sprach zu der Dame:“Jetzt überlass’ ich meine SacheDer Gnade Gottes und der deinen;2260Es stehen ja deine FüsseIn König Rothers Schosse.”Die Dame erschrak sehr;Sie zog den Fuss wegUnd sprach zu Dietrich2265Sehr bescheidentlich:“Nie ward ich so ungezogen;Mein Übermut hat mich betrogen,Dass ich meinen FussSetzte auf deinen Schoss.2270Und bist du der grosse Rother,Kannst du, König, nimmermehrEinen besseren Ruhm gewinnen.Der ausserordentlichen DingeBist du ein listiger Meister.2275Welches Geschlechts du auch seist,Mein Herz war unglücklich;Und hätte dich Gott hergesandt,Das wäre mir inniglich lieb.Ich mag doch nicht glauben,2280Dass du mir Unwahres sprichst.Und wär’s dann aller Welt leid,Ich räumte sicherlichZusammen mit dir das Reich.So bleibt es aber ungetan.2285Doch lebt kein Mann so schön,Den ich vorziehen würde,Wärest du der König Rother.”Darauf sprach Dietrich(Sein Sinn war sehr listig):2290“Nun hab’ ich keine FreundeAls die armen Herren,Die in dem Kerker sind.Könnten mich diese sehen,Hättest du an ihnen den Beweis,2295Dass ich dir Wahres gesprochen.”“In Treue,” sprach die Prinzessin,“Dir werd’ ich beim Vater meinIrgendwie erwirken,Dass ich sie herauskriege.2300Aber er wird sie keinem geben,Er hafte denn mit seinem Leben,Dass niemand entkomme,Bis alle zurückgebrachtIn den Kerker würden,2305Wo sie in der Not waren.”Drauf antwortete Dietrich:“Ich will es auf mich nehmenVor Constantin, dem reichen,Und morgen sicherlich2310Werde ich zu Hofe gehn.”Die Jungfrau so schönKüsste den Herrn.Da schied er mit EhrenAus der Kemenate.
Am Fenster stand die Prinzessin,
Bald kam der junge Held
Über den Hof gegangen.
Da ward er wohl empfangen
Von zweien Rittern ehrlich.
Dann ging der Recke Dietrich,
Wo die Kemenate offen stand;
Darein ging der wohlgestalte Held.
Den hiess die junge Prinzessin
Selber wilkommen sein
Und sagte, was er da bitte,
Das würde sie gerne tun
Nach ihrer beider Ehre.
“Ich habe dich gern, o Herr,
Wegen deiner Tüchtigkeit gesehn;
Aus anderm Grund ist’s nicht geschehn.
Diese niedlichen Schuhe,
Die sollst du mir anziehen.”
“Sehr gerne,” sprach Dietrich,
“Da du es von mir verlangst.”
Der Herr setzte sich ihr zu Füssen,
Sehr schön war sein Gebaren.
Auf sein Bein setzte sie den Fuss,
Nie wurde Frau besser geschuht.
Da sprach der listige Mann:
“Nun sage mir, schöne Herrin,
Bescheid auf deine Treue,
Wie du eine Christin bist,—
Es warb um dich mancher Mann,—
Hing’ es von deinem Willen ab,
Welcher unter ihnen allen
Hat dir am besten gefallen?”
“Das sag’ ich dir,” sprach die Dame,
“In allem Ernst und in Treue,
O Herr, auf meiner Seele,
Wie ich getaufte Christin bin:
Kämen aus allen Landen
Die teuren Weigande
Mit einander zusammen,
Da wäre kein Mann darunter,
Der dein Genoss sein könnte.
Das nehm’ ich auf meine Treue,
Dass nie eine Mutter gebar
Ein Kind so liebenswürdig,
Dass es mit Fug, Dietrich,
Neben dir stehen könnte.
Du bist ein ausgezeichneter Mann.
Sollte ich aber die Wahl haben,
Nähme ich den Helden gut und kühn,
Dessen Boten her ins Land kamen
Und jetzt wahrlich liegen
In meines Vaters Kerker.
Er heisst mit Namen Rother
Und sitzt im Westen übers Meer.
Ich will immer Magd bleiben,
Bekomm’ ich nicht den Helden schön.”
Als Dietrich das vernahm,
Da sprach der listige Mann:
“Willst du Rother minnen,
Den will ich dir bald bringen.
Es lebt keiner auf Erden,
Der mir mehr Gutes getan hätte;
Des soll er noch geniessen.
Ehe ihn der Hochmut meisterte,
Half er mir oft in der Not;
Wir genossen fröhlich das Land
Und lebten glücklich zusammen.
Der gute Held war mir stets gnädig,
Wie wohl er mich jetzt vertrieben.”
“In Treue,” sprach die Prinzessin,
“Ich verstehe deine Rede;
Ist der Rother dir so lieb,
Hat er dich nicht vertrieben.
Von wannen du fährst, kühner Held,
Bist du als Bote her gesandt.
Dir sind des Königs Mannen lieb.
Nun verhehle es mit Worten nicht;
Was mir heute gesagt wird,
Das wird immer wohl verschwiegen
Bis an den jüngsten Tag.”
Der Herr sprach zu der Dame:
“Jetzt überlass’ ich meine Sache
Der Gnade Gottes und der deinen;
Es stehen ja deine Füsse
In König Rothers Schosse.”
Die Dame erschrak sehr;
Sie zog den Fuss weg
Und sprach zu Dietrich
Sehr bescheidentlich:
“Nie ward ich so ungezogen;
Mein Übermut hat mich betrogen,
Dass ich meinen Fuss
Setzte auf deinen Schoss.
Und bist du der grosse Rother,
Kannst du, König, nimmermehr
Einen besseren Ruhm gewinnen.
Der ausserordentlichen Dinge
Bist du ein listiger Meister.
Welches Geschlechts du auch seist,
Mein Herz war unglücklich;
Und hätte dich Gott hergesandt,
Das wäre mir inniglich lieb.
Ich mag doch nicht glauben,
Dass du mir Unwahres sprichst.
Und wär’s dann aller Welt leid,
Ich räumte sicherlich
Zusammen mit dir das Reich.
So bleibt es aber ungetan.
Doch lebt kein Mann so schön,
Den ich vorziehen würde,
Wärest du der König Rother.”
Darauf sprach Dietrich
(Sein Sinn war sehr listig):
“Nun hab’ ich keine Freunde
Als die armen Herren,
Die in dem Kerker sind.
Könnten mich diese sehen,
Hättest du an ihnen den Beweis,
Dass ich dir Wahres gesprochen.”
“In Treue,” sprach die Prinzessin,
“Dir werd’ ich beim Vater mein
Irgendwie erwirken,
Dass ich sie herauskriege.
Aber er wird sie keinem geben,
Er hafte denn mit seinem Leben,
Dass niemand entkomme,
Bis alle zurückgebracht
In den Kerker würden,
Wo sie in der Not waren.”
Drauf antwortete Dietrich:
“Ich will es auf mich nehmen
Vor Constantin, dem reichen,
Und morgen sicherlich
Werde ich zu Hofe gehn.”
Die Jungfrau so schön
Küsste den Herrn.
Da schied er mit Ehren
Aus der Kemenate.
Dietrich der Weigand2820Nahm Ymelot bei der Hand,Führte ihn zu Constantin,Und übergab ihn diesem.Dann sprach der listige Mann:“Wir sollten einen Boten haben,2825Der den Frauen sagte,Was wir hier vollbracht.”“In Treue,” sprach Constantin,“Der Bote sollst du selbst seinUm meiner Tochter willen;2830Und sage du der KöniginUnd den Frauen allesamt,Dass wir nach Hause reitenMit sehr fröhlichen Herzen.Einen Teil deines Volkes2835Lass du mit mir bleiben.”Da sprach der listige Mann,Dass er gerne täte,Was der König verlange.Dietrich ging von dannen2840Mit seinen Heimatsmannen,Die andern schickte er zum König;Der bat sie grossen Dank haben.Zu sich nahm er seine Leute,Die übers Meer mitgefahren,2845Und erklärte den Kühnen,Was er beabsichtige;Die teuren WeigandeWollten gern nach Hause.Dietrich fuhr von dannen.2850Ein Märchen, das war herrlich,Brachte er zu Constantinopel,Der berühmten Burg:Er sagte, er sei entflohenMit allen seinen Mannen.2855Da weinte die Frau Königin:“Ach weh, wo ist ConstantinUnd die WeigandeAus manchem Lande?Dietrich, lieber Herr,2860Sollen wir sie wiedersehen?”“Nimmermehr, das weiss Gott!Erschlagen hat sie YmelotUnd reitet her mit Heereskraft;Er will die Stadt zerstören,2865Ich kann mich ihm nicht wehrenUnd muss fliehen übers Meer.Die Weiber und die Kinder,So viel ihrer in der Burg sind,Denen wird zuteil der Tod:2870Es erschlägt sie Ymelot.”Da nahm Constantins WeibIhre Tochter, die herrliche,Und sie baten DietrichBeide sehr ernsthaft,2875Sie von den Heiden zu retten,Die mit einem Heere kämen.Da hiess der listige MannDie schönen ZelterDer Königin fortziehen;2880Er führte sie zu den Schiffen.Da gab es, könnt ihr glauben,Von manchen schönen FrauenWeinen und Händeringen;Sie konnten sich nicht fassen.2885Es kam eine grosse GesellschaftZu Dietrich aus der Stadt.Sie wollten alle aufs Meer,Um sich vor Ymelot zu retten.Da tröstete sie der schlaue Mann;2890Er hatte es aus List getan.Dietrich hiess seine MannenSofort in die Schiffe gehen.Asprian, der gute Held,Trug den Kammerschatz darein,2895Sie eilten alle aufs Meer.Da hiess König RotherDie Mutter am Gestade bleiben,Die Tochter in ein Schiff gehn.Es gab ein grosses Weinen.2900Sie sprach: “Ach, Herr Dietrich,Wem willst du, tugendhafter Mann,Uns armen Weiber überlassen?”So sprach die gute Königin:“Nun nimm mich mit ins Schiff2905Zu meiner schönen Tochter.”Da sprach der listige Mann:“Ihr sollt Euch wohl gehaben;Constantin ist nicht geschlagen,Ymelot haben wir gefangen,2910Constantin ist’s wohl ergangen.Er reitet hierher ins LandMit guten Nachrichten;Er kommt über drei Tage.Ihr könnt ihm wahrlich sagen,2915Seine Tochter sei mit RotherWestwärts gefahren übers Meer.Nun befehlt mir, herrliche Frau;Ich heisse ja nicht Dietrich.”“Wohl mir,” sprach die Königin,2920“Dass ich je ins Leben trat.Nun lasse Gott, der gute,In seiner grossen Gnade,Dich meine Tochter schönRecht lang in Freude haben!2925Es ist wahr, teurer Degen,Sie wäre dir leichter gegeben,Als du sie gewonnen hast,Hätte es in meinem Willen gestanden.Wie Constantin das Leben2930Des jungen Weibes quälte,Das ist mir das mindeste,Da du nun Rother bist.Nun fahre, teurer Degen,Und Sankt Gilge segne dich!”2935Da sprach das schöne Mägdlein:“Gehabt Euch wohl, Mutter mein!”Die Frauen so liebsamGingen lachend von dannenZu Constantins Saal2940Und gönnten es dem Rother wohl,Dass Gott ihn bringeMit Ehren ins Heimatland.
Dietrich der Weigand
Nahm Ymelot bei der Hand,
Führte ihn zu Constantin,
Und übergab ihn diesem.
Dann sprach der listige Mann:
“Wir sollten einen Boten haben,
Der den Frauen sagte,
Was wir hier vollbracht.”
“In Treue,” sprach Constantin,
“Der Bote sollst du selbst sein
Um meiner Tochter willen;
Und sage du der Königin
Und den Frauen allesamt,
Dass wir nach Hause reiten
Mit sehr fröhlichen Herzen.
Einen Teil deines Volkes
Lass du mit mir bleiben.”
Da sprach der listige Mann,
Dass er gerne täte,
Was der König verlange.
Dietrich ging von dannen
Mit seinen Heimatsmannen,
Die andern schickte er zum König;
Der bat sie grossen Dank haben.
Zu sich nahm er seine Leute,
Die übers Meer mitgefahren,
Und erklärte den Kühnen,
Was er beabsichtige;
Die teuren Weigande
Wollten gern nach Hause.
Dietrich fuhr von dannen.
Ein Märchen, das war herrlich,
Brachte er zu Constantinopel,
Der berühmten Burg:
Er sagte, er sei entflohen
Mit allen seinen Mannen.
Da weinte die Frau Königin:
“Ach weh, wo ist Constantin
Und die Weigande
Aus manchem Lande?
Dietrich, lieber Herr,
Sollen wir sie wiedersehen?”
“Nimmermehr, das weiss Gott!
Erschlagen hat sie Ymelot
Und reitet her mit Heereskraft;
Er will die Stadt zerstören,
Ich kann mich ihm nicht wehren
Und muss fliehen übers Meer.
Die Weiber und die Kinder,
So viel ihrer in der Burg sind,
Denen wird zuteil der Tod:
Es erschlägt sie Ymelot.”
Da nahm Constantins Weib
Ihre Tochter, die herrliche,
Und sie baten Dietrich
Beide sehr ernsthaft,
Sie von den Heiden zu retten,
Die mit einem Heere kämen.
Da hiess der listige Mann
Die schönen Zelter
Der Königin fortziehen;
Er führte sie zu den Schiffen.
Da gab es, könnt ihr glauben,
Von manchen schönen Frauen
Weinen und Händeringen;
Sie konnten sich nicht fassen.
Es kam eine grosse Gesellschaft
Zu Dietrich aus der Stadt.
Sie wollten alle aufs Meer,
Um sich vor Ymelot zu retten.
Da tröstete sie der schlaue Mann;
Er hatte es aus List getan.
Dietrich hiess seine Mannen
Sofort in die Schiffe gehen.
Asprian, der gute Held,
Trug den Kammerschatz darein,
Sie eilten alle aufs Meer.
Da hiess König Rother
Die Mutter am Gestade bleiben,
Die Tochter in ein Schiff gehn.
Es gab ein grosses Weinen.
Sie sprach: “Ach, Herr Dietrich,
Wem willst du, tugendhafter Mann,
Uns armen Weiber überlassen?”
So sprach die gute Königin:
“Nun nimm mich mit ins Schiff
Zu meiner schönen Tochter.”
Da sprach der listige Mann:
“Ihr sollt Euch wohl gehaben;
Constantin ist nicht geschlagen,
Ymelot haben wir gefangen,
Constantin ist’s wohl ergangen.
Er reitet hierher ins Land
Mit guten Nachrichten;
Er kommt über drei Tage.
Ihr könnt ihm wahrlich sagen,
Seine Tochter sei mit Rother
Westwärts gefahren übers Meer.
Nun befehlt mir, herrliche Frau;
Ich heisse ja nicht Dietrich.”
“Wohl mir,” sprach die Königin,
“Dass ich je ins Leben trat.
Nun lasse Gott, der gute,
In seiner grossen Gnade,
Dich meine Tochter schön
Recht lang in Freude haben!
Es ist wahr, teurer Degen,
Sie wäre dir leichter gegeben,
Als du sie gewonnen hast,
Hätte es in meinem Willen gestanden.
Wie Constantin das Leben
Des jungen Weibes quälte,
Das ist mir das mindeste,
Da du nun Rother bist.
Nun fahre, teurer Degen,
Und Sankt Gilge segne dich!”
Da sprach das schöne Mägdlein:
“Gehabt Euch wohl, Mutter mein!”
Die Frauen so liebsam
Gingen lachend von dannen
Zu Constantins Saal
Und gönnten es dem Rother wohl,
Dass Gott ihn bringe
Mit Ehren ins Heimatland.
Another example of the secular minstrelsy brought into vogue by the crusading spirit. The poem originated in the 12th century, but the only complete versions known to us are of the 13th. It contains 6022 verses in the dialect of the Middle or Lower Rhine. The saga is of unusual psychological interest. Ernst is a brave and upright Bavarian whom a base calumny deprives of the favor of the emperor Otto. For a while he maintains himself in a bitter feud with the empire, but finally gives up the hopeless fight and sets out, with a few loyal followers, for Jerusalem. In the Orient he has many wonderful adventures, one of which is related below, and so deports himself that on his return the emperor receives him back into favor.
3915Die Helden weilten da nicht mehr,Sie fuhren auf der wilden SeeMit fröhlichem Gemüte.Jetzt meinten die guten Helden,Es müsse ihnen wohl gehen.3920Da stieg nun ein SchiffsmannZu oberst auf den Mastbaum;Die Meeresströmung trieb sieSchnell nach jenem Hafen zu.Und nun erschrak er sehr darüber,3925Als er den Berg erkannte;Es ward ihm leid und bange.Hinunter in das SchiffRief er also zu den Recken:“Ihr Helden so schmuck,3930Nun wendet euch geschwindHin zu dem ewigen Wesen!Es kostet uns das Leben,Bleiben wir hier stecken.Der Berg, den wir gesehen,3935Der liegt auf dem Lebermeer!1Es sei denn, dass Gott uns rettet,Wir sterben hier allzusammen.Wir fahren gegen den Stein zu,Von dem ihr mich reden hörtet.3940Jetzt sollt ihr euch hinkehrenZu Gott in wahrer ReueUnd aus dem Herzen tilgen,Was ihr wider ihn getan.Ich will euch, Helden, wissen lassen3945Von der Kraft des FelsenUnd von der Herrschaft,Die er in seiner Art hat:Treibt ein Schiff ihm entgegenInnerhalb dreissig Meilen,3950So hat er in kurzer ZeitEs an sich gezogen;Das ist wahr und nicht erlogen.Haben sie irgendwelches Eisen,Das darf niemand weisen;3955Sie müssen gegen ihren Willen dran.Wo ihr die Schiffe liegen seht,Vor dem dunkeln Berge dortGleich an des Steines Kante,Da müssen wir auch sterben3960Und vor Hunger verenden—Es ist nicht abzuwenden,—Wie alle anderen getan haben,Die hierher segelten.Nun bittet Gott, dass er3965Uns helfe und gnädig sei.Wir sind nahe dem Felsen.”Als der Herzog das vernahm,Sprach der Fürst lobesamZu den Herren sonderlich:3970“Jetzt sollt ihr inniglich,Meine lieben Notgesellen,Zu unserm Herrn flehen,Dass er uns gnädiglichIn sein Reich empfange3975Wir gehn an diesem Stein zugrunde.Nun lobt ihn allzusammenMit Herzen und mit Zungen.Es ist uns wohl gelungen,Sterben wir auf dieser wilden See:3980Wir sind geborgen auf immerdarBei Gott in seinem Reich.Nun freut euch allzugleich,Dass wir ihm so nah gekommen.”Als sie das vernahmen,3985Behielten sie es im Herzen.Nun taten die guten Helden,Wie der Fürst ihnen geraten:Ordneten ihre Sachen schnell,Gaben alles Gott anheim,3990Und beherzigten sein GebotMit Beichte und mit BusseMit sehr grossem Eifer,Wie man Gott gegenüber sollte.Also machten sie sich bereit.3995Als die unglücklichen MännerIhre Gebete verrichtetenUnd ihre Sachen ordneten,Gab es ein jämmerlich Rufen,Das sie zu Gott erhoben.4000Ihren Schöpfer sie baten,Dass er ihre Seelen bewahre.Jetzt waren die Helden gefahrenSo nahe dem Felsen,Dass sie deutlich sehen konnten4005Die Schiffe mit hohen Masten.Der Fels zog die HeldenSo geschwinde zu sich,Seine Kraft brachte das SchiffSo kräftiglich heran,4010Dass die andern SchiffeDiesem entweichen mussten.Es kam so gewaltsamDem Steine zugefahren,Dass die Schiffe allesamt4015Auf einander stiessen.Auch gaben die MastbäumeSich manchen harten Stoss.Die Stösse waren so stark,Dass manches Schiff zerbrach.4020So ward mancher Gast empfangen,Der seitdem verendeteUnd niemals wiederkehrte.Es ist auch wirklich ein Wunder,Dass diese nicht erschlagen wurden4025Durch die hohen Mastbäume,Die, alt und morsch geworden,Von andern Schiffen fielenAuf ihr Schiff mit Gewalt.Als diese herabstürzten,4030Konnte nichts mehr bestehn,Was um das Schiff lag.Dass das Schiff sich erhielt,War ein grosses Wunder;Es musste alles und jedes4035Fallen in das Meer.Der Herzog und seine MännerMussten unerhörte Not leiden,Da sie einen schrecklichen TodÖfters vor sich sahen.4040Doch kamen die kühnen MännerMit dem Leben davon;Gottes Hilfe erschien ihnen.Als das Schiff stehen blieb,Taten sie, wie Leute noch tun,4045Die lange in einer Stätte gelegenUnd etwas Neues sehen mögen:Die zieren Helden sprangenSchnell aus dem SchiffeUnd gingen allesamt,4050Um das mannigfache WunderIn den Schiffen zu besehen.Sie standen dicht wie ein WaldUm den Berg auf dem Meer.Weder früher noch später4055Sah jemand so grossen Reichtum,Als die mutigen HeldenIn den Schiffen fanden,So dass sie in langen StundenIhn nicht überschauen konnten.4060Sie sahen den grössten Schatz,Den jemand haben könnte.Nie hat der weise Mann gelebtDer ihn je in Acht nehmenOder vollauf beschreiben könnte.4065Silber, Gold und Edelsteine,Purpur, Sammet, glänzende Seide,Lag dort so mannigfaltig,Dass niemand es beachten könnte.Als sie das Wunder beschaut,4070Begannen sie weiter zu gehen.Der Herzog und seine MännerStiegen auf den Felsen,Ob sie irgendwo Land sähen.Kein Auge konnte erspähen,4075Dass sie zu Lande kämen;Das war den Recken leid.Der Berg lag im weiten Meer;Da mussten die Helden hilflosHöchst jämmerlich ersterben4080Und am Hunger zugrunde gehen;Den Recken war schwer zu Mute.Da mussten die HeldenVor dem Steine Angst erleiden.Sie sagten allesamt,4085Sie würden es gütlich erdulden,Da ihnen der mächtige GottDas harte Geschick verhängt,Wie auch den andern allen,Die vor ihnen gekommen waren4090Und das Leben verloren hatten.Da sie die Not nicht meiden wollten,Würden sie gerne den TodUm seine Huld erleiden,Und würden die grosse Not4095Als Sündenbusse betrachten.Der Herzog und seine MännerHatten Trost beim Kinde der Maid.Nun schwebte das GesindeSo lange Zeit auf dem Meer,4100Dass früher oder später im LebenSie nie solches Weh ertrugen,Da es ihnen an Speise gebrachUnd an der guten Nahrung,Die sie mitgebracht hatten4105Von dem Lande Grippia,Woselbst die WeigandeDieselbe tapfer erworben.Am Hunger starben sie,Die auf dem Schiffe waren,4110So dass keiner am Leben bliebVon der ganzen MannschaftAusser dem Herzog alleinUnd sieben Mann mit ihm.Die andern trug ein Greif fort,4115Wie sie nacheinander starben.Die Lebenden handelten so:Wen jeweilig der Tod nahm,Den trugen die Helden lobesamBald aus dem Schiffsraume;4120Ihn legten die zieren DegenOben aufs Verdeck.Das habt ihr nun öftersAls Wahrheit sagen hören:Die Greife kamen geflogen4125Und trugen sie ins Nest.Auf diese Weise ward zuletztDem Herzog und seinen MännernVon den Greifen geholfen;Also retteten sie sich.4130Die andern wurden zu AaseDen Greifen und ihren Jungen.Diesen war es schon gelungen,Menschen in grosser AnzahlVon dannen in ihre Neste4135Nach Gewohnheit zu tragen;Davon die mutigen Helden,Der Herzog und seine Mannen,Wieder ans Land kamen.Der Fürst litt Ungemach,4140Als er seine Gefährten sahVor Hunger verbleichenUnd so jämmerlich sterben,Und er ihnen nicht helfen konnte.Darum musst’ er manche Stunde4145Erleiden Jammersnot,Indem sie der TodVor seinen Augen hinwegnahm,Bis der Recke lobesamNur sieben Mann übrig hatte.4150Auch diese behielten das LebenKaum vor Hungersnot:Sie hatten nur ein halbes Brot,Das teilten die Helden unter sich.Es war jämmerlich genug,4155Da sie nichts mehr hatten.Da ergaben sie sich dem Herrn,Mit Leib und Seele Gottes Händen;Dann fielen die tapfern HeldenZum Gebet nieder und baten4160Vor allem inniglich den Herrn,Dass er ihnen gnädig seiUnd helfe aus der grossen Not;Sie fürchteten sehr den Tod.Als diese Unglücklichen4165Ihr Gebet verrichtet hatten,Was später ihnen zu statten kam,Sprach der Graf Wetzel also:“Ich habe in diesen StundenUns eine List erfunden,4170Wie sie nicht besser sein könnte.Sollen wir je gerettet werden,Muss es gewiss davon kommen,Dass wir suchen und spähenUnd gar nicht aufhören.4175Bis wir in den Schiffen findenIrgendwelche Art Häute;Dann schlüpfen wir armen LeuteIn unsre gute Rüstung.Hat man uns dann eingenäht4180In die Häute,” sprach der Degen,“So wollen wir uns legenOben auf das Schiffsverdeck.So nehmen uns da die GreifeUnd tragen uns von dannen.4185Sie können uns nichts anhaben,Die Greife, wegen der Rüstung,Die uns oft beschirmt hat;Die mag uns noch einmal helfen.Und haben wir uns versichert,4190Dass die alten auf Beute fort sind,So schneiden wir uns ausUnd steigen zur Erde nieder.Soll es aber anders werden,Will es Gott, dass wir nicht entkommen,4195So mag es uns doch lieber sein,Dass wir dort redlich tot liegen,Als dass wir hier diese starke NotSo jämmerlich erleiden.”
Die Helden weilten da nicht mehr,
Sie fuhren auf der wilden See
Mit fröhlichem Gemüte.
Jetzt meinten die guten Helden,
Es müsse ihnen wohl gehen.
Da stieg nun ein Schiffsmann
Zu oberst auf den Mastbaum;
Die Meeresströmung trieb sie
Schnell nach jenem Hafen zu.
Und nun erschrak er sehr darüber,
Als er den Berg erkannte;
Es ward ihm leid und bange.
Hinunter in das Schiff
Rief er also zu den Recken:
“Ihr Helden so schmuck,
Nun wendet euch geschwind
Hin zu dem ewigen Wesen!
Es kostet uns das Leben,
Bleiben wir hier stecken.
Der Berg, den wir gesehen,
Der liegt auf dem Lebermeer!1
Es sei denn, dass Gott uns rettet,
Wir sterben hier allzusammen.
Wir fahren gegen den Stein zu,
Von dem ihr mich reden hörtet.
Jetzt sollt ihr euch hinkehren
Zu Gott in wahrer Reue
Und aus dem Herzen tilgen,
Was ihr wider ihn getan.
Ich will euch, Helden, wissen lassen
Von der Kraft des Felsen
Und von der Herrschaft,
Die er in seiner Art hat:
Treibt ein Schiff ihm entgegen
Innerhalb dreissig Meilen,
So hat er in kurzer Zeit
Es an sich gezogen;
Das ist wahr und nicht erlogen.
Haben sie irgendwelches Eisen,
Das darf niemand weisen;
Sie müssen gegen ihren Willen dran.
Wo ihr die Schiffe liegen seht,
Vor dem dunkeln Berge dort
Gleich an des Steines Kante,
Da müssen wir auch sterben
Und vor Hunger verenden—
Es ist nicht abzuwenden,—
Wie alle anderen getan haben,
Die hierher segelten.
Nun bittet Gott, dass er
Uns helfe und gnädig sei.
Wir sind nahe dem Felsen.”
Als der Herzog das vernahm,
Sprach der Fürst lobesam
Zu den Herren sonderlich:
“Jetzt sollt ihr inniglich,
Meine lieben Notgesellen,
Zu unserm Herrn flehen,
Dass er uns gnädiglich
In sein Reich empfange
Wir gehn an diesem Stein zugrunde.
Nun lobt ihn allzusammen
Mit Herzen und mit Zungen.
Es ist uns wohl gelungen,
Sterben wir auf dieser wilden See:
Wir sind geborgen auf immerdar
Bei Gott in seinem Reich.
Nun freut euch allzugleich,
Dass wir ihm so nah gekommen.”
Als sie das vernahmen,
Behielten sie es im Herzen.
Nun taten die guten Helden,
Wie der Fürst ihnen geraten:
Ordneten ihre Sachen schnell,
Gaben alles Gott anheim,
Und beherzigten sein Gebot
Mit Beichte und mit Busse
Mit sehr grossem Eifer,
Wie man Gott gegenüber sollte.
Also machten sie sich bereit.
Als die unglücklichen Männer
Ihre Gebete verrichteten
Und ihre Sachen ordneten,
Gab es ein jämmerlich Rufen,
Das sie zu Gott erhoben.
Ihren Schöpfer sie baten,
Dass er ihre Seelen bewahre.
Jetzt waren die Helden gefahren
So nahe dem Felsen,
Dass sie deutlich sehen konnten
Die Schiffe mit hohen Masten.
Der Fels zog die Helden
So geschwinde zu sich,
Seine Kraft brachte das Schiff
So kräftiglich heran,
Dass die andern Schiffe
Diesem entweichen mussten.
Es kam so gewaltsam
Dem Steine zugefahren,
Dass die Schiffe allesamt
Auf einander stiessen.
Auch gaben die Mastbäume
Sich manchen harten Stoss.
Die Stösse waren so stark,
Dass manches Schiff zerbrach.
So ward mancher Gast empfangen,
Der seitdem verendete
Und niemals wiederkehrte.
Es ist auch wirklich ein Wunder,
Dass diese nicht erschlagen wurden
Durch die hohen Mastbäume,
Die, alt und morsch geworden,
Von andern Schiffen fielen
Auf ihr Schiff mit Gewalt.
Als diese herabstürzten,
Konnte nichts mehr bestehn,
Was um das Schiff lag.
Dass das Schiff sich erhielt,
War ein grosses Wunder;
Es musste alles und jedes
Fallen in das Meer.
Der Herzog und seine Männer
Mussten unerhörte Not leiden,
Da sie einen schrecklichen Tod
Öfters vor sich sahen.
Doch kamen die kühnen Männer
Mit dem Leben davon;
Gottes Hilfe erschien ihnen.
Als das Schiff stehen blieb,
Taten sie, wie Leute noch tun,
Die lange in einer Stätte gelegen
Und etwas Neues sehen mögen:
Die zieren Helden sprangen
Schnell aus dem Schiffe
Und gingen allesamt,
Um das mannigfache Wunder
In den Schiffen zu besehen.
Sie standen dicht wie ein Wald
Um den Berg auf dem Meer.
Weder früher noch später
Sah jemand so grossen Reichtum,
Als die mutigen Helden
In den Schiffen fanden,
So dass sie in langen Stunden
Ihn nicht überschauen konnten.
Sie sahen den grössten Schatz,
Den jemand haben könnte.
Nie hat der weise Mann gelebt
Der ihn je in Acht nehmen
Oder vollauf beschreiben könnte.
Silber, Gold und Edelsteine,
Purpur, Sammet, glänzende Seide,
Lag dort so mannigfaltig,
Dass niemand es beachten könnte.
Als sie das Wunder beschaut,
Begannen sie weiter zu gehen.
Der Herzog und seine Männer
Stiegen auf den Felsen,
Ob sie irgendwo Land sähen.
Kein Auge konnte erspähen,
Dass sie zu Lande kämen;
Das war den Recken leid.
Der Berg lag im weiten Meer;
Da mussten die Helden hilflos
Höchst jämmerlich ersterben
Und am Hunger zugrunde gehen;
Den Recken war schwer zu Mute.
Da mussten die Helden
Vor dem Steine Angst erleiden.
Sie sagten allesamt,
Sie würden es gütlich erdulden,
Da ihnen der mächtige Gott
Das harte Geschick verhängt,
Wie auch den andern allen,
Die vor ihnen gekommen waren
Und das Leben verloren hatten.
Da sie die Not nicht meiden wollten,
Würden sie gerne den Tod
Um seine Huld erleiden,
Und würden die grosse Not
Als Sündenbusse betrachten.
Der Herzog und seine Männer
Hatten Trost beim Kinde der Maid.
Nun schwebte das Gesinde
So lange Zeit auf dem Meer,
Dass früher oder später im Leben
Sie nie solches Weh ertrugen,
Da es ihnen an Speise gebrach
Und an der guten Nahrung,
Die sie mitgebracht hatten
Von dem Lande Grippia,
Woselbst die Weigande
Dieselbe tapfer erworben.
Am Hunger starben sie,
Die auf dem Schiffe waren,
So dass keiner am Leben blieb
Von der ganzen Mannschaft
Ausser dem Herzog allein
Und sieben Mann mit ihm.
Die andern trug ein Greif fort,
Wie sie nacheinander starben.
Die Lebenden handelten so:
Wen jeweilig der Tod nahm,
Den trugen die Helden lobesam
Bald aus dem Schiffsraume;
Ihn legten die zieren Degen
Oben aufs Verdeck.
Das habt ihr nun öfters
Als Wahrheit sagen hören:
Die Greife kamen geflogen
Und trugen sie ins Nest.
Auf diese Weise ward zuletzt
Dem Herzog und seinen Männern
Von den Greifen geholfen;
Also retteten sie sich.
Die andern wurden zu Aase
Den Greifen und ihren Jungen.
Diesen war es schon gelungen,
Menschen in grosser Anzahl
Von dannen in ihre Neste
Nach Gewohnheit zu tragen;
Davon die mutigen Helden,
Der Herzog und seine Mannen,
Wieder ans Land kamen.
Der Fürst litt Ungemach,
Als er seine Gefährten sah
Vor Hunger verbleichen
Und so jämmerlich sterben,
Und er ihnen nicht helfen konnte.
Darum musst’ er manche Stunde
Erleiden Jammersnot,
Indem sie der Tod
Vor seinen Augen hinwegnahm,
Bis der Recke lobesam
Nur sieben Mann übrig hatte.
Auch diese behielten das Leben
Kaum vor Hungersnot:
Sie hatten nur ein halbes Brot,
Das teilten die Helden unter sich.
Es war jämmerlich genug,
Da sie nichts mehr hatten.
Da ergaben sie sich dem Herrn,
Mit Leib und Seele Gottes Händen;
Dann fielen die tapfern Helden
Zum Gebet nieder und baten
Vor allem inniglich den Herrn,
Dass er ihnen gnädig sei
Und helfe aus der grossen Not;
Sie fürchteten sehr den Tod.
Als diese Unglücklichen
Ihr Gebet verrichtet hatten,
Was später ihnen zu statten kam,
Sprach der Graf Wetzel also:
“Ich habe in diesen Stunden
Uns eine List erfunden,
Wie sie nicht besser sein könnte.
Sollen wir je gerettet werden,
Muss es gewiss davon kommen,
Dass wir suchen und spähen
Und gar nicht aufhören.
Bis wir in den Schiffen finden
Irgendwelche Art Häute;
Dann schlüpfen wir armen Leute
In unsre gute Rüstung.
Hat man uns dann eingenäht
In die Häute,” sprach der Degen,
“So wollen wir uns legen
Oben auf das Schiffsverdeck.
So nehmen uns da die Greife
Und tragen uns von dannen.
Sie können uns nichts anhaben,
Die Greife, wegen der Rüstung,
Die uns oft beschirmt hat;
Die mag uns noch einmal helfen.
Und haben wir uns versichert,
Dass die alten auf Beute fort sind,
So schneiden wir uns aus
Und steigen zur Erde nieder.
Soll es aber anders werden,
Will es Gott, dass wir nicht entkommen,
So mag es uns doch lieber sein,
Dass wir dort redlich tot liegen,
Als dass wir hier diese starke Not
So jämmerlich erleiden.”