Dass sie der Magd je Hartes sprach,Davon litt sie solch Ungemach,2075Dass sie es sehr bereute.Als sich der Tag erneute,War jene noch einmal gekommenUnd wurde besser aufgenommenAls sie entlassen ward vorher.2080Die Frau ermunterte sie sehrMit gütigem Empfange.Es dauerte nicht lange,Bevor sie nun also begann:“Du lieber Gott, wer ist der Mann,2085Den du mir gestern lobtest?Ich glaube nicht, du tobtest,Denn der war nicht von Herzen matt,Der meinen Herrn erschlagen hat.Hat er Geburt und Jugend2090Und sonst etwa ‘ne Tugend,So dass er mir zum Herren ziemt,Und dass die Welt, wenn sie’s vernimmt,Mir’s nicht zu sehr verdenken kann,Dass ich genommen hab’ den Mann,2095Der mir den Herrn erschlagen?Kannst du mir von ihm sagen,Was mir in seiner Tugend LichtDem üblen Ruf die Spitze bricht?Und rätst du mir sodann,2100Ich nähme ihn zum Mann?”Sie sprach: “Es dünkt mich gut.Mich freut, dass Ihr den MutSo schnell habt umgekehret.In ihm seid Ihr geehret;2105Zu fürchten wäre keine Scham.”Sie sprach: “Was ist also sein Nam’?”“Er nennt sich Herr Iwein.”Gleich stimmten sie nun überein.Sie sprach: “Der Nam’ ist mir doch kund2110Seit mancher langen Stund’.Er ist gewiss vom hohen StammDes Königs Vriën lobesam.Nun ist die Sache klar zum Teil,Und krieg’ ich ihn, so hab’ ich Heil.2115Aber, Gesellin, weisst du recht,Ob er mich auch haben möcht’?”“Es wär’ ihm lieb, wär’s schon geschehn.”“Und sage mir, wie bald wird’s gehn?”“In ungefähr vier Tagen.”2120“Ach Gott, was willst du sagen!Zu lang machst du die Frist.Bedenke dich, ob’s möglich ist,Dass ich ihn morgen—heute—sehe.”“Wie wollt Ihr, Frau, dass das geschähe?2125Zu denken wäre nicht daran:Es lebt auf Erden nicht der Mann,Er habe denn Gefieder,Der käme hin und wiederIn solcher kurzen Frist;2130Ihr wisst, wie fern es ist.”“So überlass es meinem Witz.Mein Garçon läuft ja wie der Blitz;Zwei Tag’ ein andrer reiten muss,Er macht’s in einem Tag zu Fuss.2135Der Mondschein ihm auch helfen mag:Er mache ja die Nacht zum Tag.Auch sind die Tag’ unmässig lang;Sag’ ihm, es lohnt sich hoch sein Gang,Und dass es ihm recht lange frommt,2140Wenn er schon morgen wiederkommt.Er rühre tüchtig nur die Bein’Und mache die vier Tag’ zu zwein.Er soll sich sputen sehrUnd ausruhen nachher,2145So lang er eben ruhen möcht’.Nun, Trautgesellin, mach’s ihm recht!”Sie sagte: “Frau, es soll geschehn;Doch eines sei nicht übersehn:Befragt doch Eure Leute2150Gleich morgen oder heute;Denn paart Ihr Euch ohn’ ihren Rat,Es wäre eine üble Tat.Wer sich berät in diesen Dingen,Dem kann es nimmermehr mislingen.2155Was man alleine tut,Wird es nachher nicht gut,Bringt böses Leid in Doppelmass:Den Schaden und der Freunde Hass.”Sie sprach: “O weh Gesellin traut,2160Wie mir vor diesem Schritte graut!Man wird vielleicht dagegen sein.”“Nur nichts vom Bangen, Fraue mein!Es ist gewiss kein andrer Held,Und sucht Ihr durch die ganze Welt,2165Der wahrte Euch wie er den Bronn;So wird die Meinung sein davon.Mit Freude, zweifelt nicht daran,Wird jederman in Eurem BannSolch Landeshut begrüssen;2170Man wirft sich Euch zu FüssenUnd bittet Euch, hat man’s erfahren,Geschwinde Euch mit ihm zu paaren.”Sie sprach: “Nun lass den Garçon ziehn!Indessen will ich mich bemühn,2175Botschaften auszusenden;Wir wollen die Rede enden.”Leicht hätte sie ihn fortgesandt,Denn er befand sich gleich zur Hand.Der Garçon auf den Wink der Maid2180Verbarg sich mit Geschwindigkeit;Schnell fasste ja der flinke Knapp,Was man ihm auszuführen gab.Er konnt ihr helfen bei dem LügenUnd ohne jede Bosheit trügen.2185Eh’ ihre Herrin hatte Zeit,Zu träumen von der Möglichkeit,Der Knabe sei schon auf dem Wege,Nahm sie den Ritter in die Pflege,1Wie Gott allein sie lohnen kann.2190Mit schönster Bitte ging sie dran.Es lagen Kleider da bereitIn dreifacher Vortrefflichkeit,Grau, hermelin und bunt;Ging doch der Wirt zu jeder Stund’2195Gekleidet wie ein Hofgalan,Der viel auf Leibespflege sannUnd nie am Prunk es fehlen liess.Das schönste sie ihn wählen hiessUnd kleidete ihn damit an.2200Am nächsten Abend ging sie dann,Wo sie die Frau alleine fand,Und machte sie gleich vor der HandVon Freude bleich und rot.Sie sprach: “Gebt mir das Botenbrot!2205Der Garçon ist gekommen.”“Hast schon etwas vernommen?Ist’s gute Märe? Sprich doch! Wie?Also ist Herr Iwein hie?Wie ist es ihm so früh geglückt?”2210“Die Liebe hat ihn hergeschickt.”“Ach Gott! Doch sprich! Wer weiss davon?”“Es weiss bisher kein MuttersohnAls Euer Knab’ und wir.”“Wann führst du ihn zu mir?2215Geh stracks zu ihm, ich bitte dich.”Die flinke Magd entfernte sichUnd machte mit verstellter Mien’,Als vor dem Ritter sie erschien,Als ob mit böser Märe2220Sie ihm gesendet wäre.Sie hing den Kopf und sah ihn anUnd trauriglich also begann:“Ach, lieber Gott, mit mir ist’s aus!Die Herrin weiss, dass Ihr im Haus.2225Für mich hat sie nun nichts als Zorn;Ich habe ihre Huld verlorn,Weil ich Euch barg im Schlosse hier.Doch sagt sie, es beliebe ihrEuch einmal näher anzusehen.”2230“Und sollte das nun nicht geschehen,Ich liess ihr eher meinen Leib.”“Sie sollt’ Euch töten? Sie, ein Weib?”“Sie hat ja doch ein starkes Heer.”“Oh, Ihr genest wohl ohne Wehr.2235Ich hab’s von ihr mit Sicherheit,Dass Euch in keiner Weise leidVon ihren Händen soll geschehen;Sie wünscht Euch nur allein zu sehen.Ihr müsst Euch nur gefangen geben;2240Es geht Euch anders nicht ans Leben.”Er sagte: “Sie holdseliges Weib!Ich will es gern, dass dieser LeibAuf immer ihr Gefangener sei,Und dass mein Herz sei auch dabei.”2245Jetzt stand er auf und ging dahin,Ein seliger Mann mit frohem Sinn,Und ward kühl aufgenommen.Als er vor sie gekommen,Begrüsst’ ihn weder Wort noch Neigen.2250Ihr langes, langes StilleschweigenBegann ihm endlich sauer zu werden;Er wusste nicht sich zu gebärden.Er blieb in weiter Fern’ zurückUnd sah sie an mit scheuem Blick.2255Da beide schwiegen, sprach die Magd:“Herr Iwein, warum so verzagt?Lebt Ihr und habt Ihr einen Mund?Ihr redetet vor kurzer Stund’;Jetzt werdet Ihr ganz stumm.2260In Gottes Namen, sagt warumIhr meidet ein so schönes Weib.Weh dessen unglücksel’gem Leib,Der ohne Dank je einen Mann,Der doch geläufig sprechen kann,2265Zu einer schönen Frau geleitet,Die er dann anzureden meidet!Rückt ihr nur näher ohne Scheu!Ich sage Euch bei meiner Treu,Sie wird Euch doch nicht beissen! Traun!2270Fügt man dem andern solches Graun,Wie ihr von Euch geschehen,Und will man Gnade sich versehen,Dazu gehört ein besserer Lohn.Ihr habt den König Askalon,2275Den ihr so lieben Herrn erschlagen:Könnt Ihr auf Gunst zu hoffen wagen?Ihr steht in grosser Schuld;Nun werbt um ihre Huld!Wir wollen sie beide bitten,2280Dass sie, was sie erlitten,Geruhe zu vergessen.”Jetzt ward nicht mehr gesessen.Er warf sich ihr zu FüssenUnd bat um holdes Grüssen2285Als schuldbelad’ner Mann.Er sprach: “Ich mag und kannEuch Besseres nicht bezeigenAn Ehr’ und treuem NeigenAls wenn ich sage: Richtet mich!2290Was Ihr mögt wollen, das will ich.”“Wollt Ihr denn alles, was ich will?”“Ja wohl; es dünkt mich nicht zu viel.”“So nehm’ ich Euch vielleicht den Leib.”“Wie Ihr gebietet, holdes Weib.”2295“Nun ja, was soll ich reden lang?Da Ihr Euch ohne jeden ZwangIn meine Macht ergeben,Nähm’ ich nun Euch das Leben,Es ziemte nicht dem Weibe.2300Glaubt aber nicht bei Leibe,Dass es aus Wankelmut geschehe,Wenn ich Euch jetzt, wie ich gestehe,Nur allzu früh empfang’ in Gnade.Von Euch entstand mir solcher Schade,2305Dass, stünd’ es mir um Ehr’ und Gut,Wie es den meisten Frauen tut,Ich sicherlich nicht wollte,Wie ich es auch nicht sollte,So jäh Euch Gnad’ erteilen.2310Nun gilt es aber eilen;Denn da es zu erwarten steht,Dass mir mein Land verloren gehtGleich heute oder morgen,Muss ich mich schnell versorgen2315Mit einem Mann zur Landeswehr.Ihn find’ ich nicht in meinem Heer,Seit mein Gemahl erschlagen ist;Drum muss ich nun in kurzer FristMir einen Mann erküren2320Oder mein Land verlieren.Nun sollt Ihr mir aufrichtig sagen:Da Ihr den Herrn mir habt erschlagen,So seid Ihr wohl ein tüchtiger Mann;Und wenn ich Euch gewinnen kann,2325Bin ich mit Euch doch wohl bewahrtVor fremdem Hochmut jeder Art.Und glaubt, was ich Euch nun erkläre:Eher als dass ich Euch entbehre,Gält’ ich sogar als ungesittet;2330Obwohl das Weib den Mann nicht bittet,Bitt’ ich zuerst und bitte sehr.Bedrängen will ich Euch nicht mehr,Ich will Euch gerne. Wollt Ihr mich?”Er sagte: “Frau, verneinte ich,2335So wär’ es um mein Glück geschehen.Der liebste Tag, den ich gesehen,Der ist mir heute widerfahren,Und möge Gott mein Heil bewahren!”IIFrom ‘Der arme Heinrich’, lines 1004-1247: Poor Henry at Salerno with the maid who is eager to give her heart’s blood that he may be cured of his leprosy.So fuhr denn nach der Stadt Salern1005Die treue Magd mit ihrem Herrn.Es trübt des Herzens FröhlichkeitNichts mehr, als dass der Weg so weit,Dass ihr so lang das Licht noch schien.Und als er sie gebracht dahin,1010Wo er den Meister wohlbekannt,Wie er gedachte, wiederfand,Ward’s dem gar fröhlich angesagt,Gefunden wäre jetzt die Magd,Die einst er ihn gewinnen hiess.1015Zugleich er ihn sie sehen liess.Den däuchte das unglaublich schier.Er sprach: “Mein Kind, und hast du dirSolch Willen wohl auch klar gemacht?Wie? Hat zu dem Entschluss gebracht1020Dich Wunsch und Drohung deines Herrn?”Die Jungfrau sprach, sie tu’ es gernAus ihrem eignen Herzen seiDer Wunsch gekommen, frank und frei.Gross Wunder däucht’ ihn das, und fern1025Nahm er besonders sie vom HerrnUnd fragt’ sie auf die Seligkeit,Ob nicht ihr Herr in seinem LeidSolch Reden hätt’ ihr aufgedroht.Dann sprach er: “Kind, es ist dir not,1030Dass du dich mehr noch kümmerst drum,Was dir bevorsteht—hör’, warum.Wenn du den Tod nun leiden musstUnd nicht von Herzen gern es tust,So ist dein junges Leben hin1035Und bringt doch keinen Deut Gewinn.Verschliess’ vor mir nicht deinen Mund.Was dir geschieht, tu’ ich dir kund.Ich muss dich ausziehn, nackt und bloss;Da wird die Pein der Scham dir gross.1040Ich binde dich an Bein- und Armen;Fülst du mit deinem Leib Erbarmen,Bedenke, Mädchen, diese Schmerzen!Ich schneide dich bis tief zum HerzenUnd reiss’ es lebend noch aus dir.1045Nun, Mädchen, sprich und sage mir,Wie es mit deinem Mute steh’;Geschah noch keinem Kind so weh,Als dir von mir nun muss geschehen.Dass ich es tun muss und es sehen,1050Das macht mir Angst und Not genug.Bedenk’ nun selber bei dir klug:Gereut dich’s auch nur um ein Haar,So hab’ ich meine Arbeit garUnd du den jungen Leib verloren.”1055So ward um alles sie beschworen,Dass fern sie bleibe solcher Pflicht,Wär’ felsenfest ihr Wille nicht.Die Jungfrau aber lachend sprach,Da sie erfuhr, dass an dem Tag1060Ihr helfen sollte noch der TodAus aller Welt- und Erdennot:“Gott lohn’ Euch, lieber Herr, dass IhrSo ganz und gar und treulich mirDie volle Wahrheit habt gesagt.1065Nun bin ich wahrlich doch verzagt:Ein Zweifel mir das Herz erregt;Euch sei’s geklagt, was mich bewegt.Mir bangt jetzt, unser UnternehmenMöcht’ Euer zager Mut noch lähmen,1070Dass es vielleicht gar unterbleibe!Eu’r Reden ziemte einem Weibe.Ihr seid des Hasen Spielgenoss,Und Eure Angst ist viel zu grossUm mich, dass ich nun sterben soll.1075Wahrhaftig, Herr, Ihr tut nicht wohlBei Eurer grossen Meisterschaft.Ich bin ein Weib, doch hab’ ich Kraft.Wagt Ihr nur mich zu schneiden,Ich wag’ es wohl zu leiden.1080Die Angst und bittre Todesqual,Davon Ihr mir erzählt zumal,Die hab’ ich wohl von Euch vernommen;Doch wär’ ich wahrlich nicht gekommen,Wüsst’ ich so fest nicht meinen Mut,1085Dass ich vergiessen könnt’ mein BlutUnd alle Leiden gern erdulden.Mir ist von Euren HuldenDie bleiche Farbe ganz genommenUnd also fester Mut gekommen,1090Dass ich nicht ängstlicher hier steh’,Als wenn ich froh zum Tanze geh’;Die Not kann doch so gross nicht sein,Die einen Tag nur währt; ich mein’,Dass ich fürs ewige Leben1095Den einen Tag wohl könnte geben.Euch kann an meinem festen WillenKein Zweifel mehr das Herz erfüllen.Könnt’ Ihr dem Herrn Gesundheit gebenUnd mir zugleich das ew’ge Leben,1100Um Gotteswillen, tut’s beizeit.Lasst sehn, ob Ihr ein Meister seid.Ihr sollt noch reizen mich dazu.Ich weiss es wohl, um wen ich’s tu’.In dessen Namen es geschieht,1105Der unsre guten Dienste siehtUnd lässt sie ungelohnet nicht.Ich weiss wohl, dass er selber spricht,Wer grosse Dienste leiste,Des Lohn sei auch der meiste.1110Drum halt’ ich diesen grimmen TodAuch nur für eine süsse NotUm solch gewissen Himmelslohn.Liess’ ich die reiche Himmelskron’,So wär’ zu töricht doch mein Sinn,1115Da ich so arm geboren bin.”Nun sah er, dass unwandelbarUnd ohne Reu’ ihr Wille war.Noch einmal führt’ er sie sodannHin zu dem armen, siechen Mann1120Und sprach zu ihrem Herren:“Dem Zweifel lasst uns wehren,Zum Werke sei die Magd nicht gut!Nun habt Vertraun und guten Mut,Ich mache bald Euch ganz gesund.”1125Hin führt’ der Meister sie zur StundIn sein geheimes Arbeitszimmer,Damit ihr Herr es sehe nimmer,Verschloss vor ihm sogleich die TürUnd warf noch einen Riegel für:1130Er wollte nicht, dass er es seh’,Wie’s nun mit ihr zu Ende geh’.In einer Kemenaten,Die er gar wohl beratenMit Arzenein für jung und alt,1135Hiess er die Jungfrau alsobaldVom Leibe ziehn der Kleider Zier.Drob ward sie froh und fröhlich schier.Sie riss die Näte gleich entzweiUnd war bald ihrer Kleider frei.1140Als sie der Meister nun ansah,In seinem Herzen fühlt’ er da,Wie sehr ihn dauerte die Maid,Dass Herz und Mut vor TraurigkeitIhm beinah wären noch verzagt.1145Da sah die gute, reine MagdGar einen hohen Tisch da stehn,Auf den hiess sie der Meister gehn.Alsbald er fest darauf sie bandUnd nahm ein Messer in die Hand,1150Das nahe lag, gar lang und scharf,Des man für solches Werk bedarf.So guten Stahl das Messer trug,Dem Meister war’s nicht scharf genug.Ihn jammerte die grosse Not,1155Er wollt’ ihr lindern noch den Tod.Nun lag ein guter Wetzstein auchGanz nahe bei, wie noch der Brauch.Auf dem hub jetzt zu streichen anGar langsam der bedrückte Mann.1160Das Wetzen aber hörte,Der ihre Freude störte,Der arme Heinrich vor der Tür.Und als das Wetzen drang herfür,Da klagt’ und trauert’ er gar sehr,1165Dass er das Mägdlein nimmermehrLebendig sollte sehen.Er hub zu suchen an und spähen,Bis endlich in der dünnen WandSein Aug’ ein kleines Löchlein fand.1170Da sah er durch den schmalen SpaltSie auf dem Tisch gebunden bald.Sie war so hold, so jung und schön,Da musst’ er reuig sich ansehn,Und anders ward ihm da zu Mut.1175Ihn deucht’, es sei wohl nimmer gut,Wie ihm bisher das Herz gesinnt.Und so verwandelt’ er geschwindDen alten eigensücht’gen SinnUnd gab sich neuem Fühlen hin.1180Er sprach: “Das war unklug Beginnen,Dass wider den in trotz’gen SinnenDu leben wolltest einen Tag,Dem niemand doch entrinnen mag.Du weisst fürwahr nicht, was du tust,1185Da du doch einmal sterben musst,Dass du dies jammervolle Leben,Das Gott allein dir hat gegeben,Nicht willig willst zu Ende tragen,Zumal du sicher nicht kannst sagen,1190Ob dich erlöst des Kindes Tod.Was dir beschert der liebe Gott,Das lass dir alles auch geschehn.Ich will des Kindes Tod nicht sehn.”Sogleich war der Entschluss gefasst.1195Er pochte an die Wand mit HastUnd bat: “Lasst mich sogleich hinein!”Der Meister sprach: “Das kann nicht sein,Mir fehlt die Musse jetzt dazu,Dass ich Euch auf die Türe tu’.”1200“Nein, Meister, höret nur ein Wort!”“Wie kann ich, wartet ruhig dort,Bis es geschehn.” “Ach Meister, nein,Hört mich, es muss vor dem noch sein!”“Nun sagt mir’s denn durch diese Wand!”1205“Ach, nein, so ist es nicht bewandt”Da öffnet endlich er die Tür.Der arme Heinrich trat herfür,Wo sein Gemahl2gebunden lag.Zum Meister alsobald er sprach:1210“Dies Mägdlein ist so wonniglich,Wahrhaftig, nimmermehr kann ichIhr jämmerliches Ende sehn.Des Ewigen Wille soll geschehn.Heisst sie vom Tische sich erheben;1215Das Silber will ich gern Euch geben,Das ich Euch bot für Eure Müh’.Nur lasst, ich bitt’, am Leben sie!”1.Iwein is in the castle, Lunete having saved him from the vassals of the slain Askalon by giving him a ring that made him invisible.2.Heinrich had playfully called her his ‘wife.’ The girl is but eight years old when the story begins.XXIV. WOLFRAM VON ESCHENBACHThe deepest of the three chief romancers and the most strongly marked in his individuality. His date is approximately 1170-1220. He was a Bavarian knight of humble estate, who spent some time at the court of Landgrave Hermann in Thuringia. He speaks of himself as ‘ignorant of what the books contain,’ which is usually taken to mean that he could not read or write. His great work isParzival, a blend of Arthurian and Grail romance, which he says he got from a French poet Kyot. Nothing is known of any such poet, and some think him an invention. Certain it is, however, that Wolfram had some other source than Chrestien de Troyes’Conte del Graal, though he was acquainted with that, and that he invented freely. Two other narrative poems,TiturelandWillehalm, were left unfinished. The selections fromParzivalbelow are from the translation by W. Hertz, Stuttgart, 1898.From ‘Parzival,’ Book 3, lines 293-5001: Parzival takes leave of his mother, who has tried in vain to prevent his hearing of knighthood; the young ‘fool’ follows her directions all too literally.Heut mocht’ ein andrer birschen,Sein Sinn stand nicht nach Hirschen.295Er rennt nach Haus zur Mutter wieder,Erzählt—und sprachlos sinkt sie nieder.Doch als sie wieder kam zu Sinn,Sprach die entsetzte Königin:“Wer sagte dir von Rittertum?300O sprich, mein Sohn! Du weisst darum?”“Vier Männer sah ich, Mutter mein,Gott selbst hat nicht so lichten Schein;Die sagten mir von Ritterschaft.Artus in seiner Königskraft305Verleiht die Rittersehren,Soll sie auch mir gewähren.”Da ging ein neuer Jammer an.Sie wusste keinen Rat und sann:Was sollte sie erdenken,310Sein Trachten abzulenken?Das einzige, was er begehrtUnd immer wieder, ist ein Pferd.Sie dacht’ in Herzensklagen:Ich will’s ihm nicht versagen;315Doch soll es ein gar schlechtes sein,Da doch die Menschen insgemeinSchnell bereit zum Spotte sind,Und Narrenkleider soll mein KindAn seinem lichten Leibe tragen.320Wird er gerauft dann und geschlagen,So kehrt er mir wohl bald zurück.Aus Sacktuch schnitt in einem StückSie Hos’ und Hemd; das hüllt ihn einBis mitten auf sein blankes Bein,325Mit einer Gugel obendran.Zwei Bauernstiefel wurden dannAus rauher Kalbshaut ihm gemacht.Sie bat ihn: “Bleib noch diese Nacht.Du sollst dich nicht von hinnen kehren,330Eh’ du vernahmst der Mutter Lehren:Ziehst pfadlos du durch Wald und Heiden,Sollst du die dunkeln Furten meiden;Sind sie aber seicht und rein.So reite nur getrost hinein.335Du musst mit Anstand dich betragenUnd niemand deinen Gruss versagen.Wenn dich ein grauer weiser MannZucht will lehren, wie er’s kann,So folg’ ihm allerwegen340Und murre nicht dagegen.Eins achte ferner nicht gering:Wo eines guten Weibes RingDu kannst erwerben und ihr Grüssen,So nimm’s; es wird dir Leid versüssen.345Küsse keck das holde WeibUnd drück’ es fest an deinen Leib;Denn das gibt Glück und hohen Mut,Sofern sie züchtig ist und gut.Und endlich, Sohn, sollst du noch wissen:350Zwei Lande wurden dir entrissenVon Lähelins, des stolzen, Hand,Der deine Fürsten überrannt.Ein Fürst von ihm den Tod empfing,Indes dein Volk er schlug und fing.”355“Das soll er wahrlich nicht geniessen;Ich werd’ ihn mit dem Pfeile spiessen.”Dann in der frühsten MorgenzeitWar schon der Knabe fahrtbereit,Der mir vom König Artus sprach.360Sie küsst ihn noch und lief ihm nach.O Welt von Leid, was da geschah!Als’ ihren Sohn sie nicht mehr sah’—Dort ritt er hin, wann kehrt er wieder?—Fiel Herzeloyd zur Erde nieder.365Ihr schnitt ins Herz der Trennung Schlag,Dass ihrem Jammer sie erlag.Doch seht, ihr vielgetreuer Tod,Er wehrt von ihr der Hölle Not.O wohl ihr, dass sie Mutter ward!370Sie fuhr zum Lohn des Heiles Fahrt,Sie, eine Wurzel aller Güte,Ein Stamm, auf dem die Demut blühte.Ach, dass die Welt uns nicht beschiedIhr Blut auch nur zum elften Glied!375Drum ist so wenigen zu traun.Doch sollen nun getreue FraunMit Segenswünschen ihn geleiten,Den wir dort sehn von dannen reiten.Es wandte sich der junge Fant380Hin nach dem Wald von Breceliand.2Er kam an einen Bach geritten,Den hätt’ ein Hahn wohl überschritten,Doch weil da Gras mit Blumen spross,So dass der Bach im Schatten floss,385Gedacht’ er an der Mutter WortUnd trabte diesseits an ihm fortUnverdrossen bis zur Nacht;Die ward, wie’s eben ging, verbracht.Am Morgen traf er eine Stelle,390Da rann das Wasser seicht und helle;Hier ritt er durch und sah ein Feld,Das schmückt’ ein grosses PrachtgezeltAus reichem Samt dreifarbig bunt,Und alle Näte in der Rund’395Deckt feiner Borten Stickerei.Die Lederhülse hing dabei,Die, wenn es regnen wollte,Man drüber ziehen sollte.Des stolzen Herzogs von Lalander400Minnige Gemahlin fand erIm Zelte, Frau Jeschute,Die noch im Schlafe ruhte,Zum Ritterslieb erschaffen:Sie trug der Minne Waffen,405Einen Mund durchleuchtig rot,Sehnenden Ritters Herzensnot.Wie wonnig sie entschlummert war!Halb offen stand ihr Lippenpaar,Das glüht von heissem Minnefeuer;410So lag das holde Abenteuer.Schneeweiss erglänzt’ in dichten ReihnDer kleinen Zähne Elfenbein.Leicht lernt’ ich küssen solchen Mund,Doch wurde mir das selten kund.415Auf weichem Lager hingestrecktHat sie den Zobel, der sie deckt,Zurückgestreift bis an die Hüften,Im schwülen Sommer sich zu lüften,Seit einsam lag das schöne Weib.420Gott selbst hat an den süssen LeibSeine Meisterkunst gewandt.Lang war ihr Arm und blank die Hand.Doch als der wilde Knabe daAn ihrer Hand ein Ringlein sah,425Sprang er ans Bett, den Reif zu holen,Wie’s ihm die Mutter anbefohlen.Das reine Weib in Scham erschrak,Als ihr der Knab’ im Arme lag.Sie, die man keusche Zucht gelehrt,430Sprach: “Wer hat mein Gemach entehrt?Jungherr, Ihr waget allzuviel.Geht, suchet Euch ein andres Ziel!”Doch er, wie laut die Schöne klagt,Ihn kümmert’s nicht, was sie auch sagt.435Er drückt’ an sich die Herzogin,Zwang ihren Mund an seinen hinUnd nahm den Ring. Auch brach der RangeVon ihrem Hemd die goldne Spange.Sie wehrt sich, doch mit Weibes Wehr;440Ihr war sein Arm ein ganzes Heer.“Mich hungert,” klagt er, “gib mir Essen!”Sie sprach: “Ihr wollt doch mich nicht fressen?Wärt Ihr zu Nutzen weise,Ihr nähmt Euch andre Speise.445Seht, dort beiseit steht Brot und WeinUnd zwei Rebhühnchen obendrein.Das hat ein Mägdlein hergebracht,Die’s Euch doch wenig zugedacht.”Er liess von ihr, indem er sass450Und einen guten Kropf sich ass,Wonach er schwere Trünke schlang.Ihr währt sein Wesen hier zu lang;Sie deucht: dem Jungen fehlt’s im Hirne;Der Angstschweiss stand ihr auf der Stirne.455Drum sprach sie: “Jungherr, lasset mirDas Ringlein und die Spange hierUnd hebt Euch fort! Denn kommt mein Mann,Und trifft Euch hier im Zelte an,So müsst Ihr Zorn erleiden,460Den Ihr gern möchtet meiden.”Er sprach mit trotzigem Gesicht:“Er komme nur! Ich fürcht’ ihn nicht.Doch schadet’s dir an Ehren,Will ich von hinnen kehren.”465Aufs neu’ kam er ans Bett gegangen,Die Schöne küssend zu umfangen;Ungerne litt’s die Herzogin.Dann ohne Abschied ritt er hin;Doch sprach er noch: “Gott hüte dein!470So lehrte mich’s die Mutter mein.”From Book 5, lines 345-490: Parzival in the castle of the Grail.3345Dann kam die Königin herein;Ihr Antlitz gab so lichten Schein,Sie meinten all’, es wolle tagen.Als Kleid sah man die Jungfrau tragenArabiens schönste Weberei.350Auf einem grünen Achmardei4Trug sie des Paradieses Preis,Des Heiles Wurzel, Stamm und Reis.Das war ein Ding, das hiess der Gral,Ein Hort von Wundern ohne Zahl.355Repanse de Schoye sie hiess,Durch die der Gral sich tragen liess.Die hehre Art des Grales wollte,Dass, die sein würdig pflegen sollte,Die musste keuschen Herzens sein,360Vor aller Falschheit frei und rein.Die Jungfraun tragen vor dem GralSechs Glasgefässe lang und schmal,Aus denen Balsamfeuer flammt.Sie wandeln züchtig insgesamt365Mit abgemess’nem SchritteBis in des Saales Mitte.Die Königin verneigte sichMit ihren Jungfraun feierlichUnd setzte vor den Herrn den Gral.370Gedankenvoll sass ParzivalUnd blickte nach ihr unverwandt,Die ihren Mantel ihm gesandt.Drauf teilt sich all das Gralgeleite;Zwölf Jungfraun stehn auf jeder Seite,375Und in der Mitte steht alleinDie Magd in ihrer Krone Schein.Nun traten vor des Mahls BeginnDie Kämm’rer zu den Rittern hin,Ein jeder ihrer vier zu dienen380Mit lauem Wasser, das er ihnenIn schwerem goldnem Becken bot,Dabei ein Jungherr wangenrot,Das weisse Handtuch darzureichen.Da sah man Reichtum ohnegleichen.385Der Tafeln mussten’s hundert sein,Die man zur Türe trug herein,Vor je vier Ritter eine;Darauf von edlem LeineDeckten sie mit Fleisse390Tischtücher blendend weisse.Der Wirt in seiner stummen QualNahm selber Wasser; ParzivalWusch sich mit ihm zugleich die Hände.Drauf bracht’ ein Grafensohn behende395Ein seidnes Handtuch farbenklarUnd bot es ihnen knieend dar.Ein jeder Tisch, so viel da stehn,Ist von vier Knappen zu versehn:Die einen knien, um vorzuschneiden,400Aufwärter sind die andern beiden.Nun rollen durch den Saal vier Wagen,Die Goldgeschirr in Fülle tragen;Das wird von Rittern unverweiltAn all die Tafeln ausgeteilt.405Man zog im Ring sie Schritt für Schritt,Und jedem ging ein Schaffner mit,Dem dieser Hort zur Hut befohlen,Ihn nach dem Mahl zurückzuholen.Hundert Knappen traten dann410Mit Tüchern auf der Hand heran;Voll Ehrfurcht kamen sie gegangen,Das Brot vom Grale zu empfangen.Denn wie ich selber sie vernommen,Soll auch zu euch die Märe kommen:415Was einer je vom Gral begehrt,Das ward ihm in die Hand gewährt,Speise warm und Speise kalt,Ob sie frisch sei oder alt,Ob sie wild sei oder zahm.420Wer meint, dass dies zu wundersamUnd ohne Beispiel wäre,Der schelte nicht die Märe.Dem Gral entquoll ein Strom von Segen,Vom Glück der Welt ein vollster Regen.425Er galt fast all dem Höchsten gleich,Wie man’s erzählt vom Himmelreich.In kleinen goldnen Schalen kam,Was man zu jeder Speise nahm:Gewürze, Pfeffer, leckre Brühn.430Ass einer zaghaft oder kühn,Sie fanden insgesamt genug,Wie man’s mit Anstand vor sie trug.Wein, Maulbeertrank, Siropel rot,Wonach den Becher jeder bot,435Und welchen Trank er mochte nennen,Den konnt’ er gleich darin erkennen,Alles durch des Grales Kraft.Die ganze werte RitterschaftWar so zu Gaste bei dem Gral.440Wohl sah mit Staunen ParzivalDie Pracht der Wunder sich bezeigen;Jedoch aus Anstand wollt’ er schweigen.Er dachte: der getreue Mann,Gurnemanz, befahl mir an,445Vieles Fragen zu vermeiden.Drum will ich höflich mich bescheidenUnd warten, bis man ungefragt,Von diesem Haus mir alles sagt,Wie man bei Gurnemanz getan450Drauf sah er einen Knappen nahnMit einem Schwerte schön und stark;Die Scheide galt wohl tausend Mark,Der Griff ein einziger Rubin.Das ward vom Wirt dem Gast verliehn:455“Ich hab’ es oft im Kampf getragen,Bis Gott am Leibe mich geschlagen.Herr, nehmt es als Ersatz entgegen,Sollt’ man Euch hier nicht wohl verpflegen.”Ach dass auch jetzt er nicht gefragt!460Um seinetwillen sei’s geklagt,Da mit dem Schwert, das er empfing,Die Mahnung doch an ihn erging.Auch jammert mich sein Wirt zumal;Denn von der ungenannten Qual465Würd’ er durch seine Frage frei.Damit war nun das Mahl vorbei.From Book 16, lines 332-458: Parzival, as purified king of the Grail and unswervingly faithful husband, is reunited to his wife Kondwiramur.“Geheimnisreich ist Gottes Tat,”Sprach er,5“wer sass in seinem Rat?Wer kennt die Grenzen seiner Macht?335Kein Engel hat sie ausgedacht,Ja, Gott ist Mensch,” so fuhr er fort,“Ist seines Vaters ew’ges Wort,Ist Vater und ist Sohn zugleich,Sein Geist an Hilfe gross und reich.340Ein Wunder seltsam rätselvollIst hier geschehn; durch Euren GrollRangt Ihr ab dem höchsten Willen,Eures Herzens Wunsch zu stillen.Mir tat einst Eure Mühsal leid;345Denn unerhört zu aller ZeitWar’s, mit Gewalt der WaffenDen Gral sich zu erraffen.Ich hätt’ Euch gern den Wunsch benommen.Doch anders ist’s mit Euch gekommen:350Euch ward der herrlichste Gewinn.Nun kehrt an Demut Euren Sinn!”Drauf Parzival: “Mein Weib ist nah.Ich will sie sehn, die ich nicht sahNun seit fünf langen Jahren.355Da wir beisammen waren,War sie mir lieb und ist es noch.Drum lass mich ziehn! Dein Rat jedochSoll mir verbleiben bis zum Tod.Du rietest mir in grosser Not.”360So schied er von dem heil’gen Mann,Die Nacht durch ritt er fort im Tann;Der Weg war seinen Degen kund.Am Morgen fand er lieben Fund:Manch Zelt geschlagen auf dem Plane,365Vom Lande Brobarz manche Fahne,Der mancher Schild gefolgt von fern.Da lagen seines Landes Herrn.Er fragte nach der Fürstin Zelt;Das stand für sich abseits im Feld,370Von kleinen Zelten rings umfangen.Ihr Ohm, schon früh auf, kam gegangen;Noch war der Blick des Tages grau.Da sah er halten auf der AuEin Volk’ von Rittern und von Knappen,375Erkannte gleich des Grales WappenUnd eilte Herrn und DegenMit Willkommsgruss entgegen,Befahl auch, dass ein Jungherr liefUnd rasch der Herrin Marschall rief,380Die Gäste für den MorgenBehaglich zu versorgen.Den König führt’ er an der HandHin, da die Kleiderkammer stand,Ein klein Gezelt von Buckeram,385Wo man den Harnisch von ihm nahm.Noch war der Herrin nichts bewusst.Da fand er seiner Augen Lust:Im weiten Zelte schlief die SchöneUnd bei ihr seine kleinen Söhne,390Loherangrin und Kardeis,Und hier und dort umher im KreisLagen lichter Fraun genug.Der Oheim auf die Decke schlugUnd rief: “Willst du erwachen,395So wirst du fröhlich lachen!”Aufblickend sah sie ihren Mann.Ihr Hemd nur hat die Herrin an,Die nun die Decke um sich schwang,Vom Bette auf den Teppich sprang,400Und Parzival, er drückteAns Herz die Holdbeglückte.Man sagte mir, sie küssten sich.Sie sprach: “So hat das Glück mir dichGesendet, Herzensfreude mein!405Sollst Gott und mir willkommen sein!Nun sollt’ ich zürnen, kann es nicht.Heil sei dem Tag und seinem Licht,Der dies Umfangen mir gebracht,Das all mein Leid zunichte macht!410Des Herzens Wunsch, ich halt ihn hier,Und Sorge hat kein Teil an mir.”Nun wachten auch die Kinderlein.Er beugt sich zärtlich zu den zweinUnd küsste sie, die nackend lagen.415Der Ohm hiess sie von dannen tragen,Und auch die Frauen sandt’ er fort.Die grüssten erst mit freud’gem WortDen Herren nach der langen Reise;Dann führt sie aus dem Zelte leise420Der gute Ohm, der ParzivalSeinem holden Weib befahl.Noch war es früh; drum liessen wiederDie Kämm’rer rings die Zeltwand nieder.Hat ihn einst Blut und Schnee6verzückt,425Im Liebesweh sich selbst entrückt,Dafür—es war auf dieser Flur—Gab ihm Ersatz Kondwiramur,Die rot wie Blut und weiss wie Schnee.An keinem Ort sonst nahm er je430Minnetrost für Minnenot,Den manches Weib ihm liebend bot.1.The numbers refer to the original text, Bartsch’s edition; the translation is not a line-for-line version.2.A famous wood in Bretagne—la forêt de Bréchéliant. Wolfram’s spelling is Prizljan, Hartmann’s Brezilian.3.The blundering Parzival has now been instructed in the ways of knighthood by the gray-haired Prince Gurnemanz, who has told him to avoid asking questions about what he sees. With this caution in mind Parzival fails to inquire into the malady of the mysterious sick man in the Grail castle—a fateful error which involves him in long wanderings during which he despairs of God. The sick man is his uncle Anfortas, whom he is destined after a lapse of years, to heal by a simple question and to succeed as king of the Grail.4.Green silk from Arabia.5.The speaker is the wise old hermit Trevrizent, who has cleared up for Parzival the mystery of the Grail and led him to inward peace.6.In Book 6 it is related that Parzival, riding away from the castle of the Grail, comes upon three drops of blood in the snow—the blood of a wild goose that had been attacked by a falcon. The red and white remind him of Kondwiramur and he sinks into a moody trance.XXV. GOTTFRIED VON STRASSBURGPre-eminent as a graceful and cunning psychologist of sensual passion. His great work—all that we have from him except some lyric poems—is the love-intoxicated romance of Tristan and Isold, which he began early in the 13th century and did not live to complete. For this his principal source was the French trouvère, Thomas of Brittany, who composed hisTristanin England about 1180. Of this French poem only a few fragments are extant. The original Tristan-saga contained elements of revolting savagery, but in Gottfried’s poem,as in the fragments of Thomas, it is transformed into a courtly romance of love—an illicit love that defies conscience and the world and remains faithful unto death. The selections are from the translation by W. Hertz, 4th edition, Stuttgart, 1904.From ‘Tristan,’ Book I, lines 119-242: The goodness of love and love-stories.
Dass sie der Magd je Hartes sprach,Davon litt sie solch Ungemach,2075Dass sie es sehr bereute.Als sich der Tag erneute,War jene noch einmal gekommenUnd wurde besser aufgenommenAls sie entlassen ward vorher.2080Die Frau ermunterte sie sehrMit gütigem Empfange.Es dauerte nicht lange,Bevor sie nun also begann:“Du lieber Gott, wer ist der Mann,2085Den du mir gestern lobtest?Ich glaube nicht, du tobtest,Denn der war nicht von Herzen matt,Der meinen Herrn erschlagen hat.Hat er Geburt und Jugend2090Und sonst etwa ‘ne Tugend,So dass er mir zum Herren ziemt,Und dass die Welt, wenn sie’s vernimmt,Mir’s nicht zu sehr verdenken kann,Dass ich genommen hab’ den Mann,2095Der mir den Herrn erschlagen?Kannst du mir von ihm sagen,Was mir in seiner Tugend LichtDem üblen Ruf die Spitze bricht?Und rätst du mir sodann,2100Ich nähme ihn zum Mann?”Sie sprach: “Es dünkt mich gut.Mich freut, dass Ihr den MutSo schnell habt umgekehret.In ihm seid Ihr geehret;2105Zu fürchten wäre keine Scham.”Sie sprach: “Was ist also sein Nam’?”“Er nennt sich Herr Iwein.”Gleich stimmten sie nun überein.Sie sprach: “Der Nam’ ist mir doch kund2110Seit mancher langen Stund’.Er ist gewiss vom hohen StammDes Königs Vriën lobesam.Nun ist die Sache klar zum Teil,Und krieg’ ich ihn, so hab’ ich Heil.2115Aber, Gesellin, weisst du recht,Ob er mich auch haben möcht’?”“Es wär’ ihm lieb, wär’s schon geschehn.”“Und sage mir, wie bald wird’s gehn?”“In ungefähr vier Tagen.”2120“Ach Gott, was willst du sagen!Zu lang machst du die Frist.Bedenke dich, ob’s möglich ist,Dass ich ihn morgen—heute—sehe.”“Wie wollt Ihr, Frau, dass das geschähe?2125Zu denken wäre nicht daran:Es lebt auf Erden nicht der Mann,Er habe denn Gefieder,Der käme hin und wiederIn solcher kurzen Frist;2130Ihr wisst, wie fern es ist.”“So überlass es meinem Witz.Mein Garçon läuft ja wie der Blitz;Zwei Tag’ ein andrer reiten muss,Er macht’s in einem Tag zu Fuss.2135Der Mondschein ihm auch helfen mag:Er mache ja die Nacht zum Tag.Auch sind die Tag’ unmässig lang;Sag’ ihm, es lohnt sich hoch sein Gang,Und dass es ihm recht lange frommt,2140Wenn er schon morgen wiederkommt.Er rühre tüchtig nur die Bein’Und mache die vier Tag’ zu zwein.Er soll sich sputen sehrUnd ausruhen nachher,2145So lang er eben ruhen möcht’.Nun, Trautgesellin, mach’s ihm recht!”Sie sagte: “Frau, es soll geschehn;Doch eines sei nicht übersehn:Befragt doch Eure Leute2150Gleich morgen oder heute;Denn paart Ihr Euch ohn’ ihren Rat,Es wäre eine üble Tat.Wer sich berät in diesen Dingen,Dem kann es nimmermehr mislingen.2155Was man alleine tut,Wird es nachher nicht gut,Bringt böses Leid in Doppelmass:Den Schaden und der Freunde Hass.”Sie sprach: “O weh Gesellin traut,2160Wie mir vor diesem Schritte graut!Man wird vielleicht dagegen sein.”“Nur nichts vom Bangen, Fraue mein!Es ist gewiss kein andrer Held,Und sucht Ihr durch die ganze Welt,2165Der wahrte Euch wie er den Bronn;So wird die Meinung sein davon.Mit Freude, zweifelt nicht daran,Wird jederman in Eurem BannSolch Landeshut begrüssen;2170Man wirft sich Euch zu FüssenUnd bittet Euch, hat man’s erfahren,Geschwinde Euch mit ihm zu paaren.”Sie sprach: “Nun lass den Garçon ziehn!Indessen will ich mich bemühn,2175Botschaften auszusenden;Wir wollen die Rede enden.”Leicht hätte sie ihn fortgesandt,Denn er befand sich gleich zur Hand.Der Garçon auf den Wink der Maid2180Verbarg sich mit Geschwindigkeit;Schnell fasste ja der flinke Knapp,Was man ihm auszuführen gab.Er konnt ihr helfen bei dem LügenUnd ohne jede Bosheit trügen.2185Eh’ ihre Herrin hatte Zeit,Zu träumen von der Möglichkeit,Der Knabe sei schon auf dem Wege,Nahm sie den Ritter in die Pflege,1Wie Gott allein sie lohnen kann.2190Mit schönster Bitte ging sie dran.Es lagen Kleider da bereitIn dreifacher Vortrefflichkeit,Grau, hermelin und bunt;Ging doch der Wirt zu jeder Stund’2195Gekleidet wie ein Hofgalan,Der viel auf Leibespflege sannUnd nie am Prunk es fehlen liess.Das schönste sie ihn wählen hiessUnd kleidete ihn damit an.2200Am nächsten Abend ging sie dann,Wo sie die Frau alleine fand,Und machte sie gleich vor der HandVon Freude bleich und rot.Sie sprach: “Gebt mir das Botenbrot!2205Der Garçon ist gekommen.”“Hast schon etwas vernommen?Ist’s gute Märe? Sprich doch! Wie?Also ist Herr Iwein hie?Wie ist es ihm so früh geglückt?”2210“Die Liebe hat ihn hergeschickt.”“Ach Gott! Doch sprich! Wer weiss davon?”“Es weiss bisher kein MuttersohnAls Euer Knab’ und wir.”“Wann führst du ihn zu mir?2215Geh stracks zu ihm, ich bitte dich.”Die flinke Magd entfernte sichUnd machte mit verstellter Mien’,Als vor dem Ritter sie erschien,Als ob mit böser Märe2220Sie ihm gesendet wäre.Sie hing den Kopf und sah ihn anUnd trauriglich also begann:“Ach, lieber Gott, mit mir ist’s aus!Die Herrin weiss, dass Ihr im Haus.2225Für mich hat sie nun nichts als Zorn;Ich habe ihre Huld verlorn,Weil ich Euch barg im Schlosse hier.Doch sagt sie, es beliebe ihrEuch einmal näher anzusehen.”2230“Und sollte das nun nicht geschehen,Ich liess ihr eher meinen Leib.”“Sie sollt’ Euch töten? Sie, ein Weib?”“Sie hat ja doch ein starkes Heer.”“Oh, Ihr genest wohl ohne Wehr.2235Ich hab’s von ihr mit Sicherheit,Dass Euch in keiner Weise leidVon ihren Händen soll geschehen;Sie wünscht Euch nur allein zu sehen.Ihr müsst Euch nur gefangen geben;2240Es geht Euch anders nicht ans Leben.”Er sagte: “Sie holdseliges Weib!Ich will es gern, dass dieser LeibAuf immer ihr Gefangener sei,Und dass mein Herz sei auch dabei.”2245Jetzt stand er auf und ging dahin,Ein seliger Mann mit frohem Sinn,Und ward kühl aufgenommen.Als er vor sie gekommen,Begrüsst’ ihn weder Wort noch Neigen.2250Ihr langes, langes StilleschweigenBegann ihm endlich sauer zu werden;Er wusste nicht sich zu gebärden.Er blieb in weiter Fern’ zurückUnd sah sie an mit scheuem Blick.2255Da beide schwiegen, sprach die Magd:“Herr Iwein, warum so verzagt?Lebt Ihr und habt Ihr einen Mund?Ihr redetet vor kurzer Stund’;Jetzt werdet Ihr ganz stumm.2260In Gottes Namen, sagt warumIhr meidet ein so schönes Weib.Weh dessen unglücksel’gem Leib,Der ohne Dank je einen Mann,Der doch geläufig sprechen kann,2265Zu einer schönen Frau geleitet,Die er dann anzureden meidet!Rückt ihr nur näher ohne Scheu!Ich sage Euch bei meiner Treu,Sie wird Euch doch nicht beissen! Traun!2270Fügt man dem andern solches Graun,Wie ihr von Euch geschehen,Und will man Gnade sich versehen,Dazu gehört ein besserer Lohn.Ihr habt den König Askalon,2275Den ihr so lieben Herrn erschlagen:Könnt Ihr auf Gunst zu hoffen wagen?Ihr steht in grosser Schuld;Nun werbt um ihre Huld!Wir wollen sie beide bitten,2280Dass sie, was sie erlitten,Geruhe zu vergessen.”Jetzt ward nicht mehr gesessen.Er warf sich ihr zu FüssenUnd bat um holdes Grüssen2285Als schuldbelad’ner Mann.Er sprach: “Ich mag und kannEuch Besseres nicht bezeigenAn Ehr’ und treuem NeigenAls wenn ich sage: Richtet mich!2290Was Ihr mögt wollen, das will ich.”“Wollt Ihr denn alles, was ich will?”“Ja wohl; es dünkt mich nicht zu viel.”“So nehm’ ich Euch vielleicht den Leib.”“Wie Ihr gebietet, holdes Weib.”2295“Nun ja, was soll ich reden lang?Da Ihr Euch ohne jeden ZwangIn meine Macht ergeben,Nähm’ ich nun Euch das Leben,Es ziemte nicht dem Weibe.2300Glaubt aber nicht bei Leibe,Dass es aus Wankelmut geschehe,Wenn ich Euch jetzt, wie ich gestehe,Nur allzu früh empfang’ in Gnade.Von Euch entstand mir solcher Schade,2305Dass, stünd’ es mir um Ehr’ und Gut,Wie es den meisten Frauen tut,Ich sicherlich nicht wollte,Wie ich es auch nicht sollte,So jäh Euch Gnad’ erteilen.2310Nun gilt es aber eilen;Denn da es zu erwarten steht,Dass mir mein Land verloren gehtGleich heute oder morgen,Muss ich mich schnell versorgen2315Mit einem Mann zur Landeswehr.Ihn find’ ich nicht in meinem Heer,Seit mein Gemahl erschlagen ist;Drum muss ich nun in kurzer FristMir einen Mann erküren2320Oder mein Land verlieren.Nun sollt Ihr mir aufrichtig sagen:Da Ihr den Herrn mir habt erschlagen,So seid Ihr wohl ein tüchtiger Mann;Und wenn ich Euch gewinnen kann,2325Bin ich mit Euch doch wohl bewahrtVor fremdem Hochmut jeder Art.Und glaubt, was ich Euch nun erkläre:Eher als dass ich Euch entbehre,Gält’ ich sogar als ungesittet;2330Obwohl das Weib den Mann nicht bittet,Bitt’ ich zuerst und bitte sehr.Bedrängen will ich Euch nicht mehr,Ich will Euch gerne. Wollt Ihr mich?”Er sagte: “Frau, verneinte ich,2335So wär’ es um mein Glück geschehen.Der liebste Tag, den ich gesehen,Der ist mir heute widerfahren,Und möge Gott mein Heil bewahren!”
Dass sie der Magd je Hartes sprach,
Davon litt sie solch Ungemach,
Dass sie es sehr bereute.
Als sich der Tag erneute,
War jene noch einmal gekommen
Und wurde besser aufgenommen
Als sie entlassen ward vorher.
Die Frau ermunterte sie sehr
Mit gütigem Empfange.
Es dauerte nicht lange,
Bevor sie nun also begann:
“Du lieber Gott, wer ist der Mann,
Den du mir gestern lobtest?
Ich glaube nicht, du tobtest,
Denn der war nicht von Herzen matt,
Der meinen Herrn erschlagen hat.
Hat er Geburt und Jugend
Und sonst etwa ‘ne Tugend,
So dass er mir zum Herren ziemt,
Und dass die Welt, wenn sie’s vernimmt,
Mir’s nicht zu sehr verdenken kann,
Dass ich genommen hab’ den Mann,
Der mir den Herrn erschlagen?
Kannst du mir von ihm sagen,
Was mir in seiner Tugend Licht
Dem üblen Ruf die Spitze bricht?
Und rätst du mir sodann,
Ich nähme ihn zum Mann?”
Sie sprach: “Es dünkt mich gut.
Mich freut, dass Ihr den Mut
So schnell habt umgekehret.
In ihm seid Ihr geehret;
Zu fürchten wäre keine Scham.”
Sie sprach: “Was ist also sein Nam’?”
“Er nennt sich Herr Iwein.”
Gleich stimmten sie nun überein.
Sie sprach: “Der Nam’ ist mir doch kund
Seit mancher langen Stund’.
Er ist gewiss vom hohen Stamm
Des Königs Vriën lobesam.
Nun ist die Sache klar zum Teil,
Und krieg’ ich ihn, so hab’ ich Heil.
Aber, Gesellin, weisst du recht,
Ob er mich auch haben möcht’?”
“Es wär’ ihm lieb, wär’s schon geschehn.”
“Und sage mir, wie bald wird’s gehn?”
“In ungefähr vier Tagen.”
“Ach Gott, was willst du sagen!
Zu lang machst du die Frist.
Bedenke dich, ob’s möglich ist,
Dass ich ihn morgen—heute—sehe.”
“Wie wollt Ihr, Frau, dass das geschähe?
Zu denken wäre nicht daran:
Es lebt auf Erden nicht der Mann,
Er habe denn Gefieder,
Der käme hin und wieder
In solcher kurzen Frist;
Ihr wisst, wie fern es ist.”
“So überlass es meinem Witz.
Mein Garçon läuft ja wie der Blitz;
Zwei Tag’ ein andrer reiten muss,
Er macht’s in einem Tag zu Fuss.
Der Mondschein ihm auch helfen mag:
Er mache ja die Nacht zum Tag.
Auch sind die Tag’ unmässig lang;
Sag’ ihm, es lohnt sich hoch sein Gang,
Und dass es ihm recht lange frommt,
Wenn er schon morgen wiederkommt.
Er rühre tüchtig nur die Bein’
Und mache die vier Tag’ zu zwein.
Er soll sich sputen sehr
Und ausruhen nachher,
So lang er eben ruhen möcht’.
Nun, Trautgesellin, mach’s ihm recht!”
Sie sagte: “Frau, es soll geschehn;
Doch eines sei nicht übersehn:
Befragt doch Eure Leute
Gleich morgen oder heute;
Denn paart Ihr Euch ohn’ ihren Rat,
Es wäre eine üble Tat.
Wer sich berät in diesen Dingen,
Dem kann es nimmermehr mislingen.
Was man alleine tut,
Wird es nachher nicht gut,
Bringt böses Leid in Doppelmass:
Den Schaden und der Freunde Hass.”
Sie sprach: “O weh Gesellin traut,
Wie mir vor diesem Schritte graut!
Man wird vielleicht dagegen sein.”
“Nur nichts vom Bangen, Fraue mein!
Es ist gewiss kein andrer Held,
Und sucht Ihr durch die ganze Welt,
Der wahrte Euch wie er den Bronn;
So wird die Meinung sein davon.
Mit Freude, zweifelt nicht daran,
Wird jederman in Eurem Bann
Solch Landeshut begrüssen;
Man wirft sich Euch zu Füssen
Und bittet Euch, hat man’s erfahren,
Geschwinde Euch mit ihm zu paaren.”
Sie sprach: “Nun lass den Garçon ziehn!
Indessen will ich mich bemühn,
Botschaften auszusenden;
Wir wollen die Rede enden.”
Leicht hätte sie ihn fortgesandt,
Denn er befand sich gleich zur Hand.
Der Garçon auf den Wink der Maid
Verbarg sich mit Geschwindigkeit;
Schnell fasste ja der flinke Knapp,
Was man ihm auszuführen gab.
Er konnt ihr helfen bei dem Lügen
Und ohne jede Bosheit trügen.
Eh’ ihre Herrin hatte Zeit,
Zu träumen von der Möglichkeit,
Der Knabe sei schon auf dem Wege,
Nahm sie den Ritter in die Pflege,1
Wie Gott allein sie lohnen kann.
Mit schönster Bitte ging sie dran.
Es lagen Kleider da bereit
In dreifacher Vortrefflichkeit,
Grau, hermelin und bunt;
Ging doch der Wirt zu jeder Stund’
Gekleidet wie ein Hofgalan,
Der viel auf Leibespflege sann
Und nie am Prunk es fehlen liess.
Das schönste sie ihn wählen hiess
Und kleidete ihn damit an.
Am nächsten Abend ging sie dann,
Wo sie die Frau alleine fand,
Und machte sie gleich vor der Hand
Von Freude bleich und rot.
Sie sprach: “Gebt mir das Botenbrot!
Der Garçon ist gekommen.”
“Hast schon etwas vernommen?
Ist’s gute Märe? Sprich doch! Wie?
Also ist Herr Iwein hie?
Wie ist es ihm so früh geglückt?”
“Die Liebe hat ihn hergeschickt.”
“Ach Gott! Doch sprich! Wer weiss davon?”
“Es weiss bisher kein Muttersohn
Als Euer Knab’ und wir.”
“Wann führst du ihn zu mir?
Geh stracks zu ihm, ich bitte dich.”
Die flinke Magd entfernte sich
Und machte mit verstellter Mien’,
Als vor dem Ritter sie erschien,
Als ob mit böser Märe
Sie ihm gesendet wäre.
Sie hing den Kopf und sah ihn an
Und trauriglich also begann:
“Ach, lieber Gott, mit mir ist’s aus!
Die Herrin weiss, dass Ihr im Haus.
Für mich hat sie nun nichts als Zorn;
Ich habe ihre Huld verlorn,
Weil ich Euch barg im Schlosse hier.
Doch sagt sie, es beliebe ihr
Euch einmal näher anzusehen.”
“Und sollte das nun nicht geschehen,
Ich liess ihr eher meinen Leib.”
“Sie sollt’ Euch töten? Sie, ein Weib?”
“Sie hat ja doch ein starkes Heer.”
“Oh, Ihr genest wohl ohne Wehr.
Ich hab’s von ihr mit Sicherheit,
Dass Euch in keiner Weise leid
Von ihren Händen soll geschehen;
Sie wünscht Euch nur allein zu sehen.
Ihr müsst Euch nur gefangen geben;
Es geht Euch anders nicht ans Leben.”
Er sagte: “Sie holdseliges Weib!
Ich will es gern, dass dieser Leib
Auf immer ihr Gefangener sei,
Und dass mein Herz sei auch dabei.”
Jetzt stand er auf und ging dahin,
Ein seliger Mann mit frohem Sinn,
Und ward kühl aufgenommen.
Als er vor sie gekommen,
Begrüsst’ ihn weder Wort noch Neigen.
Ihr langes, langes Stilleschweigen
Begann ihm endlich sauer zu werden;
Er wusste nicht sich zu gebärden.
Er blieb in weiter Fern’ zurück
Und sah sie an mit scheuem Blick.
Da beide schwiegen, sprach die Magd:
“Herr Iwein, warum so verzagt?
Lebt Ihr und habt Ihr einen Mund?
Ihr redetet vor kurzer Stund’;
Jetzt werdet Ihr ganz stumm.
In Gottes Namen, sagt warum
Ihr meidet ein so schönes Weib.
Weh dessen unglücksel’gem Leib,
Der ohne Dank je einen Mann,
Der doch geläufig sprechen kann,
Zu einer schönen Frau geleitet,
Die er dann anzureden meidet!
Rückt ihr nur näher ohne Scheu!
Ich sage Euch bei meiner Treu,
Sie wird Euch doch nicht beissen! Traun!
Fügt man dem andern solches Graun,
Wie ihr von Euch geschehen,
Und will man Gnade sich versehen,
Dazu gehört ein besserer Lohn.
Ihr habt den König Askalon,
Den ihr so lieben Herrn erschlagen:
Könnt Ihr auf Gunst zu hoffen wagen?
Ihr steht in grosser Schuld;
Nun werbt um ihre Huld!
Wir wollen sie beide bitten,
Dass sie, was sie erlitten,
Geruhe zu vergessen.”
Jetzt ward nicht mehr gesessen.
Er warf sich ihr zu Füssen
Und bat um holdes Grüssen
Als schuldbelad’ner Mann.
Er sprach: “Ich mag und kann
Euch Besseres nicht bezeigen
An Ehr’ und treuem Neigen
Als wenn ich sage: Richtet mich!
Was Ihr mögt wollen, das will ich.”
“Wollt Ihr denn alles, was ich will?”
“Ja wohl; es dünkt mich nicht zu viel.”
“So nehm’ ich Euch vielleicht den Leib.”
“Wie Ihr gebietet, holdes Weib.”
“Nun ja, was soll ich reden lang?
Da Ihr Euch ohne jeden Zwang
In meine Macht ergeben,
Nähm’ ich nun Euch das Leben,
Es ziemte nicht dem Weibe.
Glaubt aber nicht bei Leibe,
Dass es aus Wankelmut geschehe,
Wenn ich Euch jetzt, wie ich gestehe,
Nur allzu früh empfang’ in Gnade.
Von Euch entstand mir solcher Schade,
Dass, stünd’ es mir um Ehr’ und Gut,
Wie es den meisten Frauen tut,
Ich sicherlich nicht wollte,
Wie ich es auch nicht sollte,
So jäh Euch Gnad’ erteilen.
Nun gilt es aber eilen;
Denn da es zu erwarten steht,
Dass mir mein Land verloren geht
Gleich heute oder morgen,
Muss ich mich schnell versorgen
Mit einem Mann zur Landeswehr.
Ihn find’ ich nicht in meinem Heer,
Seit mein Gemahl erschlagen ist;
Drum muss ich nun in kurzer Frist
Mir einen Mann erküren
Oder mein Land verlieren.
Nun sollt Ihr mir aufrichtig sagen:
Da Ihr den Herrn mir habt erschlagen,
So seid Ihr wohl ein tüchtiger Mann;
Und wenn ich Euch gewinnen kann,
Bin ich mit Euch doch wohl bewahrt
Vor fremdem Hochmut jeder Art.
Und glaubt, was ich Euch nun erkläre:
Eher als dass ich Euch entbehre,
Gält’ ich sogar als ungesittet;
Obwohl das Weib den Mann nicht bittet,
Bitt’ ich zuerst und bitte sehr.
Bedrängen will ich Euch nicht mehr,
Ich will Euch gerne. Wollt Ihr mich?”
Er sagte: “Frau, verneinte ich,
So wär’ es um mein Glück geschehen.
Der liebste Tag, den ich gesehen,
Der ist mir heute widerfahren,
Und möge Gott mein Heil bewahren!”
So fuhr denn nach der Stadt Salern1005Die treue Magd mit ihrem Herrn.Es trübt des Herzens FröhlichkeitNichts mehr, als dass der Weg so weit,Dass ihr so lang das Licht noch schien.Und als er sie gebracht dahin,1010Wo er den Meister wohlbekannt,Wie er gedachte, wiederfand,Ward’s dem gar fröhlich angesagt,Gefunden wäre jetzt die Magd,Die einst er ihn gewinnen hiess.1015Zugleich er ihn sie sehen liess.Den däuchte das unglaublich schier.Er sprach: “Mein Kind, und hast du dirSolch Willen wohl auch klar gemacht?Wie? Hat zu dem Entschluss gebracht1020Dich Wunsch und Drohung deines Herrn?”Die Jungfrau sprach, sie tu’ es gernAus ihrem eignen Herzen seiDer Wunsch gekommen, frank und frei.Gross Wunder däucht’ ihn das, und fern1025Nahm er besonders sie vom HerrnUnd fragt’ sie auf die Seligkeit,Ob nicht ihr Herr in seinem LeidSolch Reden hätt’ ihr aufgedroht.Dann sprach er: “Kind, es ist dir not,1030Dass du dich mehr noch kümmerst drum,Was dir bevorsteht—hör’, warum.Wenn du den Tod nun leiden musstUnd nicht von Herzen gern es tust,So ist dein junges Leben hin1035Und bringt doch keinen Deut Gewinn.Verschliess’ vor mir nicht deinen Mund.Was dir geschieht, tu’ ich dir kund.Ich muss dich ausziehn, nackt und bloss;Da wird die Pein der Scham dir gross.1040Ich binde dich an Bein- und Armen;Fülst du mit deinem Leib Erbarmen,Bedenke, Mädchen, diese Schmerzen!Ich schneide dich bis tief zum HerzenUnd reiss’ es lebend noch aus dir.1045Nun, Mädchen, sprich und sage mir,Wie es mit deinem Mute steh’;Geschah noch keinem Kind so weh,Als dir von mir nun muss geschehen.Dass ich es tun muss und es sehen,1050Das macht mir Angst und Not genug.Bedenk’ nun selber bei dir klug:Gereut dich’s auch nur um ein Haar,So hab’ ich meine Arbeit garUnd du den jungen Leib verloren.”1055So ward um alles sie beschworen,Dass fern sie bleibe solcher Pflicht,Wär’ felsenfest ihr Wille nicht.Die Jungfrau aber lachend sprach,Da sie erfuhr, dass an dem Tag1060Ihr helfen sollte noch der TodAus aller Welt- und Erdennot:“Gott lohn’ Euch, lieber Herr, dass IhrSo ganz und gar und treulich mirDie volle Wahrheit habt gesagt.1065Nun bin ich wahrlich doch verzagt:Ein Zweifel mir das Herz erregt;Euch sei’s geklagt, was mich bewegt.Mir bangt jetzt, unser UnternehmenMöcht’ Euer zager Mut noch lähmen,1070Dass es vielleicht gar unterbleibe!Eu’r Reden ziemte einem Weibe.Ihr seid des Hasen Spielgenoss,Und Eure Angst ist viel zu grossUm mich, dass ich nun sterben soll.1075Wahrhaftig, Herr, Ihr tut nicht wohlBei Eurer grossen Meisterschaft.Ich bin ein Weib, doch hab’ ich Kraft.Wagt Ihr nur mich zu schneiden,Ich wag’ es wohl zu leiden.1080Die Angst und bittre Todesqual,Davon Ihr mir erzählt zumal,Die hab’ ich wohl von Euch vernommen;Doch wär’ ich wahrlich nicht gekommen,Wüsst’ ich so fest nicht meinen Mut,1085Dass ich vergiessen könnt’ mein BlutUnd alle Leiden gern erdulden.Mir ist von Euren HuldenDie bleiche Farbe ganz genommenUnd also fester Mut gekommen,1090Dass ich nicht ängstlicher hier steh’,Als wenn ich froh zum Tanze geh’;Die Not kann doch so gross nicht sein,Die einen Tag nur währt; ich mein’,Dass ich fürs ewige Leben1095Den einen Tag wohl könnte geben.Euch kann an meinem festen WillenKein Zweifel mehr das Herz erfüllen.Könnt’ Ihr dem Herrn Gesundheit gebenUnd mir zugleich das ew’ge Leben,1100Um Gotteswillen, tut’s beizeit.Lasst sehn, ob Ihr ein Meister seid.Ihr sollt noch reizen mich dazu.Ich weiss es wohl, um wen ich’s tu’.In dessen Namen es geschieht,1105Der unsre guten Dienste siehtUnd lässt sie ungelohnet nicht.Ich weiss wohl, dass er selber spricht,Wer grosse Dienste leiste,Des Lohn sei auch der meiste.1110Drum halt’ ich diesen grimmen TodAuch nur für eine süsse NotUm solch gewissen Himmelslohn.Liess’ ich die reiche Himmelskron’,So wär’ zu töricht doch mein Sinn,1115Da ich so arm geboren bin.”Nun sah er, dass unwandelbarUnd ohne Reu’ ihr Wille war.Noch einmal führt’ er sie sodannHin zu dem armen, siechen Mann1120Und sprach zu ihrem Herren:“Dem Zweifel lasst uns wehren,Zum Werke sei die Magd nicht gut!Nun habt Vertraun und guten Mut,Ich mache bald Euch ganz gesund.”1125Hin führt’ der Meister sie zur StundIn sein geheimes Arbeitszimmer,Damit ihr Herr es sehe nimmer,Verschloss vor ihm sogleich die TürUnd warf noch einen Riegel für:1130Er wollte nicht, dass er es seh’,Wie’s nun mit ihr zu Ende geh’.In einer Kemenaten,Die er gar wohl beratenMit Arzenein für jung und alt,1135Hiess er die Jungfrau alsobaldVom Leibe ziehn der Kleider Zier.Drob ward sie froh und fröhlich schier.Sie riss die Näte gleich entzweiUnd war bald ihrer Kleider frei.1140Als sie der Meister nun ansah,In seinem Herzen fühlt’ er da,Wie sehr ihn dauerte die Maid,Dass Herz und Mut vor TraurigkeitIhm beinah wären noch verzagt.1145Da sah die gute, reine MagdGar einen hohen Tisch da stehn,Auf den hiess sie der Meister gehn.Alsbald er fest darauf sie bandUnd nahm ein Messer in die Hand,1150Das nahe lag, gar lang und scharf,Des man für solches Werk bedarf.So guten Stahl das Messer trug,Dem Meister war’s nicht scharf genug.Ihn jammerte die grosse Not,1155Er wollt’ ihr lindern noch den Tod.Nun lag ein guter Wetzstein auchGanz nahe bei, wie noch der Brauch.Auf dem hub jetzt zu streichen anGar langsam der bedrückte Mann.1160Das Wetzen aber hörte,Der ihre Freude störte,Der arme Heinrich vor der Tür.Und als das Wetzen drang herfür,Da klagt’ und trauert’ er gar sehr,1165Dass er das Mägdlein nimmermehrLebendig sollte sehen.Er hub zu suchen an und spähen,Bis endlich in der dünnen WandSein Aug’ ein kleines Löchlein fand.1170Da sah er durch den schmalen SpaltSie auf dem Tisch gebunden bald.Sie war so hold, so jung und schön,Da musst’ er reuig sich ansehn,Und anders ward ihm da zu Mut.1175Ihn deucht’, es sei wohl nimmer gut,Wie ihm bisher das Herz gesinnt.Und so verwandelt’ er geschwindDen alten eigensücht’gen SinnUnd gab sich neuem Fühlen hin.1180Er sprach: “Das war unklug Beginnen,Dass wider den in trotz’gen SinnenDu leben wolltest einen Tag,Dem niemand doch entrinnen mag.Du weisst fürwahr nicht, was du tust,1185Da du doch einmal sterben musst,Dass du dies jammervolle Leben,Das Gott allein dir hat gegeben,Nicht willig willst zu Ende tragen,Zumal du sicher nicht kannst sagen,1190Ob dich erlöst des Kindes Tod.Was dir beschert der liebe Gott,Das lass dir alles auch geschehn.Ich will des Kindes Tod nicht sehn.”Sogleich war der Entschluss gefasst.1195Er pochte an die Wand mit HastUnd bat: “Lasst mich sogleich hinein!”Der Meister sprach: “Das kann nicht sein,Mir fehlt die Musse jetzt dazu,Dass ich Euch auf die Türe tu’.”1200“Nein, Meister, höret nur ein Wort!”“Wie kann ich, wartet ruhig dort,Bis es geschehn.” “Ach Meister, nein,Hört mich, es muss vor dem noch sein!”“Nun sagt mir’s denn durch diese Wand!”1205“Ach, nein, so ist es nicht bewandt”Da öffnet endlich er die Tür.Der arme Heinrich trat herfür,Wo sein Gemahl2gebunden lag.Zum Meister alsobald er sprach:1210“Dies Mägdlein ist so wonniglich,Wahrhaftig, nimmermehr kann ichIhr jämmerliches Ende sehn.Des Ewigen Wille soll geschehn.Heisst sie vom Tische sich erheben;1215Das Silber will ich gern Euch geben,Das ich Euch bot für Eure Müh’.Nur lasst, ich bitt’, am Leben sie!”
So fuhr denn nach der Stadt Salern
Die treue Magd mit ihrem Herrn.
Es trübt des Herzens Fröhlichkeit
Nichts mehr, als dass der Weg so weit,
Dass ihr so lang das Licht noch schien.
Und als er sie gebracht dahin,
Wo er den Meister wohlbekannt,
Wie er gedachte, wiederfand,
Ward’s dem gar fröhlich angesagt,
Gefunden wäre jetzt die Magd,
Die einst er ihn gewinnen hiess.
Zugleich er ihn sie sehen liess.
Den däuchte das unglaublich schier.
Er sprach: “Mein Kind, und hast du dir
Solch Willen wohl auch klar gemacht?
Wie? Hat zu dem Entschluss gebracht
Dich Wunsch und Drohung deines Herrn?”
Die Jungfrau sprach, sie tu’ es gern
Aus ihrem eignen Herzen sei
Der Wunsch gekommen, frank und frei.
Gross Wunder däucht’ ihn das, und fern
Nahm er besonders sie vom Herrn
Und fragt’ sie auf die Seligkeit,
Ob nicht ihr Herr in seinem Leid
Solch Reden hätt’ ihr aufgedroht.
Dann sprach er: “Kind, es ist dir not,
Dass du dich mehr noch kümmerst drum,
Was dir bevorsteht—hör’, warum.
Wenn du den Tod nun leiden musst
Und nicht von Herzen gern es tust,
So ist dein junges Leben hin
Und bringt doch keinen Deut Gewinn.
Verschliess’ vor mir nicht deinen Mund.
Was dir geschieht, tu’ ich dir kund.
Ich muss dich ausziehn, nackt und bloss;
Da wird die Pein der Scham dir gross.
Ich binde dich an Bein- und Armen;
Fülst du mit deinem Leib Erbarmen,
Bedenke, Mädchen, diese Schmerzen!
Ich schneide dich bis tief zum Herzen
Und reiss’ es lebend noch aus dir.
Nun, Mädchen, sprich und sage mir,
Wie es mit deinem Mute steh’;
Geschah noch keinem Kind so weh,
Als dir von mir nun muss geschehen.
Dass ich es tun muss und es sehen,
Das macht mir Angst und Not genug.
Bedenk’ nun selber bei dir klug:
Gereut dich’s auch nur um ein Haar,
So hab’ ich meine Arbeit gar
Und du den jungen Leib verloren.”
So ward um alles sie beschworen,
Dass fern sie bleibe solcher Pflicht,
Wär’ felsenfest ihr Wille nicht.
Die Jungfrau aber lachend sprach,
Da sie erfuhr, dass an dem Tag
Ihr helfen sollte noch der Tod
Aus aller Welt- und Erdennot:
“Gott lohn’ Euch, lieber Herr, dass Ihr
So ganz und gar und treulich mir
Die volle Wahrheit habt gesagt.
Nun bin ich wahrlich doch verzagt:
Ein Zweifel mir das Herz erregt;
Euch sei’s geklagt, was mich bewegt.
Mir bangt jetzt, unser Unternehmen
Möcht’ Euer zager Mut noch lähmen,
Dass es vielleicht gar unterbleibe!
Eu’r Reden ziemte einem Weibe.
Ihr seid des Hasen Spielgenoss,
Und Eure Angst ist viel zu gross
Um mich, dass ich nun sterben soll.
Wahrhaftig, Herr, Ihr tut nicht wohl
Bei Eurer grossen Meisterschaft.
Ich bin ein Weib, doch hab’ ich Kraft.
Wagt Ihr nur mich zu schneiden,
Ich wag’ es wohl zu leiden.
Die Angst und bittre Todesqual,
Davon Ihr mir erzählt zumal,
Die hab’ ich wohl von Euch vernommen;
Doch wär’ ich wahrlich nicht gekommen,
Wüsst’ ich so fest nicht meinen Mut,
Dass ich vergiessen könnt’ mein Blut
Und alle Leiden gern erdulden.
Mir ist von Euren Hulden
Die bleiche Farbe ganz genommen
Und also fester Mut gekommen,
Dass ich nicht ängstlicher hier steh’,
Als wenn ich froh zum Tanze geh’;
Die Not kann doch so gross nicht sein,
Die einen Tag nur währt; ich mein’,
Dass ich fürs ewige Leben
Den einen Tag wohl könnte geben.
Euch kann an meinem festen Willen
Kein Zweifel mehr das Herz erfüllen.
Könnt’ Ihr dem Herrn Gesundheit geben
Und mir zugleich das ew’ge Leben,
Um Gotteswillen, tut’s beizeit.
Lasst sehn, ob Ihr ein Meister seid.
Ihr sollt noch reizen mich dazu.
Ich weiss es wohl, um wen ich’s tu’.
In dessen Namen es geschieht,
Der unsre guten Dienste sieht
Und lässt sie ungelohnet nicht.
Ich weiss wohl, dass er selber spricht,
Wer grosse Dienste leiste,
Des Lohn sei auch der meiste.
Drum halt’ ich diesen grimmen Tod
Auch nur für eine süsse Not
Um solch gewissen Himmelslohn.
Liess’ ich die reiche Himmelskron’,
So wär’ zu töricht doch mein Sinn,
Da ich so arm geboren bin.”
Nun sah er, dass unwandelbar
Und ohne Reu’ ihr Wille war.
Noch einmal führt’ er sie sodann
Hin zu dem armen, siechen Mann
Und sprach zu ihrem Herren:
“Dem Zweifel lasst uns wehren,
Zum Werke sei die Magd nicht gut!
Nun habt Vertraun und guten Mut,
Ich mache bald Euch ganz gesund.”
Hin führt’ der Meister sie zur Stund
In sein geheimes Arbeitszimmer,
Damit ihr Herr es sehe nimmer,
Verschloss vor ihm sogleich die Tür
Und warf noch einen Riegel für:
Er wollte nicht, dass er es seh’,
Wie’s nun mit ihr zu Ende geh’.
In einer Kemenaten,
Die er gar wohl beraten
Mit Arzenein für jung und alt,
Hiess er die Jungfrau alsobald
Vom Leibe ziehn der Kleider Zier.
Drob ward sie froh und fröhlich schier.
Sie riss die Näte gleich entzwei
Und war bald ihrer Kleider frei.
Als sie der Meister nun ansah,
In seinem Herzen fühlt’ er da,
Wie sehr ihn dauerte die Maid,
Dass Herz und Mut vor Traurigkeit
Ihm beinah wären noch verzagt.
Da sah die gute, reine Magd
Gar einen hohen Tisch da stehn,
Auf den hiess sie der Meister gehn.
Alsbald er fest darauf sie band
Und nahm ein Messer in die Hand,
Das nahe lag, gar lang und scharf,
Des man für solches Werk bedarf.
So guten Stahl das Messer trug,
Dem Meister war’s nicht scharf genug.
Ihn jammerte die grosse Not,
Er wollt’ ihr lindern noch den Tod.
Nun lag ein guter Wetzstein auch
Ganz nahe bei, wie noch der Brauch.
Auf dem hub jetzt zu streichen an
Gar langsam der bedrückte Mann.
Das Wetzen aber hörte,
Der ihre Freude störte,
Der arme Heinrich vor der Tür.
Und als das Wetzen drang herfür,
Da klagt’ und trauert’ er gar sehr,
Dass er das Mägdlein nimmermehr
Lebendig sollte sehen.
Er hub zu suchen an und spähen,
Bis endlich in der dünnen Wand
Sein Aug’ ein kleines Löchlein fand.
Da sah er durch den schmalen Spalt
Sie auf dem Tisch gebunden bald.
Sie war so hold, so jung und schön,
Da musst’ er reuig sich ansehn,
Und anders ward ihm da zu Mut.
Ihn deucht’, es sei wohl nimmer gut,
Wie ihm bisher das Herz gesinnt.
Und so verwandelt’ er geschwind
Den alten eigensücht’gen Sinn
Und gab sich neuem Fühlen hin.
Er sprach: “Das war unklug Beginnen,
Dass wider den in trotz’gen Sinnen
Du leben wolltest einen Tag,
Dem niemand doch entrinnen mag.
Du weisst fürwahr nicht, was du tust,
Da du doch einmal sterben musst,
Dass du dies jammervolle Leben,
Das Gott allein dir hat gegeben,
Nicht willig willst zu Ende tragen,
Zumal du sicher nicht kannst sagen,
Ob dich erlöst des Kindes Tod.
Was dir beschert der liebe Gott,
Das lass dir alles auch geschehn.
Ich will des Kindes Tod nicht sehn.”
Sogleich war der Entschluss gefasst.
Er pochte an die Wand mit Hast
Und bat: “Lasst mich sogleich hinein!”
Der Meister sprach: “Das kann nicht sein,
Mir fehlt die Musse jetzt dazu,
Dass ich Euch auf die Türe tu’.”
“Nein, Meister, höret nur ein Wort!”
“Wie kann ich, wartet ruhig dort,
Bis es geschehn.” “Ach Meister, nein,
Hört mich, es muss vor dem noch sein!”
“Nun sagt mir’s denn durch diese Wand!”
“Ach, nein, so ist es nicht bewandt”
Da öffnet endlich er die Tür.
Der arme Heinrich trat herfür,
Wo sein Gemahl2gebunden lag.
Zum Meister alsobald er sprach:
“Dies Mägdlein ist so wonniglich,
Wahrhaftig, nimmermehr kann ich
Ihr jämmerliches Ende sehn.
Des Ewigen Wille soll geschehn.
Heisst sie vom Tische sich erheben;
Das Silber will ich gern Euch geben,
Das ich Euch bot für Eure Müh’.
Nur lasst, ich bitt’, am Leben sie!”
1.Iwein is in the castle, Lunete having saved him from the vassals of the slain Askalon by giving him a ring that made him invisible.2.Heinrich had playfully called her his ‘wife.’ The girl is but eight years old when the story begins.
1.Iwein is in the castle, Lunete having saved him from the vassals of the slain Askalon by giving him a ring that made him invisible.
2.Heinrich had playfully called her his ‘wife.’ The girl is but eight years old when the story begins.
The deepest of the three chief romancers and the most strongly marked in his individuality. His date is approximately 1170-1220. He was a Bavarian knight of humble estate, who spent some time at the court of Landgrave Hermann in Thuringia. He speaks of himself as ‘ignorant of what the books contain,’ which is usually taken to mean that he could not read or write. His great work isParzival, a blend of Arthurian and Grail romance, which he says he got from a French poet Kyot. Nothing is known of any such poet, and some think him an invention. Certain it is, however, that Wolfram had some other source than Chrestien de Troyes’Conte del Graal, though he was acquainted with that, and that he invented freely. Two other narrative poems,TiturelandWillehalm, were left unfinished. The selections fromParzivalbelow are from the translation by W. Hertz, Stuttgart, 1898.
Heut mocht’ ein andrer birschen,Sein Sinn stand nicht nach Hirschen.295Er rennt nach Haus zur Mutter wieder,Erzählt—und sprachlos sinkt sie nieder.Doch als sie wieder kam zu Sinn,Sprach die entsetzte Königin:“Wer sagte dir von Rittertum?300O sprich, mein Sohn! Du weisst darum?”“Vier Männer sah ich, Mutter mein,Gott selbst hat nicht so lichten Schein;Die sagten mir von Ritterschaft.Artus in seiner Königskraft305Verleiht die Rittersehren,Soll sie auch mir gewähren.”Da ging ein neuer Jammer an.Sie wusste keinen Rat und sann:Was sollte sie erdenken,310Sein Trachten abzulenken?Das einzige, was er begehrtUnd immer wieder, ist ein Pferd.Sie dacht’ in Herzensklagen:Ich will’s ihm nicht versagen;315Doch soll es ein gar schlechtes sein,Da doch die Menschen insgemeinSchnell bereit zum Spotte sind,Und Narrenkleider soll mein KindAn seinem lichten Leibe tragen.320Wird er gerauft dann und geschlagen,So kehrt er mir wohl bald zurück.Aus Sacktuch schnitt in einem StückSie Hos’ und Hemd; das hüllt ihn einBis mitten auf sein blankes Bein,325Mit einer Gugel obendran.Zwei Bauernstiefel wurden dannAus rauher Kalbshaut ihm gemacht.Sie bat ihn: “Bleib noch diese Nacht.Du sollst dich nicht von hinnen kehren,330Eh’ du vernahmst der Mutter Lehren:Ziehst pfadlos du durch Wald und Heiden,Sollst du die dunkeln Furten meiden;Sind sie aber seicht und rein.So reite nur getrost hinein.335Du musst mit Anstand dich betragenUnd niemand deinen Gruss versagen.Wenn dich ein grauer weiser MannZucht will lehren, wie er’s kann,So folg’ ihm allerwegen340Und murre nicht dagegen.Eins achte ferner nicht gering:Wo eines guten Weibes RingDu kannst erwerben und ihr Grüssen,So nimm’s; es wird dir Leid versüssen.345Küsse keck das holde WeibUnd drück’ es fest an deinen Leib;Denn das gibt Glück und hohen Mut,Sofern sie züchtig ist und gut.Und endlich, Sohn, sollst du noch wissen:350Zwei Lande wurden dir entrissenVon Lähelins, des stolzen, Hand,Der deine Fürsten überrannt.Ein Fürst von ihm den Tod empfing,Indes dein Volk er schlug und fing.”355“Das soll er wahrlich nicht geniessen;Ich werd’ ihn mit dem Pfeile spiessen.”Dann in der frühsten MorgenzeitWar schon der Knabe fahrtbereit,Der mir vom König Artus sprach.360Sie küsst ihn noch und lief ihm nach.O Welt von Leid, was da geschah!Als’ ihren Sohn sie nicht mehr sah’—Dort ritt er hin, wann kehrt er wieder?—Fiel Herzeloyd zur Erde nieder.365Ihr schnitt ins Herz der Trennung Schlag,Dass ihrem Jammer sie erlag.Doch seht, ihr vielgetreuer Tod,Er wehrt von ihr der Hölle Not.O wohl ihr, dass sie Mutter ward!370Sie fuhr zum Lohn des Heiles Fahrt,Sie, eine Wurzel aller Güte,Ein Stamm, auf dem die Demut blühte.Ach, dass die Welt uns nicht beschiedIhr Blut auch nur zum elften Glied!375Drum ist so wenigen zu traun.Doch sollen nun getreue FraunMit Segenswünschen ihn geleiten,Den wir dort sehn von dannen reiten.Es wandte sich der junge Fant380Hin nach dem Wald von Breceliand.2Er kam an einen Bach geritten,Den hätt’ ein Hahn wohl überschritten,Doch weil da Gras mit Blumen spross,So dass der Bach im Schatten floss,385Gedacht’ er an der Mutter WortUnd trabte diesseits an ihm fortUnverdrossen bis zur Nacht;Die ward, wie’s eben ging, verbracht.Am Morgen traf er eine Stelle,390Da rann das Wasser seicht und helle;Hier ritt er durch und sah ein Feld,Das schmückt’ ein grosses PrachtgezeltAus reichem Samt dreifarbig bunt,Und alle Näte in der Rund’395Deckt feiner Borten Stickerei.Die Lederhülse hing dabei,Die, wenn es regnen wollte,Man drüber ziehen sollte.Des stolzen Herzogs von Lalander400Minnige Gemahlin fand erIm Zelte, Frau Jeschute,Die noch im Schlafe ruhte,Zum Ritterslieb erschaffen:Sie trug der Minne Waffen,405Einen Mund durchleuchtig rot,Sehnenden Ritters Herzensnot.Wie wonnig sie entschlummert war!Halb offen stand ihr Lippenpaar,Das glüht von heissem Minnefeuer;410So lag das holde Abenteuer.Schneeweiss erglänzt’ in dichten ReihnDer kleinen Zähne Elfenbein.Leicht lernt’ ich küssen solchen Mund,Doch wurde mir das selten kund.415Auf weichem Lager hingestrecktHat sie den Zobel, der sie deckt,Zurückgestreift bis an die Hüften,Im schwülen Sommer sich zu lüften,Seit einsam lag das schöne Weib.420Gott selbst hat an den süssen LeibSeine Meisterkunst gewandt.Lang war ihr Arm und blank die Hand.Doch als der wilde Knabe daAn ihrer Hand ein Ringlein sah,425Sprang er ans Bett, den Reif zu holen,Wie’s ihm die Mutter anbefohlen.Das reine Weib in Scham erschrak,Als ihr der Knab’ im Arme lag.Sie, die man keusche Zucht gelehrt,430Sprach: “Wer hat mein Gemach entehrt?Jungherr, Ihr waget allzuviel.Geht, suchet Euch ein andres Ziel!”Doch er, wie laut die Schöne klagt,Ihn kümmert’s nicht, was sie auch sagt.435Er drückt’ an sich die Herzogin,Zwang ihren Mund an seinen hinUnd nahm den Ring. Auch brach der RangeVon ihrem Hemd die goldne Spange.Sie wehrt sich, doch mit Weibes Wehr;440Ihr war sein Arm ein ganzes Heer.“Mich hungert,” klagt er, “gib mir Essen!”Sie sprach: “Ihr wollt doch mich nicht fressen?Wärt Ihr zu Nutzen weise,Ihr nähmt Euch andre Speise.445Seht, dort beiseit steht Brot und WeinUnd zwei Rebhühnchen obendrein.Das hat ein Mägdlein hergebracht,Die’s Euch doch wenig zugedacht.”Er liess von ihr, indem er sass450Und einen guten Kropf sich ass,Wonach er schwere Trünke schlang.Ihr währt sein Wesen hier zu lang;Sie deucht: dem Jungen fehlt’s im Hirne;Der Angstschweiss stand ihr auf der Stirne.455Drum sprach sie: “Jungherr, lasset mirDas Ringlein und die Spange hierUnd hebt Euch fort! Denn kommt mein Mann,Und trifft Euch hier im Zelte an,So müsst Ihr Zorn erleiden,460Den Ihr gern möchtet meiden.”Er sprach mit trotzigem Gesicht:“Er komme nur! Ich fürcht’ ihn nicht.Doch schadet’s dir an Ehren,Will ich von hinnen kehren.”465Aufs neu’ kam er ans Bett gegangen,Die Schöne küssend zu umfangen;Ungerne litt’s die Herzogin.Dann ohne Abschied ritt er hin;Doch sprach er noch: “Gott hüte dein!470So lehrte mich’s die Mutter mein.”
Heut mocht’ ein andrer birschen,
Sein Sinn stand nicht nach Hirschen.
Er rennt nach Haus zur Mutter wieder,
Erzählt—und sprachlos sinkt sie nieder.
Doch als sie wieder kam zu Sinn,
Sprach die entsetzte Königin:
“Wer sagte dir von Rittertum?
O sprich, mein Sohn! Du weisst darum?”
“Vier Männer sah ich, Mutter mein,
Gott selbst hat nicht so lichten Schein;
Die sagten mir von Ritterschaft.
Artus in seiner Königskraft
Verleiht die Rittersehren,
Soll sie auch mir gewähren.”
Da ging ein neuer Jammer an.
Sie wusste keinen Rat und sann:
Was sollte sie erdenken,
Sein Trachten abzulenken?
Das einzige, was er begehrt
Und immer wieder, ist ein Pferd.
Sie dacht’ in Herzensklagen:
Ich will’s ihm nicht versagen;
Doch soll es ein gar schlechtes sein,
Da doch die Menschen insgemein
Schnell bereit zum Spotte sind,
Und Narrenkleider soll mein Kind
An seinem lichten Leibe tragen.
Wird er gerauft dann und geschlagen,
So kehrt er mir wohl bald zurück.
Aus Sacktuch schnitt in einem Stück
Sie Hos’ und Hemd; das hüllt ihn ein
Bis mitten auf sein blankes Bein,
Mit einer Gugel obendran.
Zwei Bauernstiefel wurden dann
Aus rauher Kalbshaut ihm gemacht.
Sie bat ihn: “Bleib noch diese Nacht.
Du sollst dich nicht von hinnen kehren,
Eh’ du vernahmst der Mutter Lehren:
Ziehst pfadlos du durch Wald und Heiden,
Sollst du die dunkeln Furten meiden;
Sind sie aber seicht und rein.
So reite nur getrost hinein.
Du musst mit Anstand dich betragen
Und niemand deinen Gruss versagen.
Wenn dich ein grauer weiser Mann
Zucht will lehren, wie er’s kann,
So folg’ ihm allerwegen
Und murre nicht dagegen.
Eins achte ferner nicht gering:
Wo eines guten Weibes Ring
Du kannst erwerben und ihr Grüssen,
So nimm’s; es wird dir Leid versüssen.
Küsse keck das holde Weib
Und drück’ es fest an deinen Leib;
Denn das gibt Glück und hohen Mut,
Sofern sie züchtig ist und gut.
Und endlich, Sohn, sollst du noch wissen:
Zwei Lande wurden dir entrissen
Von Lähelins, des stolzen, Hand,
Der deine Fürsten überrannt.
Ein Fürst von ihm den Tod empfing,
Indes dein Volk er schlug und fing.”
“Das soll er wahrlich nicht geniessen;
Ich werd’ ihn mit dem Pfeile spiessen.”
Dann in der frühsten Morgenzeit
War schon der Knabe fahrtbereit,
Der mir vom König Artus sprach.
Sie küsst ihn noch und lief ihm nach.
O Welt von Leid, was da geschah!
Als’ ihren Sohn sie nicht mehr sah’—
Dort ritt er hin, wann kehrt er wieder?—
Fiel Herzeloyd zur Erde nieder.
Ihr schnitt ins Herz der Trennung Schlag,
Dass ihrem Jammer sie erlag.
Doch seht, ihr vielgetreuer Tod,
Er wehrt von ihr der Hölle Not.
O wohl ihr, dass sie Mutter ward!
Sie fuhr zum Lohn des Heiles Fahrt,
Sie, eine Wurzel aller Güte,
Ein Stamm, auf dem die Demut blühte.
Ach, dass die Welt uns nicht beschied
Ihr Blut auch nur zum elften Glied!
Drum ist so wenigen zu traun.
Doch sollen nun getreue Fraun
Mit Segenswünschen ihn geleiten,
Den wir dort sehn von dannen reiten.
Es wandte sich der junge Fant
Hin nach dem Wald von Breceliand.2
Er kam an einen Bach geritten,
Den hätt’ ein Hahn wohl überschritten,
Doch weil da Gras mit Blumen spross,
So dass der Bach im Schatten floss,
Gedacht’ er an der Mutter Wort
Und trabte diesseits an ihm fort
Unverdrossen bis zur Nacht;
Die ward, wie’s eben ging, verbracht.
Am Morgen traf er eine Stelle,
Da rann das Wasser seicht und helle;
Hier ritt er durch und sah ein Feld,
Das schmückt’ ein grosses Prachtgezelt
Aus reichem Samt dreifarbig bunt,
Und alle Näte in der Rund’
Deckt feiner Borten Stickerei.
Die Lederhülse hing dabei,
Die, wenn es regnen wollte,
Man drüber ziehen sollte.
Des stolzen Herzogs von Lalander
Minnige Gemahlin fand er
Im Zelte, Frau Jeschute,
Die noch im Schlafe ruhte,
Zum Ritterslieb erschaffen:
Sie trug der Minne Waffen,
Einen Mund durchleuchtig rot,
Sehnenden Ritters Herzensnot.
Wie wonnig sie entschlummert war!
Halb offen stand ihr Lippenpaar,
Das glüht von heissem Minnefeuer;
So lag das holde Abenteuer.
Schneeweiss erglänzt’ in dichten Reihn
Der kleinen Zähne Elfenbein.
Leicht lernt’ ich küssen solchen Mund,
Doch wurde mir das selten kund.
Auf weichem Lager hingestreckt
Hat sie den Zobel, der sie deckt,
Zurückgestreift bis an die Hüften,
Im schwülen Sommer sich zu lüften,
Seit einsam lag das schöne Weib.
Gott selbst hat an den süssen Leib
Seine Meisterkunst gewandt.
Lang war ihr Arm und blank die Hand.
Doch als der wilde Knabe da
An ihrer Hand ein Ringlein sah,
Sprang er ans Bett, den Reif zu holen,
Wie’s ihm die Mutter anbefohlen.
Das reine Weib in Scham erschrak,
Als ihr der Knab’ im Arme lag.
Sie, die man keusche Zucht gelehrt,
Sprach: “Wer hat mein Gemach entehrt?
Jungherr, Ihr waget allzuviel.
Geht, suchet Euch ein andres Ziel!”
Doch er, wie laut die Schöne klagt,
Ihn kümmert’s nicht, was sie auch sagt.
Er drückt’ an sich die Herzogin,
Zwang ihren Mund an seinen hin
Und nahm den Ring. Auch brach der Range
Von ihrem Hemd die goldne Spange.
Sie wehrt sich, doch mit Weibes Wehr;
Ihr war sein Arm ein ganzes Heer.
“Mich hungert,” klagt er, “gib mir Essen!”
Sie sprach: “Ihr wollt doch mich nicht fressen?
Wärt Ihr zu Nutzen weise,
Ihr nähmt Euch andre Speise.
Seht, dort beiseit steht Brot und Wein
Und zwei Rebhühnchen obendrein.
Das hat ein Mägdlein hergebracht,
Die’s Euch doch wenig zugedacht.”
Er liess von ihr, indem er sass
Und einen guten Kropf sich ass,
Wonach er schwere Trünke schlang.
Ihr währt sein Wesen hier zu lang;
Sie deucht: dem Jungen fehlt’s im Hirne;
Der Angstschweiss stand ihr auf der Stirne.
Drum sprach sie: “Jungherr, lasset mir
Das Ringlein und die Spange hier
Und hebt Euch fort! Denn kommt mein Mann,
Und trifft Euch hier im Zelte an,
So müsst Ihr Zorn erleiden,
Den Ihr gern möchtet meiden.”
Er sprach mit trotzigem Gesicht:
“Er komme nur! Ich fürcht’ ihn nicht.
Doch schadet’s dir an Ehren,
Will ich von hinnen kehren.”
Aufs neu’ kam er ans Bett gegangen,
Die Schöne küssend zu umfangen;
Ungerne litt’s die Herzogin.
Dann ohne Abschied ritt er hin;
Doch sprach er noch: “Gott hüte dein!
So lehrte mich’s die Mutter mein.”
345Dann kam die Königin herein;Ihr Antlitz gab so lichten Schein,Sie meinten all’, es wolle tagen.Als Kleid sah man die Jungfrau tragenArabiens schönste Weberei.350Auf einem grünen Achmardei4Trug sie des Paradieses Preis,Des Heiles Wurzel, Stamm und Reis.Das war ein Ding, das hiess der Gral,Ein Hort von Wundern ohne Zahl.355Repanse de Schoye sie hiess,Durch die der Gral sich tragen liess.Die hehre Art des Grales wollte,Dass, die sein würdig pflegen sollte,Die musste keuschen Herzens sein,360Vor aller Falschheit frei und rein.Die Jungfraun tragen vor dem GralSechs Glasgefässe lang und schmal,Aus denen Balsamfeuer flammt.Sie wandeln züchtig insgesamt365Mit abgemess’nem SchritteBis in des Saales Mitte.Die Königin verneigte sichMit ihren Jungfraun feierlichUnd setzte vor den Herrn den Gral.370Gedankenvoll sass ParzivalUnd blickte nach ihr unverwandt,Die ihren Mantel ihm gesandt.Drauf teilt sich all das Gralgeleite;Zwölf Jungfraun stehn auf jeder Seite,375Und in der Mitte steht alleinDie Magd in ihrer Krone Schein.Nun traten vor des Mahls BeginnDie Kämm’rer zu den Rittern hin,Ein jeder ihrer vier zu dienen380Mit lauem Wasser, das er ihnenIn schwerem goldnem Becken bot,Dabei ein Jungherr wangenrot,Das weisse Handtuch darzureichen.Da sah man Reichtum ohnegleichen.385Der Tafeln mussten’s hundert sein,Die man zur Türe trug herein,Vor je vier Ritter eine;Darauf von edlem LeineDeckten sie mit Fleisse390Tischtücher blendend weisse.Der Wirt in seiner stummen QualNahm selber Wasser; ParzivalWusch sich mit ihm zugleich die Hände.Drauf bracht’ ein Grafensohn behende395Ein seidnes Handtuch farbenklarUnd bot es ihnen knieend dar.Ein jeder Tisch, so viel da stehn,Ist von vier Knappen zu versehn:Die einen knien, um vorzuschneiden,400Aufwärter sind die andern beiden.Nun rollen durch den Saal vier Wagen,Die Goldgeschirr in Fülle tragen;Das wird von Rittern unverweiltAn all die Tafeln ausgeteilt.405Man zog im Ring sie Schritt für Schritt,Und jedem ging ein Schaffner mit,Dem dieser Hort zur Hut befohlen,Ihn nach dem Mahl zurückzuholen.Hundert Knappen traten dann410Mit Tüchern auf der Hand heran;Voll Ehrfurcht kamen sie gegangen,Das Brot vom Grale zu empfangen.Denn wie ich selber sie vernommen,Soll auch zu euch die Märe kommen:415Was einer je vom Gral begehrt,Das ward ihm in die Hand gewährt,Speise warm und Speise kalt,Ob sie frisch sei oder alt,Ob sie wild sei oder zahm.420Wer meint, dass dies zu wundersamUnd ohne Beispiel wäre,Der schelte nicht die Märe.Dem Gral entquoll ein Strom von Segen,Vom Glück der Welt ein vollster Regen.425Er galt fast all dem Höchsten gleich,Wie man’s erzählt vom Himmelreich.In kleinen goldnen Schalen kam,Was man zu jeder Speise nahm:Gewürze, Pfeffer, leckre Brühn.430Ass einer zaghaft oder kühn,Sie fanden insgesamt genug,Wie man’s mit Anstand vor sie trug.Wein, Maulbeertrank, Siropel rot,Wonach den Becher jeder bot,435Und welchen Trank er mochte nennen,Den konnt’ er gleich darin erkennen,Alles durch des Grales Kraft.Die ganze werte RitterschaftWar so zu Gaste bei dem Gral.440Wohl sah mit Staunen ParzivalDie Pracht der Wunder sich bezeigen;Jedoch aus Anstand wollt’ er schweigen.Er dachte: der getreue Mann,Gurnemanz, befahl mir an,445Vieles Fragen zu vermeiden.Drum will ich höflich mich bescheidenUnd warten, bis man ungefragt,Von diesem Haus mir alles sagt,Wie man bei Gurnemanz getan450Drauf sah er einen Knappen nahnMit einem Schwerte schön und stark;Die Scheide galt wohl tausend Mark,Der Griff ein einziger Rubin.Das ward vom Wirt dem Gast verliehn:455“Ich hab’ es oft im Kampf getragen,Bis Gott am Leibe mich geschlagen.Herr, nehmt es als Ersatz entgegen,Sollt’ man Euch hier nicht wohl verpflegen.”Ach dass auch jetzt er nicht gefragt!460Um seinetwillen sei’s geklagt,Da mit dem Schwert, das er empfing,Die Mahnung doch an ihn erging.Auch jammert mich sein Wirt zumal;Denn von der ungenannten Qual465Würd’ er durch seine Frage frei.Damit war nun das Mahl vorbei.
Dann kam die Königin herein;
Ihr Antlitz gab so lichten Schein,
Sie meinten all’, es wolle tagen.
Als Kleid sah man die Jungfrau tragen
Arabiens schönste Weberei.
Auf einem grünen Achmardei4
Trug sie des Paradieses Preis,
Des Heiles Wurzel, Stamm und Reis.
Das war ein Ding, das hiess der Gral,
Ein Hort von Wundern ohne Zahl.
Repanse de Schoye sie hiess,
Durch die der Gral sich tragen liess.
Die hehre Art des Grales wollte,
Dass, die sein würdig pflegen sollte,
Die musste keuschen Herzens sein,
Vor aller Falschheit frei und rein.
Die Jungfraun tragen vor dem Gral
Sechs Glasgefässe lang und schmal,
Aus denen Balsamfeuer flammt.
Sie wandeln züchtig insgesamt
Mit abgemess’nem Schritte
Bis in des Saales Mitte.
Die Königin verneigte sich
Mit ihren Jungfraun feierlich
Und setzte vor den Herrn den Gral.
Gedankenvoll sass Parzival
Und blickte nach ihr unverwandt,
Die ihren Mantel ihm gesandt.
Drauf teilt sich all das Gralgeleite;
Zwölf Jungfraun stehn auf jeder Seite,
Und in der Mitte steht allein
Die Magd in ihrer Krone Schein.
Nun traten vor des Mahls Beginn
Die Kämm’rer zu den Rittern hin,
Ein jeder ihrer vier zu dienen
Mit lauem Wasser, das er ihnen
In schwerem goldnem Becken bot,
Dabei ein Jungherr wangenrot,
Das weisse Handtuch darzureichen.
Da sah man Reichtum ohnegleichen.
Der Tafeln mussten’s hundert sein,
Die man zur Türe trug herein,
Vor je vier Ritter eine;
Darauf von edlem Leine
Deckten sie mit Fleisse
Tischtücher blendend weisse.
Der Wirt in seiner stummen Qual
Nahm selber Wasser; Parzival
Wusch sich mit ihm zugleich die Hände.
Drauf bracht’ ein Grafensohn behende
Ein seidnes Handtuch farbenklar
Und bot es ihnen knieend dar.
Ein jeder Tisch, so viel da stehn,
Ist von vier Knappen zu versehn:
Die einen knien, um vorzuschneiden,
Aufwärter sind die andern beiden.
Nun rollen durch den Saal vier Wagen,
Die Goldgeschirr in Fülle tragen;
Das wird von Rittern unverweilt
An all die Tafeln ausgeteilt.
Man zog im Ring sie Schritt für Schritt,
Und jedem ging ein Schaffner mit,
Dem dieser Hort zur Hut befohlen,
Ihn nach dem Mahl zurückzuholen.
Hundert Knappen traten dann
Mit Tüchern auf der Hand heran;
Voll Ehrfurcht kamen sie gegangen,
Das Brot vom Grale zu empfangen.
Denn wie ich selber sie vernommen,
Soll auch zu euch die Märe kommen:
Was einer je vom Gral begehrt,
Das ward ihm in die Hand gewährt,
Speise warm und Speise kalt,
Ob sie frisch sei oder alt,
Ob sie wild sei oder zahm.
Wer meint, dass dies zu wundersam
Und ohne Beispiel wäre,
Der schelte nicht die Märe.
Dem Gral entquoll ein Strom von Segen,
Vom Glück der Welt ein vollster Regen.
Er galt fast all dem Höchsten gleich,
Wie man’s erzählt vom Himmelreich.
In kleinen goldnen Schalen kam,
Was man zu jeder Speise nahm:
Gewürze, Pfeffer, leckre Brühn.
Ass einer zaghaft oder kühn,
Sie fanden insgesamt genug,
Wie man’s mit Anstand vor sie trug.
Wein, Maulbeertrank, Siropel rot,
Wonach den Becher jeder bot,
Und welchen Trank er mochte nennen,
Den konnt’ er gleich darin erkennen,
Alles durch des Grales Kraft.
Die ganze werte Ritterschaft
War so zu Gaste bei dem Gral.
Wohl sah mit Staunen Parzival
Die Pracht der Wunder sich bezeigen;
Jedoch aus Anstand wollt’ er schweigen.
Er dachte: der getreue Mann,
Gurnemanz, befahl mir an,
Vieles Fragen zu vermeiden.
Drum will ich höflich mich bescheiden
Und warten, bis man ungefragt,
Von diesem Haus mir alles sagt,
Wie man bei Gurnemanz getan
Drauf sah er einen Knappen nahn
Mit einem Schwerte schön und stark;
Die Scheide galt wohl tausend Mark,
Der Griff ein einziger Rubin.
Das ward vom Wirt dem Gast verliehn:
“Ich hab’ es oft im Kampf getragen,
Bis Gott am Leibe mich geschlagen.
Herr, nehmt es als Ersatz entgegen,
Sollt’ man Euch hier nicht wohl verpflegen.”
Ach dass auch jetzt er nicht gefragt!
Um seinetwillen sei’s geklagt,
Da mit dem Schwert, das er empfing,
Die Mahnung doch an ihn erging.
Auch jammert mich sein Wirt zumal;
Denn von der ungenannten Qual
Würd’ er durch seine Frage frei.
Damit war nun das Mahl vorbei.
“Geheimnisreich ist Gottes Tat,”Sprach er,5“wer sass in seinem Rat?Wer kennt die Grenzen seiner Macht?335Kein Engel hat sie ausgedacht,Ja, Gott ist Mensch,” so fuhr er fort,“Ist seines Vaters ew’ges Wort,Ist Vater und ist Sohn zugleich,Sein Geist an Hilfe gross und reich.340Ein Wunder seltsam rätselvollIst hier geschehn; durch Euren GrollRangt Ihr ab dem höchsten Willen,Eures Herzens Wunsch zu stillen.Mir tat einst Eure Mühsal leid;345Denn unerhört zu aller ZeitWar’s, mit Gewalt der WaffenDen Gral sich zu erraffen.Ich hätt’ Euch gern den Wunsch benommen.Doch anders ist’s mit Euch gekommen:350Euch ward der herrlichste Gewinn.Nun kehrt an Demut Euren Sinn!”Drauf Parzival: “Mein Weib ist nah.Ich will sie sehn, die ich nicht sahNun seit fünf langen Jahren.355Da wir beisammen waren,War sie mir lieb und ist es noch.Drum lass mich ziehn! Dein Rat jedochSoll mir verbleiben bis zum Tod.Du rietest mir in grosser Not.”360So schied er von dem heil’gen Mann,Die Nacht durch ritt er fort im Tann;Der Weg war seinen Degen kund.Am Morgen fand er lieben Fund:Manch Zelt geschlagen auf dem Plane,365Vom Lande Brobarz manche Fahne,Der mancher Schild gefolgt von fern.Da lagen seines Landes Herrn.Er fragte nach der Fürstin Zelt;Das stand für sich abseits im Feld,370Von kleinen Zelten rings umfangen.Ihr Ohm, schon früh auf, kam gegangen;Noch war der Blick des Tages grau.Da sah er halten auf der AuEin Volk’ von Rittern und von Knappen,375Erkannte gleich des Grales WappenUnd eilte Herrn und DegenMit Willkommsgruss entgegen,Befahl auch, dass ein Jungherr liefUnd rasch der Herrin Marschall rief,380Die Gäste für den MorgenBehaglich zu versorgen.Den König führt’ er an der HandHin, da die Kleiderkammer stand,Ein klein Gezelt von Buckeram,385Wo man den Harnisch von ihm nahm.Noch war der Herrin nichts bewusst.Da fand er seiner Augen Lust:Im weiten Zelte schlief die SchöneUnd bei ihr seine kleinen Söhne,390Loherangrin und Kardeis,Und hier und dort umher im KreisLagen lichter Fraun genug.Der Oheim auf die Decke schlugUnd rief: “Willst du erwachen,395So wirst du fröhlich lachen!”Aufblickend sah sie ihren Mann.Ihr Hemd nur hat die Herrin an,Die nun die Decke um sich schwang,Vom Bette auf den Teppich sprang,400Und Parzival, er drückteAns Herz die Holdbeglückte.Man sagte mir, sie küssten sich.Sie sprach: “So hat das Glück mir dichGesendet, Herzensfreude mein!405Sollst Gott und mir willkommen sein!Nun sollt’ ich zürnen, kann es nicht.Heil sei dem Tag und seinem Licht,Der dies Umfangen mir gebracht,Das all mein Leid zunichte macht!410Des Herzens Wunsch, ich halt ihn hier,Und Sorge hat kein Teil an mir.”Nun wachten auch die Kinderlein.Er beugt sich zärtlich zu den zweinUnd küsste sie, die nackend lagen.415Der Ohm hiess sie von dannen tragen,Und auch die Frauen sandt’ er fort.Die grüssten erst mit freud’gem WortDen Herren nach der langen Reise;Dann führt sie aus dem Zelte leise420Der gute Ohm, der ParzivalSeinem holden Weib befahl.Noch war es früh; drum liessen wiederDie Kämm’rer rings die Zeltwand nieder.Hat ihn einst Blut und Schnee6verzückt,425Im Liebesweh sich selbst entrückt,Dafür—es war auf dieser Flur—Gab ihm Ersatz Kondwiramur,Die rot wie Blut und weiss wie Schnee.An keinem Ort sonst nahm er je430Minnetrost für Minnenot,Den manches Weib ihm liebend bot.
“Geheimnisreich ist Gottes Tat,”
Sprach er,5“wer sass in seinem Rat?
Wer kennt die Grenzen seiner Macht?
Kein Engel hat sie ausgedacht,
Ja, Gott ist Mensch,” so fuhr er fort,
“Ist seines Vaters ew’ges Wort,
Ist Vater und ist Sohn zugleich,
Sein Geist an Hilfe gross und reich.
Ein Wunder seltsam rätselvoll
Ist hier geschehn; durch Euren Groll
Rangt Ihr ab dem höchsten Willen,
Eures Herzens Wunsch zu stillen.
Mir tat einst Eure Mühsal leid;
Denn unerhört zu aller Zeit
War’s, mit Gewalt der Waffen
Den Gral sich zu erraffen.
Ich hätt’ Euch gern den Wunsch benommen.
Doch anders ist’s mit Euch gekommen:
Euch ward der herrlichste Gewinn.
Nun kehrt an Demut Euren Sinn!”
Drauf Parzival: “Mein Weib ist nah.
Ich will sie sehn, die ich nicht sah
Nun seit fünf langen Jahren.
Da wir beisammen waren,
War sie mir lieb und ist es noch.
Drum lass mich ziehn! Dein Rat jedoch
Soll mir verbleiben bis zum Tod.
Du rietest mir in grosser Not.”
So schied er von dem heil’gen Mann,
Die Nacht durch ritt er fort im Tann;
Der Weg war seinen Degen kund.
Am Morgen fand er lieben Fund:
Manch Zelt geschlagen auf dem Plane,
Vom Lande Brobarz manche Fahne,
Der mancher Schild gefolgt von fern.
Da lagen seines Landes Herrn.
Er fragte nach der Fürstin Zelt;
Das stand für sich abseits im Feld,
Von kleinen Zelten rings umfangen.
Ihr Ohm, schon früh auf, kam gegangen;
Noch war der Blick des Tages grau.
Da sah er halten auf der Au
Ein Volk’ von Rittern und von Knappen,
Erkannte gleich des Grales Wappen
Und eilte Herrn und Degen
Mit Willkommsgruss entgegen,
Befahl auch, dass ein Jungherr lief
Und rasch der Herrin Marschall rief,
Die Gäste für den Morgen
Behaglich zu versorgen.
Den König führt’ er an der Hand
Hin, da die Kleiderkammer stand,
Ein klein Gezelt von Buckeram,
Wo man den Harnisch von ihm nahm.
Noch war der Herrin nichts bewusst.
Da fand er seiner Augen Lust:
Im weiten Zelte schlief die Schöne
Und bei ihr seine kleinen Söhne,
Loherangrin und Kardeis,
Und hier und dort umher im Kreis
Lagen lichter Fraun genug.
Der Oheim auf die Decke schlug
Und rief: “Willst du erwachen,
So wirst du fröhlich lachen!”
Aufblickend sah sie ihren Mann.
Ihr Hemd nur hat die Herrin an,
Die nun die Decke um sich schwang,
Vom Bette auf den Teppich sprang,
Und Parzival, er drückte
Ans Herz die Holdbeglückte.
Man sagte mir, sie küssten sich.
Sie sprach: “So hat das Glück mir dich
Gesendet, Herzensfreude mein!
Sollst Gott und mir willkommen sein!
Nun sollt’ ich zürnen, kann es nicht.
Heil sei dem Tag und seinem Licht,
Der dies Umfangen mir gebracht,
Das all mein Leid zunichte macht!
Des Herzens Wunsch, ich halt ihn hier,
Und Sorge hat kein Teil an mir.”
Nun wachten auch die Kinderlein.
Er beugt sich zärtlich zu den zwein
Und küsste sie, die nackend lagen.
Der Ohm hiess sie von dannen tragen,
Und auch die Frauen sandt’ er fort.
Die grüssten erst mit freud’gem Wort
Den Herren nach der langen Reise;
Dann führt sie aus dem Zelte leise
Der gute Ohm, der Parzival
Seinem holden Weib befahl.
Noch war es früh; drum liessen wieder
Die Kämm’rer rings die Zeltwand nieder.
Hat ihn einst Blut und Schnee6verzückt,
Im Liebesweh sich selbst entrückt,
Dafür—es war auf dieser Flur—
Gab ihm Ersatz Kondwiramur,
Die rot wie Blut und weiss wie Schnee.
An keinem Ort sonst nahm er je
Minnetrost für Minnenot,
Den manches Weib ihm liebend bot.
1.The numbers refer to the original text, Bartsch’s edition; the translation is not a line-for-line version.2.A famous wood in Bretagne—la forêt de Bréchéliant. Wolfram’s spelling is Prizljan, Hartmann’s Brezilian.3.The blundering Parzival has now been instructed in the ways of knighthood by the gray-haired Prince Gurnemanz, who has told him to avoid asking questions about what he sees. With this caution in mind Parzival fails to inquire into the malady of the mysterious sick man in the Grail castle—a fateful error which involves him in long wanderings during which he despairs of God. The sick man is his uncle Anfortas, whom he is destined after a lapse of years, to heal by a simple question and to succeed as king of the Grail.4.Green silk from Arabia.5.The speaker is the wise old hermit Trevrizent, who has cleared up for Parzival the mystery of the Grail and led him to inward peace.6.In Book 6 it is related that Parzival, riding away from the castle of the Grail, comes upon three drops of blood in the snow—the blood of a wild goose that had been attacked by a falcon. The red and white remind him of Kondwiramur and he sinks into a moody trance.
1.The numbers refer to the original text, Bartsch’s edition; the translation is not a line-for-line version.
2.A famous wood in Bretagne—la forêt de Bréchéliant. Wolfram’s spelling is Prizljan, Hartmann’s Brezilian.
3.The blundering Parzival has now been instructed in the ways of knighthood by the gray-haired Prince Gurnemanz, who has told him to avoid asking questions about what he sees. With this caution in mind Parzival fails to inquire into the malady of the mysterious sick man in the Grail castle—a fateful error which involves him in long wanderings during which he despairs of God. The sick man is his uncle Anfortas, whom he is destined after a lapse of years, to heal by a simple question and to succeed as king of the Grail.
4.Green silk from Arabia.
5.The speaker is the wise old hermit Trevrizent, who has cleared up for Parzival the mystery of the Grail and led him to inward peace.
6.In Book 6 it is related that Parzival, riding away from the castle of the Grail, comes upon three drops of blood in the snow—the blood of a wild goose that had been attacked by a falcon. The red and white remind him of Kondwiramur and he sinks into a moody trance.
Pre-eminent as a graceful and cunning psychologist of sensual passion. His great work—all that we have from him except some lyric poems—is the love-intoxicated romance of Tristan and Isold, which he began early in the 13th century and did not live to complete. For this his principal source was the French trouvère, Thomas of Brittany, who composed hisTristanin England about 1180. Of this French poem only a few fragments are extant. The original Tristan-saga contained elements of revolting savagery, but in Gottfried’s poem,as in the fragments of Thomas, it is transformed into a courtly romance of love—an illicit love that defies conscience and the world and remains faithful unto death. The selections are from the translation by W. Hertz, 4th edition, Stuttgart, 1904.