Hundertsechzehnter Brief.
Frankfurt a. M., den 22. Februar 1849.
Unsere Aussichten werden täglich trüber! Die Preußen gehen zum Theil fort, die Österreicher (deren eine große Zahl fehlte) wählen erst jetzt und eilen nach Frankfurt, die Erklärungen der Könige weisen Dinge bestimmt zurück, die ihnen unbequem erscheinen, bleiben aber nächstdem bei leeren, nichtssagenden, altdiplomatischen Redensarten stehen (z. B.sie wünschten Deutschlands Wohl und Einigkeit) und geben zu der gerechten Vermuthung Anlaß, im Hintergrunde stehe der Zweck, einen engeren Bundestag zu bilden, wo die Könige und ihre Abgeordneten vorherrschen, die kleineren Fürsten wenig sind, und das Volkshaus nicht zum Dasein kommt.
Seit Monaten liegen die wichtigen Beschlüsse der Reichsversammlung vor Augen: war es nicht das Recht und die Pflicht der Fürsten und Regierungen sich darüber (vorder zweiten Lesung) in wohlbegründetem Tadel und in tröstender Beistimmung auszusprechen? Gerathen jene nicht in das ausgefahrne Gleise früherer Jahre, in die Vornehmthuerei und Geheimnißkrämerei, in die jämmerlichen Kunststücke einer abgestorbenen Diplomatik? — Wie können wir beider zweiten Lesung Einwendungen berücksichtigen, die man über die eigentlichen Hauptpunkte fast nirgends ausspricht? Wie darf man freundliche Nachgiebigkeit von der Reichsversammlung verlangen, wenn man die natürliche Besorgniß erregt: man wünsche (nach der zweiten Lesung) ihre Auflösung, um dann zu thun, was Jedem behagt! Erst hatten die Regierungen (aus Angst vor Aufständen) nicht den Muth,übertriebeneAnsprüche der hiesigen Versammlung zurückzuweisen; jetzt (das zeigt sich täglich mehr) möchten jene ihr alle Rechte absprechen und sie als ein revolutionaires Ungeheuer betrachten und behandeln. Große, tief eingreifende Bewegungen, endigen aber niemals mitnichts, und fast alle Glieder der hiesigen Versammlung werden sich links wenden, wenn die Fürsten nichts gelernt haben und nichts bieten, als einen ausgeflickten, geschminkten Bundestag.
In all den Noten der Kleinkönige spricht sich nichts aus, als der Götzendienst mit ihrer eigenen Majestät und die Furcht vor einem Kaiserthume, das Jeder gern annähme, aber Keiner dem Anderen gönnt. — Für den Fall aber, daß man das Kaiserthum bei Seite stellte und auf ihre Besorgnisse Rücksicht nähme, bieten sie denn einen Ersatz? Sie bietennichts; sie schweigen, und hoffen nach unserem Verstummen allein das große Wort zu führen. Gehen wir aber wirklich so jämmerlich zu Ende, wie1448 die baseler Kirchenversammlung; so werden nicht 69 Jahre vergehen, ehe ein zermalmender Luther aufsteht, und ihm folgend das ganze Volk!
Den 23. Februar.
Gestern ward ich dafür gestraft, daß ich vorstehend auf die Könige und Regierungen gescholten; ich mußte nämlich in der Paulskirche zwei Reden anhören, welche Proudhon’s und Raspail’s Beifall würden erhalten haben. Diesmal war indeß die Versammlung nicht milder gegen Meuterer und Spitzbuben, als gegen Beamte und Minister, und ließ sich nicht aufreden: kein politisches Verbrechen dürfe den Verlust des Wahlrechtes nach sich ziehen.
Gottlob, daß die aufsteigenden Gefahren den Muth der Abgeordneten (so scheint es) nicht schwächen, sondern stärken; daß sie dessen eingedenk bleiben, was sie sich, ihren Machtgebern, ihrem Vaterlande, ja, der Welt und Weltgeschichte schuldig sind. Schon haben über 200 Mitglieder die Euch mitgetheilten Beschlüsse für den Bundesstaat unterschrieben, und die sich eigenwillig Zerstreuenden sehen immer mehr ein, es sei nothwendig, sich über Hauptsachen zu vereinigen und zusammenzuhalten.
Den 24. Februar.
Heute feiern die deutschen und Reichsdemokraten in Mainz den Geburtstag der französischen, undreden und trinken auf das Gedeihen der künftigen deutschen Republik. Daß die erste mißglückt ist, können sie nicht mehr läugnen, und ebensowenig, daß sie gehaßt wird. Aus so gewaltigen, furchtbaren, mißlungenen Versuchen ist die rasche Rückkehr zu irgend einer dauernden, gemäßigten Herrschaft aber unendlich schwer; und wo ein anerkannter Schwerpunkt fehlt, um welchen man sich bewegt, kann eben diese Bewegung keine geregelte und beglückende sein. Deshalb werden die Franzosen ihren eigenen Mitbürgern noch oft zurufen:vae victis, weh den Besiegten! und muthige Generale (wie Cavaignac, Changarnier und Bedeau) werden mit dem Schwerte den Takt dazu schlagen.
Lügen die Zeitungen nicht (wie ich diesmal hoffe), welch eine neue Probe alter, schmachvoller Diplomatik gäben alsdann die baierschen Minister und Gesandten! Bevor sie einer, von ihnen selbst anerkannten, deutschen Reichsversammlung nur ein freundliches Wort der Verständigung gönnen, klagen sie dieselbe vor fremden Regierungen an, ja, fordern diese (weil es den Ehrgeizigen und Eigennützigen in ihren Bettelkram einer angeblichen Großmacht dient) deutlich genug auf, sich in deutsche Angelegenheiten zu mischen! Und der Königseid wird in einer Weise gedeutet, daß er jede großartige Verbesserung deutscher Zustände unmöglich machen würde! In ähnlicher Richtung bewegtesich — schon früher und hielt mich für so dumm, daß ich nichts davon merke; weil ich unsere schwarze Wäsche nicht (wie Napoleon sagte) vor französischen Urtheilern waschen und Waschweibergezänk dazu führen mochte.