III.

III.

Rückgang der Zuckerpreise und der Tabaksindustrie.

Weitere Schwierigkeiten für die Kulturentwickelung Cubas und für die volle Geltendmachung der ihm inne wohnenden Fähigkeiten haben sich aus der fortschreitenden Entwertung seiner beiden Hauptstapelerzeugnisse ergeben. Dem Rohrzucker ist in dem Rübenzucker ein übermächtiger Konkurrent erstanden, und die Zuckerpreise sind dadurch gegen früher auf ihren vierten oder fünften Teil gesunken. Den Pflanzern blieb dabei ein spärlicher oder unter Umständen wohl gar kein Gewinn, und viele würden die Kultur sicherlich ganz aufgeben, wenn sie sich nicht durch die beschriebenen Arbeiterverhältnisse und durch den aufgebotenen kostspieligen Apparat der Maschinen und Baulichkeiten gezwungen sähen, auf der einmal betretenen Bahn zu beharren. Hat doch die Einrichtung mancher cubanischer Ingenios mehr als eine Million Dollars gekostet. Wie ungünstig die Notlage der Pflanzer auf die Lage der übrigen Volksklassen, und besonders auf die Lage des weißen und farbigen Proletariats zurückwirkte, ist aber ohne weiteres zu ermessen: die Löhne der Pflanzungsarbeiter wurden niedrigere, der Luxus und der Geldaufgang in den Städten schwand, es bot sich in Land und Stadt seltener Arbeitsgelegenheit, und die Zahl der Bettler und Desperados mehrte sich in erschreckender Weise. Das war auf den anderen westindischen Zuckerinseln, und vor allem auf denen, die der britischen Krone unterstehen — auf St. Christopher, Antigua, Barbados u. s. w. — genau ebenso. Dort betraf die allgemeine Verarmung aber viel kleinere Volksmassen, deren Klagen leichter überhört wurden und denen es zu bedrohlichen politischen Demonstrationen sowie zu bewaffneten Aufständen gegen das vermeintliche oder wirkliche Mißregiment an der Kraft fehlte. Auf Cuba war das anders, und dort hat die Zuckerkrise zweifellos ganz wesentlich mit dazu beigetragen, daß der letzte Aufstand die bekannte gewaltige und für Spanien verhängnisvolle Ausdehnung angenommen hat.

Nicht viel besser als um die Zuckerindustrie war es übrigens in den letzten Jahrzehnten um die cubanische Tabakindustrie bestellt, und an diesem Erwerbszweige hing ebenfalls unmittelbar oder mittelbar das Wohl und Wehe von einem starken Bruchteile der Inselbevölkerung. Das Volumen der Ernte und die Güte des Erzeugnisses hielt sich zwar trotz der Erschöpfung weiter Anbaustrecken im allgemeinen auf der alten Höhe, die damit erzielten Preise wurden aber durch die Konkurrenz anderer Tabakländer (Sumatras, Manilas, Mexicos) immer gedrückter, und dem zu Cigarren und Cigaretten verarbeiteten Kraut wurden durch die Schutzzollsätze der Absatzgebiete (der Vereinigten Staaten, Deutschlands u. s. w.) in beträchtlichem Umfange der Eingang verwehrt, so daß die Zahl der ausgeführten Cubacigarren von 250,5 Millionen im Jahre 1889 auf 147,4 Millionen im Jahre 1893 sank. Dabei war die Tabakbauerbevölkerung sowie auch die Cigarrenarbeiterbevölkerung von jeher eine ganz besonders stark zur Illoyalität geneigte Volksklasse, und Tabakunruhen sind bereits in den ersten Jahrzehnten des XVIII. Jahrhunderts zu verzeichnen gewesen.

Abb. 22.Eine Estancia.

Abb. 22.Eine Estancia.

Wachsen der Schulden.

Sehr schlimm war es sodann für Cuba und seine Bewohner und Herren, daß durch die wiederholten Aufstände und namentlich durch den langwierigen Bürgerkrieg der sechziger und siebziger Jahre eine ungeheure öffentliche Schuldenlast (gegen 750 Millionen Mark) auf die Insel gehäuft wurde und daß die Verzinsung dieser Schuld zusammen mit dem Aufwande für das Verteidigungswesen (1894: 77,6 Millionen Mark) den weitaus größten Teil der öffentlichen Einnahmen (1894: 80 Millionen Mark) verschlang. Für öffentliche Kulturarbeiten und Verbesserungen jeder Art blieb auf diese Weise so gut wie gar nichts übrig, und vor allen Dingen hatte man sowohl von der Anlage eines guten Landstraßennetzes als auch von dem weiteren Ausbau des Eisenbahnnetzes abzustehen — von der sehr wünschenswerten und technisch ohne erhebliche Schwierigkeit ausführbaren Kanaldurchstechung an dem niedrigen Isthmus von Moron zu geschweigen. Und doch hätte man hierin das allerbeste Mittel gewonnen, das danieder liegende Wirtschaftsleben unmittelbar kräftig zu fördern, das Banditenwesen auszurotten, aufständischen Bewegungen wirksam zu begegnen und den inneren Frieden nach allen Richtungen hin zu befestigen. Gewisse Landungserleichterungen hätten gleichfalls not gethan, obgleich Cuba mit Naturhäfen so wohl ausgestattet ist, wie kaum ein anderes Land der Erde, und desgleichen auch gewisse Stromkorrekturen und Schutzdammbauten gegen die Überschwemmungen der Regenzeit, die Entwässerung großer Sumpfstrecken, die systematische Sanierung der Städte und dergleichen, und auch diese Ameliorationen hätten mancherlei dazu beitragen können, eine mit ihrem Schicksal zufriedene und zum Aufruhr weniger geneigte Bevölkerung zu schaffen. Dazu hatte die öffentliche Schuld natürlich einen starken Steuerdruck zur Folge, und wenn derselbe auch in der Gestalt direkter Abgaben nicht sehr empfindlich war, so war er es doch in der Gestalt hoher Eingangszölle auf die notwendigsten Lebensbedürfnisse. Beispielsweise hatte das Weizenmehl dadurch in Cuba nahezu einen dreifach so hohen Preis als in der Nordamerikanischen Union.

Abb. 23.Ein Bohio und seine Bewohner.

Abb. 23.Ein Bohio und seine Bewohner.

Schwächen der Verwaltung.

Daß die üble Finanz- und Wirtschaftslage auch überaus nachteilig auf den Charakter der Verwaltung einwirken mußte, ist selbstredend. Die spanische Beamtenschaft auf Cuba wurde schlecht und unregelmäßig bezahlt und war deswegen auch großenteils von zweifelhafter moralischer und intellektueller Beschaffenheit — ein wenig geeignetes Instrument des Kolonialregiments bei der ihm obliegenden schweren Aufgabe. An zahllosen Orten suchte persönliche Schurkerei im Trüben zu fischen, und Bestechlichkeit der schlimmsten Art machte sich nicht bloß breit in den Zollhäusern, sondern auch in dem Polizeiwesen und in den Gerichtssälen. Eine wahre Pest des Landes waren vor allen Dingen die allenthalben umherschleichenden Winkeladvokaten, die das Recht nach jeder beliebigen Richtung beugten. Auch selbst an oberster Stelle — auf dem Posten des Generalstatthalters — hielt man sich nicht immer frei von dem Vorwurfe selbstsüchtiger Bereicherung, und außerdem waltete an dieser Stelle in vielen Fällen offenkundige Unfähigkeit. Es spielte in dieser Beziehung namentlich die Günstlingswirtschaft einer Isabella II. unheilvoll in die cubanischen Verhältnisse hinein. Die Verbitterung der ohnedies schon unzufriedenen Volksklassen gegenüber Spanien stieg hierdurch aber auf das höchste, und die große Mehrzahl erblickte in dem korrupten Beamtentum die Wurzel aller Übel.

Ganz undenkbar war endlich unter den obwaltenden Verhältnissen auch ein rüstiges Fortschreiten der wissenschaftlichen Durchforschung der Insel im Geiste der neuen Zeit, und was in dieser Richtung von seiten der Verwaltung geschah, war im allgemeinen nur dazu angethan, zu hemmen und zu hindern. Selbst eine genaue Arealvermessung und eine einigermaßen zuverlässige topographische Kartierung unterblieb, und ebenso unterblieb auch die Vervollständigung der in besseren Zeiten rühmlich begonnenen Küstenaufnahme. In Bezug auf den geologischen Bau stellten Pedro Salterain und F. de Castro Anfang der achtziger Jahre verschiedene wichtige Thatsachen fest, die darauf begründete geologische Karte hat aber nur den Wert einer vorläufigen flüchtigen Skizze. Nicht hoch genug können ferner die sorgfältigen Beobachtungen angeschlagen werden, welche der Jesuitenpater Benito Viñes von dem Belen-Kolleg Habanas durch eine lange Jahresreihe betreffs der meteorologischen Erscheinungen angestellt hat: außerhalb Habanas geschah aber auch in dieser Richtung seit den vierziger Jahren nicht das Geringste, und unsere Kenntnis von der Insel hatte daher in Bezug auf das Klima im wesentlichen auf der Stufe zu verharren, auf der es bereits in Zeiten des Humboldtschen „Essai politique“ (1824) angelangt war.[2]

Abb. 24.Chinesischer Straßenverkäufer.

Abb. 24.Chinesischer Straßenverkäufer.

Verwaltungspolitik.Militärische Unkenntnis.

Auf die Handhabung der cubanischen Probleme ganz im allgemeinen — der verwaltungspolitischen ebenso wie der militärischen — mußte der üble Stand der cubanischen Landeskunde gleichfalls überaus nachteilig zurückwirken, und man darf in dieser Hinsicht das alte gute Wort anwenden: „Wen der Herr verderben will, den schlägt er mit Blindheit.“ Wie hätten die Regierenden im Mittelalter — die Cortes und die Ratgeber der spanischen Krone — die zweckentsprechenden Entschließungen in Bezug auf ihren kostbaren Kolonialbesitz fassen sollen, da sie so schlecht über ihn unterrichtet waren! Und wie hätten ihre Beauftragten in Habana und in den anderen Hauptstädten Cubas den Bedürfnissen der Bevölkerung bei ihren Maßregeln genügend Rechnung tragen sollen! Regierende sollen eben vor allen Dingen Wissende sein, und wenn sie das nicht sind, so begehen sie, auch wenn sie von den besten Absichten und der stärksten Willenskraft beseelt sind, Irrtum auf Irrtum und Mißgriff auf Mißgriff, bis das ganze ihnen anvertraute Räderwerk ins Stocken gerät oder zerbricht. Des Schandregimentes einer Isabella II. und der Schwächen und Schwankungen aller nach ihrem Sturze folgenden spanischen Regierungen — die gegenwärtige eingeschlossen — hätte es also gar nicht bedurft, um die cubanischen Angelegenheiten in jeder Beziehung im argen zu lassen. Was die Verwaltungspolitik anlangt, so wurzelte in der herrschenden Unkenntnis insbesondere auch das zähe Festhalten an gewissen Grundsätzen des alten Kolonialsystems. Man suchte dem Mutterlande das Handelsmonopol früherer Zeiten so viel als möglich zu erhalten, indem man Schiffahrtsgesetze erließ, nach denen die in den cubanischen Häfen verkehrenden spanischen Schiffe im Gegensatze zu den Schiffen anderer Völker als Küstenfahrer galten, und indem man zugleich ein überaus lästiges und den Handelsinteressen der Cubaner zuwiderlaufendes Differential-Schutzzollsystem aufrichtete. Undein Teil der oben angegebenen gemeinnützigen Werke — namentlich ein Teil der Straßenbauten — hätte wohl trotz der Finanznot ausgeführt werden können, wenn betreffs derselben nicht zugleich ein hoher Betrag von Gleichgültigkeit und Stumpfsinn, — den unmittelbaren Äußerungen jener Unkenntnis — obgewaltet hätte. Was aber die militärischen Probleme angeht, mit denen man es zu thun hatte, so befanden sich die spanischen Heerführer bei dem Mangel an einer guten topographischen Karte und an anderweiten eingehenden Informationen über Land und Leute in einer sehr üblen Lage, und wenn ihre Operationen gegenüber den über einen ausgezeichneten ortskundigen Ausspäherdienst verfügenden Insurgenten den Eindruck eines vorsichtigen Tappens und Tastens im Dunklen machten, so brauchte man sich darüber eigentlich nicht zu wundern. Die wilde Zerklüftung und der Höhlenreichtum der cubanischen Gebirge, der dichte Buschwuchs der sogenannten „Manigua“ und die zahlreichen Waldsümpfe mit den sich darin bietenden Schlupfwinkeln machten ein sorgfältiges militärgeographisches Studium doppelt unentbehrlich. Und ebendasselbe wie von dem Inneren gilt auch von der Küste. Durch die lange Ausgezogenheit derselben (auf 3500kmim allgemeinen Umriß) und durch das verwickelte System der sie begleitenden Nebeninseln und Bänke und Riffe, sowie der sie umflutenden Strömungen lagen auch dort die Verhältnisse ungemein schwierig. Während die Aufständischen aber daselbst in der creolischen und farbigen Fischerbevölkerung allenthalben dienstbereite und mit dem Fahrwasser wohlvertraute Piloten fanden, so tasteten die Befehlshaber der spanischen Kanonenboote auch dort vielerorten in einem unbekannten und dunklen Labyrinthe umher, und die bekannten Flibustierexpeditionen aus den Häfen der Vereinigten Staaten, sowie alle anderen Parteigänger der Insurrektion hatten auf diese Weise in den allermeisten Fällen völlig unbehinderten Aus- und Eingang. Alles in allem aber darf man behaupten, daß bei besserer Landeskenntnis der spanischen Offiziere das Aufgebot einer viel geringeren Truppenzahl ausgereicht haben würde, die Aufstände niederzuwerfen, und daß also das Dahinsterben von vielen Tausenden durch klimatische Krankheiten hätte vermieden werden können. Zugleich hätte die Kriegsleitung es dann aber auch nicht nötig gehabt, zu der harten Maßregel der sogenannten „Rekonzentration“ zu greifen, wodurch ein großer Teil der Landbevölkerung dazu gezwungen wurde, sich ohne genügende Subsistenzmittel in den von den spanischen Befestigungen beherrschten Außenteilen der Städte anzusiedeln (Abb. 25), und wodurchbei dem weiteren unglücklichen Verlaufe des Kampfes Tausende dem Hungertode preisgegeben wurden.

Abb. 25.Reconcentrados-Dörfchen am Montserrat von Matanzas.

Abb. 25.Reconcentrados-Dörfchen am Montserrat von Matanzas.

Abb. 26.Königspalmen.

Abb. 26.Königspalmen.

Einfluß der Vereinigten Staaten.

Und hätten die spanischen Staatslenker zu Madrid, wenn sie die cubanischen Angelegenheiten besser verstanden und beurteilt hätten, nicht auch den Zusammenstoß mit dem äußeren Feinde, der sie auf Cuba bedrohte, vermeiden können? Oder ihm doch wirksamer begegnen? Auch wie die Dinge hinsichtlich der cubanischen Rassen- und Wirtschaftsverhältnisse, sowie hinsichtlich seiner Militär- und Civilverwaltung thatsächlich lagen, hätte ja der Aufstand von 1895–1898 schwerlich zu einer vollkommenen Vernichtung der spanischen Herrschaft über Cuba geführt, wenn die Insurgenten nicht in der Nordamerikanischen Union einen Verbündeten gehabt hätten, und wenn die spanische Regierung nicht auch der Union gegenüber alle ihre Schwächen und alle ihre Blindheit an den Tag gelegt hätte.

Daß zwischen Cuba und den Vereinigten Staaten von Nordamerika enge Verkehrs- und Kulturbeziehungen entstehen mußten, sobald die beiden Länder auf einer höheren Stufe ihrer Entwickelung angelangt waren, erhellt bei der flüchtigsten Betrachtung ihrer geographischen Lage zu einander, und ebenso erhellt daraus auch, daß unter Umständen eine gewisse Gefahr für die spanische Kolonialherrschaft von der Union her drohen konnte. Den von verschiedenen Seiten gepredigten Glaubenssatz, als ob es ein unabwendbares Verhängnis — oder, um mit dem amerikanischen Schlagworte zu reden: „a manifest destiny“ — gewesen sei, wonach Cuba der politischen Machtsphäre der Vereinigten Staaten verfallen mußte, können wir aber nicht gelten lassen. Freilich ist wohl auch bei der Gebietsentwickelung der staatlichen Gemeinwesen jederzeit eine Art Gesetz von der Anziehung der Massen wirksam gewesen, aber so streng mathematisch und einfach wie bei den Himmelskörpern ist es dabei nie und nirgends zugegangen, und in zahlreichen Fällen hat im politischen Leben eine kräftige Fernewirkung eine nicht minder kräftige Nähewirkung gänzlich aufgehoben. Würde sonst wohl der Organismus des britischen Weltreiches Bestand haben können, und sollte man es sonst nicht viel eher für ein „manifest destiny“ erklären, daß das durch das Geäder des Rheinstromes mit Deutschland verbundene und auch sonst in jeder Weise verwachsene Holland dem deutschen Reichsgebiete eingefügt werden müsse? Der Meeresraum, welcher Cuba von der Nordamerikanischen Union trennt, ist immerhin noch wesentlich breiter als derOstseeraum zwischen Stralsund und den südschwedischen Küstenplätzen, und wenn der letztere eine sogenannte Naturgrenze zwischen verschiedenen Kulturkreisen und Staatsgebieten bildet, so sollte man es wohl auch von dem ersteren erwarten dürfen. Wenn Schweden die fragliche europäische Naturgrenze eben seinerzeit außer Augen gesetzt und Stralsund nebst anderen Teilen Pommerns unter seiner Herrschaft gehalten hat, so konnte dies nur durch einen Gewaltakt geschehen, dem von Deutschland aus kein wohlorganisierter und wohlgeleiteter begegnete; und daß dies in dem Falle von Cuba ebenso war, ließe sich leicht im einzelnen nachweisen.

Gegen außen aggressiv und annexionslustig ist die Nordamerikanische Union von ihren ersten Anfängen an gewesen — nicht weniger als die verschiedenen Monarchien Europas —, und hinsichtlich Cubas hat vor allen Dingen schon Thomas Jefferson, der geistreichste und schärfstblickende unter den amerikanischen Präsidenten, erklärt, daß die Erwerbung der Insel seitens der Union der Abrundung und Sicherung ihrer Grenzen, sowie ihrer ganzen zukünftigen Entwickelung halber außerordentlich wünschenswert sei. Nach ihm aber ist der Wunsch, des Nachbars Weinberg zu besitzen, in der Union ganz besonders lebendig gewesen, als die südliche Sklavenhalterpartei darauf bedacht sein mußte, sich ihren nördlichen Anfechtern gegenüber so viel als immer möglich zu verstärken. Präsident Polk, der auch den bekannten Eroberungskrieg gegen Mexico führte, machte damals Spanien das Anerbieten, die Insel für 100 Millionen Dollars kaufen zu wollen, und als dasselbe stolz zurückgewiesen worden war, da brauchte James Buchanan in amtlicher Botschaft zum erstenmale das Wort von der „manifest destiny“ Cubas, der Kongreß zu Washington aber faßte den ausdrücklichen Beschluß, die Insel mit Waffengewalt zu erobern, falls ihre gütliche Abtretung gegen eine Entschädigungssumme des weiteren verweigert werde. Und dies alles geschah zu einer Zeit, wo Cuba unter dem spanischen Regiment wirtschaftlich auf das höchste prosperierte, und wo daselbst außer dem Rassenzwiespalt keinerlei erhebliche Schwierigkeit für die spanische Verwaltung bestand.

In der Folge hat sich die Exekutive der Unionsregierung eine größere Zurückhaltung in der cubanischen Frage auferlegt, und namentlich hat sie während des ganzen zehnjährigen Aufstandes von 1868–1878, sowie auch während der ersten Jahre des soeben beendeten Aufstandes die Pflichten der Neutralität in gewisser Weise zu erfüllen gesucht. Da die Fähigkeiten und Befugnisse des Präsidenten in dieser Beziehung sehr beschränkte sind, so war damit aber für Spanien wenig gewonnen, und in den gesetzgebenden Körperschaften, sowie in der Presse und in den Volksversammlungen jeder Art war von der Einverleibung Cubas in die Union oder doch von der Notwendigkeit, die Insel von der spanischen Herrschaft zu befreien, nach wie vor sehr laut die Rede — unter stetem Hinweis auf die Monroedoktrin, nach der Amerika die ausschließliche Domäne der „Amerikaner“ sein soll. Thatsächliche Hilfe leisteten die Unionsbürger den Insurgenten nicht bloß in der Gestalt von Geldsammlungen, sondern auch in Gestalt von wohlausgerüsteten Flibustierexpeditionen, und wenn die letzteren, in denen die Insurrektion ihren eigentlichen Lebensnerv hatte, gelegentlich von der Regierung ergriffen wurden oder in spanische Hände gerieten, so wurde amtlich immer dafür gesorgt, daß den Mitgliedern kein ernster Schaden daraus erwuchs. Die cubanische Junta aber, der die oberste Leitung der Aufstände oblag, erfreute sich in New York und Washington der weitgehendsten Duldung und der sorgsamsten amtlichen und außeramtlichen Pflege. Nur so war es möglich, daß der Aufstand von 1868 sich über die ganze Insel verbreitete und zum Unheile für das Wirtschaftsleben und die Finanzen Cubas zehn volle Jahre währte, und nur so nahm auch der neueste Aufstand den für Spanien und für die cubanischen Reconcentrados verhängnisvollen Charakter an. Spanien hatte dem ganzen Treiben gegenüber, bei dem auch das ehrlichste Bemühen von seiner Seite nichts fruchten konnte, nur schwachmütige Proteste und Vorstellungen, und der letzte entscheidende Schlag, den seine Gegner nach der bekannten, durch das amerikanische Gutachten in keiner Weise genügend aufgeklärten Maineexplosion ausführte, traf es gänzlich unvorbereitet. Was wunder, daß die Streitkräfte der Union bei Manila und Santiagoihre raschen und leichten Siege errangen, und daß diese Siege hinreichten, den Amerikanern ganz Cuba und dazu auch den übrigen spanischen Kolonialbesitz auf Gnade und Ungnade zu überantworten!

Cubas Verlust für Spanien.

In welcher Weise die Cubanerkolonien zu New York und Key West, in denen von Anfang an politische Flüchtlinge und Vertriebene (Creolen ebenso wie Mulatten) den Hauptbestandteil ausmachten, mithalfen, die „manifest destiny“ Cubas herbeizuführen, bedarf keiner weiteren Ausführung. Dagegen ist es vielleicht nicht überflüssig, zu betonen, daß auch die Mißgriffe der spanischen Zollgesetzgebung viel dazu beigetragen haben, die spanische Position auf Cuba mehr und mehr zu einer schwer haltbaren zu machen. Vor allen Dingen würdigten die spanischen Staatsmänner in dieser Beziehung nicht die hohe handelspolitische Bedeutung der sogenannten Rimessen, und während sie die cubanische Einfuhr dem Mutterlande so viel als möglich zu erhalten suchten, so lenkten sie die Ausfuhr des Zuckers, des Tabaks, der Erze und der Früchte mit Rücksicht auf die unmittelbaren Vorteile systematisch nach den Unionshäfen, dabei nicht bedenkend, daß sie ihre Kolonie auf diese Weise mehr und mehr in wirtschaftliche Abhängigkeit von der Union brachten. Es gingen so Anfang der neunziger Jahre 80 bis 90 Prozent des cubanischen Zuckers nach New York, Philadelphia, Baltimore u. s. w., und dazu auch mehr als 60 Prozent des Blättertabaks und gegen 50 Prozent der Cigarren. Einerseits gewannen dadurch aber die amerikanischen Zucker- und Tabakspekulanten einen tiefgreifenden Einfluß in den cubanischen Angelegenheiten, um gleich den gewissenlosen spanischen Beamten „im Trüben zu fischen“, und andererseits erlangte dadurch die Unionsregierung auch einen Schein des Rechtes für ihre Einmischungspolitik. Präsident McKinley durfte so, als er infolge der Mainekatastrophe dem amerikanischen Volkswillen hinsichtlich Cubas die Zügel schießen lassen mußte, aller Welt verkünden, daß er nicht bloß im Interesse der Humanität — um den von seinem Lande her fünfzig Jahre lang geschürten furchtbaren Brand auf Cuba zu dämpfen —, sondern auch im Interesse des geschädigten Handels der Union die Waffen gegen Spanien ergreife.

Abb. 27.Königspalmenallee.

Abb. 27.Königspalmenallee.

Wenn Cuba in der angedeuteten Weise durch eine Verkettung historischer Verhältnisse und durch einen von langer Hand vorbereiteten Gewaltakt in seine augenblickliche Lage gelangt und für Spanien verloren gegangen ist, so versteht es sich von selbst, daß es einer weiteren Verkettung historischer Verhältnisse und wahrscheinlich auch weiterer Gewaltakte bedürfen wird, sein ferneres Schicksal zu gestalten. Dieder Insel zu stellende Prognose ist in dieser Hinsicht eine sehr schwierige. Zur Zeit sind nicht die Creolen die Herren der Situation auf Cuba, sondern die Amerikaner von der Union, und angesichts des Rassenzwiespaltes, der auf der Insel vorhanden ist, muß man dies als ein Glück bezeichnen. Eine Reihe weiterer blutiger Auseinandersetzungen und eine Fortdauer der Verwüstungen würde sonst kaum zu vermeiden sein. Im übrigen wird es aber sehr darauf ankommen, welches die Hauptfaktoren sein werden, die nunmehr von der Union her gestaltend in das cubanische Wirtschafts- und Kulturleben eingreifen; ob die großen Zucker- und Tabakspekulanten und Professionspolitiker, denen Gewissen und Anstand in keinem geringeren Maße abgeht als den schlechtesten spanischen Verwaltungsbeamten, und denen es so wenig als diesen darauf ankommen würde, die in ihre Hände geratene goldene Gans zu würgen und zu mißhandeln, um eins von ihren goldenen Eiern zu erlangen; oder die Klasse der rechtschaffenen Leute und Idealisten, die an eine höhere Kulturmission ihrer großen Republik glauben, und denen es allen Ernstes darum zu thun ist, allerorten, wo das Sternenbanner weht und wo der amerikanische Adler seine Fittiche ausbreitet, so viel als auf Erden eben möglich, Gefilde der Glücklichen zu schaffen und Freiheit, Recht und Menschenwürde zur Anerkennung zu bringen.

Soweit die geographischen Verhältnisse die zukünftige Entwickelung Cubas mitbestimmen werden, sparen wir uns die Schlüsse der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf für die nachfolgenden Abschnitte, in denen wir an der Hand unserer eigenen Anschauungen, sowie an der Hand der besten vorhandenen Informationsquellen im Geiste eine Umsegelung der Insel, sowie eine Reihe von Streifzügen quer durch sie hindurch unternehmen wollen.

[2]Das meiste thaten in neuerer Zeit zur Förderung der wissenschaftlichen Landeskunde Ausländer, Deutsche und Amerikaner: J. Gundlach, der die Insel 54 Jahre lang in den verschiedensten Teilen und Richtungen durchstreifte, um vor allem ihre tiergeographischen Verhältnisse in umfassender Weise klar zu legen, A. Grisebach, der auf Grund der von dem Amerikaner C. Wright gemachten Sammlungen seinen „Catalogus plantarum Cubensium“ (1866) zusammenstellte, und Alexander Agassiz, R. T. Hill und J. W. Spencer, die die Grundzüge der geologischen Entwickelungsgeschichte der Insel und den Anteil der Korallentierchen an ihrem Aufbau festzustellen suchten.

[2]Das meiste thaten in neuerer Zeit zur Förderung der wissenschaftlichen Landeskunde Ausländer, Deutsche und Amerikaner: J. Gundlach, der die Insel 54 Jahre lang in den verschiedensten Teilen und Richtungen durchstreifte, um vor allem ihre tiergeographischen Verhältnisse in umfassender Weise klar zu legen, A. Grisebach, der auf Grund der von dem Amerikaner C. Wright gemachten Sammlungen seinen „Catalogus plantarum Cubensium“ (1866) zusammenstellte, und Alexander Agassiz, R. T. Hill und J. W. Spencer, die die Grundzüge der geologischen Entwickelungsgeschichte der Insel und den Anteil der Korallentierchen an ihrem Aufbau festzustellen suchten.

[2]Das meiste thaten in neuerer Zeit zur Förderung der wissenschaftlichen Landeskunde Ausländer, Deutsche und Amerikaner: J. Gundlach, der die Insel 54 Jahre lang in den verschiedensten Teilen und Richtungen durchstreifte, um vor allem ihre tiergeographischen Verhältnisse in umfassender Weise klar zu legen, A. Grisebach, der auf Grund der von dem Amerikaner C. Wright gemachten Sammlungen seinen „Catalogus plantarum Cubensium“ (1866) zusammenstellte, und Alexander Agassiz, R. T. Hill und J. W. Spencer, die die Grundzüge der geologischen Entwickelungsgeschichte der Insel und den Anteil der Korallentierchen an ihrem Aufbau festzustellen suchten.


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