VI.
Die Natur der cubanischen Küste und des Meeresraumes, der sie begleitet, ändert sich, wenn man das Kap Cruz hinter sich hat, in geradezu überraschender Weise. Niemand hat dies wohl lebhafter empfunden, als Christoph Kolumbus, und weil derselbe ohne weiteres erkannte, daß von hier ab gegen West ganz andere und weit schwierigere Probleme seiner harrten, als zwischen Baracoa und Nuevitao und zwischen Kap Maisi und Kap Cruz, so wendete er sich auf seiner zweiten Reise alsbald von dem fraglichen Punkte weg gegen Süd und hinüber nach Jamaica, um seine Fahrt entlang der Südküste von Cuba erst später wieder aufzunehmen.
Abb. 52.Die Bucht von Cienfuegos.
Abb. 52.Die Bucht von Cienfuegos.
Die Cayos.
Mächtige Sandbänke, darunter vor allem der ungeheure Bajo de Buena Esperanza, lagern sich dem Seefahrer in den Weg, und die meisten derselben sind mit jungen, gutenteils noch von Leben erfüllten Korallenbauten besetzt und umsäumt, die vielfach hart an die Meeresoberfläche treffen und an denen die See mehr oder minder stark brandet. Endlos folgen einander daneben niedere Inselchen aus fossilem Korallenkalk und Sand, die in der Regel kaum meterhoch, oft genug auch kaum zollhoch über den Flutenstand des Meeresspiegels emporragen, und über die jede stärkere Sturmwoge hoch hinweg schlägt, so daß eine andere Vegetation als Mangrovegebüsch und ein anderes Tierleben als Vogelleben nicht auf ihnen denkbar ist. Es sind dies die sogenannten Cayos oder Keys, die Cuba als eine Art kleiner Trabanten rings umschwärmen, und deren Zahl allein auf der kaum 300kmlangen Strecke zwischen Kap Cruz und der Agabamamündung mehr als tausend betragen mag. Jeder einzelne davon gewährt, vom Schiffe aus betrachtet, ein überaus reizendes und freundliches, ja vielfach ein bezauberndes Bild, aber einer gleicht in seinem Gepräge genau dem anderen, und nur die Ausdehnung wechselt zwischen einem Hektar oder Ar und gegen 50qkm(Abb. 42). Der Schiffer sieht sich bei ihnen vergeblich nach Merkzeichen um, die ihm den rechten Kurs einhalten helfen, und nur eine kleine Zahl, die ein paar Meter höher emporsteigt und außer Mangroven einige Fächerpalmen oder einem Ceibabaume (Eriodendron anfractuosum) die erforderlichen Daseinsbedingungen bietet, macht in dieser Regel eine Ausnahme. Besonders winzig sind die Inselchen auf dem ersten Dritteile der Strecke, an der Bucht von Guacanayabo, sie sondern sich daselbst aber gut in einzelnen Gruppen, zwischen denen verhältnismäßig breite und tiefe Durchfahrten liegen — der Balandraskanal, östlich von der Buena-Esperanza-Bank, und der Barcoskanal sowie der Quatro-Reales-Kanal, der Pitajayakanal und der Levizakanal, westlich davon. In dem mittleren Teile der Strecke dagegen, dort, wo die Landschaft des Camaguey sich weit gegen Südwest ausbaucht und ihre bedeutendste Breite (110km) erreicht, sind die Keys etwas größer, ihr regelloses Durcheinander ist aber hier ein völlig verwirrendes, und die alten spanischen Seefahrer haben die Zusammenscharung an der fraglichen Strecke mit sehr triftigem Grunde das Zwölfmeilenlabyrinth —Laberinto de Doce Leguas— benannt. Weiter westlich folgen dann die drei größten Keys der ganzen Flur (Cayo Caballones, C. Piedra und C. Grande), an deren Seiten die Caballones- und Boca-Grande-Durchfahrt den Fahrzeugen von der hohen See her offen stehen, und endlich streckt sich die große Bank des Cayo Breton, auf der sich zahllose Schildkröten und Fische zwischen den Riffen tummeln, 55kmweit gegen Nordwest bis in die Nähe der Hauptinsel.
Abb. 53.Vorstädtisches Cienfuegos nebst Bai und Tafellandumgebung.âGRÖSSERES BILD
Abb. 53.Vorstädtisches Cienfuegos nebst Bai und Tafellandumgebung.
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Abb. 54.Uferlandschaft des Rio Damuji.
Abb. 54.Uferlandschaft des Rio Damuji.
Südlich stößt an die beschriebene Korallen- und Inselflur, die wir nach ihrer Hauptgruppe Laberintoflur nennen, ein ungeheuer tiefes Meer, und 10kmvon dem Cayo Grande werden bereits 2800mgelotet, die Verhältnisse liegen also nach dieser Richtung hin genau wie bei der Sierra Maestra. Auf ihrer Nordseite hingegen schließt die Flur mit ihren äußeren Gliedern ein seichtes cubanisches Randmeer ab, das man füglich von dem weißen Korallenschlammgrunde, der auf weiten Strecken seltsam durch das Wasser hindurch leuchtet, als cubanische Weißsee oder besser vielleicht noch der Lage nach als Camagueysee von dem offenen Karibenmeere unterscheiden könnte. Als Golf von Jucaro weit gegen Nordost ausgreifend, schnürt dieses Randmeer den Körper Cubas nochmals isthmusartig (auf 65km) zusammen, und die Landschaft des Camaguey sowie der ganze cubanische „Oriente“ findet daselbst seine natürliche Westbegrenzung in ganz ähnlicher Weise wie bei Jobabo seine Ostbegrenzung.
Daß die Südküste des Camaguey außerordentlich schwer und nur unter mannigfaltigen Fährlichkeiten zugänglich ist, ist aus dem Gesagten klar genug, und wenn man erwägt, daß die Seekarten von der Gegend bis auf den heutigen Tag äußerst ungenau geblieben sind, daß zahlreiche Inselchen und Riffe darauf gänzlich fehlen, und daß man an eine Ausstattung der Flur mit Leuchttürmen und Tonnen bisher nicht gedacht hat, so steht man wohl schwerlich an, das Camaguey nach dieser Seite hin als ein ziemlich streng verschlossenes Landzu bezeichnen. In ihrer Längserstreckung bietet die Camagueysee den Schiffen in der Küstennähe ein verhältnismäßig offenes und tiefes Fahrwasser, und bei genügender Vorsicht in der Gegend des Laberinto de Doce Leguas können Schiffe von mäßigem Tiefgange (5m) darin bequem zwischen Manzanillo und Casilda hin und her fahren. Das betreffende Fahrwasser ist zugleich auch durch den wirksamen Schutz, den die Koralleninseln und Riffe gewähren, im allgemeinen ein außerordentlich ruhiges und glattes, und gerade in der Camagueysee gedenkt man unwillkürlich des Kolumbischen „allezeit sanft wie der Strom von Sevilla.“
Abb. 55.Hafenstadtteil von Cienfuegos.
Abb. 55.Hafenstadtteil von Cienfuegos.
Die Sumpfküste von Camaguey.Die nördliche Korallenflur von Camaguey.
Welcher Art ist aber die Küste des Camaguey, die es durch das geschilderte Randmeer zu erreichen gilt? Ohne Unterbrechung und, wie es einem bei der Küstenfahrt bedünken kann, ohne Aufhören dehnt sich von der Gegend von Manzanillo bis in die Gegend von Tunas ein Mangrove-, Binsen- und Waldsumpf (Manglar und Crenaga) aus, der im allgemeinen 10 bis 20kmbinnenwärts reicht, der mit zahlreichen Lagunen besetzt und von einem Gewirr von Wasserläufen — den Mündungsarmen der gegen Süd ablaufenden Ströme des Camaguey (Jobabo, Sevilla, Najasa, Sabanilla, San Pedro, Altamira u. s. w.) — durchzogen ist. Es ist dies wieder ein Paradies der Manatis und Krokodile, sowie der Pelikane, Reiher, Enten, Wasserhühner, Moskitos, Garragatos u. s. w., aber ein sehr schlecht geeigneter Boden für irgend welche Ansiedelungen von Kulturmenschen. Während der Regenzeit ist eine trockene Stelle in dieser Sumpfwildnis kaum zu finden, in der Trockenzeit gibt es aber eine Anzahl kleiner Inseln und Sumpfoasen, die genügend von Wasser frei werden, um den Wuchs von Savannengräsern, Bataten, Cassawen und Bananen zuzulassen und dadurch Nahrung für eine Rinderherde, sowie für eine Guajiro- oder Mulattenfamilie darzubieten. Gegen die Fieberdünste der Gegend, sowie gegen die Moskitostiche sind ja die Guajiros und Mulatten gefeit, und an die Beschaffenheit des Trinkwassers stellen dieselben auch keine großen Anforderungen. Die Verschlossenheit des Camaguey gegen das Karibische Meer hin wird aber durch den breiten Gürtel amphibischen Landes noch sehr bedeutend erhöht, und alles in allem kann man dieselbe ohne Bedenken als eine noch viel vollkommenere nennen als bei dem Berglande von Santiago. Zugleich darf man sich auch fragen, ob und wann es wohl einer zukünftigen Verwaltung Cubas gelingen wird, den vorliegenden Naturfehlern abzuhelfen. Ein einziger kleiner Hafenplatz, Santa Cruz del Sur (1000 Einw.), der unfern der durch eine Barre gesperrten Mündung des Rio San Juan de Najasaliegt, und der nur sehr flach gehende Schiffe zuzulassen vermag, muß zur Zeit dem an der Südseite der weiten Landschaft aus- und eingehenden Handel und Verkehre genügen, und lediglich das hohe strategische Interesse, welches der Isthmus von Moron in den Zeiten des Aufstandes in Anspruch nahm, hat daneben an einer ähnlich seichten Reede weiter westlich noch den Truppenlandungsplatz Jucaro ins Dasein gerufen.
Abb. 56.Hauptstraße von Cienfuegos.
Abb. 56.Hauptstraße von Cienfuegos.
Das Eindringen in das innere Land, das von Santa Cruz aus nur auf einer schlechten Landstraße bewirkt werden kann, versuchen wir von der Seite des Karibenmeeres nicht, sondern wir wenden uns vielmehr zu diesem Behufe zurück nach Nuevas Grandes, um daselbst unsere früher abgebrochene Küstenfahrt und Küstenschau am Alten Bahamakanale wieder aufzunehmen. Wir stoßen auch hier alsbald auf eine ausgedehnte Insel- und Korallenflur. Eine beträchtliche Anzahl der Keys, die dieselbe zusammensetzen, erscheint aber im Vergleiche zu denen, die wir an der Südküste kennen gelernt haben, riesengroß; so vor allem der eng an die Hauptinsel angeschmiegte und flache Cayo Sabinal (360qkm); der hügelige Cayo Guayaba (120qkm); der langgestreckte größere und kleinere Cayo Romano (480 bezw. 250qkm); der Cayo Cocos (180qkm) und der Cayo Turiguano (150qkm), der letztere wieder dicht an der Hauptinsel liegend, und die Kette der Riesenkeys an dem Isthmus von Moron schließend. Im allgemeinen erheben sich die genannten Keys auch zugleich höher über den Meeresspiegel als die im Süden, und die Hügel des Cayo Guayaba erreichen 30, die „Silla“ des Cayo Romano aber sogar 70m. Außer Mangroven und Salzteichen, sowie Sanddünen enthalten sie daher auch etwas Mimosen- und Guavengebüsch, kleine Kokospalmen- und Fächerpalmenbestände und ziemlich ausgedehnte Savannen, und es sind daher an verschiedenen Orten Fischerhütten und Viehzuchtgehöfte darauf zu finden. Seewärts von ihnen liegen dann noch zahlreiche kleinere Keys, wie der Cayo Confites, der Cayo Cruz, der Cayo Paredon Grande mit seinem hohen Leuchtturme u. a., vor allem aber begleitet die Kette auf dieser Seite ein ausgedehntes Saumriff von lebenden Korallen, das steil in den ansehnlich tiefen Bahamakanal (auf der fraglichen Strecke 600–2000m) abstürzt. Die Durchfahrten, welche die genannten großen Keys zwischen sich lassen (die Caravelasdurchfahrt, die Boca Guayaba u. s. w.), sind durch dieses Riff um so gefährlicher, als an demselben für gewöhnlich eine starke Brandung tost, als die Gegend ebenso wie die früher beschriebene, weiter im Osten liegende der strengen Herrschaft des Nordostpassates untersteht und als sehr verwickelte Gezeitenströmungen durch die Kanäle hindurchgehen. Dazu ist der gegen 200kmlange und bis über 20kmbreite Meeresraum, der in kleinen Fahrzeugen durch die Kanäle erreicht werden kann und den man füglich als Cayo-Romano-See bezeichnen darf, durchgängig außerordentlich seicht (meist nicht mit 1mWasser) und mehrfach durch quer darin liegende Gruppen von kleineren Keys, auch selbst für Küstenfahrer unpassierbar.
Abb. 57.Zuckerrohr-Eisenbahnzug.
Abb. 57.Zuckerrohr-Eisenbahnzug.
Ein schwer zugängliches, zugeschlossenes Land muß man das Camaguey also auch an der Nordseite nennen, und ein breiter Gürtel von Mangrove- und Binsensumpf, der sich auf dem Hauptlande dem Cayo-Romano-See entlang zieht, vervollständigt und verstärkt auch hier das System kulturgeographischer Absperrung.
Nuevitas. Moron.
Nur an der Ostseite des Cayo Sabinal steht dem Seeverkehr ein wirklich guter Aus- und Eingang offen, durch den die größten Seeschiffe sich dem Ufer des Hauptlandes bis auf einen geringen Abstand nähern und kleinere unmittelbar daran landen können. Kolumbus stand nicht an, denselben als „einen der besten der Erde“ („de los mejores del mundo“) zu rühmen, und er nannte ihn Puerto de Mares, Velasquez aber gründete an seinem Gestade 1516 die Stadt Santa Maria del Puerto Principe, die sich zu dem heutigen Nuevitas (7000 Einw.) entwickelt hat. Der Passatwind und die Gezeitenströmungen, sowie die Gewundenheit und Enge des Fahrwassers sind Mängel des schönen Hafens, und die beiden hohen Leuchttürme vor der Einfahrt warnen nicht umsonst vor den daselbst drohenden Gefahren. Das nächste Hinterland hat aber einen sehr fruchtbaren Dunkelboden, auf dem die Zuckerrohrkultur einen beträchtlichen Umfang genommen hat, und außerdem enthält dasselbe auch einen großen Reichtum an den bekannten westindischen Nutzhölzern. Das fernere Hinterland ist aber die Camagueylandschaft nahezu in ihrer Gesamtheit, und in dieses hinein führt von Nuevitas eine der wenigen ostcubanischen Eisenbahnen, die Würde des Platzes als Haupthafen gewissermaßen noch vollständiger besiegelnd. Moron (6000 Einw.), das durch die Kanäle am westlichen Ende der angegebenen Keyreihe kleineren Fahrzeugen nahbar ist, kann jedesfalls nur als eine Nebenpforte gelten, und dasselbe hat seine Bedeutung vor allen Dingen darin gehabt, daß es die spanische Heeresleitung in den Stand setzte, die stark befestigte Verteidigungslinie gegenüber der Insurrektion auf dem Isthmus von Moron auch von dieser Seite von der See her zu stützen.
Abb. 58.Cubanische Feldbestellung.
Abb. 58.Cubanische Feldbestellung.
Das Hügelland als Schlupfwinkel.Verkehr im Camaguey. Puerto Principe.
Das Innere des Camaguey stellt sich dem Auge im großen Ganzen als eine Landschaft dar, deren Formen stark von den Verwitterungsagentien abgetragen worden sind. Weite und nahezu vollkommene Ebenen mit der allgegenwärtigen cubanischen „Tierra Colorada“ wechseln mit Gruppen niedriger, aber immerhin ziemlich steilwandigen Cerros und Lomas aus Granit, Diorit, Serpentin u. dergl., sowie zum Teil auch aus tertiärem Kalkstein. In der Osthälfte des Landes, und insbesondere in der Gegend von Guaimaro und entlang dem Rio Najasa entwickeln sich diese Lomas zu förmlichen kleinen Gebirgen — den Lomas delRompe, der Sierra de Sibanica, der Sierra del Postillo, der Sierra de Najasa, der Sierra de Guaicanamar —, die trotz ihrer geringfügigen Erhebung (200–300m) wild genug sind, und durchgängig noch ein ziemlich ursprüngliches Busch- und Waldkleid tragen: schöne Königspalmen, mächtige Ceibas (Abb. 43und44), Mahagonibäume, Cedrelen, Granadillas, Mameys, Rosenäpfel- und Guavenbüsche u. s. w. Ein ansehnliches Kalksteingebirge, das in der Steilheit seiner Wände und Gipfel, sowie in seinen Höhenverhältnissen (gegen 500m) und in seiner Entstehungsgeschichte an die Gebirge von Baracoa erinnert, ist aber vor allem die Sierra de Cubitas, in Nordwest-Camaguey in unmittelbarer Nachbarschaft der nördlichen Küstensümpfe, und dieselbe setzt sich gegen Moron hin, jenseits einer breiten Thalsenke, in der niedrigen Sierra de Indas gewissermaßen weiter fort. Sie enthält eine Reihe mächtiger Höhlen, von denen die größte bezeichnenderweise Cueva de los Negros Cimarrones (Cimarronnegerhöhle) heißt. In den Insurrektionskämpfen hat die Sierra de Cubitas sich immer als ein Hauptfort der Aufständischen bewährt, und in den letztvergangenen Jahren galt ein schwer nahbares Viehgehöft auf einer ihrer Höhen längere Zeit als die Regierungshauptstadt der „Cuba Libre“. Kaum minder bedeutsam sind aber in der Insurgentenstrategie auch die genannten niedrigeren Bergzüge bei Guaimaro gewesen, da sie es den Führern ermöglichten, in steter enger Berührung mit der Cauto- und Maestragegend zu bleiben. Und die weiten Ebenen, zu denen sich die Camagueylandschaft gegen die Mitte hin verflacht, und mit denen sie sich beiderseits sanft zu den Küstensümpfen abdacht, sind füglich ebenfalls viel besser dazu geschaffen, kleinen Banden die Bewegung und Verproviantierung, sowie das Scharmützeln und Entschlüpfen zu gestatten, als wirklichen Heerkörpern ihre geordneten Operationen. In der Trockenzeit (Seca) herrscht daselbst größerer Wassermangel, als in anderen Gegenden der Insel, denn das Klima des Camaguey ist bei der entschiedenen Vorherrschaft abgeflachter Bodenformen verhältnismäßig regenarm. Die schwach eingeschnittenen Ströme (Abb. 45und46) trocknen dann vielfach gänzlich aus, und als Trinkstätten für Menschen und Tiere dienen lediglich vereinzelte Wasserlöcher und Quellen (ojos de agua), die nur der Ortskundige findet. In der Regenzeit (estacion de las aguas) dagegen reichen dieGewittergüsse bald genug aus, die Ströme übervoll und unpassierbar zu machen, die Ebenen aber auf weiten Strecken in einen knietiefen Morast zu verwandeln. Im Zusammenhange mit diesem Klima, sowie mit dem sandigen Boden herrschen in den Ebenen des Camaguey auch lichte Baumbestände, mit Fächer- statt Königspalmen, sowie ausgedehnte Savannen mit hohen Gräsern vor. Den Hauptwirtschaftsbetrieb aber bildet die Viehzucht, die Hauptsiedelungen sind weit auseinander liegende Ranchos und Hatos (Abb. 47), die eigentlichen Charakterfiguren der Landschaft sind die berittenen Hirten (Monteros) und Land- und Herdenbesitzer (Abb. 48), die natürlich sämtlich echte Cubaner und treue Parteigänger der Insurrektion waren. Wer das Cuba der Creolen kennen lernen will, der ist überhaupt in dem Camaguey am richtigsten Orte. Die Straßen sind durchgängig schlecht, und das einzige Verkehrsmittel, in dem auf denselben mit einiger Sicherheit und vielleicht sogar mit einigem Behagen vorwärts zu kommen ist, ist außer dem kleinen cubanischen Reitpferde die zweiräderige Volante, mit ihrem breiten Achsengestell und ihrer langen elastischen Deichsel, sowie mit ihrem seitwärts voraufjagenden Leitreiter — ein Fuhrwerk, das in den meisten anderen Gegenden Cubas im Aussterben begriffen ist (Abb. 49). Auf solche Weise, und weil bislang ein Anschluß an das westcubanische Eisenbahnnetz nicht vorhanden war, werden aber auch die fremden Einflüsse von der Landseite her ziemlich wirksam von dem Camaguey fern gehalten oder doch sehr eingeschränkt.
Abb. 59.Grünfuttertransport.
Abb. 59.Grünfuttertransport.
Abb. 60.Santo Domingo.
Abb. 60.Santo Domingo.
Die Trocha.
Die Hauptstadt Puerto Principe (42000 Einw.), ziemlich genau im Mittelpunkte der Landschaft und am oberen Rio San Pedro gelegen, bildet als eine Art camagueyanisches Paris in jeder Beziehung den Vereinigungspunkt ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen. An Stelle des alten Indianerdorfes Camaguey bereits im Jahre 1516 erbaut, ist sie die einzige wirkliche Stadt der Landschaft geblieben, und die Zahl ihrer Bewohner übertrifft diejenige des dünnbevölkerten ländlichen Camaguey um das doppelte. Am Camino Central von Santiago nach Habana, der den Rio San Pedro hier auf hübscher Brücke überschreitet, bildete sie selbstverständlich zu allen Zeiten eine Hauptstation, und von der nach ihr benannten politischen Provinz, die nur im Westen über die bezeichnete Grenze der natürlichen Landschaftherausgreift, war sie unter der spanischen Herrschaft der Sitz des Statthalters und der obersten Verwaltungsbehörden, was zur Erhöhung ihres Glanzes nicht unwesentlich beitrug. Die kleinen Flecken El Zanjon und Guaimaro sind Stationen an der genannten Hauptstraße gegen Santiago hin, das erstere historisch denkwürdig durch den daselbst im Jahre 1878 geschlossenen Vertrag. An der aus 40 kleinen Blockhausfestungen bestehenden „Trocha de Moron“ aber, die sich quer über den niedrigen und teilweise sumpfigen Isthmus von Moron hinwegzieht, und die sich in spanischer Hand trotz der damit verbundenen strategischen Eisenbahn nicht sehr glänzend bewährt hat, liegt außerdem noch Ciego de Avila (2000 Einw.), und dieses bildet durch den Camino Central, der hier die Trocha kreuzt, den verkehrsgeographischen Hauptübergangspunkt aus dem Camaguey in die westlich angrenzende Nachbarlandschaft der „Cinco Villas“.