X.
Landschaftseinteilung im westlichen Cuba.Unterirdische Flußläufe und Höhlengänge.
Die cubanische Tabakkammer läßt als wirkliche Vuelta Abajo nur die Gegend zwischen dem Rio Hondo und dem Rio Cuyaguateje gelten und als „halbe Vuelta“ — „Semi-Vuelta“ — die von Artemisa westwärts, während sie den Landstrich unmittelbar südwestlich von Habana als die „Partidos“ (etwa mit „Übergangsland“ zu übersetzen) bezeichnet, und es läßt sich nicht verkennen, daß diese Einteilung der westlichsten cubanischen Landschaft eine gewisse Begründung in den physikalisch-geographischen Verhältnissen hat. Die Partidosgegend kann man ebenso gut Batabanoisthmusgegend nennen, und dieselbe ist in der That ein Mittelding zwischen der regelmäßig gegliederten Stufenlandschaft der Vuelta Abajo und dem wirren Durcheinander von Berg- und Thalformen der Vuelta Arriba, wie sie auch zugleich die Stelle bezeichnet, an der das Endglied des cubanischen Inselkörpers allmählich in seine von der allgemeinen abweichende südwestliche Längsachseneinrichtung einlenkt. Wer sich von der Chorreramündung bei Habana in gerader Linie auf Guanajay zu bewegt, dem wird der Stufenbau allerdings ziemlich klar, denn von der 10–12mhohen Seborucofläche am Meeresrande geht es da rasch empor auf eine ausgedehnte höhere Fläche von ungefähr 50mErhebung und von dieser wieder auf die 200mhohe Mauer der Sierra de Anafe, die wir vor Mariel vom Meere aus gesehen haben. Die kleinen Lomas um den Ariguanabosee und in dem Rio San Antonio (Abb. 92) sind aber denjenigen der Vuelta Arriba durchaus ähnlich, und eine Überraschung bereitet uns eigentlich nur die See selbst sowie sein ebengenannter Abfluß. Bis 10mtief, nahe an 10kmlang, 2,5kmbreit und von etwa 15qkmFlächengehalt, hat derselbe in dem Innern von Cuba nirgends ein ebenbürtiges Seitenstück, und höchstens könnte man von einer Anzahl viel kleinerer Wasserkörper in dem Hügellandeder Vuelta Arriba und in der Cinco-Villas-Landschaft behaupten, daß sie denselben Familiencharakter tragen; so etwa von der Laguna de Coabillas, südwestlich von Colon. Dagegen liegen ähnlich ausgedehnte Lagunen allerdings hier und da in der Küstennähe, vor allem in der Cienaga de Zapata (die große Laguna de Tesoro, nördlich von der Cochinosbai), und in dem äußersten Südwesten von der Vuelta Abajo (die Laguna Siguanea, Laguna Jovero und andere). Ebenso merkwürdig als naturästhetisch reizvoll ist an dem Ariguanabosee seine Gliederung durch von Nord und Süd vorspringende Halbinseln und Landspitzen sowie durch kleine Hügelinseln dergestalt, daß er aus mehreren ostwestlich aneinander gereihten Einzelbecken zusammengesetzt zu sein scheint. Noch merkwürdiger und interessanter ist es aber, daß er mit einem Systeme unterirdischer Flußläufe und Höhlengänge in Verbindung steht. Die Größe sowie die Schwankungen seines Wasservolumens lassen sich aus den oberflächlich einströmenden kleinen Bächen nicht begreifen und ebenso wenig auch das Wasservolumen des Rio San Antonio, der ihm an der Ostseite entströmt und der eine kleine Strecke unterhalb der Stadt San Antonio de los Baños plötzlich unter einem großen Ceibabaume spurlos verschwindet. Übrigens steht dieser Fluß mit seiner Schwinde in der Gegend keineswegs allein, sondern ähnlich wie er verliert sich auch der Rio de Guanajay, der seine Quellen in der höhlenreichen Sierra de Anafe hat, und der den Ariguanabosee im Westen umfließt. Andererseits aber stoßen wir 14–18kmsüdlich von dem See auf zahlreiche große Höhlen, die teilweise mit Wasser gefüllt sind, wie die Cueva de Agua bei Guira de Melena, und an einfachen Wiesenquellen („ojos de agua“ Wasseraugen) und Naturbrunnen („Pozos“) fehlt es in der Gegend so wenig als anderweit in Cuba. Die Anzeichen, daß der Ariguanabosee gleichwie sein kleinerer Nachbarsee im Norden (die Laguna de la Pastora, die ihm ihren Abfluß zusendet) durch eine Folge von Höhleneinstürzen entstanden sei, sind hiernach sehr starke, wenn nicht geradezu zwingende. Gegenwärtig ist die kleine Doppellagune De la Pastora durch die Sinkstoffe, welche ihre Zuflüsse in der Regenzeit von der Sierra de Anafe herabbringen, in rascher Ausfüllung begriffen, und in einer nahen Zukunft wird dadurch der großen Zahl der cubanischen Roterdeebenen eine neue hinzugefügt worden sein; und ähnlich, obzwar langsamer, schreitet der Ausfüllungsprozeß auch bei dem Ariguanabosee fort, so daß man ihm das gleiche Schicksal voraussagen muß. Bieten die beiden Seen damit aber nicht einen ganz guten Schlüssel zur Lösung des Rätsels, das sich an die fruchtbaren cubanischen Roterdeebenen überhaupt knüpft? Die große Mehrzahl dieser Ebenen, deren tischplattengleiche Oberfläche oft so seltsammit der unvermittelt daraus auftauchenden Umrandung von Steilhängen und Felswänden kontrastiert, dürfte unserer Meinung nach ebenfalls nicht anders entstanden sein, als durch den Zusammenbruch von Höhlengewölben und durch das Durchgangsstadium einer längeren Wasserbedeckung, in der die ruhige Ablagerung der „terra rossa“ bewirkt wurde. Nicht weniger als an die Roterdeebenen des cubanischen Binnenlandes haben wir aber beim Hinblicke auf den Ariguanabosee an die nierenförmigen Hafenbuchten zurückzudenken, die eine andere gesellige Erscheinung bilden, welche der Insel Cuba in einem hohen Grade charakteristisch ist. Denken wir uns den Ariguanabosee zusammen mit der Laguna de la Pastora nur 8–10kmnordwärts gerückt, dergestalt daß sie dicht am Meere liegen, und lassen wir dann die trennende Schranke aus Korallenkalk, die sie noch von letzterem trennt, durch die dagegen donnernde Brandung oder durch ein Erdbeben oder durch einen allmählichen Senkungsprozeß des ganzen Küstenstriches fallen, so erhalten wir eine weitere nierenförmige Hafenbucht, so schön, als wir sie wünschen können, und an der betreffenden Stelle gleichzeitig eine bedenkliche kulturgeographische Rivalin der Habanabucht.
Abb. 86.Außenhof eines Ingenio.
Abb. 86.Außenhof eines Ingenio.
Eine der berührten Roterdeebenen, die die angegebene Entstehungsgeschichte gehabt haben dürfte, breitet sich südwestlich von der Sierra de Anafe um Guanajay aus. Südlich von dem Ariguanabosee aber verflacht sich die Partidosgegend ganz ähnlich, wie das anstoßende Hügelland von Managua, und bei Guira de Melena und Guanimar ist auch derselbe letzte Stufenabsatz zur sumpfigen Küstenniederung bemerkbar (mit den bereits erwähnten Höhlenöffnungen) wie dort.
San Antonio.
Als das berühmteste Tabakland der Welt kann die Vuelta Abajo dem Reisenden, der nicht in alle Geheimnisse des fraglichen Wirtschaftszweiges eingeweiht ist, recht wohl schon hier erscheinen, denn die Zahl der Tabakvegas (Abb. 5und93) ist eine sehr große. Zur Erzeugung des feinsten Krautes ist der Boden aber nicht geeignet, und ebenso bedeutend als der Tabak- ist in der Gegend der Zuckerrohrbau, ja an ihrem Südrande stehen sogar noch eine beträchtliche Zahl von Kaffeepflanzungen in Blüte. Für den Hauptort der Gegend, San Antonio de los Baños (8000 Einw.,Abb. 94), spielen außer ihren berühmten Heilquellen die beiden letzteren Kulturen die Hauptrolle, für die Stadt Guanajay (6000 Einw.,Abb. 95) dagegen neben dem Zuckerrohr- in sehr hervorragender Weise der Tabakbau. Die schönsten Kaffeegärten aber finden sich von alters her bei Alquizar und Guira de Melena, und alle diese Orte sowie auch der beliebte Sommerfrischen- und Seebadeort Marianao (10000 Einw.) sind mit Habana durch Eisenbahnen sowie durch verhältnismäßig gute Landstraßen verbunden.
Sierra de los Organos.
Westlich von Guanajay und Artemisa stoßen wir dann auf die höchsten Stufen des großen Treppenbaues, den die Vuelta-Abajo-Landschaft darstellt — auf die durch die Züge des Insurgentenführers Maceo berühmt gewordenen Rubihügel (etwa 200m), die Lomas de Cuzco (450m), den Monte Pelado (406m), die Sierra del Rosario, die Sierra de Cacarajicara (etwa 600m) und die mächtige Tafelbergmasse des Pan de Guajabon (795m), in der das Ganze gipfelt, und mit der es gegen West wieder zu Stufen von geringerer Erhebung abfällt. Hier breiten sich unersteigliche Wände, wilde Klüfte, schöne Wasserfälle (der Rosariofall) und große Höhlen (von Seiba, Sumidero u. s. w.) in großer Zahl, und man sieht dabei ein, daß auch hier die meteorodynamischen Agentien, oder wenn man will, die tropischen Berg- und Luftgeister, gar viel von der ursprünglichen Gestalt der Landschaft zerstört und beseitigt haben. Der ganze Bau überschaut sich infolgedessen auch von innen heraus bei weitem nicht so bequem, als von dem Dampfer auf hoher See aus. Gegen Norden fällt das Gebirge, das wir mit dem in Deutschland üblich gewordenen Gesamtnamen der Sierra de los Organos (Orgelgebirge) bezeichnen, in der Gestalt steilhängiger Lomas ziemlich rasch zu einer schmalen Küstenniederung und mit dieser zur tiefen See (20kmnördlich vom Pan de Guajabon, 1000m) ab. Eine breitere Zone von Lomas und ein sanfteres allgemeines Gehänge begleitet die hohen Sierras dagegen im Süden, und erst südlich von der großen Heerstraße, die von Artemisa noch San Cristobal (als „Fahrstraße erster Ordnung“ — „Carreterade primer orden“) führt und von da als bloßer „Camino Central“ weiter nach Pinar del Rio und Guanes, tritt eine vollständige Verflachung zum schwachwelligen Tieflande und zur sumpfigen Küstenniederung ein. Das höhere Bergland (Abb. 96) trägt in dieser Gegend noch sehr allgemein sein ursprüngliches Weltkleid, und vor allen Dingen besteht dasselbe aus Pinal oder Pinar (Kiefernwald), von dem die politische Westprovinz Cubas ihren Namen führt, daneben hat aber der Palmar (Königspalmenwald) seine hervorragende Stelle so gut wie in den anderen Landschaften, und ebensowenig fehlt es an Coabas (Mahagonibäumen), Cedros (Cedrelen), Ceibas (Baumwollbäumen), Ebanos (Sideroxylon), Guavengesträuch u. s. w. Bei der Unzugänglichkeit des höheren Gebirges und der Reproduktionskraft der Tropennatur ist vielleicht auch nicht sehr zu fürchten, daß die etwa in einer nahen Zukunft vordringenden amerikanischen Terpentinsammler und Holzschläger dieselben furchtbaren Verwüstungen in diesen schönen Wäldern anrichten werden wie in ihrem eigenen Lande. Der Tabakbau hat sich an den Hängen und in den Thälern der südlichen Lomas eine wichtige Stelle erobert, und zu gewissen Zwecken wird das daselbst erzeugte Blatt hoch geschätzt, einen großartigen Umfang hat die Kultur aber seit alten Zeiten auf dem sandigen Lehmboden der Niederung zwischen Artemisa und Paso Real, behufs Gewinnung des schwersten und kräftigsten cubanischen Krautes. Der Zuckerrohrbau ist nur in der nördlichen Niederung zwischen Cabañas und Bahia Honda sehr namhaft, der Kaffeebau aber in der südlichen Niederung bei Candelaria. Die Viehzucht ist sowohl im Gebirge als auch im Tieflande schwach entwickelt, und nur in der Savannengegend südlich von Artemisa ist die Pferdezucht beträchtlich.
Abb. 87.Matanzasbucht und Yumurifluß.❏GRÖSSERES BILD
Abb. 87.Matanzasbucht und Yumurifluß.
❏GRÖSSERES BILD
An dem Westabsturze des Pan de Guajabon verändert sich der Charakter der Gebirgslandschaft nicht unwesentlich. Die eigentlichen Hochstufen sind hier nicht mehr vorhanden, und die Hauptgipfel ragen kaum 300–400mempor (der Pan de Azucar bei Viñales nur 330m). Dagegen nimmt das Bergland einen breiteren Raum ein, und die Zerissenheit und Wildheit der Ketten und Lomagruppen, die kreuz und quer nebeneinander liegen, ist eher eine größere als geringere. Namen der Hauptteile, wie Sierra del Infierno (Höllengebirge) und Los Organos (die Orgeln), deuten dies verständlich genug an, und an Höhlen ist dieser Teil Cubas wohl reicher als jeder andere und nicht minder auch an Naturbänken, die als die stehen gebliebenen Ruinen eingestürzter Höhlengewölbe aufzufassen sind. Bekannt sind vor allem die Höhlen von Ancon („Del Indio“) von Isabel Maria, von Mantua und von Resolladero, sowie die Naturbrücken des Rio de los Portales, der oberhalb Guanes in den Rio Cuyaguateje mündet. Auch dem westlichen Hauptteile, der Sierra de Acosta, sind noch eine Reihe jener scharfen, zusammenhängenden Kämme eigen, die als „Cuchillas“ („Messer“) bezeichnet werden. Die Thalbildung ist aber in der ganzen Gegend eine vorgeschrittenere und ausgedehntere, so daß der Verkehr quer über das Gebirge leichter bewerkstelligt werden kann und daß auch die sonstigen Kulturmöglichkeiten bessere sind. Die Niederungen, zu denen das Bergland sich gegen das Karibische Meer und den Mexicanischen Golf hin abdacht, sind an den meisten Orten stärker wellig, vor allem ist aber der Lehmboden noch mehr mit Sand gemischt, als weiter östlich. Die Befruchtung der tiefer gelegenen Thal- und Niederungsböden vollzieht sich aber durch die Überschwemmungen der Regenzeit, die alljährlich eine neue kalkhaltige Sedimentschicht herbeiführen, ähnlich wie man es von dem ägyptischen Nil her kennt.
Kulturen und Bergketten der Vuelta Abajo.Der Tabakbau und die geologischen Verhältnisse der Vuelta Abajo.
In ihrem Urzustande in ausgesprochenerer Weise mit „Pinal“ bestanden als die „Halbvuelta,“ ist diese wirkliche Vuelta Abajo nur durch die angegebenen natürlichen Vorbedingungen unter der Hand der eingedrungenen kleinen Pflanzer die Stätte des berühmtesten Tabakbaues der Erde geworden, die die wahre Wonne der Raucher erzeugt. Zur künstlichen Zubereitung seiner Vega mit Phosphaten und anderen Düngmitteln wird der Bauer, der es mit dem feinen Dufte und dem hohen Rufe seines Blattes ernst und gewissenhaft nimmt, nicht greifen, sondern er wird die Strecken, die sich erschöpfen, lieber eine Reihe von Jahren zur Erholung brach liegen lassen und statt ihrer jungfräulichen Boden aufsuchen, auf dem das bloßeSäen und Pflanzensetzen von seiner Seite genügt, und der Himmel der Vuelta Abajo die gesamte sonstige Fürsorge für die Ernte übernimmt. Natürlich wechselt der Ertrag und die Qualität des Erzeugnisses auf diese Weise sehr beträchtlich von Jahr zu Jahr, das ist aber bei dem Vuelta-Abajo-Tabak gerade so unvermeidlich wie bei dem Rheinweine. Die Hügelgehänge sind auch in der hier in Frage stehenden Gegend in ziemlich umfassender Weise mit in den Bereich der Kultur gezogen, im allgemeinen hat aber das „Lomablatt“ nicht den Gehalt und das Aroma des in der Thalniederung gezogenen, und nur in besonders feuchten Jahren, wenn das letztere mißrät, kann es unter Umständen so wohl gedeihen, daß es die Stelle desselben einzunehmen vermag. Übrigens erschöpfen sich die Gehängevegas durch die Wasch- und Auslaugewirkung der warmen Regen selbstverständlich viel rascher als die Stromufervegas.
Abb. 88.Innerster Teil der Matanzasbucht nebst Ausblick auf das Hügelland von Limonar.❏GRÖSSERES BILD
Abb. 88.Innerster Teil der Matanzasbucht nebst Ausblick auf das Hügelland von Limonar.
❏GRÖSSERES BILD
Daß die cubanische Tabakernte in der Vuelta Abajo so gut wie in den Bergländern von Santiago und Baracoa eine Winterernte ist und daß die verhältnismäßig strenge und anhaltende Trockenzeit der „wirklichen Vuelta“ für die Tugenden ihres Krautes ebenso bedeutsam ist wie die Eigenart des Bodens und der Naturdüngung, dürfen wir als bekannt voraussetzen.
Auf der Halbinsel Guanahacabibes, dem merkwürdigen südwestlichen Anhängsel der Landschaft, sind die klimatischen Vorbedingungen des Tabakbaues annähernd die gleichen wie in der „wirklichen Vuelta“, die Boden- und Bewässerungsverhältnisse sind aber andere, und nur die von zahlreichen Lagunen bedeckte Gegend, an der die Halbinsel mit dem Hauptlande verwachsen ist, enthält eine beträchtliche Zahl von Vegas, welche die den Lomatabaken verwandten Rematestabake (von dem Hauptorte) hervorbringen. Der größere Teil der Halbinsel ist von Mangrovesumpf und von vorwiegend kahler, oberflächlich arg zerrissener Korallenkalkfläche — sogenanntem Pedregal oder Seborucal — eingenommen, und außer dem Leuchtturm des sanddünenbesetzten niedrigen Kap San Antonio ermöglicht die letztere durch den spärlichen Weidewuchs, den sie neben Heiligendisteln, Opuntien, niedrigen Fächerpalmen und anderem Gestrüpp trägt, nur einigen kleinen Hatos ihr Dasein. In den großen Savannen, welche in der eigentlichen Vuelta den Übergang von den Tabakdistrikten zu dem Mangrovesumpfgürtel der Küste bilden, ist die Viehzucht dagegen ebenso hoch im Schwunge, wie in der Camaguey- und Cinco-Villas-Landschaft, und Ähnliches ist auch der Fall in dem westlichen Berg- und Hügellande.
Unter den geologischen Formationen, welche an dem Aufbau der Vuelta-Abajo-Landschaft beteiligt sind, steht natürlich immer wieder der tertiäre Kalkstein im Vordergrunde. In der ganzen Randgegend des Berglandes treten aber außer Diorit und Serpentin auch Bildungen der Kreidezeit, sowie vielleicht älterer mesozoischer Zeiten auf, und ganz im Westen, nördlich von Mantua liegt sogar ein ähnliches paläozoisches Gebiet wie bei Trinidad und Sancti-Spiritus. Sobald die Lagerungsverhältnisse dieser Formationen genauer untersucht sein werden, wird sich auch die Frage besser beantworten lassen, warum der tertiäre Stufenbau Cubas in der Vuelta Abajo so wohl erhalten geblieben ist, während er in der Vuelta Arriba sowie in den Las Villas und in dem Camaguey größtenteils zerstört wurde. Einstweilen wagen wir in dieser Beziehung nur daraus hinzuweisen, daß die betreffende Thatsache aller Wahrscheinlichkeit nach sowohl mit der veränderten Längsachseneinrichtung der Insel im Zusammenhange steht, als auch mit den vergleichsweise geringeren Niederschlagsmengen, die die Landschaft seit der Zeit ihres Emportauchens aus dem Meere empfangen hat. Als der ganze Stufenbau in der Vuelta Arriba noch erhalten war, bezugsweise als sich daselbst viel höhere Gebirge emportürmten, als heute, da lag die Vuelta Abajo natürlich in einem sehr bedeutenden Grade „in dem Regenschatten“ derselben.
Die Mittelpunkte des Tabakbaues.
Einer starken Verdichtung der Bevölkerung und dem Gedeihen größerer Städte ist der dem Kleinbetriebe anheimgegebene Tabakbau beinahe ebensowenig günstig gewesen wie die Viehzucht, der Abbau der Kupfer-, Eisen- und Manganerzlagerstätten, die die erwähnten älteren Formationen enthalten, ist aber durch die politischen Wirren und die allgemeine Unsicherheit auf derInsel niemals in hohen Schwung gekommen. Als die hauptsächlichsten Ortschaften des Inneren haben wir daher nur zu verzeichnen: Artemisa (5000 Einw.), das den Mittelpunkt einer wichtigen Zuckerrohrbau- und Viehzuchtgegend bildet und das als der stärkste Punkt der während der letzten Insurrektion von der spanischen Heeresleitung gezogenen „Trocha“ von Mariel-Majana viel genannt und umkämpft wurde; Candelaria (1200 Einw.), das außer durch seinen vorzüglichen Kaffee auch durch seine Heilquellen namhaft ist; San Cristobal (3500 Einw.), den Hauptmarkt für den „Semi-Vuelta-Tabak“; San Diego de los Baños (1200 Einw.), durch heiße Schwefelquellen berühmt und gleich Viñales (1000 Einw.) ein Hauptübergangspunkte über das höhere Gebirge; und Consolacion del Sur (3000 Einw.), an einem Zuflusse des Rio Hondo, Pinar del Rio (5500 Einw.), San Luis (1000 Einw.) und Guane (1000 Einw.), am Cuyaguateje, die Hauptmittelpunkte und Märkte des Vuelta-Abajo-Tabakbaues. Pinar del Rio ist gleichzeitig die Regierungshauptstadt der nach ihm benannten politischen Provinz, die den größten Teil der Vuelta-Abajo-Landschaft umfaßt, sowie auch der Endpunkt der Eisenbahn, welche die Osthälfte der Landschaft mit Habana in bequeme Verkehrsverbindung setzt.
Abb. 89.Der Rio San Juan in Matanzas.
Abb. 89.Der Rio San Juan in Matanzas.
Die Küstengebiete der Vuelta Abajo.
Um die Zugänglichkeit der Vuelta Abajo von der Seeseite her ist es nur im Nordosten wohl bestellt. Dort sind die tiefen und weiten Buchten von Mariel, von Cabañas und von Bahia Honda der Habanabucht in einem hohen Grade ähnlich, und bei der zuerst- und der zuletztgenannten ist nur die Einfahrt viel enger und schwieriger. Die Verbindung mit ihrem ferneren Hinterlande und namentlich mit den Haupttabakdistrikten sperren diesen Buchten aber die beschriebenen hohen Gebirgsstufen, über die, abgesehen von der Fahrstraße zwischen Mariel und Guanajay, nur schlechte Reitwege führen. Der Ausfuhrhandel der betreffenden Orte Mariel (2000 Einw.), Cabañas (1200 Einw.) und Bahia Honda (2000 Einw.), beschränkt sich also auf die der Zucker- und Tabakproduktion der unmittelbar anstoßenden Küstengegend. Von der Cabañasbucht an begleitet die Küste dann ein Korallenriff — das sogenannte Coloradoriff —, und von der Bahiabucht an gesellen sich diesem Riff in der von ihm begrenzten Flachsee eine beträchtliche Zahl von Korallenkeys zu — der Cayo Ines de Sato, der Cayo Rapado,der Cayo de Buenavista und andere. Die betreffende Flachsee ist zwar im allgemeinen genügend tief für die Schiffahrt (2–20m), und das Riff sowie die Keys lassen eine Reihe von Durchfahrten offen, im allgemeinen liegen die Verhältnisse aber bei dieser Colorados-Key-Flur ebenso wie bei den anderen Fluren, und die Küstenstrecke gilt durch ihr Barriereriff mit gutem Grunde für die gefährlichste von ganz Cuba. Es sind also auch an ihr nur einige sehr unbedeutende Landungsplätze für den Küstenverkehr entstanden — Coyetano für die Kupfererzverladung des Bergbaurevieres bei Viñales, Arroyos für die Tabak- und Rinderverschiffung von Mantua und Puerto Guadiana für die ähnlich beschaffene Ausfuhr von Guanes. An der Südseite der Vuelta Abajo liegt dann die gewaltigste der cubanischen Riff- und Keyfluren, die man Jardinillos- oder Pinosflur nennen kann. Dieselbe erstreckt sich aber ostwärts weit über das Küstengebiet der Vuelta Abajo hinaus, und wir widmen ihr daher eine kurze Besprechung erst in dem nachfolgenden Abschnitte. Hier betonen wir nur, daß die ganze Südküste der Vuelta Abajo durch diese Flur und die damit verbundene Seichtsee bloß für kleine Küstenfahrzeuge nahbar ist. Der einzige Punkt, der an ihr einen nennenswerten Seeverkehr — besonders nach Batabano und Pinos — unterhält, ist demgemäß Coloma, das Hafendorf von Pinar del Rio, mit dem es durch eine verhältnismäßig gute Landstraße verbunden ist.
Abb. 90.Straßenbild aus Matanzas.
Abb. 90.Straßenbild aus Matanzas.
Der Außenverkehr der Vuelta Abajo ist nach diesen Ausführungen in noch viel zwingenderer Weise auf die Habanabai hingewiesen, als derjenige der Vuelta Arriba, und mit vollem Rechte benennt die Welt das kostbare Erzeugnis derselben also auch mit dem Namen „Habana“.