Das ander Kapitel

Allzuscharf machet schartig und wenn man den Bogen überspannet, so muß er endlich zerbrechen. Der Posse, den ich meinem Kostherren mit dem Hasen riß, war mir nicht genug. Ich lehrete seine Kostgänger, wie sie die versalzene Butter wässern und dadurch das überflüssige Salz herausziehen, den harten Käs aber wie Parmesaner schaben und mit Wein anfeuchten sollten, was dem Geizhals lauter Stiche ins Herz waren. Ich zog durch meine Kunststücke über Tisch das Wasser aus dem Wein, und machte ein Lied, darin ich den Geizigen einer Sau vergliche, von der nichts Gutes zu hoffen sei, bis sie der Metzger tot auf dem Schragen hätte. Dafür bezahlete er mich mit folgender Untreue.

Die zween Jungen von Adel bekamen einen Wechsel und Befehl von ihren Eltern, sich nach Frankreich zu begeben und die Sprache zu lernen. Unseres Kostherren deutscher Knecht war anderwärts auf Reise und dem wälschen wollte er die Pferde nicht vertrauen. Er bat mich derowegen, ob ich ihm nicht den großen Dienst tun und beide Edelleute mit den Pferden nach Paris führen wollte, weil ohn das meine Sache in vier Wochen noch nicht erörtert werden könnte, indessen wollte er hingegen meine Geschäfte, wann ich ihm vollkommene Gewalt geben würde, so getreulich befördern, als ob ich selbst gegenwärtig wäre. Die von Adel ersuchten mich deswegen auch, und mein Fürwitz, Frankreich zu besehen, riet mir solches gleichfalls, weil ichs jetzt ohn sondere Unkosten tun konnte.

Also macht ich mich mit diesen Edelleuten anstatt eines Postillions auf den Weg, auf welchem mir nichts Merkwürdiges zuhanden stieß.

Da wir nach Paris kamen und bei unseres Kostherren Korrespondenten, von dem die Edelleute auch ihre Wechsel empfingen, einkehrten, ward ich den andern Tag nicht allein mit den Pferden arrestiert, sondern derjenige, so vorgab, mein Kostherr wäre ihm eine Summe Geldes schuldig, griffe mit Bewilligung des Viertels-Commissariizu und versilberte die Pferde. Also saß ich da wie Matz von Dresden und wußte mir selber nicht zu helfen viel weniger zu raten, wie ich einen so weiten Weg wieder zurückkommen sollte.

Die von Adel bezeugeten ein groß Mitleiden mit mir und verehreten mich desto ehrlicher mit einem guten Trinkgeld, wollten mich auch nicht ehender von sich lassen, bis ich entweder einen guten Herrn oder eine Gelegenheit hätte wieder nach Deutschland zu kommen. Ich hielt mich etliche Tage in ihrem Losament, weil ich den einen, so etwas unpäßlich war, auswartete. Demnach ich mich so fein anließ, schenkte er mir sein Kleid, dann er sich auf die neue Mode kleiden ließ.

Als ich nun in Zweifel stund, was ich tun sollte, hörete mich einsmals derMedicus, so meinen kranken Junker kurieret, auf der Laute schlagen und ein deutsch Liedlein darein singen. Das gefiele ihm so wohl, daß er mir eine gute Bestallung anbot samt seinem Tisch, da ich mich zu ihm begeben und seine zween Söhne unterrichten wollte, dann er wußte schon besser, wie mein Handel stund, als ich selbst und, daß ich einen guten Herrn nicht ausschlagen würde. Ich verdingte mich aber nicht länger als von einem Vierteljahr zum andern.

Dieser Doktor redete so gut deutsch als ich und italienisch wie seine Muttersprache. Als ich nun die Letze mit meinen Edelleuten zehrte, war er auch dabei. Mir gingen üble Grillen im Kopf herum, dann da lag mir mein frischgenommen Weib, mein versprochen Fähnlein und mein Schatz in Köln im Sinn, von welchem allem ich mich so leichtfertig hinweg zu begeben hatte bereden lassen. Ich sagte auch über den Tisch: »Wer weiß, ob vielleicht unser Kostherr mich nicht mit Fleiß hierher praktizieret, damit er das Meinige zu Köln erheben und behalten möge.«

Der Doktor meinte, das könne wohl sein, vornehmlich wann ich ein Kerl von geringem Herkommen sei.

»Nein,« antwortete der eine Edelmann, »wann er zu solchem Ende hierher geschickt worden ist, daß er hier bleiben solle, so ists darum geschehen, weil er ihm seines Geizes wegen soviel Drangsal antäte.«

Der Doktor sagte: »Es sei geschehen, aus was vor einer Ursache es wolle, so lasse ich wohl gelten, daß die Sache so angestellt worden, daß Er hier bleiben muß. Er lasse sich aber das nicht irren. Ich will Ihm schon wieder mit guter Gelegenheit nach Deutschland verhelfen. Er schreibe demNotariusnur, daß er den Schatz wohl beachte, sonst werde er scharfe Rechenschaft geben müssen. Es gibet mir einen Argwohn, daß es ein angestellter Handel sei, weil derjenige, so sich vor denCreditordargegeben, Eures Kostherren und seines hiesigen Korrespondenten sehr guter Freund ist.«

Monsigneur Canard, so hieß mein neuer Herr, erbot sich mir mit Rat und Tat beholfen zu sein, damit ich des Meinigen zu Köln nicht verlustig würde, dann er sahe wohl, daß ich traurig war. In seiner Wohnung begehrete er, ich sollte ihm erzählen, wie meine Sachenbeschaffen wären. Ich gab mich vor einen armen deutschen Edelmann aus, der weder Vater noch Mutter, sondern nur etliche Verwandte in einer Festung hätte, darin schwedische Guarnison läge, welches ich vor meinem Kostherrn und denen von Adel verborgen hätte, damit sie das Meinige als ein Gut, so dem Feinde zuständig, nicht an sich zögen. Meine Meinung wäre, ich wollte dem Kommandanten der Festung schreiben, als unter dessen Regiment ich die Stelle eines Fähnrichs hätte, und ihm berichten, was gestalten ich hierher praktiziert worden, ihn auch bitten, sich des Meinigen habhaft zu machen und indessen meinen Freunden zuzustellen.

Canardbefand mein Vorhaben ratsam und versprach mir die Schreiben an ihren Ort zu bestellen, und sollten sie gleich nach Mexiko oder China lauten.

Demnach schrieb ich an meine Liebste, an meinen Schwehervater und den Obristende S. A., Kommandanten in L., an welchen ich auch dasCopertrichtete und ihm die übrigen beiden beischloß: Ich wollte mich mit ehisten wieder einstellen, dann ich nur die Mittel in die Hand kriegte, eine so weite Reise zu vollenden. Er und mein Schweher möchten vermittels derMilitiaedas Meinige zu bekommen unterstehen, eh Gras darüber wüchse. Darneben berichtete ich, wieviel es an Gold, Silber und Kleinodien sei. — Solche Briefe verfertigte ichin duplo, ein Teil bestelleteMons. Canard, den andern gab ich auf die Post, damit eins desto gewisser einliefe.

Also ward ich wieder fröhlich und ich instruierte meines Herrn zween Söhne desto leichter. Die wurden wie die Prinzen erzogen, dann weilMons. Canardsehr reich als auch überaus hoffärtig war, wollte er sich sehen lassen. Welche Krankheit er von großen Herrenan sich genommen, weil er täglich mit Fürsten umging und ihnen alles nachäffte.

Sein Haus war wie eines Grafen Hofhaltung, in welcher kein anderer Mangel erschien, als daß man ihn nicht auch einen gnädigen Herrn nannte. EinenMarquis, da ihn etwan einer besuchen kam, traktierte er nicht höher als seinesgleichen. So teilete er zwar auch geringen Leuten von seinen Arzeneien mit, nahm aber kein geringstes Geld von ihnen, sondern schenkte ihnen eher ihre Schuldigkeit, damit er einen großen Namen haben möchte.

Weil ich ziemlichcuriöswar und wußte, daß er mit meiner Person prangte, als weil ich auch stets in seinem Laboratorio ihm arzeneien half, davon ich einigermaßen vertraut mit ihm ward, fragte ich ihn einsmals, warum er sich nicht von seinem adeligen Sitz her schreibe, den er neulich nahend Paris um 20000 Kronen gekauft,itemwarum er lauter Doktores aus seinen Söhnen zu machen gedenke und sie so streng studieren lasse, ob nicht besser wäre, daß er ihnen, wie andern Kavaliers, irgend Ämter kaufe und sie also vollkommen in den adeligen Stand treten lasse, den sie durch den Landsitz schon namensweis erworben hätten.

»Nein,« sagte er, »wann ich zu einem Fürsten komme, so heißt es: Herr Doktor, setze Er sich nieder. Zum Edelmann aber wird gesagt: Wart auf!«

Ich sagte: »Weiß aber der Herr Doktor nicht, daß ein Arzt dreierlei Angesichter hat: Das erste eines Engels, wann ihn der Kranke ansichtig wird, das ander eines Gottes, wann er hilft, das dritte eines Teufels, wann man gesund ist und ihn wieder abschafft. Also währet solche Ehrung nicht länger, als solang dem Kranken der Wind im Leib herumgeht, höret dasRumpeln auf, so hat die Ehre ein Ende und heißt alsdann auch: Doktor, vor der Tür ist's dein! Der Edelmann kommt aber niemals von des Prinzen Seite. Auch hat der Herr Doktor neulich etwas von einem Fürsten in den Mund genommen und demselben seinen Geschmack abgewinnen müssen, da wollte ich lieber zehn Jahre stehen und aufwarten, als ich eines andern Kot versuchete und wanngleich man mich auf Rosen setzte.«

Er antwortete: »Das muß ich nicht tun, sondern tus gern. Wann der Fürst sieht, wie sauer michs ankommt, seinen Zustand recht zu erkunden, wird meine Verehrung desto größer. Und warum sollte ich dessen Kot nicht versuchen, der mir etlich hundert Dukaten dafür zum Lohn gibet? Ihr redet von der Sache wie ein Deutscher. Wann Ihr aber einer andern Nation wäret, so wollet ich sagen, Ihr hättet geredet wie ein Narr.«

Mit dieser Sentenz nahm ich vorlieb.

Mons. Canardhatte täglich viel Schmarotzer und hielt gleichsam eine freie Tafel. Einsmals besuchte ihn des Königs Zeremonienmeister und andere vornehme Personen vom Hof, denen er eine fürstliche Collation darreichte. Damit er nun denselben seinen allergeneigtesten Willen erzeugte und ihnen alle Lust machte, begehrete er, ich wolle ihm zu Ehren und der ansehnlichen Gesellschaft zu Gefallen ein deutsch Liedlein in meine Laute hören lassen. Ich folgte gern, weil ich eben in Laune war und befliß mich derhalben, das beste Geschirr zu machen.

Daran fanden die Anwesenden ein solch Ergötzen, daß der Zeremonienmeister sagte, es wäre immer schade, daß ich nicht die franzsche Sprache könnte, er wollte mich trefflich wohl beim König und der Königin anbringen.

Mein Herr besorgte, ich möchte ihm aus seinen Diensten entzuckt werden und antwortete, ich sei einer von Adel, der nicht lange in Frankreich zu verbleiben gedächte, würde mich demnach schwerlich vor einen Musikanten gebrauchen lassen.

Darauf sagte der Zeremonienmeister, daß er seine Tage nicht eine so seltene Schönheit, eine so klare Stimme und einen so künstlichen Lautenisten in einer Person gefunden. Es sollte ehist vorm König inLouvreeineComoediagespielet werden, wann er mich darzu gebrauchen könnte, so verhoffe er große Ehre mit mir einzulegen. Das hielt mirMons. Canardvor, und ich antwortete, wann man mir sagete, was vor eine Person ich darstellen und was vor ein Lied ich in meine Lautesingen sollte, so könnte ich ja beides: Melodeien und Lieder auswendig lernen, wannschon sie in franzscher Sprache wären. Als mich der Zeremonienmeister so willig sahe, mußte ich ihm versprechen den andern Tag inLouvrezu kommen, um zu probieren. Also stellete ich mich ein. Die Melodeien schlug ich gleich perfekt auf dem Instrument, weil ich das Tabulaturbuch vor mir hatte. Die franzschen Lieder, welche mir zugleich verdeutscht wurden, kamen mich gar nicht schwer an, also daß ichs eher konnte, als sichs jemand versahe.

Ich habe die Zeit meines Lebens keinen so angenehmen Tag gehabt, als mir derjenige war, an welchem dieComoediagespielet ward.Mons. Canardgab mir etwas ein, meine Stimme desto klärer zu machen; da er aber meine Schönheit mitoleo talcierhöhen und meine halbkrausen Haare, die vor Schwärze glitzerten, verpudern wollte, fand er, daß er mich dadurch nur entstellet hätte.

Ich ward mit einem Lorbeerkranz gekrönt und in ein antiquisch meergrün Kleid angetan, in welchem man mir den ganzen Hals, den Oberteil der Brust, die Arme bis hinter die Ellenbogen und die Knie von den halben Schenkeln an bis auf die halben Waden nackend und bloß sehen konnte. Um solches schlug ich einen leibfarbenen taffeten Mantel, der sich mehr einem Feldzeichen vergliche. In solchem Kleid löffelte ich um meineEurydice, rufte dieVenusmit einem schönen Liedlein um Beistand an und brachte endlich meine Liebste davon. In welchem Akt ich mich trefflich zu stellen und meine Liebste mit Seufzen und spielenden Augen anzublicken wußte.

Nachdem ich aber meineEurydiceverloren, zog ich ein ganz schwarz Habit an, auf die vorige Mode gemacht, aus welchem meine weiße Haut hervorschienwie Schnee. In solchem beklagte ich meine verlorene Liebste und bildete mir die Sache so erbärmlich ein, daß mir mitten in meinen traurigen Liedern und Melodeien die Tränen herausruckten. Bis ich vorPlutonemundProserpinamin die Hölle kam, stellete ich denselben in einem sehr beweglichen Liede die Liebe vor, so wir beide zusammen trügen, bat mit den allerandächtigsten Gebärden, und zwar alles in die Harfe singend, sie sollten mir dieEurydicewieder zukommen lassen, und bedankte, nachdem ich das Jawort erhalten, mit einem Liede, wußte dabei das Angesicht, samt Gebärden und Stimme so fröhlich zu verkehren, daß sich alle Anwesenden darüber verwunderten. Da ich aber meineEurydicewieder unversehens verlor, fing ich an, auf einem Felsen sitzend, den Verlust mit erbärmlichsten Worten und einer traurigen Melodei zu beklagen und alle Kreaturen um Mitleiden anzurufen. Darauf stellten sich allerhand zahme und wilde Tiere, Berge, Bäume und dergleichen bei mir ein, also daß es in Wahrheit ein Ansehen hatte, als ob alles mit Zauberei übernatürlicher Weise wäre zugerichtet worden. Da ich aber zuletzt allen Weibern abgesagt und von den Bacchantinnen erwürget und ins Wasser geworfen ward, daß man nur meinen Kopf sahe, sollte mich ein erschröcklicher Drache benagen. Der Kerl aber so im Drachen stak, denselben zu regieren, konnte meinen Kopf nicht sehen und ließ das Drachenmaul neben dem meinigen grasen. Solches kam mir lächerlich vor, daß ich mir nicht abbrechen konnte, darüber zu schmollen, welches die Damen, so mich gar wohl betrachteten, in Acht nahmen.

Von dieserComoediabekam ich neben dem Lob nicht allein eine treffliche Verehrung, sondern auch einen andernNamen, indem mich forthin die Franzosen nicht anders alsBeau Almannannten. Es wurden noch mehr dergleichen Spiele und Ballett gehalten, in welchen ich mich gebrauchen ließ. Ich befand aber zuletzt, daß ich von den andern geneidet ward, weil ich die Augen der Zuseher, sonderlich der Weiber, gewaltig auf mich zog. Tät mich derowegen ab, maßen ich einsmals ziemlich Stöße kriegte, da ich als einHerkules, gleichsam nackend in einer Löwenhaut, mit dem FlußgottAchelousum dieDeianirakämpfte, da er mir's gröber machte, als in einem Spiel Gebrauch ist. —

Einsmals kam ein Lakai, der sprach meinenMons. Canardan und brachte ihm ein Brieflein, eben als ich in seinem Laboratorio über alchimistischer Arbeit saß, dann ich hatte aus Lust bei meinem Doktor manchen chimischen Prozeß gefördert mit Resolvieren, Sublimieren, Kalcinieren, Digerieren und unzählig vielen andern Praktiken.

»Monsieur Beau Alman,« rief der Doktor, »das Schreiben betrifft Euch. Es schicket ein vornehmer Herr, Ihr wollet gleich zu ihm kommen, daß er Euch ansprechen könnte, ob Euch nicht beliebe, seinen Sohn auf der Laute zu informieren. Er bittet mit sehr courtoisen Versprechen, daß ich Euch zurede, Ihr wollet ihm diesen Gang nicht abschlagen.«

Ich antwortete: »Wann ich Euretwegen jemand dienen könnte, so will ich am Fleiße nicht sparen.«

Darauf sagte er, ich solle mich anders anziehen, indessen wolle er mir etwas zu essen machen, dann ich hätte einen ziemlich weiten Weg zu gehen.

Also putzte ich mich und verschluckte in Eil etwas von den Gerichten, sonderlich aber ein paar kleiner delikater Würstlein, welche mir zwar, als mich deuchte,ziemlich stark apothekerten. Ging demnach mit gedachtem Lakai durch seltsame Umwege eine Stunde lang, bis wir gegen Abend an eine Gartentür kamen, die nur zugelehnt war. Der Lakai stieß sie vollends auf und schlug sie hinter uns zu, führete mich nachgehends in ein Lusthaus, so in einer Ecke des Gartens stund. Nachdem wir einen ziemlich langen Gang passierten, klopfte er vor einer Tür, so von einer alten adeligen Dame stracks aufgemachet ward. Diese hieß mich in deutscher Sprache sehr höflich willkommen und zu ihr vollends hineintreten. Der Lakai aber, so kein Deutsch konnte, nahm mit tiefer Reverenz Abschied.

Die Alte führte mich bei der Hand vollends in das Zimmer, das rundumher mit köstlichen Tapeten behängt und sonsten auch schön gezieret war. Sie hieß mich niedersitzen, damit ich verschnaufen und zugleich vernehmen könnte, aus was Ursachen ich an diesen Ort geholet worden.

Ich folgte gern und satzte mich auf einen Sessel, den sie mir zum Feuer stellete, sie aber ließ sich neben mir auf einen andern nieder und sagte:

»Monsieur, wann Er etwas von den Kräften der Liebe weiß, daß nämlich solche die allertapfersten, stärksten und klügsten Männer überwältige und zu beherrschen pflege, so wird Er sich umso viel mehr desto weniger verwundern, wann dieselbe auch ein schwaches Weibsbild meistert. Er ist nicht der Laute halber, wie man Ihn undMon. Canardüberredet hat, von einem Herrn, aber wohl seiner übertrefflichen Schönheit halber von der allervortrefflichsten Dame in Paris hierher berufen worden. Sie versiehet sich allbereits des Todes, so sie nicht bald des Herren überirdische Gestalt zu beschauen und sich daran zu erquicken das Glück haben sollte.Derowegen hat sie mir befohlen, dem Herrn, als meinem Landsmann, solches anzuzeigen und ihn höher zu bitten alsVenusihrenAdonis, daß er diesen Abend sich bei ihr einfinden und seine Schönheit genugsam von ihr betrachten lasse, welches er ihr hoffentlich als einer vornehmen Dame nicht abschlagen wird.«

Ich antwortete: »Madame, ich weiß nicht, was ich denken, viel weniger hierauf sagen soll. Ich erkenne mich nicht darnach beschaffen zu sein, daß eine Dame von so hoher Qualität nach meiner Wenigkeit verlangen sollte. Wann die Dame, so mich zu sehen begehret, so vortrefflich und vornehm sei, als mir meine hochgeehrte Frau Landsmännin vorbringt, so hätte sie wohl bei früher Tageszeit nach mir schicken dörfen und mich nicht erst hierher an diesen einsamen Ort bei so spätem Abend berufen. Was habe ich in diesem Garten zu tun? Meine Landsmännin vergebe, wann ich als verlassener Fremder in die Forcht gerate, man wolle mich auch sonst hintergehen. Sollte ich aber merken, daß man mir so verräterisch mit bösen Tücken an den Leib wollte, würde ich vor meinem Tode den Degen zu gebrauchen wissen.«

»Sachte, sachte, mein hochgeehrter Herr Landsmann, Er lasse diese unmutigen Gedanken aus dem Sinn. Die Weibsbilder sind seltsam und vorsichtig in ihren Anschlägen, daß man sich nicht gleich anfangs so leicht darein schicken kann. Wann diejenige, die Ihn über alles liebet, gern hätte, daß Er Wissenschaft von ihrer Person haben sollte, so hätte sie Ihn freilich nicht erst hierher, sondern den geraden Weg zu sich kommen lassen. Dort liegt eine Kappe, die muß der Herr ohndas erst aufsetzen, wann Er zu ihr geführt wird, weil sie auch sogar nicht will, daß Er den Ort, geschweige, bei wemer gesteckt, wissen sollte. Bitte und ermahne demnach den Herrn so hoch als ich immer kann, Er zeige sich gegen diese Dame so, wie es ihre Hoheit als auch ihre gegen Ihn tragende unaussprechliche Liebe meritiert. Anders wolle Er gewärtig sein, daß sie mächtig genug sei, seinen Hochmut und Verachtung auch in diesem Augenblick zu strafen.«

Es ward allgemach finster und ich hatte allerhand Sorgen und forchtsame Gedanken, also daß ich wie ein geschnitzt Bild dasaß. Konnte mir wohl auch einbilden, daß ich diesem Ort so leicht nicht wieder entrinnen könnte. So willigte ich denn in alles, so man mir zumutete, und sagte der Alten: »Wenn ihm dann so ist, wie Sie vorgebracht, so vertraue ich meine Person Ihrer angeborenen deutschen Redlichkeit, der Hoffnung, sie werde nicht zulassen, daß einem unschuldigen Deutschen eine Untreue widerführe. Sie vollbringe also, was Ihr befohlen.«

»Ei, behüte Gott, Er wird mehr Ergötzen finden, als Er sich hat sein Tag niemals einbilden dörfen!«

Sie rief:Jean,Pierre! — alsobald traten diese in vollem, blanken Küraß, vom Scheitel bis auf die Fußsohle gewaffnet, mit einer Hellebarden und Pistolen in Händen, hinter einer Tapezerei herfür. Davon ich dergestalt erschrak, daß ich mich entfärbte. Die Alte ward solches lächelnd gewahr.

»Man muß sich nicht förchten, wenn man zum Frauenzimmer gehet.«

Sie befahl den beiden ihren Harnisch abzulegen, die Laterne zu nehmen und nur mit ihren Pistolen zu folgen. Demnach streifte sie mir die schwarze Sammetkappe über den Kopf und führete mich an der Hand durch seltsame Wege.

Ich spürte wohl, daß ich durch viel Türen und auch über einen gepflasterten Weg passierte. Endlich mußte ich etwan eine halbe Viertelstunde eine kleine steinerne Stiege steigen, da tät sich ein Türlein auf, von dannen kam ich über einen belegten Gang und mußte eine Wendelstiege hinauf, folgends etliche Staffeln wieder hinab, allda sich etwa sechs Schritte weiters eine Tür öffnete.

Als ich endlich durch solche kam, zog mir die Alte die Kappe wieder herunter. Da befand ich mich in einem Saal, der überaus zierlich aufgeputzt war. Die Wände waren mit schönen Gemälden, der Tresor mit Silbergeschirr und das Bette, so darin stund, mit Umhängen von göldenen Stücken gezieret. In der Mitten stund der Tisch, prächtig gedeckt, und bei dem Feuer befand sich eine Badewanne, die wohl hübsch war, aber meinem Bedünken nach schändete sie den ganzen Saal.

Die Alte sagte zu mir: »Nun willkommen, Herr Landsmann, kann Er noch sagen, daß man Ihn mit Verräterei hintergehe? Er lege nur allen Unmut ab und erzeige sich wie neulich auf dem Theatro, da er seineEurydicewieder erhielt. Er wird hier, ich versichere, eine schönere antreffen, als Er dort eine verloren.«

Ich merkte schon an diesen Worten, daß ich mich nicht nur an diesem Ort beschauen lassen, sondern noch gar was anderes tun sollte. Sagte derowegen zu der Alten:

»Es ist einem Durstigen wenig damit geholfen, wann er bei einem verbotenen Brunnen sitzt.«

Sie antwortete, man sei in Frankreich und also nicht so mißgünstig, daß man einem das Wasser verbiete, sonderlich, wo dessen ein Überfluß sei.

»Ja,« sagte ich, »Sie saget mir wohl davon, wann ich nicht schon verheiratet wäre.«

»Das sind Possen,« meinte das gottlose Weib, »man wird Euch solches nicht glauben, dann die verehelichten Kavaliers ziehen selten nach Frankreich. Und wenngleich dem so wäre, kann ich nicht glauben, daß der Herr so albern sei, eher Durst zu sterben, als aus einem fremden Brunnen zu trinken.«

Dies war unser Diskurs, dieweil mir eine adelige Jungfer, so das Feuer pflegte, Schuhe und Strümpfe auszog, die ich überall im Finstern besudelt hatte, wie dann Paris ohn das eine sehr kotige Stadt ist.

Gleich darauf kam Befehl, daß man mich noch vor dem Essen baden sollte, dann bemeldtes Jungfräulein ging ab und zu und brachte Badezeug, so alles nach Bisem und wohlriechender Seife duftete. Das leinen Gerät war von reinstem Kammertuch und mit teueren holländischen Spitzen besetzt.

Ich wollte mich schämen und vor der Alten nicht nackend sehen lassen, aber es half nichts, ich mußte dranund mich von ihr ausreiben lassen, das Jungfergen mußte eine Weile abtreten.

Nach dem Bad ward mir ein zartes Hemd gegeben und ein köstlicher Schlafpelz von veielblauem Taffet angelegt, samt ein Paar Strümpfen von gleicher Farbe. So war meine Schlafhaube samt den Pantoffeln mit Gold und Perlen gestickt, also daß ich nach dem Bad dort saß zu protzen wie der Herzkönig.

Indessen mir nun meine Alte das Haar trücknete und kämpelte trug mehrgemeldtes Jungfergen die Speisen auf, und nachdem der Tisch überstellet war, traten drei heroische Damen in den Saal, welche ihre Alabasterbrüstlein zwar ziemlich weit entblößt trugen, vor den Angesichtern aber ganz vermaskiert waren.

Sie dünkten mich alle drei vortrefflich schön zu sein, aber doch war eine viel schöner als die andern. Ich machte ihnen ganz stillschweigend einen Bückling und sie bedankten sich mit der gleichen Zeremonie, welches natürlich aussahe, als ob etliche Stumme beieinander seien. Sie satzten sich alle drei zugleich, daß ich nicht erraten konnte, welche die Vornehmste gewesen.

Der ersten Rede war, ob ich nicht französisch könnte. Meine Landsmännin sagte nein. Hierauf befahl ihr die andre, sie solle mir sagen, ich wollte belieben niederzusitzen. Dann bedeutete die Dritte der Alten, sie solle sich auch setzen. Woraus ich abermal nicht abnehmen konnte, welche die Vornehmste unter ihnen war.

Ich saß neben dem alten Gerippe und sie blickten mich alle drei sehr anmütig, lieb- und huldreich an, und ich dörfte schwören, daß sie viel hundert Seufzer gehen ließen.

Meine Alte fragte mich, welche ich unter den dreien vor die Schönste hielte. Ich antwortete, daß einem dieWahl wehe tue. Hierüber fing sie an zu lachen, daß man alle vier Zähne sahe, die sie noch im Maul hatte, und sagte: »Warum das?«

»Soviel ich sehe, sein alle drei nit häßlich.«

Dieses ward die Alte gefragt und sie log darzu, ich hätte gesagt, einer jeden Mund wäre hunderttausend Mal Küssens wert, dann ich konnte ihre Mäuler unter den Masken wohl sehen. Ich stellete mich unter all diesem Diskurs über Tisch, als ob ich kein Wort französisch verstünde.

Weil es nun so still herging, machten wir desto früher Feierabend. Die Damen wünschten eine gute Nacht und gingen ihres Wegs, ich durfte aber das Geleite nicht weiter als bis an die Tür geben, so die Alte gleich nach ihnen zuriegelte.

Ich fragte, wo ich dann schlafen müßte. Sie sagte, ich müßte bei ihr in gegenwärtigem Bette vorlieb nehmen. Ich meinte das Bette wäre immerhin gut genug.

Indem wir so plauderten, zog eine schöne Dame den Bettvorhang etwas zurück und sagte der Alten, sie solle aufhören zu schwätzen und schlafen gehen. Stracks nahm ich ihr das Licht und wollte sehen, wer im Bette läge. Sie aber löschte solches aus.

»Herr, wann Ihm sein Kopf lieb ist, so unterstehe er sich dessen nicht, was Er im Sinne hat. Er sei versichert, da Er im Ernst sich bemühen wird, diese Dame wider ihren Willen zu sehen, daß Er nimmermehr lebendig von hinnen kommt.«

Damit ging sie durch und beschloß die Tür. Die Jungfer aber, so dem Feur gewartet, löschte es vollends aus und ging hinter einer Tapezerei durch eine verborgene Tür hinweg.

»Allez, monsieur Beau Aleman, geh slaff mein 'erz, gomm, rick su mir!«

Soviel hatte ihr die Alte Deutsch gelernet. Ich begab mich zum Bette, zu sehen, wie dann dem Ding zu helfen sein möchte, sobald ich aber hinzu kam, fiel sie mir um den Hals und bisse mir vor Hitze schier die unter Lefzen herab, ja, sie fing an das Hemd gleichsam zu zerreißen, zog mich also zu sich und stellete sich vor unsinniger Liebe also an, daß nicht auszusagen.

Sie konnte nichts anders Deutsch als: Rick su mir, mein 'erz! — das übrige gab sie sonst zu verstehen.

Ich dachte zwar heim an meine Liebste, aber was half es. Ich war leider ein Mensch und fand eine so wohlproportionierte Kreatur, daß ich ein Holzblock hätte sein müssen. —

Dergestalt brachte ich acht Täge an diesem Orte zu. Nach geendigter Zeit satzte man mich im Hof mit verbundenen Augen in eine zugemachte Kutsche zu meiner Alten, die mir unterwegs die Augen wieder aufband. Man führete mich in meines Herren Hof, und die Kutsche fuhr wieder schnell hinweg. Meine Verehrung waren zweihundert Dukaten, und da ich die Alte fragte, ob ich niemand kein Trinkgeld davon geben könnte, sagte sie, bei Leibe nicht!

Nachgehends bekam ich noch mehr dergleichen Kunden, welche es mir endlich so grob machten, daß ich der Narrenposse ganz überdrüssig ward.

Auch fing ich an und ging in mich selber, nicht zwar aus Gottseligkeit oder Trieb meines Gewissens, sondern aus Sorge, daß ich einmal auf solch einer Kirchweih erdappt und nach Verdienst bezahlt würde. An Geld und andern Sachen hatte ich so viel Verehrungen zusammen, daß mir Angst dabei ward und ich michnicht mehr verwunderte, daß sich die Weibsbilder aus dieser viehischen Unfläterei ein Handwerk machen.

Derhalben trachtete ich wieder nach Deutschland zu kommen und das umso viel mehr, weil der Kommandant zu L. mir geschrieben hatte, daß er etliche kölnische Kaufleute bei den Köpfen gekriegt, die er nit aus den Händen lassen wollte, es seien ihm dann meine Sachen zuvor eingehändiget,itemdaß er mir das versprochene Fähnlein aufhalte und meiner noch im Frühling gewärtig sei, dann sonst müßte er die Stelle mit einem andern besetzen.

So schickte mir mein Weib auch ein Brieflein darbei, das voll liebreicher Bezeugung ihres großen Verlangens war. Hätte sie aber gewußt, wie ich so ehrbar gelebet, so sollte sie mir wohl einen andern Gruß hineingesetzt haben.

Ich konnte mir wohl einbilden, daß ich mitMonsignore CanardsEinwilligung schwer hinweg käme, gedachte derhalben heimlich durch zu gehen. Und als ich einsmals etliche Offizierer von der weimarischen Armee antraf, gab ich mich ihnen als Fähnrich von des Obristende S. A.Regiment zu erkennen mit Bitte, sie wollten mich in ihrer Gesellschaft als Reisegefährten mitnehmen, da ich meiner Geschäfte in Paris ledig sei. Also eröffneten sie mir den Tag ihres Aufbruches und nahmen mich willig mit. AnMons. Canardschrieb ich aber zurück und datierte zu Mastrich, damit er meinen sollte, ich wäre auf Köln gegangen, und nahm meinen Abschied mit Vermelden, daß mir unmöglich gewesen länger zu bleiben, weil ich seine aromatischen Würstlein nicht mehr hätte verdauen können.

Im zweiten Nachtläger von Paris aus ward mir wie einem, der den Rotlauf bekommt. Mein Kopf tätmir so grausam weh, daß mir unmöglich war aufzustehen. Ich lag in einem gar schlechten Dorf, darin ich keinenMedicumhaben konnte, und was das ärgste war, so hatte ich auch niemand, der meiner wartete, dann die Offizierer reisten des Morgens früh ihres Weges fort gegen den Elsaß zu. Sie ließen mich als einen, der sie nichts anginge, gleichsam todkrank daliegen. Doch hinterließen sie bei dem Schulzen, daß er mich als einen Kriegsoffizier, der dem König diene, beobachten sollte.

Also lag ich ein paar Tage dort, daß ich nichts von mir selber wußte, sondern wie ein Hirnschelliger fabelte. Man brachte den Pfaffen, derselbe konnte aber nichts Verständiges von mir vernehmen. Doch gedachte er auf Mittel, mir nach Vermögen zu Hilfe zu kommen, allermaßen er mir eine Ader öffnen, einen Schweißtrank eingeben und mich in ein warmes Bette legen ließ, zu schwitzen. Das bekam mir so wohl, daß ich mich in derselben Nacht wieder besann, wo ich war.

Am folgenden Tag fand mich der Pfaffe ganz desperat, dieweil mir nicht allein all mein Geld, es waren fünf hundert Dublonen, entführt war, sondern auch ich nicht anders vermeinte, als hätte ichsalva veniadie lieben Franzosenblatteren, weil sie mir billiger als die Dublonen gebühreten. Ich war auch über den ganzen Leib so voller Flecken als wie ein Tieger, konnte weder gehen, stehen, sitzen, liegen und war auch keine Geduld bei mir. Ja, ich stellete mich nicht anders, als ob ich ganz hätte verzweifeln wollen, daß also der gute Pfarrer genug an mir zu trösten hatte, weil mich der Schuh an zweien Orten so heftig druckte.

»Nach dem Geld fragte ich nichts, wann ich nur diese abscheuliche, verfluchte Krankheit nicht am Halshätte oder wäre an Ort und Enden, da ich wieder kuriert werden könnte!«

»Ihr müßt Euch gedulden. Wie müßten erst die armen, kleinen Kinder tun, deren im hießigen Dorf über fünfzig daran krank liegen.«

Wie ich hörete, daß auch Kinder damit behaftet, war ich alsbald herzhafter, dann ich konnte ja leicht gedenken, daß selbige jene garstige Seuch nit kriegen würden, nahm derowegen mein Felleisen zur Hand und suchte, was es etwan noch vermöchte. Da war ohn das weiße Zeug nicht Schätzbares drin, als eine Kapsel mit einer Damen Conterfait, rund herum mit Rubinen besetzt, so mir eine zu Paris verehret hatte. Ich nahm das Conterfait heraus und stellete das übrige dem Pfarrer zu mit Bitte, solches in der nächsten Stadt zu versilbern. Auch mein Klepper mußte dran glauben. Damit reichte ich kärglich aus, bis die Blattern anfingen zu dörren und mir besser ward.

Womit einer sündiget, damit pflegt er auch gestraft zu werden. Die Kindsblattern richteten mich dergestalt zu, daß ich hinfüro vor den Weibsbildern gute Ruhe hatte. Ich kriegte Gruben im Gesicht, daß ich aussahe wie eine Scheurtenne, darauf man Erbsen gedroschen. Ja, ich ward so häßlich, daß sich mein schönes, krauses Haar, in welchem sich so manch Weibsbild verstrickt, meiner schämte und seine Heimat verließ, daß ich also notwendig eine Perücke tragen mußte. Meine liebliche Stimme ging als auch dahin, dann ich den Hals voller Blattern gehabt. Meine Augen, die man hiebevor niemalen ohne Liebesfeuer finden konnte, eine jede zu entzünden, sahen jetzt rot und triefend aus wie die eines achtzigjährigen Weibes. Über das alles war ich in fremden Landen, kannte weder Hund noch Menschen, verstund die Sprache kaum und hatte allbereits kein Geld.

Da fing ich erst an hinter sich zu denken und die herrliche Gelegenheit zu bejammern, die mir hiebevor zur Beförderung meiner Wohlfahrt angestanden, ich aber so liederlich hatte verstreichen lassen. Ich merkte, daß mein außergewöhnlich Kriegsglück und mein gefundener Schatz nur Ursache und Vorbereitung zu meinem Unglück gewesen. Da war kein Einsiedel mehr, der es treulich mit mir meinete, kein Pfarrer, der mir das Beste riete. Da mein Geld hin war, hieß es, ich sollte auch fort und meine Gelegenheit anderswo suchen. O schnelle, unglückselige Veränderung! Vor vier Wochen war ich ein Kerl, der die Fürsten zur Verwunderung bewegte, das Frauenzimmer entzuckte, dem Volk als einMeisterstück der Natur, ja, ein Engel vorkam, jetzt aber so unwert, daß mich die Hunde anpißten.

Der Wirt stieß mich aus dem Haus, da ich nicht bezahlen konnte, kein Werber wollte mich vor einen Soldaten annehmen, weil ich wie ein grintiger Kuckuck aussahe, arbeiten konnte ich nit, dann ich war noch zu matt und keiner Arbeit gewohnt. Mich tröstete allein, daß es gegen den Sommer ging und ich mich zur Not hinter einer Hecken behelfen konnte, weil mich niemand mehr im Hause litt. Mein stattlich Kleid und Leinenzeug wollte mir niemand abkaufen, weil jeder sorgte, ich möchte ihm auch eine Krankheit damit an den Hals hängen.

Ich nahms also auf den Buckel, den Degen in die Hand und den Weg unter die Füße, der mich in ein klein Städtlein trug, so gleich wohl über eine eigene Apotheke vermochte. In dieselbe ging ich und ließ mir eine Salbe zurichten, die mir die Blatternnarben im Gesicht vertreiben sollte. Ich gab ein schön, zart Hemd davor.

Es war ein Markt daselbst, und auf demselben befand sich ein Zahnbrecher, der trefflich Geld lösete, da er doch liederlich Ding den Leuten dafür anhing.

»Narr,« sagte ich zu mir selber, »was machst du, daß du nicht auch so einen Kram aufrichtest! Bist du so lang beiMons. Canardgewesen und hast nicht so viel gelernt, einen einfältigen Baur zu betrügen und dein Maulfutter davon zu gewinnen? Da mußt du wohl ein elender Tropf sein.«

Ich mochte damals fressen wie ein Drescher, dann mein Magen war nicht zu ersättigen. Ich hatte aber nur noch einen einzigen göldenen Ring mit einem Diamant, der etwa zwenzig Kronen wert war. Den versilberte ich um zwölfe und resolvierte mich, ein Arzt zu werden. Kaufte die Materialia zu einem Theriakund richtete ihn zu für kleine Städt und Flecken. Vor die Bauren aber nahm ich ein Teil Wacholderlatwerge, vermischte solches mit Eichenlaub, Weidenblättern und dergleichen herben Ingredienzien, alsdann machte ich auch aus Kräutern, Wurzeln, Blättern und etlichen Olitäten eine grüne Salbe zu allerhand Wunden, damit man wohl ein gedruckt Pferd hätte heilen können,itemaus Galmei, Kieselsteinen, Krebsaugen, Schmirgel und Trippel ein Pulver, weiße Zähne damit zu machen, ferner ein blau Wasser aus Lauge, Kupfer, Ammoniak und Kampfer vor Mundfäule, Zähn- und Augenweh. Ich bekam auch einen Haufen blecherner und hölzerner Büchslein, Papier und Gläslein, meine Ware darein zu schmieren. Damit es auch ein Ansehen haben möchte, ließ ich mir einen französischen Zettel koncipieren und drucken, darin man sehen konnte, wozu ein und das ander gut war. Ich hatte kaum drei Kronen in die Apotheke und vor Geschirr angewendet und war in drei Tagen fertig. Also packte ich auf und nahm mir vor, von einem Dorf zum andern bis in das Elsaß hinein zu streichen und endlich zu meinem Weib zu finden.

Da ich das erste Mal mit meiner Quacksalberei vor eine Kirche kam und feil hatte, war die Losung gar schlecht, weil ich noch viel zu blöd war. Sahe demnach gleich, daß ichs anders angreifen müßte. Im Wirtshaus vernahm ich über Tisch vom Wirt, daß den Nachmittag allerhand Leute unter der Linden vor seinem Haus zusammenkommen würden, da dörfte ich wohl so etwas verkaufen, wann man nur an einer Probe vor Augen sähe, daß mein Theriak ausbündig gut wäre. Als ich dergestalt vernommen, woran es mangele, bekam ich ein halbes Trinkgläslein voll gutem Straßburger Branntewein und fing eine Art Kroten,so in den unsauberen Pfützen sitzen und singen, sind fast rotgelb unten am Bauch schwarz gescheckigt, gar unlustig anzusehen. Ein solche satzte ich in ein Schoppenglas mit Wasser und stellets neben meine Ware auf den Tisch unter der Linde. Wie sich nun die Leute versammleten und um mich herumstunden, vermeineten etliche, ich würde mit der Zange, so ich von dem Wirte aus der Kuchen entlehnet, die Zähn ausbrechen, ich aber fing an:

»Ihr Herren und gueti Freund, bin ich kein Brech-dir-die-Zahn-aus, allein hab ich gut Wasser vor die Aug, es mag all die Flüß aus die rote Aug ...«

»Ja,« antwortete einer, »man siehets an Euren Augen wohl, die sehen ja aus wie zween Irrwische!«

»Das ist wahr, wann ich aber der Wasser vor mich nicht hab, so wär ich wohl gar blind werd. Ich verkauf sonst das Wasser nit. Der Theriak und das Pulver vor die weiße Zähn und das Wundsalb will ich verkauf und der Wasser noch darzu schenk! Ich bin kein Schreier und Bescheiß-dir-die-Leut. Hab ich mein Theriak feil, wann ich sie hab probiert, und sie dir nit gefallt, so darfst du sie nit kauf ab.«

Indem ließ ich einen von meinem Umstand aus den Theriakbüchslein wählen, daraus tät ich etwan eine Erbse groß in meinen Branntewein, den die Leute vor Wasser ansahen, zerrieb den Theriak darin und kriegte mit der Zange die Krot zu fassen.

»Secht ihr, gueti Freund, wann dies giftig Wurm kann mein Theriak trink und sterbe nit, do ist der Ding nit nutz, dann kauf ihr nur nit ab.«

Hiemit steckte ich die arme Krote, welche im Wasser geboren und erzogen, in meinen Branntewein und hielt ihn mit einem Papier zu, daß die Krot nicht herausspringenkonnte. Da fing sie dergestalt an darin zu wüten und zu zablen, ja viel ärger zu tun, als ob ichs auf glühend Kohlen geworfen hätte, und streckte endlich alle vier von sich.

Die Bauren sperrten Maul und Beutel auf, da war in ihrem Sinn kein besserer Theriak als der meinige, und ich hatte genug zu tun, den Plunder in die Zettel zu wickeln und Geld davor einzunehmen. Es kauften etliche drei-, vier-, fünf- und sechsfach, damit sie auf den Notfall mit so köstlicher Giftlatwerge versehen wären, ja, sie kauften auch vor ihre Freunde und Verwandten.

Ich machte mich noch dieselbe Nacht in ein anderes Dorf, weil ich besorgte, es möchte etwan auch ein Baur so kurios sein und eine Kroten in ein Wasser setzen, meinen Theriak zu probieren, und mir der Buckel geraumet werden.

Damit ich aber gleichwohl die Vortrefflichkeit meiner Giftlatwerge auf eine andere Manier erweisen könnte, machte ich mir aus Mehl, Safran und Gallus einen gelbenArsenicumund aus Mehl und Vitriol einenMercurium Sublimatum. Wann ich die Probe tun wollte, hatte ich zwei gleiche Gläser mit frischem Wasser auf dem Tisch, davon das eine ziemlich stark mitAqua FortoderSpiritus Victrilvermischt war. In dasselbe zerrührte ich ein wenig von meinem Theriak und schabte alsdann von meinen beiden Giften so viel, als genug war, hinein. Davon ward das eine Wasser, so keinen Theriak und also auch keinAqua Forthatte, so schwarz als Tinte, das andre blieb wegen des Scheidewassers wie es war.

»Ha,« sagten dann die Leute, »das ist fürwahr ein köstlicher Theriak um so ein gering Geld!«

Wann ich aber beide untereinander goß, so ward wieder alles klar. Davon zogen die guten Bauren ihre Beutel und ich kam glücklich an die deutsche Grenze.

Da ich durch Lothringen passierte ging mir meine Ware aus und also auch meine Gläslein. Demnach ich aber von einer Glashütte im fleckensteinischen Gebiet hörete, begab ich mich darauf zu, mich wieder zu montieren. Und indem ich Abwege suchte, weilen ich die Guarnisonen scheuete, ward ich ungefähr von einer Partei aus Philippsburg, die sich auf dem Schloß Wagelnburg aufhielt, gefangen. Der Baur, so mir den Weg zu weisen mitgegangen war, hatte den Kerln gesagt, ich sei ein Doctor, ward also wider des Teufels Dank vor einen Doctor nach Philippsburg geführet.

Ich scheuete mich gar nicht zu sagen, wer ich wäre, aber ich sollte ein Doctor sein. Ich schwor, daß ich unter die kaiserlichen Dragoner nach Soest gehörig, aber es hieß, der Kaiser brauche sowohl in Philippsburg als in Soest Soldaten, man würde mir bei ihnen Aufenthalt geben, wann mir dieser Vorschlag nicht schmecke, so möchte ich mit dem Stockhaus vorlieb nehmen.

Also kam ich vom Pferd auf den Esel und mußte wider Willen Musketierer sein. Das kam mir blutsauer an, weil der Schmalhans dort herrschte und das Kommißbrot schröcklich klein war. Und die Wahrheit zu bekennen, so ist es wohl eine elende Kreatur um einen Musketierer in einer Guarnison. Dann da ist keiner anders als ein Gefangener, der mit Wasser und Brot der Trübsal sein armseliges Leben verzögert. Ja, ein Gefangener hat es noch besser, dann er darf weder wachen, Runden gehen, noch Schildwacht stehen, sondern bleibt in seiner Ruhe liegen.

Etliche nahmen, und sollten es auch verloffene Huren gewesen sein, in solchem Elend keiner andern Ursache halber Weiber, als daß sie von solchen entweder durch Arbeiten als nähen, wäschen, spinnen oder krämpeln und schachern und gar stehlen ernähret würden. Da war eine Fähnrichin unter den Weibern, die hatte eine Gage wie ein Gefreiter. Eine andre war Hebamme und brachte dadurch sich selbsten und ihrem Mann manchen Schmauß zuwege. Eine andre konnte stärken und wäschen, andre verkauften Tobak und versahen die Kerle mit Pfeifen, andere handelten mit Branntewein und eine war eine Näherin. Es gab ihrer, die sich blöslich vom Felde ernähreten: im Winter gruben sie Schnecken, im Frühling ernteten sie Salat, im Sommer nahmen sie Vogelnester aus, im Herbste wußten sie sonst tausenderlei Schnabelweide zu kriegen. Solcher Gestalt nun meine Nahrung zu haben, war nicht vor mich, dann ich hatte schon ein Weib. Zur Arbeit auf der Schanze war ich zu faul, ein Handwerk hatte ich Tropf nie gelernet und einen Musikanten hatte man in dem Hungerland nicht vonnöten. Auf Partei zu gehen ward mir nicht vertraut. Etliche konnten besser mausen als Katzen, ich aber haßte solche Hantierung wie die Pest.In summawo ich mich nur hinkehrete, da konnte ich nichts ergreifen, das meinen Magen hätte stillen mögen. »Du sollst ein Doctor sein,« sagten sie mir, »und kannst anders keine Kunst als Hunger leiden.«

Zuletzt war anderer Unglück mein Glück, dann nachdem ich etliche Gelbsüchtige und ein paar Fiebernde kurierte, die einen besonderen Glauben an mich gehabt haben müssen, ward mir erlaubt, vor die Festung zu gehen, meinem Vorwande nach Wurzeln und Kräuter zu meinen Arzneien zu sammeln. Da richtete ich hingegenden Hasen mit Stricken und fing die erste Nacht zween. Dieselben brachte ich dem Obristen und erhielt dadurch nicht allein einen Taler zur Verehrung, sondern auch Erlaubnus, daß ich hinausdörfte, wann ich die Wacht nicht hätte. Als kam das Wasser wieder auf meine Mühle, maßen es das Ansehen hatte, als ob ich Hasen in meine Stricke bannen könnte, so viel fing ich in dem erödeten Land.

Ich ward unter meiner Muskete ein recht wilder Mensch. Keine Boßheit war mir zuviel, alle Gnaden und Wohltaten, die ich von Gott jemals empfangen, waren allerdings vergessen. Ich lebte auf den alten Kaiser hinein wie ein Viehe. Selten kam ich in die Kirche und gar nicht zur Beichte. Wo ich nur jemand berücken konnte, unterließ ichs nicht, so daß schier keiner ungeschimpft von mir kam. Davon kriegte ich oft dichte Stöße und noch öfter den Esel zu reuten, ja man bedrohete mich mit Galgen und Wippe, aber es half alles nichts. Ich trieb meine gottlose Weise fort, daß es das Ansehen hatte, als ob ich desperat spiele und mit Fleiß der Höllen zurenne. Und obgleich ich keine Übeltat beging, dadurch ich das Leben verwürkt hätte so war ich jedoch so ruchlos, daß man hat kaum einen wüsteren Menschen antreffen mögen.

Dies nahm unser Regimentskaplan in Acht, und weil er ein rechter frommer Seeleneiferer war, schickte er auf die österliche Zeit nach mir, zu vernehmen, warum ich mich nicht bei der Beichte und Communion eingestellet hätte. Ich traktierte ihn wie hiebevor den Pfarrer zu L., also daß der gute Herr nichts mit mir ausrichten konnte. Er verdonnerte mich zum Beschluß:

»Ach, du elender Mensch, ich habe vermeinet du irrest aus Unwissenheit, aber nun merke ich, daß duaus lauter Boßheit und gleichsam vorsätzlicher Weis zu sündigen fortfährest! Welcher Heiliger vermeinst du wohl, der ein Mitleiden mit deiner armen Seel und ihrer Verdammnus haben werde? Ich protestiere vor Gott und Welt, daß ich an deiner Verdammnus keine Schuld habe, weil ich getan habe und noch ferner unverdrossen tun wollte, was zur Beförderung deiner Seligkeit vonnöten wäre. Es wird aber besorglich künftig mehrers zu tun nicht obliegen, dann daß ich deinen Leib, wann ihn deine arme Seel in solchem verdammten Stand verläßt, an keinen geweihten Ort zu andern frommen abgestorbenen Christen begraben, sondern auf den Schindwasen zu den Kadavern des verreckten Viehes hinschleppen lasse, oder an denjenigen Ort, da man andere Gottvergessene und Verzweifelte hintut.«

Diese ernstliche Bedrohung fruchtete nichts. Ich schämete mich vorm Beichten.

O ich großer Narr! Oft erzählte ich meine Bubenstücke bei ganzen Gesellschaften und log noch darzu, aber jetzt, da ich einem einzigen Menschen anstatt Gottes meine Sünden demütig bekennen sollte, Vergebung zu empfangen, war ich ein verstockter Stummer.

Ich antwortete: »Ich dien vor einen Soldaten. Wann ich nun sterbe als ein Soldat, so wirds kein Wunder sein, wann ich als irgendein Gefallener auf freiem Feld, mich auch außerhalb des Kirchhofs behelfen werde.«

Also schied ich von dem seeleneifrigen Geistlichen, den ich wohl einsmals einen Hasen abgeschlagen hatte mit Vorwand, weil der Has an einem Strick gehangen und sich selbst ums Leben gebracht, daß sich dannenhero nicht gebühre, den Verzweifelten in ein geweiht Erdreich zu begraben.

Ich mußte wider meines Herzens Willen bleiben undHunger leiden bis in den Sommer hinein. Da ward ich unverhofft von der Muskete befreit. Je mehr sich der Graf von Götz mit seiner Armee näherte, je mehrers näherte ich auch meine Erlösung.

Dann als selbiger zu Brucksal das Haupt-Quartier hatte, ward mein Herzbruder, dem ich im Läger zu Magdeburg getreulich geholfen, von der Generalität mit etlichen Verrichtungen in die Festung geschickt, allwo man ihm die größte Ehre antät. Ich stund eben vor des Obristen Quartier Schildwacht und erkannte ihn gleich im ersten Augenblick, obwohl er einen schwarzen sammtenen Rock antrug. Ich hatte aber nicht das Herz, ihn sogleich anzusprechen, dann ich mußte sorgen, er würde dem Weltlauf nach sich meiner schämen oder mich sonst nicht kennen wollen; ich war ein lausiger Musketierer.

Nachdem ich aber abgelöst ward, erkundigte ich mich bei dessen Dienern nach seinem Stand und Namen, damit ich versichert sei, hatte gleichwohl das Herz nicht, ihn anzureden, sondern schrieb ein Brieflein:

‚Monsieur etc.Wann meinem hochgeborenen Herrn beliebte, denjenigen, den er hiebevor durch seine Tapferkeit aus Eisen und Banden errettet, auch anjetzo durch sein vortrefflich Ansehen aus dem allerarmseligsten Stand von der Welt zu erlösen, wohin er als ein Ball des unbeständigen Glückes geraten — so würde Ihm solches nicht allein nicht schwer fallen, sondern Er würde auch vor einen ewigen Diener obligieren seinen ohn das getreu verbundenen, anjetzo aber allerelendesten und verlassenen

S. Simplicissimum.’

Sobald er solches gelesen ließ er mich hineinkommen.

»Landsmann, wo ist der Kerl, der Euch das Schreiben gegeben hat?«

»Herr, er lieget in dieser Festung gefangen.«

»So gehet zu ihm und saget, ich wolle ihm davon helfen, und sollte er schon den Strick an den Hals kriegen.«

»Herr, es wird solcher Mühe nicht bedörfen, ich bin derSimpliciusselber ...«

Er ließ mich nicht ausreden, sondern umfing mich brüderlich. Und eh er mich fragte, wie ich in die Festung und solche Dienstbarkeit geraten, schickte er seinen Diener zum Juden, Pferd und Kleider vor mich zu kaufen. Indessen erzählete ich ihm, wie mirs ergangen, sint sein Vater vor Magdeburg gestorben. Und als er vernahm, daß ich der Jäger von Soest gewesen, beklagte er, daß er solches nicht eher gewußt hätte, dann er mir damals gar wohl zu einer Kompagnie hätte verhelfen können.

Als nun der Jud mit einer ganzen Taglöhnerlast von Kleidern daherkam, las er mir das Beste heraus und ließ michs anziehen und nahm mich mit sich zum Obristen.

»Herr, ich habe in Seiner Guarnison gegenwärtigen Kerl angetroffen, dem ich so hoch verobligiert bin, daß ich ihn in so niedrigem Stand, wannschon seine Qualitäten keinen besseren meritieren, nicht lassen kann. Bitte dahero den Herrn Obristen, Er wolle mir den Gefallen erweisen und zulassen, daß ich ihn mit mir nehme, um ihm bei der Armee fort zu helfen.«

Der Obrist verkreuzigte sich vor Verwunderung, daß er mich einmal loben hörte, und sagte: »Mein hochgeehrter Herr vergebe mir, wann ich glaube, ihm beliebe nur zu probieren, ob ich ihm auch so dienstwillig sei, als Er dessen wohl wert ist. Was diesen Kerl anlanget, ist solcher eigentlich nicht mir, sondern seinem Vorgeben nach unter ein Regiment Dragoner gehörig,darneben ein so schlimmer Gast, der meinem Profosen, sint er hier ist, mehr Arbeit geben als sonst eine ganze Kompanei.«

Endete damit die Rede und wünschte mir Glück ins Feld.

Dies war meinem Herzbruder noch nicht genug, sondern er bat den Obristen, mich an seine Tafel zu nehmen. Er täts aber zu dem End, daß er den Obristen in meiner Gegenwart erzählte, was er in Westfalen nur gesprächsweis von dem Grafen von der Wahl und dem Kommandanten von Soest über mich gehöret hatte. Das strich er nun dergestalt heraus, daß alle Zuhörer mich vor einen guten Soldaten halten mußten. Dabei hielt ich mich so bescheiden, daß der Obrist und seine Leute nicht anders glauben konnten, als ich wäre mit andern Kleidern auch ein ganz anderer Mensch geworden.

Darauf erzählte er Obrist viel Bubenstücklein, die ich begangen: Wie ich Erbsen gesotten und obenauf mit Schmalz übergossen, sie vor eitel Schmalz zu verkaufen,itemganze Säck voll Sand vor Salz, indem ich die Säcke unten mit Sand und oben mit Salz gefüllet, wie ich dem einen hier, dem andern dort einen Bären aufgebunden und die Leute mit Pasquillen vexieret.

Ich gestund auch unverholen, daß ich willens gewesen, den Obristen mir allerhand Boßheiten dergestalt zu perturbieren und abzumatten, daß er mich endlich aus der Guarnison hätte schaffen müssen.

Nach beendetem Imbiß hatte der Jud kein Pferd, so meinem Herzbruder vor mich gefallen hätte. Endlich verehrete ihm der Obrist eins mit Sattel und Zeug aus seinem Stall, auf welches sich HerrSimpliciussatzte und mit seinem Herzbruder zur Festung hinausritte.

Also ward ich in Eil wieder ein Kerl, der einem braven Soldaten gleich sahe. Mein Herzbruder verschaffte mir noch ein Pferd samt einem Knecht und tat mich als Freireuter zum Neun-Eckischen Regiment. Ich tät aber denselben Sommer wenig Taten, als daß ich am Schwarzwald hin und wider etliche Kühe stehlen half und mir das Brißgäu und Elsaß ziemlich bekannt machte. Im übrigen hatte ich abermal wenig Stern. Mein Knecht samt dem Pferd ward von den Weimarischen gefangen, also mußte ich das ander desto härter strapazieren und endlich gar niederreuten.

So kam ich in den Orden der Merode-Brüder, dann mein Herzbruder gedachte mich zappeln zu lassen, bis ich mich besser vorzusehen lernete. So begehrte ich solches auch nicht, dann ich fand an meinen Consorten eine so angenehme Gesellschaft, daß ich mir bis in das Winterquartier keinen besseren Handel wünschte.

Ich muß nun ein wenig erzählen, was die Merode-Brüder vor Leute sind, dann ich habe bisher noch keinen Scribenten getroffen, der etwas von ihren Gebräuchen, Gewohnheiten, Rechten und Privilegien in seine Schriften einverleibt hätte, unangesehen es wohl wert ist, daß nicht allein die jetzigen Feldherren, sondern auch der Bauersmann wisse, was es vor eine Zunft sei.

Als der berühmte General Johann Graf von Merode einsmals ein neugeworben Regiment zur Armee brachte, waren die Kerl so schwacher baufälliger Natur, daß sie also das Marschieren und ander Ungemach, das ein Soldat im Felde ausstehen muß, nicht erleiden konnten, derowegen dann ihre Brigade zeitlich so schwachward, daß sie kaum die Fähnlein mehr bedecken konnte. Wo man einen oder mehr Kranke und Lahme auf dem Markt, in Häusern und hinter Zäunen und Hecken antraf und fragte: Wes Regiments? — so war gemeiniglich die Antwort: von Merode. Davon entsprang, daß man endlich alle diejenigen, sie wären gleich krank oder gesund, verwundt oder nit, wann sie nur außerhalb der Zugordnung daherzottelten oder sonst nicht bei ihren Regimentern das Quartier im Feld nahmen, Merode-Brüder nannte, welche Bursche man zuvor Säusenger und Immenschneider genannt hatte, dann sie sind die Brummser in den Immenstöcken, die, wann sie ihren Stachel verloren haben, nicht mehr arbeiten noch Honig machen, sondern nur fressen können. Wann ein Reuter sein Pferd und ein Musketier seine Gesundheit verleurt oder ihm Weib und Kind erkrankt und er zurück bleiben will, so ists schon anderthalb Paar Merode-Brüder, ein Gesindlein, so sich mit nichts besser als mit den Zigeunern vergleichet, weil es denselben beides: an Sitten und Gewohnheiten ähnlich ist. Da siehet man sie haufenweis beieinander, wie Feldhühner im Winter, hinter den Hecken, im Schatten oder an der Sonne um irgend ein Feuer herumliegen, Tabak saufen und faulenzen, wann unterdessen anderwärts ein rechtschaffener Soldat beim Fähnlein Hitze, Durst, Hunger, Frost und allerhand Elend überstehet. Da gehet eine Merodeschar auf die Mauserei, wann indessen manch armer Soldat unter seinen Waffen versinken möchte. Sie spolieren vor, neben und hinter der Armee, alles was sie antreffen und nicht genießen können, verderben sie, also daß die Regimenter, wann sie in die Quartier oder Läger kommen, oft nicht einen guten Trunk Wasser finden. Wann sie allen Ernstes angehalten werden, beider Bagage zu bleiben, so wird man oft sie stärker finden, als die Armee selbst. Wann sie aber gesellenweis marschieren, quartieren, kampieren und hausieren, so haben sie keinen Wachtmeister, der sie kommandiert, keinen Feldweibel oder Schergianten, der ihren Wams ausklopfet, keinen Korporal, der sie wachen heißt, keinen Tampour, der sie des Zapfenstreichs, der Schar- und Tagwacht erinnert undin summaniemand, der sie anstatt des Adjutanten in Schlachtordnung stellet oder anstatt des Fouriers einlogiert, sondern leben vielmehr wie die Freiherren. Wann aber etwas an Kommiß der Soldateska zukommt, so sind sie die ersten, die ihr Teil holen, obgleich sie es nicht verdient. Hingegen sind die Rumormeister und Generalgewaltiger ihre allergrößte Pest, als welche ihnen zu Zeiten, wann sie es zu bunt machen, eisernes Silbergeschirr an Händ und Füß legen oder sie mit den Kragen zieren und sie an ihre allerbesten Hälse anhängen lassen.

Sie wachen nicht, sie schanzen nicht, sie stürmen nicht und kommen auch in keine Schlachtordnung und sie ernähren sich doch. Der heilloseste Reuterjung, der nichts tut als fouragieren, ist dem Feldherren nützer, als tausend Merode-Brüder, die ein Handwerk daraus machen und ohn Not auf der Bernhaut liegen. Sie werden vom Gegenteil hinweggefangen und von den Bauren auf die Finger geklopft. Dadurch wird die Armee gemindert und der Feind gestärkt. Man sollte sie zusammenkuppeln wie die Windhunde und sie in den Guarnisonen kriegen lernen oder gar auf Galeeren schmieden, wann sie nicht auch zu Fuß im Feld das Ihrige tun wollten, bis sie gleichwohl wieder ein Pferd kriegen.

Ein solcher ehrbarer Bruder war ich damals auchund verbliebs bis zu dem Tag vor der Wittenweyrer Schlacht, zu welcher Zeit das Hauptquartier in Schuttern lag. Als ich damals mit meinen Kameraden in das Geroldseckische ging, Kühe und Ochsen zu stehlen, ward ich von den Weimarischen gefangen, die uns viel besser zu traktieren wußten, dann sie luden uns Musketen auf und stießen uns hin und wieder unter die Regimenter.

Weil ich nunmehr Weimarisch war, mußte ich Breisach belägern helfen, da wachte ich dann wie andere Musketierer Tag und Nacht und lernte trefflich schanzen. Im übrigen aber war es lausig bei mir bestellt, weil der Beutel leer, Wein, Bier und Fleisch eine Rarität, Äpfel und hart, schimmelig Brot (jedoch kümmerlich genug) mein bestes Wildpret.

Solches war mir sauer zu ertragen, Ursache: wann ich zurück an die egyptischen Fleischtöpfe, das ist an westfälische Schinken und Knackwürste zu L. gedachte. Ich sehnete mich niemalen mehr nach meinem Weib, als wann ich im Zelte lag und vor Frost halb erstarrt war. Da sagte ich dann oft zu mir selber: Hui,Simplici, meinest du auch wohl, es geschehe dir unrecht, wann dir einer wieder wett spielte, was du zu Paris begangen? — Und mit solchen Gedanken quälte ich mich wie ein anderer eifersüchtiger Hanrei, da ich doch meinem Weib nichts als Ehre und Tugend zutrauen konnte.

Zuletzt ward ich so ungeduldig, daß ich mich meinem Kapitain eröffnete. Schrieb auch auf der Post nach L. und erhielt durch den Obristende S. A.und meinem Schwehrvater, daß sie durch ihre Schreiben bei dem Fürsten von Weimar einen Paß von meinem Kapitain zuwege brachten.

Ungefähr eine Woche oder vier vor Weihnachten marschierte ich mit einem guten Feuerrohr vom Läger ab und das Brißgäu hinunter der Meinung, auf selbiger Weihnachtsmesse zu Straßburg von meinem Schwehr ein Geldstück zu empfangen und mit Kaufleuten den Rhein hinunter zu fahren.

Als ich aber bei Endingen vorbeipassiert und zu einem Haus kam, geschah ein Schuß nach mir, so daß mir die Kugel den Rand am Hut verletzte. Gleich darauf sprang ein starker, vierschrötiger Kerl aus dem Haus auf mich los und schrie, ich sollte das Gewehr ablegen. »Bei Gott, Landsmann, dir zu Gefallen nicht!« Und zog den Hahn über.

Er aber wischte mit einem Ding vom Leder, das mehr einem Henkersschwert als einem Degen glich.

Wie ich nun seinen Ernst spürte, schlug ich an und traf ihn dergestalt an die Stirn, daß er herumtaumelte und endlich zu Boden fiel. Das machte ich mir zu Nutz, rang ihm geschwind sein Schwert aus der Faust und wollts ihm in den Leib stoßen, da es aber nicht durchgehen wollte, sprang er unversehens auf, erwischte mich beim Haar und ich ihm auch, sein Schwert hatte ich schon weggeworfen.

Darauf fingen wir ein solch ernstlich Spiel miteinander an, so eines jeden verbitterte Stärk genugsam zu erkennen gab, und konnte doch keiner des andern Meister werden. Bald lag ich, bald er oben und im Hui kamen wir wieder auf die Füße, so aber nicht lang dauerte, weil ja einer des andern Tod suchte.

Das Blut, so mir häufig zu Hals und Mund herauslief, spie ich meinem Feind ins Gesicht, weil ers so hitzig begehrte. Das war mir gut, dann es hinderte ihn am sehen. Also zogen wir einander bei anderthalbStund im Schnee herum, davon wurden wir so matt, daß allem Ansehen nach die Unkraft des einen der Müdigkeit des andern nicht Herr werden konnte. Meine Ringkunst kam mir damals wohl zustatten, dann mein Feind war viel stärker als ich und überdas eisenfest.

Endlich sagte er: »Bruder, höre auf, ich gebe mich dir zu eigen!«

Ich antwortete: »Hättest du mich passieren lassen.«

»Was hast du mehr, wanngleich ich sterbe?«

»Und du, wann du mich hättest niedergeschossen, sintemal ich keinen Heller bei mir habe.«

Darauf bat er um Verzeihung und ich ließ mich erweichen. Wir stunden auf und gaben einander die Hände, daß alles, was geschehen, vergessen sein sollte. Verwunderte sich einer über den andern, daß er seinen Meister gefunden, dann jener meinte, ich sei auch mit einer solchen Schelmenhaut überzogen wie er.

Ich ließ ihm dabei bleiben, damit er sich mit seinem Gewehr nicht noch einmal an mir reibe. Er hatte von meinem Schuß eine große Beule an der Stirn und ich hatte mich sehr verblutet.

Weil es gegen Abend war, ließ ich mich überreden und ging mit ihm, da er dann unterwegs oft mit Seufzen bezeugte, wie leid ihm sei, daß er mich beleidigt habe.

Ein resoluter Soldat, der sich darein ergeben, sein Leben zu wagen, ist wohl ein dummes Vieh! Man hätte nicht einen von tausend Kerlen gefunden, der mit seinem Mörder an einen unbestimmten Ort zu Gast gegangen wäre. — Ich fragte ihn auf dem Weg, wes Volks er sei. Er sagte, daß er für sich selbst kriege. So wollte er auch meinen Namen wissen. Ich sagte: »Simplicius.« Da kehrte er sich um, dann ich ließ ihn vor mir gehen, und sahe mir steif ins Gesicht.

»Heißt du auchSimplicissimus?«

»Ja, es ist ein Schelm, der seinen Namen verleugnet. Wie heißest aber du?«

»Ach, Bruder, ich bin Olivier, den du vor Magdeburg hast gekannt.«

Warf damit sein Rohr von sich und fiel auf die Knie nieder, mich um Verzeihung zu bitten, sagend, daß er keinen besseren Freund in der Welt hätte als mich, weil ich seinen Tod nach des alten Herzbruder Profezeihung tapfer rächen sollte.

Da konnte ich mich wohl verwundern.

»Ich bin aus einemSecretarioein Waldfischer, du aber aus einem Narren ein tapferer Soldat geworden, und das ist wohl seltsam. Sei versichert, Bruder, unserer zehntausend hätten morgenden Tags Breisach entsetzt und zu Herren der ganzen Welt gemacht.«

Obzwar mir solche Prahlerei nicht gefiel, gab ich ihm doch recht, vornehmlich weil mir sein schelmisch Gemüt bekannt war.

Wir kamen in ein klein, abgelegen Taglöhnerhäuslein, in welchem ein Baur eben die Stube einhitzte. Zu demsagte er: »Hast du etwas gekocht?« »Nein, ich hab den gebratenen Kalbsschlegel noch.« »Nun dann, so geh und lang her, was du hast und bring das Fäßlein Wein.«

»Bruder, du hast einen willigen Wirt,« meinte ich.

»Das dank dem Schelmen der Teufel! Ich ernähre ihn mit Weib und Kindern. Ich lasse ihm darzu alle Kleider, die ich erobere.«

Sodann berichtete Olivier, daß er diese Freibeuterei schon lang getrieben und sie ihm besser als Herrendienst zuschlage, er gedächte auch nicht früher aufzuhören, bis er seinen Beutel rechtschaffen gespickt hätte.

»Bruder, du lebest in einen gefährlichen Stand, wann du ergriffen wirst, wie meinest du wohl, daß man mit dir umginge?«

»Ha, ich höre, daß du noch der alteSimpliciusbist! Ich weiß wohl, daß derjenige, so kegeln will, aufsetzen muß, aber die Herren von Nürnberg lassen keinen hängen, sie haben ihn dann.«

»Dannoch ist ein solch Leben, wie du es führest, das allerschändlichste der Welt, daß ich also nicht glaube, du begehrest darin zu sterben.«

»Was? Das schändlichste? Mein tapfererSimplici, ich versichere dich, daß die Räuberei das alleradeligsteExercitiumist, das man dieser Zeit auf der Welt haben kann! Sage mir, wieviel Königreiche und Fürstentümer sind nicht mit Gewalt geraubt und zuwege gebracht worden? Oder wo wird einem König oder Fürsten auf dem ganzen Erdboden vor übel genommen, wann er seiner Länder Gefälle geneußt, die doch gemeiniglich durch seiner Vorfahren verübte Gewalt erworben worden? Was könnte doch adeliger genannt werden, als eben das Handwerk, dessen ich mich jetzt bediene?Willst du mir vorhalten, daß ihrer viel wegen Mordens, Raubens und Stehlens sein gerädert, gehängt und geköpft worden? Du wirst keine andern als arme und geringe Diebe haben hängen sehen, was auch billig ist, weil sie sich dieser vortrefflichen Übung haben unterfangen, die doch allein herzhaften Gemütern gebührt und vorbehalten ist. Wo hast du jemals eine vornehmere Standesperson durch dieJustitiastrafen sehen? Ja, was noch mehr ist, wird doch kein Wucherer gestraft, der diese Kunst heimlich treibet, und zwar unter dem Deckmantel der christlichen Liebe! Warum sollte ich strafbar sein, der ich solche offentlich auf gut alt-deutsch ohn einzige Bemäntelung und Gleißnerei übe? Mein lieberSimplici, du hast denMachiavellumnoch nicht gelesen! Ich bin eines recht aufrichtigen Gemüts. Ich fecht und wage mein Leben darüber, wie die alten Helden. Weil ich mein Leben in Gefahr setze, so folgt unwidersprechlich, daß mirs billig und erlaubt sei, diese Kunst zu üben.«

Ich antwortete: »Gesetzt, Rauben und Stehlen sei dir erlaubt oder nicht, es ist dannoch wider die Natur, die nicht will, daß einer einem andern tun solle, was er nicht will, daß es ihm geschehe. Gott lässet kein Sünde ungestraft.«

Da sagte Olivier: »Es ist so, du bist nochSimplicius, der denMachiavellumnicht studiert hat. Könnte ich aber auf solche Art eineMonarchiamaufrichten, so wollte ich sehen, wer mir alsdann viel dawider predigte.«


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