Beilage 3.Fremdsprachige Namen in Deutschland.
Schon bei der ersten Festsetzung der Familiennamen mischten sich in bedeutendem Maße fremde Sprachelemente ein, und zwarslawische. Als die Hauptmasse der Germanen in der Völkerwanderung nach Westen und Süden zog, wurde der Osten Deutschlands fast ganz entleert, und die aus dem fernen Osteuropa hervordringenden Slawen rückten über Weichsel und Oder in die Lücke ein. Die wenigen Germanen, welche etwa in der ursprünglichen Heimat geblieben, konnten der herandringenden Slawenflut nicht Widerstand leisten, sie mußten sich unterwerfen und verschmolzen mit den neuen Einwanderern. Erst an der Elbe staute sich die Flut, und so füllten seitdem die Slawen in ihren verschiedenen Stämmen den Osten Deutschlands bis zur Elbe und Saale, ja zum Teil noch darüber hinaus. In Mecklenburg saßen dieObotriten, in Brandenburg dieWilzen,Hevelleru. a., in Pommern diePomoren, im Meißnischen dieDalemincier, in Schlesien dieBelochrobatenusw. Jahrhunderte lang sah die Elbe auf ihren beiden Ufern ganz verschiedene Völker: links die Deutschen (Sachsen und Thüringer), rechts die Slawen (Wenden), die sich in unaufhörlichen Fehden und Beutezügen bekämpften. Mit den Karolingern begann der Rückschlag; doch erst seit der Hohenstaufenzeit drang die deutsche Nation wieder mit Stetigkeit vor. Im Süden wurde durch die Stiftung des Bistums Bamberg und im Norden durch die Gründung derNordmark an der untern Elbe die Grundlage gewonnen zu weiterem Vorschreiten. Von da ab mußten die Wenden immer weiter nach Osten zurückweichen, und in jahrhundertelangen blutigen Kämpfen wurden die ausgedehnten Landschaften zwischen Elbe und Oder, sodann zwischen Oder und Weichsel größtenteils dem Deutschtum wiedergewonnen.
So gewaltsam man auch gegen die Wenden verfuhr, es verblieben doch viele in ihrer seit Jahrhunderten eingenommenen Heimat, mischten sich zum Teil mit den Deutschen und wurden allmählich germanisiert, oder wo sie in größerer Masse zusammensaßen, behaupteten sie sogar ihre Volkstümlichkeit, ihre Sprache. So gab es in Hannover ein Wendland (im Lüneburgischen), ebenso in Altenburg, wo die höchst eigentümliche wendische Tracht sich bis zur Stunde erhalten hat; in Westpreußen bilden dieKassuben, in der Lausitz dieSorbennoch jetzt bedeutende, wenn auch immer mehr zusammenschmelzende Inseln im germanischen Sprachmeer; Oberschlesien ist überwiegend slawisch, und von Südost dringen dieTschechenin Böhmen wie eine Halbinsel fast bis in die Mitte Deutschlands vor.[98]
Diese ursprüngliche Grundlage des Slawischen auch in längst rückgermanisierten Landschaften bekunden noch jetzt die Ortsnamen, die entweder slawisch oderneudeutsch sind. Alle Städtenamen auf -gard, z. B.Naugard(Nowgorod = Neuenburg), alle Ortsnamen auf -ow, -itz, -in— und deren ist Legion — sind slawisch. Wie eine Sündflut hat sich das Slawentum auf die Spuren unserer Altvordern gelegt.
Daher nun so vielfache slawische Elemente auch in den Familiennamen, besonders des östlichen Deutschland!
Zunächst sind die von slawischen Ortsnamen abgeleiteten FN. hervorzuheben, unter welchen vorschlagen die auf
Doch sind diese nebst vielen mehr vereinzelten Bildungen, wieBalfanz,Laabs(O. Labes),Roggatz,v. Wobĕser, nur bedingt hierher zu ziehen; denn wenn auch die Ortsnamen, welche hier zu Grunde liegen, slawisch sind, so ist doch die Art, wie dieselben mit Ergänzung eines Verhältniswortes oder auch durch einfache Übertragung (s.Kap. 13) zu Familiennamen gestempelt werden, nicht slawisch, sondern deutsch, und sie treten also zu den deutschen Familiennamen. (Näheres über diese ganze Namenklasse in dem Namenlexikon unter den Endungenin,itz(witz),ow.)
Nach slawischer Art wird von den Ortsnamen eine Ableitung gebildet mit der Endungski(häufig im Deutschenskygeschrieben), z. B.Grabowski,„der Mann aus Grabow“,Kaminsky, „der aus Kammin“. So entsprechen sich ferner Lassan —Lassansky, Loschitz —Loschitzki, Poblotz —Poblotzkiusw. Nur diese also sind als wirkliche und vollgültige slawische Bezeichnungen anzusehen (wenn auch vielfach in halbdeutscher Schreibung).
Den adligen Namen ist im Deutschen dann noch dasvonvorgesetzt, welches streng genommen doch nur zu dem Ortsnamen selber paßt:von Gostkowski(O. Gustkow),von Lisiecki(sprich Lisiëtzki),von Zelasinski.
Zu diesen eigentlichen slawischen Bezeichnungen treten nun, ähnlich wie im Deutschen,Personennamen mit ihren mannigfachen Sproßformen:
In überwiegend deutschen Gegenden sind diese Namen großenteils so umgewandelt, daß sie ein mehr deutsches Gepräge angenommen haben:Mitzlaff,Pawelke,[99]Woith— in überwiegend slawischen bestehen sie in unveränderter slawischer Fassung fort.
Littauisch Redende finden sich unter deutscher Herrschaft hauptsächlich nur noch in den nördlichsten Teilen des preußischen Regierungsbezirkes Gumbinnen, nördlich von Insterburg und Pillkallen, doch auch hier vielfach durch deutsche Ansiedelungen unterbrochen. Erst die Spitze nördlich von Tilsit, die alte Landschaft Schalauen, ist überwiegend littauisch, so daß hier die deutschen Orte als Inseln (auf Böckhs Karte gelb im littauischen Blau) erscheinen.
In den Familiennamen tritt der ursprünglich littauische Bestandteil natürlich noch in größerem Maße hervor, da auch in den deutsch gewordenen Gegenden viele Einwohner littauischen Stammes leben und die alten Namen, wenn auch teilweis entstellt, fortführen. Doch macht sich überall das Eindringen des Deutschen bemerklich, und so überwiegen littauische Familiennamen selbst unter der Landbevölkerung nur noch etwa in den Kreisen Heidekrug und Tilsit, halten den deutschen das Gleichgewicht in Memel, Ragnit, Pillkallen, bleiben aber in allen übrigen Kreisen in der Minderzahl.
Unter den littauischen Familiennamen stehen im Vordergrunde die ursprünglichpatronymischenBildungen auf -atisund -aitis(vgl. griech. -είδης, -ιάδης), welche dann auch verkleinernd gebraucht werden — z. B.Baltratisvon Baltras (Balthasar),Obramaitisvon Obramas (Abraham). Gewöhnlich haben sie die Endungisabgeworfen und erscheinen in der Format,eit:Peterat(von Peter),Josupeit(Joseph). Am deutlichsten erkennbar sind nach ihrem Sinne die Ableitungen von Vornamen, wie die obigen; doch gibt es auch vielfache Ableitungen von Appellativen, wieKaprolatisvon Kaprolas (Korporal), selbst von deutschen Stämmen:Schneidereit,Schulmeistrat.
Zu ihnen treten die Namen aufies(i-es):Stachulies, und aufus:Schimkus, welche mit jenen zusammen gegen 80 v. H. der littauischen Familiennamen ausmachen. Dadurch erhält die Namengebung etwas Eintöniges, wenn auch nicht zu leugnen ist, daß manche dieser Namen, wieAdomaitis,Rodatis,Laugalliesrecht vollen Klang haben.
Auf ihrer Wanderung nach Westen erleiden diese fremdartig klingenden Namen, von ihrer Heimat abgetrennt, manche Entstellungen:atiswird abgeschwächt inates(Norekates),Obromeitabgeschliffen inObermeit, die Endungaterscheint in schlechter Schreibung alsadt,ath,aat.
1.Französisch.Hier kommen weniger in Betracht die 10000 Wallonen im rheinpreußischen Kreise Malmedy und die im Reichslande Elsaß-Lothringen verbliebenen Franzosen (gegen 250000), als die Hugenotten, welche Ludwig XIV. durch seine Bedrückungen zur Auswanderung veranlaßte. Als derselbe alternd samt seiner Umgebung von leichtsinniger Sittenlosigkeit zu heuchlerischer Frömmigkeit übergegangen war, begann er die Protestanten in seinem Reiche zu verfolgen, um durch ihre gewaltsame Bekehrung sich ein Verdienst im Himmel zu erwerben. Durch Vertreibung und Hinrichtung ihrer Geistlichen, durch Schließen und Niederreißen ihrer Kirchen und Schulen, durch Wegnahme ihrer Kinder, um sie im Katholizismus erziehen zu lassen, suchte er sie zum Abfall von ihrem Glauben zu bringen, sodann durch Entziehung ihrer Gewerbsrechte und ihrer Sitze in den Gerichtshöfen, endlich durch die berüchtigten Dragonaden oder Einlagerungen von Dragonern und andern Soldaten. Schon jetzt wanderten viele Protestanten aus, und als gar durch den Widerruf des Ediktes von Nantes (1685) der Protestantismus in Frankreich für aufgehoben erklärt und auf die Ausübung dieses Kultus Todesstrafe gesetzt ward, verließen nach und nach, trotz strenger Grenzbewachung und Androhung der Galerenstrafe, viele tausend gewerbfleißige Menschen ihr Vaterland und fanden teils in den Niederlanden und in England, teils in Deutschland Aufnahme.Hier war es besonders Friedrich Wilhelm der große Kurfürst, welcher den Flüchtigen (Réfugiés) bereitwillig eine neue Heimat gewährte. Seit 1672 wurden in Brandenburg an 25000 Hugenotten aufgenommen, vorwiegend in den Städten. Daher noch jetzt die französisch-reformierten Gemeinden an vielen Orten in Preußen, z. B. in Berlin, Magdeburg, Stettin u. a., aber auch in Süddeutschland, z. B. Erlangen.
Zu Ende des 18. Jahrhunderts sind in den Stürmen der Revolution auch viele geflüchtet (Emigranten), und wenngleich die meisten später wieder nach Frankreich zurückgekehrt sind, so haben doch auch manche es vorgezogen, in der inzwischen liebgewonnenen neuen Heimat zu verbleiben, wie der DichterAdalbert von Chamisso(mit vollständigem Namen: Louis Charles Adelaïde de Chamisso de Boncourt, von dem Schlosse B. in der Champagne).
Daher nun häufig französische Namen in Deutschland, wiePalmier,Bétac,du Mesnil, besonders im Heere:Loucadou,de Courbière(der „König von Graudenz“ 1806),Forcade,de la Motte-Fouquéund viele andere, darunter manche berühmte Namen auch von Gelehrten:Savigny,Michelet,Carrière,du Bois-Reymond.
Fast immer sind diese Namen unverändert erhalten, wenn sie auch im Volksmunde manchmal wunderlich entstellt werden:Boiteletin Budlee,Généolain Schellack. Nur in vereinzelten Fällen ist eine Verdeutschung erfolgt; so hat sichButtmann, der bekannte griechische Grammatiker, aus franz.Boudemontgermanisiert.
2.Italienisch.Italiener sind über die Alpen gezogen besonders als Kunsthändler und Konditoren.
Die italienischen Familiennamen enden aufa:Sala,Bonewendura(entstellt aus Bonaventura) — aufo:Delmanzo— meist aber und in großer Einförmigkeit aufi:Bentivegni,Marsegli,Sparagnapani,Bertinetti. Diesesierklärt sich als Pluralform, „einer aus der Familie so und so“, z. B. derCittadini, während das Appellativ im Sing.cittadinolautet. —
Ganz vereinzelt erscheinen, damit doch alle Nationalitäten Europas in Deutschland vertreten seien, selbst im Norden, am Gestade der OstseemadjarischeFamiliennamen:Böszörmeny,Kedesdy. Ja dem Verf. ist ein Nachkomme einesKosakenbekannt, mit dem klangvollen NamenNawitainuk, dessen Nachkommen sich freilichIwan(russisch = Johann) nennen.