Die atlantische Spalte.

Annahme und Ablehnung von Landbrücken, 1

Annahme und Ablehnung von Landbrücken, 1

Annahme und Ablehnung von Landbrücken, 2

Annahme und Ablehnung von Landbrücken, 2

Annahme und Ablehnung von Landbrücken, 3

Annahme und Ablehnung von Landbrücken, 3

Annahme und Ablehnung von Landbrücken, 4

Annahme und Ablehnung von Landbrücken, 4

NORDATLANTISCHEBRÜCKESÜDATLANTISCHEBRÜCKELEMURISCHEBRÜCKEGONDWANISCHEBRÜCKESÜDGEORGISCHEBRÜCKEMACQUARIE–BRÜCKEINDO–AUSTRALISCHEBRÜCKEAMERIKANISCHEBRÜCKESÜDPAZIFISCHEBRÜCKENORDPAZIFISCHEBRÜCKEARABISCHEBRÜCKEEURAFRISCHEBRÜCKEEURASISCHEBRÜCKE+–+–+–+–+–+–+–+–+–+–+–+–+–Unter-Kambrium5212222125351232Ober-63133133236462343Unter-Silur61415544543516555Ober-61415544517516555Unter-Devon64155445331524555Mittel-7151515114146442517666Ober-322211212113223Unter-Karbon65451345171575524Mittel-7555134571525556Ober-866655681626667Unter-Perm31333121231213213315Mittel-1222112221212212113Ober-12332133321133122122Unter-Trias4141541134533155142323Mittel-54443342314422235Ober-435165214568168666Rhaet32221122122233Lias45523443615422255Unter-Dogger214413322415312144Ober-2333212331312234ÄltereUnter-Kreide5342661423158167667Jüngere111111111112111Mittel-151465141463425256633Ober-712587161684627468881UnteresEozän52331566331625157115635Oberes6215156241568571666Oligozän4242241444647445Miozän44614616662667134761Pliozän22333133343313123Quartär133333334333124

Die Tabelle enthält nicht nur Landbrücken über heutige Tiefseeflächen, sondern auch solche über heutige Schelfgebiete, wie die Beringstraße („nordpazifische Brücke“), oder sogar solche über heutige Landgebiete, die aber früher zeitweise Schelfverbindungen waren, wie die zwischen Nord- und Südamerika, die arabische und die eurasische Brücke. In letzterem Falle kann man wohl überhaupt kaum von einer Brücke reden. Wir werden auf diese lehrreiche Tabelle im folgenden wiederholt zurückgreifen.

Für die am besten bekannten Ränder des Atlantik habe ich inFig. 24eine etwas ausführlichere Rekonstruktion zu geben versucht, für deren Erläuterung ich den Leser bitte, einen guten Atlas zur Hand zu nehmen. Sie gilt etwa für das Eozän, d. i. für den Beginn des Aufreißens der großen, nahezu meridionalen Spalte.

Der Schelfrand zwischen Spitzbergen und Hammerfest ist aufGrollsTiefenkarte durch seinen Steilabfall so gut erkennbar, daß ein Zweifel über die Schelfnatur der östlich davon liegenden Meeresteile nicht herrschen kann und somit auch die Angliederung Grönlands so geschehen muß, wie es unsere Karte zeigt. Bei Grönland bleibt die Südspitze etwas nach Osten zurück und muß also zur Rekonstruktion wieder nach Westen gedrückt werden. Für Island wurde angenommen, daß es zwischen einer Doppelspalte lag, worauf die Form der Tiefenlinien in seiner heutigen Umgebung hinzudeuten scheint. Es ist, wie früher erwähnt, nicht unwahrscheinlich, daß seine Entstehung hier auf besondere Weise zu denken ist. Vielleicht entstand hier zuerst eine einfache Spalte, die sich mit Sima anfüllte und in die dann geschmolzene Sialmassen von den Unterseiten der Schollen nachdrangen, die erhärtete Basaltdecke mit emportragend. Bei der endgültigen Trennung wäre dann dieser Spaltenboden im Norden an der grönländischen, im Süden an der europäischen Scholle haften geblieben, während Island das Verbindungsstück darstellt. Jedenfalls zeigt die rein vulkanische Natur Islands, daß hier eine besondere Erscheinung irgendwelcher Art vorliegt, so daß wir nicht erwarten können, seine Konturen bei den Nachbarschollen wiederzufinden.

In Nordamerika zeigt unsere Rekonstruktion eine Abweichung von der heutigen Karte, indem Labrador stark nach Nordwesten gedrückterscheint. Es wurde angenommen, daß der starke Zug, der schließlich zum Abreißen Neufundlands von Irland führte, unmittelbar vor dem Abriß eine Dehnung und oberflächliche Zerreißung der beiderseitigen Schollenteile bewirkte. Auf der amerikanischen Seite wurde nicht nur die neufundländische Scholle (einschließlich der Neufundlandbank) herausgebrochen und um etwa 30° gedreht, sondern ganz Labrador sackte bei dieser Gelegenheit nach Südosten, so daß der vorher geradlinige Grabenbruch St. Lorenzstrom–Belle-Islestraße seine jetzige S-förmige Biegung erhielt. Wahrscheinlich entstand gleichzeitig auch der Graben der Hudsonstraße, die also bei der Rekonstruktion wieder zu schließen ist. Auch die Hudsonbai mag teilweise auf eine mit diesen Vorgängen zusammenhängende horizontale Dehnung der Scholle zurückzuführen sein. Die Lage des Neufundlandschelfs erfährt also eine zweifache Korrektion, nämlich eine Drehung und eine Verschiebung nach Nordwest, und paßt sich dadurch der Schelflinie bei Neu-Schottland wieder an, über die er gegenwärtig weit hinausragt.

Fig. 24.Kontinentalschollen EozänLage der atlantischen Kontinentalschollen im Eozän(ohne Rücksicht auf die Wasserverteilung).

Fig. 24.

Lage der atlantischen Kontinentalschollen im Eozän(ohne Rücksicht auf die Wasserverteilung).

Die Signaturen beiderseits der atlantischen Spalte bedeuten: in Grönland–Grinnelland die Grenze zwischen triadischen und devonischen Ablagerungen; desgl. –Spitzbergen karbonische Ablagerungen; desgl. –Labrador präkambrische Intrusivgesteine. Von da der Reihe nach südwärts: algonkische (punktiert), kaledonische (gezahnt), armorikanische Faltung (doppelt, gefeldert), Streichrichtungen in Afrika und Brasilien (Grenze punktiert), karbonische Faltung im Kapland und bei Buenos Aires.]

Den keilförmigen, 5000 m tiefen Teil des Golfes von Biskaya habe ich als eine buchförmig sich öffnende Spalte betrachtet, bei deren Öffnung sich Spanien um das Westende der Pyrenäen drehte. Die Pyrenäenfaltung, namentlich ihr Ostende, wo sie breiter ist und die Küstenlinie die große Ausbauchung zeigt, entspricht dem Buchrücken, der den entsprechenden Zusammenschub zu tragen hat. Die Nordküste Spaniens ist heute allerdings kürzer als der gegenüberliegende Rand der Biskayaspalte. Es ist möglich, daß sie sich durch Zusammenschübe inzwischen etwas verkleinert hat; aber namentlich möchte ich annehmen, daß sich das nördliche Schelfgebiet vor dem Abreißen von Amerika um fast den ganzen Betrag der Differenz gezogen hat, wobei dann auch große, bisher landfeste Teile, wie der Kanal, die Nordsee usw., unter den Meeresspiegel versanken.

Die Azoren dürften Brocken vom Westrande der iberischen Halbinsel sein. An der afrikanischen Küste folgt nun eine Reihe von Erscheinungen, welche von der Küste nach Westen oder Südwesten in den Ozean hineinweisen und ein langsames Einströmen des Sima in die atlantische Spalte anzudeuten scheinen, nämlich die Kanaren, Kapverden, die Vulkanreihe von Fernando Póo, der Walfischrücken und ein entsprechender vom Kap der guten Hoffnung nach Südwesten streichender unterseeischer Rücken. Die Vulkaninseln Fernando Póo, Principe, St. Thomé und Annobom bilden die Fortsetzung der durch Kamerun in nordöstlicher Richtung hindurchziehenden Bruchlinie, welche auch den vulkanischen Kamerunberg trägt. Vom Standpunkte der Verschiebungstheorie ist diese Stelle ganz besonders prädestiniert für vulkanische Erscheinungen, da die beiden großen Lappen von Nordwest- und Südafrika nur unbedeutende Verschiebungen gegeneinander zu erfahrenbrauchen, um gerade hier am Winkel zwischen ihnen bedeutende horizontale Druckkräfte zu erzeugen, welche die flüssigen Simaeinschlüsse herauspressen. Ob diese Kamerunlinie auch mit dem noch zu besprechenden Wechsel der Streichrichtung der alten Gneisfaltungen etwas zu tun hat, der, wie wir sehen werden, in dieses Gebiet fällt, sei dahingestellt.

Entgegen meiner früheren Darstellung habe ich diesmal vorgezogen, die atlantische Spalte zwischen Nordamerika und Afrika nicht ganz zu schließen. Daß sie früher auch hier irgend einmal ganz geschlossen gewesen ist, halte ich zwar für sehr wahrscheinlich. Aber es ist doch möglich, daß dieser Teil der Spalte sich schon viel früher geöffnet hat. Die Gegensätzlichkeit zwischen der spanischen Halbinsel und der gegenüberliegenden amerikanischen Küste scheint darauf hinzudeuten, daß hier bereits frühzeitig eine Fortsetzung der mittelmeerischen Bruchzone vorhanden gewesen ist; das Atlasgebirge begann sich bereits in der Kreide zu falten (Hauptfaltung allerdings erst im Oligozän) und findet auf der Gegenseite keine Fortsetzung; auch die große Meerestiefe im westlichen Teile des Nordatlantik scheint anzudeuten, daß hier der Meeresboden bereits älter ist. Nach unserer Tabelle scheinen auch die paläontologischen Befunde anzudeuten, daß die ungehinderte Landverbindung zwischen Ost und West nur im nördlichen Gebiet geherrscht hat.

Für Mittelamerika, bei welchem die plastischen Deformationen besonders groß gewesen sein müssen, möchte ich die Rekonstruktion ausdrücklich für eine provisorische erklären. Für eine in allen Einzelheiten begründete Rekonstruktion wären hier umfangreiche Vorarbeiten nötig, deren Durchführung mir bisher nicht möglich war.

Das Nigerdelta wurde bei der Rekonstruktion stark zurückgeschnitten. Es ganz fortzulassen, liegt kein zwingender Grund vor, da sich an der brasilianischen Nordküste eine kleine, ihm entsprechende Einbuchtung zeigt.

Ganz fortgelassen wurde jedoch auf amerikanischer Seite die Abrolhosbank. Ihre zackige Kontur stellt sie in scharfen Gegensatz zu dem weiter südlich recht geradlinig verlaufenden südamerikanischen Schelfrand und deutet eine besondere Entstehung an. Es dürfte, wie schon mehrfach erwähnt, nicht unwahrscheinlich sein, daß wir es auch hier mit geschmolzenen Massen von der Unterseite der südamerikanischen Scholle zu tun haben, die durch deren Verschiebung an ihrem rückwärtigen Rande auftauchen. Es ist dabei wohl kein Zufall, daß diese Massen gerade von derjenigen Stelle zu kommen scheinen, an welcher die Anden die größte Breite haben, also wahrscheinlich auch die unter die Schmelzisotherme hinabgesenkten Massen am größten sind. Wenn sich die Oberfläche der Abrolhosbank über den Meeresspiegel erhöbe, würde siewahrscheinlich eine ähnliche basaltische und vulkanische Haube zeigen, wie Island oder das Dreieck zwischen Abessinien und der Somalihalbinsel, die wohl ebenso entstanden sind.

Eine besondere Beachtung verdient auch in diesem Zusammenhange die schon früher besprochene Tiefenkarte der Drakestraße zwischen Feuerland und Grahamland (vgl.Fig. 16,S. 48). Die früher zusammenhängende Scholle Südamerika–Westantarktis ist, wie schon dort auseinandergesetzt, an der schmalsten Stelle bei der Verschiebung nach Westen stecken geblieben. Die Inselreihe Südgeorgien, Sandwich- und Südorkneyinseln bilden dies Verbindungsglied, und zwar haben wir die letzteren beiden Gruppen als gleitende Randketten aufgefaßt, was durch ihre zueinander und zum Ausläufer von Grahamland gestaffelte Lage angedeutet wird.

Eine ganz entsprechende, nach Osten zurückbleibende Inselkette bilden auch die Antillen; auch hier bleibt die schmalste Kette, die kleinen Antillen, am weitesten zurück, weniger die größeren Brocken, wie Haiti und Kuba. Diese ganze Anordnung läßt unmittelbar die zur Öffnung des Atlantik führende Verschiebung der amerikanischen Scholle nach Westen erkennen und bildet schon allein für sich einen starken Beweis für die Realität von Kontinentalverschiebungen.

Daß aber wirklich die ganze Breite des Atlantik durch ein solches Auseinanderziehen der Kontinentalmassen entstanden ist, das lehrt ganz besonders die strenge Kongruenz der südatlantischen Ost- und Westküste. Wo plastische Deformationen eingetreten sind, wie bei Mittelamerika oder bei der Südspitze von Südamerika, ist diese Übereinstimmung natürlich verloren gegangen. Aber bei den anerkanntermaßen fast ganz ungestört gebliebenen großen Tafeln von Brasilien und Afrika ist die Kongruenz noch fast in allen Einzelheiten erhalten. Man vergleiche diese beiden Küsten auf dem Globus und messe mit dem Zirkel die Länge der Buchten und Vorsprünge aus: sie sind vollkommen gleich. Wie will man diese Kongruenz (noch dazu ohne Parallelität) bei einem heutigen Abstande von 4000 bis 6000 km erklären, wenn man davon ausgeht, daß das Zwischenland versunken sein soll? Wie eingangs erwähnt, war es diese äußerst packende Gleichheit der Küstenlinien, welche mich auf den Gedanken eines unmittelbaren Zusammenhanges dieser Kontinente brachte, lange bevor ich mit der paläogeographischen Annahme über einen früheren Landzusammenhang bekannt wurde. Wenn uns nicht ein glücklicher Zufall diese Konturen so ungestört erhalten hätte, so wäre der Weg zur richtigen Deutung der Großformen der Erdrinde wohl wesentlich länger und mühsamer gewesen.

Die atlantische Spalte ist am breitesten im Süden, wo sie zuerst aufriß. Ihre Breite beträgt hier 6220 km. Zwischen Kap San Roque und Kamerun liegen nur noch 4880, zwischen der Neufundlandsbank und dem britischen Schelf nur noch 2410, zwischen Scoresbysund undHammerfest 1300, und zwischen den Schelfrändern von Nordostgrönland und Spitzbergen wohl nur noch etwa 200 bis 300 km. Hier scheint der Abriß erst in allerjüngster Zeit erfolgt zu sein.

Nach dieser Durchmusterung der Karte gehen wir nunmehr zur Besprechung der biologischen Beziehungen zwischen der Ost- und Westseite des Nordatlantik über. Bei dem ungeheuren Tatsachenmaterial können wir allerdings nicht daran denken, hier alle biologischen Gründe für eine frühere Landverbindung zwischen Nordamerika und Europa anzuführen. Man lese die inhaltreiche Zusammenstellung dieser Argumente beiArldt[78]. Unsere Tabelle,S. 64, zeigt, daß für manche Zeiten jedenfalls von der Mehrzahl der Fachgelehrten eine Landverbindung angenommen wird, während freilich zu anderen Zeiten die Landverbindung durch Transgressionen wieder abgebrochen erscheint. Interessant sind die vonArldtangegebenen Prozentzahlen identischer Arten hüben und drüben, die hier in Tabellenform folgen mögen:


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