Sechstes Kapitel.System, Ursachen und Wirkungen der Kontinentalverschiebungen.

Fig. 32.Tropische RudistenmuschelnFundstellen tropischer Rudistenmuscheln aus der Kreidezeit, nachDacqué.

Fig. 32.

Fundstellen tropischer Rudistenmuscheln aus der Kreidezeit, nachDacqué.

Für die Bestimmung der Pollage in derJurazeit bilden noch immerNeumayrsAngaben über den Klimacharakter der jurassischen Meeresfauna die beste Grundlage. Er unterscheidet drei Faunen, nämlich den polaren „moskauer“ Typus, den gemäßigten „mitteleuropäischen“ und den tropischen „alpinen“. Nach seiner hier nicht mitgeteilten Karte[120]läßt sich der tropische Gürtel an der Westküste Amerikas zwischen 20° Süd und 32° Nord, ferner an der Ostküste Afrikas zwischen 3° Süd und 46° Nord und im ostasiatischen Gebiet zwischen 23° Süd und etwa 30° Nord festlegen. Hieraus finden wir durch eine ähnliche Konstruktion wie für die Kreidezeit die Pollage bei etwa 69° Nordbreite und 170° westlicher Länge.Neumayrhebt selbst hervor, daß sich die nördlichsten Spuren jurassischer Korallenriffe etwa in 53° Breite, nämlich in England und Norddeutschland, finden, während heute deren äußerstes Vorkommen an den Bermudas-Inseln nur bis etwa 32° reicht, so daß man hierdurch, wenn man noch die Alpenfaltung mit 10° in Rechnung setzt, eine Polverschiebung um etwa 30° (auf 60° Nord) in ungefähr der angegebenen Richtung erhalten würde, was wohl hinreichend mit dem obigen Resultat stimmt. In Übereinstimmung mit unseren Ergebnissen steht auch, wie ein Blick aufFig. 30,S. 100, lehrt, die AngabeZittels, daß die jurassische Flora Englands nur subtropisch war, aber gegen Ende der Jurazeit rein tropisch wurde.

Eine Schwierigkeit bereitet wieder die Westantarktis. Hier sind, wie schon oben erwähnt, nachNordenskjöldjurassische Farne, Schachtelhalme und Cykadeen gefunden worden, welche mit der jurassischen FloraIndiens und Neuseelands, nicht mit der Südamerikas, verwandt sind. Der Südpol scheint damals allerdings etwa 33° südlich von Südafrika gelegen zu haben, also jedenfalls außerhalb von Antarktika, das zwischen ihm und Afrika lag (vgl.Fig. 23,S. 61), aber die antarktische Fundstelle würde doch kaum 20° Polabstand erhalten, was reichlich klein erscheint. Man darf nun allerdings die Genauigkeit der Polbestimmung nicht überschätzen und muß außerdem auf grobe Fehler in unseren Annahmen über die Gliederung von Antarktika gefaßt sein. Es kann deshalb möglich sein, daß die Schwierigkeit nur durch diese Fehler vorgetäuscht wird. Vielleicht kommt aber, wie erwähnt, auch eine Umdatierung in das Alt-Tertiär in Frage. Man kann aber immerhin als Übereinstimmung buchen, daß von der Westantarktis aus der Weg nach Australien frei und nicht durch polare Eismassen versperrt war, was die erwähnten Verwandtschaftsbeziehungen zu fordern scheinen.

DieTriaszeit ist in Deutschland charakterisiert durch die roten Buntsandsteine und die großen Salzlager, beides Anzeichen der heißen Wüste. Deutschland hat also damals in der nördlichen Wüstenzone der Erde, etwa in 25° Breite, gelegen. Die für die Triaszeit charakteristischen Sagopalmen wuchsen noch auf Franz-Joseph-Land, welches damals in der nördlichen Regenzone, unter 50° Breite, lag. Ebenso war die vorangehendePermzeit in Deutschland durch Wüstenbildung ausgezeichnet. Haben wir hierdurch bereits den Abstand des Nordpols, so erhalten wir auch seine Richtung durch die auffallende Gleichartigkeit der permo-triassischen Saurier- und Stegocephalenfaunen des Urals und in Texas, die es wahrscheinlich machen, daß diese beiden Gegenden — heute in 25° Breitenunterschied gelegen! — damals in gleicher Breite lagen. Wir brauchen also nach Heranschieben von Amerika nur die Mittelsenkrechte auf der Verbindungslinie Ural–Texas zu errichten und haben damit auch die Richtung des Nordpols. Wir erhalten auf diese Weise den permischen Nordpol auf etwa 50° Nord und 130° West. Der Südpol, auf 50° Süd, 50° Ost, lag wohl noch auf Antarktika, aber nahe an dessen Grenze gegen Australien, und konnte infolgedessen die dortigen Glazialspuren verursachen. Damit haben wir den Ausgang der großen permokarbonischen Glazialspur erreicht, welche sich über vier heute weit getrennte Kontinente hin erstreckt. ImKarbonoder Permokarbon liegt der in der ganzen Erdgeschichte bisher einzige Fall vor, daß sowohl der äquatoriale Regengürtel, wie die polare Inlandeiszone wenigstens eines Poles beide gleichzeitig sicher nachzuweisen sind[121]. Für diese Zeit gilt unsere RekonstruktionFig. 23,S. 61. Es sei zum Vergleich damit auch die lehrreiche Karte vonKreichgauermitgeteilt(Fig. 33). Ähnlich wie über dem frühtertiären Äquator entstand auch über dem Karbonäquator ein Gürtel von Gebirgsfalten („Karbon-Ring“Kreichgauers). Man wird aber bemerken, daß dieser Faltungsring bei Nordamerika und bei Australien erheblich von dem „Karbonäquator“ abweicht, und daß in Südamerika, welches von letzterem durchquert wird, das Gebirge fehlt. Diese Abweichungen verschwinden in überraschender Weise, wenn man die Kontinente nach der Verschiebungstheorie zurechtschiebt, wie inFig. 23,S. 61, geschehen. Mir scheint daher gerade diese Abbildung wieder ein Beleg für die Richtigkeit der Verschiebungstheorie zu sein.

Es ist viel darüber diskutiert worden, ob die Steinkohlen wirklich, wie hier angenommen, im äquatorialen Regengürtel erzeugt wurden oder nicht vielmehr nach Analogie der heutigen Torfmoore in den feuchten gemäßigten Westwindzonen, jaRamann,Frechu. a. haben gemeint, die Verkohlung erfordere tiefe Temperaturen und sei in den Tropen unmöglich. Allein diese Bedenken sind durch die Entdeckung tropischer Moore zerstreut worden. „Die ganze Beschaffenheit der karbonischen Flora, die nachPotoniédurchaus das Gepräge einer tropischen Moorflora besitzt, spricht zugunsten dieser Anschauung. Die Stein- und auch die Braunkohlensümpfe stellen nach dem genannten Forscher fossile Flachmoore dar, die am meisten nicht sowohl an die großen Swamps Nordamerikas, als vielmehr an die Waldmoore Sumatras und anderer Tropengegenden erinnern [Potonié, Die Entstehung der Steinkohle, S. 161, 1910]“[122]. Besonders betrachtet man das Fehlen von Jahresringen bei den karbonischen Holzgewächsen als Anzeichen von Tropenklima[123], zumal nachdemArbersEntdeckung von Jahresringen an permokarbonen Hölzern von Neusüdwales undHallesgleiche Feststellung auf den Falklandsinseln gezeigt haben, daß das Fehlen von Jahresringen nicht etwa eine allgemeine Eigenschaft der damaligen Flora war. Die typische Karbonflora mit Baumfarnen, Kalamiten, Sigillarien und Lepidodendren erstreckt sich vom Sambesi (jetzt 15° Süd) bis Spitzbergen (80° Nord) und ist von der Danmark-Expedition sogar zwischen 80 und 81° Nord in Nordostgrönland gefunden worden[124]. In diesen hohen Breiten ist sie freilich nicht mehr so üppig wie in dem großen Steinkohlengürtel, der etwa die Mitte zwischen diesen Extremen hält. Auch ist zu berücksichtigen, daß die Pole gerade in der Karbonzeit in lebhafter Wanderung begriffen waren, wie schon aus dem langen Zug vonGlazialablagerungen auf der südlichen Halbkugel hervorgeht. Die Funde auf Spitzbergen und in Nordostgrönland gehören nachNathorstdem älteren Karbon an, wo der Südpol vielleicht seine nördlichste Lage (etwa bei Loanda) inne hatte. Selbst unter Berücksichtigung der karbonischen und der Alpenfaltung in Europa mit je 10° kommen wir dabei nur auf eine Breitenlage Spitzbergens von etwa 20° Nord. Diese typische Karbonflora wird nun in schönster Weise ergänzt durch die polare „Glossopteris“-Flora, welche auf der Südhalbkugel überall in enger Verbindung mit den Ablagerungen der permokarbonischen Vereisung erscheint.

Fig. 33.ÄquatorlageKarbonische Faltungen und Äquatorlage, nachKreichgauer.

Fig. 33.

Karbonische Faltungen und Äquatorlage, nachKreichgauer.

Diese ganze Florengliederung läßt keine andere Möglichkeit zu, als daß der große Steinkohlengürtel der Erde, der sich von den nordamerikanischen Appalachen über Mitteleuropa nach China hinzieht, der äquatorialen Regenzone des Permokarbons entsprach. Diese Deutung liegt schon deswegen nahe, weil es eben nur einen, nicht zwei solche Gürtel gibt, und wird dadurch zur unumstößlichen Gewißheit, daß gleichzeitig mit diesem tropischen Moorgürtel die vonMoolengraaffu. a. beschriebenen, wunderbar erhaltenen permokarbonischen Eisschliffe und Grundmoränen des Kaplandes gebildet wurden, in jetzt 80, damals (wegen der Alpenfaltung) 90 Breitengraden Abstand von jenem.

Die permokarbonischen Glazialablagerungen in ihrer Gesamtheit verdienen eine genauere Betrachtung, gerade mit Hinblick auf eine Prüfung der Verschiebungstheorie. Diese Eisspuren sind in allen Teilen des alten Gondwanalandes gefunden worden, zum Teil mit überraschender Deutlichkeit, so daß man aus den Schrammen in der polierten Felsoberfläche noch die Bewegungsrichtung der Eismassen ablesen kann. Namentlich in Südafrika sind diese Spuren eingehend studiert worden, ähnlich aber auch in Vorderindien, in Australien, in Brasilien (Rio Grande do Sul) und dem nordwestlichen Argentinien, auf den Falklandsinseln, in Belgisch-Kongo (vonStutzerundGrosse) und sogar in Togo (vonKoert). Die Ohnmacht, mit der die alte Lehre vom Versinken der Landbrücken diesen Tatsachen gegenübersteht, kann keinen besseren Ausdruck finden als durchKokenslichtvolle Schrift: Indisches Perm und die permische Eiszeit (Festband d. N. Jahrb. f. Min. 1907), die zu einer Zeit erschien, als der Fund auf den Falklandsinseln noch ausstand und man die südamerikanischen Funde noch in Zweifel ziehen durfte. Selbst unter diesen günstigen Bedingungen ergab sich, daß eine so große polare Eiskappe unmöglich war. Denn selbst wenn der Pol an die günstigste Stelle, nämlich mitten in den Indischen Ozean gelegt wurde, so erhielten die fernsten Gebiete mit Inlandeis immer noch geographische Breiten von 30 bis 35°. Bei einer solchen Vereisung hätte kaum irgendein Teil der Erdoberfläche von glazialen Erscheinungen frei bleiben können. Und dabei fiele dann der Nordpol auf Mexiko, dessen gut bekanntes Perm keine Spur von Vereisung zeigt.Auf den etwas verzweifelten AuswegKokens, alle diese Glazialfunde durch eine ehemals große Seehöhe der Fundstätte zu erklären, brauchen wir wohl nicht einzugehen. Kurz nach der genannten Veröffentlichung wurden die erwähnten Glazialerscheinungen auf den Falklandsinseln entdeckt, durch welcheKokenden Äquator gelegt hatte; und heute sind auch die brasilianischen und argentinischen Funde bestätigt, welche gleichfallsKokensÄquator sehr nahe liegen. In dem viel genauer bekannten Perm der Nordhalbkugel hat man nirgends mit einiger Sicherheit permische Glazialerscheinungen nachweisen können, und so würde das reine Tatsachenmaterial vom Standpunkt des alten Vorstellungskreises, welcher Horizontalverschiebungen der Kontinente nicht zuläßt, besagen, daß die ganze Südhalbkugel mit Inlandeis überschwemmt, die Nordhalbkugel aber ganz frei davon war. Daß dies Resultat aber in meteorologischer wie in astronomischer Hinsicht ein Unding ist und die ältere Theorie damit ad absurdum geführt ist, bedarf keiner Erläuterung. Es ist schon verschiedentlich, insbesondere vonPenck, hervorgehoben, daß diese Verhältnisse die Annahme von Verschiebungen der Erdrinde doch nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen. Man kann wohl weiter gehen und sagen, daß es unmöglich ist, den Widersinn zu beseitigen, wenn man nicht die Südkontinente in ähnlicher Weise wie bei unserer Rekonstruktion,Fig. 23,S. 61, zusammenrücken läßt. In dieser Darstellung bildet die Gesamtheit der permo-glazialen Funde eine breite Spur von Neuseeland bis Togo, ähnlich der diluvialen Eisspur auf der Nordhalbkugel. Auch hier dürfte die Vereisung nicht auf der ganzen Linie gleichzeitig erfolgt sein, wie schon die Tatsache einer zweifachen Vereisung sowohl in Australien wie in Südafrika nahelegt. In Afrika und Indien liegen die Schichten mit Glossopteris-Flora über, in Australien unter dem Blocklehm. „Daraus geht wohl eines unzweideutig hervor, daß in Indien und Südafrika das Eis früher, in Australien aber später seinen Mantel ausbreitete, und so können wir für Indo-Afrika eine karbonische, für Australien eine permische Eiszeit ansetzen“ (Waagen, Unsere Erde, München, Allg. Verl.-Ges., o. J., S. 437). Sollten sich die Glazialfunde in Togo bestätigen, so müßte der Südpol als äußerste Lage wohl etwa Loanda erreicht haben, so daß der Äquator zeitweilig sogar bis nach Norwegen hinauf kam. Um den Ort genauer anzugeben, müßten wir allerdings den Betrag der karbonischen Faltungen in Europa abschätzen.

Es scheint also, als ob der Südpol im Karbon in Afrika auf 25° Süd, 25° Ost gelegen hat (also Nordpol auf 25° Nord, 155° West); im Perm scheint er jedenfalls, wie gezeigt wurde, weiter nach dem indisch-australischen Ende der Vereisungsbahn zu gelegen zu haben.

Für die vorkarbonische Zeit werden unsere Vorstellungen über die Klimagürtel immer unsicherer. Allenfalls können wir uns noch für dasDevon Rechenschaft von der Pollage geben. In jener Zeit bildeten sich in Südafrika im Kaplande Glazialerscheinungen, und gleichzeitig bildete sich der Old-Red-Sandstein in Nordamerika von Neufundland bis New York, in Grönland, Spitzbergen, England, Livland, Kurland und im südlichen Norwegen. Glätten wir nicht nur die tertiären, sondern auch die karbonischen Faltungen Mitteleuropas, so daß der Abstand Mitteleuropas von Afrika etwa um 20° vergrößert wird, und schieben wir Nordamerika wieder an Europa heran, so liegt England etwa 110 bis 120° von den südafrikanischen Glazialfunden entfernt, d. h. wir haben es beim Old Red mit der nördlichen Wüstenzone zu tun. Mit Rücksicht auf die Lage dieses Wüstenstreifens findet man den Nordpol bei 30° Nord, 140° West und den Südpol bei 30° Süd, 40° Ost, etwa 16° von seinen Glazialspuren entfernt. — Im Kambrium gab es in China Inlandeis, während sich in Indien, damals etwa 60° davon entfernt, Salzlager bildeten (Salt Range).

So verlockend es auch erscheint, diese immer unsicherer werdenden Spuren weiter zu verfolgen, so müssen wir uns dies bei dem gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse doch versagen, da hierbei den Vermutungen ein ungebührlicher Raum zugewiesen werden müßte. Da bereits sichere Inlandeisspuren aus dem Algonkium (in Kanada) gefunden sind, so wird es zweifellos früher oder später gelingen, die Pollage auch für diese ältesten Zeiten zusammenhängend zu verfolgen. Gegenwärtig erscheint mir jedoch ein solcher Versuch als verfrüht, da unser Bild von den Konturen, ja sogar von der Größe der damaligen Urkontinentalscholle noch nicht deutlich genug ist. Es genügt auch wohl, bis zur Devonzeit zu zeigen, daß die Verschiebungstheorie auch in der Paläoklimatologie imstande ist, die grundsätzlichen Schwierigkeiten zu beseitigen.

Zum Schluß seien noch einmal die mittleren Lagen der Pole sowie Deutschlands seit dem Devon, bezogen auf Afrika in der heutigen Lage, zusammengestellt:

Lage der Pole

Lage der Pole

NordpolSüdpolDeutschlandRezent90°N,—90°S,—50°NQuartär70N,10°W70S,170°O69NPliozän90N,—90S,—54NMiozän67N,172W67S,8O37NOligozän58N,etwa180W58S,etwa029NEozän45N,„180W45S,„015NPaleozän50N,„180W50S,„020NKreide48N,140W48S,40O19NJura69N,170W69S,10O36NTrias(Mittellage)50N,130W50S,50O26NPermKarbon25N,155W25S,25O3SDevon30N,140W30S,40O15N

System.Obwohl die Verschiebungen der Kontinente auf den ersten Blick ein recht buntes Bild verschiedenartiger Bewegungen bilden, so erkennt man doch ein großes System: Die Kontinentalschollen bewegen sich äquatorwärts und westwärts. Es empfiehlt sich, die beiden Komponenten dieser Bewegung gesondert zu betrachten.

Eine äquatorwärts gerichtete Bewegung, die „Polflucht“ der Kontinentalmassen, ist bereits von verschiedenen Autoren, so namentlich vonKreichgauer[125]undTaylor[126], angenommen worden. Sie ist wohl ganz allgemein zu erkennen, bei großen Schollen mehr, bei kleinen weniger, und am stärksten in mittleren Breiten. Insbesondere äußert sie sich bei Eurasien in der Anordnung des großen tertiären Faltengürtels des Himalaja und der Alpen, welcher auf dem damaligen Äquator entstand, sowie in den bauchigen Stauchungsformen der ostasiatischen Küste. Sehr deutlich ist ferner die Polflucht bei Australien, denn es bewegt sich nach Nordwesten, wie aus den Deformationen der Inselreihen des Sunda-Archipels, aus dem hohen jugendlichen Gebirge auf Neuguinea und aus dem südöstlichen Zurückbleiben der einstigen Girlande Neuseeland übereinstimmend hervorgeht. Bei Nordamerika macht sich die Polflucht geltend in der südwestlichen Verschiebung Grinnell-Lands gegenüber Grönland (oder auch Labradors gegenüber Südgrönland), ferner auch in der beginnenden Stauchung der sich ablösenden Randkette Kaliforniens und der damit in Verbindung stehenden Erdbebenverwerfung von San Franzisko. Sogar bei der kleinen Scholle Madagaskar ist die Polflucht noch erkennbar, da sie sich von ihrer Abrißstelle am afrikanischen Kontinent nach Nordosten bewegt hat. Afrika und Südamerika liegen heute auf dem Äquator und erfahren deshalb wohl nur geringe meridionale Verschiebungen. Die großen Verschiebungen, welche Südamerika im Tertiär erfuhr und die zur Auffaltung der südamerikanischen Anden führten, waren — unter Rücksicht auf die damalige Pollage — nach Nordwesten gerichtet, lassen also gleichfalls die Polflucht erkennen. Gleiches gilt wohl auch für Antarktika.

Der Zusammenschub Lemuriens vom Tertiär ab bis heute läßt sich in seinen ersten Teilen noch als Polflucht Vorderindiens auffassen. Heute liegt dies allerdings 10 bis 20° nördlich des Äquators, so daßeine Polflucht die Faltung nur verringern könnte. Das gegenwärtige Andauern des Zusammenschubes muß daher wohl ganz auf Rechnung der Polflucht Asiens gesetzt werden, wobei anzunehmen ist, daß Indien als Vorderrand desselben durch den Widerstand, den es im Sima findet, festgehalten und infolgedessen aufgefaltet wird.

Die andere Komponente, die Westwanderung der Kontinente, geht aus dem unmittelbaren Anblick der Erdkarte vielleicht noch klarer hervor. Die großen Schollen ziehen im Sima nach Westen. Schon die Pangäa der Karbonzeit hatte so einen Vorderrand (Amerika), der sich wegen des Widerstandes des zähen Simas in Falten legte (Präkordilleren), und einen Hinterrand (Asien), von dem sich Randketten und Brocken ablösten und als Inselgruppen im Sima des Pazifik stecken blieben. Dieser Gegensatz zwischen dem Ost- und dem Westufer unseres Hauptozeans ist auch heute äußerst auffallend, zumal sich in Ostasien, begünstigt durch dessen meridionale Stauchung, gerade der großartige Prozeß der Ablösung und Zurücklassung zahlreicher Randketten abspielt. Der nach Süden vorgestreckte Kontinentallappen von Hinterindien und den Sundainseln zeigt ein Zurückbleiben nach Osten und bezeugt so die Westwanderung ebenso wie das gleichfalls nach Osten gerichtete Abbrechen Ceylons von der Südspitze Vorderindiens. Auch südlich davon, im Bereich Australiens, spielen sich dieselben Vorgänge ab, wie die schon zurückgelassene Girlande Neuseeland und das nordwestlich gerichtete Vordringen der australischen Scholle zeigen. Dieselben Erscheinungen wie an der ostasiatischen Küste treffen wir auch an der Ostküste Amerikas wieder. In Mittelamerika bilden die Antillen ein schönes Beispiel nach Osten zurückbleibender Girlanden, wobei zu bemerken ist, daß die kleinen Inseln stärker zurückbleiben als die großen; Florida bleibt nach Osten zurück, ebenso wie die Südspitze Grönlands. In Südamerika treten die Massen der Abrolhos-Bank durch Zurückbleiben nach Osten unter dem Kontinent heraus; die Gegend der Drakestraße mit ihren nachschleppenden Festlandspitzen und weit zurückgebliebenen Verbindungsketten war schon früher als Musterbeispiel für die Verschiebung nach Westen erläutert worden. In Afrika äußert sich die Westwanderung in dem östlichen Zurückbleiben der kleineren Scholle Madagaskar (was sich mit dessen Polflucht zu nordöstlicher Bewegung zusammensetzt). Vielleicht darf man auch das junge ostafrikanische Bruchsystem, von welchem die Abtrennung Madagaskars wohl nur einen Teil bildet, mit der Westwanderung in Verbindung bringen, wenn es sich hier auch nicht mehr um Girlanden, sondern um größere Schollen, etwa von der Größe Madagaskars, handelt. An der afrikanischen Westküste scheinen sich zwar die Kanaren und Kapverden erst in jüngerer Zeit vom Kontinent gelöst und sich also von ihm nach Westen entfernt zu haben, allein dieses geringe Vorauseilen des Sima nach Westen istwohl leicht aus dem ganzen Strömungsbild des Sima bei der Öffnung des Atlantik zu erklären und würde nur besagen, daß sich die Simafläche des Atlantik bei dem Fortschreiten seiner Öffnung wie Gummi zieht, oder daß hier das Einströmen des Sima in die Spalte überwiegt.

Ob sich alle Einzelheiten der Verschiebungen durch diese zwei Komponenten der Polflucht und der Westwanderung darstellen lassen, muß wohl noch dahingestellt bleiben. Die Hauptbewegungen — auch für die Vorzeit — werden aber anscheinend durch sie vollständig dargestellt.

Ursachen.Als Ursache der Polflucht hatKreichgauerdie Zentrifugalkraft bezeichnet. Seine Ableitung ist aber falsch, da er statt des Rotationsellipsoids die Kugelform voraussetzt, und die von ihm abgeleitete Kraft fällt eben gerade dadurch fort, daß die Erde abgeplattet ist. Indessen bleibt auch beim Rotationsellipsoid noch eine Polfluchtskraft für die Kontinente übrig, wie folgende Betrachtung lehrt, die ich mit Zustimmung des Verfassers einer demnächst in Peterm. Mitt. erscheinenden Arbeit von W.Köppenentnehme:

Der Schwerpunkt einer Kontinentalscholle liegt 2,4 km höher als ihr Auftriebspunkt (Schwerpunkt des verdrängten Simas), liegt also in einer höheren Niveaufläche als dieser letztere. Die höhere Niveaufläche ist aber stärker abgeplattet, weil die Anziehungskraft der Erde für sie kleiner ist (auch in den hier in Frage kommenden Schichten des Erdinnern nimmt die Anziehungskraft mit Annäherung an den schweren Eisenkern der Erde noch zu) und obendrein die Zentrifugalkraft noch etwas größer ist als für die untere. Diese beiden Niveauflächen haben also ihren größten Abstand am Äquator, den kleinsten am Pol, und sind nur an diesen beiden Orten einander parallel, in mittleren Breiten aber gegeneinander geneigt. Dies letztere ist es nun, worauf es ankommt. Denn der Auftrieb wirkt senkrecht zur unteren, die Schwere senkrecht zur oberen Niveaufläche, und diese beiden Kräfte können also, da die beiden Lotrichtungen einen kleinen Winkel miteinander bilden, sich nicht gegenseitig aufheben, sondern geben eine kleine Resultante in Richtung auf den Äquator. Es ist auch ohne weiteres einzusehen, daß diese Polfluchtskraft sowohl am Pol wie am Äquator Null sein muß. Denn an beiden Stellen sind eben die genannten beiden Niveauflächen parallel zueinander, so daß keine Resultante aus Auftrieb und Schwerkraft übrig bleibt. Die Polfluchtskraft muß also für mittlere Breiten ein Maximum erreichen[127].

Die andere Bewegungskomponente, die Westwanderung, kann meines Erachtens durch die ablenkende Kraft der Erdrotation zwangsläufig mit der Polflucht verknüpft sein, so daß die Bewegung der Kontinentalschollen — auch ursächlich — Ähnlichkeit mit der der Passatwinde bekäme. Wie weiter unten gezeigt werden wird, würde sich hieraus gerade eine besonders einfache Erklärung für die Zertrümmerung der mittelmeerischen Bruchzone ergeben. Auch würde dazu stimmen, daß Afrika, weil am genauesten auf dem Äquator, die geringste Westwanderung erkennen läßt.

Es besteht aber auch die Möglichkeit, diese allgemeine Westwanderung der Lithosphäre auf die Reibung der Gezeitenwelle zurückzuführen, welche durch die Sonnen- und Mondanziehung im festen Erdkörper erzeugt wird. Es ist bei dem heutigen Stand der Forschung allerdings keineswegs sichergestellt, ob und wieweit wir mit einer solchen Gezeitenwelle des festen Erdkörpers zu rechnen haben, speziell, ob die durch Sonne und Mond erzeugte Deformation nicht eine rein elastische ist. Aber das eine ist sicher: wenn eine noch so kleine Gezeitenwelle des festen Erdkörpers die Erde umkreist, so äußert sich die Reibung — sofern sie eben überhaupt zu Wort kommt — in einem fortwährenden Zurückhalten namentlich der oberflächlichen Schichten nach Westen. Auch diese Gezeitenreibung ist bereits wiederholt, so von E. H. L.Schwarz[128],Wettstein[129]u. a., zur Erklärung der Erdoberfläche herangezogen worden. In der Verschiebungstheorie würde sie namentlich zur Erklärung des ersten Aufreißens der Lithosphäre und ihrer anfänglichen Zusammenfaltung nach Art eines Papierlampions gute Dienste leisten. Man brauchte dazu nur anzunehmen, daß die Reibung, welche diese ständig auf ihrer Unterlage nach Westen gleitende Lithosphäre erfuhr, nicht überall gleich groß war. Es muß wohl noch dahingestellt bleiben, ob man zur Erklärung der Westwanderung zwischen diesen beiden Ursachen zu wählen hat, oder ob sie beide gleichzeitig wirksam sind.

Wirkungen.Die wichtigste Wirkung der Kontinentalverschiebungen bilden die Polwanderungen. Es war schon früher gesagt, daß bei der zähflüssigen Erde die Abplattung nicht eigentlich zur Festlegung der Achse größter Trägheit beisteuert, sondern nur bewirkt, daß die Polwanderungen außerordentlich langsam vor sich gehen. Denn die Abplattung ist ja bei jeder Änderung der Trägheitsachse bereit, ihr durch fließende Verschiebungen der Teilchen zu folgen und sich der neuen Lage anzupassen. Nur geschieht dies wegen der Zähigkeit desErdkörpers mit Verzögerung. Die Hauptträgheitsachse, und damit also auch die Drehungsachse, die sich auf jene einzustellen strebt, werden also nicht durch die Abplattung bestimmt, von der man vielmehr ganz absehen muß, sondern nur durch die kleineren Unregelmäßigkeiten der Massenverteilung, namentlich also durch die Anordnung der Kontinentalschollen, die trotz ihrer Isostasie wegen ihres von der Erdachse entfernter gelegenen Schwerpunktes ein größeres Trägheitsmoment besitzen als das verdrängte Sima. Jede Änderung in der Anordnung der Kontinente wird daher auch die Lage der Hauptträgheitsachse und damit der Rotationsachse beeinflussen, und zwar in sehr beträchtlicher Weise, da die Achsenlage eben nur von dieser Anordnung abhängt. Es wird vielleicht einmal möglich sein, aus jeder vorgegebenen Kontinentalgruppierung mathematisch die Hauptträgheitsachse abzuleiten, natürlich nur auf dem Wege numerischer Integration, da die Flächen und Konturen der Kontinente sich nicht in Formeln fassen lassen. Man würde dann in der Lage sein, diese theoretisch berechnete Hauptträgheitsachse unmittelbar mit den geologischen Befunden für die verschiedenen Zeiten zu vergleichen. Bisher steht eine solche mathematische Behandlung der Frage allerdings noch aus. Daß aber ein solcher enger Zusammenhang zwischen der Kontinentalgruppierung und der Achsenlage tatsächlich besteht, geht schon daraus hervor, daß die großen Polwanderungen gerade immer mit den Zeiten lebhafter Kontinentalverschiebungen zusammenfallen. Besonders deutlich ist dies für die Zeit seit dem Beginn des Tertiärs: als der südliche Atlantik sich öffnete, wich der Südpol nach der entgegengesetzten Seite hin aus bis zu seiner Lage im Diluvium; als dann auch die Verbindung zwischen Europa und Nordamerika abbrach, wich nunmehr umgekehrt der Nordpol wieder nach der entgegengesetzten Richtung bis zu seiner heutigen Lage aus.

Auch die Spaltungen der Lithosphäre, die Grabenbrüche, scheinen eine bestimmte Rolle in diesen großen Zusammenhängen zu spielen. Wenngleich hier wohl manche Unregelmäßigkeiten vorkommen, ist doch zu bemerken, daß sich diese Spalten vorzugsweise im äquatorialen Gebiet, und zwar in meridionaler Richtung bilden. Dies gilt offensichtlich für das große ostafrikanische Bruchsystem, das der heutigen und der diluvialen Äquatorlage entspricht, und es gilt auch für den im Oligozän entstandenen Rheingraben. Die große atlantische Spalte verläuft für die tertiären Pollagen ungefähr meridional, desgleichen die Spalte, deren eine Seite der Ostrand von Afrika bildet. Die südliche Zuspitzung der Kontinente in Südamerika, Südafrika, Vorderindien läßt sich so auf nahezu meridionale Spalten zurückführen, die bis zum damaligen Südpol durchgeführt wurden.

Namentlich scheint mir auch die Entstehung der mittelmeerischen Bruchzone mit ihren fensterartigen Öffnungen in der Lithosphäre hierdurcheine neue Beleuchtung zu gewinnen. Sie dürfte auf kürzere meridionale Spalten in der alten Äquatorzone der Sekundärzeit zurückzuführen sein, welche sodann durch die Polflucht der Kontinentalmassen in ihrer Längsrichtung breitgequetscht wurden. Daß diese Zone so besonders stark zertrümmert und vielfach bis zur Unkenntlichkeit der ursprünglichen Formen zerwürgt ist, läßt sich vielleicht durch die Schwankungen der Äquatorlage erklären; denn wenn der Äquator aus ihr z. B. nach Süden herausrückt, so läßt die Polflucht der südlichen Kontinentalmasse nach und damit wird auch deren Westwärtsdrängen vermindert, sofern dies durch die ablenkende Kraft der Erdrotation mit der Polflucht verknüpft ist. Umgekehrt nimmt für die nördliche Kontinentalmasse Polflucht und Westwärtsdrängen zu. Wenn dann der Äquator wieder auf die Nordseite des Mittelmeeres hinüberschwankt, so wird nunmehr das Westwärtsdrängen der nördlichen Kontinentalmassen geschwächt, das der südlichen verstärkt. Auf diese Weise muß bei wiederholten Schwankungen der Äquatorlage ein Hin- und Herarbeiten oder Schrauben der nördlichen Kontinente gegen die südlichen eintreten.

Als ein weiteres Glied in der Reihe dieser großen Zusammenhänge sind auch noch die Transgressionen zu erwähnen. Es ist ein naheliegender und bereits von zahlreichen Autoren, wieReibisch[130],Kreichgauer[131],Semper[132],Heilu. a. vertretener Gedanke, daß wegen der Zähigkeit des Erdkörpers seine Abplattung bei Verlegung der Achse gegen diese nachhinkt, während das Wasser der Ozeane sofort folgt. Infolgedessen müßten alle diejenigen Gebiete, deren Breite bei der Polveränderung abnimmt, überschwemmt, solche, deren Breite zunimmt, trockengelegt werden. Wir können diese Regel an der Hand unsererFig. 30(S. 100) für die Breitenänderungen Deutschlands prüfen. Im Laufe des Karbons nahmen die Transgressionen ab; im Perm war Deutschland noch teilweise von dem Zechsteinmeer bedeckt, in der Triaszeit dagegen wurde es trockene Wüste (Buntsandstein!) und blieb dies auch noch in der älteren Jurazeit. In der jüngeren Jurazeit dagegen setzt eine große Transgression ein, welche das Jurameer in Deutschland schafft; in der mittleren Kreide setzt wieder eine neue Verstärkung der Transgression ein (Kreidemeer), und noch im Paleozän und Eozän sind große Teile des Landes vom Meere bedeckt. Von der Mitte des Eozän ab findet jedoch ein auffallender Rückgang der Transgression statt, derdann in der Folgezeit zur gänzlichen Trockenlegung Deutschlands führte. Vielleicht läßt sich das heutige Sinken der Nordseeküste und das junge Abbrechen der Landverbindungen mit England als neuerliches Vordringen der Transgressionen deuten, soweit hier nicht die Nachwirkungen der Eiszeit überwiegen. Vergleichen wir hiermit die oben genannte Breitenkurve, so findet man in der Tat bestätigt, daß die Transgressionen abnehmen, wenn die Breite zunimmt, und zunehmen, wenn diese abnimmt. Es würde sich durchaus verlohnen, dieselbe Probe auch für andere Orte auf der Erde anzustellen. Doch würde eine solche Untersuchung den Rahmen dieses Buches überschreiten.

Zum Schluß dieses Kapitels möchte ich nicht unterlassen, den hypothetischen Charakter dieser Betrachtungen, insbesondere derjenigen über die Ursachen der Kontinentalverschiebungen, zu betonen. Im Gegensatz zur Verschiebungstheorie selbst, an deren grundsätzlicher Richtigkeit mir, wie mehrfach ausgesprochen, ein Zweifel nicht mehr zu bestehen scheint, handelt es sich hier um die ersten, tastenden Versuche einer mechanischen Auffassung dieser zunächst lediglich aus den Beobachtungen erschlossenen Kontinentalverschiebungen. Selbst wenn diese mechanischen Vorstellungen sich als wesentlich unrichtig erweisen sollten, so würde damit natürlich die Richtigkeit der Verschiebungstheorie in keiner Weise in Frage gestellt werden. Denn wenn die Beobachtungen zeigen, daß Verschiebungen stattgefunden haben, so müssen wir sie offenbar annehmen, gleichgültig, ob wir sie heute schon erklären können oder nicht.

Vor allen anderen Theorien mit ähnlich weitreichenden Aufgaben hat die Verschiebungstheorie den Vorzug voraus, daß sie sich durch exakte astronomische Ortsbestimmungen prüfen läßt. Wenn die Kontinentalverschiebungen so lange Zeiträume hindurch tätig waren, so ist ohne weiteres anzunehmen, daß sie auch heute noch fortdauern, und es ist nur die Frage, ob die Bewegungen schnell genug sind, um sich unseren astronomischen Messungen innerhalb nicht allzu langer Zeiträume zu verraten. Um hierüber ein Urteil zu gewinnen, müssen wir auf die absolute Zeitdauer der geologischen Abschnitte etwas eingehen. Die Bewertung derselben ist bekanntlich unsicher, aber doch nicht indem Maße, daß es eine Beantwortung unserer Frage unmöglich macht. Wenn z. B. der seit der letzten Eiszeit verflossene Zeitraum vonPenckauf Grund seiner alpinen Glazialstudien auf 50000 Jahre, vonSteinmannauf mindestens 20000, höchstens 50000, und vonHeimnach neueren Berechnungen aus der Schweiz und ebenso von den Glazialgeologen der Vereinigten Staaten nur auf etwa 10000 Jahre geschätzt wird, so reicht die Übereinstimmung dieser Zahlen doch für unsere Zwecke bereits völlig aus.

Für die älteren Zeiten hat man namentlich aus der Mächtigkeit der Sedimente ein Urteil über die Zeitdauer ihrer Ablagerung zu gewinnen versucht und ist dabei z. B. für das Tertiär auf eine Größenordnung von 1 bis 10 Millionen Jahre gekommen[133]. Das größte Ansehen genießt gegenwärtig wohl die auf etwa gleiche Werte führende physikalische Altersbestimmung der Gesteine auf Grund des Heliumgehalts derselben, der aus dem Zerfall radioaktiver Stoffe stammt. Die Messungen werden an Zirkonkristallen ausgeführt, deren Heliumgehalt durch Zerfall des Uranoxyds erzeugt wird.Strutt, der diese Methode ausbildete, fand so für das Oligozän 8,4 Millionen Jahre, für das Eozän 31, das Karbon 150 und das Archaikum 710 Millionen Jahre.Königsberger[134]hat später dieStruttschen Messungen neu berechnet und das geologische Alter einiger der Versuchsgesteine anders bestimmt. Aus seinen und den früheren Angaben kommt man etwa auf die folgenden Zeiträume:

SeitBeginndesPaläozoikumsverflossen. . .500MillionenJahre„„„Mesozoikums„. . .50„„„„„Tertiär (Paleozän)„. . .15„„„„„Eozäns„. . .10„„„„„Oligozäns„. . .8„„„„„Miozäns„. . .6„„„„„Pliozäns„. . .2–4„„„„„Diluviums„. . .½–1„„„„„Postdiluviums„. . .10–50TausendJahre.

SeitBeginndesPaläozoikumsverflossen. . .500MillionenJahre„„„Mesozoikums„. . .50„„„„„Tertiär (Paleozän)„. . .15„„„„„Eozäns„. . .10„„„„„Oligozäns„. . .8„„„„„Miozäns„. . .6„„„„„Pliozäns„. . .2–4„„„„„Diluviums„. . .½–1„„„„„Postdiluviums„. . .10–50TausendJahre.

Mit Hilfe dieser Zahlen und den von den Kontinenten zurückgelegten Wegen können wir uns unschwer ein ungefähres Bild von dem zu erwartenden Betrag der jährlichen Verschiebung machen. Leider werden die Zahlen auch besonders dadurch sehr unsicher, weil der Zeitpunkt, zu welchem die Schollen sich trennten, auch in der relativen geologischen Zeitfolge meist noch recht ungenau bestimmt ist. Es ist daher zu erwarten, daß manche von diesen Zahlen künftig noch starkverändert werden müssen. Einstweilen komme ich auf die in der folgenden Tabelle zusammengestellten Werte:


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