Das Syndikat hat eine Kasse, zu der die Arbeiter geringe Beiträge leisten, die vielmehr hauptsächlich aus Zuschüssen der Prinzipale gespeist wird. Daneben bestehen einzelne Abteilungen für Unterstützung, gemeinsamen Einkauf, Sparkassen, Arbeiterwohnungen u. s. w., an deren Spitze besondere Vorstände stehen, die unter dem Vorsitze des Prinzipals tagen. Doch giebt es auch einen nur aus Arbeitern bestehenden Wirtschaftsausschuß, der sich selbst einen Vorsitzenden wählt.
Die wichtigsten der nach diesem Systeme gebildeten Syndikate sind folgende:
1.Corporation chrétienne de Saint-Nicolasfür Spinnerei, Weberei und Wirkerei. Sie wurde am 11. Mai 1885 gegründet. Ihr Zweck ist nach den Statuten: Aufrechterhaltung des guten Einvernehmens zwischen Prinzipalen und Arbeitern durch Behandlung des beiderseitigen Verhältnisses unter dem Gesichtspunkte der Gerechtigkeit und der Liebe, Entwickelung der geschäftlichen Tüchtigkeit und Wahrung der Ehre der Korporation, endlich Einrichtungen zum sittlichen und materiellen Wohle der Arbeiter. An der Spitze steht eincomité protecteuraus Prinzipalen und Arbeitern, das bei Streitigkeiten vermittelnd und entscheidend eingreifen soll, doch erfolgt die Abstimmung nicht nach der Zahl der Mitglieder, sondern nach den beiden Gruppen. Auch die Arbeiter solcher Werke, deren Inhaber dem Syndikate nicht angehören, könnenan ihm teilnehmen; sie wählen dann Vertreter, die aber von demcomité protecteurgebilligt werden müssen. Neben demcomitébesteht einbureauaus sechs Personen, dessen Aufgabe es ist, über Aufnahme von Mitgliedern zu beschließen, Fähigkeitszeugnisse und Diplome auszustellen, die Oberaufsicht über die verschiedenen Einrichtungen auszuüben, Zwistigkeiten zwischen Prinzipalen, Arbeitern und Lehrlingen auszugleichen sowie Einnahmen und Ausgaben festzusetzen.
DieCorporation de Saint-Nicolasbestand am 9. Mai 1895 aus 27 Prinzipalen, 47 Beamten, 301 Arbeitern und 855 Arbeiterinnen, zusammen 1230 Personen. Das Vermögen betrug 37688,66 Frs. Sie besitzt eine eigene Zeitung „Le dimanche“, die wöchentlich erscheint.
2.Syndicat de l'Industrie Roubaissienne. Dasselbe wurde am 1. Februar 1889 begründet und zählte 1895 20 Prinzipale, 86 Beamte und 2954 Arbeiter, zusammen 3060 Mitglieder, die meist der Spinnerei, Weberei, Druckerei und Appretirerei angehören und sich auf 20 Geschäfte verteilen. Das Vermögen betrug 2852,45 Frs. Die Organisation ist fast völlig derjenigen unter 1 nachgebildet, nur ist bei Stimmengleichheit in demconseil syndicaldem Vorsitzenden die Entscheidung eingeräumt.
3.Syndicat de l'Industrie Tourquenoise. Dasselbe wurde gegründet 1888 mit 1064 Mitgliedern, die 1895 auf 1900 gestiegen waren.
4.Société Saint-Louisin Tourcoing, gegründet 1889, besaß am 1. Januar 1897 800 Mitglieder.
5.Société Saint-Josephin Roubaix, ebenfalls 1889 gegründet, hatte 1896 900 Mitglieder.
6.Société de Saint-Martinin Roubaix mit 840 Mitgliedern.
7.Syndicat professionnel de patrons et ouvriers de l'Industrie Fourmisiennein Fourmies.
Alle diese Syndikate sind nach demselben Muster eingerichtet und haben im wesentlichen die gleichen Wohlfahrtsanstalten.
ImHandwerkscheinen die Vorbedingungen für die gemeinschaftliche Organisation günstiger zu liegen, als in der Großindustrie; stehen sich doch Meister und Gesellen nach ihrer Lebenslage und den geschäftlichen Beziehungen wesentlich näher. Auf der andern Seite ist hier das Mißtrauen der Meister untereinander ein erhebliches Hindernis.
Auch auf diesem Gebiete ist es der Katholizismus, insbesondere die schon erwähnte unter dem NamenOeuvre des cercles catholiques d'ouvriersbestehende Organisation gewesen, von der die Bildung dersyndicats mixtesausgegangen ist. Naturgemäß mußte die Form der Organisation eine andere sein, als in der Großindustrie, denn die Schaffung einesconseil d'atelier, entsprechenddemconseil d'usine, ist hier schon deshalb ausgeschlossen, weil der Meister mit den wenigen Gesellen, die er beschäftigt, sich ohne Zwischeninstanz verständigen kann. Ebenso haben Wahlen für denconseil syndicalkeinen Wert, sondern Meister, Gehülfen und Lehrlinge bilden ohne Vermittelung das Syndikat, dessen Leitung einfach einigen Meistern übertragen ist, ähnlich den alten Zünften, an deren Traditionen überhaupt diesyndicats mixtessich stark anlehnen.
Auch die Art der Thätigkeit ist dementsprechend. Im Vordergrunde steht die technische Ausbildung durch Unterricht und Prämierung, insbesondere die Erziehung und die Fürsorge für die Lehrlinge. Daneben stehen gewerbliche Ausstellungen und Einrichtung gemeinschaftlicher Verkaufshallen, ebenso auch gemeinsame Beschaffung des Rohmaterials. Vielfach hat man Darlehens- und Sparkassen, sowie Unterstützung in Krankheitsfällen. Den Arbeitslosen gewährt man Hülfe zunächst durch Arbeitsnachweis und, soweit dies erfolglos ist, auch durch Geld, ja in Gewerben, in denen die Arbeitslosigkeit Monate dauert, hat man besondere Einrichtungen zur Beschäftigung getroffen. Z. B. haben die Maurer in Blois einen Steinbruch gepachtet, in dem sie im Winter arbeiten. Auf die fertigen, aber noch nicht verkauften Steine werden von einer nach dem System Raiffeisen eingerichteten Kasse Vorschüsse gewährt. Endlich hat man zur gütlichen Beilegung oder Entscheidung von Streitigkeiten Schiedsgerichte, die meist unter dem Vorsitze einer angesehenen, unbeteiligten Person in Thätigkeit treten. Man betreibt auch nicht allein praktische Dinge, sondern hat häufig Einrichtungen zum Studium der sozialen Fragen (cercles d'études sociales) getroffen.
Uebrigens hat sich neben densyndicats mixtesim engeren Sinne, die eine völlige Verschmelzung von Arbeitern und Arbeitgebern bedeuten und von der katholischen Partei unterstützt werden, in neuester Zeit noch eine andere Form entwickelt, die gewöhnlich als »christliche Syndikate»bezeichnet werden, weil sie von der christlichen-demokratischen Partei ausgehen. Sie setzen die Organisation der Arbeiter und der Arbeitgeber in selbständigen Vereinen voraus, schaffen aber zwischen den letzteren ein festes Band durch einen ständigen Ausschuß, dessen Befugnisse nach den Verhältnissen mehr oder weniger weitgehende sind. Man hat deshalb diese Art der gemeinsamen Organisation auch wohlsyndicats parallèlesgenannt. Auch sie sind vorzugsweise im Norden von Frankreich vertreten.
Im allgemeinen handelt es sich bei allen diesen gemischten Syndikaten um kleine Gruppen, doch giebt es auch größere. So umfaßt diecorporation Saint-Antoineder Tischler in Paris,Faubourg Saint-Antoine, 3000 Meister mit 7000 Gehülfen. Das Schneidersyndikat in Paris hat 1043 Mitglieder.Das Webersyndikat in Lyon vereinigt 1460 Meister und 3500–4000 Gesellen.
Das Gesamtergebnis der Bewegung zu Gunsten dersyndicats mixtesist hiernach auf industriellem Gebiete ein recht bescheidenes. Wenn die Zahl derselben für das Kleingewerbe auf etwa 250 angegeben wird[315], so steht das nicht im Einklang mit den offiziellen Ziffern desannuaire, die oben[316]mitgeteilt sind.
Mit eigentlich gewerkschaftlichen Aufgaben im engeren Sinne, also insbesondere Regelung der Löhne und der Arbeitszeit, haben sie sich bisher nur ganz vereinzelt beschäftigt, und ihre Verteidiger, die ihnen nachrühmen, daß sie sehr segensreich in der Richtung einer Abschwächung der Gegensätze gewirkt haben, glauben eine Thätigkeit in dem gedachten Sinne nur erwarten zu können, wenn die Gesetzgebung den Syndikaten einen Zwangskarakter verleihte.
Weit günstiger ist die äußere Entwickelung dersyndicats agricoles, die ebenfalls überwiegend aus Arbeitgebern und Arbeitern zusammengesetzt sind. In der That ist in der Landwirtschaft der Gegensatz beider Klassen weniger stark, und bisher ist es im wesentlichen gelungen, deren Interessen zu vereinigen. Die Organisation begann von entgegengesetzten Punkten: an einigen Orten nahm man den Ausgang von kleinen örtlichen Vereinen, anderwärts gründete man sofort Organisationen für ganze Departements oder Provinzen. Schließlich aber gelang es, eine strenge Gliederung nach Gemeinden, größeren Bezirken und ganzen Departements durchzuführen, und endlich hat man in der unter dem Einflusse der französischen Landwirtschaftsgesellschaft ins Leben gerufenenUnion centrale des syndicats agricoleseinen Zentralverband für ganz Frankreich geschaffen. Seit 1894 wird auch jährlich ein allgemeiner Kongreß abgehalten. Die Gesamtzahl dersyndicats agricoleswird in demannuairefür 1897 auf 1371 mit 438596 Mitgliedern angegeben[317], doch sind dabei häufig die bei der Gründung angemeldeten Zahlen zu Grunde gelegt, und es wird deshalb der wahre Bestand auf 800000 Mitglieder geschätzt. Diese setzen sich aus allen Kreisen der landwirtschaftlichen Bevölkerung zusammen, insbesondere gehören dazu sowohl Großgrundbesitzer und Großbauern, wie kleine Besitzer, Gärtner, Weinbauer, Pächter, Angestellte und Arbeiter. In einigen Syndikaten bestehen auch besondere Gruppen, während die meisten hiervon absehen.
Die Aufgaben, welche sich die Syndikate neben dem allgemeinen Zwecke der Vertretung der landwirtschaftlichen Interessen im einzelnen gestellt haben,sind in den Statuten meist wörtlich gleichlautend bezeichnet und zwar in folgender Weise:
1. Durchführung gesetzlicher Reformen sowie aller sonstigen Mittel, insbesondere zur Ermäßigung der Lasten des Grundbesitzes, der Eisenbahntarife, der Zölle und Steuern, Standgelder u. s. w.
2. Schaffung von Kassen für Kulturen, Dünger, Maschinen und Geräte, sowie anderer Mittel zur Erleichterung der Arbeit, Ermäßigung der Bestellungskosten und Erhöhung der Produktion.
3. Verbreitung landwirtschaftlicher und gewerblicher Kenntnisse durch Unterrichtskurse, Versammlungen, Broschüren und Bibliotheken.
4. Begünstigung wirtschaftlicher Einrichtungen wie landwirtschaftlicher Kreditgenossenschaften, Verkaufsgenossenschaften, Unterstützungskassen, Versicherung gegen Schäden, Auskunfterteilung durch Angebot und Nachfrage hinsichtlich der Produkte, des Düngers, des Viehes, des Saatgutes, der Maschinen und der Arbeit.
5. Vermittelung der genannten Geschäfte zum Vorteile der Mitglieder.
6. Ueberwachung der Lieferungen, die von oder an Mitglieder erfolgen, um Betrügereien vorzubeugen.
7. Auskunfterteilung über alles, was die Landwirtschaft betrifft, sowie Abgabe von Gutachten und Schiedssprüchen in Streitfällen.
Daneben beschäftigen sich einige Syndikate auch mit Beleihung von Waren.
Die Aufzählung dieser Aufgaben ergiebt, daß die Syndikate bis jetzt überwiegend die Interessen der landwirtschaftlichen Besitzer gefördert haben. Allerdings haben einige derselben auch Kranken- und Unterstützungskassen eingerichtet, aber im allgemeinen ist die soziale Thätigkeit stark zurückgetreten. Die Folge ist gewesen, daß sich schon mehrfach besondere landwirtschaftliche Arbeitersyndikate gebildet haben, deren am 1. Juli 1894 65 bei der Zentralstelle angemeldet waren. Von den Führern der Bewegung ist auch schon nachdrücklich auf die Gefahr hingewiesen, die hieraus densyndicats agricolesdrohe, indem die Interessen der Arbeiter und der Besitzer auseinanderfielen und der Schwerpunkt in die Vertretung des Großgrundbesitzes verlegt werde. Auf den Kongressen der letzten Jahre ist deshalb die Mehrheit darüber einig gewesen, daß es eine falsche Richtung sei, wenn die Thätigkeit der Syndikate anstatt einer sozialen vielmehr eine vorwiegend geschäftliche werde, und man hat als Hauptmittel, um dem entgegenzuwirken, die möglichste Begrenzung auf dieselbe Gemeinde bezeichnet. Immerhin bleibt es zweifelhaft, ob sich diese Entwickelung wird aufhalten lassen. —
Außer densyndicats mixtesundagricolesgiebt es übrigens in Frankreich auch noch andere gemeinsame Organisationen von Arbeitern und Unternehmern. Es haben nämlich in einigen Fällen die beiderseitigen Syndikate gemeinsame Ausschüsse eingesetzt, denen die Regelung gewisser gemeinsamer Angelegenheiten übertragen ist.
Schon vor dem Gesetze vom 24. März 1884 bestand eine sog. chambre mixte unter den Arbeitern und Arbeitgebern der Buntpapierindustrie in Paris. Diese von beiden Organisationen gewählte Behörde hatte neben der Regelung des Lohntarifs auch die Fragen des Lehrlingswesens und der Fachschulen zu behandeln. Sie hat die Herabsetzung der Arbeitszeit auf 10 Stunden und gewisse gesundheitliche Maßregeln, wie die Ausschließung des Schweinfurter Grüns, durchgeführt.
In der Webereiindustrie vonCholetbesteht schon längere Zeit ein Ausschuß zur schiedsgerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten, dessen Befugnisse aber seit dem 29. Oktober 1892 erheblich erweitert sind. Er besteht aus 6 Unternehmern und 6 Arbeitern, die aber auf eigenartige Weise gewählt werden. Es werden nämlich von den Unternehmern 20 und von jeder der beiden bestehenden Webergewerkschaften 10 Wahlmänner bestimmt, die als einheitlicher Wahlkörper die 12 Ausschußmitglieder wählen, und zwar muß jeder Gewählte mindestens ¾ der Stimmen erhalten. So fühlt sich jedes Ausschußmitglied als Vertrauensmann beider Teile und hat demgemäß auch größere Autorität. Im Jahre 1894 haben auch die Arbeiter- und Unternehmer-Syndikatsverbände der Friseure in Paris eine gemischte Kammer mit schiedsgerichtlichen Befugnissen gebildet.
Am weitesten ist, wie in Deutschland so auch in Frankreich, die gemeinsame Organisation unter den Buchdruckern vorgeschritten. Bei der Feier der 300 jährigen Einführung der Buchdruckerkunst in Marseille 1895 beschlossen die beiden gleichzeitig dort tagenden Kongresse der Prinzipale und der Gehülfen, die Einsetzung eines aus je 9 Vertretern beider Gruppen bestehenden Ausschusses für ganz Frankreich, der jährlich einmal zusammentritt. Daneben bestehen noch gemeinsame örtliche Kommissionen.
Am 26. November 1893 wurde von dem Kongreß der Bergarbeiter im DepartementNordundPas de Calaisbeschlossen, dem Verbande der Bergwerksbesitzer den Vorschlag eines gemeinsamen Schiedsgerichts und Einigungsamtes zu machen. Diese haben aber den Vorschlag abgelehnt.
Eine in hohem Grade interessante Erscheinung ist die in der Ueberschrift bezeichnete in England versuchte Zusammenfassung von Unternehmern und Arbeitern, deren Plan von dem FabrikantenEdward J. Smithin Birmingham ausgeht, und die bisher insbesondere in der Umgegend dieser Stadt Boden gefaßt hat. Die Grundgedanken, von denen er ausgeht sind folgende[319]:
1. Alle übertriebene Konkurrenz im Gewerbe ist für Unternehmer und Arbeiter in gleichem Maße verderblich.
2. Das mit ihr verbundene Unterbieten im Preise ist meist ganz unnötig, da der einheimische Konsument es nicht verlangt und die auswärtige Konkurrenz es nicht erfordert.
3. Selbst wenn die letztere bedrohlich wird, kann sie viel leichter und wirksamer durch ein gemeinsames Zusammenwirken von Unternehmern und Arbeitern bekämpft werden, als durch einseitiges Vorgehen, dem die Beschränktheit der Mittel und die Schwierigkeit der Konkurrenz entgegensteht.
4. Diese ungesunde Konkurrenz kann nur die vereinigte Thätigkeit der Fabrikanten bekämpfen.
5. Aber dieses Vorgehen der Fabrikanten ist erfolglos ohne Kontrolle über diejenigen, die ungeachtet aller von ihnen abgegebenen Versprechungen nur dann ehrenhaft gegenüber ihren Konkurrenten handeln, wenn sie dazu gezwungen sind.
6. Wie die Arbeiter früher unter dem profitlosen Geschäft gelitten haben, so sind sie fortan berechtigt, einen billigen Anteil von dem erfolgreichen Geschäfte zu fordern.
7. Angemessene Preise und Löhne können durch Zusammenwirken von Unternehmern und Arbeitern nur dann erzielt werden, wenn beide Teile das gewerkschaftliche Prinzip anerkennen und sich gegenseitig zu dessen erfolgreicher Durchführung Beistand leisten, in der Weise, daß schließlich die Unternehmer nur gewerkschaftlich organisierte Arbeiter beschäftigen und die Arbeiter nur bei gewerkschaftlich organisierten Unternehmern arbeiten.
8. Die Gewerkschaften können auf beiden Seiten nur dann nützlichwirken, wenn sie von vernünftigen Auffassungen ausgehen, sonst sind sie oft gefährlich und verderblich. Nutzen kann das Gewerkschaftswesen nur haben, wo gegenseitiges Vertrauen herrscht und Unternehmer und Arbeiter gemeinsam handeln.
E. J.Smithlehnte sich an die in manchen Gewerben vorhandenen Lohneinigungsämter (Wages boards), die aber bis dahin eine sehr lose Organisation hatten. Im Jahre 1890 begründete er in seinem eigenen Gewerbe, der Fabrikation metallener Bettstellen, einetrade alliance[320]und fand bald Nachfolge in verschiedenen verwandten Gewerben, wie der Fabrikation von Sprungfedern, Messingdraht, gewalzten Röhren, Kaminvorlagen, porzellanenem Hausgerät, Thonwaren, Backsteinen, Jutewaren, galvanisierten Hohlwaren u. s. w. Anfangs pflegte man sehr detaillierte Statuten auszuarbeiten, nachdem man sich aber überzeugt hatte, daß der Schwerpunkt in dem organisierten beiderseitigen Interesse liegt, hat man sich auf wesentlich einfachere Bestimmungen beschränkt. Als Typus dieser neueren Statuten kann derjenige eines 1897 abgeschlossenen Verbandes der Fahrradröhrenfabrikanten gelten, aus dem folgende Vorschriften hervorzuheben sind.
1. Die Prinzipien deralliancesind, für gerechte und billige Verkaufspreise und für die Regelung der Löhne auf Grund solcher Verkaufspreise durch Prämien oder einen Wandeltarif zu sorgen.
2. Die Arbeiter versprechen, nur für solche Fabrikanten zu arbeiten, die entweder Mitglieder des Unternehmervereins sind oder auf Grund eines besonderen Abkommens mit ihnen zusammengehen.
3. Die Unternehmer verpflichten sich, nur Gewerkschaftsmitglieder anzustellen und von allen Arbeitern über 18 Jahre den Beitritt zur Gewerkschaft zu fordern.
4. Die Unternehmer verpflichten sich, den Mitgliedern der Gewerkschaft vom 1. Nov. 1897 auf die derzeitigen Stücklöhne eine Prämie von 10% zu zahlen.
5. Diese Prämie soll keinem Arbeiter gezahlt werden, der nicht seine Mitgliedskarte vorzeigt oder vier Wochen mit seinem Beitrage an die Gewerkschaft im Rückstande ist.
6. Diese Prämie soll als Mindestprämie gelten, die sich nach einem gegebenen Tarif erhöht, sobald die Unternehmer einen gewissen höheren Verdienst haben.
Diealliancehat also nicht allein nicht den Zweck, die Gewerkvereine zu bekämpfen, sondern sie setzt sie umgekehrt auf beiden Seiten voraus, sie betont vielmehr als Ziel die Erhöhung der Verkaufspreise und will dieselben durch Zusammenwirken der organisierten Unternehmer und Arbeiter erreichen. Diebisherigen Erfahrungen sind außerordentlich günstig; insbesondere die Unternehmer, die anfangs von Zuziehung der Arbeiter nichts wissen wollten, haben, nachdem mehrfach reine Unternehmervereine gescheitert waren, den Vorteil des neuen Systems eingesehen. Die Grundlage bilden überall die bisherigen Löhne, aber es ist vorgesorgt, daß mit steigenden Preisen auch die Löhne steigen und diese Preise werden berechnet nach den Herstellungskosten unter Zuschlag eines angemessenen Verdienstes. Ueber alle diese Fragen entscheidet ein Lohnkomitee, das aus Vertretern der beiderseitigen Organisationen gebildet ist. Gegen dessen Entscheidung kann der Spruch eines Schiedsgerichts angerufen werden, doch ist dieses Mittel bisher noch nicht angewandt, obgleich schon mehrere hunderte von Fällen entschieden sind. Bis zur endgültigen Entscheidung darf kein Teil das Arbeitsverhältnis aufheben; dafür hat die Entscheidung rückwirkende Kraft. Daneben haben beide Teile ihre gesonderte Organisation; die Sekretäre derselben sind von selbst zugleich Sekretäre deralliance. Uebrigens soll kein Streitfall vor den Verband gebracht werden, dessen Beilegung nicht vorher in den betreffenden Geschäften versucht ist. Entlassung wegen Trunkenheit, Unredlichkeit oder rohen Auftretens werden nicht als Beschwerdegründe anerkannt.
Es ist interessant die Gründe zu lesen, mit denenSmithdie Einräumung so weitgehender Rechte an die Arbeitergewerkschaften vom Standpunkte des Unternehmers verteidigt. „Rein geschäftlich betrachtet“ sagt er, „können die Arbeiter einen Dienst leisten, nämlich sie können den Zerfall des Unternehmerverbandes verhindern, d. h. sie können für die Unternehmer etwas thun, was diese niemals selbst für sich thun können. Die Geschichte lehrt dies deutlich. Es giebt kein sonstiges Mittel, die Unternehmer dauernd und wirksam zusammenzuhalten; jede Abmachung ist nutzlos. Das einzige Mittel ist die Hülfe der Arbeiter. Sie können jedem Verbande absolute Herrschaft verschaffen und jeden Unternehmer zwingen, ihm beizutreten, wie sie ihn verhindern, wieder auszutreten. Dieser Dienst ist das gebrachte Opfer wert.“
Aber wieSmithunter den Unternehmern schon hunderte von Anhängern gefunden hat so äußern sich auch die Vertreter der Arbeitergewerkschaften, die sich auf die Sache eingelassen haben, durchweg anerkennend. So ist z. B. die Gewerkschaft der Messingarbeiter (National Amalgamated Society of Brassworkers) seit ihrem Anschlusse von 4800 (1895) und 6000 (1896) auf 11000 (1897) Mitglieder gestiegen.
Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die Verhältnisse in England infolge des Freihandelssystems abweichend von denen der meisten andern Länder liegen. Die bisherigen Versuche der Kartellbildung haben sich meist als erfolglos erwiesen, und der Grund hierfür wird darin zu suchen sein, daß die Vorbedingung eines geschlossenen Marktes, wie ihn der Schutzzoll gewährt, fehlt,es also insbesondere auch nicht möglich ist, die durch höhere Inlandpreise erzielten Vorteile zur Stellung niedriger Auslandpreise zu benutzen. Aber auch unter der Herrschaft des Schutzzolles bleibt doch der Grundgedanke der gemeinsamen Organisation berechtigt, daß die Vorbedingung eines Erfolges der Kartellbildung, nämlich der Zwang zum Anschlusse für alle Betriebe, auf keinem Wege so wirksam geboten werden kann, wie durch Mithilfe der Arbeiter, indem diese sich weigern, in nichtkartellierten Betrieben zu arbeiten. Wenn diese Hülfe durch Gewährung entsprechender Gegenleistungen bezahlt wird, so bleiben beide Teile durchaus im Rahmen geschäftlicher Erwägungen und ihres berechtigten Sonderinteresses, auf dem allein eine Einrichtung des praktischen Lebens beruhen kann.
Die Ansicht, daß es im Interesse der gegenseitigen Annäherung und des sozialen Friedens zwischen Arbeitern und Arbeitgebern liege, sie in gemeinsamen Organisationen zu vereinigen, ist schon seit langer Zeit in weiten Kreisen vertreten. Es ist deshalb begreiflich, daß man ihr auch bereits seitens der Gesetzgebung Rechnung getragen hat, und zwar nicht nur insofern, als man solchen Vereinigungen, soweit sie sich freiwillig bildeten, die gesetzliche Unterlage bot, sondern auch in der Weise, daß man sie auf dem Wege des staatlichen Zwanges ins Leben rief. Insbesondere ist dies geschehen in Deutschland und in Oesterreich.
Die zur Zeit bestehenden Zwangsorganisationen dieser Art lassen sich im wesentlichen auf zwei Gruppen zurückführen, nämlich einerseits diejenigen, die mit der gesetzlichenArbeiterversicherungzusammenhängen, und andrerseits diejenigen, welche auf derGewerbeordnungberuhen.
Die staatlicheSozialversicherunghat von Anfang an den richtigen Gedanken zu Grunde gelegt, daß eine Einrichtung, die das Interesse der Arbeiterklasse verfolge, auch deren Mitarbeit erfordere, und so hat man denn in den deutschen Versicherungsgesetzen überall den Arbeitern das Recht einer Mitwirkung eingeräumt, das sich natürlich verschieden gestalten mußte nach dem Verhältnisse, in welchem die einzelnen Arten der Versicherung deren Lasten zwischen Arbeitern und Arbeitgebern verteilen.
Bei derKrankenversicherungwerden die Beiträge zu 2/3 von den Arbeitern und zu 1/3 von den Arbeitgebern getragen. Es ist deshalb sachgemäß, daß auch im Vorstande und in der Generalversammlung der Krankenkassen beide Teile nach diesem Verhältnisse vertreten sind. Das Gesetz schreibt dies vor.
DieUnfallversicherunggeschieht ausschließlich auf Kosten der Unternehmer, und demgemäß bilden sie allein die Berufsgenossenschaften. Aber es giebt doch für die Heranziehung der Arbeiter zu der Verwaltung außer ihrer Beteiligung an der Aufbringung der Mittel noch andere Gesichtspunkte, und so hat man ihnen auch innerhalb der Unfallversicherung eine Mitwirkung eingeräumt. Die Notwendigkeit hierfür tritt am schärfsten hervor bei denSchiedsgerichten, denn will man diese nicht aus unbeteiligten Personen zusammensetzen, sondern die Arbeitgeber zu ihrer Bildung herbeiziehen, so muß man offenbar auch die Arbeiter, und zwar im gleichen Verhältnisse, beteiligen; das folgt aus dem Begriffe des Gerichtes als einer beiden Teilen gleiche Rechte gewährenden Einrichtung. Aber auch bei derUnfallverhütungglaubte man die Mitwirkung der Arbeiter nicht entbehren zu können, wenn auch nicht aus einem prinzipiellen, sondern aus dem praktischen Grunde, daß die Arbeiter über die Mittel, wie am besten den Betriebsgefahren vorzubeugen ist, naturgemäß ein sachverständiges Urteil besitzen, und weil außerdem die von den eigenen Vertretern angeordneten Sicherungsmaßregeln mehr Aussicht haben, auch thatsächlich Befolgung zu finden. Diesen Erwägungen entspricht die Vorschrift des Gesetzes, daß zum Zwecke der Wahl von Beisitzern zum Schiedsgerichte und von Mitgliedern des Reichsversicherungsamtes, sowie zur Begutachtung der zur Verhütung von Unfällen zu erlassenden Vorschriften für jede Berufsgenossenschaft bezw. Sektion ebensoviele Vertreter der Arbeiter gewählt werden, wie dem Vorstande Arbeitgeber angehören. Die Arbeitervertreter sind bei den betreffenden Verhandlungen des Vorstandes zuzuziehen und haben bei denselben gleiches Stimmrecht. Die Verhandlung ist deshalb eine völlig gemeinsame. Da die Ergebnisse nicht maßgebende Beschlüsse, sondern nur Gutachten sind, so ist die Gefahr, daß sich bei Abstimmungen Stimmengleichheit ergiebt, ohne Bedeutung. Bei den Schiedsgerichten und im Reichsversicherungsamte ist die Entscheidung durch den Vorsitzenden bezw. die übrigen Mitglieder gegeben.
Bei derInvaliditäts- undAltersversicherungwird die Last von Arbeitern, Arbeitgebern und dem Reiche gemeinsam getragen, dem entsprechend sind auch alle drei Faktoren an der Verwaltung beteiligt. Die Mitglieder des Vorstandes sind zunächst staatliche bezw. kommunale Beamte, aber sowohl der Ausschuß wie der Aufsichtsrat wird aus Vertretern der Arbeiter und Arbeitgeber in gleicher Zahl gebildet; die Einrichtung des Aufsichtsrates ist freilich an sich freiwillig, sie muß aber geschehen, sobald dem Vorstande Arbeitgeber und Versicherte nicht angehören. Die Verhandlung in allen diesen Behörden ist eine gemeinsame. Endlich werden Vertrauensmänner aus beiden Kreisen als örtliche Organe bestellt. Auch hier giebt es Schiedsgerichte, deren Beisitzervon den Vorständen der Krankenkassen, und zwar von den beiden in ihnen vertretenen Gruppen im getrennten Verfahren gewählt werden.
Die zunächst für die gedachten Versicherungen geschaffene Einrichtung der Schiedsgerichte ist dann durch das Gesetz über dieGewerbegerichteweiter entwickelt. Auch hier wirken Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeiter, die in geheimer und unmittelbarer Wahl von allen Beteiligten in getrenntem Verfahren gewählt werden, unter einem staatlichen Vorsitzenden zusammen. Das Gewerbegericht kann zugleich als Einigungsamt thätig werden und hat dann die Befugnis, auch einen Schiedsspruch abzugeben, doch kann der Vorsitzende, falls bei der Abstimmung beide Gruppen sich geschlossen gegenüberstehen, sich seiner Stimme enthalten und feststellen, daß ein Schiedsspruch nicht zustande gekommen ist.
Die Kranken- und Unfallversicherung ist auch inOesterreicheingeführt und durchaus nach dem deutschen Muster gestaltet, nur giebt es keine Berufsgenossenschaften, vielmehr sind deren Aufgaben territorial gegliederten Anstalten übertragen. Ebenso entspricht das am 1. Juli 1898 in Kraft getretene österreichische Gesetz über die Gewerbeschiedsgerichte dem deutschen Vorbilde. Eine Invaliditäts- und Altersversicherung besteht noch nicht.
Auch bei der Ordnung dergewerblichen Verhältnisseist ein Zusammenwirken von Arbeitern und Arbeitgebern vorgesehen. Die deutsche Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 war den aus früherer Zeit überlieferten Organisationen nicht günstig gesinnt. Man ließ sie freilich bestehen, indem man nur einigen Mißbräuchen entgegentrat, aber man suchte ihren Einfluß möglichst einzuschränken. Auch die neuen Innungen, deren Bildung im Gesetze vorgesehen ist, sind sehr knapp in acht Paragraphen behandelt; als ihr Zweck ist lediglich bezeichnet „die Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen“. Eine gemeinsame Thätigkeit von Arbeitern und Arbeitgebern ist allerdings insofern ins Auge gefaßt, als die zur Entscheidung von Streitigkeiten der selbstständigen Gewerbetreibenden mit ihren Gesellen, Gehülfen oder Lehrlingen zu bildenden Schiedsgerichte, deren Errichtung den Ortsstatuten überlassen ist, unter gleichmäßiger Zuziehung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern geschehen soll, doch war die Errichtung solcher Schiedsgerichte der Regelung durch Ortsstatut überlassen und ist deshalb nur ganz vereinzelt erfolgt.
Die späteren Aenderungen der Gewerbeordnung hatten neben der Verbesserung des Arbeiterschutzes hauptsächlich die Förderung desInnungswesenszum Gegenstande, und in diesem Rahmen hat man auch den Arbeitern eine gewisse Berücksichtigung zu teil werden lassen. DieAufgabenderInnungensind oben[321]aufgezählt. Von denselben interessiert uns hier insbesondere„die Förderung des gedeihlichen Verhältnisses zwischen Meistern und Gesellen, sowie die Fürsorge für das Herbergswesen und den Arbeitsnachweis“ und die Befugnis zur Einrichtung von Kassen zur Unterstützung der Mitglieder, ihrer Angehörigen, Gesellen, Lehrlinge und Arbeiter in Fällen der Krankheit, des Todes, der Arbeitsunfähigkeit und sonstiger Bedürftigkeit, sowie zur Begründung von Schiedsgerichten. Hinsichtlich der Innungskrankenkassen ist den Statuten die Befugnis eingeräumt, entweder die Einrichtung des Krankenversicherungsgesetzes beizubehalten oder die Verwaltung ausschließlich den Arbeitnehmern zu überlassen oder endlich unter der Voraussetzung, daß die Innungsmitglieder die Hälfte der Beiträge aus eigenen Mitteln bestreiten, die Bestellung des Vorsitzenden und die Wahl der Hälfte der Vorstandsmitglieder und der Generalversammlung der Innung zu übertragen.
Mitglieder der Innung sind nur die Meister, dagegen ist den Gesellen eine Teilnahme an den Aufgaben und der Verwaltung der Innung durch denGesellenausschußeingeräumt. Allerdings sind dessen Befugnisse recht gering. Er ist zu beteiligen „bei der Regelung des Lehrlingswesens und bei der Gesellenprüfung, sowie bei der Begründung und Verwaltung aller Einrichtungen, für welche die Gesellen Beiträge entrichten oder eine besondere Mühwaltung übernehmen, oder welche zu ihrer Unterstützung bestimmt sind.“ „Die nähere Regelung dieser Beteiligung hat durch das Statut mit der Maßgabe zu erfolgen, daß 1. bei der Beratung und Beschlußfassung des Innungvorstandes mindestens ein Mitglied des Gesellenausschusses mit vollem Stimmrechte zuzulassen ist, 2. bei der Beratung und Beschlußfassung der Innungsversammlung seine sämtlichen Mitglieder mit vollem Stimmrechte zuzulassen sind, 3. bei der Verwaltung von Einrichtungen, für welche die Gesellen Aufwendungen zu machen haben, abgesehen von der Person des Vorsitzenden, Gesellen, welche vom Gesellenausschusse gewählt werden, in gleicher Zahl zu beteiligen sind, wie die Innungsmitglieder.“ Die Ausführung von Beschlüssen der Innungsversammlung in Angelegenheiten, für welche die Beteiligung des Gesellenausschusses vorgeschrieben ist, darf nur mit dessen Zustimmung erfolgen; doch kann diese durch die Aufsichtsbehörde ergänzt werden.
Hiernach hat also nicht etwa der Gesellenausschuß nur ein Recht der Genehmigung, über dessen Ausübung er für sich allein beriete, sondern in den Verhandlungen des Innungsvorstandes und der Innungsversammlung, in denen diese Angelegenheiten zur Erörterung gelangen, müssen Gesellen zugezogen werden; die Verhandlung ist deshalb eine gemeinsame. Dasselbe gilt von der Verwaltung der bezüglichen Einrichtungen, die von den Meistern und den Gesellen gemeinsam geleitet wird.
Auch für die Handwerkskammern sind Gesellenausschüsse vorgeschrieben, die mitzuwirken haben 1. bei Regelung des Lehrlingswesens, 2. bei Gutachten und Berichten über Angelegenheiten, welche die Verhältnisse der Gesellen und Lehrlinge berühren, 3. bei der Entscheidung über Beanstandung von Beschlüssen der Prüfungsausschüsse. In dem Falle unter 2 ist der Gesellenausschuß berechtigt, ein besonderes Gutachten oder einen besonderen Bericht zu erstatten, in den übrigen Fällen ist die Thätigkeit eine gemeinsame.
Für die Innungsausschüsse und die Innungsverbände ist eine Beteiligung der Gesellen nicht vorgesehen[322]; ebensowenig ist den verschiedenen Gesellenausschüssen gestattet, miteinander in Verbindung zu treten, dies würde vielmehr gegen die Vereinsgesetze der meisten Länder verstoßen.
Ueber dieösterreichischenZwangsgenossenschaften ist oben[323]bereits das Wichtigste mitgeteilt[324]. Die Hülfspersonen sind nicht Mitglieder, sondern nur Angehörige der Genossenschaft. Doch ist ihnen hinsichtlich der ihre Interessen berührenden Aufgaben eine Teilnahme an der Verwaltung eingeräumt. Nicht allein haben sie zu der Genossenschaftsversammlung Delegierte mit beratender Stimme zu entsenden, sondern statutarisch kann ihnen auch in dem Genossenschaftsausschusse eine Vertretung eingeräumt werden. Hinsichtlich der bei jeder Genossenschaft zu bildenden Krankenkasse haben sie das Recht, in den Vorstand, den Ueberwachungsausschuß und die Generalversammlung Vertreter zu wählen, die sogar ein den Beiträgen der Gesellen entsprechendes Uebergewicht (⅔ : ⅓) haben. Endlich besteht ein schiedsgerichtlicher Ausschuß, der von beiden Teilen im gleichen Verhältnisse besetzt wird.
Aber man ist in Oesterreich weiter gegangen, als in Deutschland, indem man den Gesellen in der „Gehülfenversammlung“, d. h. der Versammlung sämtlicher Gehülfen der in einer Genossenschaft vereinigten Gewerbetreibenden mit einem der Bestätigung durch die Behörde bedürfenden Obmann ein eigenes Organ gegeben hat. Die Aufgaben der Gehülfenversammlung sind: 1. die Wahrnehmung und Erörterung der Interessen der zu der Genossenschaft gehörigen Gehülfen, soweit diese Interessen den Zwecken der Genossenschaft nicht widerstreiten; 2. die Wahl der Mitglieder des schiedsgerichtlichen Ausschusses, des Vorstandes, des Ueberwachungsausschusses und der Delegierten der Generalversammlung der Krankenkasse aus dem Stande der Gewerbegehülfen; 3. dieWahl der Vertreter aus dem Stande der Gewerbegehülfen zur Genossenschaftsversammlung, sowie des Obmannes und der Mitglieder des Gehülfenausschusses. Dagegen darf die Gehülfenversammlung weder obligatorische Beiträge erheben, noch freiwillige Gaben annehmen, auch darf sie nur auf Aufforderung des Genossenschaftsvorstandes zusammentreten.
Die bisherige Entwickelung der Verhältnisse hat bewiesen, daß die Gesellen besser als die Meister verstanden haben, sich die neue Einrichtung nutzbar zu machen. Während unter den Meistern sich ein gewisser Gegensatz zwischen Großen und Kleinen geltend macht, wobei die letzteren infolge ihrer Mehrheit die Leitung an sich gerissen haben, sind die Arbeiter umgekehrt bemüht gewesen, ihre tüchtigsten Kräfte an die maßgebenden Stellen zu bringen, haben sie auch dadurch von den Meistern unabhängig gemacht, daß sie ihnen die besoldeten Stellen in den Krankenkassen übertragen haben, und so hat sich der Gehülfenausschuß zu einem wertvollen Organe für die Vertretung der allgemeinen Berufsinteressen der Arbeiter entwickelt.
Die Einrichtung der obligatorischen Berufsorganisation wird von österreichischen Sozialpolitikern durchaus günstig beurteilt[325]. Es ist deshalb begreiflich, daß der Versuch unternommen ist, sie auch für die Großindustrie durchzuführen. Schon am 5. Oktober 1886 hatte die deutsche Linke im Abgeordnetenhause einen Antrag über Errichtung und Organisation von Arbeiterkammern eingebracht, und durch Antrag vom 19. April 1890 hatte sie den Gedanken in der Form eines Gesetzentwurfes über Einrichtung von Einigungsämtern, in welchen die Schaffung von Arbeiterausschüssen vorgesehen war, wieder aufgenommen, aber beides ohne Erfolg. Während hier ausschließlich die Organisation der Arbeiter beabsichtigt war, indem man sie den bereits bestehenden Kartellen der Unternehmer, deren Reform man ins Auge faßte, gegenüberstellen wollte, schlug der Entwurf, betr. Einführung von Einrichtungen zur Förderung des Einvernehmens zwischen den Gewerbsunternehmern und ihren Arbeitern, den die Regierung am 17. Juni 1891 dem Abgeordnetenhause vorlegte, den Weg einer beiderseitigen Organisation ein.
Der Schwerpunkt lag allerdings auch hier in denArbeiterausschüssen, die in allen fabrikmäßigen Gewerbeunternehmungen gebildet werden sollten, und zwar durch Wahl seitens aller Arbeiter, die mindestens 21 Jahre alt und seit einem Jahre in dem betreffenden Unternehmen beschäftigt sind.
Ueber den Wirkungskreis war folgendes bestimmt:
„Die Aufgabe der Arbeiterausschüsse besteht zunächst darin, dem Gewerbsunternehmer oder dessen von ihm bestimmten Organen die Wünsche undBeschwerden der Arbeiterschaft oder eines Teiles derselben in Beziehung auf den Lohnvertrag oder die sonstigen Arbeitsbedingungen vorzutragen, sowie die Beilegung von in dieser Hinsicht vorhandenen Meinungsverschiedenheiten anzubahnen. Ueberhaupt haben die Arbeiterausschüsse zur Erhaltung des guten Einvernehmens zwischen den Gewerbsunternehmern und deren Organen einerseits und den Arbeitern andererseits durch angemessene Einwirkung beizutragen.“
Mit Zustimmung des Unternehmers können den Ausschüssen auch noch andere Aufgaben übertragen werden, insbesondere die Mitwirkung bei der Verwaltung der bestehenden Wohlfahrtseinrichtungen und bei Ueberwachung der Befolgung der Arbeitsordnung und der für die Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter erlassenen Vorschriften. Es kann ferner bestimmt werden, daß der Arbeiterausschuß vor Verhängung von Konventionalstrafen um sein Gutachten zu befragen ist.
Aber der Entwurf beschränkte sich nicht hierauf, sondern gab der Regierung das Recht, in einzelnen Städten und Industriebezirken, in welchen eine größere Anzahl gleicher oder verwandter Gewerbe fabrikmäßig betrieben wird, die Zusammenfassung derselben ingenossenschaftliche Organisationen(Berufsgenossenschaften) anzuordnen. Diese sollte erfolgen durch Errichtung von je zwei Genossenschaften, nämlich einerseits der sämtlichen in der Organisation einbezogenen Unternehmer und andererseits der sämtlichen Hülfsarbeiter dieser Unternehmer.
Ueber den Zweck dieser Organisation bestimmte § 14 des Entwurfes: „Die Errichtung jeder der beiden Genossenschaften hat den Zweck, den Mitgliedern derselben Gelegenheit zu bieten, im Rahmen der bestehenden Gesetze ihre wirtschaftlichen Interessen, soweit sie mit dem Gegenstände ihrer gewerblichen Thätigkeit in Zusammenhang stehen, zu erörtern, einschlägige Wünsche und Beschwerden in Beratung zu ziehen und hierbei über ihre Haltung zu den in den betreffenden Fragen von der anderen Genossenschaft gefaßten Beschlüssen sich zu entscheiden. Beide Genossenschaften sind verpflichtet, über Aufforderung der Behörden, sowie der Handels- und Gewerbekammern Gutachten zu erstatten; sie sind oder auch berechtigt, im Rahmen ihres gesetzlichen Wirkungskreises aus eigener Initiative mit Anträgen hervorzutreten“.
Die Genossenschaftsversammlung der Unternehmer besteht aus sämtlichen Mitgliedern, die der Arbeiter aus Vertretern; die letzteren wählen die Arbeiterausschüsse. Die Geschäftsführung liegt in der Hand der „Vorstehung“, d. h. des Ausschusses und eines der Bestätigung seitens der Behörde bedürfenden Vorstehers. Der letztere hat ein Disziplinarstrafrecht gegen die Mitglieder.
In dem letzten Abschnitte des Entwurfes war die Schaffung vonEinigungsämternvorgesehen, die für gleiche oder verwandte Berufe errichtet werden sollten.Dabei war für Großindustrie und Kleingewerbe insofern eine verschiedene Organisation vorgeschlagen, als die Arbeitervertreter bei der erstern von den Mitgliedern der Genossenschaftsversammlung, bei der letztern von der Gehülfenversammlung zu wählen waren, während die Vertreter der Unternehmer aus allgemeinen Wahlen der letzteren hervorgehen sollten.
Zur Ueberwachung wird bei jeder Genossenschaft ein staatlicher Kommissar bestellt. Auch kann die Auflösung der Genossenschaft seitens des Ministers erfolgen, sobald sie ihren gesetzlichen oder statutenmäßigen Wirkungskreis überschreitet, gesetzwidrige Beschlüsse faßt oder „überhaupt den Bedingungen ihres rechtlichen Bestandes nicht mehr entspricht“.
Der Entwurf wollte eine Lösung der sozialen Frage durch staatliche Organisation im großen Stile unternehmen, insbesondere war in der Begründung ausdrücklich hervorgehoben, daß die Arbeitergenossenschaften befugt sein sollten, auch allgemeine Fachfragen in den Bereich ihrer Erörterung zu ziehen und dadurch zur Wahrung der berechtigten Interessen und zur Verbesserung der Gesamtlage der Genossenschaftsmitglieder beizutragen. Mit Recht bezeichnete die Begründung gegenüber dieser Organisation der Arbeiter die korporative Vereinigung der Unternehmer als notwendiges Korrelat. Es ist lebhaft zu bedauern, daß die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses zu keinem positiven Ergebnisse führten und die Regierung den durch den Entwurf beschrittenen Weg später nicht weiter verfolgt hat.
Fußnoten:[291]Das benutzte Material ist mir von dem „Tarifamte der deutschen Buchdrucker“ zur Verfügung gestellt; insbesondere hat dessen Sekretär in dankenswerter Weise sich der Aufgabe unterzogen, die bisherige Entwicklung, die zur Gründung der jetzigen Tarifgemeinschaft geführt hat, in einer kleinen Arbeit zusammenzustellen, die ich meiner Darstellung im wesentlichen zu Grunde gelegt habe.[292]Vgl. oben S.258.[293]Vgl. oben S.587.[294]Vgl. S.268ff.[295]Abgedruckt in der „Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker“ am 6., 8. und 12. Oktober 1898 und in dem „Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer“ von denselben Tagen.[296]Bei der folgenden Darstellung ist in erster Linie die Arbeit vonAlfred Swaine, Die Arbeits- und Wirtschaftsverhältnisse der Einzelsticker in der Nordostschweiz und Vorarlberg, Straßburg, Trübner 1895, benutzt, in der die frühere Litteratur angegeben ist. Vgl. außerdem Handwörterbuch der Staatsw., Artikel: „Arbeiterschutzgesetzgebung“, „Gewerbe“ und „Hausindustrie“, sowieSchmoller, Jahrb. XVIII, S. 1251 ff.[297]Die Gesamtzahl der Maschinen betrug in den drei Kantonen St. Gallen, Appenzell und Thurgau 1865: 770; 1872: 6384; 1876: 9942; 1880: 14770; 1884 über 20000; 1890: 21660. Man zählt in ganz Europa 29000 Maschinen, von denen 4500 auf Sachsen entfallen, während 3000 sich auf Böhmen, Frankreich, Italien und Rußland verteilen. Vgl. „Die Industrie“ Nr. 1 vom 7. Mai 1887.[298]1872 zählte man nur 7 % „Einzelsticker“, d. h. Hausindustrielle, die mit 1–2 Maschinen arbeiten; 1876: 10%, 1880: 39,5%. 1890 fanden von 19923 Maschinen in der Schweiz (also außer Vorarlberg) 12033 im Hausbetriebe und nur 1890 in Fabriken Verwendung.[299]Man bezeichnet die Abhängigkeit von einem Kaufmanne, ohne Unterschied, ob die Gegenpartei ein Fabrikant oder ein Einzelsticker ist, als „Lohnstickerei“. Wie sehr diese überwiegt, beweist, daß der Prozentsatz der in der Lohnstickerei verwandten Maschinen zu der Gesamtzahl 1872: 56, 1876: 60, 1880: 70 und 1890 sogar 91,5 betrug. Innerhalb der Fabriken allein betrug das Verhältnis 1872: 53,5%, 1890: 77,55%. Zählt man die Fabrikanten, die zwar regelmäßig „auf eigene Muster sticken“, zuweilen aber auch „auf Stich arbeiten“, den Lohnstickern hinzu, so steigert sich die Ziffer sogar auf 94,5%.[300]Es betrugen:die Einnahmendie Ausgabendas Vermögen der Kasse188977436Frs.76096Frs.136826Frs.189052766„53593„135998„189199261„64538„170722„189252681„84590„110292„[301]Der Anschaffungspreis beträgt etwa 1700 Frs.[302]Nach der „Industrie“ Nr. 1 vom 7. Mai 1887 hatten die Minimallöhne eine Erhöhung des Jahreslohnes um 6000000 Frs. zur Folge.[303]Das Material verdanke ich dem früheren Vorsitzenden, RechtsanwaltKirbach, und dem jetzigen, FabrikantRichard Mühlmannin Plauen i. V.[304]Vgl.Berghoff-Ising: Die sozialistische Arbeiterbewegung in der Schweiz, S. 255 ff.[305]Die nachfolgende Darstellung beruht wesentlich auf den Angaben des mit den Verhältnissen durch eigene Erfahrung und eingehende Studien genau bekannten PastorsZeißin Schwalenberg i. Lippe, dem ich für seine Unterstützung hier meinen wärmsten Dank sage, sowie den die Zieglerbewegung betreffenden Veröffentlichungen.[306]Das benutzte Material verdanke ich überwiegend den Mitteilungen des LandratsDönhoffin Solingen. Eine litterarische Behandlung desselben bietet der Aufsatz: „Arbeiterorganisationen und Vergleichskammern in der Solinger Industrie“ im Jahrgang II, Nr. 8 der Zeitschrift der Zentralstelle für Wohlfahrtseinrichtungen vom 15. April 1895. Eine Darstellung der interessanten Entwickelung der Solinger Industrie, der einige der folgenden Angaben entnommen sind, bietet das Buch vonAlphons Thun: „Die Hausindustrie am Niederrhein“.Für die sozialpolitische Würdigung der Verhältnisse ist es von Bedeutung, daß es bei der letzten Reichstagswahl zu dem einzig dastehenden Ereignisse einer doppelten sozialdemokratischen Kandidatur gekommen ist, indem gegenüber dem ParteikandidatenScheidemannder frühere AbgeordneteSchumacheraufgestellt wurde, dessen Anhänger dann bei der Stichwahl für den liberalen KandidatenSabinstimmten. Im Gegensatz hierzu haben die offiziellen Sozialdemokraten bei der letzten Stadtverordnetenwahl die Wahl vonSchumacherdadurch vereitelt, daß sie in der Stichwahl für den bürgerlichen Kandidaten eintraten. Spielen dabei auch persönliche Reibereien eine Rolle, so ist doch von Bedeutung, daßSchumacherder gemäßigten Richtung angehört, die insbesondere die Politik aus den Gewerkschaften fern gehalten wissen will.[307]Eine Darstellung der hier geschilderten Verhältnisse und Thatsachen findet sich im Heft 2 der Zeitschrift „Gemeinwohl“, Jahrgang 1890, S. 58 ff. Daneben hat mir Herr LandratKönigsin Lennep wertvolles Material zur Verfügung gestellt.[308]Es wird erwähnt, daß die Löhne 1,80 Mk. bis 2,40 betrugen, daß aber hiervon noch häufig Abzüge stattfänden.[309]Vgl. oben S.669.[310]Vorsitzender ist der Landrat, Stellvertretender der Bürgermeister.[311]Das benutzte Material ist mir von dem Vorsitzenden des Fabrikantenvereins, Herrn Ad.Widmeyerund dem Schriftführer des Bandwirkervereins, HerrnSebulon Monhof, beide in Ronsdorf, zur Verfügung gestellt.[312]Die nachfolgende Darstellung beruht wesentlich auf dem Buche vonBoissardLe syndicat mixte, Paris 1897,Rousseau et Guillaumin.[313]Vgl. oben S.63ff. und S.619ff.[314]Die Zahlen sind dem Buche vonBoissardentnommen, stehen aber nicht im Einklang mit den oben angegebenen derannuaires.[315]VonBoissarta. a. O. S. 141.[316]Vgl. S.83.[317]Vgl. hinsichtlich der genaueren Ziffer oben S.83.[318]Eine eingehende Darstellung seines Systems giebt E. J.Smithin seinem Buche:The New Trades Combination Movement, Birmingham 1895. Eine kurze Uebersicht bietet Ed.Bernsteinin einem Aufsatze: „Neue Formen gewerblicher Verbindung in England“ in der „Neuen Zeit“ Oktoberheft 1898. Auch S. und B.Webbin ihrem Buche: Theorie und Praxis der englischen Gewerkvereine (Uebersetzung), Stuttgart, Dietz, Bd. II, S. 115 ff. behandeln das Thema.[319]Nach einem Aufsatze von E. J.Smithin demDaily Chroniclevom 6. Januar 1898.[320]Deren Statut ist beiWebba. a. O. mitgeteilt.[321]Vgl. S.650.[322]Der frühere Entwurf (Reichsanzeiger vom 3. August 1896) hatte wenigstens für den „Handwerksausschuß“ die Bildung von Gesellenausschüssen vorgeschrieben.[323]Vgl. S.609ff.[324]Die folgende Darstellung stützt sich hauptsächlich auf den Aufsatz vonSchwiedland: „Die Einführung obligatorischer Arbeiterausschüsse in Oesterreich“ in Schmoller, Jahrb. 1891, S. 1241 ff.[325]Vgl.Schwiedlanda. a. D. S. 1259, Anm. 1.
Fußnoten:
[291]Das benutzte Material ist mir von dem „Tarifamte der deutschen Buchdrucker“ zur Verfügung gestellt; insbesondere hat dessen Sekretär in dankenswerter Weise sich der Aufgabe unterzogen, die bisherige Entwicklung, die zur Gründung der jetzigen Tarifgemeinschaft geführt hat, in einer kleinen Arbeit zusammenzustellen, die ich meiner Darstellung im wesentlichen zu Grunde gelegt habe.
[291]Das benutzte Material ist mir von dem „Tarifamte der deutschen Buchdrucker“ zur Verfügung gestellt; insbesondere hat dessen Sekretär in dankenswerter Weise sich der Aufgabe unterzogen, die bisherige Entwicklung, die zur Gründung der jetzigen Tarifgemeinschaft geführt hat, in einer kleinen Arbeit zusammenzustellen, die ich meiner Darstellung im wesentlichen zu Grunde gelegt habe.
[292]Vgl. oben S.258.
[292]Vgl. oben S.258.
[293]Vgl. oben S.587.
[293]Vgl. oben S.587.
[294]Vgl. S.268ff.
[294]Vgl. S.268ff.
[295]Abgedruckt in der „Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker“ am 6., 8. und 12. Oktober 1898 und in dem „Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer“ von denselben Tagen.
[295]Abgedruckt in der „Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker“ am 6., 8. und 12. Oktober 1898 und in dem „Korrespondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer“ von denselben Tagen.
[296]Bei der folgenden Darstellung ist in erster Linie die Arbeit vonAlfred Swaine, Die Arbeits- und Wirtschaftsverhältnisse der Einzelsticker in der Nordostschweiz und Vorarlberg, Straßburg, Trübner 1895, benutzt, in der die frühere Litteratur angegeben ist. Vgl. außerdem Handwörterbuch der Staatsw., Artikel: „Arbeiterschutzgesetzgebung“, „Gewerbe“ und „Hausindustrie“, sowieSchmoller, Jahrb. XVIII, S. 1251 ff.
[296]Bei der folgenden Darstellung ist in erster Linie die Arbeit vonAlfred Swaine, Die Arbeits- und Wirtschaftsverhältnisse der Einzelsticker in der Nordostschweiz und Vorarlberg, Straßburg, Trübner 1895, benutzt, in der die frühere Litteratur angegeben ist. Vgl. außerdem Handwörterbuch der Staatsw., Artikel: „Arbeiterschutzgesetzgebung“, „Gewerbe“ und „Hausindustrie“, sowieSchmoller, Jahrb. XVIII, S. 1251 ff.
[297]Die Gesamtzahl der Maschinen betrug in den drei Kantonen St. Gallen, Appenzell und Thurgau 1865: 770; 1872: 6384; 1876: 9942; 1880: 14770; 1884 über 20000; 1890: 21660. Man zählt in ganz Europa 29000 Maschinen, von denen 4500 auf Sachsen entfallen, während 3000 sich auf Böhmen, Frankreich, Italien und Rußland verteilen. Vgl. „Die Industrie“ Nr. 1 vom 7. Mai 1887.
[297]Die Gesamtzahl der Maschinen betrug in den drei Kantonen St. Gallen, Appenzell und Thurgau 1865: 770; 1872: 6384; 1876: 9942; 1880: 14770; 1884 über 20000; 1890: 21660. Man zählt in ganz Europa 29000 Maschinen, von denen 4500 auf Sachsen entfallen, während 3000 sich auf Böhmen, Frankreich, Italien und Rußland verteilen. Vgl. „Die Industrie“ Nr. 1 vom 7. Mai 1887.
[298]1872 zählte man nur 7 % „Einzelsticker“, d. h. Hausindustrielle, die mit 1–2 Maschinen arbeiten; 1876: 10%, 1880: 39,5%. 1890 fanden von 19923 Maschinen in der Schweiz (also außer Vorarlberg) 12033 im Hausbetriebe und nur 1890 in Fabriken Verwendung.
[298]1872 zählte man nur 7 % „Einzelsticker“, d. h. Hausindustrielle, die mit 1–2 Maschinen arbeiten; 1876: 10%, 1880: 39,5%. 1890 fanden von 19923 Maschinen in der Schweiz (also außer Vorarlberg) 12033 im Hausbetriebe und nur 1890 in Fabriken Verwendung.
[299]Man bezeichnet die Abhängigkeit von einem Kaufmanne, ohne Unterschied, ob die Gegenpartei ein Fabrikant oder ein Einzelsticker ist, als „Lohnstickerei“. Wie sehr diese überwiegt, beweist, daß der Prozentsatz der in der Lohnstickerei verwandten Maschinen zu der Gesamtzahl 1872: 56, 1876: 60, 1880: 70 und 1890 sogar 91,5 betrug. Innerhalb der Fabriken allein betrug das Verhältnis 1872: 53,5%, 1890: 77,55%. Zählt man die Fabrikanten, die zwar regelmäßig „auf eigene Muster sticken“, zuweilen aber auch „auf Stich arbeiten“, den Lohnstickern hinzu, so steigert sich die Ziffer sogar auf 94,5%.
[299]Man bezeichnet die Abhängigkeit von einem Kaufmanne, ohne Unterschied, ob die Gegenpartei ein Fabrikant oder ein Einzelsticker ist, als „Lohnstickerei“. Wie sehr diese überwiegt, beweist, daß der Prozentsatz der in der Lohnstickerei verwandten Maschinen zu der Gesamtzahl 1872: 56, 1876: 60, 1880: 70 und 1890 sogar 91,5 betrug. Innerhalb der Fabriken allein betrug das Verhältnis 1872: 53,5%, 1890: 77,55%. Zählt man die Fabrikanten, die zwar regelmäßig „auf eigene Muster sticken“, zuweilen aber auch „auf Stich arbeiten“, den Lohnstickern hinzu, so steigert sich die Ziffer sogar auf 94,5%.
[300]Es betrugen:die Einnahmendie Ausgabendas Vermögen der Kasse188977436Frs.76096Frs.136826Frs.189052766„53593„135998„189199261„64538„170722„189252681„84590„110292„
[300]
[301]Der Anschaffungspreis beträgt etwa 1700 Frs.
[301]Der Anschaffungspreis beträgt etwa 1700 Frs.
[302]Nach der „Industrie“ Nr. 1 vom 7. Mai 1887 hatten die Minimallöhne eine Erhöhung des Jahreslohnes um 6000000 Frs. zur Folge.
[302]Nach der „Industrie“ Nr. 1 vom 7. Mai 1887 hatten die Minimallöhne eine Erhöhung des Jahreslohnes um 6000000 Frs. zur Folge.
[303]Das Material verdanke ich dem früheren Vorsitzenden, RechtsanwaltKirbach, und dem jetzigen, FabrikantRichard Mühlmannin Plauen i. V.
[303]Das Material verdanke ich dem früheren Vorsitzenden, RechtsanwaltKirbach, und dem jetzigen, FabrikantRichard Mühlmannin Plauen i. V.
[304]Vgl.Berghoff-Ising: Die sozialistische Arbeiterbewegung in der Schweiz, S. 255 ff.
[304]Vgl.Berghoff-Ising: Die sozialistische Arbeiterbewegung in der Schweiz, S. 255 ff.
[305]Die nachfolgende Darstellung beruht wesentlich auf den Angaben des mit den Verhältnissen durch eigene Erfahrung und eingehende Studien genau bekannten PastorsZeißin Schwalenberg i. Lippe, dem ich für seine Unterstützung hier meinen wärmsten Dank sage, sowie den die Zieglerbewegung betreffenden Veröffentlichungen.
[305]Die nachfolgende Darstellung beruht wesentlich auf den Angaben des mit den Verhältnissen durch eigene Erfahrung und eingehende Studien genau bekannten PastorsZeißin Schwalenberg i. Lippe, dem ich für seine Unterstützung hier meinen wärmsten Dank sage, sowie den die Zieglerbewegung betreffenden Veröffentlichungen.
[306]Das benutzte Material verdanke ich überwiegend den Mitteilungen des LandratsDönhoffin Solingen. Eine litterarische Behandlung desselben bietet der Aufsatz: „Arbeiterorganisationen und Vergleichskammern in der Solinger Industrie“ im Jahrgang II, Nr. 8 der Zeitschrift der Zentralstelle für Wohlfahrtseinrichtungen vom 15. April 1895. Eine Darstellung der interessanten Entwickelung der Solinger Industrie, der einige der folgenden Angaben entnommen sind, bietet das Buch vonAlphons Thun: „Die Hausindustrie am Niederrhein“.Für die sozialpolitische Würdigung der Verhältnisse ist es von Bedeutung, daß es bei der letzten Reichstagswahl zu dem einzig dastehenden Ereignisse einer doppelten sozialdemokratischen Kandidatur gekommen ist, indem gegenüber dem ParteikandidatenScheidemannder frühere AbgeordneteSchumacheraufgestellt wurde, dessen Anhänger dann bei der Stichwahl für den liberalen KandidatenSabinstimmten. Im Gegensatz hierzu haben die offiziellen Sozialdemokraten bei der letzten Stadtverordnetenwahl die Wahl vonSchumacherdadurch vereitelt, daß sie in der Stichwahl für den bürgerlichen Kandidaten eintraten. Spielen dabei auch persönliche Reibereien eine Rolle, so ist doch von Bedeutung, daßSchumacherder gemäßigten Richtung angehört, die insbesondere die Politik aus den Gewerkschaften fern gehalten wissen will.
[306]Das benutzte Material verdanke ich überwiegend den Mitteilungen des LandratsDönhoffin Solingen. Eine litterarische Behandlung desselben bietet der Aufsatz: „Arbeiterorganisationen und Vergleichskammern in der Solinger Industrie“ im Jahrgang II, Nr. 8 der Zeitschrift der Zentralstelle für Wohlfahrtseinrichtungen vom 15. April 1895. Eine Darstellung der interessanten Entwickelung der Solinger Industrie, der einige der folgenden Angaben entnommen sind, bietet das Buch vonAlphons Thun: „Die Hausindustrie am Niederrhein“.
Für die sozialpolitische Würdigung der Verhältnisse ist es von Bedeutung, daß es bei der letzten Reichstagswahl zu dem einzig dastehenden Ereignisse einer doppelten sozialdemokratischen Kandidatur gekommen ist, indem gegenüber dem ParteikandidatenScheidemannder frühere AbgeordneteSchumacheraufgestellt wurde, dessen Anhänger dann bei der Stichwahl für den liberalen KandidatenSabinstimmten. Im Gegensatz hierzu haben die offiziellen Sozialdemokraten bei der letzten Stadtverordnetenwahl die Wahl vonSchumacherdadurch vereitelt, daß sie in der Stichwahl für den bürgerlichen Kandidaten eintraten. Spielen dabei auch persönliche Reibereien eine Rolle, so ist doch von Bedeutung, daßSchumacherder gemäßigten Richtung angehört, die insbesondere die Politik aus den Gewerkschaften fern gehalten wissen will.
[307]Eine Darstellung der hier geschilderten Verhältnisse und Thatsachen findet sich im Heft 2 der Zeitschrift „Gemeinwohl“, Jahrgang 1890, S. 58 ff. Daneben hat mir Herr LandratKönigsin Lennep wertvolles Material zur Verfügung gestellt.
[307]Eine Darstellung der hier geschilderten Verhältnisse und Thatsachen findet sich im Heft 2 der Zeitschrift „Gemeinwohl“, Jahrgang 1890, S. 58 ff. Daneben hat mir Herr LandratKönigsin Lennep wertvolles Material zur Verfügung gestellt.
[308]Es wird erwähnt, daß die Löhne 1,80 Mk. bis 2,40 betrugen, daß aber hiervon noch häufig Abzüge stattfänden.
[308]Es wird erwähnt, daß die Löhne 1,80 Mk. bis 2,40 betrugen, daß aber hiervon noch häufig Abzüge stattfänden.
[309]Vgl. oben S.669.
[309]Vgl. oben S.669.
[310]Vorsitzender ist der Landrat, Stellvertretender der Bürgermeister.
[310]Vorsitzender ist der Landrat, Stellvertretender der Bürgermeister.
[311]Das benutzte Material ist mir von dem Vorsitzenden des Fabrikantenvereins, Herrn Ad.Widmeyerund dem Schriftführer des Bandwirkervereins, HerrnSebulon Monhof, beide in Ronsdorf, zur Verfügung gestellt.
[311]Das benutzte Material ist mir von dem Vorsitzenden des Fabrikantenvereins, Herrn Ad.Widmeyerund dem Schriftführer des Bandwirkervereins, HerrnSebulon Monhof, beide in Ronsdorf, zur Verfügung gestellt.
[312]Die nachfolgende Darstellung beruht wesentlich auf dem Buche vonBoissardLe syndicat mixte, Paris 1897,Rousseau et Guillaumin.
[312]Die nachfolgende Darstellung beruht wesentlich auf dem Buche vonBoissardLe syndicat mixte, Paris 1897,Rousseau et Guillaumin.
[313]Vgl. oben S.63ff. und S.619ff.
[313]Vgl. oben S.63ff. und S.619ff.
[314]Die Zahlen sind dem Buche vonBoissardentnommen, stehen aber nicht im Einklang mit den oben angegebenen derannuaires.
[314]Die Zahlen sind dem Buche vonBoissardentnommen, stehen aber nicht im Einklang mit den oben angegebenen derannuaires.
[315]VonBoissarta. a. O. S. 141.
[315]VonBoissarta. a. O. S. 141.
[316]Vgl. S.83.
[316]Vgl. S.83.
[317]Vgl. hinsichtlich der genaueren Ziffer oben S.83.
[317]Vgl. hinsichtlich der genaueren Ziffer oben S.83.
[318]Eine eingehende Darstellung seines Systems giebt E. J.Smithin seinem Buche:The New Trades Combination Movement, Birmingham 1895. Eine kurze Uebersicht bietet Ed.Bernsteinin einem Aufsatze: „Neue Formen gewerblicher Verbindung in England“ in der „Neuen Zeit“ Oktoberheft 1898. Auch S. und B.Webbin ihrem Buche: Theorie und Praxis der englischen Gewerkvereine (Uebersetzung), Stuttgart, Dietz, Bd. II, S. 115 ff. behandeln das Thema.
[318]Eine eingehende Darstellung seines Systems giebt E. J.Smithin seinem Buche:The New Trades Combination Movement, Birmingham 1895. Eine kurze Uebersicht bietet Ed.Bernsteinin einem Aufsatze: „Neue Formen gewerblicher Verbindung in England“ in der „Neuen Zeit“ Oktoberheft 1898. Auch S. und B.Webbin ihrem Buche: Theorie und Praxis der englischen Gewerkvereine (Uebersetzung), Stuttgart, Dietz, Bd. II, S. 115 ff. behandeln das Thema.
[319]Nach einem Aufsatze von E. J.Smithin demDaily Chroniclevom 6. Januar 1898.
[319]Nach einem Aufsatze von E. J.Smithin demDaily Chroniclevom 6. Januar 1898.
[320]Deren Statut ist beiWebba. a. O. mitgeteilt.
[320]Deren Statut ist beiWebba. a. O. mitgeteilt.
[321]Vgl. S.650.
[321]Vgl. S.650.
[322]Der frühere Entwurf (Reichsanzeiger vom 3. August 1896) hatte wenigstens für den „Handwerksausschuß“ die Bildung von Gesellenausschüssen vorgeschrieben.
[322]Der frühere Entwurf (Reichsanzeiger vom 3. August 1896) hatte wenigstens für den „Handwerksausschuß“ die Bildung von Gesellenausschüssen vorgeschrieben.
[323]Vgl. S.609ff.
[323]Vgl. S.609ff.
[324]Die folgende Darstellung stützt sich hauptsächlich auf den Aufsatz vonSchwiedland: „Die Einführung obligatorischer Arbeiterausschüsse in Oesterreich“ in Schmoller, Jahrb. 1891, S. 1241 ff.
[324]Die folgende Darstellung stützt sich hauptsächlich auf den Aufsatz vonSchwiedland: „Die Einführung obligatorischer Arbeiterausschüsse in Oesterreich“ in Schmoller, Jahrb. 1891, S. 1241 ff.
[325]Vgl.Schwiedlanda. a. D. S. 1259, Anm. 1.
[325]Vgl.Schwiedlanda. a. D. S. 1259, Anm. 1.
InEnglandist der oben (S.619) erwähnte, seitens der Regierung unternommene Versuch, organische Beziehungen zwischen den Verbänden der Arbeiter und der Arbeitgeber herzustellen, gescheitert. Wie erwähnt, war von dem HandelsministerRitchieder Plan eines ständigen Einigungsamtes ausgegangen. Nach demselben sollte in jedem Gewerbe ein dauerndes Amt dieser Art aus Vertretern der beiderseitigen Verbände bestehen, vor das jeder Streit gebracht werden mußte. Als zweite Instanz sollte ein aus allen Gewerbezweigen gebildetes Zentraleinigungsamt eintreten, bis zu dessen Spruche kein Streik und keine Aussperrung erklärt werden dürfe. Nachdem der Minister im Anfang Dezember 1898 dem parlamentarischen Ausschusse der Arbeiter diesen Plan unterbreitet hatte, antwortete dieser schon am 16. dess. Monats, daß er den Vorschlag mit Dank annehme und um Zusammenberufung einer gemeinsamen Konferenz mit den Vertretern der Unternehmer bitte, wiederholte auch diese Zustimmung, nachdem ihm am 13. Februar 1899 ein ausgearbeiteter Entwurf mitgeteilt war. Dagegen ließ das parlamentarische Komitee der Unternehmer[328]nachdem es anfangs geschienen hatte, als ob es ebenfalls eine zustimmende Haltung einnehmen wollte, dem Minister am 18. März 1899 folgende Erklärung zugehen: »Bei voller Würdigung und Sympathie für die Punkte in dem Schreiben desMinisters und bei allem Eifer, den für die nationale Wohlfahrt so notwendigen gewerblichen Frieden zu sichern, sieht der Parlamentarische Rat der Unternehmer gegenwärtig keinen gangbaren Weg zur Bildung einer vollständigen und befriedigenden Vertretung von Arbeitgebern und Arbeitern in einem Versöhnungsamte, wie es in dem angeführten Briefe vorgeschlagen wird.»
Am 19. Juli 1899 hat in London der erste Kongreß des neu geschaffenen Gewerkschaftsverbandes[329]stattgefunden, auf dem 44trade unionsmit insgesamt 310437 Mitgliedern durch 47 Abgesandte vertreten waren. Nach einem Berichte des Vorsitzenden des Parlamentarischen Komitees über die bisherige Entwickelung des Verbandes kam man überein, denselben als mit dem 1. Juli 1899 ins Leben getreten anzusehen, und wählte die Mitglieder des Vorstandes. Es wurde ins Auge gefaßt, die Jahresversammlungen stets an demselben Orte und in unmittelbarem Anschlusse an die trade unions-Kongresse abzuhalten.
Der vom 4.–9. September 1899 in Plymouth abgehaltene 32.Jahreskongreß dertrade unionswar von 386 Abgesandten als Vertretern von 147 Vereinen mit 1200000 Mitgliedern besucht Die Maschinenbauer, die sich einem Beschlusse des Parlamentarischen Komitees nicht gefügt hatten, waren von diesem für 2 Jahre von den Kongressen ausgeschlossen, was eine leidenschaftlich erregte Verhandlung hervorrief, doch würde schließlich ein diese Maßregel billigender Beschluß mit 2/3 Mehrheit angenommen. Auch sonst herrschte Streit und Hader, insbesondere beklagten sich die kleineren Vereine, daß sie durch das Stimmenübergewicht der größeren erdrückt würden. Die wichtigste Frage der Beratungen war die Stellung zu den Parlamentswahlen. Die radikale Richtung hatte, wie früher erwähnt, schon seit Jahren gefordert, daß man nicht Angehörige der beiden großen Parteien unterstützen, sondern eigene Arbeiterkandidaten aufstellen solle. Dieses Mal gelang es ihr mit knapper Mehrheit, ihre Ansicht durchzusetzen, indem das Parlamentarische Komitee beauftragt wurde, einen besonderen Kongreß der Genossenschaften,trade unionsund sozialistischen Vereine zu berufen, um Mittel und Wege für eine Verstärkung der Zahl der Arbeitervertreter im Parlament zu beraten. Auch hinsichtlich des Achtstundentages siegte die radikale Richtung, indem man ihn für alle Gewerbe forderte, obgleich insbesondere die Textilarbeiter darauf hinwiesen, daß ihr Gewerbe die damit verbundene indirekte Lohnerhöhung von 15% nicht ertragen könne. Der Kongreß beschäftigte sich eingehend mit der Wohnungsfrage, beklagte die bestehenden Wohnungsverhältnisse der Arbeiter und forderte die Gemeindebehörden auf, von den ihnen zustehenden Befugnissen besseren Gebrauch zu machen; auch sollen Mietgerichtshöfe eingesetzt und auf Einrichtung billiger Arbeiterzüge der Eisenbahnen hingewirkt werden. Das neue Haftpflichtgesetzwurde in mehrfacher Beziehung bemängelt und zu dem Entwurfe eines Alterspensionsgesetzes eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Hinsichtlich der Kinderarbeit wurde gegen die Stimmen der Textilarbeiter das völlige Verbot der Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren und der Nachtarbeit von Personen unter 18 Jahren gefordert. Die früheren Beschlüsse wegen vollständiger Sonntagsruhe und frühzeitigen Ladenschlusses wurden wiederholt, dagegen ein Antrag auf Einführung von Einigungsämtern mit Zwangsbefugnis mit großer Mehrheit abgelehnt. Endlich erklärte man sich gegen den Bimetallismus und den Krieg in Transvaal. Eine Anregung in dem Sinne, die Beziehungen zu den Arbeiterorganisationen des Auslandes zu stärken, fand wenig Beifall.
Die Berichte über den Kongreß stimmen in der Ansicht überein, daß derselbe keinen Höhepunkt in der Entwickelung der trade unions bedeutet. Der Grund ist zu Suchen teils darin, daß augenblicklich große Fragen von besonderer Bedeutung nicht zur Erörterung standen und deshalb innerer persönlicher Zwist Raum hatte, sich geltend zu machen, teils in dem allgemeinen Umstande, daß der augenblickliche Aufschwung der Industrie die Lage der Arbeiter günstiger gestaltet hat und manchen ihrer früheren Klagen den Boden entzieht.
InFrankreichist es in neuester Zeit den in das alte Parteitreiben am wenigsten Verwickelten Führern dersocialistes indépendants, insbesondereJaurèsundMillerand, gelungen, eine Verbindung unter den verschiedenen sozialistischen Gruppen herbeizuführen, dascomité d'entente socialiste, in welches jede der oben[331]aufgeführten 5 Gruppen (d. h. ausschließlich der Anarchisten) 7 Vertreter entsendet. Auch bei den im April 1898 stattgefundenen Parlamentswahlen, bei denen die Guesdisten 350000, die Blanquisten 32000, die Allemanisten 42000 und die Unabhängigen Sozialisten nebst den Broussisten[332]516000 Stimmen erhielten, gingen die 5 Gruppen zusammen, und endlich besteht im Parlamente eineUnion socialisteaus allen sozialistischen Abgeordneten.
Einen Stoß hat dieser Zusammenschluß dadurch erhalten, daß bei der im Juni 1899 vollzogenen Neubildung des Ministeriums Waldeck-RousseauMilleranddas Amt des Handelsministers übernahm. Dieser Schritt wurde in den sozialistischen Kreisen zum Teil scharf getadelt, zumal der GeneralGallifet, der „Mörder der Commune“, dem Ministerium als Kriegsminister angehört, undam 12. Juli 1899 veröffentlichten 21 sozialistische Abgeordnete, die überwiegend demparti ouvrierund demparti socialiste révolutionaireangehören, eine Erklärung, in der sie den SchrittMillerand's entschieden verurteilen und ihren Austritt aus derUnion socialisteerklären. Inzwischen ist es jedoch gelungen, eine Wiederannäherung herbeizuführen, und insbesondere haben sämtliche Gruppen sich geeinigt, im September 1899 einen gemeinsamen Kongreß in Paris abzuhalten zur Entscheidung der Frage, „ob der Klassenkampf, der die Grundlage des Sozialismus bildet, den Eintritt eines Sozialisten in eine Bourgeois-Regierung gestattet.“
InUngarnhat die Gewerkschaftsbewegung insofern einen Fortschritt zu verzeichnen, als am 21. Mai 1899 in Budapest ein Gewerkschaftskongreß abgehalten ist, an dem 66 Abgeordnete aus der Hauptstadt und 36 aus der Provinz teilgenommen haben. Nach dem erstatteten Berichte giebt es etwa 19000 organisierte industrielle Arbeiter, während die Zahl der organisierten Landarbeiter mehr als das Doppelte betragen soll. Es wurde beschlossen, die bestehenden Fachvereine zu Landesorganisationen umzugestalten, die hauptsächlich die Arbeitslosen- und Reiseunterstützung pflegen sollen. Die ferneren Beschlüsse des Kongresses forderten die Einführung des gesetzlichen Maximalarbeitstages von 10 Stunden und einer Sonntagsruhe von 36 Stunden, die gesetzliche Unfallversicherung und volle Koalitionsfreiheit, Gewerbegerichte und Ausdehnung der Gewerbeaufsicht auf das Kleingewerbe, sowie Teilnahme von Arbeitern an derselben. Der von der Regierung geplanten Zentral-Arbeitsvermittelung will man sich nicht feindlich gegenüberstellen, falls Arbeiter und Unternehmer gleiche Rechte erhalten. Zur Durchführung der Beschlüsse wurde ein Ausschuß aus 11 Mitgliedern eingesetzt, der zugleich die Streikbewegung zu überwachen, Widerstandskassen zu organisieren und die Schritte für Schaffung von Arbeitersekretariaten in die Hand zu nehmen hat, auch spätere Gewerkschaftskongresse einberufen soll.
InHollandhaben am 2. April 1899 sowohl derAlgemeen Nederlandsch Werklieden Verbondwie derSociaaldemocratische Bondihre Jahresversammlungen abgehalten.
DererstereVerband zählt jetzt 34 Vereine mit 3544 Mitgliedern und hat 3 Vertreter im Abgeordnetenhause. Man beschloß Eingaben an die Regierung zu Gunsten der Alters-, Invaliden- und Unfallversicherung, sowie des gewerblichenFachunterrichtes und der gesetzlichen Regelung der Arbeitszeit erwachsener Männer. Im ganzen scheint der Verband in den letzten Jahren keine erhebliche Thätigkeit entfaltet zu haben.
Dersozialdemokratische Bundumfaßt 55 Vereine mit 2500 Mitgliedern und zählt 3 Vertreter im Abgeordnetenhause. Man forderte progressive Einkommensteuer und Besteuerung des steigenden Bodenwertes in den Städten, Unfallversicherung, den gesetzlichen Maximalarbeitstag zunächst von 10 Stunden, sowie eine Sonntagsruhe von 36 Stunden und endlich das allgemeine Wahlrecht. Die übrigen Verhandlungen betrafen die Bekämpfung der Trunksucht, die hygienischen Einrichtungen, die Wohnungsfrage, den Schulunterricht, die Arbeitslosenversorgung, den Grundbesitz der Gemeinden und die Schaffung von Konsumgenossenschaften.
DerArbeitersekretariathat am 26./27. Februar 1899 in Utrecht seine fünfte Jahresversammlung abgehalten. An demselben sind jetzt folgende Verbände beteiligt: Möbelarbeiter, Maler, Zigarrenarbeiter, Metallarbeiter, Buchdrucker, Zimmerer, Steinhauer, Weber und Spinner, Maschinisten und Heizer, Landarbeiter, Handarbeiter, Schiffsarbeiter, Maurer, Bildhauer, Holzschuharbeiter, Stukkateure, Tapezierer, Former, Thon-, Topf- und Steingutarbeiter, Erd- und Baggerarbeiter, Korkschneider, Oelschläger, Zuckerbäcker, Chemische Arbeiter, Holzarbeiter, Damenschneider. Das Sekretariat umfaßt 40 Verbände und Vereine mit 12950 Mitgliedern, gegen 22 Verbände mit 15000 Mitgliedern 1894, 35 Verbände mit 18700 Mitgliedern 1895, 41 Verbände mit 17500 Mitgliedern 1896 und 44 Verbände mit 15000 Mitgliedern 1897. Im Jahre 1898 haben sich 3 Verbände aufgelöst, 3 andere haben sich von dem Sekretariate getrennt, weil sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen konnten. Während eine Unterstützung in Streikfällen bei Gründung des Sekretariates nicht beabsichtigt war, hat man 1896 eine solche mit freiwilligen Beiträgen eingeführt und später diese obligatorisch auf 5 Pf. wöchentlich festgesetzt. Es haben 16 Streiks stattgefunden, für die 14150 fl. Unterstützung gezahlt sind. Die regelmäßige Jahreseinnahme des Sekretariates beträgt 822 fl., die Ausgabe 742 fl., der Kassenbestand belief sich am 31. Dezember 1898 auf 3310 fl. Der Sitz des Sekretariates soll auch ferner in Amsterdam bleiben; der Sekretär wurde auf 5 Jahre gewählt und gegen feste Besoldung angestellt. Der Antrag auf Erhöhung der Beiträge wurde abgelehnt. Streiks sollen nur dann unterstützt werden, wenn sie 14 Tage vorher dem Sekretariate angezeigt sind, auch muß vor Niederlegung der Arbeit erst der Zentralvorstand der Organisation und das Sekretariat gehört werden.