Chapter 33

InDänemarkhat am 2. Juni 1899 der Metallarbeiterverband in Kopenhagen seinen 6. Jahreskongreß abgehalten, unter Beteiligung von 62 Abgeordneten, von denen 17 aus Kopenhagen, 45 aus der Provinz entsandt waren. Der Verband zählt 6356 Mitglieder = 85% aller gelernten Metallarbeiter, während er die ungelernten ausschließt. Das Verbandsvermögen betragt 194399 Kronen.

Auf dem Frankfurter Gewerkschaftskongresse machte der dänische Vertreter noch einige Angaben über die dortige Gewerkschaftsbewegung. Die Verhältnisse liegen in Dänemark insofern eigenartig, als von den 2½ Millionen Einwohnern des Landes 500000 in der Hauptstadt Kopenhagen vereinigt sind, so daß etwa die Hälfte der industriellen Bevölkerung dort zusammengedrängt ist. Den „Vereinigten Fachverbänden Dänemarks“ gehörten im Frühjahr 1899 38 Verbände und 27 Einzelvereine mit rund 70000 Mitgliedern an, darunter 20000 ungelernte Arbeiter und 6000 Frauen. Die Gesamtzahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter ist auf 75000–80000 zu veranschlagen. Außer dem Jahresbeitrage von 20 Oere für industrielle und 10 Oere für Landarbeiter und Frauen wird bei Streiks und Aussperrungen eine Sonderabgabe von wöchentlich bis zu 50 Oere erhoben. In den letzten Jahren haben sich in den verschiedenen Industrien zahlreiche Arbeitgebervereine gebildet, die sich im Frühjahr 1898 zu dem „Zentralverein der dänischen Arbeitgeber“ zusammengeschlossen haben, dessen Zweck ist, den Forderungen der Arbeiter Widerstand entgegenzusetzen, Streiks zu bekämpfen und entstehende Streitigkeiten durch Schiedsgerichte zu regeln. Sobald ein partieller Streik ausbricht, hat der Vorstand des Bundes das Recht, die Aussperrung aller Arbeiter nicht allein des beteiligten Gewerbes, sondern in sämtlichen Betrieben anzuordnen.

Weitgehendes Interesse auch außerhalb Dänemarks hat dieMassenaussperrung der organisierten Arbeiterseitens des Arbeitgeberbundes erregt. Der Streit begann zwischen den Tischlergesellen und ihren Meistern über Lohnfragen, indem die Meister am 2. Mai 1899 über sämtliche 3500 Gesellen die Sperre verhängten. Zugleich wandten sie sich an den Zentralverein der dänischen Arbeitgeber, und dieser erklärte am 24. Mai die Aussperrung aller Arbeiter in den Baugewerben und der Eisenindustrie in der Zahl von etwa 40000. Im August 1899 ist die Aussperrung noch auf fernere 10000 Arbeiter ausgedehnt, so daß sie etwa 2/3 aller dänischen organisierten Arbeiter umfaßte.

Der von den Arbeitgebern verfolgte Zweck ist nach den Zeitungsnachrichten die Vernichtung der Arbeiterorganisationen, während andere Beurteiler[336]dies bestreiten und den Arbeitern insofern einen Teil der Schuld beimessen, als sie sich unerträgliche Uebergriffe erlaubten. Die christlich-soziale Partei Dänemarks ist auf die Seite der Arbeiter getreten, ebenso haben die kleinen Gewerbetreibenden von Kopenhagen in einer großen Protestversammlung zu deren Gunsten Stellung genommen. Die dänische Regierung hat sich neutral gehalten, während die deutschen Behörden mehrfach (z. B. in Schleswig, Sachsen, Braunschweig) die von den Arbeitern zur Abhaltung von Versammlungen gesandten Redner ausgewiesen haben, offenbar von der Auffassung ausgehend, daß in einem Streite zwischen Arbeitern und Unternehmern, und mag er selbst im Auslande sich abspielen, die Stellung der deutschen Obrigkeit stets auf seiten der Unternehmer sein muß; man hofft dadurch den Staatsgedanken und das Nationalgefühl unter der deutschen Arbeiterschaft zu fördern.

Nachdem wiederholte Einigungsversuche gescheitert waren, ist endlich am 4. September 1899 eine Verständigung erzielt, in welcher die Arbeitgeber die meisten der von ihnen erhobenen Forderungen fallen gelassen haben, so daß die Arbeiter sich als die Sieger betrachten; jedenfalls ist die Absicht, die Arbeiterorganisation zu vernichten, falls sie bestanden haben sollte, gescheitert.

Am 7. September 1899 ist die Arbeit überall wieder aufgenommen. Es scheint, als ob auf den Entschluß des Arbeitgeberverbandes ein Wechsel im dänischen Ministerium, nämlich die Ersetzung des bisherigen Ministers des InnernBardenflethdurchBramsen, nicht ohne Einfluß gewesen ist. Der letztere, der auch bereits in dem Streite vermittelnd thätig gewesen war, ist ein hervorragender Nationalökonom, der u. a. auch 1890 Dänemark bei dem Berliner internationalen Arbeiterschutzkongresse vertreten hatte. Obgleich er der konservativen Partei angehört, genießt er großes Vertrauen in Arbeiterkreisen, so daß selbst das dänische sozialdemokratische Parteiorgan seine Ernennung mit Befriedigung begrüßt und an seine Thätigkeit große Hoffnungen knüpft.

Ueber die Gewerkschaften vonNordamerikaveröffentlicht dasBulletin of the department of Labor, das amtliche Organ des Arbeitsamtes in Washington, sehr eingehende Angaben[338], um den Nachweis zu liefern, daß die amerikanischen Gewerkschaften von Jahr zu Jahr mehr die Unterstützungspolitikin den Vordergrund ihrer Thätigkeit gestellt haben. Danach gab es 1880 nur 4 Vereine, die Unterstützungseinrichtungen besaßen, nämlich die Lokomotivheizer mit 2800, die Zimmerleute und Tischler mit 245, die Lokomotivführer mit 2203 und die Seemaschinisten mit 342, zusammen also mit 5590 Mitgliedern; sämtliche übrigen Organisationen zahlten nur Streikgeld. Die Folge war ein äußerst lebhafter Wechsel der Mitglieder und der starke Rückgang während der industriell ungünstigen Jahre 1893–1897. Dagegen haben 1897 31 Gewerkschaften mit 217351 Mitgliedern Angaben gemacht, nach welchen sie in den genannten Jahren 643906 Dollars an Unterstützungen gezahlt haben gegenüber 322509 Dollars, die sie in derselben Zeit für Streiks ausgegeben haben. Leider sind die amerikanischen Gewerkschaften in der Aeußerung über ihre Angelegenheiten sehr zurückhaltend, so daß die Vereine, die Berichte eingesandt hatten, mit ihren 217351 Mitgliedern nur etwa ¼ der gesamten organisierten Arbeiterschaft Nordamerikas darstellen.

Das Nähere aus den in dem bezeichneten Aufsatze mitgeteilten Thatsachen ergiebt sich aus der folgenden Tabelle:

(Siehe Tabelle auf Seite705).

Eine Gegenüberstellung dieser Ziffern mit denen der englischen und der deutschen Gewerkschaften ergiebt, daß im Jahre 1897 gezahlt wurden

Bei der Vergleichung der deutschen Gewerkschaften ist in Betracht zu ziehen, daß die Krankenunterstützung ihnen zum größten Teile durch die gesetzliche Krankenversicherung abgenommen ist, der gegenüber die Gewerkschaften sich auf bloße Zuschußkassen beschränken.

Die Generalkommission der Gewerkschaften veröffentlicht[340]die Statistik für 1898. Danach gab es Ende 1898 57 Zentralorganisationen mit 493742 Mitgliedern, unter denen sich 13481 weibliche befanden. Daneben gab es 17500 lokal organisierte Arbeiter, so daß sich eine Gesamtzahl von 511242 ergiebt. Der stärkste Verband waren die Metallarbeiter mit 74160 Mitgliedern, dann folgen die Maurer mit 60175, die Holzarbeiter mit 48589, die Textilarbeiter mit 27679, die Bergarbeiter mit 27300, die Buchdrucker mit 24020,

die Zimmerer mit 22101, die Schuhmacher mit 13727, die Hafenarbeiter mit 10037 und die Steinarbeiter mit 10000 Mitgliedern. Der Verband der Flößer, der sich aufgelöst hat, und die Xylographen, die sich in Lokalvereinen organisiert haben, sind aus den Verzeichnissen weggelassen, dagegen sind die Buchdruckereihülfsarbeiter, die Formenstecher und die Maschinisten und Heizer neu aufgenommen, von denen die ersteren beiden Verbände 1895, der letztere1893 gegründet wurden. Die Zahl der Zweigvereine ist 1898 von 6151 auf 6756 gestiegen. Die Zunahme der Lokalorganisation beruht nicht auf einer wirklichen Vermehrung, sondern auf veränderten Schätzungen, insbesondere waren 1897 über 7 Gewerbe, für die jetzt insgesamt 10070 Mitglieder angegeben sind, überhaupt keine Angaben gemacht. Nach dem Berichte giebt es außer den hier berücksichtigten Vereinen noch eine größere Anzahl von Gewerkschaften, die „nicht auf dem Boden der modernen Arbeiterbewegung stehen“ und entweder zu den christlichen Vereinen gehören oder in ihren Tendenzen ganz isoliert stehen. Als solche werden erwähnt: Bergarbeiter mit 35000, Bildhauer 120, Böttcher 200, Brauer 1800, Buchdrucker 1700, Buchdruckereihülfsarbeiter 25, Former 1000, Gärtner 5000, Gastwirtsgehülfen 3000, Gemeindebetriebsarbeiter 300, Konditoren 600, Maschinisten und Heizer 4200, Maurer 3800, Porzellanarbeiter 554, Schuhmacher 3500, Steinsetzer 140, Töpfer 150, Werftarbeiter 250, insgesamt 61339 Mitglieder.

Ueber Einnahmen und Ausgaben haben 1898 zum erstenmale alle Organisationen Angaben gemacht, allerdings nur hinsichtlich der Zentralkassen. Der Bericht giebt über die Jahre 1891–1898 folgende Tabelle.

Wie die Ausgaben sich für 1898 im einzelnen verteilen, zeigt folgende Tabelle. Es verausgabten für:

In 43 Organisationen verblieben den Zweigvereinen von der Einnahme insgesamt 723101 Mk. Aus diesem Betrage sind zunächst die lokalen Ausgaben gedeckt, doch werden vielfach aus den Beträgen, welche den Zweigvereinen verbleiben, Unterstützungen an Reisende und in Not geratene Mitglieder, oder auch Unterstützungen für Streiks gegeben. Nicht in allen Organisationen wird der Zentralstelle über solche gezahlte Unterstützungen berichtet, so daß die von den Gewerkschaften für Unterstützungszwecke aufgewandten Summen sich noch beträchtlich durch diese lokalen Ausgaben erhöhen. In vier Organisationen wird die Reiseunterstützung direkt von den Zweigvereinen respektive den einzelnen Orten aus deren Einnahmen für lokale Zwecke gedeckt.

Die Ausgabe für Streikunterstützung steht in den letzten Jahren, soweit ein einzelner Posten in Betracht kommt, an erster Stelle. Sie betrug für 1898: 1073290 Mk.; 1897: 881758 Mk.; 1896: 944345 Mk. Aber auch im Jahre 1898 ist die Ausgabe für direkt an die Mitglieder gezahlte Unterstützung bei Arbeitslosigkeit in Krankheits- und Notfällen wesentlich höher als die Ausgabe für Streiks.

Es wurden 1898 gezahlt: für Rechtsschutz 43378 Mk., für Gemaßregeltenunterstützung 39978 Mk., für Reiseunterstützung 283267 Mk., für Arbeitslosenunterstützung 275404 Mk., für Krankenunterstützung 491634 Mk. für Invalidenunterstützung 79587 Mk., für Beihülfe in Not- und Sterbefällen 78419 Mk. Hiernach beträgt die Gesamtsumme der Unterstützungen 1291667 Mk., denen 1073290 Mk. Streikunterstützung gegenüberstehen, doch muß der ersteren Summe noch die Ausgabe für das Verbandsorgan mit 518949 Mk. hinzugerechnet werden, so daß sie sich dann auf 1810616 Mk. beläuft und die Ausgabe für Streiks um 737326 Mk. übersteigt. Vervollständigt man hiernach die oben[342]gegebene Tabelle, so haben die Gewerkschaften in den letzten 8 Jahren aus den Verbandskassen 10574894 Mk. für die materielle und geistige Hebung ihrer Mitglieder, dagegen nur 4490077 Mk. für Streiks, mithin für die ersteren Zwecke 6064817 Mk. mehr als für den letzteren ausgegeben.

Derdeutsche Buchdruckerverbandhat vom 19.–24. Juni 1899 in Mainz seine dritte Generalversammlung abgehalten, die von 82 Vertretern besucht war; außerdem hatte der österreichische und der elsaß-lothringische Verein, sowie das internationale Sekretariat Abgesandte geschickt. Der von dem Vorsitzenden Döblin erstattete Bericht erwähnt die Gründung der Buchdruckergewerkschaft, der jedoch angeblich nur 300 Mitglieder angehören, sowie den Gutenbergbund, von dem behauptet wird, daß er gegründet sei, um den Unternehmern Heeresfolge zu leisten. Aber weder durch diese beiden Vereine, noch durch die von den Prinzipalen ins Leben gerufene Unterstützungskasse, der zur Zeit 4000 Mitglieder angehören, sei das Wachstum des Verbandes aufgehalten. In den 4 Jahren 1895–1898 sind seitens des Verbandes an Reiseunterstützung 501899 Mk., an Arbeitslosenunterstützung 499170 Mk., an Umzugskosten und Gemaßregeltenunterstützung 209678 Mk., an Krankengeld 137489 Mk., an Invalidenunterstützung 5381 Mk. (davon 3494 Mk. aus der Invalidenkasse, 1887 Mk. aus der Verbandskasse) und an Begräbnisgeld 79055 Mk. gezahlt. Trotzdem ist 1898 ein Ueberschuß von rund 500000 Mk. erzielt. Der Vorstand sah in der großen Anhäufung von Geld insofern eine Gefahr, als dadurch die Versuchung erhöht werde, sich bei Streitigkeiten mit den Prinzipalen zu fest auf die gefüllte Verbandskasse zu verlassen und glaubte vielmehr, den Ueberfluß zur Erhöhung der Verbandsleistungen verwenden zu sollen, um die Mitglieder desto fester an den Verband zu ketten. Er beantragte deshalb: 1. die Reiseunterstützung von 75 Pf. auf 1 Mk. (bei einer Wartezeit von 6 Wochen) bezw. 1 Mk. 25 Pf. (bei einer solchen von 50 Wochen), 2. die Arbeitslosenunterstützung von 1 Mk. 25 auf 1 Mk. 50 Pf., 3. die Invalidenunterstützung von 1 Mk. auf 1 Mk. 25 Pf., 4. das Begräbnisgeld auf 150 Mk. (bei 500 Wochenbeiträgen) bezw. 200 Mk. (bei 1000 Wochenbeiträgen) zu erhöhen. Umzugsgelder bis zur Höhe von 100 Mk. sollen auch bei freiwilligen Umzügen gezahlt werden. Außerdem soll der Preis für das Verbandsorgan von 1 Mk. auf 65 Pf. vierteljährlich herabgesetzt werden. Die Versammlung nahm diese Vorschläge an. Die Gehälter des Vorsitzenden, des Kassierers und des Redakteurs wurden von 2500 Mk., 2300 Mk. und 2200 Mk. auf 2900 Mk., 2600 Mk. und 2500 Mk. erhöht. Die Gesamtsumme dieser Mehrbelastungen beläuft sich auf jährlich 145000 Mk.

In einer Resolution gegen die Zuchthausvorlage wurde betont, daß auf dem Frankfurter Gewerkschaftskongresse die organisierten Arbeiter sich fast einstimmigfür friedliche Verständigung mit den Arbeitgebern durch Tarifvereinbarungen ausgesprochen hätten, daß aber die letzteren solche Vereinbarungen ablehnten und dadurch die wirtschaftlichen Kämpfe hervorriefen. Dabei stellte der Vorsitzende fest, daß die Ansicht der Generalversammlung dahin gehe, die Tarifvereinbarung mit den Prinzipalen, falls diese den Wünschen der Gehülfen nachkämen, nach Ablauf der gegenwärtigen Frist wieder zu erneuern. Die beantragte Einsetzung eines Verbandsausschusses als Kontrollkommission für den Vorstand wurde abgelehnt, ebenso die obligatorische Einführung des Verbandsorgans. Ein Antrag, mit dem Verbande der Buchdruckereihülfsarbeiter in ein näheres Verhältnis zu treten, um eine spätere vollständige Verschmelzung vorzubereiten, wurde abgelehnt und nur zur Unterstützung der „Solidarität“, des Organes der Hülfsarbeiter, 500 Mk. bewilligt.

Hinsichtlich des internationalen Buchdruckersekretariates, dem zur Zeit 19 Organisationen angeschlossen sind, kam es zu lebhaften Auseinandersetzungen, indem das Organ des schweizerischen Verbandes sich bei den Tarifstreitigkeiten auf die Seite der Opposition gestellt und aus diesem Grunde der deutsche Verband die Erneuerung des bestehenden Gegenseitigkeitsvertrages abgelehnt hatte. Die Generalversammlung stimmte einem abgeänderten Vertrage, der inzwischen schon von den Schweizern angenommen war, auch ihrerseits zu, sprach jedoch über die Haltung des schweizerischen Organes seinen Tadel aus.

Die Gewerkschaft der Buchdruckerhat am 6. August 1899 in Hannover ihren Kongreß abgehalten. Berichtet wurde, daß trotz des Rückganges der Preßfondsbeiträge die „Buchdruckerwacht“ in Zukunft gehalten werden könne. Die Zunahme der Mitglieder sei eine geringe; die Hoffnung, alle Tarifgemeinschaftsgegner in der Gewerkschaft zu vereinigen, habe sich nicht erfüllt, da die Anhänglichkeit der Buchdrucker an ihre Kassen zu groß sei. Aber nicht die Quantität, sondern die Dualität der Mitglieder bilde die Stärke einer Gewerkschaft. Ein Antrag, eine Einigung mit dem Verbande zu versuchen, wurde abgelehnt. Die Mitgliederzahl beträgt 226, der Kassenbestand 8357,91 Mk. Der nächste Kongreß soll in Kassel tagen.

Der Gewerkverein christlicher Berg-, Eisen- und Metallarbeiter für den Oberbergamtsbezirk Bonnhat am 9. Juli 1899 seine zweite Generalversammlung in Betzdorf abgehalten. Nach dem erstatteten Geschäftsberichte Zählt der Verein jetzt 7000 Mitglieder mit 79 Anmeldestellen; es sind nur 160 Austritte vorgekommen. Es wird hervorgehoben, daß der Verein seitens der Behörden wegen angeblicher sozialdemokratischer Tendenzen scharf beobachtetsei, daß aber die Mitglieder bei den vorgekommenen schwierigen Fragen große Ruhe, Mäßigung und Disziplin bewiesen hätten.

Zu dem am 21./22. Mai 1899 in Nürnberg abgehaltenen Verbandstage desVerbandes bayrischer Eisenbahnwerkstätten- und Betriebsarbeiterist nachzutragen, daß dem Verlangen der Generaldirektion der Eisenbahnen wegen Aenderung der Statuten insoweit nachgegeben wurde, als § 20 der Statuten folgende Fassung erhielt:

„Das Bestreben des Verbandes ist insbesondere darauf gerichtet, für seine Mitglieder bei Erhaltung eines guten Einvernehmens mit allen obrigkeitlichen Staatsbehörden möglichst günstige Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erzielen und zwar: a) in Lohnfragen durch Eingaben und Petitionen an die königliche Regierung und den Landtag; b) durch Eingaben und Petitionen an die Eisenbahnbehörden durch Vertretung der Arbeiterausschüsse bei allen berechtigten Wünschen und Beschwerden; ferner auch die Ueberwachung der Arbeiterausschüsse zu vollziehen, damit diese die Interessen seiner Mitarbeiter auch wirklich wahrnehmen.“

Außerdem wurde beschlossen, den Beitritt zu dem Verbande auch Arbeitern des äußeren Betriebes zu gestatten. Der Antrag auf Gründung einer Krankenunterstützungskasse wurde abgelehnt, dagegen die Errichtung einer Sterbekasse, die am 1. August 1899 ins Leben treten soll, beschlossen. Man wählte ferner eine Petitionskommission, die bei dem Landtage verschiedene Forderungen, insbesondere Durchführung des 9stündigen Arbeitstages, Lohnerhöhung und Abschaffung der Akkordarbeit durchsetzen soll. Endlich wurde in einer Resolution Protest dagegen erhoben, daß der Bayrische Eisenbahnverband den Beruf habe, die Interessen der Werkstättenarbeiter zu vertreten, und dieses Recht vielmehr für den Verband in Anspruch genommen.

Die Generaldirektion hat übrigens auch die veränderte Statutenbestimmung mit der Begründung beanstandet, daß die Inanspruchnahme oder Beeinflussung der von der Staatseisenbahnverwaltung geschaffenen Arbeiterausschüsse nicht gestattet werden könne. Der Verbandsausschuß hat aber hierauf erwidert, daß er nicht in der Lage sei, seine Statuten nochmals zu ändern.

Die Mitgliederzahl war Ende Juli 1899 auf 1600 in 19 Werkstätten gestiegen.

DerVerband bayrischer Eisenbahnbedienstetenzählte am 20. Juli 1899 3124 Mitglieder in 21 Obmannschaften und ist im weiteren Fortschreiten begriffen.

DemVerbande kaufmännischer Vereinesind außer den früher genannten noch ferner beigetreten die kaufmännischen Vereine Bruchsal mit 186, Heidelberg mit 435, Lahr mit 263 und Ruhla mit 119 Mitgliedern, sowie der Verein für weibliche Angestellte in Stuttgart mit 325 Mitgliedern; der Gesamtbestand wird von dem Vorsitzenden für Ende Juni 1899 auf 101 Vereine mit 25277 Prinzipalen, 95783 Gehülfen, 4924 Lehrlingen und 1902 Nichtkaufleuten = 127886 Mitgliedern angegeben[348]. In der am 5./6. Juni 1899 in Eisenach abgehaltenen Generalversammlung forderte der Verband die Beseitigung der bisherigen übermäßig langen Arbeitszeit und anderer für die Gesundheit der Gehülfen nachteiligen Einrichtungen in den Ladengeschäften, ferner die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Ladenschlusses spätestens um 8 Uhr abends, die Errichtung kaufmännischer Schiedsgerichte und eine geregelte Unterstützung bei unverschuldeter Stellenlosigkeit. Man wünschte außerdem die Befreiung der Handlungsgehülfen von der allgemeinen Invaliditätsversicherung und die Schaffung einer eigenen Versicherungsanstalt, das Verbot der Sonntagsarbeit nach 10 Uhr vormittags und die Aufnahme einer Arbeitslosenstatistik im Anschluß an die nächste Volkszählung.

Diekatholischen Arbeitervereineder Erzdiözese Köln stehen schon seit längerer Zeit untereinander in einer näheren Verbindung; insbesondere haben sie bereits 4 Vertretertage abgehalten, nämlich 1895 in Düsseldorf, 1896 in Krefeld, 1897 in Köln und am 12. Juli 1898 in Essen. Auf dem letztgedachten Vertretertage wurde eine dauernde Organisation unter dem Namen „Verband der katholischen Arbeitervereine in der Erzdiözese Köln“ begründet. Organe sind 1. das Diözesankomitee, 2. die Generalversammlung der Präsides, 3. der jährliche Vertretertag der Arbeiter. Das Diözesankomitee besteht aus dem Diözesenpräses und den Bezirkspräsides. Es giebt 7 solche Bezirke, nämlich Köln, Aachen, M.-Gladbach, Krefeld, Düsseldorf, Essen und Elberfeld; in ihnen finden Bezirkskonferenzen statt. Auf dem Vertretertage in Essen wurde in einer Resolution die Bildung von Arbeiterberufsvereinen auf christlicher (interkonfessioneller) Grundlage für dringend notwendig erklärt zur Förderung der wirtschaftlichen Interessen der Arbeiter wie auch zur Sicherungeines dauernden friedlichen Verhältnisses und Verkehrs zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Wo die Bildung von Berufsvereinen noch nicht möglich ist, soll versucht werden, durch Fachabteilungen, Unterrichtskurse, Arbeiterschutzkommissionen u. s. w. ihre Thätigkeit vorläufig zu ersetzen.

Diözesenpräses ist Dr.Pieperin M.-Gladbach, dem seit 1. April 1899 ein Arbeiter als Arbeitersekretär beigegeben ist. Der Verband zählte am 1. April 1899 133 Arbeitervereine mit 32816 Mitgliedern.

Der „Verband der katholischen Arbeitervereine Süddeutschlands“ hat am 26. August 1899 in Nürnberg einen Vertretertag abgehalten, auf dem man sich gegen die Zuchthausvorlage und für Arbeitskammern erklärte; den Schwerpunkt der Verhandlungen bildete die Arbeiterwohnungsfrage.

Ein „Verband christlicher Textilarbeiter“ ist am 31. August 1899 auch für Bocholt und Umgebung gegründet. Vorsitzender ist WebermeisterKarl Schiffer. Dem Verbande traten sofort etwa 500 Mitglieder bei.

Ein gleicher Verband besteht in Wipperfürth mit 100 Mitgliedern. In Krefeld ist im März 1899 ein „Niederrheinischer Schutz- und Unterstützungsverein christlicher Textilarbeiterinnen“ mit 100 Mitgliedern gegründet.

Am 3. September 1899 ist in Düren ein „Gewerkverein christlicher Maurer“ mit 600 Mitgliedern gegründet. Derselbe bezweckt den Schutz und die Förderung der Rechte und Interessen seiner Mitglieder nach christlichen Grundsätzen und auf gesetzlichem Wege. Dieses Ziel wird angestrebt 1. durch Errichtung von Ausschüssen, die bei etwaigen Meinungsverschiedenheiten betreffs der Lohnfragen, der Arbeitszeit und des Arbeitsschutzes mit den zuständigen Organen in Verbindung treten und die Vermittelung übernehmen; 2. durch Regelung des Arbeitsnachweises; 3. durch Besserung der Wohnungsverhältnisse; ferner 4. durch Errichtung einer Hülfskasse für besondere Fälle, beziehungsweise durch Vermittelung des Anschlusses an andere bereits bestehende ähnliche Kassen.

DerArbeitgeberbund für das Maurer- und Zimmerergewerbe in Berlinhat im Juni 1899 einen Streit mit seinen Arbeitern ausgefochten, der weitgehendes Interesse erregt hat. Da die von dem Zentralverein der Maurer geforderte Erhöhung des Stundenlohnes von 60 auf 65 Pf. auf einigen Bautenbewilligt, auf anderen aber abgelehnt wurde, so wurde auf den letzteren die Arbeit niedergelegt. Der Arbeitgeberbund beantwortete dies mit einer allgemeinen Aussperrung der Maurer, was zur Folge hatte, daß diese den allgemeinen Ausstand erklärten, dem sich auch die lokalorganisierten Maurer und die im Verein „Arbeiterschutz“ befindlichen anschlossen. Der Arbeitgeberbund beabsichtigte nun, die Aussperrung auf ganz Deutschland auszudehnen, und berief auf den 19. Juni 1899 eine Konferenz deutscher Baugewerksmeister nach Berlin, auf dem die auswärtigen Vertreter im allgemeinen sich mit dem Plane einverstanden erklärten; ein auf den 27. Juni berufener Kongreß sollte über die weiteren Maßregeln beschließen. Zugleich richtete man an die Lieferanten von Baumaterial die Aufforderung, während des Streites Baumaterialien an diejenigen Unternehmer, die weiter arbeiten ließen, nicht zu liefern. Es ist das große Verdienst des Berliner Gewerbegerichtes, daß es bei dieser Sachlage eingriff und ohne die Aufforderung der streitenden Teile abzuwarten, die Vermittelung in die Hand nahm. In der That ist in einer Versammlung, die am 24. Juni stattfand, und an der außer den Vertretern der Berliner Maurer auch der Vorsitzende des Zentralvereins der Maurer Deutschlands, sowie der Vertreter der Berliner Gewerkschaftskommission teilnahm, eine völlige Einigung erreicht, die nicht nur den augenblicklichen Streitpunkt dahin erledigt, daß die Einführung des Lohnes von 65 Pf. stufenweise bis zum 1. Oktober 1900 erfolgt, sondern die Schaffung einerTarifgemeinschaftbedeutet und deshalb von ganz besonderer Tragweite ist. Es wird nämlich eine Kommission aus je 9 Vertretern der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerorganisationen gebildet, der die Regelung der Arbeitszeit, der Pausen, der Lohnverhältnisse, die Einrichtung der Werkstätten u. dgl., sowie die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen beiden Parteien obliegt. Gegen die Entscheidung der Kommission kann innerhalb 3 Tagen die Entscheidung des Gewerbegerichtes als Einigungsamtes angerufen werden. Bis zum endgültigen Spruche der Kommission oder des Einigungsamtes dürfen Bausperren unter keiner Bedingung verhängt werden; nach der endgültigen Entscheidung sind sie nur insoweit zulässig, als derselben nicht Folge geleistet wird. Alljährlich im Herbst tritt die bezeichnete Kommission zusammen, um für die nächste Bauperiode die Arbeits- und Lohnverhältnisse festzusetzen; ihrer Entscheidung haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu unterwerfen. Unter den 9 Vertretern der Arbeiter soll sich je ein Mitglied des Zentralverbandes, der Lokalorganisation und der Gewerkschaftskommission befinden.

Diese Verständigung ist nach ihrer Billigung seitens beider Teile in Kraft getreten; die wesentliche Bedeutung derselben liegt darin, daß beide Teile ihre gegenseitigen Organisationen als berechtigt zur Erledigung örtlicher Streitigkeiten anerkannt haben.

Das gute Beispiel der Maurer hat zur Folge gehabt, daß auch seitens der Zimmerer und der Bauhülfsarbeiter Schritte eingeleitet sind, um ähnliche Einrichtungen zu schaffen.

Hat bei den mitgeteilten Verhandlungen der Arbeitgeberbund ein anerkennenswertes Entgegenkommen bewiesen, so ist derselbe doch durchaus nicht gewillt, die auf die Erweiterung der Machtsphäre der Unternehmer gerichteten Bestrebungen fallen zu lassen, vielmehr hat er in einer Vorstandssitzung vom 5. August 1899 beschlossen, an den Bundesrat, die Ministerien der Bundesstaaten und an die Konservativen und die Zentrumsfraktion des Reichstages Proteste gegen die Errichtung paritätischer Arbeitsnachweise zu richten, letztere vielmehr ausschließlich für die Arbeitgeber zu beanspruchen; ebenso erklärte man sich für die Zuchthausvorlage.

Der bestehende Verband der Böttchermeister hat seine Wirksamkeit auf ganz Deutschland ausgedehnt und führt deshalb jetzt den Namen: „Verband der Faßfabrikanten und Böttchermeister“. Als Zweck wird in den Statuten bezeichnet die Förderung eines gedeihlichen Verhältnisses untereinander und der Schutz gegen irgend welche unberechtigten Angriffe. Der jährlich zusammentretende Verbandstag hat das Recht, neben den jährlichen auch außerordentliche Beiträge auszuschreiben, deren Höhe nicht bestimmt ist. Wer trotz zweimaliger Aufforderung den Beschlüssen des Verbandstages oder den Vorschriften des Statutes zuwiderhandelt, kann aus dem Verbande ausgeschlossen werden. Auf dem Verbandstage hat der Vorstand über die wichtigsten Angelegenheiten des Verbandes, insbesondere über „Lohn-Streik-Bewegungen“ Bericht zu erstatten. Nähere Bestimmungen über die weitere Behandlung sind nicht gegeben.

Eine interessante Arbeitgebervereinigung ist der „Verband der deutschen Schuh- und Schäftefabrikanten“. Schon 1880 wurde derselbe in einer Versammlung in Eisenach gegründet; er zählt heute 12 Zweigverbände mit 230 Mitgliedern. Der Zweck des Verbandes ist nach dem Statute die Wahrnehmung der Interessen der deutschen Schuh- und Schäfteindustrie; insbesondere verpflichten sich die Mitglieder, bei vorkommenden Arbeitseinstellungen sich gegenseitig zu unterstützen. In einem besonderen Anhange zum Statute sind die „Bestimmungen über die Pflichten der Mitglieder bei Arbeiterbewegungen“ zusammengestellt.Danach will der Verband den koalierten Arbeitern ein feste Koalition der Fabrikanten gegenüberstellen, doch wird der Schwerpunkt der Thätigkeit in die Zweigvereine gelegt. Jedes Mitglied hat Streitigkeiten mit seinen Arbeitern, die er nicht selbst zu schlichten vermag, sofort bei dem Vorstande des Zweigvereins zur Anzeige zu bringen, der nach gewissenhafter Prüfung die Beilegung auf gütlichem Wege versucht. Mißlingt dieselbe und trifft den Fabrikanten keine Schuld, so sind die Mitglieder des Verbandes verpflichtet, während der Dauer der Arbeitseinstellung die streikenden Arbeiter nicht zu beschäftigen. Nach Beendigung des Ausstandes dürfen solche Arbeiter innerhalb der nächsten 4 Wochen nur dann eingestellt werden, wenn der frühere Arbeitgeber auf deren Beschäftigung verzichtet. Bei Zuwiderhandlungen kann der Vorstand eine Konventionalstrafe bis zu 500 Mk. festsetzen oder auch den Ausschluß aus dem Verbände verfügen. Der Verband hat einheitliche Entlassungsscheine eingeführt und für alle Mitglieder obligatorisch gemacht. Das für die Zweigvereine aufgestellte Normalstatut enthält noch nähere Bestimmungen. Danach hat nach erfolgter Anzeige eines Streitfalles der Vorstand sofort eine außerordentliche Generalversammlung einzuberufen, in welcher der Fall zu prüfen ist. Bedarf es weiterer Aufklärung, so wird eine Kommission aus 3 Mitgliedern eingesetzt, welche die Parteien zu hören und sich durch Prüfung der Beweisstücke, insbesondere der Listen und Bücher, ein Urteil zu bilden hat. Entscheidet die Kommission gegen das Mitglied, so hat dasselbe unverzüglich Folge zu leisten. Im umgekehrten Falle hat die Kommission ihre Entscheidung den Arbeitern zu eröffnen. Fügen diese sich nicht, so ist sofort eine neue Generalversammlung einzuberufen, die das Recht hat, die sofortige Einteilung des Betriebes bei allen Verbandsmitgliedern zu beschließen. Jedes Mitglied hat nach 4 Klassen (Wochenarbeitslohn bis 500, 1000, 1500 und 2000 Mk.), nach dem sich auch das Stimmrecht bestimmt, Solawechsel Von 3000–9000 Mk. zu hinterlegen, die bei Widerstand gegen die Beschlüsse der Generalversammlung in Umlauf gesetzt werden.

Schon bei Begründung des Verbandes wurde betont, daß man das Koalitionsrecht der Arbeiter nicht antasten, sondern nur deren fest geschlossener Organisation eine gleiche gegenüberstellen wolle. Auch in der am 18. Juni 1899 in Breslau abgehaltenen jährlichen Hauptversammlung betonte der Vorsitzende, daß die Bestrebungen stets auf die friedliche Beilegung auftauchender Schwierigkeiten gerichtet gewesen seien, daß man sich lediglich in der Defensive halte und deshalb auch im letzten Verbandsjahre der gütliche Weg stets zum Ziele geführt habe. „Treten Arbeiter in anständiger Form an uns heran, so darf der Arbeitgeber nicht gleich nervös werden und es dem wirtschaftlich Schwächeren verdenken, wenn er seine Lage zu verbessern trachtet. Das Bestrebennach höheren Löhnen ist nicht zu den ungerechtfertigten Forderungen zu zählen Man benimmt sich mit den Leuten und bei ruhiger Aussprache ist eine Verständigung in der Regel zu erzielen. Dagegen sind Forderungen, wie z. B. die Erzwingung des 1. Mai als Feiertages, überhaupt alle Machtfragen entschieden zurückzuweisen.“ Ebenso verwarf der Vorsitzende unter allgemeinem Beifall auf das entschiedenste die Zuchthausvorlage mit der Begründung, daß dieselbe sich als einen Eingriff in die stets von dem Verbande festgehaltene Koalitionsfreiheit der Arbeiter darstelle, die man auch für sich selbst in Anspruch nehme. Die bestehenden Gesetze reichten vollkommen aus und man bedürfe keiner weiteren polizeilichen Schutzmittel. Der Verband beschränkt übrigens seine Thätigkeit nicht auf das Arbeitsverhältnis, sondern sucht auch hinsichtlich der allgemeinen Lage der Industrie Einfluß auf die Gesetzgebung und Verwaltung zu gewinnen, insbesondere hat er in betreff der Handelsverträge sowie der Revision der Gewerbe- und Konkursordnung mit Erfolg eingegriffen. Der Sitz des Verbandes ist Berlin.

In Stuttgart ist am 19. Juni 1899 der „Verband südwestdeutscher Holzindustrieller“ gegründet. Die Veranlassung bot ein Anfang Mai ausgebrochener Streik der Möbelarbeiter, der 12 Wochen dauerte und in dem es sich hauptsächlich um die Einführung des 9stündigen Arbeitstages und eines Minimallohnes handelte. Der Verband stellt sich die Aufgabe: a) die wirtschaftlichen Interessen der Holzindustriellen zu wahren: b) in Streitfragen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern einen Ausgleich anzustreben und womöglich eine beide Teile befriedigende Vermittelung herbeizuführen; c) Bestrebungen, welche darauf gerichtet sind, die Arbeitsbedingungen, einseitig vorzuschreiben und zu diesem Zweck geplante Ausstände gemeinsam abzuwehren und in ihren Folgen unschädlich zu machen; d) einheitliches Handeln in allen Fragen, welche für das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeiter von grundsätzlicher Bedeutung sind, z. B. Maximalarbeitstag, Minimallohn, Abschaffung der Akkordarbeit, Arbeiterfeiertage, Arbeitsordnungen u. s. w.

Mitglieder des Verbandes können alle selbständigen Gewerbetreibenden der Holzindustrie in Württemberg, Baden, Hessen und Elsaß-Lothringen werden; dieselben haben nach der Anzahl der beschäftigten Arbeiter 1–8 Stimmen. Die hier einschlagenden Bestimmungen des Statutes lauten:

In allen das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffenden Angelegenheiten haben sich die Mitglieder des Verbandes nach dem Grundsatzzu richten, daß jedes einzelne Mitglied des Verbandes stets nur mit seinen eigenen Arbeitern oder mit einem von diesen selbst aus ihrer Mitte gewählten Ausschusse zu verhandeln hat, daß dagegen Verhandlungen mit irgend welchen nicht zu der eigenen Arbeiterschaft gehörenden Mittelspersonen abzulehnen sind. Sollten derartige Verhandlungen erforderlich werden, so werden sie ausschließlich durch den Verbandsvorstand geführt. Desgleichen ist die Vertretung der Verbandsinteressen in der Oeffentlichkeit ausschließlich Sache des Ausschusses, und sollen sich die einzelnen Verbandsmitglieder aller Kundgebungen in den Tagesblättern und dergleichen enthalten, soweit sie nicht ausnahmsweise hierzu vom Vorstand ermächtigt sind.

Wird in einer Verbandswerkstätte von seiten der Arbeiter ein Ausstand oder eine Sperre erklärt, so ist dem Vorstande sofort Mitteilung zu machen. Dieser soll alsdann baldigst eine Untersuchung einleiten, welche klarstellt, ob und inwieweit den Arbeitgeber ein Verschulden trifft. Alsdann hat der Vorstand eine Sitzung des Ausschusses einzuberufen. Der betreffende Arbeitgeber ist berechtigt, den Sitzungen des Ausschusses der Regel noch beizuwohnen, jedoch ist der Vorstand befugt, auch Sitzungen ohne dessen Zuziehung abzuhalten oder ihn zeitweise sich entfernen zu lassen. Ist der beteiligte Arbeitgeber selbst Mitglied des Ausschusses, so steht ihm bei der Beschlußfassung kein Stimmrecht zu.

Falls der Ausschuß beschließt, daß der Fabrikant den Forderungen der Arbeiter ganz oder teilweise nachgeben soll, so ist das Nähere hierüber festzusetzen und der Fabrikant verpflichtet, diesen Beschluß durchzuführen und die beschlossene Bewilligung der gestellten Forderungen der Arbeiter durch Anschlag zur Kenntnis der letzteren zu bringen.

Erklärt der Ausschuß den Streik für nicht berechtigt, so hat der Vorstand das Verzeichnis der beteiligten Arbeitnehmer sofort sämtlichen Verbandsmitgliedern mitzuteilen. Nach erfolgter Mitteilung darf kein Verbandsmitglied einen streikenden Arbeiter in seinem Betriebe beschäftigen und muß einen aus Versehen eingestellten Arbeiter alsbald wieder entlassen, und zwar so lange, bis von dem Vorstande bekannt gemacht wird, daß einer Beschäftigung der beteiligten Arbeiter bei den Mitgliedern des Verbandes nichts mehr im Wege steht.

Findet eine Beilegung des Ausstandes nicht statt, so hat der Vorstand das Recht, die in der notleidenden Fabrik vorliegenden Aufträge auf die übrigen Fabriken zu verteilen, während letztere verpflichtet sind, dieselben mit gleicher Sorgfalt wie ihre eigenen Aufträge auszuführen, soweit dies nach der Natur der Sache ohne besondere Schwierigkeit oder Benachteiligung des eigenen Betriebes geschehen kann.

Sollten die Arbeitnehmer derjenigen Firma, welcher die Ausführung der Arbeit übertragen worden ist, sich weigern, die Arbeit auszuführen, so sind dieselbenzu entlassen. Eine weitergehende Unterstützung einzelner durch die erwähnten Ereignisse betroffener Betriebe, sei es durch Geldunterstützung, sei es in anderer Weise, kann durch die Verbandsversammlung und in dringenden Fällen durch den Ausschuß beschlossen werden.

Ein Rechtsanspruch auf die in gegenwärtigem Paragraphen in Aussicht gestellte Beihülfe steht den einzelnen Verbandsmitgliedern nicht zu.

Bei Zuwiderhandlungen hat der Ausschuß eine Konventionalstrafe in Höhe von 20 Mk. bis 5000 Mk. zu verhängen.

DerTarifausschuß der deutschen Buchdruckerhat am 15./16. Mai 1899 seine dritte Jahressitzung in München abgehalten. Der erstattete Geschäftsbericht stellt fest, daß der Zweck der Organisation, die Verallgemeinerung des Tarifs, auch im verflossenen Jahre wirksam verfolgt sei und daß man dabei auch nicht davor habe zurückschrecken dürfen, Tarifgegner in beiden Lagern zu bekämpfen. Die in dieser Richtung seitens des Tarifamtes unternommenen Schritte[357]hätten freilich in gewerblichen Kreisen Aufsehen erregt, weil sie von einer Gemeinschaft der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Zeugnis ablegten, wie solche in keinem anderen Gewerbe vorhanden, wie sie aber geboten sei, wenn Ordnung und Friede im Gewerbe herrschen solle. Das Ergebnis der betriebenen Agitation zeigt folgende, mit der früher gegebenen[358]zu vergleichende Tabelle. Es wurden am 6. Mai 1899 nach dem Tarif beschäftigt:

Da aber bei der Erhebung, auf der diese Angaben beruhen, von 6000 entsandten Fragebogen nur 2154 brauchbar ausgefüllt waren, so sind dieZiffern erheblich zu niedrig, vielmehr ergiebt sich bei entsprechender Berichtigung, daß insgesamt in 3482 Betrieben 30551 tarifmäßig und 1940 unter Tarif entlohnte Gehülfen beschäftigt sind.

Zu den schon früher errichteten Schiedsgerichten sind solche in Frankfurt a. M., Karlsruhe, Königsberg, Mainz, Mannheim und Würzburg hinzugekommen, so daß jetzt 20 bestehen. Arbeitsnachweise giebt es 58. Im II. Kreise ist die Wahl eines Prinzipalvertreters für den Ausschuß noch immer nicht zustande zu bringen gewesen.

Den Hauptpunkt der Verhandlungen bildete wieder die Setzmaschinenfrage. Das Tarifamt hatte einen Tarif ausgearbeitet, aber der Antrag, denselben seitens des Tarifausschusses einzuführen, wurde mit Stimmengleichheit abgelehnt, indem die Prinzipale den Standpunkt vertraten, daß dies eine Aenderung des Tarifs bedeuten würde, die vor 1901 nicht zulässig sei, während die Gehülfen behaupteten, daß es sich um ein bei Aufstellung des Tarifs gar nicht berücksichtigtes neues Gebiet handle. Dabei wurde mitgeteilt, daß in Deutschland bereits 170 Setzmaschinen im Betriebe seien. Die Prinzipale erklärten übrigens, einer Regelung der Angelegenheit seitens des Ausschusses sich nicht widersetzen zu wollen, doch könne es sich dabei nur um eine Empfehlung handeln, deren Berücksichtigung dem freien Ermessen der Prinzipale und Gehülfen überlassen bleiben müsse, und außerdem müßten die vom Tarifamt vorgeschlagenen Sätze erst noch von einer Kommission geprüft werden. Eine solche wurde darauf gewählt.

Nachdem Büxenstein sich auf allgemeinen Wunsch bereit erklärt hatte, wieder den Vorsitz zu übernehmen, wurde beschlossen, den Sitz des Tarifausschusses und des Tarifamtes für die nächsten 3 Jahre wieder nach Berlin zu verlegen.


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