Chapter 26

Zweifellos handelt es sich bei den Berufsgenossenschaften um ein Prinzip von der höchsten Wichtigkeit für unser wirtschaftlich-soziales Leben, aber in der Beschränkung auf die Unfallversicherung gleichen sie einem Mantel, der, für eine viel korpulentere Person bestimmt, jetzt viel zu weit ist und die Glieder seines Trägers lose umschlottert. Sie bilden einen Apparat, der im Verhältnisse zu den gestellten Aufgaben viel zu umfangreich und kostspielig ist, und wenn es nicht gelingt, die geschaffene Form mit Inhalt zu füllen, so wird es kaum gelingen, die Einrichtung auf die Dauer zu erhalten. Das Ziel muß deshalb darin bestehen, den Grundgedanken der staatlichen Organisation des gewerblichen Lebens wieder aufzugreifen und die Berufsgenossenschaften zu Trägern dieser Organisation zu machen.

Liegt bei den hier aufgeführten und ähnlichen Unternehmerverbänden der Zweck zunächst allgemein in der Förderung der Interessen der Mitglieder und des ganzen Gewerbes, so daß der Gegensatz zu den Arbeitern entweder überhauptnicht hervortritt oder, wie bei einigen derselben hervorgehoben wurde, freilich unter den Aufgaben des Verbandes ausdrücklich bezeichnet wird, aber doch gewissermaßen als sekundär erscheint, so giebt es nun aber auch andere, die den Kampfkarakter deutlich ausprägen oder wohl gar die Vertretung des gegensätzlichen Interesses der Unternehmer gegenüber den Arbeitern als einzigen Zweck verfolgen.

Der Gegensatz, um den es sich hierbei handelt, berührt naturgemäß in erster Linie die materiellen Interessen, und zwar nicht nur die Höhe des Lohnes und die Dauer der Arbeitszeit, sondern mancherlei Dinge, die, wie Sicherungsvorkehrungen gegen Beschädigungen oder Einrichtungen für die Annehmlichkeit der Arbeiter, naturgemäß von diesen gewünscht werden, während ihre Beschaffung dem Unternehmer Kosten verursacht. Aber der Gegensatz beschränkt sich überhaupt nicht auf daswirtschaftlicheGebiet, und die Streitigkeiten zwischen Unternehmer und Arbeiter haben häufig mit wirtschaftlichen Fragen gar nichts zu thun, sondern sind durchausideellerNatur, sie berühren das rein persönliche Gebiet, das Verhältnis der Ueber- und Unterordnung, die Formen des gegenseitigen Verkehrs, insbesondere auch die Frage, wie weit der Arbeiter sich eine Einmischung in seine persönlichen Angelegenheiten, seine politische Ueberzeugung u. dgl. gefallen zu lassen hat. Es ist begreiflich, daß, wenn einmal Vereinigungen der Unternehmer bestehen, sie ihren Einfluß auf diese Angelegenheiten ausdehnen, ebenso wie die Arbeiterverbände den Schutz ihrer Mitglieder auch auf diesem Gebiete bezwecken.

Es ist bezüglich dieser Vereinigungen, als deren hauptsächlichster Typus die „Antistreikvereine“ zu betrachten sind, noch weniger, als hinsichtlich der allgemeinen Uebersicht, möglich, irgend eine Vollständigkeit anzustreben, zumal diese Vereine, um die es sich handelt, meist nur vorübergehender Natur sind, sich bei Ausbruch eines Streites mit den Arbeitern bilden und nach dessen Erledigung wieder auflösen. Immer beruhen sie ausschließlich auf Verträgen, ohne sich zu organischen Bildungen zu entwickeln. Wo unter den Unternehmern bereits solche, insbesondere wirkliche Kartelle bestehen, pflegen sich die bezüglichen Abmachungen an diese anzulehnen und haben dann immer mehr dauernden organischen Karakter. Ich stelle im Folgenden dasjenige Material zusammen, dessen Sammlung auf litterarischem wie auf privatem Wege mir gelungen ist.

Man kann bei diesen Vereinigungen zwei Gruppen unterscheiden, nämlicheinerseitssolche, die alle Arbeitgeber eines gewissen Bezirkes ohne Unterschied des Gewerbes umfassen, undandererseitssolche, die sich auf bestimmte Berufszweige beschränken.

Unter allen Arbeitgeberverbänden am bekanntesten geworden ist der in der Ueberschrift genannte infolge seiner Durchführung des großen Hafenarbeiterstreiks. Wenn in Veranlassung dieses Kampfes in weiten Kreisen der Verband als Vertreter des einseitigsten Unternehmerstandpunktes gilt, so ist das nicht in vollem Umfange berechtigt, mindestens hat er diesen Karakter nicht von Anfang an getragen. Allerdings verdankt er seine Entstehung dem Bestreben der Arbeitgeber, der Ausführung des auf dem Pariser internationalen Arbeiterkongresse 1889 gefaßten Beschlusses wegen der Maifeier entgegenzutreten, und so traten Ende April 1890 eine Anzahl Unternehmer, die zusammen etwa 50000 Arbeiter beschäftigten, zu einem Verbande zusammen, der neben diesem nächsten Ziele sich allgemein die Vertretung der Interessen der Unternehmer gegenüber den Arbeitern zur Aufgabe stellte. Aber dieser Zweck sollte nicht einseitig verfolgt werden, vielmehr schlossen sich dem Verbande eine Anzahl hervorragender Großindustrieller an, deren arbeiterfreundliche und sozialreformerische Gesinnung allgemein bekannt war, während andererseits vor allem die Handwerker den schroffen Kampfesstandpunkt vertraten. Daß der Einfluß der erstgedachten Elemente überwog, beweisen die Statuten, deren wichtigste Bestimmungen lauten:

Der Verband bezweckt die Herbeiführung dauernd friedlicher Verhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitern durch Berücksichtigung berechtigter Ansprüche und Abwehr unberechtigter Forderungen und ungesetzlicher Uebergriffe abseiten der Arbeiter und ihrer Vereinigungen.

Der Verband soll nur denjenigen Zwecken dieser Art dienen, welche durch die Einzelvereine nicht so gut erreicht werden können, alle anderen Zwecke sind auszuschließen. Deshalb soll der Verband nur Beschlüsse über Fragen fassen, welche die Interessen der Gesamtheit der Arbeitgeber beeinflussen oder welche dem Verbande zur Entscheidung übertragen worden sind. Andererseits hat jeder Einzelverein, bevor er Veränderungen von größerer Tragweite in den Arbeitsbedingungen eintreten läßt, die Pflicht, dem Verbande Gelegenheit zu geben, diese Veränderungen seinerseits zur Erörterung zu bringen.

Als Mittel zur Erreichung des Zweckes soll dienen: die Beihülfe zurDurchführung und Vervollständigung der Gesetze, welche zum Wohle und Schutze der Arbeiter erlassen sind, und die Unterstützung gemeinnütziger Bestrebungen für das Wohl der Arbeiter, dann die Einführung der sogenannten Streikklausel in alle Lieferungsverträge, die Vereinbarung, keine im Streik oder in der Aussperrung befindlichen Arbeiter anderer anzunehmen, die Schaffung einer Darlehnskasse für Streikfälle, die Errichtung von Arbeitsnachweisen und ähnliches.

Ordentliche Mitglieder des Verbandes können sämtliche in Hamburg, Altona, Wandsbeck, Harburg und der Umgegend bestehenden oder sich bildenden Vereinigungen von Industriellen und Gewerbetreibenden werden, welche sich schriftlich zur Innehaltung dieser Satzungen verpflichten.

Der zunächst verfolgte Zweck, die Maifeier zu verhindern, wurde erreicht, indem alle Arbeiter, die sich an ihr beteiligten, entlassen wurden. Daneben wurde zur Unterstützung kleinerer Unternehmer bei Streiks ein Garantiefonds unter Verwaltung eines besonderen Vertrauensrates gegründet, der schon nach wenigen Tagen die Höhe von einer halben Million erreichte. Dagegen scheiterte der Versuch, einen allgemeinen Arbeitsnachweis durchzuführen, an der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse in den einzelnen Gewerben.

Das Uebergewicht der sozialreformerischen Richtung zeigte sich in einer seitens des Verbandes bei Beratung des Arbeiterschutzgesetzes im November 1890 an den Reichstag gerichteten Eingabe wegen Schaffung einer gemeinsamen Organisation von Arbeitern und Arbeitgebern, die der herrschenden Auffassung in Unternehmerkreisen so wenig entsprach, daß sie von dieser Seite als „komplett sozialdemokratisch“ bezeichnet wurde.

Zu einer Verschiebung hinsichtlich des Einflusses der beiden Richtungen führte zunächst der im Frühjahr 1891 erfolgte Beitritt der Zigarrenfabrikanten, die soeben erst ihre große Aussperrung gegen ihre streikenden Arbeiter siegreich durchgeführt hatten und den Kampfelementen eine wesentliche Unterstützung brachten. Dies trat auch darin hervor, daß, als es sich nach der großen Choleraepidemie von 1892 darum handelte, ob der Verband sich an der seitens des Staates angeregten Bildung eines Arbeitsnachweises für Gelegenheitsarbeiter gemeinsam mit den Arbeitern beteiligen wolle, dies an die Bedingung geknüpft wurde, daß die Mitwirkung der Arbeiter auf Bildung eines Ausschusses zur Vorbringung von Wünschen und Beschwerden beschränkt werde.

Der Verein Hamburger Reeder trat dem Verbande erst bei nach Ausbruch des großen Hafenarbeiterstreiks, auf dessen Verlauf hier nicht eingegangen werden kann, nur ist hervorzuheben, daß gerade die Reeder es waren, die in den verschiedenen Phasen des Kampfes stets für die mildere Behandlung eintraten. Daß die unversöhnliche Richtung, die eine unerbittliche Niederschlagung des inder That frivol begonnenen Streiks forderte, das Uebergewicht erlangte, war die Folge des Einflusses der Handwerker und derjenigen größeren Unternehmer, die ungelernte Arbeiter beschäftigten.

In welcher Richtung der Verband sich weiter bewegen wird, ist schwer zu beurteilen. In dem seitens des Geschäftsführers erstatteten Jahresberichte für 1897 wird betont, daß der Verband nach der erfolgreichen Bekämpfung unberechtigter Forderungen und Uebergriffe der Arbeiter sich jetzt daran gemacht habe, „durch Berücksichtigung berechtigter Ansprüche friedliche Verhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitern herbeizuführen“. Aber daß dieses Ziel doch auf wesentlich anderem Wege erstrebt wird, als es der früher seitens des Verbandes vertretenen Grundanschauung der Gleichberechtigung beider Teile entspricht, ergiebt sich aus der Stellung zu der Frage des Arbeitsnachweises. Allerdings ist es durch Errichtung einer Nachweisestelle für Seeleute gelungen, das Unwesen der Heuerbaase wesentlich zu beschränken, aber als die vom Senate eingesetzte Kommission das Ziel verfolgte, mit Hülfe der „Patriotischen Gesellschaft“ einen unparteiischen Arbeitsnachweis für die Stauer, Hafenarbeiter, Ewerführer u. s. w. einzuführen, ist dies an der Weigerung des Verbandes gescheitert, der grundsätzlich den Arbeitsnachweis als Recht der Arbeitgeber in Anspruch nimmt und diesen Standpunkt auch auf der von Dr.Zastroweinberufenen Arbeitsnachweiskonferenz in Karlsruhe gegenüber fast allen Teilnehmern derselben vertreten hat. Seinerseits hat der Verein es in die Hand genommen, die am 5. September 1898 in Leipzig abgehaltene Arbeitsnachweiskonferenz ins Leben gerufen, auf der als Grundsatz aufgestellt wurde, daß der Arbeitsnachweis ein ausschließliches Recht der Unternehmer sei. Der Jahresbericht für 1898 erwähnt ferner, daß es dem Vereine gelungen sei, den „ruinösen“ Entschluß der Hamburger Bäckerinnung, provisorisch den neunstündigen Arbeitstag einzuführen, durch sein Eingreifen rückgängig zu machen. Die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie werden als ebenso untrennbar zusammengehörig bezeichnet, wie Sauerstoff und Stickstoff in der Luft. Es scheint also die reaktionäre Richtung im Vereine zunächst noch die Herrschaft zu behalten.

Dem Verbande gehören zur Zeit folgende Vereine an:

„Hamburger Innungs-Ausschuß“, „Baugewerks-Innung Bauhütte >Hamburg's<“, „Verband der Eisenindustrie Hamburgs“, „Verein der Ewerführerbaase von 1874“, „Verein der Hamburger Quartiersleute“, „Caffeehandelvereinigung“, „Verein der Stauer Hamburg-Altona“, „Vereinigung der Gärtner Hamburg-Altona“, „Verein der Chemischen Industrie von Hamburg-Altona“, „Verein der Cigarrenfabrikanten von 1890“, „Verein Hamburger Reeder“, „Verein der Kornumstecherfirmen Hamburgs“, „Verein der Importeure engl. Kohlen“, „Verein derKesselreinigerbaase“, „Verein der Schiffsmaler und Schiffsreiniger“, „Verein des Holzgewerbes von Hamburg-Altona“, „Verein der Schiffsmakler und Schiffsagenten“, „Innungs-Ausschuß Altona“, „Verein der Segelmacherbaase von Hamburg-Altona“.

Jeder Verein hat auf je 1000 Arbeiter eine Stimme. Die Vertreter der Vereine bilden die Verbandsversammlung, das einzige Organ des Verbandes, die den Vorsitzenden, die Schriftführer, den Kassenführer und deren Vertreter, sowie die Mitglieder des Vertrauensrates der Darlehenskasse wählt. Der jetzige Vorsitzende ist HermannBlohm, Inhaber der Firma Blohm & Voß[240].

Das Beispiel des Hamburg-Altonaer Verbandes hat anregend auch auf die Berliner Industriellen gewirkt, und so ist am 18. Januar 1899 auf Anregung der Vereinigung der Berliner Metallwarenfabrikanten[242]der in der Ueberschrift genannte Bund begründet, dem sofort sechs Vereinigungen beigetreten sind, während von vier anderen der Anschluß bestimmt zu erwarten ist. Der Vorsitzende ist der Fabrikant A.Heegewaldt.

Nach seinen Statuten bezweckt der Bund einen engeren Zusammenschluß der einzelnen Arbeitgeberverbände behufs gemeinschaftlicher Abwehr unberechtigter Forderungen der Arbeitnehmer und gemeinschaftlicher Behandlung derjenigen Fragen, welche im Verhältnis zu den Arbeitnehmern das Interesse der Gesamtheit der Arbeitgeber berühren.

Die Selbständigkeit der einzelnen Vereinigungen oder Verbände soll keineswegs beschränkt werden.

Zur Erreichung dieses Zweckes soll dienen:

Ausschluß derjenigen Arbeiter, welche in den Betrieben einzelner Vereinigungen nicht beschäftigt werden dürfen, von der Beschäftigung in anderen Bundesbetrieben.Schaffung gemeinschaftlicher Einrichtungen zur gegenseitigen Unterstützung bei Arbeitseinstellungen und ähnliches zur Erreichung der Bundeszwecke.

Ausschluß derjenigen Arbeiter, welche in den Betrieben einzelner Vereinigungen nicht beschäftigt werden dürfen, von der Beschäftigung in anderen Bundesbetrieben.

Schaffung gemeinschaftlicher Einrichtungen zur gegenseitigen Unterstützung bei Arbeitseinstellungen und ähnliches zur Erreichung der Bundeszwecke.

Mitglieder des Bundes können sämtliche in Berlin und seinen Vororten bestehende Vereinigungen von Arbeitgebern werden, welche durch Arbeitsnachweise und ähnliche Einrichtungen, bei denen eine Mitwirkung der Arbeitnehmer ausgeschlossen ist, eine wirksame Kontrolle über selbige ausüben.

Die Aufnahme in den Bund erfolgt auf schriftlichen Antrag.

Ueber die Zulassung entscheidet die Bundesversammlung durch einfache Stimmenmehrheit der Anwesenden.

Die Vereinigung hat durch schriftliche Erklärung sich den Satzungen zu unterwerfen. Gegen Vereinigungen, welche den satzungsmäßig erlassenen Anordnungen des Bundes nachzukommen sich weigern, kann von der Generalversammlung der Ausschluß verhängt werden. Für den Austritt ist eine sechsmonatliche Kündigung vorgeschrieben. In der Generalversammlung hat jede Vereinigung auf je 1000 beschäftigte Arbeiter eine Stimme bis zur Höchstzahl von zehn Stimmen. Nach demselben Maßstabe werden die Verwaltungskosten verteilt. Der Vorstand besteht aus Vorsitzendem, Schriftführer, Schatzmeister und deren Stellvertretern.

Der Bund steht auf gleichem sozialpolitischen Standpunkte wie der Hamburger, insbesondere will er freilich für ungelernte, insbesondere ländliche Arbeiter und Dienstboten kommunale Arbeitsnachweise anerkennen, fordert aber hinsichtlich der gelernten Arbeiter die Arbeitsvermittlung für den Arbeitgeber als Ausfluß seines Rechtes, unlautere Elemente, welche Zucht und Ordnung stören, aus ihren Werkstätten zu entfernen, wobei der Arbeitgeber zugleich die Rechte der arbeitswilligen Arbeiter gegenüber dem immer mehr hervortretenden Terrorismus ihrer Kollegen vertrete.

Es ist übrigens in Aussicht genommen, einen Fonds anzusammeln, aus welchem kleinere Betriebe in Streikfällen zu unterstützen sind.

Auch in Flensburg hat sich im Jahre 1897 ein Arbeitgeberverband gebildet, der nach seinem Statut den Zweck verfolgt, „die Interessen der Arbeitgeber gemeinsam zu vertreten, gegenüber den Organisationen der Arbeitnehmer und deren unberechtigten Forderungen“.

Als Mittel zur Erreichung des Zwecks soll in erster Linie die Verpflichtung dienen, daß kein Mitglied des Verbandes streikende, wegen Streik entlassene oder in Aussperrung befindliche Arbeiter eines anderen Verbandsmitgliedes beschäftigen oder unterstützen darf. — Im Falle eines eingetretenen Streikes hat das davon betroffene Mitglied die Namen sämtlicher Arbeiter sofort dem Vorstande schriftlich zu melden. Der Vorstand hat diese Arbeiterlisten auf dem schnellsten Wege den übrigen Verbandsmitgliedern mitzuteilen. Ist ein solcher Arbeiter irrtümlich von einem Mitgliede angenommen, so ist derselbe sofort wieder zu entlassen. Außerdem soll es dem Vorstande überlassen sein, weitere geeignet scheinende Mittel zu beschließen.

Mitglied kann werden jeder selbständige Gewerbetreibende oder Arbeitgeber in Flensburg und Umgegend. Mindestens drei Mitglieder des Vorstandes müssen Vertreter der Großindustrie sein, von den übrigen vier Vorstandsmitgliedern sollen wenigstens drei den Innungen angehören. Die Mitglieder haben ein nach der Arbeiterzahl abgestuftes Stimmrecht. Der Beitrag beläuft sich für jedes Mitglied auf jährlich 1 Mk.; ein Fehlbetrag wird durch eine der Arbeiterzahl entsprechende Umlage aufgebracht. Eine Thätigkeit, über die zu berichten wäre, hat der Verein noch nicht aufzuweisen.

Derselbe ist aus Anlaß eines Streiks im Jahre 1895 gegründet und verfolgt den Zweck, „die gemeinsamen örtlichen Interessen der Fabrikanten Bielefelds und Umgegend zu vertreten und speziell ungerechtfertigten Arbeitseinstellungen entgegenzuwirken, sowie den von solchen Arbeitseinstellungen betroffenen Fabrikanten moralische und materielle Unterstützung zu gewähren“.

Der Beitritt steht allen Firmen in Bielefeld und Umgegend offen, die mindestens 50 Arbeiter in geschlossenen Räumen beschäftigen.

Das Stimmrecht beträgt für Firmen bis zu 100000 Mk. Löhne eine, für jede weiteren vollen 200000 Mk. Löhne eine weitere Stimme. Die Abstimmung in der Generalversammlung ist auf Verlangen von drei Mitgliedern eine geheime.

Bei ausbrechenden Arbeitseinstellungen oder sonstigen Streitigkeiten mit den Arbeitern, welche zu solchen führen können, ist von dem Betreffenden unverzüglich dem Vorstande Anzeige zu machen, der einen Ausschuß zur Prüfung und Klarstellung des Sachverhaltes einsetzt. Dieser hat das Recht, die Lohnbücher und die Fabrikordnung einzusehen und die Fabrikräume zu betreten. Auf Grund des von ihm erstatteten Berichtes beschließt die Generalversammlung darüber, ob die von den Arbeitern erhobenen Forderungen als berechtigt oder als unberechtigt anzusehen sind. Im ersteren Falle unternimmt der Verein keine weiteren Schritte, im letzteren dagegen unterstützt er den Betroffenen, wenn etwaige von ihm einzuleitende Maßnahmen zur Beilegung des Streiks erfolglos gewesen sind, während der Dauer des Ausstandes nach Ablauf des dritten Tages aus den Vereinsmitteln, doch können diese Unterstützungen bei Zuwiderhandeln gegen die Beschlüsse der Generalversammlung entzogen werden. Die Entschädigung beträgt auf die Dauer des Ausstandes berechnet, jährlich 20% der im letzten Jahre angemeldeten Löhne und Gehälter, doch kann sie durch Beschluß der Generalversammlung erhöht werden. Während eines ungerechtfertigten Ausstandes stellen ferner die Mitglieder des Vereins keine Arbeiter desvom Ausstande Betroffenen ein und gestatten in den ihnen unterteilten Räumen ihrer Betriebe wissentlich keine Sammlungen zu Gunsten der Ausständigen. Desgleichen ist während der Dauer des Ausstandes der Betroffene nicht berechtigt, Arbeiter eines Vereinsmitgliedes ohne dessen Zustimmung anzustellen.

Während der Dauer des Ausstandes ist der Vorstand von dem zur Prüfung der Sachlage eingesetzten Ausschusse von dem Verlaufe desselben, von den gemachten Vermittelungsversuchen u. s. w. genau unterrichtet zu halten behufs etwa notwendig werdender neuer Stellungnahme des Vereins zur Sache.

Der Ausstand gilt im Sinne des Statuts als beendet, sobald dies durch eine öffentliche Erklärung des Vorstandes festgestellt ist.

In Bezug auf die Entschädigungen gilt der Ausstand als beendet und fallen die Entschädigungen demnach fort, wenn der Betrieb mit mindestens drei Viertel der vor Ausbruch des Ausstandes vorhandenen Zahl des Gesamtpersonals wieder eröffnet wird.

Die Mittel des Vereins werden aufgebracht durch Eintrittsgelder und regelmäßige Beiträge von 1% der anrechnungsfähigen Löhne, doch können noch besondere Umlagen ausgeschrieben werden.

In Thätigkeit ist der Verein bis jetzt erst einmal getreten, wo die betreffende Firma auf bare Unterstützung verzichtete und schließlich eine Einigung erzielt wurde.

Veranlaßt durch einen Streik der Feilenhauer hat sich im Jahre 1890 der Bergische Fabrikantenverein in Remscheid gebildet. Ordentliche Mitglieder können nur Fabrikanten der Kreise Remscheid, Solingen, Mettmann, Lennep, Elberfeld, Barmen, Gummersbach, Wipperfürth und der angrenzenden Kreise werden, welche in eigenen Werkstätten industrielle Erzeugnisse herstellen und in der Regel nicht weniger als 10 Arbeiter beschäftigen. Das Stimmrecht richtet sich nach der Zahl der Arbeiter.

Obgleich die Veranlassung zur Gründung ein Streik war, hat der Verein bisher doch überwiegend seine Aufgabe darin gesehen, die Wünsche der Mitglieder in Betreff der Zoll- und Handelsverträge, Verkehrsangelegenheiten, Musterschutz, Patentschutz u. s. w. bei den Verwaltungsbehörden zu vertreten. In das Verhältnis zu den Arbeitern hat er nur insoweit eingegriffen, als er eine Fabrikordnung und Bestimmungen über Zwangssparkassen für jugendliche Arbeiter aufgeteilt und den Mitgliedern als Muster empfohlen hat. Ob der Verein als solcher bei etwaigen Streitigkeiten zwischen den Arbeitern und Arbeitgebernals Organ der Letzteren auftreten wird, ist nach Ansicht des jetzigen Vorsitzenden zweifelhaft und kaum zu erwarten.

Eine besondere und ausführlichere Darstellung verlangt die in der Ueberschrift genannte Gesellschaft wegen ihrer hervorragenden sozialpolitischen Bedeutung, obgleich sie schon jetzt nicht mehr der Gegenwart, sondern der Geschichte angehört. Der Gedanke einer Streikversicherung ist nicht neu, einzelne Unternehmungen dieser Art sind schon früher versucht[247], aber nicht allein waren dieselben auf einzelne Gegenden und Betriebszweige beschränkt, sondern sie haben auch eine besondere Bedeutung nicht erlangt. Die „Industria“ wollte dagegen alle Zweige der Industrie und ganz Deutschland umfassen, ja in ihren Statuten ist sogar der Fall vorgesehen, daß Mitglieder außerhalb Deutschlands wohnen. Der Gedanke der Gründung ist zunächst angeregt von dem Fabrikbesitzer O.Weigertin Berlin, und zwar innerhalb des „Bundes der Industriellen“[248], der denn auch die weitere Ausführung in die Hand nahm. Nachdem das eingesetzte Komitee in den Sitzungen vom 8. Juni und 4. September 1897 die einleitenden Schritte beraten und zum Vorsitzenden den KommerzienratWirthin Leipzig ernannt hatte, wurde in der Sitzung vom 28. Oktober 1897 die Gründung endgültig vollzogen.

Die Gesellschaft führte die Firma „Industria, Versicherungs-Aktiengesellschaft gegen Verluste durch Arbeitseinstellung“ und hatte ihren Sitz in Berlin. Gegenstand des Unternehmens ist, „gegen Prämien Versicherung zu gewähren gegen Verluste, welche durch Streiks der im Betriebe beschäftigten Arbeiter dem Betriebsunternehmer zugefügt werden, und eventuell Rückversicherung aller Art zu gewähren“. Das Grundkapital beträgt 5 Millionen Mark. Als Streik im Sinne der Versicherungsbedingungen gilt „jede Arbeitseinstellung und die infolge derselben etwa bedingte Aussperrung“. Die Entschädigungspflicht der Gesellschaft beschränkt sich auf Erstattung der Generalunkosten, des Verlustes an Material und der etwa entfallenden Konventionalstrafen während des Streiks bis zur Dauer von 4 Monaten. Grundsätzlich soll die Entschädigung nur gezahlt werden bei Streiks, bei denen die Spaltung des Unternehmers von derGesellschaft als gerechtfertigt anerkannt wird. Deshalb ist vorgeschrieben, daß der letztere bei Ausbruch eines Streiks nicht allein innerhalb 3 Tagen die Gesellschaft benachrichtigen und deren Vermittelung herbeiführen, sondern, wo ein Gewerbegericht oder eine entsprechende Behörde besteht, ein Einigungsverfahren beantragen muß. Nur wenn dieses „infolge Weigerung der Arbeiter überhaupt nicht zustande gekommen ist oder ohne Verschulden des Versicherten zu einer Einigung nicht geführt hat“, wird die Entschädigung gezahlt. Der Schiedsspruch des Einigungsamtes ist für die Gesellschaft bindend, sofern der Versicherte die Zuziehung eines Vertreters derselben als Vertrauensmann nach § 63, Ziff. 3 des Ges. vom 29. Juli 1890 beantragt hat. Ueber die Höhe der Entschädigung entscheidet eine besondere Schätzungskommission. Ansprüche des Versicherten gegen Dritte gehen auf die Gesellschaft über, die auch Prozesse wegen Verfallener Konventionalstrafen auf ihre Rechnung zu führen hat.

Ueber die Berechtigung des Unternehmens ist bei Bekanntwerden des Planes sofort ein heftiger Streit entbrannt. Liegen demselben die Anschauungen zu Grunde, die nicht allein in dem Gründungsberichte behauptet, sondern von dem geistigen UrheberWeigertin einer Versammlung des „Bundes der Industriellen“ vom 15. November 1897 näher ausgeführt sind, so kann nicht allein die Berechtigung des Planes nicht bestritten werden, sondern er verfolgt sogar einen Gedanken, von dem in erster Linie die friedliche Lösung des Interessengegensatzes zwischen Arbeiter und Unternehmer zu erhoffen ist, nämlich der Notwendigkeit der beiderseitigen Organisation.Weigertnimmt seinen Ausgang von der durch die Gewerbeordnung von 1869 erfolgten Aufhebung der früheren Koalitionsverbote und dem Rechte der Arbeiter, zum Zwecke der Erlangung günstigerer Lohn- und Arbeitsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Er behauptet, es würde ein Leichtes gewesen sein, diese von vornherein in friedliche Bahnen zu lenken, wenn einsichtige, humane Arbeitgeber zusammengetreten wären, um Wege zu finden, wie durch eine Organisation der Arbeitgeber sowohl wie der Arbeiter Streitigkeiten aus dem Arbeitsverträge friedlich beizulegen seien. Statt dessen hätten die meisten Arbeitgeber sich mit dem Gedanken der Gleichberechtigung des Arbeiters hinsichtlich des Arbeitsvertrages nicht befreunden können und sich zu jeder Arbeiterorganisation feindlich gestellt. Die Folge dieses Verhaltens sei gewesen, daß die sozialdemokratische Partei die wirtschaftlichen Interessen der Arbeiter ihren politischen Bestrebungen dienstbar gemacht habe und daß Hunderttausende in ihr Lager getrieben seien, die sich unter anderen Umständen niemals zu den Grundsätzen der Sozialdemokratie bekannt haben würden. Jetzt suchten die letzteren das Koalitionsrecht der Arbeiter zu einem Zwecke auszunutzen, für den es nicht gegeben sei, nämlich nicht günstigere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erzielen, sondern ein Mitbestimmungsrecht über Entlassungbezw. Wiederanstellung von Arbeitern, Werkführern und Beamten, sowie über die Annahme und Ablehnung von Aufträgen seitens der Unternehmer und auf ein ausschließliches Recht die Einführung bestimmter Feiertage zu verlangen, wie sie denn auch die Einführung eines einheitlichen Maximalarbeitstages und die Abschaffung der Akkordarbeit für alle Gewerbe forderten. Trotzdem treffe die Schuld an den jetzigen unerfreulichen Verhältnissen nicht ausschließlich die Arbeiter, sondern ebenso die Arbeitgeber und die öffentliche Meinung, die, anstatt unpolitische Gewerkvereine in ihrem Eintreten für berechtigte Arbeiterforderungen zu unterstützen, vielmehr sie bekämpften und darauf ausgingen,jedeOrganisation der Arbeiter zu zerstören, hierdurch aber der Sozialdemokratie ungezählte Anhänger zuführten. Aus diesen Gründen sei eine Einschränkung des Koalitionsrechts durch verschärfte Strafgesetze zu verwerfen und die Abhülfe in einer straffen, möglichst einheitlichen Berufsorganisation der Arbeitgeber zu sehen. Diese solle grundsätzlich die Anbahnung eines gedeihlichen Zusammenwirkens mit den Arbeitern bezwecken und deshalb vor allem auf Schaffung allgemein geltender Arbeitsordnungen, auf kostenlosen Arbeitsnachweis, auf Durchführung der Arbeiterausschüsse für alle Betriebe und auf einen Zwang hinwirken, daß bei ausbrechenden Streitigkeiten unter allen Umständen beide Parteien vor einem Einigungsamte zu erscheinen und ihren Standpunkt zu vertreten hätten, wobei gleichzeitig auf eine amtliche Feststellung der dem Streite zu Grunde liegenden thatsächlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen sei, weil, falls wirklich eine Einigung nicht zu erreichen sei, schon diese Klarstellung zu einer Beruhigung der Gemüter führen werde. Um der Aufwerfung von Machtfragen seitens der Arbeiter zu begegnen, solle die Versicherung eintreten.

Man braucht nicht jeden Satz dieser Ausführungen zu unterschreiben und wird dennoch anerkennen müssen, daß dieselben von einem das Durchschnittsmaß der meisten heutigen Unternehmer weit überragenden sozialpolitischen Verständnisse getragen werden, daß sie den modernen Geist atmen, wie er in den kaiserlichen Erlassen vom 4. Februar 1890 zum Ausdruck kommt, auf die sie denn auch ausdrücklich Bezug nehmen.

Aber vielleicht war es gerade dieser Umstand, der das Unternehmen vielen Industriellen verdächtig machte, wenigstens teilteWeigertin der Generalversammlung des Bundes der Industriellen vom 10. Oktober 1898 mit, gerade die Vorschrift über die zwangsweise Anrufung des Einigungsamtes und die damit gegebene Zuziehung von Arbeitern zu gütlichen Verhandlungen habe einen großen Teil des Unternehmertums vor den Kopf gestoßen, indem darin ein unberechtigter Eingriff in die freie Selbstbestimmung und eine Schmälerung der Autorität des Unternehmers gefunden sei. Jedenfalls zeigte sich nach kurzer Zeit daß das Unternehmen dasjenige Maß von Unterstützung nicht fand, aufdas es angewiesen war, und so mußte schon am 7. Juli 1898 die Auflösung der Gesellschaft beschlossen werden. »Ein schöner, stolzer Plan war damit gefallen, die Sozialdemokratie, aus deren Preßäußerungen bei Gründung der „Industria“ deutlich herauszulesen war, mit welcher Angst sie dem Grundstein zu dem neuen, großen, geplanten Gebäude eines festeren Zusammenschlusses des Unternehmertums entgegensah, und die bereits zu dem Mittel eines großen Generalstreiks geraten hatte, behufs Sprengung der neuen Gesellschaft, konnte nunmehr wieder erleichtert aufatmen und triumphierend auf die Zersplitterung ihrer Gegnerschaft hinweisen[249].

Uebrigens hat das Unternehmen auch im Auslande großes Interesse gefunden, und in Dänemark, Schweden und Norwegen haben industrielle Kreise, die schon während des Bestehens der Gesellschaft mit ihr Fühlung gesucht hatten, den Plan aufgegriffen, auf dem bezeichneten Wege vorzugehen.

1.

Schon nach dem großen Kohlenarbeiterstreik von 1889 hat man imBergbaubegonnen, sich gegen Arbeiterstreiks zu schützen. So besteht seit einer Reihe von Jahren einAusstandsversicherungsverband des Oberbergamtsbezirks Dortmund, der Ende 1891 105 Zechen mit einer Förderung von jährlich30975847 Tonnen Kohlen, d. h. die Mehrzahl der Zechen und 4/5 der gesamten Förderung umfaßte und ein Vermögen von 1454924 Mk. besaß, auch im Jahre 1891 230000 Mk. an Entschädigungen gezahlt hatte[251].

Da alle Versicherungsgesellschaften der staatlichen Genehmigung bedürfen, so haben die Staatsbehörden Veranlassung gehabt, zu diesen Vereinigungen Stellung zu nehmen. Dies ist geschehen in einem Erlasse des Preußischen Ministers für Handel und Gewerbe vom 14. März 1892, in dem die Notwendigkeit betont ist, Arbeitgeber und Arbeitnehmer hierbei nach gleichen Grundsätzen zu behandeln. Hiernach werden für die Genehmigung folgende Bedingungen aufgestellt:

2.

Das Beispiel von Dortmund hat an anderen Orten Nachfolge gefunden. So schlossen im Juni 1892 dieOelsnitz-Gersdorf-Lugauer Steinkohlenbergwerkeeinen Vertrag, nach welchem Arbeiter, die 1. die vorgeschriebene Kündigung nichtinnehalten und auf Wunsch entlassen werden, 2. auf einem Werke, ohne die im § 80 unter b 1–6 des Berggesetzes vom 16. Juni 1868 aufgeführten Gründe für sich zu haben, von der Arbeit wegbleiben oder dieselbe verlassen, 3. nach Erlangung ihres Attestes resp. Lohnrestes sich in so roher oder ungebührlicher Weise betragen, daß ihre Aufführung durch Laufzettel bekannt gegeben wird, 4. aus einem der in § 90 unter a 1–11 des Berggesetzes aufgeführten Gründe sofort entlassen werden, auf keinem der betreffenden Werke bei Konventionalstrafe in Arbeit genommen werden dürfen.

3.

Aehnliche Zwecke verfolgt der„Magdeburger Braunkohlenbergbauverein“, der die Bergreviere Magdeburg und Halberstadt, die Herzogtümer Anhalt und Braunschweig, sowie „etwa unmittelbar anstoßende Gebiete“ umfaßt. Nach dem „Neuen Grundgesetz“ des Vereins vom 10. Juli 1890 bezweckt derselbe „durch geschlossenes Handeln die gemeinschaftlichen Interessen des Braunkohlenbergbaues zu wahren und zu heben, schädigende Einflüsse von demselben abzuhalten, etwa hervortretenden berechtigten oder unberechtigten Arbeiterbewegungen gegenüber Stellung zu nehmen, vorhandenen Mißständen abzuhelfen und überhaupt alles zu tun, was zum Wohle und Nutzen der Braunkohlenindustrie im allgemeinen und in lokaler Beziehung notwendig erscheint“.

Ueber das „Verhalten der Vereinswerke bei Arbeiterausständen“ bestimmt § 10:

„Tritt auf einem Werke eine Arbeitseinstellung ein und gelingt es demselben nicht, zu einer Einigung mit seinen Arbeitern zu gelangen, so ist es verpflichtet, sofort an die benachbarten Werke und an den Geschäftsführer des Vereins von dem Streike Nachricht zu geben und die beteiligten Arbeiter namhaft zu machen, während die Vereinswerke sich verpflichten, solche ihnen namhaft gemachte Arbeiter bis nach der Beschlußfassung der sofort einzuberufenden Vereinsversammlung nicht in Arbeit zu nehmen. Der Generalversammlung steht die Beschlußfassung in Bezug auf die Begegnung der Arbeitseinstellung mit 2/3 Majorität der Anwesenden zu“.

Nach § 11 behalten sich die Vereinswerke vor, „um Arbeiterausständen vorzubeugen, jederzeit ihnen geeignet scheinende Verabredungen und Beschlüsse zu fassen, wie sie andererseits aber auch sich für verpflichtet halten, das Wohl der auf den Vereinswerken beschäftigten Arbeiter in zweckentsprechender Weise durch gemeinschaftliches Vorgehen zu fördern“.

In der Metallindustrie sind solche Vereinbarungen sehr häufig.

1.

An der Spitze steht der bereits erwähnte„Gesamtverband Deutscher Metallindustrieller“.

Er verfolgt nach § 1 seiner Satzungen von 1891 den Zweck:

Jeder örtliche Verband oder Verein, der gleiche Zwecke verfolgt, kann als Bezirksverband Mitglied des Gesamtverbandes werden. Mit anderweitigen Vereinigungen verwandter Art sind besondere Abkommen zulässig.

Die Bestimmungen über das „Verfahren bei Ausständen und Sperren“ lauten:

„Die Entscheidung darüber, ob ein Ausstand im Sinne dieser Satzungen vorliegt, bezw. ob zur Bekämpfung eines drohenden oder ausgebrochenen Ausstandes gemeinsame Maßregeln der Arbeitgeber über die Grenzen eines einzelnen Bezirkes hinaus nötig sind, ist Sache des Bezirksvorstandes, in dessen Bezirk der Ausstand droht oder ausgebrochen ist.

Die Frage, ob ein Ausstand als Gesamtausstand oder als Einzelausstand zu behandeln ist, ist ebenfalls durch die betreffenden Bezirksverbände zu entscheiden. Als Grundsatz gilt dabei, daß ein Gesamtausstand für ein bestimmtes Fach vorliegt, wenn der größere Teil der Arbeiter dieses Faches im Bezirke die Arbeit niederlegt, während alle anderen Ausstände als Einzelausstände zu behandeln sind.

In den Satzungen der einzelnen Verbände muß vorgeschrieben sein, daß die Entscheidung über obige zwei Fragen einer Körperschaft, die aus mindestens fünf Mitgliedern besteht, übertragen wird und daß bei der Beschlußfassung die an dem ausgebrochenen Ausstande unmittelbar Betroffenen in der eigenen Sache keine Stimme haben“.

Erlischt ein Ausstand, so ist dies von dem Bezirksverbande, welcher die Aussperrung beantragt hat, sofort dem Vorstande des Gesamtverbandes anzuzeigen. Dieser hebt durch umgehende Mitteilung an die Bezirksverbände, sonstige Vereinigungen und Einzelbetriebe die Aussperrung der ausständisch gewesenen Arbeiter auf.“

Neben dem Gesamtverbande giebt es in der Metallindustrie auch noch eine Reihe von örtlich begrenzten Vereinen, die zum Teil dem Gesamtverbande angehören, zum Teil aber auch selbständig sind.

Ziele und Aufgaben sind in den Statuten ganz ähnlich, wie in dem Statute des Gesamtverbandes bezeichnet. Aber während nach dem letzteren jeder Ausstand, sofern er nicht beigelegt wird, ohne weiteres die Unterstützung des Verbandes findet, ohne daß dieser in eine Prüfung über die Berechtigung eintritt, ist eine solche Prüfung in mehreren der Einzelverbände vorgesehen.

2.

So bezweckt der„Verband der Metallindustriellen für Nürnberg, Fürth und Umgebung“nach seinem Statut vom 30. November 1893 freilich einerseits „die Interessen der Arbeitgeber zu wahren und dieselben in Einklang zu bringen mit den berechtigten Bestrebungen der Arbeitnehmer unter thunlichster Förderung dieser Bestrebungen“, auch „Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nach Kräften zu einem beide Parteien befriedigenden Resultat zu führen und zu erledigen, sowie das Wohl der bei den Mitgliedern beschäftigten Arbeiter fortgesetzt werkthätig zu fördern“, andererseits aber auch „unberechtigte Bestrebungen der Arbeitnehmer, welche darauf gerichtet sind, die Arbeitsbedingungen einseitig vorzuschreiben und insbesondere die zu diesem Zwecke geplanten oder veranstalteten Ausstände gemeinsam abzuwehren und in ihren Folgen unschädlich zu machen“. Ueber das Verfahren sind eingehende Vorschriften gegeben. Wird in einem Verbandswerke ein Ausstand oder eine Sperre erklärt, so hat der Besitzer sofort dem Vorstande Mitteilung zu machen. Dieser stellt eine Untersuchung darüber an, ob den Arbeitgeber ein Verschulden trifft, und wenn die Entscheidung dahin ausfällt, daß den Forderungen der Arbeiter nachzugeben sei, so hat der Fabrikant sich dem zu unterwerfen und die beschlossene Bewilligung der gestellten Forderung der Arbeiter durch Anschlag zur Kenntnis der letzteren zu bringen. Im entgegengesetzten Falle tritt der Verband für den Arbeitgeber in der Weise ein, daß er dessen Aufträge auf die übrigen Fabriken verteilt. Weigern sich die Arbeiter, dieselben auszuführen, so sind sie sofort zu entlassen, auch kann der Verband eine teilweise oder allgemeine Arbeitssperre anordnen. Jedes Mitglied hat durch Wechsel eine Kaution zu hinterlegen, die nach der Anzahl der beschäftigten Arbeiter 1000 bis 7000 Mk. beträgt. Bei Zuwiderhandlungen kann bis zu dieser Höhe eine Strafe festgesetzt werden.

3.

Ganz ähnlich ist die Angelegenheit von demVerbande der Metallindustriellen Magdeburgs und Umgegendgeregelt. Der Verband verfolgt noch seinem Statute den Zweck: 1. „die Interessen der Arbeitgeber zu wahren und im Einklang zu bringen mit den berechtigten Bestrebungen der Arbeitnehmer unter thunlichster Förderung dieser Bestrebungen, unberechtigten Forderungen der Arbeitnehmer oder eines besonderen Faches derselben oder gemeinsam entgegenzutreten, selbst wenn auchnur ein Mitglied des Verbandes davon betroffen wird, jedenfalls aber Streiks oder Sperren der Arbeitnehmer gemeinsam abzuwehren; 2. den Anschluß an bestehende ähnliche Verbände zu suchen und die Einrichtung solcher in anderen Städten anzustreben; 3. Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Kräften zu einem beide Parteien befriedigenden Resultate zu führen und zu erledigen; 4. wirtschaftliche, die gemeinsamen Interessen berührende Fragen zu besprechen.“

Ueber die näheren Umstände und das Verfahren sind besondere Ausführungsbestimmungen erlassen, aus denen folgendes zu erwähnen ist: „Bei Klagen der Arbeiter über Fabrikeinrichtungen, Fabrikordnungen und Lohnverhältnisse, ist der Fabrikherr zur sorgfältigen Prüfung und eventuellen Abstellung derselben verpflichtet. Bei Meinungsverschiedenheiten hierüber unterwerfen sich die Verbandsmitglieder dem Ausspruche des Ausschusses des Verbandes. In diesem Falle soll der Ausschuß eine Untersuchung einleiten und verpflichtet sein, beide Parteien zu hören.“ Für den Fall, daß es trotzdem zu einem Ausstande oder einer Sperre kommt, sind Bestimmungen getroffen, die sich mit denen des Nürnberger Verbandes fast wörtlich decken. Um die Durchführung der vom Verbande gefaßten Beschlüsse zu sichern, ist jedes Mitglied verpflichtet, im Zuwiderhandlungsfalle für den Kopf der bei ihm beschäftigten Arbeiter eine Vertragsstrafe von 30 Mk. zu zahlen und muß einen Solawechsel in der entsprechenden Höhe hinterlegen. Diese Strafgelder werden benutzt, um die Unkosten und Schäden zu tilgen, die den vertragstreu gebliebenen Mitgliedern durch die Arbeiterbewegung entstanden sind.

4.

Noch ausführlicher sind die Satzungen derVereinigung der Berliner Metallwarenfabrikantenvom 5. Oktober 1896. Zweck derselben ist:

Das Organ der Vereinigung ist die Vertrauenskommission, gegen deren Beschlüsse eine Berufung an die Generalversammlung stattfindet; doch können auch besondere Beamte angestellt werden. Falls ein Betrieb von einem Streik betroffen wird, so sind diejenigen Mitglieder, die einen gleichartigen Betrieb haben, verpflichtet, dem vom Streik betroffenen Betriebe durch Lieferung der notwendigen Arbeit helfend zur Seite zu stehen. Auf Antrag des betreffenden Unternehmers hat die Vertrauenskommission das Recht, sofort bis zu 10% der gleichartigen Arbeitskräfte der nicht vom Streik betroffenen gleichartigen Betriebe zu diesem Zwecke in Anspruch zu nehmen, auch die Preisfestsetzung vorzunehmen. Die zur Lieferung von Arbeit Verpflichteten haben diese zum Herstellungpreise mit einem Maximalzuschlage von 25% zu liefern. Ausständige Arbeiter dürfen in keinem Betriebe des Verbandes beschäftigt werden. Im übrigen sind die Befugnisse der Kommission, die Strafen und die Kautionsleistung ähnlich geordnet, wie bei dem Nürnberger Verbande, insbesondere hat die Kommission das Recht, die Arbeiter über den Grund ihrer Beschwerden zu vernehmen und falls sie diesem stattgiebt, muß der Unternehmer sich ihrer Entscheidung unterwerfen.

5.

Auf Anregung des Vereins der Metallwarenfabrikanten ist in einer von dem Obermeister zusammenberufenen Versammlung, die am 18. Dezember 1896 tagte, auch eine„Vereinigung der Berliner Klempner, Kupferschmiede, Gas- und Wasser-Installateure und verwandter Berufszweige“gebildet, die jedem Mitgliede die Beschäftigung ausständiger Arbeiter bei 50 Mk. Strafe für jeden Fall verbietet. Wird ein Mitglied von einen Streik betroffen, so kann die Vertrauenskommission von je 5 bei den anderen Mitgliedern beschäftigten Arbeitern einen zur Lieferung von Streikarbeit beanspruchen, für die höchstens 25% Zuschlag berechnet werden darf. Weigert sich ein Arbeiter, die Streikarbeit zu übernehmen, so wird er als Streikender betrachtet. Um die Durchführung dieser Maßregeln zu sichern, muß jedes Mitglied nach der Zahl der beschäftigten Arbeiter Kaution durch Sichtwechsel hinterlegen.

6.

Auch derVerein der Kupferschmiedereien Deutschlands, der am 10. Mai 1891 begründet ist und seinen Wohnsitz in Hannover hat, bezweckt u. a. „gemeinsameAbwehr unberechtigter Ansprüche der Arbeitnehmer“ und „geeignete Einwirkung auf die Arbeitgeber zur Erfüllung berechtigter Wünsche der Arbeitnehmer“. „Jedes Mitglied ist verpflichtet, unter keinen Umständen Gesellen Arbeit zu geben, die bei einem Vereinsmitgliede unberechtigterweise die Arbeit niedergelegt haben bezw. in Ausstand getreten sind, solange ihnen nicht durch den Vorstand die Mitteilung zugegangen ist, daß die betreffenden Arbeiter wieder eingestellt werden dürfen. Es ist Sache der Bezirksvereine, die nötige Sicherheit für die Erfüllung dieser Verpflichtung von seiten ihrer Mitglieder zu beschaffen, wenn nöthig durch Einforderung eines zu hinterlegenden Geldbetrages, welcher bei Nichterfüllung der Vorschriften dieses Paragraphen ganz oder teilweise an die Vereinskasse verfällt. Die Frage, ob eine Arbeitseinstellung als unberechtigt anzusehen ist, ist von dem Bezirksvorstande auf Anzeige des betreffenden Vereinsmitgliedes unter genauer Prüfung der Verhältnisse nach Pflicht und Gewissen zu entscheiden. Bei dieser Entscheidung hat, sofern es sich nicht um einen allgemeinen Ausstand handelt, das unmittelbar betroffene Mitglied keine Stimme. Die von einem Ausstande betroffenen Mitglieder haben sofort bei Ausbruch desselben dem Bezirksvorstande eine namentliche Liste der ausständischen Arbeiter zu übergeben. Erkennt der Bezirksvorstand den Ausstand als unberechtigt an, so hat derselbe

In dem Verzeichnisse sind die Personalverhältnisse möglichst genau anzugeben. Der Vereinsvorstand hat die ihm zugehenden Ausstandslisten schleunigst in einer der Mitgliederzahl entsprechenden Anzahl an die übrigen Bezirksvereine zu senden. Bei Ausständen von größerem Umfange hat der Vereinsvorstand mit Hilfe der Bezirksvorstände alle diejenigen Maßregeln zu ergreifen, welche zur Bekämpfung des Ausstandes geboten erscheinen.

Sämtliche Vereinsmitglieder sind verpflichtet, den ihnen bekannt gegebenen Anordnungen des Vereinsvorstandes in solchen Fällen unweigerlich Folge zu leisten. Es ist die Pflicht des Vereinsvorstandes, in Ausstandsfällen nach Möglichkeit auf eine gütliche Beilegung des Ausstandes hinzuwirken. Ist ein Ausstand erloschen bezw. beigelegt, so hat der Vereinsvorstand und die Bezirksvorstände auf möglichst schnellem Wege durch Mitteilung an die Vereinsmitglieder die Aussperrung der Arbeiter aufzuheben.“

7.

Eine fernere Vereinigung dieser Art ist der„Verband Berliner Metallindustrieller“, die nach dem Berichte der Vertrauenskommission vom 16. Februar1898 am Schlusse des Jahres 1897 119 Mitglieder mit 24500 Arbeitern zählte. Die in der Generalversammlung vom 16. Dezember 1897 angenommenen Satzungen stimmen, was den Zweck des Verbandes betrifft, im übrigen wörtlich überein mit den bereits mitgeteilten der Vereinigung Berliner Metallwarenfabrikanten (Ziff. 1–6) nur bezeichnen sie als Aufgabe noch weiter die Errichtung und Unterhaltung einer Arbeitsnachweisestelle, zu deren Benutzung die Mitglieder verpflichtet sind. Sobald ein Streikfall vorliegt, ist den Streikenden der Arbeitsnachweis zu versagen. Sonst ist das Verfahren bei Streitigkeiten mit den Arbeitern ebenso geregelt, wie bei den Metallwarenfabrikanten.

8.

Gleiche Zwecke verfolgt auch der im Juni 1897 gegründeteVerband der Metallindustriellen Württembergs. Auch er beabsichtigt „eine wirksame Vertretung der gemeinschaftlichen Interessen der Verbandsmitglieder zu organisieren, namentlich zur Abwehr gegen unberechtigte Bestrebungen der Arbeitnehmer, die Arbeitsbedingungen einseitig vorzuschreiben, zugleich aber auch zur Abstellung berechtigter Beschwerden der Arbeiterschaft in den Verbandsfabriken.“ Nach § 11 des Statutes ist jedes Verbandsmitglied, bei dem ein Streik ausbricht, verpflichtet, dem Verbandsvorstande sofort seine Lohn- und Arbeitsverhältnisse darzulegen. Dieser hat erforderlichenfalls nach Anhörung von Arbeitern der betreffenden Fabrik darüber zu beschließen, ob der Streik berechtigt ist oder nicht. Erklärt der Vorstand den Streik für nicht berechtigt, so darf kein Verbandsmitglied einen streikenden Arbeiter in seinem Betriebe beschäftigen und muß einen aus Versehen eingeteilten Arbeiter alsbald wieder entlassen; der Vorstand hat für Bekanntmachung der Namen der streikenden Arbeiter zu sorgen.

9.

Auch derVerband der Metallindustriellen in Halle a. d. S. und Umgegendbezweckt neben der Verfolgung der gemeinsamen Interessen insbesondere die gemeinsame Abwehr derjenigen Forderungen der Arbeiter, welche darauf gerichtet sind, die Arbeitsbedingungen in den Betrieben der Metallindustrie einseitig zu regeln. Jedes Mitglied hat für je 50 beschäftigte Arbeiter eine Stimme. Der Verband hat bei Streitigkeiten eines Mitgliedes mit seinen Arbeitern darüber zu entscheiden, ob die Notwendigkeit einer gemeinsamen Abwehr vorliegt. Die Mitglieder haben von einer Forderung auf Lohnerhöhung oder einer Streikandrohung seitens ihrer Arbeiter sofort dem Vorstande Anzeige zu machen. Kein Mitglied darf innerhalb der nächsten sechs Tage einen wegen Streiks oder Streikandrohung entlassenen Arbeiter eines anderen Mitgliedes beschäftigen. Entscheidet der Vorstand, daß der Fall einer gemeinsamen Abwehr vorliege, so dauert dieses Verbot fort. Die durch Streik betroffenen Mitglieder sollen seitensder übrigen durch Aushülfelieferungen zu Vorzugspreisen unterstützt werden; weigern sich die Arbeiter, solche Arbeiten auszuführen, so werden sie als Streikende behandelt. Im äußersten Falle ist die Verbandsversammlung befugt, mit ¾ Mehrheit die Einstellung des Betriebes in allen Verbandswerken zu beschließen. Jedes Mitglied hat wegen Erfüllung der Verbandsbeschlüsse eine Sicherheit von 300 Mk. für jede ihm zustehende Stimme zu hinterlegen.

Der Vertrag ist zunächst bis 31. Dezember 1891 abgeschlossen, bleibt aber in Kraft, sofern nicht halbjährliche Kündigung erfolgt.

10.

Weniger ausgearbeitet sind die Statuten des schon im November 1888 gegründetenVereins Braunschweigischer Metallindustrieller. Zweck des Vereins ist ebenfalls, die Interessen der Arbeitgeber zu wahren und dieselben in Einklang zu bringen mit den berechtigten Bestrebungen der Arbeitnehmer unter thunlichster Förderung dieser Bestrebungen, dagegen andererseits auch unberechtigten Forderungen der Arbeitnehmer oder eines besonderen Faches derselben gemeinsam entgegenzutreten, selbst dann, wenn nur ein einzelnes Mitglied davon betroffen wird. Politische Fragen sind von den Verhandlungen ausgeschlossen. Die zu ergreifenden Abwehrmaßregeln sind nicht bestimmt, sondern es heißt nur, »der Vorstand ist berechtigt, bei außergewöhnlichen Gelegenheiten über das Verhalten des Vereins einen Beschluß zu fassen; er teilt denselben den Mitgliedern rechtzeitig mit und werden diese im Interesse des Vereins thunlichst darnach handeln. Demgemäß findet die Hinterlegung einer Sicherheit nicht statt.

Der Verein hat am 14. März 1890 mit den Formern ein Abkommen getroffen, nach welchem eine gemeinsame Arbeitsnachweisestelle eingerichtet ist unter Leitung eines Mannes, der weder zu den Arbeitgebern noch zu den Formern in näherer Beziehung steht. Eine Kommission aus je zwei Arbeitgebern und Arbeitern führt die Aufsicht; bei Streitigkeiten wird ein neutraler Obmann gewählt.

11.

Auch derVerband der Metallindustriellen im Bezirk Leipzigwill freilich nach § 3 seiner Statuten „Bestrebungen anbahnen und unterstützen, welche dazu führen, die Interessen der Arbeiter in Einklang zu bringen mit den berechtigten Ansprüchen der Arbeitnehmer“. Aber auf der anderen Seite verfolgt er zugleich den Zweck, „unberechtigte Forderungen, insbesondere das Verlangen der Arbeitnehmer, die Arbeitsbedingungen einseitig zu bestimmen, gemeinsam abzuwehren, und zwar selbst dann, wenn sich dieses Verlangen auch nur in einzelnen zum Verbande gehörigen Betrieben bemerkbar macht“. Die Durchführung dieser Maßregeln ist durch eine besondere Instruktion geregelt.

Im Brauereigewerbe ist das von den Arbeitern bei Streitigkeiten mit den Unternehmern angewandte Kampfmittel nicht in erster Linie der Streik, sondern der Boykott, der sich aber nicht darauf beschränkt, daß die Arbeiter selbst den Genuß von Bier aus den betreffenden Brauereien unterlassen, sondern daß sie auch Wirtschaften, in denen deren Bier ausgeschenkt wird, nicht besuchen, um diese zum Aufgeben der Geschäftsbeziehung zu zwingen. Aus diesem Grunde ist von Antistreikvereinen der Brauereien nichts bekannt geworben[252], dagegen haben die letzteren den Schutz gegen Boykotts sehr nachdrücklich in die Hand genommen.

1.

Den Anfang machten dieBraunschweiger Bierbrauereien, indem sie Ende 1892 einen Verband gründeten, dessen Statuten folgendes bestimmen[253]: „Treten bei einem Mitglied Thatsachen hervor, welche den Ausbruch eines Boykotts wahrscheinlich machen, so ist die fragliche Brauerei verpflichtet, dies sofort unter genauer Darlegung der Verhältnisse dem Vorsitzenden anzuzeigen, welcher seinerseits sofort eine Versammlung, über die bis dahin die strengste Verschwiegenheit zu beobachten ist, einberuft. Alsdann beschließt die Versammlung, ob die schwebende Angelegenheit in Güte oder auf dem Zwangswege zu erledigen ist. Der Majoritätsbeschluß ist für die betroffene Brauerei bindend. Sollte eine gütliche Beilegung nicht erfolgen und infolgedessen von den hiesigen Sozialdemokraten eine Brauerei in Verruf erklärt werden, so treten zum Schutze der Brauerei folgende Bestimmungen in Kraft. Sämtliche Brauereigeschäfte entlassen das gesamte Arbeitspersonal mit Ausnahme bestimmter Personen. Wer von den entlassenen Arbeitskräften welche in Dienst nimmt, zahlt eine Konventionalstrafe von 10000 Mk. Bierfahrer einer anderen Brauerei dürfen bei Meidung der gedachten Konventionalstrafe nicht vor Ablauf von 3 Monaten nach Beendigung des Boykotts eingestellt werden. Von den entlassenen Leuten, insbesondere den Bierfahrern, ist während der Dauer des Boykotts jede Hülfeleistung verboten, selbst eine Begleitung der Geschirre ist auch ohne Lohngewährung oder anderweitige Vergütung nicht gestattet. Wer dies wissentlich zuläßt, zahlt ebenfalls die obengedachte Konventionalstrafe. Die Fälligkeit einer Konventionalstrafe ist durch die Versammlung mit zwei Drittel Majorität auszusprechen. Die Betroffenen haben sich der Abstimmung zu enthalten. Solltebei einer Brauerei ohne Wissen der leitenden Persönlichkeit ein Verstoß gegen die vorstehenden Bestimmungen vorkommen, so wird die gedachte Konventionalstrafe erst dann fällig, wenn nicht am Tage nach schriftlicher Aufforderung von seiten des Vorsitzenden dem Mangel abgeholfen ist. Für jeden Hektoliter Bier, welchen die boykottierte Brauerei infolge des Boykotts weniger verkauft, wird der betreffenden Brauerei vom Vereine eine Entschädigung von 3 Mk. gezahlt. Der Ersatzanspruch und demgemäß auch die Beitragspflicht beginnt mit dem Monate, in welchem der Boykott verhängt wird. Existieren Zweifel über das Datum, so bestimmt die Versammlung mit absoluter Majorität, welcher Zeitpunkt als Beginn des Boykotts zu betrachten ist. Das Ende eines Boykotts wird als eingetreten betrachtet: 1. wenn der wirkliche Absatz der boykottierten Firma während zweier aufeinanderfolgender Monate weniger als 6% hinter dem rechnungsmäßig gefundenen Soll-Absatze zurückbleibt, 2. wenn die gegen die boykottierte Firma verhängten Maßregeln betreffenderseits ausdrücklich zurückgenommen werden, 3. wenn die Versammlung es mit Einstimmigkeit (die boykottierte Firma hat sich der Stimmabgabe zu enthalten) beschließt. Wird der Boykott gegen sämtliche verbundene Brauereien erklärt, so tritt die hier vereinbarte Entschädigungspflicht nicht in Wirkung.“

2.

Das Vorgehen der Braunschweiger Brauereibesitzer gab den Anstoß zu einer ähnlichen Thätigkeit in ganz Deutschland. Zunächst beschlossen dienorddeutschen Brauerei-Industriellenin einer am 22. September 1894 in Friedrichroda abgehaltenen Versammlung die Gründung eines Abwehrverbandes und eines Garantiefonds zum Schutze gegen Boykotts, dessen Statut angenommen wurde. Wo Lokalverbände nicht bestehen, soll auf ihre Gründung und auf ihren Anschluß an den Zentralverband hingewirkt werden.

3.

Diebayrischen Brauereiensind diesem Beispiele gefolgt, indem aus dem bayrischen Brauerbunde heraus, dessen Mitgliederzahl 126 beträgt, am 21. Januar 1895 ein „Schutzkartell gegen Verrufserklärungen“ gegründet wurde, dem 26 Brauereien beitraten.

Die Art des Eingreifens ergiebt sich aus folgenden Statutenbestimmungen. Betrifft ein Boykott, auf welchen das Statut Anwendung findet, das Mitglied eines Ortsverbandes, so ist die Lieferung von Bier an Kunden der boykottierten Brauerei sämtlichen Mitgliedern des gesamten Landesverbandes während der Dauer des Boykotts und noch fernere 6 Monate lang untersagt, jedoch kann der Vorstand ausnahmsweise die Lieferung gestatten und die Bedingungen, insbesondere die seitens des Lieferanten dem Boykottierten zu leistende Entschädigungfestsetzen. Die Durchführung dieser Bestimmung ist durch eine Vertragsstrafe von 10 Mk. für jedes statutenwidrig gelieferte Hektoliter Bier gesichert, deren Mindestsatz jedoch 1000 Mk. beträgt. Als geliefert gilt schlechthin der auf die betreffende Zeit, bis die Einstellung der Lieferung nachgewiesen ist, berechnete Teil der Jahreslieferung der boykottierten Brauerei. Jedes Mitglied hat für jede 100 Hektoliter des von ihm im Jahre 1894 verbrauchten Malzes fünf Wechsel in Höhe von je 20 Mk. zu hinterlegen.

4.

Am 15. Februar 1895 wurde endlich der für ganz Deutschland bestimmte„Zentralverband deutscher Brauereien gegen Verrufserklärungen“gegründet, dem zunächst folgende Einzelverbände beitraten: 1. Verband Berliner Brauereien, 2. Verband der Brauereien Leipzigs und Umgegend, 3. Verband der Brauereien Magdeburgs und Umgegend, 4. Verband Braunschweiger Brauereien, 5. Verein der Brauereien von Hannover und Umgegend, 6. Verband der Brauereien von Bremen und Umgegend, 7. Verband der Brauereien von Dresden und Umgegend, 8. der Lokalverband der Brauereien von Halle a. S. und Umgegend. Später haben sich dem Zentralverbande noch eine Reihe anderer Vereine angeschlossen, so daß ihm zur Zeit 15 Lokalverbände angehören. Sowohl der Zentralverband wie die Lokalverbände beschränken sich auf die Abwehr von Verrufserklärungen, gleichviel, ob diese von Arbeitern oder von Gastwirten und anderen Konsumenten ausgehen. Eine Antistreikvereinigung bilden sie deshalb nicht. Den Anlaß zur Gründung gaben, wie schon bemerkt, die in den Jahren 1890 bis 1895 häufig seitens der Sozialdemokratie über einzelne Brauereien verhängten Boykotts, die mit den Lohnverhältnissen meistens nicht in unmittelbarer Beziehung standen, sondern am häufigsten mit Streitigkeiten über Hergabe von Sälen zu Versammlungslokalen zusammenhingen.

Der Zweck des Zentralverbandes ist, diejenigen Entschädigungen, welche die einzelnen Verbände nach Maßgabe ihrer Statuten ihren Mitgliedern zu gewähren haben, gemeinschaftlich zu tragen. Das Recht der Einmischung in den Streit selbst hat er nur, wenn der betreffende Lokalverband darum nachsucht doch muß ihm jederzeit über den Stand der Verhandlungen Auskunft gegeben werden. Bei dem Ersatze findet nur derjenige Schaden Berücksichtigung, den die durch den Boykott betroffenen Mitglieder der Lokalverbände durch verminderten Bierabsatz erlitten haben. Maßgebend für die Berechnung sind die Satzungen der Lokalverbände, doch darf die Entschädigung keinesfalls 3 Mk. für das Hektoliter übersteigen. Während der Dauer eines Boykotts dürfen die Mitglieder eines Lokalverbandes mit Kunden boykottierter Mitglieder anderer Lokalverbände keine neue Geschäftsverbindung anknüpfen, auch sind erstere verpflichtet,ihre Lieferungen an ihre bisherigen Abnehmer, sofern dieselben gleichzeitig Kunden boykottierter Mitglieder anderer Lokalverbände sind, in denjenigen Grenzen zu halten, welche dem bisherigen Umfange der Geschäftsverbindung mit den betreffenden Abnehmern entsprechen. Wenn Mitglieder der Lokalverbände diesen Bestimmungen zuwider handeln, so haben diejenigen Lokalverbände, denen sie angehören, an den Zentralverband für jedes Hektoliter Bier, welches der Verpflichtung entgegen geliefert ist, eine Strafe von 5 Mk. zu entrichten.

Der Zentralverband hat übrigens auch einNormalstatut für die Lokalverbändebeschlossen, dessen Zugrundelegung er fordert. Aus demselben sind folgende Bestimmungen hervorzuheben:

Jede dem Verbande angehörige Brauerei giebt durch die Thatsache des Beitrittes die Erklärung ab, daß sie von dem Zeitpunkte ab, zu welchen sie Ansprüche der in den folgenden Paragraphen gedachten Art geltend macht, dem Rechte entsagt, Verhandlungen über die Aufhebung eines über sie verhängten Boykotts selbst oder durch einen andern Beauftragten, als den Verband, zu führen. Durch die an den Verband gerichtete Ankündigung, aus einem Boykott Ansprüche geltend machen zu wollen, erteilt die boykottierte Brauerei zugleich dem Verbande Auftrag und Vollmacht, diese Verhandlungen für sie und in ihren Namen zu führen und die Bedingungen der Aufhebung des Boykotts mit verbindlicher Kraft für sie zu vereinbaren. Bei den Verhandlungen hat die boykottierte Brauerei kein Stimmrecht. Ein Verbandsmitglied, welches ohne Ermächtigung des Verbandes Verhandlungen über Aufhebung der Boykotts führt, verliert alle Rechte gegen den Verband. Jede boykottierte Brauerei erhält während der Dauer des Boykotts für dasjenige Quantum Bier, welches sie vom Tage ihrer Anmeldung ab nachweislich infolge des Boykotts weniger als bisher absetzt, für jedes Hektoliter vom Verbande eine im Statut festgesetzte Entschädigung. Die nicht boykottierten Brauereien sind befugt, die Bierlieferungen an die Kunden boykottierter Brauereien zu übernehmen, jedoch verpflichtet, dafür während des Boykotts die festgesetzte Vergütung für jedes Hektoliter an den Verband zu zahlen. Als Kunde gilt der Abnehmer, der wenigstens 2 Monate lang vor Beginn der Boykotterklärung ganz oder teilweise sein Bier von der betreffenden Brauerei bezogen hat, und zwar auch dann, wenn er nach der Boykotterklärung sein Bier eine Zeit lang, jedoch nicht länger als 2 Monate, von einer oder mehreren anderen Brauereien bezogen hat. Ist ein Boykott zufolge Beschlusses des Vorstandes aufgehoben, so muß diejenige Brauerei, welche an Stelle der boykottierten an Kunden der letzteren Bier geliefert hat, diese Lieferungen sofort einstellen. Das Verbot der Weiterlieferung erlischt jedoch nach Ablauf von 3 Monaten seit Aufhebung des Boykotts. Soweit nicht eine besondere Entschädigungspflicht einzelner Brauereien vorliegt, werdendie zu leistenden Entschädigungen durch Beiträge aller dem Verbande angehörigen Brauereien, also einschließlich der Boykottierten, nach dem Maße der im letzten Betriebsjahre versteuerten Malzmengen aufgebracht. Zur Sicherheit für Erfüllung der statutenmäßigen Verpflichtungen hat jede Brauerei einen Solawechsel in Höhe des statutenmäßig bestimmten Betrages für jede 1000 Zentner der versteuerten Malzmenge zu hinterlegen. In dem Normalstatut ist eine Vorschrift darüber nicht enthalten, ob die Vereine sich die Befugnis vorbehalten, über die Frage, ob die boykottierte Brauerei in dem der Boykottierung zu Grunde liegenden Streite im Rechte oder im Unrechte ist, ein Urteil zu fällen, doch nehmen nach der Praxis die Vereine eine solche Befugnis in Anspruch; sie stützen sich auf § 16 der Statuten, nach dem der Ausschluß aus dem Verbande gegen eine Brauerei verfügt werden kann, „die den Zwecken des Verbandes vorsätzlich oder grob fahrlässig zuwiderhandeln, insbesondere ihre Boykottierung absichtlich herbeigeführt haben[254].“


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