Fußnote:[54]Mitteilungen über italienische Gewerkschaften finden sich in:C. F.Ferrari,Saggi di economia statistica, übersetzt vonEhebergin Schmollers Jahrb. Bd. V, S. 247 ff., außerdem in derStatistica della società di mutuo soccorso, Rom 1888, p. XV und inColnaghi,Italy, the condition of labour 1891. Im allgemeinen ist die Litteratur über italienische Arbeiterverhältnisse äußerst dürftig, so daßBiermerim Handw. d. Staatsw., II. Erg.-Bd., S. 437 bemerkt: „Ueber die Organisation der Arbeiter und Arbeiterinnen sind wir so gut wie nicht unterrichtet.“ Die beste deutsche Quelle bilden die Aufsätze vonSombartin den „Blättern für sozial. Praxis“ und »Braun's Archiv für soz. Gesetzgebung, insbesondere Bd. VI, S. 209, 215, 549, 557, Bd. VIII, S: 521 ff. Vgl. außerdemVirgili, daselbst Bd. XI, S. 726. Einen Ueberblick über die Entwickelung der „Italienischen sozialistischen Partei“ giebt der für den internationalen Arbeiterkongreß in London 1896 erstattete Bericht vom 27. Juli 1896. Mailand. Druckerei des Vorstandes der sozialistischen Partei.
Fußnote:
[54]Mitteilungen über italienische Gewerkschaften finden sich in:C. F.Ferrari,Saggi di economia statistica, übersetzt vonEhebergin Schmollers Jahrb. Bd. V, S. 247 ff., außerdem in derStatistica della società di mutuo soccorso, Rom 1888, p. XV und inColnaghi,Italy, the condition of labour 1891. Im allgemeinen ist die Litteratur über italienische Arbeiterverhältnisse äußerst dürftig, so daßBiermerim Handw. d. Staatsw., II. Erg.-Bd., S. 437 bemerkt: „Ueber die Organisation der Arbeiter und Arbeiterinnen sind wir so gut wie nicht unterrichtet.“ Die beste deutsche Quelle bilden die Aufsätze vonSombartin den „Blättern für sozial. Praxis“ und »Braun's Archiv für soz. Gesetzgebung, insbesondere Bd. VI, S. 209, 215, 549, 557, Bd. VIII, S: 521 ff. Vgl. außerdemVirgili, daselbst Bd. XI, S. 726. Einen Ueberblick über die Entwickelung der „Italienischen sozialistischen Partei“ giebt der für den internationalen Arbeiterkongreß in London 1896 erstattete Bericht vom 27. Juli 1896. Mailand. Druckerei des Vorstandes der sozialistischen Partei.
[54]Mitteilungen über italienische Gewerkschaften finden sich in:C. F.Ferrari,Saggi di economia statistica, übersetzt vonEhebergin Schmollers Jahrb. Bd. V, S. 247 ff., außerdem in derStatistica della società di mutuo soccorso, Rom 1888, p. XV und inColnaghi,Italy, the condition of labour 1891. Im allgemeinen ist die Litteratur über italienische Arbeiterverhältnisse äußerst dürftig, so daßBiermerim Handw. d. Staatsw., II. Erg.-Bd., S. 437 bemerkt: „Ueber die Organisation der Arbeiter und Arbeiterinnen sind wir so gut wie nicht unterrichtet.“ Die beste deutsche Quelle bilden die Aufsätze vonSombartin den „Blättern für sozial. Praxis“ und »Braun's Archiv für soz. Gesetzgebung, insbesondere Bd. VI, S. 209, 215, 549, 557, Bd. VIII, S: 521 ff. Vgl. außerdemVirgili, daselbst Bd. XI, S. 726. Einen Ueberblick über die Entwickelung der „Italienischen sozialistischen Partei“ giebt der für den internationalen Arbeiterkongreß in London 1896 erstattete Bericht vom 27. Juli 1896. Mailand. Druckerei des Vorstandes der sozialistischen Partei.
Wie in Italien, so haben sich auch in den noch zu erwähnenden europäischen Ländern die meist noch sehr geringen Ansätze einer gewerkschaftlichen Bewegung im Anschlusse an die politische Sozialdemokratie entwickelt.
InDänemarkging die Bewegung von der Internationale aus, indem 1871 der „Internationale Arbeiterverein für Dänemark“ gebildet wurde, der, in eine Reihe von Sektionen für die verschiedenen Gewerbe eingeteilt, die Beförderung von Arbeitseinstellungen und die Schaffung von Produktivgenossenschaften als seine Aufgabe ansah. Als 1873 die Internationale polizeilich aufgelöst und verboten wurde, bildeten die einzelnen Sektionen selbständigeGewerkvereine, deren es damals 27 gab, von denen aber die Mehrzahl sich später wieder zu einem „Sozialdemokratischen Bunde“ zusammenschlossen. Seit 1880 ist dieGewerkschaftsbewegungstärker geworden und es haben sich in den meisten Betriebszweigen Gewerkvereine gebildet. Auf dem sozialdemokratischen Kongreß, der Ende Juli 1892 in Kopenhagen stattfand, wurde die Zahl der politischen Parteiangehörigen auf 15000, diejenige der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter auf 32000 angegeben.
Ueber die Fortschritte in den letzten Jahren geben folgende Zahlen Anhalt:
Die Verteilung auf die einzelnen Berufe ergiebt sich aus folgender Tabelle:
Außerdem giebt es noch Zentralverbände der Weißgerber, Lithographen und der Dienstboten, die zusammen 12 Lokalvereine mit etwa 1000 Mitgliedern hatten.
Vom 3. bis 5. Januar 1898 ist in Kopenhagen der erste reineGewerkschaftskongreßabgehalten, auf dem 943 gewerkschaftliche Organisationen mit 69720 Mitgliedern durch 403 Abgeordnete vertreten waren. Hier wurde der Zusammenschluß sämtlicher Fachvereine zu einem einheitlichen Verbande unter dem Namen: „Vereinigte Fachverbände Dänemarks“ erreicht. An dessen Spitze steht ein Zentralvorstand aus 21 Mitgliedern, zu denen noch zwei Mitglieder des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei hinzutreten. Der Zentralvorstand wählt einen geschäftsführenden Ausschuß von fünf Personen. Der Schwerpunkt der Leitung fällt in die Einzelverbände, doch ist für wichtige Fälle die Entscheidung des Zentralvorstandes vorbehalten, z. B. muß jeder Streik bei ihm angemeldet werden und bedarf seiner Genehmigung, wovon die aus dem Zentralfonds zu zahlende Streikunterstützung von wöchentlich 10 Kronen für Männer und 6 Kronen für Frauen abhängig ist. Die Mittel sollen durch Sondersteuern der Mitglieder in Höhe von wöchentlich 25–50 Oere aufgebracht werden. Außerhalb des Verbandes stehen 52 lokale Vereine in Kopenhagen mit etwa 20000 Mitgliedern. Es wurde beschlossen, für die Durchführung des Achtstundentages einzutreten. Neben mehreren Fachorganen besitzt auch der Gewerkschaftsbund eine eigene Wochenzeitung. Die Beiträge belaufen sich auf jährlich 20 Oere. Es soll in der Regel kein Streik unterstützt werden, bei dem nicht ein Versuch der gütlichen Beilegung oder eines schiedsgerichtlichen Verfahrens gemacht ist; dabei ist der Zentralvorstand zuzuziehen. Für die erste Woche wird Unterstützung seitens des Verbandes nicht gezahlt[55].
Auch die politischen Vereine derSozialdemokratiebilden einen einheitlichen Verband. Die Partei besitzt im Reichstage 11 Abgeordnete und hat fünf Tageszeitungen, von denen die gelesenste, „Socialdemokraten“, allein in Kopenhagen 33000, die übrigen zusammen etwa 17000 Abonnenten haben. Daneben giebt es ein wöchentlich erscheinendes gemeinsames Gewerkschaftsorgan, und endlich besitzen die meisten Gewerkschaften ihr eigenes Fachblatt.
InNorwegen[56]gab es bis zum Jahre 1886 nur wenige und unbedeutende Arbeitervereine, die aber kaum einen gewerkschaftlichen Karakter trugen, sondern neben der Krankenunterstützung vorwiegend gesellige Zwecke verfolgten.Die einzige Ausnahme bildeten die Buchdrucker, die schon seit 1874 eine gewerkschaftliche Organisation besitzen und auch heute an der Spitze der Bewegung marschieren. Aus den Mitgliederbeiträgen von wöchentlich 1 Krone (= 1 Mk. 12½ Pfg.) werden außer der Verbandskasse eine Streikkasse, eine Arbeitslosigkeitskasse, eine Reisekasse, eine Krankenkasse und eine Sterbekasse unterhalten.
Eine allgemeine gewerkschaftliche Bewegung beginnt erst seit 1886, und ist auch heute noch wenig entwickelt. Bis 1890 gab es nur lokale Vereine; seit dieser Zeit haben sich nicht allein die meisten Vereine desselben Gewerbes zu Zentralvereinen zusammengeschlossen, sondern es haben sich auch Gesamtverbände gebildet. Endlich bestehen in den meisten größeren Städten Kartelle der verschiedenen Fachvereine.
Ende 1898 gab es folgende 13 Zentralvereine:
Daneben giebt es aber noch in Christiania einen Verband unter dem Namen „De samwirkende Fagforeninger i Kristiania“, dem 50 Vereine mit 6000 Mitgliedern angehören und der eine gemeinsame Unterstützung in Streikfällen bezweckt. Zu ihm gehören die meisten der oben aufgeführten Vereine, soweit sie in Christiania ihren Sitz haben, daneben aber auch noch andere nicht zu Zentralverbänden zusammengeschlossene Fachvereine. Endlich besteht noch unter dem Namen „Norsk Fagforbund“ ein Verband von 30 Vereinen mit etwa 2000 Mitgliedern, der insofern von den Zentralverbänden und den „Samwirkende Fagforeninger“ unabhängig ist, als seine Mitglieder keiner von beiden Organisationen angehören.
Zusammengenommen giebt es in Norwegen etwa 270 Fachvereine mit ungefähr 24000 Mitgliedern.
Auf dem am 2. April 1899 in Christiania abgehaltenen Gewerkschaftskongresse, auf dem 73 Vereine mit rund 20000 Mitgliedern durch 113 Abgesandte vertreten waren, wurde unter dem Namen „Landesorganisation der norwegischen Fachvereine“ ein Zentralverband für das ganze Land gebildet.
Von den politischen Parteien haben sich sowohl die Sozialdemokraten wie die Liberalen der Gewerkschaftsbewegung angenommen. Die ersteren haben erst seit 1884 eine Organisation, indem damals auf dem Arbeitertage in Arendal die Norwegische Arbeiterpartei (Det norske Arbeiderparti) gegründet wurde, die zur Zeit 80 Vereine mit etwa 12000 Mitgliedern zählt. Von den Vereinen haben 36 ihren Sitz in Christiania, 44 in der Provinz. Der Einfluß der Sozialdemokratie überwiegt in den meisten der obengenannten Fachvereine (mit Ausnahme der Buchdrucker) und in denSamwirkende Fagforeninger, während derNorsk Fagforbundden Liberalen folgt, die auch eine politische Organisation in den „Vereinigten norwegischen Arbeitergesellschaften“ (De forenede norske Arbeidersamfund) geschaffen haben. In der Nationalversammlung hat die Sozialdemokratie bisher noch keinen Vertreter; seitens der Hauptstadt ist in dieselbe ein Buchdrucker gewählt, der sich zu der liberalen Partei zählt.
InSchweden[57]ist ebenfalls sowohl die politische, wie die gewerkschaftliche Bewegung bisher nur schwach entwickelt. Beide haben erst seit 1885 begonnen; 1889 wurden die bestehenden Einzelvereine zu einer einheitlichensozialdemokratischen Parteizusammengefaßt, deren Mitgliederzahl auf dem Kongresse in Gothenburg 1894 auf 7000 angegeben wurde, dagegen war sie im Juli 1897 auf 21261 angewachsen.
Gewerkschaftliche Zentralverbände gab es Ende 1895 in folgenden Gewerben: 1. Metallarbeiter, 2. Gießer, 3. Klempner und Blecharbeiter, 4. Holzarbeiter, 5. Schuharbeiter, 6. Schneider, 7. Sattler und Tapezierer, 8. Erd- und Hafenarbeiter, 9. Maurer, 10. Maler, 11. Töpfer, 12. Böttcher, 13. Bäckereiarbeiter, 14. Buchbinder, 15. Kellner, 16. Buchdrucker. Für sämtliche Verbände war der Vorort Stockholm mit Ausnahme der Klempner (Malmö), Schuharbeiter (Gothenburg), Sattler und Tapezierer (Gothenburg), Erd- und Hafenarbeiter (Helsingborg), Maurer (Malmö). Die Tabakarbeiter besitzen einen Verband für die drei skandinavischen Länder mit dem Vorort Stockholm.
Ueber die Mitgliederzahlen liegen nur Angaben vor von den in Stockholm bestehenden Ortsvereinen. Von diesen hatten die Metallarbeiter 9 Vereine mit 843, die Gießer 240, die Klempner und Blecharbeiter 2 Vereine mit 161, dieHolzarbeiter 7 Vereine mit 385, die Schuharbeiter 2 Vereine mit 266, die Schneider 461, die Sattler und Tapezierer 2 Vereine mit 72, die Erd- und Hafenarbeiter 2 Vereine mit 350, die Maurer 240, die Maler 508, die Böttcher 44, die Tabakarbeiter 125 Mitglieder. Außerdem gab es in Stockholm noch 36 Fachvereine, die keinem Zentralverbande angehörten, u. a. Bürstenbinder mit 19, Seiler mit 20, Zuckerraffinadeure mit 35, Telegraphen- und elektrische Arbeiter mit 70, Brauereiarbeiter mit 282, Gerbereiarbeiter mit 12, Gasarbeiter mit 25, Handelshülfsarbeiter mit 85, Pantoffelmacher mit 20, chemisch-technische Arbeiter mit 38, Rohrarbeiter mit 275, Gepäckträger mit 60, Korbmacher mit 30, Porzellanarbeiter mit 32, Buchdrucker mit 36 Mitgliedern. Die meisten dieser Mitglieder sind gleichzeitig solche der sozialdemokratischen Partei, die in Stockholm 3500 Mitglieder besitzt. In einzelnen dieser Fachvereine, z. B. bei den Holzarbeitern, hat die Stellung zur Sozialdemokratie schwere Kämpfe hervorgerufen, doch haben schließlich deren Anhänger meistens den Sieg davongetragen.
Einen Markstein der gewerkschaftlichen Entwickelung bildet der vom 5. bis 8. August 1898 inStockholmabgehaltenenGewerkschaftskongreß, auf dem es gelang, den Zusammenschluß zu einereinheitlichen Landesorganisationherbeizuführen. Anwesend waren 269 Vertreter für 23 Gewerkschaftsverbände, 13 Lokalvereine und 19 „Arbeitergemeinden“ (lokale Gesamtorganisationen entsprechend den deutschen Gewerkschaftskartellen) mit insgesamt über 50000 Mitgliedern, bei weitem mehr, als bis dahin auf einem schwedischen Arbeiterkongresse vertreten waren. Die geschaffene Landesorganisation bezweckt durch Einfordern von Berichten eine möglichst vollständige Uebersicht über die Wirksamkeit der Gewerkschaften zu erlangen, durch ein Sekretariat diese Berichte zu verarbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen in allen Fällen, wo die Arbeitgeber durch Aussperrungen die Organisation oder die Bestrebungen der Arbeiter auf Verbesserung ihrer Lohn- und Arbeitsverhältnisse hindern, wo das Koalitionsrecht bedroht ist, sowie bei erheblichen Lohnherabsetzungen. Die Einzelvereine sollen sich zuZentralverbändenzusammenschließen, die ihrerseits die Landesorganisation bilden; ebenso sollen örtliche Gewerkschaftskartelle gebildet werden. Nur wenn Zentralverbände fehlen, können die Einzelvereine unmittelbar dem Landesverbande beitreten. Die Leitung des letzteren wird geführt durch ein aus 5 Mitgliedern bestehendesSekretariat, das von einemAusschusseaus Vertretern der Zentralverbände kontrolliert wird. Die oberste Instanz ist derKongreß, auf dem alle Vereine nach ihrer Größe vertreten sind.Streikswerden nur dann unterstützt, wenn sie von dem Sekretariat gebilligt sind und mehr als 5% der Mitglieder umfassen. Die Mittel werden durch wöchentliche Steuern von 25 Oere aufgebracht. Ein Hauptpunktdes Streites war die Frage, ob dem Vereine die Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Partei zur Pflicht gemacht werden sollte. Nach dreitägigen Debatten siegte die bejahende Ansicht mit 173 gegen 83 Stimmen bei 7 Enthaltungen, jedoch wurde für den Anschluß eine Frist von drei Jahren gestattet.
Seit mehreren Jahren hat man übrigens angefangen, einegemeinsame Organisation der drei skandinavischen Länderins Auge zu fassen, indem man gemeinsame Kongresse veranstaltet, die zugleich für die politische und für die gewerkschaftliche Bewegung bestimmt sind. So wurde auf dem am 18. August 1892 inMalmöabgehaltenenskandinavischen Sozialistenkongresseder Zusammenschluß aller Fachvereine der drei Länder namentlich zum Zwecke des gemeinsamen Vorgehens in Lohnfragen beschlossen. Ebenso faßte der vom 19. bis 22. Juni 1897 inStockholmstattgefundeneskandinavische Arbeiterkongreß, auf dem 51 dänische, 24 norwegische und 101 schwedische Vertreter anwesend waren, eine Resolution, in welcher als gemeinschaftliche Aufgabe der politischen und der gewerkschaftlichen Arbeiterorganisation bezeichnet wurde, die Arbeiter zum Kampfe für die Anerkennung ihrer Menschenrechte zu sammeln, um unter den gegenwärtigen kapitalistischen Verhältnissen die bestmöglichen ökonomischen Bedingungen und die politische Freiheit zu erringen und die Arbeiter über die wirtschaftliche Entwickelung und ihre Folgen aufzuklären. Um Verbesserungen in den Existenzbedingungen der Arbeiter zu erreichen, sollen die gewerkschaftlichen und politischen Organisationen Einfluß auf die gesetzgebenden Körperschaften zu gewinnen suchen und bei jeder Gelegenheit solche Fragen behandeln, die in sozialökonomischer oder politischer Beziehung für die Arbeiter von Wichtigkeit sind. Der gewerkschaftliche Kampf ist so lange nötig, bis die Gesellschaft selbst die Produktionsmittel in Besitz nimmt, aber durch diesen Kampf kann die Ausbeutung nicht abgeschafft, sondern nur gemildert werden. Als Ziel wurde die Erringung des allgemeinen Wahlrechts bezeichnet und als Mittel zu dessen Erreichung eine allgemeine Arbeitseinstellung ins Auge gefaßt. Die Gewerkschaften sollen in jedem Lande von einem Sekretariate geleitet werden und sich in allen drei Ländern bei Streiks gegenseitig unterstützen.
Von den einzelnen Gewerben sind dieBäckerbisher am besten organisiert. Auf einem im September 1895 in Kopenhagen abgehaltenen Kongreß der skandinavischen Bäckergesellen wurde mitgeteilt, daß in Christiania eine Organisation besteht, die in dieser Stadt 800, im übrigen Norwegen 500 Mitglieder zählt. Der dänische Bäckerverband hat etwa 800 Mitglieder. Der Kongreß beschloß die Bildung einesskandinavischen Bäckereiarbeiterverbandesunter der Bedingung, daß die drei Länder gegenseitige Reise- und Unterstützungskassen errichten, dagegen jedes Land seine eigene Organisation behält. —
InRumänienhat die Arbeiterpartei auf ihrem Parteitage im Juni 1894 beschlossen, in allen Orten, wo Industrie vorhanden ist, Gewerkschaftsorganisationen zu gründen. (Adresse:Josef Schneid, Bukarest,Clubul Muncitorilor Palatul Bâilor Etorie). —
FürSpanienbesteht nach einer mir zugegangenen Notiz ein Nationales Arbeitersekretariat (M.Antonio Garcia Quejido, Barcelone Sadurni, 3 I).
FürPortugalhat ein im August 1892 abgehaltener und von 96 Abgeordneten besuchter Arbeiterkongreß die Bildung gewerkschaftlicher Organisationen beschlossen, welche Widerstandskassen gründen, aber gegen leichtfertige Streiks auftreten und daneben die Schaffung von Arbeiterschutzgesetzen für Frauen und Kinder, von Gewerbegerichten und Arbeitsbörsen, sowie die Unterdrückung der Gefängnisarbeit verfolgen sollen.
Fußnoten:[55]Der Wortlaut des Organisationsstatutes ist in Nr. 21 des „Correspondenzblattes der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands“ vom 23. Mai 1898 veröffentlicht.[56]Die nachfolgende Darstellung beruht auf den von Herrn Dr.Oscar Jägerin Christiania mir gemachten Mitteilungen, die sich ihrerseits auf Angabe des Geschäftsführers der Norwegischen sozialdemokratischen Partei stützen.[57]Die folgenden Angaben, die ich Herrn Dr.Uppströmin Stockholm verdanke beruhen überwiegend auf dem letzten der alle 5 Jahre von dem Oberstatthalteramte in Stockholm veröffentlichten Bericht für 1890–1895.
Fußnoten:
[55]Der Wortlaut des Organisationsstatutes ist in Nr. 21 des „Correspondenzblattes der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands“ vom 23. Mai 1898 veröffentlicht.
[55]Der Wortlaut des Organisationsstatutes ist in Nr. 21 des „Correspondenzblattes der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands“ vom 23. Mai 1898 veröffentlicht.
[56]Die nachfolgende Darstellung beruht auf den von Herrn Dr.Oscar Jägerin Christiania mir gemachten Mitteilungen, die sich ihrerseits auf Angabe des Geschäftsführers der Norwegischen sozialdemokratischen Partei stützen.
[56]Die nachfolgende Darstellung beruht auf den von Herrn Dr.Oscar Jägerin Christiania mir gemachten Mitteilungen, die sich ihrerseits auf Angabe des Geschäftsführers der Norwegischen sozialdemokratischen Partei stützen.
[57]Die folgenden Angaben, die ich Herrn Dr.Uppströmin Stockholm verdanke beruhen überwiegend auf dem letzten der alle 5 Jahre von dem Oberstatthalteramte in Stockholm veröffentlichten Bericht für 1890–1895.
[57]Die folgenden Angaben, die ich Herrn Dr.Uppströmin Stockholm verdanke beruhen überwiegend auf dem letzten der alle 5 Jahre von dem Oberstatthalteramte in Stockholm veröffentlichten Bericht für 1890–1895.
In den Vereinigten Staaten von Nordamerika sind die Vorbedingungen für die gewerkschaftliche Entwickelung insofern denen in der Schweiz ähnlich, als derselben keinerlei staatliche Hindernisse entgegenstehen, ja die politische Freiheit ist in Amerika aus dem Grunde noch unbeschränkter, als in der Schweiz, weil das Land gegen fremde Einflüsse gesichert ist. Wenn deshalb in beiden Ländern die Arbeiterbewegung sich nicht, wie in Deutschland, Oesterreich und zum Teil in Frankreich in einer der Staatsgewalt feindlichen Richtung vollzogen und überhaupt nicht eine Bedeutung erlangt hat, aus der den übrigen Bevölkerungsklassen Gefahr drohen könnte, so liegt es nahe genug, hierin einen inneren Zusammenhang zu finden und daraus den Schluß zu ziehen, daß nur der Druck den Gegendruck erzeugt. Uebrigens nimmt Amerika noch in einer anderen Beziehung gegenüber allen europäischen Ländern eine Sonderstellung ein, nämlich insofern, als die Bevölkerung im Verhältnis zu der Ausdehnung des Landes gering ist und deshalb Arbeitslosigkeit, falls sie die Folge von Uebervölkerung wäre, hier ausgeschlossen sein müßte. Wenn in Wahrheit auch in Amerika Verkehrskrisen und Arbeitslosigkeit eine kaum geringere Rolle spielen,als in Europa, so ist der Schluß nicht abzuweisen, daß der Grund dieser traurigen Erscheinungen in Verhältnissen ihren Grund haben müsse, die diesseits wie jenseits des Ozeans in gleichem Maße Geltung haben.
Wie in der Schweiz, so kommt auch in Nordamerika bei der sozialen Entwickelung ein gewisser Gegensatz des deutschen Elementes gegen das einheimische in Betracht, der um so wichtiger ist, als hier wie dort das erstere sich den Einflüssen des Sozialismus in weit höherem Grade zugänglich zeigt, als einerseits das schweizerische und andererseits das englisch-amerikanische. In beiden Ländern finden wir aber auch innerhalb der deutschen Arbeiterschaft eine Teilung hinsichtlich der Stellung zu der Frage des Internationalismus. Die vonMarxgeleitete Internationale hat hier wie dort anfangs einen nicht unerheblichen Einfluß geübt, der aber schließlich ganz zurückgedrängt wurde. Um aber die Parallele zwischen beiden Ländern zu vervollständigen, finden wir endlich beiderseits die Nachwirkungen der innerhalb der Internationale eingetretenen Spaltung zwischen Sozialisten und Anarchisten. Dagegen ist eine Besonderheit des englisch-amerikanischen Wesens eine eigentümliche kirchlich-religiöse Richtung und die wohl hiermit in Verbindung stehende Neigung, auch Vereinen, deren Zweck vorwiegend auf wirtschaftlichem Gebiete liegt, einen gewissen Ordenskarakter mit allerlei wunderlichem Ritual zu geben, womit eine stark autoritäre Stellung des Vorsitzenden verbunden zu sein pflegt.
Schon seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts bestanden Gewerkvereine, welche den englischen ähnlich waren, doch hatten sie meist nur lokalen Karakter und haben sämtlich die Handelskrise von 1837 nicht überdauert. Eine umfassendere Arbeiterbewegung beginnt erst nach dem Ende des Sezessionskrieges insbesondere durch die Gründung derNational Labor Union, die sich zum erstenmale mit Erfolg der Aufgabe unterzog, alle Gewerkvereine zu einer großen Organisation zusammenzufassen.
Die Anregung hierzu ging aus von der Gewerkschaft der Maschinenbauer, die schon 1863 den Vorschlag machte, eine allgemeine „National Trades Assembly“ ins Leben zu rufen. Die Gewerkschaft der Farmer schloß sich 1864 auf ihrem Vereinstage in Buffalo diesem Plane an und trat zunächst mit den Maschinenbauern zu der „Labor Reform Association“ zusammen. Im März 1866 wurde endlich von dem Gewerkverein der Wagenbauer ein Ausschuß eingesetzt, mit dem Auftrage, einen allgemeinen Arbeiterkongreß einzuberufen, dessen Hauptaufgabe darin bestehen sollte, die Agitation für den Achtstundentag einzuleiten[59]. Auf dem Kongresse, der am 20. August 1866zusammentrat, waren 60000 Arbeiter vertreten. Man beschloß die Gründung eines alle Arbeiter umfassenden Zentralvereins unter dem Namen „National Labor Union“, dem alle auf dem Kongresse vertretenen Vereine beitraten, deren Hauptzweck darin bestehen sollte, die Besserung der Arbeitsbedingungen, insbesondere die Verkürzung der Arbeitszeit auf 8 Stunden, herbeizuführen. Streitigkeiten mit den Arbeitgebern suchte man möglichst durch Schiedsgerichte zu erledigen, doch wollte man im Notfalle auch Arbeitseinstellungen durchführen. Daneben befürwortete man die Gründung von Konsumvereinen, die Errichtung staatlicher arbeitsstatistischer Aemter und das Zurückbehalten der öffentlichen Ländereien für wirkliche Ansiedler im Gegensatze zu dem Verkaufe an Spekulanten. Dem Verbande traten sehr bald 3000 lokale Gewerkschaften bei.
Die wichtigste Frage war von Anfang an die Stellung zur Politik, über die es sowohl bei der Gründung in Baltimore, wie auch auf dem im August 1867 inChicagoabgehaltenenzweiten Jahreskongresselebhafte Auseinandersetzungen gab. Insbesondere das Organ des Verbandes, der „Workmen's Advocate“ trat für die politische Bethätigung ein und ebenso der Präsident,Sylvis, eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in der amerikanischen Arbeiterbewegung, der jedoch schon am 27. Juli 1869 starb. Seinen Bemühungen gelang es, auf demdritten JahreskongreßinNew Yorkam 21. September 1868 die „Arbeiterreformpartei“ zu begründen, die freilich von derN. L. U.äußerlich getrennt sein, innerlich aber mit ihr in fester Verbindung stehen sollte. Man wollte insbesondere bei den Präsidentenwahlen gegenüber den alten großen Parteien, den Republikanern und den Demokraten, selbständig vorgehen.
Auf demvierten KongresseinPhiladelphia, August 1869, war die Beteiligung noch größer, als auf den früheren; es wurden 178571 eingeschriebene Mitglieder derN. L. U.gezählt. Die Stärke der „Arbeiterreformpartei“ war noch größer. Aber trotzdem begann bereits jetzt der Rückgang. Den mehrfach begonnenen Streiks war man in Ermangelung ausreichender Streikfonds nicht gewachsen, und der mit den 1870er Jahren beginnende Geschäftsaufschwung entfremdete die Arbeiter den Gewerkschaften. Schon derfünfte KongreßinCincinnatiam 15. August 1870 war schwach besucht, und auf demsechsteninSt. Louis(7. bis 10. August 1871) waren nur noch 21 Abgeordnete anwesend; von größeren Gewerkschaften waren nur die Bergarbeiter vertreten.
Einen Hauptgrund zu diesem Rückgange bildete die innerhalb der „Arbeiterreformpartei“ ausgebrochene Meinungsverschiedenheit über die Frage, ob man sich auf die industriellen Arbeiter beschränken oder auch die Kleinbauern(Farmer) heranziehen sollte. Auf einer im Februar 1872 inColumbusabgehaltenen Konferenz kam es über diese Frage zu einer Spaltung, und so tagten am 21. August 1872 die beiden Gruppen in getrennten Versammlungen, die eine inColumbus, die andere inPhiladelphia. Die erste der beiden Richtungen hat dann noch zwei Kongresse, den einen 1873 inCleveland, den anderen 1874 inRochesterabgehalten, doch war die Bedeutung derN. L. U.für das öffentliche Leben bereits geschwunden.
Schon 1866 hatten auch eine Reihe deutscher Gewerkvereine einen Verband, die „Arbeiterunion“, gegründet, die ein Blatt unter gleichem Namen herausgab. In demselben fanden anfangs die beiden Richtungen, von denen die eine die Interessengemeinschaft von Kapital und Arbeit betonte, während die andere sozialdemokratische Grundsätze verfolgte, gleichzeitig Vertretung, doch erlangte die zweite Richtung allmählich das Uebergewicht, und als das Blatt bei Beginn des deutsch-französischen Krieges gegen Deutschland Stellung nahm, war die Mißstimmung so groß, daß es am 17. September 1870 einging.
Die „Internationale Arbeiterassoziation“ hatte bis zum Ende der 1860er Jahre in Amerika wenig Boden zu fassen vermocht. Als in derNational Labor Uniondie durchSylvisvertretene Richtung das Uebergewicht erlangte, suchte sie mit jener Verbindungen anzuknüpfen, die dahin führten, daß dieN. L. U.sich auf dem Kongreß in Basel 1869 durch zwei Abgesandte vertreten ließ. Auch gelang es mehrfach, auf dem Boden der Internationale stehende deutsche Arbeitervereine ins Leben zu rufen und Sektionen der verschiedenen Nationalitäten zu begründen, obgleich der Höchstbestand der Mitgliederzahl niemals 4–5000 überschritten hat; bereits 1873 war dieselbe wieder auf 2–3000 und Anfang 1874 auf 1800–2000 zurückgegangen. Diese Sektionen, deren man Anfang 1871 erst 6, am Ende des Jahres aber bereits 24 zählte, setzten ein Zentralkomitee ein, das mit dem Londoner Generalrate in engster Verbindung stand. Am 6. Juli 1872 wurde in New York dererste Kongreß der Internationalein Amerika abgehalten, auf dem 22 Sektionen vertreten waren und ein Föderalrat, bestehend aus 3 Deutschen, 2 Franzosen, 2 Irländern, 1 Schweden und 1 Italiener, eingesetzt wurde. Die eingeborenen Amerikaner fehlten. Hinsichtlich der auf dem Kongreß im Haag 1872 vollzogenen Spaltung der Anhänger vonMarxundBakunintrat der amerikanische Verband durchaus auf die Seite der ersteren. Dieser Rückhalt war auch der Grund, weshalb der Kongreß im Haag auf Vorschlag vonMarxden Beschluß faßte, den Sitz des Generalrates von London nach New York zu verlegen.
Entsprechend dem vonMarxgegebenen Rate, die Erringung politischer Macht durch Anlehnung an die wirtschaftlichen Forderungen zu unterstützen,suchte man auch in Amerika im weitesten Umfange internationale Gewerkschaften ins Leben zu rufen, doch war der mit dem Jahre 1873 beginnende gewerbliche Niedergang diesen Bestrebungen sehr ungünstig. Die traurigen geschäftlichen Verhältnisse, die bis 1879 andauerten, führten auch zu einer Spaltung innerhalb der Arbeiterschaft. Ein Teil derselben unter Führung der deutschen Arbeitervereine, die sich im März 1872 in der „Arbeiterzeitung“ ein wertvolles Organ geschaffen hatten, forderte gegenüber der allgemeinen Not staatliche Hilfe, insbesondere Beschäftigung der Arbeitslosen, Außerkraftsetzung der Mietgesetze, Verteilung von Lebensmittelnu. s. w.Andere gingen noch weiter und verlangten die Einführung der Volksabstimmung über jedes Gesetz und die Beschränkung des Vermögensbesitzes auf 300000 Dollars. Auch griff man zu dem bedenklichen Mittel öffentlicher Umzüge, die zu Konflikten mit der Polizei führten.
Es scheint übrigens weniger die sachliche Meinungsverschiedenheit, als persönliche Gegensätze und der Unabhängigkeitsdrang gegenüber dem Generalrate der Internationale gewesen zu sein, was zu der Spaltung führte und den Generalrat veranlaßte, zunächst den Föderalrat der amerikanischen Föderation aufzulösen und einige andere Sektionen bis zum nächsten Kongresse zu suspendieren. Dieser, derzweiteund letzte amerikanischeKongreßder Internationale wurde am 11. April 1874 inPhiladelphiaabgehalten. Es gelang, die Unzufriedenen aus der Partei auszuschließen; um den Föderalrat zu überwachen, wurde eine Kontrollkommission eingesetzt. Die „Arbeiterzeitung“ wurde zum offiziellen Organ erklärt, aber der Kontrollkommission unterstellt.
Die Ausgeschlossenen, die im allgemeinen mehr das einheimische amerikanische Element darstellten, gründeten jetzt ihrerseits im Sommer 1874 die „sozialdemokratische Arbeiterpartei von Nordamerika“. In einer Konferenz am 4. Juli 1874 in New-York wurden Programm und Statuten angenommen. Anfangs machte sich innerhalb der Partei der Gegensatz zwischen Lassalleanern und Marxisten sehr stark geltend, aber nachdem in Gotha die Einigung der deutschen Sozialisten vollzogen war, gelang es auch für Amerika, auf dem vom 4. bis 6. Juli 1875 inPhiladelphiaabgehaltenenersten Jahreskongressegrundsätzlich eine Einigung aller sozialistischen Gruppen zu beschließen, deren Durchführung dann auf dem Kongresse in Pittsburg am 16. April 1876 in der Weise zustande kam, daß man erklärte: 1. die zu schaffende Arbeiterorganisation aller Sozialisten Amerikas soll eine nationale mit internationalen Tendenzen sein; 2. sie soll zentralistisch gerichtet sein; 3. die Partei wird für die Schaffung von Gewerkschaften mit nationaler und internationaler Grundlage Sorge tragen; 4. es soll eine internationale beratende Behörde eingesetzt werden. Der Versuch, auf einer gleichzeitig tagenden Versammlung eineEinigung auch mit den anderen politischen Gruppen, insbesondere den Greenback-Leuten, zustande zu bringen, mißlang.
Die Internationale hatte bei diesen Verhandlungen im Bewußtsein ihrer Schwäche weitgehende Zugeständnisse machen müssen, jedenfalls hatte sie durch die Schaffung einer nationalen Arbeiterpartei für Amerika ihre Bedeutung verloren, und da, wie der letzte Bericht des Generalrates hervorhebt, der Verkehr mit den europäischen Ländern sich auf einen unerheblichen Briefwechsel mit einigen Personen beschränkte, Beiträge aber überhaupt nicht mehr eingingen, so hielt der Generalrat es für richtig, dieInternationale auch formell aufzulösen. Er berief eine Delegiertenkonferenz nachPhiladelphiaauf den 15. Juli 1876, auf der aber nur 14 amerikanische und keine einzige europäische Sektion vertreten waren und sprach seine Ansicht dahin aus, daß die Internationale Arbeiterassoziation als nicht mehr vorhanden anzusehen sei. Es wurde dann auch die Auflösung einstimmig beschlossen.
Am 22. Juli 1876 wurde die neue Partei unter dem Namen: „Arbeiterpartei der Vereinigten Staaten“ oder „Workingmen's Party of the United States“ in Philadelphia formell begründet. Das Programm fordert, daß alle Arbeitsmittel, Grund und Boden, Maschinen, Verkehrswege Eigentum der Gesellschaft werden und an Stelle der Lohnarbeit die genossenschaftliche Produktion trete. Die Gewerkschaften wurden als Vorstufe zur sozialistischen Organisation gutgeheißen. Zu Organen der Partei wurden der „Labor Standard“, die „Arbeiterstimme“ und der „Vorbote“ bestimmt.
Aber der Streit der Meinungen war nur äußerlich beigelegt und machte sich bald von neuem geltend, insbesondere gab es zwischen den beiden neu geschaffenen Organen der Partei, dem Vollziehungsausschusse in Chicago und dem Aufsichtsrate in New-Haven lebhafte Fehde. Die Gemäßigten und die Radikalen bekämpften sich heftig über die prinzipielle Frage, ob die politische oder die gewerkschaftliche Richtung in den Vordergrund zu stellen sei. Die früheren Mitglieder der Internationale vertraten im allgemeinen mehr die gemäßigte, insbesondere die gewerkschaftliche Richtung, sie suchten mit den bestehenden Gewerkvereinen enge Fühlung zu halten und gründeten eineInternational Labor Union, die sich jedoch schon 1880 wieder auflöste.
Die Jahre 1876–78 standen unter dem Zeichen der durch die wirtschaftliche Notlage hervorgerufenen großen Streiks, die überwiegend mit einem Mißerfolge der Arbeiter endeten. Das hatte zur Folge, daß die öffentliche Meinung in Arbeiterkreisen sich mehr von der gewerkschaftlichen Richtung ab- und der politischen zuwandte. Ja es bildeten sich die berüchtigtenMolly Maguires, Geheimbünde, die Gewaltthätigkeiten und Aufstände hervorriefen und gewaltsam unterdrückt werden mußten. Ein Ausfluß dieser Stimmung war auch die aufdemKongreßinNewarkvom 25. bis 31. Dezember 1877 beschlossene Abänderung der bisherigen Bezeichnung „Arbeiterpartei der Vereinigten Staaten“ in „Sozialistische Arbeiterpartei Nordamerikas“. Die gewerkschaftliche Richtung unter Führung vonStrasserwurde in den Hintergrund gedrängt und ein selbständiges Auftreten bei der Präsidentschaftswahl beschlossen. Auch die Mitgliederzahl hob sich auf etwa 10000, die in 25 Staaten etwa 100 Sektionen bildeten.
Aber dieser Aufschwung der Sozialdemokratie fand rasch sein Ende mit der im Jahre 1879 wieder beginnenden günstigern Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Mitgliederzahlen der Vereine schmolzen zusammen wie Schnee vor der Sonne, und auf dem vom 26. Dezember 1879 bis 1. Januar 1880 in Alleghany abgehaltenen Jahreskongreß wurde berichtet, daß nur noch 1500 Mitglieder ihre Beiträge zahlten. Man versuchte deshalb, durch Sendboten aus Deutschland zu wirken, und verschiedene Parteiführer, insbesondereFritzscheundViereck, unternahmen große Agitationsreisen, jedoch ohne nennenswerten Erfolg.
Auch die in Deutschland zurückgedrängte sozialrevolutionäre Richtung glaubte in Amerika neuen Boden zu finden, und ihre Vertreter, insbesondereHasselmannundMost, bearbeiteten denselben mit dem Feuereifer des Fanatismus. In der That gelang es, am 14. Oktober 1883 inPittsburgeinen Kongreß der Sozialrevolutionäre und Anarchisten zustande zu bringen, auf dem Abgesandte aus 26 amerikanischen Städten anwesend waren; auch einige Vertreter aus dem Auslande waren erschienen. Man beschloß, eineneue Internationalezu begründen und gab dem neuen Verbande, der zunächst für Amerika wirken sollte, den alten Namen: „Internationale Arbeiterassoziation“ oder „International Working Peoples' Association“; er betrachtete sich als einen Zweig der auf dem Londoner Weltkongreß[60]am 14. Juli 1881 ins Leben gerufenen neuen Internationale, die allerdings ihr Dasein nur auf dem Papiere führte, denn das dort errichtete Auskunftsbureau hatte schon längst seine Thätigkeit wieder eingestellt.
Die Organisation des neuen Verbandes war dem Prinzip gemäß durchaus föderalistisch, die Sektionen hatten weitgehende Autonomie. Der verbindende Gedanke war die Ueberzeugung von der Notwendigkeit einer „Propaganda der That“; Beteiligung an der Politik wurde grundsätzlich verworfen. Hinsichtlich der Gewerkschaften erklärte man: „Wir erblicken in solchen Gewerkschaften, die auf radikalen Prinzipien beruhen und die Abschaffung der Lohnarbeit erstreben, die Grundlage zu einem besseren Gesellschaftssystem. Andrerseits sind wir entschlossen,alle Organisationen, welche auf reaktionären Prinzipien beruhen, zu bekämpfen, indem sie Feinde der Arbeiterklasse und ein Hindernis von Humanität und Fortschritt sind.“ Schiedsgerichte wurden, als für die Arbeiter wertlos, unbedingt verworfen.
Das Verhältnis der neuen Internationale zu der sozialdemokratischen Arbeiterpartei wurde, nachdem die zunächst, insbesondere auf dem in Baltimore vom 26. bis 28. Dezember 1883 abgehaltenen Kongresse der letzteren gemachten Versuche einer Annäherung gescheitert waren, bald ein immer feindlicheres und die gegenseitigen Angriffe in den Parteiblättern immer heftiger.
Hatte schon die bisherige Entwicklung den Beweis geliefert, daß die praktisch veranlagten Amerikaner für die sozialistischen Bestrebungen einen durchaus ungeeigneten Boden bildeten, denn auf dem im Mai 1883 in Kopenhagen abgehaltenen Parteitage der deutschen Sozialdemokratie wurde die Zahl der amerikanischen Genossen auf nur 2000 angegeben, so waren die nächsten Jahre noch wesentlich ungünstiger. Der wirtschaftliche Aufschwung im Anfange der 80er Jahre hatte für die Arbeiter den Anlaß gegeben, in eine umfassende Bewegung zur Erringung des Achtstundentages einzutreten. Aber die unternommenen Ausstände hatten wenig Erfolg, führten dagegen vielfach zu Unruhen und Gewaltthätigkeiten, bei denen insbesondere die sozialrevolutionäre Partei eine Rolle spielte. Die schärfste Zuspitzung fanden diese Dinge in Chicago, wo vom 1. bis 4. Mai 1886 umfassende Straßenkämpfe stattfanden, bei denen durch das Werfen von Dynamitbomben sieben Polizisten getötet und 60 schwer verwundet wurden. Ihre Sühne fand diese Schreckensthat in der am 11. November 1887 in Chicago erfolgten Hinrichtung der vier AnarchistenSpies,Parsons,FischerundEngel. Aber die Folge dieser Ereignisse war zugleich eine allgemeine Abneigung gegen alles, was mit der sozialen Revolution kokettierte, und obgleich davon in erster Linie dieInternational Working Peoples' Associationbetroffen wurde und deren Schwächung ihrer Gegnerin, der sozialdemokratischen Arbeiterpartei scheinbar hätte zu gute kommen müssen, so wandte sich die Stimmung doch auch gegen sie, und indem Streitigkeiten persönlicher Art noch hinzutraten, machte sich bald ein starker Rückgang bemerkbar, jaMostberechnet in seiner „Freiheit“ die Mitgliederzahl für den Sommer 1889 auf nur noch 780.
DieGewerkvereinehatten sich inzwischen kräftig entwickelt, und in der Not sahen sich die Vertreter der politischen Richtung gezwungen, die soeben noch als Aschenbrödel behandelte Gewerkschaftsbewegung wieder in den Vordergrund zu rücken, wobei ihnen der schon nach 2–3 Jahren wieder einsetzende wirtschaftliche Rückgang wesentlich zu statten kam.
So gelang es, in den meisten größeren Städtencentral labor unionszu gründen, in denen überwiegend ungelernte Arbeiter vertreten waren und die stark unter sozialistischem Einflusse standen. Die älteren, mehr konservativen Gewerkschaften der gelernten Arbeiter fanden sich meist zu sog.Trade Assemblieszusammen, lokalen Verbänden, die zunächst gegenseitige Unterstützung und erst in zweiter Linie politische Thätigkeit bezweckten.
Die weitere Entwicklung knüpft sich vor allem an zwei große Verbände, die in der amerikanischen Arbeiterbewegung eine erhebliche Bedeutung erlangt haben.
Der erste derselben ist der Orden der Ritter der Arbeit (Knights of Labor), der 1869 in Philadelphia von dem SchneiderStevensbegründet wurde, sich aber bald zu einem alle Berufszweige umfassenden Bunde erweiterte. Er war anfangs ein Geheimbund und geriet dadurch, daß er die Geheimhaltung seiner Einrichtungen auch im Beichtstuhle forderte, in Gegensatz zu der katholischen Kirche, den er durch Nachgeben beendigte. Seitdem wird er von katholischer Seite begünstigt; übrigens hat er den Karakter als Geheimbund 1881 aufgegeben und seine Statuten in dem Bundesblatte (Journal of the Knights of Labor) bekannt gegeben.
Der Zweck des Ordens ist die allgemeine Hebung der Arbeiterklasse, insbesondere die gemeinsame Vertretung der Arbeiterinteressen gegenüber den Unternehmern. Aber seine Organisation ist insofern abweichend von derjenigen der eigentlichen Gewerkvereine, als er sichnicht auf die Berufszugehörigkeit stützt, sondern alle Arbeiter ohne Unterschied, insbesondere also gelernte und ungelernte vereinigt; selbst andere, nicht den Arbeiterkreisen angehörende Personen können ihm beitreten, doch dürfen sie nicht ¼ der Gesamtmitgliederzahl übersteigen. Auch gegen die Unterschiede der Religion, Nationalität und Rasse ist er durchaus gleichgültig und gestattet nicht allein den Negern, sondern unter gewissen Beschränkungen sogar den Chinesen den Eintritt. Endlich steht er allen politischen Anschauungen grundsätzlich neutral gegenüber, und Sozialisten wie Anarchisten sind in ihm vertreten.
In den letzteren Jahren haben die sozialistischen Ideen sich etwas mehr Boden verschafft, insbesondere wurde 1894 das noch zu erwähnende von derFederation of Labourabgelehnte Programm angenommen. Dasselbe erklärt sich für Zusammenschluß aller Arbeiter- und Farmerorganisationen zu einer einzigen politischen Partei und fordert: „1. Obligatorischen Schulbesuch; 2. unmittelbare Gesetzgebung; 3. gesetzlichen Achtstundentag; 4. sanitäre Ueberwachung der Werkstätten, der Bergwerke und des Hauses; 5. ausgedehnte Unfallversicherung seitens der Arbeitgeber; 6. Abschaffung des Kontraktsystems bei allen öffentlichen Arbeiten; 7. Abschaffung des Schwitzsystems; 8. Erwerb von Straßenbahnen, Gas- und elektrischen Werkenseitens der Gemeinden zum Zwecke öffentlicher Verteilung von Licht, Wärme und Betriebskraft; 9. Ankauf der Telegraphen, Telephone, Eisenbahnen und Bergwerke durch den Staat; 10. gemeinsamen Besitz des Volkes an allen Mitteln der Produktion und Güterverteilung; 11. Volksabstimmung (Referendum) bei allen Gesetzen.“
Auf den Mitgliedskarten derArbeitsritterist deren Standpunkt in folgender Weise bezeichnet:
„Die Ritter der Arbeit bilden die größte Arbeiterorganisation der Welt. Sie sind die einzige Organisation, die — neben dem Eintreten für möglichst günstigen Lohn, kurze Arbeitszeit und sonstige Vorteile — die der industriellen Ungerechtigkeit zu Grunde liegenden Ursachen zu beseitigen sucht. Sie überlassen jedem Gewerbe und jedem örtlichen Zweigvereine die selbständige Regelung der Verhältnisse des betreffenden Gewerbes oder Ortes und können doch vermöge ihrer Organisation, falls nötig, ihre Kräfte rasch zusammenfassen. Sie streben nach der Beseitigung des kapitalistischen Systems der Produktion und des Austausches, wollen aber, in der Ansicht, daß Reformen nur wohltätig und von Dauer sein können, wenn sie auf der Ueberzeugung eines gebildeten und einsichtigen Volkes beruhen, ihre Ziele allein durch den Appell an die Vernunft und das Gewissen, niemals auf gewaltsame Weise erreichen. Sie laden alle ehrlichen und nützlichen, mit der Hand oder geistig thätigen Arbeiter zur Mitgliedschaft ein ohne jede Rücksicht auf Religion, Rasse oder Abstammung.“
Trotz dieser sozialistischen Anwandlungen hat der Orden sich nicht allein gegenüber dem Anarchismus wegen seiner ungesetzlichen Haltung durchaus gegensätzlich gestellt und z. B. die Attentate in Chicago scharf getadelt, sondern auch zu der Sozialdemokratie wegen ihres antireligiösen Verhaltens eine ablehnende Stellung eingenommen. Die Hauptziele sind neben Erhöhung der Löhne und Herabsetzung der Arbeitszeit insbesondere die Erringung des Achtstundentages, die Errichtung arbeitsstatistischer Aemter, das Verbot der Kinderarbeit und Sicherung gegen gesundheitsschädliche Einflüsse, Einschränkung der Gefängnisarbeit, sowie die Einrichtung von Produktivgenossenschaften und Konsumvereinen. Auf staatlichem Gebiete erstrebt der Bund die Verstaatlichung der Telegraphen und Eisenbahnen, die Einrichtung von Postsparkassen, die Reform des Münzwesens insbesondere durch freie Silberprägung, die Zurückbehaltung der öffentlichen Ländereien für wirkliche Bebauer und die Einführung der progressiven Einkommensteuer. Endlich legt man das Hauptgewicht auf die Einschränkung der Einwanderung, da diese ein Ueberangebot von Arbeitskräften erzeugt. Die wirtschaftlichen Ziele sucht man in erster Linie durch Selbsthülfe, insbesondere auf friedlichem Wege durch Verhandlungen mit den Unternehmern und Schiedsgerichte zu erreichen, scheut aber auch vor Arbeitseinstellungennicht zurück, wie denn große Streiks seitens des Bundes durchgeführt sind. Soweit auf diesem Wege Abhülfe nicht zu erreichen ist, verlangt man das Eingreifen der staatlichen Gesetzgebung ohne scharf ausgesprochenes Prinzip. In die eigentliche Politik hat man, abgesehen von der 1886 bei den New-Yorker Gemeindewahlen dem bekannten BodenreformerHenry Georgegewährten Unterstützung, sich nur insoweit eingemischt, als man bei den Wahlen die Kandidaten zu gewissen Zusagen zu bestimmen suchte; der Wunsch, auf Schaffung einer selbständigen Arbeiterpartei neben Republikanern und Demokraten hinzuwirken, ist allerdings seit Jahren laut geworden, bisher aber ohne Erfolg geblieben.
Für dieOrganisationdes Bundes bilden die Grundlage dielocal assemblies, Ortsvereine, in denen die Mitglieder ohne Unterschied der Rasse, der Religion und des Berufes vereinigt sind, nur in größeren Städten nimmt man diese Unterschiede zur Unterlage für Sondergruppen. Meist sind Frauen den allgemeinen Vereinen zugeteilt, doch giebt es einige Ortsvereine, die nur aus Frauen bestehen. Die Ortsvereine werden zu Bezirksverbänden (district assemblies) vereinigt, über denen dieGeneral Assemblysteht, die jährlich zusammentritt und die oberste Instanz bildet. Sie wählt den Großmeister (Grand Master Workman), der sehr weitgehende Befugnisse besitzt, jedoch von einemAufsichtsrateaus 5 Mitgliedern kontrolliert wird.
Großmeister war von 1869 bis 1879 der Begründer des Ordens,Stevens, der dann durchPowderleyersetzt wurde; der letztere ist ebenso, wie sein Vorgänger, aus den niedrigsten Verhältnissen hervorgegangen und hat neben einem außerordentlichen Organisationstalente eine große Mäßigung insbesondere in den Verhandlungen mit den Unternehmern bewiesen. Auf dem Kongresse in Philadelphia 1893 wurde er wegen des zurückgegangenen Einflusses des Ordens und der unzweckmäßigen Verwendung der Gelder lebhaft angegriffen und legte, nachdem er nur mit geringer Mehrheit wiedergewählt war, sein Amt nieder. Sein Nachfolger wurde R.Sovereign, ein Mann, der zuerstcowboy, dann Steinhauer und endlich Journalist gewesen war, auch bereits in der Politik eine Rolle gespielt hatte und dem Orden seit 1887 angehörte. Seine Wahl bedeutete den Sieg der westlichen über die bis dahin herrschend gewesene östliche Gruppe, hat aber eine Verschiebung der allgemeinen Richtung innerhalb des Bundes nicht zur Folge gehabt.
Deräußere Entwickelungsgangdrückt sich aus in der Zahl der Mitglieder. Dieselbe hatte in den ersten Jahren nach der Gründung schon einmal 80000 betragen, war aber 1878 auf 12000 zurückgegangen, 1883 betrug sie 52000, 1884 71000, 1885 111000, Anfang 1886 etwa 200000 und am 1. Juli 1886 sogar 752430; schon am 1. Juli 1887 war sie wieder auf585127 und am 1. Juli 1888 aus 425038 zurückgegangen. Auf der Nationalkonvention (Generalversammlung) in St. Louis 1892 waren angeblich 241000, in Philadelphia 1893 nur noch 212000 Arbeiter vertreten und in New-Orleans im November 1894 wurde nur erwähnt, daß der Bestand an Mitgliedern noch weiter zurückgegangen sei. Später scheint wieder ein Aufschwung eingetreten zu sein, denn für 1897 wird die Mitgliederzahl auf 325000 angegeben[61].
Der Orden hat einen ausgesprochenamerikanischen Karakter. Aus diesem erklärt sich auch seine Abneigung gegen die Einflüsse der deutschen Sozialdemokratie, denn er fordert von seinen Mitgliedern, daß sie die aus ihrer früheren Heimat mitgebrachten Anschauungen und Besonderheiten völlig aufgeben und sich ganz als Amerikaner fühlen. Allerdings hat er auch außerhalb Amerikas, insbesondere in England und Belgien[62], Vereine zu gründen versucht, aber doch nur mit ziemlich geringem Erfolge. Dadurch, daß er keinen Unterschied zwischen gelernten und ungelernten Arbeitern macht, ja sich hauptsächlich auf die letztern stützt, erhält er ein gewisses anti-aristokratisches Gepräge.
Die staatssozialistischen Neigungen, die sich eine Zeit lang stark geltend machten, sind auch in neuerer Zeit mehr zurückgetreten, nachdem man die Erfahrung gemacht hat, daß die im Parlament durchgesetzten arbeiterfreundlichen Gesetze, insbesondere das Gesetz über den achtstündigen Arbeitstag für Regierungsarbeiter lediglich auf dem Papiere stehen geblieben und von den Behörden nicht befolgt sind, so daß man jetzt von der Stärkung der eigenen wirtschaftlichen Kraft der Verbände sich mehr Erfolg verspricht, als von der Gesetzgebung. Doch haben die großen Ausstände der letzten Jahre, der Minenarbeiter in Idaho und Tennessee, der Eisenbahnarbeiter in Buffalo, der Eisen- und Stahlarbeiter der Carnegie'schen Werke in Homestead und endlich der große Pulman-Streik bewiesen, daß auch hier die Macht des großen Kapitals überwiegt.
Bildet der hervorgehobene Umstand, daß der Orden der Arbeitsritter eine Sonderung der Arbeiter nach Berufen nicht zuläßt, den Grund, weshalb er als Gewerkverein im engeren Sinn nicht zu betrachten ist, so trägt dagegen der zweite große Verband durchaus diesen Karakter. Es ist das dieAmerican Federation of Labour.
Im Jahre 1881 hatten mehrere große Gewerkschaften inPittsburgunter dem Namen „Federation of organised Trades and Labor Unions“ einen allgemeinen nationalen Verband gegründet, der auf jährlichen Kongressen zu den die Arbeiter betreffenden gesetzlichen Einrichtungen Stellung nehmen wollte. Der Verband stand den sozialistischen Ideen ziemlich ablehnendgegenüber, und auf den Kongressen inPittsburg1881 undCleveland1882 wurden die Anträge, die Verstaatlichung des Grund und Bodens in das Programm aufzunehmen, mit großer Mehrheit verworfen. Erst 1883 auf dem III. Kongreß inNew Yorkwurde die Forderung der Ueberführung der Eisenbahnen und Telegraphen in das Eigentum des Staates zugestanden.
Auf dem im Oktober 1884 inChicagoabgehaltenen IV. Kongresse beschloß man, für die Erringung des Achtstundentages und die Feier des 1. Mai einzutreten, wiederholte auch diesen Beschluß auf dem V. Kongresse inWashingtonim Dezember 1885, erzielte aber wenig praktische Erfolge. Auf dem VI. Kongresse inColumbusim Dezember 1886 änderte der Verband seinen Namen und bezeichnet sich seitdem als „American Federation of Labor“.
Der Grundkarakter ist durchaus derjenige eines gewerkschaftlichen Zentralverbandes, der sich aus einer Reihe einzelner nach Berufen getrennter Vereine zusammensetzt. Zweck des Bundes ist die Weckung des Klassen- und Solidaritätsgefühls der Arbeiter. Das nächste Ziel bildet die Durchführung des Achtstundentages. Der Politik steht man sehr kühl gegenüber, und der langjährige Präsident SamuelGompers, der sich vom einfachen Zigarrenarbeiter zu seiner jetzigen einflußreichen Stellung emporgearbeitet hat, gilt den deutschen Sozialdemokraten geradezu als der Typus eines „Nur-Gewerkschaftlers“, gegen den man die schärfsten Angriffe richtet. Neben dem Präsidenten, der weitgehende Machtvollkommenheit besitzt, besteht ein Exekutivausschuß aus vier Mitgliedern. Bei kleinen Streiks, die nicht über 5 Wochen dauern, erfolgt die Bewilligung der Unterstützung durch den Präsidenten, in anderen Fällen findet Urabstimmung unter sämtlichen zum Bunde gehörigen Vereinen statt. Das Organ des Bundes ist der seit März 1894 erscheinende „American Federationist“.
In neuester Zeit haben hinsichtlich der Stellung zumSozialismusheftige Kämpfe stattgefunden. Schon auf dem im Dezember 1892 inPhiladelphiaabgehaltenen Kongresse neigte etwa ¼ der Abgeordneten nach dieser Richtung, insbesondere hinsichtlich einer von den bestehenden Parteien unabhängigen Arbeiterpolitik und der Verstaatlichung der Produktionsmittel. Die Mehrheit jedoch beschränkte diese Forderung auf die Verkehrsmittel und erklärte die Bildung einer selbständigen Arbeiterpartei solange für aussichtslos, wie die Arbeiter nicht in wesentlich größerem Umfange an den Organisationen sich beteiligten.
Auf dem Kongresse inChicagoim Dezember 1893 setzte sich dieser Kampf fort, indem der SozialistMorganeinen Antrag einbrachte, der eine unabhängige Arbeiterpolitik verlangte und folgende Einzelforderungen aufstellte:1. Schulzwang; 2. direkte Gesetzgebung[63]; 3. gesetzlicher achtstündiger Arbeitstag; 4. Sanitäre Inspektion für Fabriken, Bergwerke und Arbeiterwohnhäuser; 5. Haftpflichtgesetz; 6. Abschaffung des Kontraktsystems bei öffentlichen Arbeiten; 7. Beseitigung des Schwitzsystems; 8. Uebernahme der Straßenbahnen, Gasanstalten und elektrischen Anlagen durch die Stadt; 9. Verstaatlichung der Telegraphen, Telephone, Eisenbahnen und Bergwerke; 10. Verstaatlichung aller Produktionsmittel; 11. Einführung des Referendums für die gesamte Gesetzgebung. Der Kongreß lehnte es jedoch ob, zu diesen Forderungen Stellung zu nehmen, indem er sie lediglich den Arbeiterverbänden zur Erwägung überwies mit dem Ersuchen, ihre Vertreter zur nächsten Jahreskonvention über die aufgeworfenen Fragen zu instruieren.
Dieser nächste Kongreß, der am 12. Dezember 1894 inDenverstattfand, entschied gegen die Sozialisten. Zunächst wurde die Forderung einer unabhängigen Arbeiterpolitik verworfen. Dann wurden die mitgeteilten Punkte 1–9, 11 angenommen, Ziffer 10 dagegen abgelehnt. Endlich wurden bei der Gesamtabstimmung für das so geschaffene Programm nur 735, dagegen aber 1173 Stimmen abgegeben, so daß es verworfen war, wobei die Sozialisten sich der Abstimmung enthielten.
Auf diesem Kongresse, bei dem als Vertreter der englischentrade unionsJohn Burns und David Holmes anwesend waren, wurde übrigens der Sitz des Verbandes von New York nach Indianapolis verlegt und ebenso an Stelle von Gompers zum PräsidentenMac Bridegewählt, eine Wahl, die nicht eine prinzipielle Aenderung der Haltung, sondern nur den Sieg des Westens über den Osten bedeutete. Bride war früher Kohlengräber und wurde dann zum statistischen Beamten des Staates Ohio berufen; er ist ebenso wie sein Vorgänger Gegner des Sozialismus und wird sogar als noch weiter rechts stehend betrachtet. Uebrigens wurde schon nach zwei Jahren Gompers mit großer Mehrheit wiedergewählt und ist seitdem Präsident geblieben.
Der letzte (XVI.) Kongreß hat vom 12. bis 21. Dezember 1897 inNashvillestattgefunden unter Beteiligung von 97 Abgeordneten als Vertreter von 74 Organisationen. Auch die englischentrade unionshatten zwei Vertreter gesandt. Nach dem Jahresberichte hatte die Einnahme sich auf 18639, die Ausgabe auf 10113 Dollars belaufen; der Vermögensbestand betrug 4168 Dollars.
Die aufgestellten Forderungen waren: Allgemeine Schulpflicht, Beschränkung der Kinderarbeit, direkte Gesetzgebung des Volkes durch das Referendumund Initiativbegehren, sanitäre Beaufsichtigung der Betriebsstätten, Haftpflicht der Unternehmer bei Gesundheitsschädigungen und Tötungen der Arbeiter, Abschaffung des Schwitzsystems, Aufhebung der Verschwörungsgesetze, städtische Verwaltung aller öffentlichen Unternehmungen, Beseitigung des Banknotenmonopols, Errichtung eines Arbeitsamtes, die Schaffung von Postsparkassen, Beschränkung der Einwanderung durch Festsetzung eines Bildungsminimums, die Einführung eines gesetzlichen Achtstundentages, für die sich die Mehrheit erklärte. Auch forderte man, daß die Regierung ihre Kriegsschiffe nicht Unternehmern in Auftrag geben, sondern auf eignen Werften bauen solle und erklärte sich für den Uebergang aller dem öffentlichen Verkehr dienenden Anstalten, insbesondere der Telegraphen, in das Eigentum des Staates. Zu dem vorgeschlagenen Gesetze über dietrustsnahm man im allgemeinen eine zustimmende Haltung ein, wollte aber auch gegen dessen Anwendung auf die Gewerkschaften geschützt sein. Für einige Streiks, so auch für den der englischen Maschinenbauer, wurden Unterstützungen bewilligt. Auch Fragen der Politik wurden behandelt. So erklärte man sich mit der Anerkennung der Aufständischen auf Cuba als kriegführender Macht einverstanden, mißbilligte aber die beabsichtigte Erwerbung von Hawaii. Zur Vorbereitung der nächsten Parlamentswahlen wurde eine besondere Konferenz ins Auge gefaßt. Der Bund will künftig das Hauptgewicht auf die Bildung von Vereinen ungelernter Arbeiter legen.Gomperswurde mit 1858 Stimmen gegen 407, die auf den SozialistenKraftfielen, als Präsident wiedergewählt.
Den Gesamtkarakter des Kongresses bezeichnet ein Bericht in dem „American Federationist“, dem Organ des Bundes[64], dahin: „Während der ganzen Zusammenkunft beschränkten sich die Abgeordneten durchaus auf praktische Fragen, welche den Arbeiter unmittelbar angehen. Sehr wenig sozialistische Gesinnung wurde entfaltet. Nur sieben Abgeordnete können als Mitglieder der sozialistischen Arbeiterpartei angesehen werden.“
DerMitgliederbestanddes Bundes hat sehr geschwankt. Auf dem Kongreß in Washington 1882 wurden 280000, in Columbus 1886 316469, in Boston 1889 549641 Mitglieder gezählt. Im Jahre 1890/91 soll diese Zahl sogar auf 675117 in 60 Gewerkschaftsverbänden gestiegen sein, doch wurden auf dem Kongreß in Philadelphia 1892 nur 17 Verbände mit 229800 Mitgliedern gezählt, die durch 89 Abgeordnete vertreten waren. In der noch zu erwähnenden Statistik der New Yorker Volkszeitung wird die Mitgliederzahl auf 350000 angegeben. Auf dem Kongreß in Nashville 1897 wurde mitgeteilt, daß dem Bunde im letzten Jahre 18 Zentralverbände, 189 Ortsvereine und8 Nationalverbände mit insgesamt 34000 Mitgliedern beigetreten waren, doch wurde der Gesamtbestand nicht angegeben.
DieAmerican Federation of Laborsteht zu dem Orden der Arbeiterritter in einem gewissen Konkurrenzverhältnisse, huldigt auch, wie erwähnt, zum Teil anderen Ansichten, insbesondere ist der Orden streng zentralistisch, während der Bund seinen einzelnen Unterverbänden weitgehende Selbständigkeit gewährt. In dieser Beziehung steht zwischen ihnen gewissermaßen in der Mitte der erst in den letzten Jahren begründete Zentralverband der Eisenbahnangestellten, dieAmerican Railway Union. Die Eisenbahnarbeiter hatten bis dahin eine große Menge von Vereinen, die aber alle auf kleine Bezirke beschränkt waren und sich nicht allein gegenseitig nicht unterstützten, sondern häufig gegeneinander auftraten. Erst 1893 gelang es dem früheren Lokomotivheizer, späteren StadtschreiberEugen Debbs, der bis dahin Sekretär des Heizerverbandes und später Redakteur des Fachorganes war, in dem neuen Verbande eine Verbindung zu schaffen, die sich zu erheblicher Bedeutung entwickelt hat. Allerdings fandDebbsbei den bestehenden Vereinen den schärfsten Widerstand, doch gelang es ihm, eine Menge bisher noch nicht organisierter Eisenbahnarbeiter insbesondere aus dem Westen zu Vereinen zusammenzuschließen, die seinem Verbande beitraten. Er suchte zwischen diesen und den Einzelvereinen dadurch ein festes Band herzustellen, daß die Mitglieder der letzteren zugleich einem Ortsvereine des Gesamtverbandes angehören mußten.
Der Standpunkt derRailway Unionist am besten zu ersehen aus der vonDebbsbei deren Gründung abgegebenen Erklärung, in der es heißt:
„Der Hauptpunkt der Organisation ist der Schutz der Mitglieder hinsichtlich ihres Lohnes und ihrer Rechte. Die Eisenbahnbediensteten können ein Mitbestimmungsrecht für den Lohnsatz und die Arbeitsbedingungen beanspruchen. Genügender Lohn und angemessene Behandlung müssen die Gegenleistung für erfolgreiche treue Dienste bilden. So werden wir zu harmonischen Beziehungen und befriedigenden Ergebnissen gelangen. Der neue Bund wird konservativen Grundsätzen huldigen. Auch dem geringsten Mitgliede wird bei gerechten Forderungen der Beistand nicht versagt werden, aber auf der anderen Seite sollen keine maßlosen Forderungen, keine unberechtigten Beschwerden Unterstützung finden. Nach gründlicher Organisation jedes Dienstzweiges bei gebührender Berücksichtigung jedes Rechtes kann man zuversichtlich hoffen, daß alle Differenzen zu befriedigender Erledigung kommen, daß harmonische Beziehungen hergestellt werden, daß der Dienst unberechenbar besser wird, daß die Notwendigkeit für Ausstände und Sperren, Verrufserklärungen und schwarze Listen, die beiden Teilen gleich verderblich sind und für die allgemeine Wohlfahrt eine beständige Drohung bilden, ganz und für immer wegfällt“.
Die Gesamthaltung des Bundes ist hiernach als eine antisozialistische zu bezeichnen. Allerdings verfolgt er im Gegensatze zu den älteren Vereinen, die nur gelernte Arbeiter aufnehmen und deshalb einen aristokratischen Karakter tragen, eine fortschrittliche Politik;Debbsselbst gehört zu der Partei der Demokraten. Aber der Sozialismus hat von ihm keine Förderung zu erwarten; ebenso gilt er als ein Mann, der dem in Amerika allmächtigen Einflusse des Dollars nicht unterliegt.
Ueber denMitgliederbestandliegen nur Zahlen aus dem Jahre 1894 vor. Danach zählte die Union im April 1894 80000 Angehörige, während auf der ersten Generalversammlung Mitte Juni 1894 425 Vereine mit 125000 Mitgliedern vertreten waren.
Obgleich hiernach kollektivistische Anschauungen zum Teil in die angeführten großen Verbände Einzug gehalten haben, so stehen diese doch dem Sozialismus in der Form der Sozialdemokratie durchaus ablehnend gegenüber; insbesondere ist es karakteristisch, daß die genannten Führer streng religiös sind und zugleich dem Templerenztum zuneigen. Es wird hier also der Beweis geliefert, daß eine in ihrer Gegnerschaft gegen den Kapitalismus durchaus entschieden vorgehende Arbeiterorganisation nicht entfernt Veranlassung hat, gleichzeitig materialistischen Grundsätzen zu huldigen.
In neuester Zeit hat übrigens auch die sozialdemokratische Bewegung wieder einen gewissen Aufschwung genommen und zugleich ihr Interesse den Gewerkschaften in höherem Grade zugewandt. Es ist ihren Anhängern gelungen, im November 1895 einen neuen gewerkschaftlichen Zentralverband unter dem Namen „Socialist Trade and Labor Alliance« ins Leben zu rufen, der vom 29. Juni bis 2. Juli 1896 in New York seine erste Hauptversammlung abhielt. Schon der Name bezeichnet die sozialistische Richtung, wie denn auch das Programm als Zweck angiebt, den bestehenden Gewerkschaftsorganisationen und ihren teils trägen, teils korrumpierten, teils bewußt reaktionären Elementen eine Gewerkschaftsorganisation gegenüberzustellen, die es sich zur Aufgabe macht, die Interessen der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter nicht nur nach der ökonomischen, sondern auch nach der politischen Seite hin zu wahren“. In der Versammlung waren 64 Lokal- und 7 Distriktsorganisationen, sowie einige gewerkschaftliche Nationalverbände durch 75 Abgeordnete vertreten.
Außer den bisher behandelten großen Verbänden bestehen noch eine ganze Anzahl vonEinzelgewerkschaften, die ihnen teils angehören, teils ihnen fern stehen. Dieselben bezeichnen sich, wenn sie auf die Vereinigten Staaten beschränkt sind, als nationale, wenn sie dagegen auch Mitglieder in Canada oder Mexiko haben, alsinternationale Vereine. Die wichtigsten sind dieEisengießer, die Eisen- und Stahlarbeiter, die Zigarrenarbeiter, die Möbelarbeiter, die Hafenarbeiter, die Granithauer; unter den Buchdruckern bestehen zwei Vereine, nämlich einerseits der deutsch-amerikanische Typographenbund und andererseits dieInternational typographical union. Meist giebt es auch in den größeren Städten lokale Verbände der am Orte bestehenden Gewerkschaften, die häufig in deren Selbstbestimmung tief eingreifende Befugnisse haben. Ebenso haben sich zuweilen dielocal assembliesder einzelnen Staaten zu Verbänden zusammengeschlossen, so in New York, New Jersey, Pennsylvania, Ohio, Illinois, Maryland, Missouri, Michigan und Wisconsin.