III. Oesterreich[278].

Zweck des Vereins, dessen Sitz und Vorort Leipzig ist, besteht in der Förderung der materiellen und geistigen Interessen des deutschen Buchdruckerstandes, der Prinzipale sowohl wie der Gehülfen. Zu den Aufgaben gehört außer dem Verhältnisse zu Staat und Gesellschaft, insbesondere der Regelung des Verkehrs zu den verwandten Geschäftszweigen und dem Publikum, vor allem „Ordnung und Befestigung der geschäftlichen Verhältnisse zwischen Prinzipalen und Gehülfen unter Heranziehung der letzteren zur Lösung dieser Aufgabe, insbesondere auch unter Errichtung von Schiedsgerichten; hinwirken auf möglichst allgemeine oder wenigstens für größere geographische Gruppen gleichmäßige Bestimmungen über die Hauptpunkte des Tarifs, Hausordnung u. s. w.; konsequente Durchführung und strenge Aufrechterhaltung zwischen Prinzipalen und Gehülfen getroffener Vereinbarungen nach beiden Seiten hin; geschlossenes Vorgehen gegen Uebertretungen und Uebergriffe.“ Außerdem waren erwähnt: Förderung des Lehrlingswesens, Errichtung von Fach- und Fortbildungsschulen und endlich das Unterstützungswesen, insbesondere die Gründung von Invaliden- und Witwenkassen, bei denen die Aufnahme von keiner andern Bedingung als der Erfüllung seiner Mitgliedspflichten abhängig gemacht werden sollte, und von Viatikumskassen, welche von dem Anspruch Erhebenden nur eine Legitimation als Buchdruckergehülfe, nicht aber die Zugehörigkeit zu irgend einer Gehülfenvereinigung verlangen dürfe. Bei allen diesen Kassen sollten die Prinzipale an Beiträgen und Leitung beteiligt sein. Der Verein gab ein Organ heraus und zwar wählte man hierzu die „Annalen der Typographie.“ Der Vorstand bestand aus 9 Personen, doch sollte der Schwerpunkt in die für Deutschland beabsichtigten 12 Kreise fallen. Die Generalversammlung sollte jährlich stattfinden.

Das geschaffene Werk fand anfangs nicht viel Zustimmung: Bei den Gehülfen sah man darin einen Angriff und insbesondere den Versuch, die wichtigen Viatikumskassen in die Hände der Prinzipale zu bringen, obgleich im allgemeinen in Mainz die arbeiterfreundlichere Richtung gesiegt hatte; in den Kreisen der Prinzipale dagegen bot teils gerade dieser Umstand ein erhebliches Hindernis, teils fehlte es überhaupt an Interesse, so daß zunächst nur die Gründung von 2 Kreisvereinen: Nordkreis und Mainkreis, gelang. Der Gedanke eines einheitlichen Lohntarifes, noch mehr aber der eines organischen Zusammenwirkens mit den Gehülfen und die von manchen Seiten angeregte Schaffung einer Lehrlingsskala fand überwiegenden Widerspruch.

Erst die Lohnbewegung des Jahres 1872, bei der die Gehülfen überall ohne Mühe ihre Forderungen durchsetzten, brachte größeres Interesse für die Organisation unter die Prinzipale, die insbesondere durch den zur Beratung einer gemeinsamen Abwehr nach Eisenach berufenen und am 10. März 1872 abgehaltenen allgemeinen Buchdruckertag, auf dem 500 Firmen durch 62 Abgeordnete vertreten waren, angeregt wurde. Man beschloß nicht allein die möglichst rasche Einrichtung der Kreisvereine, ohne welche die ganze Organisation wirkungslos sein mußte, sondern stimmte auch den früher abgelehnten Forderungen eines Normaltarifes für ganz Deutschland und Bildung einer aus Prinzipalen und Gehülfen zusammengesetzten Tarifkommission zu.

Auf der am 27. April 1872 in Leipzig abgehaltenen dritten Generalversammlung des Vereins wurden diese Beschlüsse gebilligt und zur Durchführung derselben beschlossen, daß Gehülfen, welche sich der Entscheidung des Schiedsausschusses nicht fügen würden, während der Dauer des Streiks von keinem Vereinsmitgliede beschäftigt werden dürften. Dagegen wurde nicht allein die in den Gehülfenkreisen geforderte Einführung des Alphabettarifs, sondern auch der Gedanke, die Generalversammlung aus Vertretern der Kreisvereine zusammenzusetzen, abgelehnt.

Auch jetzt war die Organisation der Prinzipale noch nicht stark genug, um der im Jahre 1873 hervortretenden Gehülfenbewegung, die auf Einführung eines neuen Tarifs unter Zugrundelegung der Alphabetrechnung gerichtet war, Widerstand zu leisten, und so mußte denn die auf den 24. März 1873 in Weimar berufene außerordentliche Generalversammlung den Gehülfenforderungen nachgeben, um den ausgebrochenen Streik zu beendigen. Die darauf zusammentretende Delegiertenversammlung beider Teile, die vom 1.–5. Mai 1873 in Leipzig tagte, brachte dann endlich das große Werk eines für ganz Deutschland gültigen Normaltarifes zu Ende. Die eingesetzten Schiedsgerichte und das Einigungsamt wirkten auf beiden Seiten im versöhnlichen Sinne, und die neu gegründete Tarifgemeinschaft trug wesentlich dazu bei, das Bewußtsein der gemeinsamen Interessen zu stärken.

Der Bericht des Prinzipalvereins in der eingangs gedachten Festnummer schließt an dieser Stelle die erste Periode des Vereins, also die der Gründung und ersten Befestigung. Die zweite Periode zählt er von 1875 bis 1885 und bezeichnet dieselbe als eine Zeit des Niederganges, was sich schon darin zeigt, daß die Mitgliederzahl, die 1874 726 betragen hatte, allmählich bis auf 234 herabging. Einen Teil der Schuld hieran trug der Beschluß, das bisherige Organ, die „Annalen“, eingehen zu lassen und durch die nur nach Bedürfnis erscheinenden und nur den Mitgliedern zugehenden „Mitteilungen des Deutschen Buchdruckervereins“ zu ersetzen, die zuerst im Jahre 1876 ausgegeben wurden,aber in dem ganzen Jahre nur 2 Mal erschienen. Wenn trotzdem die Prinzipale die bereits oben (S.264) erwähnten Tarifermäßigungen der Jahre 1876 und 1878 durchsetzten, so lag dies in den ungünstigen Geschäftsverhältnissen, die auch von den Gehülfen anerkannt wurden. Aus dem Jahre 1878 ist erwähnenswert, daß unter dem Eindrucke der Attentate die am 16. Juni 1878 in Hannover abgehaltene 9. Generalversammlung es für Pflicht der Mitglieder erklärte, keine sozialdemokratischen Arbeiter zu beschäftigen, ein Beschluß, der aber nirgends zur Ausführung gelangte.

Mit dem Jahre 1886 beginnt die dritte Periode des Vereins, die des kräftigen Aufstrebens. Ein Hauptgrund hierfür war die reichsgesetzliche Bildung der Unfallversicherungsgenossenschaften, die den Gedanken der Vereinigung in weitere Kreise trug, so daß die Mitgliederzahl des Vereins innerhalb des Jahres 1885/86 von 344 auf 1144 stieg. Wenn man freilich diesen Anlaß benutzte, um die Organisation nicht nur formell an diejenige der Unfallversicherung anzulehnen, indem man die 12 Kreise durch die 9 Bezirke der letzteren[270]ersetzte, sondern auch bei der Besetzung der Vorstandsämter weitgehend eine Personalunion eintreten ließ, so beging man den bereits oben (S.266) gerügten Fehler, an einem auf versöhnliches und entgegenkommendes Zusammenwirken mit den Gehülfen berechneten Unternehmen Männer zu beteiligen, die auf einem durchaus entgegengesetzten Standpunkte, nämlich dem der einseitigen Herrschaft des Unternehmers, standen. Auch die eigene Darstellung der Prinzipale in der mehrfach erwähnten Festnummer bietet nicht allein keine Widerlegung des bezeichneten Vorwurfes, sondern läßt, ohne ihn auszusprechen, doch auf Schritt und Tritt diesen Gegensatz beider Richtungen innerhalb des Vereins hervortreten. Es ist von hohem Interesse, zu lesen, wie die Sektion II (Rheinland-Westfalen) sich in stetem Widerspruche zu der Gesamtleitung befindet, größtenteils im Vorstande und bei den bezüglichen Verhandlungen gar nicht vertreten ist, ja hinsichtlich der wichtigsten Punkte, z. B. bei der Bildung der Tarifgemeinschaft und der Durchführung des Tarifs, den formell bindenden Beschlüssen des Vereins einfach die Anerkennung versagt und offenen Widerstand leistet, und daß die Vereinsleitung schwach genug ist, dies alles zu ertragen, anstatt die unbotmäßigen Mitglieder einfach vor die Thür zu setzen. Erst die Periode des Kampfes, wie sie durch den großen Streik gegeben wurde, bot den rheinisch-westfälischen Herren den Anlaß, ihre Stellen einzunehmen und sich an dem Verein zu beteiligen, in dem sie dann ihren Einfluß geltend machten, um alle Versuche einer friedlichen Beilegung zu hindern und den verhängnisvollen Ausgang herbeizuführen.

Das Auftreten dieses antisozialen Elementes innerhalb des Vereins ist von solchem Interesse, daß ich die wichtigsten Thatsachen hier kurz erwähnen will.

Vom 16. bis 20. August 1886 hatte die Tarifkommission in Leipzig getagt und nach langen Verhandlungen und unter beiderseitigem Nachgeben einen neuen Tarif zustande gebracht, insbesondere auch eine Lehrlingsskala geschaffen. Daß die Prinzipale des Vororts Köln als die einzigen den Tarif ablehnten, war nichts Besonderes, vielmehr ihr Recht, aber nachdem der Gesamtverein ihn mit 214 gegen 93 Stimmen angenommen hatte, war die Sektion II statutengemäß an ihn gebunden. Im Gegensatze hierzu beschloß eine am 15. September 1886 in Köln abgehaltene Prinzipalversammlung mit 86 gegen 4 Stimmen, bei ihrem Widerspruche festzuhalten, und die Gehülfen waren trotz eines Lohnkampfes, der ihnen 200000 Mk. kostete, nicht im stande, ihr klares Recht durchzusetzen. Aber die Sektion II ging noch weiter in der offenen Auflehnung, indem sie im Gegensatze zu der von dem Vereinsvorstande geleiteten Abstimmung innerhalb des Vereins eigenmächtig eine neue Abstimmung aller Prinzipale in Deutschland in der Weise herbeizuführen suchte, daß sie die Betreffenden aufforderte, ihr Votum durch Postkarte dem Vorstande der Sektion zuzusenden. Als sich dabei eine Ablehnung des Tarifs mit 2136 gegen 204 Stimmen ergab, leitete man daraufhin eine umfassende Agitation ein mit dem Programm: energische Stellungnahme gegen den Gehülfenverband sowie gegen die Tarifgemeinschaft, Ueberweisung der Lohnfrage an die Sektionen und Ablehnung des neuen Tarifs. Der Vereinsvorstand erkannte in seiner am 1. Dezember 1886 abgehaltenen Sitzung nicht allein das Recht der Sektion II an, gegen den Tarif zu agitieren, sondern war auch schwächlich genug, auszusprechen, daß die Mitgliedschaft im Vereine durch Anerkennung des Tarifes nicht bedingt sei. Auch in der am 26. Juni 1887 in München abgehaltenen Generalversammlung blieb die Sektion II dabei, daß sie auch ferner gegen die Tarifgemeinschaft zu wirken entschlossen sei. Wenn das Hauptziel, um nicht zu sagen das einzige, in der Regelung des Verhältnisses zu den Gehülfen besteht, so bedeutet die Ablehnung einer für dieses Verhältnis grundlegenden Organisation auch die Lossagung von dem Verein selbst, und Beschlüsse, die der Verein innerhalb seiner Zuständigkeit faßt, sind selbstverständlich für alle Mitglieder desselben verbindlich. Es ist interessant, das Vorgehen des Prinzipalvereins in diesem Punkte zu vergleichen mit demjenigen des Gehülfenverbandes bei der Neubegründung der Tarifgemeinschaft im Jahre 1896. Obgleich in der Generalversammlung 45 Stimmen für und 22 gegen die Tarifgemeinschaft abgegeben waren, sah es doch die überstimmte Minderheit als ihre selbstverständliche Pflicht an, sich zu fügen, jedenfalls ist der Vereinsvorstand gegen die unter der Leitung vonGaschstehende Opposition mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aufgetreten,jaGaschselbst ist aus dem Verein ausgeschlossen. Und dabei handelte es sich in den beiden zur Vergleichung stehenden Fällen um genau dieselbe Frage: die Tarifgemeinschaft, die von den beiden Minderheiten bekämpft wurde, hier auf Grund eines engherzigen Unternehmerinteresses, dort infolge ebenso einseitigen Arbeiterstandpunktes. Auf der einen Seite Klassenhochmut und Herrscherdünkel, auf den anderen Klassenhaß und Kampfesfanatismus. Das sind die Feinde, die eine verständige soziale Thätigkeit zu bekämpfen hat, aber beide in gleichem Maße. Wenn die Mehrheit des Prinzipalvereins glaubte, im Interesse des Friedens nachgeben zu müssen, so hat sie dem Vereine einen schlechten Dienst erwiesen, denn nicht der äußere Umfang und die Mitgliederzahl entscheidet über den Wert und die Leistungsfähigkeit eines Vereins, sondern die innere Harmonie und die konsequente energische Durchführung eines als richtig anerkannten Prinzips. Ein Verein, der einen ganz neuen Gedanken zur Durchführung bringen will, nämlich die gemeinsamen Interessen von Arbeitern und Unternehmern unbeschadet des zwischen beiden bestehenden Gegensatzes zu vertreten, muß dabei den Kampf nach beiden Richtungen aufnehmen, nur dadurch ist er imstande, seine Daseinsberechtigung zu beweisen.

Aus der Wiedergabe der thatsächlichen Ereignisse, wie sie sich in dem Berichte findet, ist wenig hervorzuheben, da sie sich mit der bereits oben (S.258ff.) gegebenen Darstellung deckt. Von Interesse ist, daß auch nach der Auffassung der Prinzipale die Stettiner Beschlüsse über die unmittelbare Vereinbarung des Tarifs zwischen den beiderseitigen Verbänden und über die Verpflichtung der tariftreuen Prinzipale, nur solche Gehülfen zu beschäftigen, die in tariftreuen Geschäften ausgebildet sind, durchaus als durchführbar und als großer prinzipieller Fortschritt in der Entwickelung des beiderseitigen Verhältnisses betrachtet wurden. Aber leider siegte auf der am 30. Juni 1890 in Straßburg abgehaltenen Generalversammlung die bereits gewürdigte Schwächlichkeitstendenz, die von dem Berichte in der Weise verherrlicht wird, daß es heißt, diejenigen, die befürchtet hatten, es werde in Straßburg das Tafeltuch zwischen dem Verein und seiner Sektion II zerschnitten werden, seien angenehm vom Gegenteil berührt, das Ergebnis der langen Beratungen sei gewesen, daß „von der Entscheidung der streitigen Hauptpunkte abgesehen sei“. Eine köstliche Selbstironie. Da hiermit dem Stettiner Abkommen entgegen die Einführung der Neuordnung jedenfalls für den 1. Oktober 1890 beseitigt war, so ist es völlig begreiflich, daß der Unmut der Gehülfen sich in scharfer Weise geltend machte. Wenn der Bericht hervorhebt, daß dies und die Agitation für den Achtstundentag auf die Stimmung in Prinzipalkreisen ungünstig zurückgewirkt habe, so ist das wohl verständlich, ändert aber nichts an der Beurteilung der Schuldfrage. Die Neigung des Vereins, seine bessere sozialpolitische Einsicht der Rücksicht auf dieVerständigung mit Rheinland-Westfalen unterzuordnen, tritt schon deutlich hervor in den Verhandlungen des von dem Vereine eingesetzten Revisionsausschusses, der am 26. November 1890 in Leipzig zusammentrat und nach dem Berichte den Zweck verfolgte, eine Uebereinstimmung der dissentierenden Sektion II mit dem übrigen Vereine herbeizuführen. Das Ergebnis der viertägigen Beratungen waren folgende Beschlüsse: Der allgemeine deutsche Buchdruckertarif sollte künftig von Organen des Vereins und Organen der Gehülfenschaft vereinbart, durchgeführt und überwacht werden, die bisherige Tarifgemeinschaft also in Wegfall kommen. Als berechtigter Vertreter der Gehülfenschaft sollte der Unterstützungsverein Deutscher Buchdrucker anerkannt werden mit dem Anheimgeben an diesen, auch die außerhalb seiner Organisation stehenden Gehülfen mit zu berücksichtigen; mit diesen Organisationen sollte der Vereinsvorstand Verhandlungen einleiten. Zur Einhaltung des vereinbarten, von der Generalversammlung anerkannten Tarifes sollten die Vereinsmitglieder statutarisch verpflichtet werden, ebenso zur Einhaltung der Stettiner Resolution. Für den Fall, daß ein Tarif im Vereinbarungswege mit der Gehülfenschaft nicht zustande käme, sollte der Verein den statutengemäß festgesetzten Tarif selbst, also ohne Mitwirkung der Gehülfenschaft durchführen.

Durch den Streik sind diese Beschlüsse nicht zur weiteren Entwickelung gekommen, aber es ist im hohen Grade wahrscheinlich, daß, falls der Verein an ihnen festgehalten hätte, sie allein und ganz unabhängig von den seitens der Gehülfenschaft aufgestellten neuen Forderungen den Konflikt hätten herbeiführen müssen. Zunächst enthielt der Beschluß, zu den Verhandlungen auch die nicht zum Verbande gehörigen Gehülfen zuzuziehen, einen unmittelbaren Angriff gegen den Verband, indem dieser das Recht in Anspruch nahm, die einzige berechtigte Vertretung der Gehülfen zu sein. Aber mag es dahingestellt bleiben, ob dieser Standpunkt angreifbar war, so zerstörte man durch den Beschluß, die Vereinbarung des Tarifes zwischen dem Prinzipalvereine auf der einen Seite und der gesamten Gehülfenschaft auf der andern Seite stattfinden zu lassen, den Grundgedanken des bisherigen Verhältnisses, den man dahin bezeichnen kann, daß die beiderseitigen Organisationen als berechtigte Vertreter der beiderseitigen Interessen anerkannt werden sollten. Ließ man dies für die Gehülfen fallen, indem man sich nicht an den Verband, sondern an die Gesamtheit wandte, woher wollte man dann für den Prinzipalverein das entsprechende Recht ableiten, da er in viel geringerem Grade die Forderung, alle Beteiligten in sich zu vereinigen, erfüllte, als der Gehülfenverband?

Obgleich die am 8. Februar 1891 in Leipzig abgehaltene außerordentliche Generalversammlung diese der Auffassung der Rheinländer gewiß entgegenkommenden Beschlüsse im wesentlichen zu den ihrigen machte, gaben doch in derKreisversammlung der Sektion II sämtliche Vorstandsmitglieder die Erklärung ab, infolge ihrer von der des Deutschen Buchdruckervereins abweichenden Stellung zu den Tarifangelegenheiten keine Aemter wieder annehmen zu können. Der Bericht fährt fort: „Die folgende Neuwahl war denn auch erfolglos, und der Verein behielt zwar in Rheinland-Westfalen seine Mitglieder, diese verblieben aber ohne statutgemäße Vertretung.“ Also ein Verein läßt sich gutwillig gefallen, daß ein Teil seiner Mitglieder die elementarste Pflicht, die statutenmäßige Organisation zu vollziehen, ablehnt, ohne daraus die Folgerung zu ziehen, daß solche Personen nicht mehr Mitglieder sein können!

Bei der Beurteilung des großen Streiks unterstützt der Bericht des Prinzipalvereins weitgehend die oben vertretene Auffassung, insbesondere, daß die so lange vorher erfolgte offene Ankündigung seitens der Gehülfen die Prinzipale in die Lage gesetzt hatte, sich vorzüglich vorzubereiten, indem „manche Firmen schon im Verlaufe des Sommers aus eigenem Antriebe die Einteilung ihrer Arbeiten danach eingerichtet hätten.“ Auch mit dem Börsenverein deutscher Buchhändler und dem Verlegerverein hatte man Verbindungen angeknüpft, um die Aufträge entweder, soweit sie eilig waren, noch vorher zu erledigen oder aber sie zurückzustellen. „Das gleiche Ersuchen hatte man an die Behörden und das Publikum gerichtet. Allen diesen Ersuchen wurde auf das bereitwilligste entsprochen.“

Die Ziffern giebt der Bericht an wie folgt:

Bis zum 7. November hatten die Arbeit niedergelegt 7631 Gehülfen, 200 Gießer und 29 Hülfsarbeiter. Die Forderungen bewilligt erhalten hatten 4445 Gehülfen. Nach dem bisherigen Tarife arbeiteten weiter 6744 Gehülfen, in Kündigung standen noch 298 Gehülfen, 131 Gießer und 70 Hülfsarbeiter. Die hier ermittelte Gesamtzahl umfaßt allerdings nur 19118 Gehülfen, also gegenüber den insgesamt vorhandenen 34000 nur etwa 56%, die fehlenden 15000 sind als weiter arbeitend anzusehen.

Hinsichtlich des Antrages auf Sequestration der Zentralinvalidenkasse, die von dem Vereinssekretär Dr.Paul Schmidtim Auftrage von 512 Mitgliedern der Kasse bei dem Amtsgerichte Stuttgart erwirkt wurde, giebt der Bericht als Grund an, daß „die gehülfenseitige Streikleitung in zwar sehr vorsichtiger, aber hinreichend deutlicher Weise die Fortdauer der an den Unterstützungskassen des Vereins erworbenen Rechte von der Beteiligung am Streik abhängig gemacht, dagegen die Leitung des Deutschen Buchdruckervereins denjenigen Gehülfen, welche sich am Streik nicht beteiligen würden, die Wahrung dieser Rechte zugesichert hatte, so daß die Zentralleitung als den nächsten wichtigsten Schritt erachtete, die bedrohten Interessen dieser Gehülfen sicher zu stellen.“ Aber abgesehen von der Frage, ob eine solche offenbar rechtswidrige Absichtdes Gehülfenvereins wirklich „in hinreichend deutlicher Weise“ hervorgetreten war, so ist jedenfalls durch die später im Instanzenzuge erfolgte Wiederaufhebung der Sequestration die mangelnde Berechtigung des Vorgehens hier ebenso anerkannt, wie bei dem Verbote der Berliner Polizei, aus Vereinsmitteln Streikunterstützungen zu zahlen oder Extrasteuern zu erheben.

Waren schon während des Streiks versöhnlichere Stimmungen aus den Kreisen der Berliner und Stuttgarter Prinzipale hervorgetreten, so geschah dies sehr nachdrücklich durch ein Rundschreiben der Vereinigten Stettiner Prinzipale vom 17. Januar 1892, das aber von dem Vereinsvorstande durch eine Entgegnung von 25. dess. Mon. energisch bekämpft wurde und weitere Folgen nicht hatte. Aehnlich verliefen die Dinge auf der am 19. Juni 1892 in Breslau abgehaltenen Generalversammlung. „In verschieden Kreisen des Vereins war man mit der Behandlung der Angelegenheit von der Tarifkommission für Deutschlands Buchdrucker seitens der Prinzipalabteilung dieser Kommission nicht einverstanden, hielt die Auflösung der Tarifkommission durch deren Prinzipalmitglieder[271]sowie die Ueberweisung der Tarifregelung an den Tarifausschuß des Deutschen Buchdruckervereins als zu Unrecht erfolgt und mit den mit der streikenden Gehülfenschaft abgeschlossenen Friedensbedingungen nicht übereinstimmend. Dem wurde von anderen Kreisen widersprochen, und die Debatten gestalteten sich deshalb sehr langwierig. Schließlich einigte man sich in dem Beschlusse, daß die Versammlung erklärte, sich in betreff der Tarifangelegenheit auf den Boden der gegebenen Thatsachen zu stellen und den Vorstand beauftragte, die von dem Tarifausschusse eingereichte Tarifvorlage nach den Gesichtspunkten: 1. überall die Möglichkeit einer späteren Mitwirkung der Gehülfenschaft an dem weiteren Ausbau des Tarifs offen zu lassen, und 2. an den bestehenden Grundpositionen nichts zu ändern, unter Mitwirkung des Tarifausschusses festzustellen und den Mitgliedern vom 1. Oktober 1892 ab zur Einführung zu empfehlen.“

Aber diese Beschlüsse vermochten nicht die gehülfenfreundliche Partei zu beruhigen. „Auch der Bund der Berliner Buchdruckereibesitzer erklärte, dem neue Reduktionen enthaltenden Tarifentwurfe nicht zustimmen zu können, sondern nur einem auf loyalem Wege zwischen Prinzipalen und Gehülfen zustandegekommenen, und bezeichnete den 1890er Tarif bezüglich der Entlohnung für seine Mitglieder nach wie vor als bindend. Die Stuttgarter Prinzipale teilten im wesentlichen diese Anschauungen und sprachen sich außerdem noch für die Fortdauer der Tarifgemeinschaft aus.... Die Zentralleitung für Ausstandsangelegenheiten[272]endlich erklärte in ihrer Mehrheit in einer am 26. September 1892abgehaltenen Sitzung, an dem dritten Punkte desBüxenstein-Döblin'schen Uebereinkommens vom 16. Januar 1892: „Der Tarif vom 1. Januar 1890 gilt weiter und wird so lange als gültig anerkannt, bis eine andere Vereinbarung zwischen Prinzipalität und Gehülfenschaft getroffen worden ist«, festzuhalten, und richtete an den Vorstand das Ersuchen, dahin zu wirken, daß die Beschlußfassung der Breslauer Hauptversammlung, welche mit dieser Friedensbedingung nicht in Einklang stehe, mit derselben in Einklang gebracht werde.“ Um diese verschiedenen Meinungen auf Grund des Breslauer Beschlusses, soweit möglich, zu vereinigen, fanden vom 21. bis 23. November 1892 in Leipzig gemeinschaftliche Sitzungen des Vereinsvorstandes, des Vereinstarifausschusses und der Zentralleitung für Ausstandsangelegenheiten statt. Das Ergebnis dieser Sitzung war ein allseitiges Einverständnis und die Aufstellung des heutigen deutschen Buchdruckertarifs[273], der unterm 8. Dezember 1892 veröffentlicht wurde und am 1. Januar 1893 in Kraft trat. In diesem Tarife nahm man die Lohnsätze des 1890er Tarifs unverändert auf.... Als Konzession an die Gegner des 1890er Tarifs wurden die Minderbezahlung der Ausgelernten und die Minimalzuschläge für Druckorte bis zu 6000 Einwohner in den Tarif wieder aufgenommen. Die von der Tariforganisation handelnden Bestimmungen des bisherigen Tarifs wurden durch einen den Friedensbedingungen vom 16. Januar 1892 entsprechenden Gültigkeitsvermerk ersetzt und damit dem prinzipalseitig beim Friedensschlusse gegebenen Worte wie dem Breslauer Beschlusse Genüge geleistet. Die Festsetzung der Lehrlingsskala wurde als Sache der Prinzipalität erklärt und dem Deutschen Buchdruckerverein als Vertreter derselben zugewiesen.“

„Durch diesen Beschluß wurde die Einmütigkeit der Prinzipalschaft wieder hergestellt. Die Gehülfenschaft erkannte den Tarif vom 1. Januar 1893 stillschweigend an, und der Vorstand des Unterstützungsvereins Deutscher Buchdrucker forderte sogar — freilich in Widerspruch mit der radikalen Richtung — die Gehülfen auf, zur Wiederherstellung geordneter Verhältnisse die Hand zu bieten[274].“

So schien ja die Tarifangelegenheit endlich einigermaßen geordnet, obgleich die Beseitigung der Lehrlingsskala einen bedauerlichen Rückschritt darstellt. Aber man hatte die Rechnung ohne Rheinland-Westfalen gemacht, und der Bericht muß für 1894 feststellen, daß dieser Kreis „noch immer insofern eine Ausnahmestellung einnimmt, als seine Mitglieder nach dem 1878er Tarife bezahlen“.Einen größeren Einfluß des Vereins auf die Tarifeinhaltung und damit auf die ganze Tariffrage selbst erhofft der Bericht daraus, „daß mit der am 27. April (1894) erfolgten Inkraftsetzung der von der Hauptversammlung in Stuttgart am 26. Juni 1893 beschlossenen Vereinssatzungen auch der Beschluß derselben Hauptversammlung in Kraft getreten ist, nach welchem die Vereinsmitglieder verpflichtet sind, den deutschen Buchdruckertarif bei Vermeidung des Ausschlusses aus dem Vereine einzuhalten“.

Die neueste Wiederbegründung der Tarifgemeinschaft wird von dem Geschäftsberichte des Prinzipalvereins für 1895 im wesentlichen übereinstimmend mit der oben (S.274ff.) gegebenen Darstellung geschildert; insbesondere wird mehrfach das versöhnliche Entgegenkommen der Gehülfenschaft hervorgehoben, das den Prinzipalvorstand bestimmt habe, die Verhandlungen über die Forderungen der Gehülfen: „Verkürzung der Arbeitszeit, entsprechende Lohnerhöhung und genaue Präzisierung der streitigen Paragraphen des Tarifs“ aufzunehmen. Die Verhandlungen Vom 11. März 1896, bei denen zum erstenmal seit vier Jahren wieder Vertreter der Prinzipalität und der Gehülfenschaft zu gemeinsamer Arbeit zusammentraten, waren sehr schwierig und standen oft auf dem Punkte zu scheitern. Insbesondere wollten die Gehülfen von einer Hinzuziehung der Nicht-Verbandsmitglieder nichts wissen, während die Prinzipale auch den „Gutenbergbund“ an den Verhandlungen teilnehmen lassen wollten. Endlich verständigte man sich dahin, daß die eigentliche Einigungsverhandlung stattfinden sollte zwischen dem Tarifausschusse des Prinzipalvereins auf der einen und den aus Urwahlen unter Leitung des Leipziger Einigungsamtes seitens der gesamten Gehülfenschaft hervorgehenden Vertretern der letzteren auf der anderen Seite. Daneben wurden mit beratenden Stimmen sowohl je zwei Mitglieder des Vereinsvorstandes und des Verbandsvorstandes, als zwei Vertreter der Nichtverbandsgehülfen zugelassen, die, nachdem der „Gutenbergbund“, dem man sie zuerst angeboten, abgelehnt hatte, von dem nicht zum Verbande gehörigen Gehülfen in Leipzig und Braunschweig gewählt wurden. Der Gutenbergbund trat sogar gegen diese Art der Vertretung in so scharfe Opposition, daß er einen Protest seitens des Prinzipalvereins hervorrief. Die am 15. April 1896 begonnenen dreitägigen Verhandlungen der so bestimmten beiderseitigen Vertreter führten dann zu den oben (S.276) näher bezeichneten Vereinbarungen, insbesondere zu der Verkürzung der Arbeitszeit um ½ Stunde und einer Lohnerhöhung. Die durch beides bedingte Erhöhung der Produktionskosten wird von dem Geschäftsberichte auf 12% angegeben. Es waren also wesentlich dieselben Zugeständnisse gemacht, die 1891 von den Prinzipalen als unmöglich abgelehnt waren. Die Einzelheiten wurden dann auf der vom 15. bis 19. Mai 1895 in Berlin abgehaltenen Konferenz geordnet.

Die jetzige Tariforganisation besteht also einerseits aus dem durch je einen Vertreter der Prinzipale und Gehülfen aus den zu Grunde gelegten neun Kreisen des Prinzipalvereins gebildeten Tarifausschusse und dem aus je drei Prinzipalen und Gehülfen bestehenden Tarifamte; das letztere ist die ausführende, der erstere die obere beschließende Instanz. Das Tarifamt ist zugleich Berufungsinstanz hinsichtlich der in den einzelnen Bezirken bestehenden Schiedsgerichte. Auch sollen gemeinsame Arbeitsnachweise errichtet werden und zwar unabhängig von den schon bestehenden des Prinzipalvereins. Die Kosten der Durchführung des Tarifs werden von den tariftreuen Prinzipalen und Gehülfen zu gleichen Teilen getragen. Dem Tarifamte ist ausdrücklich die Aufgabe übertragen, Vorkehrungen zu treffen, daß von einem noch zu bestimmenden Zeitpunkte ab in tarifuntreuen Druckereien eintretende Lehrlinge nach Beendigung der Lehrzeit in tariftreuen Druckereien nicht beschäftigt werden; auch soll die zur Zeit geltende Lehrlingsskala in den Tarif aufgenommen werden[275].

Diese Einigung der Prinzipale und Gehülfen hat aber noch einen Erfolg gehabt, der ebenso hoch anzuschlagen ist wie sie selbst und die Hoffnung gestattet, daß endlich die Entwickelung der Verhältnisse sich so vollziehen wird, wie es dem gewerkschaftlichen Grundgedanken entspricht. Daß die radikale Richtung der Gehülfen unter Leitung vonGaschabgestoßen wurde, ist oben (S.280) erwähnt. Aber ebenso ist auch jetzt glücklich die antisoziale Gruppe der Prinzipale ausgeschlossen. Schon der Geschäftsbericht für 1895 teilt mit, daß die Wahlen der Ausschußmitglieder in allen Kreisen außer dem zweiten vollzogen seien, und der Bericht für 1896 meldet dann folgendes:

„Die Aussprache mit den Vertretern des Kreises Rheinland-Westfalen auf der vorjährigen Hauptversammlung in Berlin ließ uns hoffen, daß die Mitglieder dieses Kreises sich im Interesse des Gesamtgewerbes den mit der Gehülfenschaft getroffenen Abmachungen ebenfalls anschließen und den Tarif in ihrem Kreise zur Durchführung bringen würden. Diese Hoffnung hat sich indes nicht erfüllt, ja es übernahmen sogar diejenigen Herren Kollegen, von denen wir am ersten erwarteten, daß sie den Beschlüssen der Hauptversammlung Geltung zu verschaffen bemüht sein würden, die Mitglieder des Kreisvorstandes, die Führung des Widerstandes gegen diese Beschlüsse und den deutschen Buchdruckertarif. Wenn wir bisher auch keine Veranlassung hatten, gegen den passiven Widerstand des Kreises II gegen den Tarif Maßnahmen zu treffen, so konnten wir doch diesem Vorgehen des Kreisvorstandes nicht ruhig zusehen, sondern wandten uns in einem offenen Briefe in Nr. 53 der „Zeitschrift“ andie dortigen Kollegen, dieselben zu treuem Festhalten an dem Tarif und unserm Vereine ermahnend.“ Der Bericht teilt dann mit, daß infolge hiervon etwa ein Drittel der Mitglieder des Kreises Rheinland-Westfalen aus dem Vereine ausgeschieden, zwei Drittel dagegen ihm treu geblieben seien. Der Kreis sei allerdings infolge hiervon ohne Vorstand, aber der Hauptvorstand werde in nächster Zeit die nötigen Schritte unternehmen, um die erforderliche Vertretung wieder zu beschaffen. Bisher seien die Bestrebungen der ehemaligen Mitglieder des Kreisvorstandes, einen Sondertarif für den dortigen Kreis zu schaffen, teils an der besseren Einsicht der Prinzipale, teils an dem Widerstande der Gehülfen gescheitert und es sei berechtigter Anlaß, anzunehmen, daß sich dieselben auch in nächster Zukunft nicht verwirklichen würden.

Damit hat sich eine Reinigung des Vereins vollzogen, die einen weiteren Aufschwung hoffen läßt und mit hoher Befriedigung zu begrüßen ist. Allerdings ist die Mitgliederzahl erheblich zurückgegangen, indem 1896/97 361 Mitglieder aus- und nur 132 eintraten, so daß der Bestand von 1402 auf 1173[276]zurückging. Auch 1897/98 haben 200 Austritte stattgefunden, so daß der Mitgliederbestand am 6. Juni 1898 nur noch 978 betrug; ja am Schlusse des Jahres war derselbe sogar auf 962 herabgegangen. Aber diese ausscheidenden waren schädliche Elemente, weil sie dem Grundgedanken aller gewerkschaftlichen Entwickelung, nämlich des friedlichen Ausgleiches unter gleichberechtigten Gegnern kein Verständnis entgegenbrachten. Wir finden ja diese auf der Zuspitzung des einseitigen Unternehmerstandpunktes beruhende antisoziale Anschauung in derselben Gegend des deutschen Vaterlandes auch bei anderen Industrien, als den Buchdruckern; es ist derselbe Absolutismus, derselbe Herrscherstandpunkt in dem Verhältnisse zwischen Unternehmer und Arbeiter, wie er vor 1848 in dem Verhältnisse zwischen Monarch und Volk bestand. Auf politischem Gebiete besteht er bekanntlich noch heute in Mecklenburg. Die rheinischen Industriemonarchen sind hinsichtlich der sozialen Verhältnisse noch auf der Entwickelung vor 1848 stehen geblieben, aber die Arbeiter sind es nicht mehr, und so wird ihr Widerstand notwendig gebrochen werden. Einstweilen ist Rheinland-Westfalen unser soziales Mecklenburg. —

Die sonstige Wirksamkeit des Deutschen Buchdruckervereins will ich hier nur mit wenigen Worten erwähnen.

Bei dem neuen Aufschwunge des Vereins sah man ein, daß man ein regelmäßig erscheinendes Organ nicht entbehren könne. Man ersetzte deshalb mit Beginn des Jahres 1889 die „Mitteilungen“ durch die noch jetzt bestehende „Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker“, die wöchentlich erscheint.

Der Verein beschränkte sich auch nicht auf seine nächsten Aufgaben, sondern aus ihm heraus entstand am 24. Oktober 1884 der „Zentralverein für das gesamte Buchgewerbe“, der sich die Ausbildung aller in den verwandten Berufen beschäftigten Personen und die Hebung in allen Richtungen durch Fortbildungsanstalten, Ausstellungen, Errichtung eines Museums u. dgl. zur Aufgabe stellt; alle sozialpolitische Thätigkeit ist ausgeschlossen.

Der Verein ist ferner thätig gewesen für Einführung einer einheitlichen Orthographie, für einheitliche Normalpapierformate, für Schaffung eines übereinstimmenden Kundentarifs, für Herabsetzung des Drucksachenportos und für Abstellung der Mißstände im Anzeigewesen, insbesonderen dem Rabattsystem. Um sich vor Geschäftsausfällen zu schützen, werden seit Ende 1892 die „Vertraulichen Mitteilungen des Deutschen Buchdruckervereins“ herausgegeben, die den Beteiligten die Namen schlechter Zahler und anderer das Gewerbe schädigender Personen, sowie alle Mitteilungen zur Kenntnis bringen, die sich für das Vereinsorgan nicht eignen. Damit ist auch ein Schuldeneinziehungsbureau verbunden. Weniger Anerkennung verdienen die Eingaben, die der Verein bei Beratung des Arbeiterschutzgesetzes gegen dasselbe machte, und das Gesuch an den Bundesrat vom 16. Februar 1892 um Gewährung von Ausnahmebestimmungen hinsichtlich der Beschäftigung von Arbeiterinnen. Glücklicherweise hatten diese Bestrebungen keinen Erfolg.

Bei Begründung des Vereins gehörten demselben auch viele Prinzipale aus Oesterreich und der Schweiz an; als sich dann später in beiden Ländern eigene Vereine nach dem Vorbilde des deutschen bildeten, sind diese aus dem letzteren ausgeschieden, so daß der Verein sich jetzt auf Deutschland beschränkt. Doch steht derselbe mit dem Oesterreichischen und dem Schweizerischen Prinzipalvereine in einem Kartellverhältnis.

Der Verein besitzt einen Zentralarbeitsnachweis, der unabhängig von den Arbeitsnachweisen der Tarifgemeinschaft ist, sich aber auf denselben Boden stellt, indem er nur tariftreue Prinzipale und Gehülfen berücksichtigt; hierdurch wird der Anschluß neuer Firmen an den Verein befördert. Ferner hat der Verein die „Unterstützungskasse des deutschen Buchdruckervereins“ eingerichtet, die seit 1. Januar 1896 für alle Mitglieder obligatorisch ist, doch können sich auch andere tariftreue Druckereien beteiligen. Außer den Prinzipalen werden die bei tariftreuen Firmen beschäftigten Gehülfen auf ihren Antrag aufgenommen[277]. Die Kasse gewährt Unterstützungen: 1. bei Arbeitslosigkeit,2. beim Umzuge nach einem anderem Orte, 3. bei vorübergehender Erwerbsunfähigkeit durch Krankheit, 4. bei dauernder Invalidität. Die Beiträge der Gehülfen belaufen sich auf wöchentlich 10 Pf. für die Reise- und Arbeitslosenkasse, 35 Pf. für die Krankenkasse und 20 Pf. für die Invalidenkasse. Die Prinzipale haben für jeden von ihnen beschäftigten Gehülfen wöchentlich 10 Pf. beizusteuern, erhalten aber ihrerseits aus der Kasse keine Unterstützung, sofern sie nicht durch eine besondere Zahlung von wöchentlich 75 Pf. sich selbst versichern. Die Gehülfen erhalten als Reiseunterstützung und Arbeitslosenunterstützung täglich 1 Mk. bis zur Dauer von 140 Tagen, als Krankenunterstützung täglich 1 Mk. 50 Pf. bis zu 52 Wochen und als Invalidenunterstützung täglich 1 Mk. nebst 100 Mk. Begräbnisgeld für die Hinterbliebenen. Die Kasse umfaßte am 31. Dezember 1897 3600 Gehülfen und 600 Prinzipale. Im Jahre 1898 betrugen Einnahmen, Ausgaben und Vermögen bei der Arbeitslosen- und Reisekasse: 48015,54 Mk, 22429,39 Mk. und 125586,15 Mk., bei der Invalidenkasse: 65085,42 Mk., 12670,04 Mk. und 229368,69 Mk. In der Vereinskasse betrugen 1898 die Einnahmen 14599,64 Mk., die Ausgaben 13463,18 Mk. Das Vereinsvermögen belief sich am 31. Dezember 1898 auf 11682,55 Mk. Seit 1. Oktober 1898 ist auch eine Krankenkasse gegründet und damit das Kassenwesen des Vereins abgeschlossen; dieselbe vereinnahmte bis zum 31. Dezember 1898 15636,84 Mk. und verausgabte 8501,05 Mk., so daß ein Bestand von 7135,79 Mk. verblieb.

Ein besonderes Interesse hat der Verein demInnungswesenzugewandt. In Berlin, Leipzig, Hamburg und Dresden bestanden schon seit Anfang der 80er Jahre Innungen, die das Lehrlingsprivilegium besaßen. Seit Erlaß des Handwerkergesetzes vom 26. Juli 1897 hat man allgemein die Bildung von Innungen in Angriff genommen und in der Hauptversammlung vom 6. Juni 1898 wurde einstimmig beschlossen, die Einrichtung von Zwangsinnungen anzustreben; es wurde dabei ins Auge gefaßt, demnächst den Prinzipalverein zu einem Innungsverbande umzugestalten. Dadurch würde eine Gesamtorganisation des ganzen Buchdruckergewerbes und insbesondere die Herbeiziehung der bisher dem Vereine nicht angehörigen Prinzipale erzielt werden. Der Geschäftsbericht für 1898 bemerkt jedoch, daß außer den früher bestehenden nur noch für den Regierungsbezirk Osnabrück eine Innung errichtet und daß die ganze Bewegung ins Stocken geraten sei; als Grund wird neben dem Zweifel der Behörden,ob die Vorschriften über Zwangsinnung auch auf das Buchdruckereigewerbe zu beziehen seien, die in vielen Prinzipalkreisen gegen dieselbe bestehende Abneigung bezeichnet.

In Oesterreich hat die soziale Entwickelung in mancher Beziehung einen etwas anderen Gang genommen, als in Deutschland. Sind hierfür schon die an anderer Stelle[279]erwähnten allgemeinen Umstände maßgebend gewesen, so kommt, was insbesondere die Unternehmerverbände betrifft, noch hinzu, daß gerade infolge der geringen Entwickelung der Industrie auch ihre Vertreter nicht denselben Einfluß im Staatsleben erlangen konnten, wie in Deutschland. Liest man die Verhandlungen der österreichischen Unternehmerverbände, so begegnet man den heftigsten Anklagen gegen das „agrarische Parlament“ und die „feudal-konservative Regierung“, die den Bestrebungen der Industrie kühl, wenn nicht ablehnend gegenüberstehe, sie zum Versuchsobjekt sozialpolitischer Experimente (so z. B. bei dem in Oesterreich eingeführten gesetzlichen Maximalarbeitstage von 11 Stunden) zu machen suche, ja sogar die Unternehmer „ironisiere“ und um jeden Preis sich bestrebe, „sozialpolitisch zu sein“. Dem GrafenBelcredilegt man die Aeußerung in den Mund, den Fabrikanten müsse der Brotkorb höher gehängt werden. Auch den bürgerlichen Kreisen, insbesondere aber denen des Kleingewerbes, macht man den Vorwurf, daß sie bei Streitigkeiten zwischen Unternehmern und Arbeitern regelmäßig auf seiten der letzteren ständen. Eine Folge dieser Stellungnahme der übrigen staatlichen Faktoren ist nun aber gewesen, daß die Unternehmer ihrerseits eine ganz andere Haltung auf sozialpolitischem Gebiete verfolgen, als in Deutschland, wo sie wissen, daß unter dem neuen Kurse die Regierung die Interessen des Unternehmertums ohne weiteres, mit denen des Staates identifiziert und im Reichstage neben der Großindustrie nur noch das Agrariertum einen Faktor darstellt, auf den man Rücksicht zu nehmen hat. Einzelne Belege für diese Haltung der österreichischen Industriellen werden weiter unten gegeben werden.

Die Organisation der Industriellen Oesterreichs begann im Anfange der 90er Jahre, indem sich in der Zucker-, Eisen- und Papierindustrie Fachverbändebildeten, deren Ziel in der Einflußnahme auf die Regierungskreise rücksichtlich der allgemeinen Industrie-, Handels- und Zollpolitik lag. Allerdings waren schon auf Grund des Gesetzes vom 29. Juni 1868 überall obligatorischeHandels- undGewerbekammernzur Vertretung der Interessen des Handels und des Gewerbes einschließlich des Bergbaues begründet, deren es heute 29 giebt. Sie sollen alle in dieses Gebiet einschlagenden Wünsche und Vorschläge erörtern und die Gesetzentwürfe begutachten. Daneben haben sie Marken- und Musterregister und Verzeichnisse über eingetragene Firmen zu führen, Handelsgerichtsbeisitzer zu ernennen, Vertreter in den Eisenbahnbeirat zu entsenden u. s. w. Im Reichsrat bilden sie eine eigene Kurie mit 21 Mitgliedern. Aber diese Handels- und Gewerbekammern befinden sich infolge ihrer Stellung als offizielle Vertretungen in einer gewissen Abhängigkeit von der Regierung. Außerdem haben sie nicht nur die Interessen der Großindustrie und des Großhandels, sondern auch die des Kleingewerbes und des Kleinhandels zu vertreten. So empfanden die Industriellen das Bedürfnis, neben den Kammern noch eigene freie Vereine zu bilden, von denen hier nur diejenigen erwähnt werden sollen, die sich auf die ganze Monarchie erstrecken.

Der älteste dieser Fachvereine ist der 1854 gegründeteZentralverein der österreichisch-ungarischen Rübenzuckerindustrie, aus dem 1861 ein Assekuranzverband gegen Feuerschäden und Rübenpreisdifferenzen, sowie ein Unterstützungs- und Pensionsverein mit Arbeitsvermittelung hervorging. Der Verein hat ein wöchentlich erscheinendes Fachorgan, die „Zeitschrift für Zuckerindustrie und Landwirtschaft“.

Daneben besteht ein Verband derZuckerraffinerienund ein solcher derChokolade- undZuckerwarenfabrikanten.

Ein zweiter Verband dieser Art ist derVerein der österreichisch-ungarischen Papierwarenfabrikanten, der 1862 gegründet wurde und ebenfalls einen Versicherungsverband, sowie 1887 eine Versuchsanstalt für Papierprüfung sowie ein Zentralverkaufsbureau ins Leben rief. Fachorgan ist das monatlich zweimal erscheinende „Zentralblatt für österreichisch-ungarische Papierindustrie“.

Für dieTextilgewerbebestehen der „Verband der Baumwollindustriellen Oesterreichs“, der „Verband der österreichischen Flachs- und Leinenindustriellen“ und der „Verein der österreichisch-ungarischen Juteindustriellen“.

Fernere Fachverbände sind: der „Oesterreichisch-ungarische Verein der Holzproduzenten, Holzhändler und Holzindustriellen“, der „Verein der Montan-, Eisen- und Maschinenindustriellen in Oesterreich“, der »Verein der österreichisch-ungarischen Cellulosefabrikanten, der „Verein der österreichisch-ungarischen Papierfabrikanten“, der „Verband österreichischer Müller und Mühleninteressenten“,der „Verein österreichischer Petroleumraffineure“, der „Verein der Cementfabriken“, der „Thonindustrieverein“ und die „Oesterreichische Gesellschaft zur Förderung der chemischen Industrie“.

Alle diese Vereine bezweckten, wie gesagt, in erster Linie den Einfluß auf die Regierung, während die Regelung des Verhältnisses zu den Arbeitern ganz aus ihrem Rahmen entfiel. Eine Veranlassung, sich auch mit ihm zu beschäftigen, gab zuerst die im Jahr 1890 auftretende Bewegung für die Feier des 1. Mai. Sie führte nicht allein dazu, daß die einzelnen Vereine sich mit dieser Frage beschäftigten, sondern auch zu der Zusammenfassung der meisten derselben zu dem „Zentralverband der Industriellen Oesterreichs“, der in der Versammlung in Wien am 20. April 1892 endgültig begründet wurde und am 15. Juni 1892 die ministerielle Bestätigung seiner Statuten erhielt. Der Verband umfaßt nach der in der Generalversammlung am 2. April 1898 gegebenen Uebersicht 30 Vereine und zwar fast alle von größerer Bedeutung. Immerhin ist die Gesamtindustrie Oesterreichs in ihrer Organisation noch durchaus rückständig, denn die 30 Vereine des Zentralverbandes umfassen nur etwa 2500 Mitglieder; rechnet man nun noch etwa 500 auf die dem Zentralverband nicht angehörigen Vereine, so ergiebt das bei einer aus der Industriestatistik von 1890 ersichtlichen Gesamtzahl von annähernd 11000 Großbetrieben nur eine Beteiligung von etwa 30%.

Von dem gleichartigen deutschen Verbande unterscheidet er sich nicht hinsichtlich der Zwecke und Mittel, aber in der Organisation, insofern die Beteiligung auf Vereine beschränkt ist, „welche statutengemäß die Interessenvertretung einer bestimmten Industrie (Branche) bezwecken“, während dem deutschen Verbande außer Vereinen, „welche wirtschaftliche, technische und kaufmännische Zwecke verfolgen“, auch „Handels- und Gewerbekammern und ähnliche Verbindungen, Erwerbsgesellschaften, Firmen und einzelne Personen (Industrielle und Freunde der Industrie)“ beitreten können.

Die bisherigen Verhandlungen des Zentralverbandes betrafen folgende Gegenstände: 1. Errichtung von Lehrkanzeln für Feuerungstechnik, 2. Reform des Gesetzes betr. Steuerbefreiung von Neubauten mit Arbeiterwohnungen, 3. Reform der Unfallversicherung, 4. Personalsteuergesetz, 5. Stellungnahme zu der Frage des 1. Mai, 6. Ausgestaltung der technischen Hochschulen, 7. Schaffung eines Arbeitsamtes, 8. Abänderung der Gewerbeordnung (Arbeiterschutzbestimmungen), 9. Pariser Weltausstellung, 10. Oesterreichisch-ungarischer Ausgleich, 11. Statutenänderung (Erweiterung der Aufgaben in der Richtung einer strafferen Organisation der gesamten Industrie), 12. Reform der Krankenversicherung, 13. Sonntagsruhe in Industrie und Handel, 14. Normalarbeitstag, 15. Stellungnahme zur amerikanischen Zoll- und Handelspolitik, 16. Gründungeines industriellen Assekuranzverbandes (Feuerversicherung), 17. Schaffung eines Industriebeirates, 18. Vorarbeiten für künftige Handelsverträge, 19. Begründung einer industriellen Rechtsschutzstelle, 20. die Lage der österreichischen Malzindustrie.

Wie ersichtlich, befinden sich unter diesen Gegenständen nur wenige, die das Verhältnis zurSozialpolitikberühren, oder gerade bei ihrer Beratung trat der oben erwähnte Umstand hervor, daß die österreichischen Großindustriellen auf einem wesentlich anderen, insbesondere weniger engherzigen und selbstherrlichen Standpunkte stehen, als ihre deutschen Kollegen. Allerdings finden sich hier die bereits bezeichneten Klagen über Oesterreich, als „einen Staat, in dem die Agrarier regieren und die Industriellen frohnen“, über die Versuche, auf Kosten der Industrie Staatssozialismus zu treiben und den gegen die Industrie geführten Kampf „von oben und von unten“, ebenso wie die Berufung darauf, daß „Oesterreich als Industriestaat noch nicht stark genug sei, um sich herausnehmen zu können, mit der Fahne der Sozialpolitik in der Hand an der Spitze aller Industriestaaten Europas, ja der Welt zu marschieren“. Aber wenn man[280]die Schaffung eines staatlichen Arbeitsamtes forderte, das die gesamte Arbeitsstatistik zentralisieren, die Arbeitsvermittelung in die Hand nehmen und die Arbeitslosigkeit bekämpfen soll, wenn man die Ersetzung der bisherigen Arbeiterversicherung durch eine allgemeine staatliche Sozialversicherung für nötig erklärt, wenn man verlangt, „daß der Arbeitsvertrag, sowie überhaupt das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine den modernen Anschauungen entsprechende gesetzliche Basis gestellt werde, sowie die zahllosen Willkürlichkeiten in der Handhabung der jetzigen Bestimmungen über Arbeitslohn, Auszahlungsmodus, Arbeiterwohnungen u. s. w. nach Möglichkeit vermieden werden“, wenn „der Zentralverband vollkommen anerkennt, daß die Industrie in freier und natürlicher Entwickelung auf eine Verkürzung der Arbeitszeit hinstrebt“ und er „diese Entwickelung seinerseits nicht hemmen, sondern im Gegenteil redlich zu fördern suchen will“ und nur im Interesse der Konkurrenzfähigkeit eine Enquete über die wirtschaftlichen und technischen Folgen einer etwaigen Aenderung des gegenwärtigen Standes der Gesetzgebung fordert, wenn man sich bewußt ist, daß „die Industrie nicht aus Arbeitgebern allein besteht, daß den Industriellen auch Pflichten erwachsen, wenn ihnen Rechte zugesprochen werden und daß die Industrie willig die ihr durch eine planmäßige und zielbewußte Sozialgesetzgebung auferlegten Lasten übernimmt“, wenn ausgeführt wird[281]„daß die Stetigkeit der Arbeit nicht nur geeignet ist, die Fabrikation zu regeln, sondern die Erzeugnisse billiger herzustellen, den Arbeitern einen sicheren und dauerndenVerdienst zu schaffen und hiermit die Ueberhastung der Arbeit einerseits, die Unterbrechung derselben und Entlassung von Arbeitern andererseits zu verhindern“, wenn das Ziel aufgestellt wird, „daß die Arbeiter stets ausreichende Arbeit und genügenden Verdienst finden“, und wenn gerade die Erledigung dieser Aufgaben einem staatlichen Arbeitsamte zugewiesen wird, „welches auf Basis der Statistik, der Studien und Erhebungen sich kontinuierlich mit allen Fragen der öffentlichen Arbeit zu beschäftigen und periodisch Präliminarien für alle in einem bestimmten Zeitraume auszuführenden Arbeiten des Staates, der Länder, der Transport- und Industrieunternehmungen, der Städte und anderer bedeutender Konsumplätze aufzustellen hat, um auf Grund dieser Präliminarien im Wege des Verkehrs mit den arbeitvergebenden Stellen für eine rechtzeitige und möglichst gleichmäßige Verteilung der bezüglichen Bestellungen Sorge zu tragen, so daß die aufbringbare Arbeit der Zeit nach die zu beschäftigenden Arbeitskräfte thunlichst kontinuierlich in Anspruch nimmt, wenn diesem Arbeitsamte geradezu die Aufgabe zugewiesen wird, anregend und vermittelnd sich zwischen Produzenten und Konsumenten zu stellen und letztere zu bestimmen, einen später eintretenden Bedarf früher, als ursprünglich beabsichtigt war, zu decken, eventuell einen neuen Bedarf zu schaffen und zu hindern, daß schädliche Beschäftigungspausen eintreten“, wie umgekehrt „das Arbeitsamt retardierend einzugreifen hat, wenn einmal allzu stürmisch Arbeit forciert werden und dadurch die Stetigkeit der Beschäftigung in einer späteren Periode gefährdet werden sollte“, wenn zum Schlusse die ganze Aufgabe nochmals dahin zusammengefaßt wird, „die vorhandene Arbeit im Staate zu konsignieren, die Stetigkeit in der Arbeit herbeizuführen, neue Arbeit vorzubereiten und zu schaffen, die Arbeit im Staate zu regeln und zu leiten“ ——— dann — ja dann sollte man wirklich annehmen, daß die Großindustriellen Oesterreichs lauter halbe oder gar ganze Sozialisten wären. Bedenkt man endlich, daß der noch zu erwähnende „Industrielle Klub“, der ebenfalls dem Zentralverbande angehört, aber den Kampfkarakter gegen die Sozialdemokratie stärker ausprägt, auf Vorschlag seines Präsidenten im November 1895 sich in einer öffentlichen Erklärung für die Erteilung des Wahlrechts an die Arbeiter aussprach[282], so ist in der That der Gegensatz zu dem deutschen Zentralverbande der Industriellen, dessen SekretärBueckals einziger nationalliberaler Abgeordneter im Preußischen Landtage für die Vereinsgesetznovelle stimmte, nicht wohl zu verkennen.

Der bereits erwähnte „Industrielle Klub“ ist 1875 in Veranlassung der damaligen Reform der Zollgesetzgebung gegründet und umfaßt Vertreter ausfast allen Zweigen der Großindustrie. Sein statutenmäßiger Zweck ist, „den industriellen Interessen einen Mittelpunkt zu bieten“. Diesen Zweck verfolgt er abgesehen von gemeinsamen Beratungen „durch sonstige, je nach den Umständen nützlich erscheinende gesetzliche Mittel.“ Mitglieder können Einzelpersonen und Vereine sein. Der Jahresbeitrag beläuft sich auf 100 Gulden. Der Klub hat ein eigenes Organ in seinen seit 1892 erscheinenden „Mitteilungen“. Die innegehaltene prinzipielle Richtung ist aus dem schon erwähnten Beschlusse wegen Verleihung des Wahlrechts an die Arbeiterklasse ersichtlich. Auch hat der Klub in einer besonderen Denkschrift vom 27. November 1891 sich für die — freiwillige — Einführung von Arbeiterausschüssen ausgesprochen mit der Begründung, daß dieselbe die notwendige Ergänzung gegenüber der mit der Vergrößerung der Betriebe eingetretenen Entfremdung zwischen Unternehmer und Arbeiter sei und daß die Ausschüsse, „in ruhigen Tagen geschaffen, gerade in stürmischen Zeiten sich bewähren sollen“. Dabei wird auch die Möglichkeit, daß die Ausschüsse sich gelegentlich an Streiks beteiligen würden, ins Auge gefaßt und als etwas bezeichnet, was man sich eben gefallen lassen müsse. Das schließt nicht aus, daß der Klub mit Nachdruck die Rechte der Unternehmer gegenüber den Arbeitern wahrt, wie er dies wiederholt gethan hat.

Der jüngste Gesamtverband der österreichischen Industrie ist der nach dem deutschen Vorbilde geschaffene „Bund österreichischer Industrieller“, der mittels Erlasses vom 17. Juli 1897 die erforderliche ministerielle Genehmigung erhalten hat. Der Zweck des Bundes ist „die Wahrung der gemeinsamen Interessen der österreichischen Industrie und die Herbeiführung eines gemeinsamen Vorgehens der österreichischen Industriellen in allen Fragen, welche die industrielle Produktion und deren wirtschaftliche Interessen berühren, ohne Betretung des politischen Gebietes.“ Als Aufgaben des Bundes werden bezeichnet: 1. „die stete Verfolgung und Beratung aller mit der Entwickelung der Industrie zusammenhängenden wirtschaftlichen Fragen, 2. die Regelung der Arbeitsverhältnisse in einem die Interessen der Arbeitgeber und der Arbeiter gleichmäßig berücksichtigenden Sinne, 3. die Ausgestaltung des Verkehrswesens, 4. die Pflege der Export- und Handelsinteressen, 5. die Pflege des technischen Fortschrittes, 6. die Pflege aller Einrichtungen und Maßnahmen, die ein einiges Vorgehen der Industriellen fordern.“ Die Mitgliedschaft beschränkt sich auf Einzelpersonen. Diese zahlen einen jährlichen Beitrag von 20 Kronen, doch haben daneben die unter ihrer Leitung stehenden industriellen Betriebe noch 20 Heller auf den Kopf des beschäftigten Arbeiters zu zahlen.

Auf der am 28. November 1898 in Wien abgehaltenen zweiten Generalversammlung wurde mitgeteilt, daß dem Bunde 668 Firmen mit 128000 Arbeitern angehörten, so daß er die größte österreichische Unternehmervereinigunggeworden ist. Der Bund scheint in höherem Grade, als der Zentralverband und der Industrielle Klub, den Kampfkarakter gegenüber der Arbeiterschaft hervorkehren zu wollen. Allerdings erklärte der Vorsitzende in seinem Jahresberichte es für „technisch verfehlt“, die hierauf bezüglichen Bemühungen des weiteren öffentlich zu besprechen, aber die verfolgte Grundrichtung ist zum Ausdruck gelangt in einer von dem Bundesausschusse ausgearbeiteten und zur Einführung in die Betriebe aller Mitglieder bestimmten Normalarbeitsordnung, die freilich noch nicht veröffentlicht ist, von der aber der Bundesanwalt Dr.Wolferklärte, daß sie „im ausgesprochenen Interesse der Betriebsunternehmer liege“, daß sie „nur für die Arbeitgeber, aber nicht für die Arbeitnehmer geschaffen“ sei. Der Entwurf hat denn auch den Beifall des Zentralgewerbeinspektors nicht gefunden, und zwar nach der Mitteilung des Vorsitzenden aus dem Grunde, weil der Bund „mit entschlossener Absicht den Standpunkt des Arbeitgebers eingenommen“ habe, wogegen der Zentralgewerbeinspektor, „dem Zuge der Zeit folgend sich bemüßigt glaubte, etwas mehr den bekannten Standpunkt der organisierten Arbeiterschaft einzunehmen“. Es scheint also jetzt der Wind in den österreichischen Unternehmerkreisen etwas frischer werden zu sollen.

Im allgemeinen haben jedoch bisher die Berufsvereinigungen der Industriellen sich weit mehr mit der Beeinflussung der Gesetzgebung, als mit dem Verhältnisse zu den Arbeitern beschäftigt. Die einzige Fachorganisation, die einen ausgesprochenen Kampfkarakter trägt, ist derVerband der Metall- und Maschinenindustriellen Niederösterreichs, der Anfang 1897 begründet wurde und u. a. auch die „gemeinsame Abwehr unberechtigter Streiks“ als Zweck verfolgt. Dabei ist aber zugleich das Interesse der Arbeiter berücksichtigt, denn der Verband soll keinem Unternehmer Schutz bieten, der die Konkurrenzfähigkeit seiner Produkte durch Herabdrückung der Arbeitslöhne und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu steigern sucht, es soll vielmehr das Interesse der Arbeitgeber gewahrt, aber auch in Einklang mit den berechtigten Bestrebungen der Arbeiter gebracht werden. Streitigkeiten zwischen Arbeitern und Arbeitgebern sollen zu einem beide Teile befriedigenden Resultate geführt werden, unberechtigte Bestrebungen der Arbeiter dagegen, insbesondere die deshalb geplanten oder ausgebrochenen Streiks sollen gemeinsam abgewehrt und in ihren Folgen unschädlich gemacht werden.

Der Interessengegensatz gegen die Arbeiter hat aber auch zur Bildung besonderer Kampforganisationen geführt, die sich im Gegensatze zu den „Fachvereinen“ als „Ortsverbände“ bezeichnen und sich nicht auf eine bestimmte Industrie beschränken, sondern alle Industriellen des betreffenden Bezirkes umfassen. Sie sind erst seit 1890 ins Leben gerufen und unmittelbar veranlaßt durch die Maifeier, zu deren Bekämpfung sie gegründet wurden.

Die erste dieser Vereinigungen wurde schon 1891 von den Fabrikanten inBielitzundBialageschaffen, durch ein Komitee, dem es mittels einer zehntägigen Aussperrung gelang, die Wiederholung der Maifeier in den folgenden Jahren zu verhindern; 1896 hat sich derselbe zu einem festen Verbande erweitert.

Dem gleichen Zwecke entsprang die 1894 begründete „Vereinigung zur Wahrung der industriellen und gewerblichen Interessen für Reichenberg und Umgebung“.

In Veranlassung eines am 3. Juni 1896 ausgebrochenen Streiks bildete sich auch in Neunkirchen ein Unternehmerverein, der den Kampf nach achtwöchiger Dauer siegreich durchführte. Der Verband dehnte sich dann auch auf die übrigen Vororte von Wien aus und führt jetzt den Namen:Verband der Industriellen in den politischen Bezirken Baden, Mödling, Neunkirchen, Wiener Neustadt und Umgebung.

Endlich hat sich ein gleicher Verein inPraggebildet.

Die Statuten beschränken sich bei allen Vereinen auf die allgemeine Bestimmung, daß der Verband „die solidarische Wahrung, Vertretung und Förderung aller Interessen der Industrie“ bezwecke. Nähere Vorschriften über die Behandlung von Streitigkeiten mit den Arbeitern sind nicht gegeben, und ebensowenig ist auf besondere Vorsichtsmaßregeln zur Durchführung der gefaßten Beschlüsse durch Vertragsstrafen, Wechsel u. dgl. Bedacht genommen, sondern Verabredungen dieser Art sind der Beschlußfassung im einzelnen Falle vorbehalten.

Unabhängig von allen diesen Vereinigungen besteht noch in Wien das „Industrielle Aktionskomitee“, in dem sich einige Industrielle zusammengeschlossen haben zu dem Zwecke, bei wichtigen Gelegenheiten die Interessen der Industrie durch gemeinsame Maßregeln, insbesondere Eingaben an Behörden, wahrzunehmen. Das Komitee beschränkt sich darauf, in solchen Fällen mit den bestehenden Vereinen und einzelnen Industriellen Fühlung zu nehmen. —

Ist im Vorstehenden diefreiwilligeOrganisation unter den österreichischen Unternehmern geschildert, so muß doch auch noch ein Blick geworfen werden auf die in Oesterreich durchgeführteZwangsorganisation.

Die in Deutschland durch die Arbeiterversicherungsgesetze geschaffenen Berufsgenossenschaften sind in Oesterreich nicht vorhanden, weil man an Stelle der beruflichen eine territoriale Gliederung gesetzt und die Verwaltung nicht den eigenen Organen der Industrie übertragen, sondern in die Hände staatlicher Behörden gelegt hat. Die Invaliditäts- und Altersversicherung ist in Oesterreich noch nicht eingeführt. Dagegen hat in Oesterreich dieGewerbegesetzgebungstets an der Zwangsorganisation des Handwerks festgehalten. Selbst nach derim allgemeinen liberalen Gewerbeordnung vom 20. Dezember 1859 mußte jeder Gewerbetreibende Mitglied einer Zwangsgenossenschaft sein, und durch das Gesetz vom 15. März 1883, welches zugleich für das Handwerk den allgemeinen Befähigungsnachweis einführte, ist bestimmt, daß „unter denjenigen, welche gleiche oder verwandte Gewerbe in einer oder in nachbarlichen Gemeinden betreiben, samt den Hülfsarbeitern derselben der bestehende gemeinschaftliche Verband aufrechtzuerhalten und, sofern er noch nicht besteht, ... soweit es die örtlichen Verhältnisse nicht unmöglich machen, durch die Gewerbebehörden herzustellen“ ist. „Wer in dem Bezirke einer Genossenschaft das Gewerbe, für welches dieselbe besteht, selbständig betreibt, wird schon durch den Antritt des Gewerbes Mitglied der Genossenschaft.“

Die Beschränkung dieser Vorschrift auf das Kleingewerbe ist durch die Bestimmung herbeigeführt, daß „die Verpflichtung zur Teilnahme an der Genossenschaft für die Inhaber jener Gewerbsunternehmungen nicht eintritt, welche fabrikmäßig betrieben werden“.

„Die Gewerbsinhaber sind Mitglieder, die Hülfsarbeiter der zu einer Genossenschaft vereinigten Gewerbsinhaber sind Angehörige der Genossenschaft.“ Der Zweck der Genossenschaft besteht in der Pflege des Gemeingeistes, in der Erhaltung und Hebung der Standesehre unter den Genossenschaftsmitgliedern und Angehörigen, sowie in der Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder und Angehörigen durch Errichtung von Vorschußkassen, Rohstofflagern, Verkaufshallen, durch Einführung gemeinschaftlichen Maschinenbetriebes und anderer Erzeugungsmethoden. Insbesondere liegt ihnen ob:

Die Genossenschaften eines Bezirks können sich zu Verbänden zusammenschließen, welche entweder aus der gleichartigen und verwandten oder auch aus verschiedenartigen Genossenschaften durch freien Beitritt derselben errichtet werden können.

Die erforderlichen Geldmittel mit Ausnahme der Beiträge für die Krankenkassen werden auf die Mitglieder nach einem statutenmäßig festzusetzenden Maßstabe umgelegt und im Verwaltungswege beigetrieben, doch kann zu Geschäftsunternehmungen auf gemeinschaftliche Rechnung und zu gewerblichen Anlagen behufs gemeinschaftlicher Benutzung mit Ausnahme der Fälle, wo sie aus öffentlichen Rücksichten errichtet sind, kein Mitglied oder Angehöriger gegen seinen Willen herangezogen werden.

Die Gewerkschaften stehen unter der Aufsicht der Behörde, welche zur Ueberwachung eigene Kommissare bestellt[283].

Die englischen Verhältnisse hinsichtlich der Organisation von Arbeitern und Unternehmern pflegen als Muster und Vorbild hingestellt zu werden, undman sollte deshalb annehmen, daß sie wiederholt Gegenstand litterarischer Bearbeitung geworden und allgemein bekannt wären. Das trifft in der That zu hinsichtlich der Arbeiterverbände, aber nicht hinsichtlich der Unternehmervereinigungen, über die vielmehr weder in der deutschen noch auch in der englischen Litteratur irgend eine zusammenhängende Darstellung besteht. Die Quelle, auf die man zurückgehen muß, um das einschlägige Material zu erhalten, sind vielmehr, wenn man sich nicht an die einzelnen Vereine selbst wenden will, die Veröffentlichungen derRoyal commission on labour, insbesondere eine von derselben im Jahre 1893 unter dem TitelRules of associations of employed and of employersveröffentlichte Zusammenstellung von Statuten von Arbeiter- und Unternehmerverbänden, die der Kommission auf ihre an alle ihr bekannten Vereinigungen dieser Art gerichtete Anfrage zur Verfügung gestellt sind. Das hier gebotene Material bezieht sich auf 70 Unternehmerverbände, von denen 24 dem Baugewerbe, 18 dem Bergbau und der Metallindustrie angehören; die übrigen Gewerbe sind mit geringeren Ziffern vertreten. Der älteste Verband ist die 1875 gegründeteEast of Scotland Association of Engineers and Iron founders.

Es kann hier nicht die Aufgabe sein, die einzelnen Statuten wiederzugeben, sondern es muß genügen, im allgemeinen den Inhalt derselben zu bezeichnen und auf einzelne besonders bemerkenswerte Punkte hinzuweisen.

Ein Teil der Verbände beschränkt sich darauf, als Zweck im allgemeinen die Vertretung der Interessen des betreffenden Gewerbes zu bezeichnen, wobei die Mehrzahl die Einflußnahme auf die Gesetzgebung bezwecken, während einzelne sich gegen bestimmte Gegner wenden, z. B. dieNorth Wales Coal Owners Associationgegen die Eisenbahnen. Aber die bei weitem meisten Statuten erwähnen als Aufgabe des Verbandes daneben die Regelung des Verhältnisses zu den Arbeitern. Einige thun das in der allgemeinen Form, daß die Solidarität der Unternehmerinteressen gegenüber den Gewerkvereinen der Arbeiter betont wird, wie bei derIron Trades Employers Association, oder daß die gemeinsame Festsetzung der Löhne und der Arbeitszeit als Gegenstand der Verbandsthätigkeit bezeichnet ist. Die große Mehrzahl geht darauf aus, Vorkehrungen gegen Arbeitseinstellungen zu treffen und daß in solchen Fällen eintretende Verfahren zu regeln. Nur wenige von diesen beschränken sich darauf, die Schlichtung der Streitigkeiten durch Schiedsgerichte und Einigungsämter zu regeln, sondern die meisten treffen daneben Fürsorge für gegenseitige Unterstützung der Mitglieder gegenüber den Streikenden, insbesondere durch Ueberlassungvon Arbeitern, wie bei derLiverpool Employers Labour Association, oder durch die Verpflichtung der Mitglieder, die von anderen übernommenen Lieferungen gegen eine den Selbstkostenpreis wenig übersteigende Vergütung auszuführen, durch das Verbot, streikende Arbeiter eines anderen Betriebes zu beschäftigen (schwarze Listen), wie bei derYorkshire Master Printers and Allied Trades Associationund derSeeds Boot Manufacturers Association, oder endlich durch Entschädigung für die durch den Streik verursachten Verluste, wie bei derWest Cumberland Ironmasters Association, derNorth of England Iron Manufacturers Association, derCleveland Mine Owners Associationund den Bergwerksbesitzern in Durham, Northumberland und North Wales. Die Höhe und die Berechnungsart der Entschädigungen ist sehr verschieden. So gewährt dieWest Cumberland Ironmasters Associationeinen Nutzen von 2 sh. 6 d. für jede Tonne der wahrscheinlichen Produktion. Die Mitglieder derSouth Wales Manmouthshire and Gloucestershire Tinplate Makers Associationhaben bei Streiks Anspruch auf 10 Pfd. St. wöchentlich für jede mit Dampf betriebene und 7 sh. 10 d. für jede mit Wasserkraft betriebene Fabrik. DieIron Trade Employers Associationzahlt den durch Streiks betroffenen Mitgliedern für je 100 Pfd. St. Jahreslöhne wöchentlich 3 sh. DieShipping Federationentschädigt für jede infolge Verbandsbeschlusses übernommene Haftpflicht einschließlich Kosten. DieLiverpool Employers Labour Associationzahlt ihren Mitgliedern, falls es ihr nicht gelingt, für die streikenden Arbeiter Ersatz zu beschaffen, für jeden nicht beladenen oder entladenen Dampfer 2 d. für die Tonne.

Dabei finden wir ein weitgehendes Prüfungsrecht des Verbandes hinsichtlich der Ursachen, die zu dem Streite Anlaß gegeben haben, und niemals wird die Unterstützung gewährt, wenn der Streik durch eigenmächtiges Handeln des Unternehmers herbeigeführt ist, d. h. wenn derselbe die für solche Fälle getroffenen Bestimmungen verletzt hat. Diese gehen meistens dahin, daß sofort dem Verbandssekretär oder einem besonderen Ausschusse Mitteilung zu machen ist. Ebenso darf nicht der einzelne Unternehmer mit den streikenden Arbeitern in Unterhandlungen treten, sondern muß diese dem Verbande überlassen.

Als äußerstes Zwangsmittel ist die allgemeine Einstellung des Betriebes bei allen Verbandsmitgliedern vorgesehen, die von der Generalversammlung mit einer Mehrheit von 2/3 oder ¾ beschlossen werden kann. In einzelnen Verbänden geht man in dem Bestreben, nur gerechtfertigte Ansprüche der Unternehmer zu unterstützen, so weit, daß man die Hülfe ausschließt, wenn ein Mitglied Lohnherabsetzungen vornimmt; so verweigert z. B. dieNorth East Lancashire Cotton Spinners and Manufacturers Associationjede Unterstützung denjenigen Mitgliedern, die nicht gewisse Minimallöhne zahlenoder auch, nachdem sie früher höhere Löhne gezahlt haben, diese einseitig herabsetzen. Ueberhaupt sind in vielen Verbänden, insbesondere in der Eisenindustrie und im Bergbau, die Löhne und häufig auch die Arbeitszeit einheitlich festgesetzt.


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