VI.

VI.

Tagsüber ruht das Odeontheater stumm, grau, unschön und unzugänglich, wie ein ungastlicher, schlafender Koloß. Der Torweg, rechts und links von Sandsteinsäulen flankiert, ist mit einem schwarzen, gußeisernen Gitter verschlossen. Aber wenn die Dämmerung alle Konturen verwischt hat, beginnt hier und dort ein Licht aufzublitzen, dem bald ein anderes folgt. Es werden immer mehr der Lichter. An allen Enden des großen Eckhauses steht abendwaches Leben auf. Nun erscheint über dem gemeißelten Sandsteinportale inmitten eines blendendweißen Flammenkranzes elektrischer Lampen der Name „Odeon“ in hohen goldenen Buchstaben. Jetzt ist an dem großen Gebäude nichts mehr grau und trist. Alle Konturen, alle Linien, alle Ecken treten klar, scharf und glänzend aus dem hellen, freudigen Lichte hervor; alle Fenster spiegeln heiter und einladend den Glanz der Bogenlampen wieder. Das Leben blitzt und lacht und funkelt aus dem erleuchteten Hause heraus, und darüber breitet die Freude ihre starken, sieggewohnten Schwingen. —

Die ersten Theaterbesucher erscheinen an der Abendkasse und lösen ihre Karten. Sie kennen die guten Plätze, sie verhandeln mit dem Kassierer und erhalten, da sie zeitig genug erschienen sind, ihre Lieblingssitze. Dann wenden sie sich zur Rechten und treten mit ihrem galantesten Lächeln in das elegante Theaterrestaurant ein, wo Fräulein Krömer, die Schwester der Frau Direktor Immermann, in ihrer üppigen, reifen Brünettenschönheit selbst an demBüfette thront und mit stolzem, nachsichtigem Lächeln die Huldigungen ihrer Verehrer entgegennimmt. Welcher Theaterbesucher verehrt sie nicht? Kein Herr aber darf sich rühmen, jemals von Fräulein Leonie Krömer mehr empfangen zu haben, als ein freundliches Wort und ihr berühmtes, zugleich pikantes und selbstbewußtes Lächeln, das Lächeln, welches sich niemals das geringste vergibt, das Lächeln, welches rot und stolz wie Julirosen blüht. —

Im Theater brannten, da es noch zeitig war, nur erst die Wandleuchter und die Öllämpchen in den Gängen. Im Orchester war noch alles finster. Zwei Theaterarbeiter kamen durch den Spalt im Vorhange auf die Bühne hinaus, bis nahe an die Rampe, und schraubten ein Loch in den Fußboden; dann krochen sie durch denselben Spalt wieder zurück.

Auf der Galerie am hinteren Ende des Saales, wo die Sitze nicht numeriert sind, erschienen die ersten Besucher, wurde halblaut geflüstert, raschelten Programme.

Die Zeit war da; die unerklärliche, erwartungsvolle, aufreizende Theaterstimmung kam, als die bronzenen Riesengirandolen, die an starken Ketten von der hellen, hohen Decke des Saales herniederhingen, mit einem Schlage im Lichte ihrer elektrischen Kerzen erglänzten.

Im Orchester wurde hinter den dunkelgrünen Schirmchen hier und da eins der Pultlichtchen angezündet; dann schwirrten leise, nervöse Töne auf beim Stimmen einer Violine.

Die hohen Flügeltüren des großen, weiten, schönen Theatersaales standen weit offen, bereit, die Gäste aufzunehmen, die vorerst noch vor den Garderobespiegeln lächelnd ihr eigenes Bild bewunderten und heitere Blicke aufeinander warfen. Stets ist das Publikum der großen Variétés seltsam gemischt; heute aber hätte die Verschiedenheit dieser Gäste auch dem Unkundigsten auffallen müssen. Es gab da vielegroße, vierschrötige Männer mit herkulischem Körperbau und groben Gesichtszügen, Amateurathleten und Freunde des Kraftsports. Sie hätten, in so großer Zahl an einem Orte versammelt, zu jeder anderen Zeit Aufsehen erregt. Aber heute glitten die Blicke interesselos über sie hin, denn alles wartete auf die Starken, die erprobten, gefeierten Athleten.... In den Augen der Frauen glühte ein eigentümliches, heimliches Feuer. Es waren auffallend viele, schöne und elegante Frauen erschienen. Sie alle waren von einer Nervosität beherrscht, die sich hinter belanglosem Lächeln und kokett gesenkten Augenlidern verbergen wollte, und die heimlich fiebernde Unruhe zog ihre Blicke doch immer wieder auf die drei Meter hohen Plakate mit dem Bilde Hermann Thyssens, des Matadors, die den ganzen Raum dominierten. Auf blutrotem Grunde stand der Ringkämpfer, kampferbittert und siegessicher, und hielt seinen schwarzen Gegner kopfunter mit fürchterlichem Griffe hoch empor, bereit, ihn zu Boden zu werfen. Man sah die verzweifelte Gegenwehr des Negers, man sah die Anstrengung der starken Muskeln, den eisernen Griff der unwiderstehlichen Hände, die Energie der blauen Augen und des zusammengepreßten Mundes.... Sie lasen die Unterschrift: Hermann Thyssen, Champion of the World in Graeco-Roman Style — und ihre verschleierten Blicke sagten lautlos und bebend: Champion... Herrscher... Herr... Herr....

„Was siehst du an dem Bilde?“ fragte Frau Ambrosius ihre Tochter, die nachdenklich vor dem Plakate stand. „Komme auf den Platz, Therese! Es hat schon geschellt.“

„Ja, gewiß,“ erwiderte Therese, „nur noch einen Augenblick, Mama!“

Das junge Mädchen konnte sich nicht versagen, noch einen eitlen Blick in den Spiegel zu werfen. Therese konnte zufrieden sein; die rosige Farbe der Erregung stand gutauf ihrem Gesichte, und die zierliche, weiße Bluse umhüllte eine anmutige und kräftige Mädchenbüste. Im nächsten Augenblicke aber schreckte sie leicht zusammen und wendete sich unwillkürlich um. Im Spiegel hatte sie Fritzi erblickt, Fritzi, deren Bilder in graziösen, lockenden Posen auf der Kommode in Eberhards Zimmer standen. Sie erkannte sie gleich so bestimmt, daß ihr kein Zweifel blieb. Das kecke, zierliche Geschöpf zupfte an ihrem Lockenscheitel, strich den prallsitzenden Rock noch glätter und hing sich dann wieder an den Arm ihres Begleiters, mit dem sie stolz durch das Vestibül in den Theatersaal hineinschritt.

Therese blickte dem Paare finster nach. Eine dumpfe, zornige Eifersucht stieg plötzlich in ihr auf. Diese kecke Chansonette mit dem schwarzen Haar und dem tänzelnden, spielerischen Schritte liebte Freidank... diese schmale, geschnürte Taille hatten seine starken Arme umfangen... Was war ihr Freidank, was konnte er ihr sein? Sie hätte es in dieser Stunde nicht sagen können; aber mit hellsehendem, weiblichem Instinkte faßte sie eine tiefe Abneigung gegen die andere...

„Kommst du nicht?“ fragte Frau Ambrosius ungeduldig, und dann, indem sie dem finstern Blick ihrer Tochter mit den Augen folgte:

„Wem siehst du dort nach? — Wer ist denn das? — Ach, ist das nicht Herrn Freidanks Dame?“

„Es scheint so,“ erwiderte Therese kühl.

„Bestimmt!“ sagte Frau Ambrosius lebhaft. „Aber mit wem geht sie da, Therese? — Man kann von diesem Manne doch nur sagen: ein Kerl! — Ist das vielleicht ’n Bruder von ihr? Oder ’n Vetter? Ich habe ja immer gesagt, sie ist ’n ganz gewöhnliches Frauenzimmer!“

„Ich habe es nie bezweifelt. Übrigens geht sie uns gar nichts an, Muttchen,“ sagte Therese mit absichtlicherGleichgültigkeit. Doch ihr Zorn gegen Fritzi verstärkte sich, da sie nun ihren Begleiter ins Auge faßte. Es war ein kräftiger, grobknochiger junger Mann mit ordinären, hübschen Gesichtszügen, aus denen Energie und Sinnlichkeit sprach. Fritzi lehnte sich kokett an ihn an, verschwendete ihr süßestes Lächeln an den Athleten und grüßte dazwischen mit blitzenden Augen ihre anderen Bekannten aus André Leroux’ Training-Hall, welche den hübschen Budenringer sämtlich um diese Eroberung hinter dem Rücken Freidanks beneideten....

„Ekelhaft,“ sprach Mama Ambrosius halb neugierig, halb entrüstet. Und dann eilten beide Damen, ihre Plätze zu erreichen; denn das dritte Klingelzeichen war soeben ertönt, und die Musik setzte mit einem schmetternden Marsche ein. —

Auf der Bühne zogen in farbigem Wechsel eine Sängerin, ein Akrobatenpaar, ein Hundedresseur vorüber; andere Artisten folgten; dann eine Pause... Und wieder Musik, und neue Menschen auf der Bühne. Man spielte eine Posse voll derber Komik. Aber je weiter der Abend vorschritt, desto mehr erlahmte das Interesse der Männer und Frauen, die den Zuschauerraum füllten und die tollen Witze da oben mit müder Gleichgültigkeit anhörten. — Nur zu Ende, zu Ende, daß die Ringkämpfer erscheinen konnten, die Ringkämpfer.

O, die Ringkämpfer —!

Blaß und schweigsam saßen die Frauen da. Sie wagten nicht, ihren Gatten, ihren Bräutigamen, ihren Vätern, ihren Brüdern, die sie ins Theater geführt hatten, ins Angesicht zu sehen, aus Furcht, ihre Ungeduld zu verraten, die grausame, schmerzhafte Erwartung, die ihre Nerven auf die Folter spannte. Auf mancher Mädchenstirn perlten Schweißtropfen, bleiche Lippen wurden nervös zernagt und hungerige Blicke irrten immer wieder von der Bühne auf knisterndeProgramme, dahin, wo die stolzen Namen der vierundzwanzig Ringkämpfer verzeichnet standen. Und mit wollüstigem Grauen studierten die Frauen und Mädchen die Kampfregeln, deren technische Ausdrücke so unverständlich und doch süß brutal klangen....

Wie mit bleibeschwerten Flügeln zogen die Minuten der Erwartung über den menschengefüllten Saal hin. Als endlich das letzte Wort der Komödie gesprochen war, brach ein jubelnder, exzentrischer Beifall los, ein hysterisches Toben und Händeklatschen... O — es war zu Ende, o... die Ringkämpfer.... Könnte man die Minuten peitschen!

Noch eine Pause...

Aber als man sich nun auf die Plätze zurückbegab, gingen die Mädchen und die Frauen wie mit federnden Schritten; auf ihren Stirnen thronte die heitere Weihe naher Seligkeit, ihre Lippen, in welche die Farbe zurückgekehrt war, waren im Lächeln geöffnet, aus ihren Augen leuchteten Sterne der Liebe... Ja, nun war die Zeit gekommen!

Aus dem Orchester sprang mit aufreizenden, feurigen Trompetenklängen der Ringkämpfermarsch, der überall gespielt wurde, wo Hermann Thyssen, der Matador, im Trikot zum Kampfe trat, und dann schwebte langsam der Vorhang empor.

Im Halbkreis standen sie da, die Vierundzwanzig, die Erwählten, die Halbgötter, die Starken!

Die Musik schwieg; — ohne Ende hätte man schwelgen mögen im Anblick der riesigen, kraftvollen Gestalten, die so ruhig und massig nebeneinander auf der Bühne standen, die starken Arme auf den Rücken gelegt, die breite Brust mit der Schärpe in den Landesfarben eines jeden geschmückt. Ihre Gesichter blickten ernst und unbewegt, wie Gladiatoren. Nur wenige suchten mit den Augen irgend jemanden imZuschauerraume, und unter denen, die ein vertrautes Antlitz suchten, war Freidank. Wen suchte er, wen? — Therese erbleichte, Therese schlug zitternd die Augen nieder, — aber Eberhard hatte nicht Therese gesucht, sondern Fritzi...

Fritzi, die vorn in der Loge saß, sprang entzückt auf, setzte sich sofort wieder nieder und wendete das pikante, gemalte Gesichtchen ihrem Begleiter zu:

„So sehen Sie doch nur! — Sieht er nicht famos aus?“

„Warum sollte er nicht,“ sagte der junge Mensch, der Budenringer Gustav, verdrießlich, bemüht, seinen Neid nicht zu zeigen. „Hat mehr Jlück wie Vastand jehabt... Er kann jenau so ville wie wa alle kenn’, nich mehr und nich weniga... Jott weeß, mit was for Zicken er sich an Thyssen ranjeschlängelt hat...“

„Na, quatsch’ nicht, Justav!“ flüsterte die Chansonette ungeduldig und aufgeregt, „hör’ zu...“

Die Musik schwieg; Herr Markus, Thyssens Sekretär und Faktotum, durchbrach den geschlossenen Halbkreis der Athleten. Er war im Frack und in weißer Weste; seine Augen, die vor Hitze, Erregung und Bewußtsein seiner Wichtigkeit funkelten, wetteiferten an Glanz mit dem dicken, echten Solitär auf seiner Krawatte. Er machte, so gut es ihm gelang, eine Reverenz und begann in das atemlose Schweigen hinein mit lauter Stimme die Namen der Vierundzwanzig auszurufen:

„Jan van Muyden, Meisterringer von Holland...“

Ein dicker, hübscher Ringkämpfer mit rosigem Teint und kurzgeschorenem, ganz hellblondem Haar, ein echter Holländer, trat vor, ließ aus seinen grauen, stahlharten Augen einen großen Blick über die Menge schweifen und verbeugte sich kurz. Als er in den Halbkreis zurücktrat, sah man ein brutales Lächeln um seinen hübschen Mund spielen....

„... Pierre le Forgeron, genannt Oeillet rouge, die rote Nelke; Champion von Paris!“

Es hatte noch niemand Beifall geklatscht. Le Forgeron, der ehemalige Schmied, der sich ernsthaft, mit pariserischer Höflichkeit, verneigte, war nicht größer als hundertundachtzig Zentimeter, aber die cyklopische Gedrungenheit seines Körpers, die Riesenkraft seiner breiten Schmiedehände mochten ihn zu einem furchtbaren Gegner machen...

„Paul Kiesling, Meisterringer von Rheinland und Westfalen ...“

Paul Kiesling hatte einen ungemein proportionierten, sehnigen, schlanken und edelgebauten Körper. Einzig seine breite Brust und die stark ausgebildeten Muskeln der schönen Arme verrieten den Athleten. Seine Hände und Füße aber waren verhältnismäßig klein, und seine Gelenke nicht im mindesten plump. Er war stolz auf seinen schlanken Leib, und Tausende von Frauen in aller Welt hatten die herrliche Linie seiner schlanken Hüften angebetet...

„... Sergej Roditscheff, Rußland...“

Kiesling und Roditscheff wurden immer zusammen genannt. Seit zwei Jahren waren diese beiden Ringkämpfer unzertrennlich. Roditscheff galt als der Mann von morgen und übermorgen. Zwei Meter hoch, stark und ruhig, ein fairer Sportsmann, ein guter Kamerad, gleichmäßig verehrt von Männern und Frauen, hatte der junge, blonde Riese die Sicherheit einer glänzenden Zukunft in seinen starken Händen. Sergej Roditscheff begnügte sich nicht mit einer kurzen Verbeugung. Er trat mit gekreuzten Armen bis nah vor die Rampe, lächelte stolz und ließ seine schönen, fröhlichen Augen siegesbewußt auf der Menge ruhen. Ein stürmischer Beifall brach laut und jubelnd aus. Der große, schöne Jüngling lächelte noch stolzer, noch strahlender und trat mit zwei gewaltigen Schritten in die Reihe zurück....

„... Aloys Binder, München, Meisterringer von Bayern....“

Aloys Binder war der Meistgeliebte. Ihm flogen die Frauen zu, und er verhöhnte sie, spielte mit ihnen, trat sie buchstäblich mit Füßen. In jeder Stadt, wohin er kam, hatte er bereits am zweiten Tage eine Schar demütiger Verehrerinnen, die er alle insgesamt wie Sklavinnen traktierte, ohne einen Unterschied zu machen zwischen Baroninnen und Cocotten, Kellnerinnen, Bürgerdamen und jungen, feinen Mädchen. Sein Äußeres war nicht einmal verführerisch. Die Roheit stand ihm auf der niedrigen Stirn geschrieben. Er trug die starken, braunen Haare steil hochgekämmt. Seine kleinen, meist halbgeschlossenen Augen funkelten böse und mißtrauisch. Am unsympathischsten aber war die untere Hälfte seines Gesichts, das spitze und doch starke Kinn, das auffällig weit vorgeschoben war und seinem Ausdruck etwas Tierisches gab. Tierisch waren auch seine Bewegungen, sprunghaft und raubtiergleich. Er warf einen hochmütigen Blick in das Parkett, wo in der ersten Reihe eine zarte, liebliche Dame im feinen, weißseidenen Gewande saß und anbetend zu ihm emporblickte. Unter seinem frechen Besitzerblicke errötete die junge Frau bis unter die schwarzen Scheitel...

„... Giacomo Petrocchi, Matador von Sizilien...“

Petrocchi lächelte selig, wie ein gutes, dickes Kind. Er war ganz ungeheuerlich dick und stark. In aller seiner dicken Gutmütigkeit aber war er ein fürchterlicher, fast unbesieglicher Gegner. Lächelnd, gleichmütig, ohne aus der Ruhe zu geraten, ließ er seinen Partner sich müde arbeiten, ohne andern als passiven Widerstand zu leisten. Mitunter glaubte man ihn verloren, wenn man ihn fallen sah. Aber er fiel nie, wenn er nicht wollte, denn er fiel immer in die Brücke. Sein gewaltiger Hals von mehr als fünfzig Zentimeter Umfang hielt jeden Druck aus; er hätte eine halbe Stunde unerschüttert in der Brücke bleiben können. Dann stand er plötzlich auf und machte seinen ermatteten Gegner rasch nieder, ohne daß das glückselige Kinderlächeln einen Augenblick von seinem dicken Gesichte gewichen war....

„... Vittorino Cardo, Messina...“

Das war der Bruder des dicken, hübschen Giacomo. Vittorino war von ganz anderer Art, ein schlanker, rassiger Italiener. Er war Ingenieur gewesen und hatte eine hohe Bildung genossen. Dann hatte er der sterbenden Mutter der beiden versprochen, über ihren Liebling Giacomo zu wachen. Von demselben Tage an verließ er alles, wurde ein Ringkämpfer und pflegte und hätschelte den um zehn Jahre jüngeren Bruder mit Mutterliebe und Muttertreue. Giacomo hing wie ein zärtliches Kind an seinem Vittorino... Es war ein unendlich inniges Verhältnis zwischen den Brüdern, ein zartes, rührendes Idyll unter den rauhen und brutalen Athleten. Vittorino hatte dem Jüngeren alles geopfert, alles, sogar seinen Ehrgeiz; denn er, der erst im Alter von siebenundzwanzig Jahren ringen gelernt hatte, war nur ein mittelmäßiger Ringkämpfer geworden und hatte jetzt, mit dreiunddreißig Jahren, keine Chancen und keine Wünsche mehr, als den ihm anvertrauten Liebling seiner schwärmerisch geliebten toten Mutter reich und glücklich werden zu sehen...

„... Karl van dem Domhoff, Champion der Normandie; — William H. Lanfrey, Irland....“

Das Publikum nahm die Ankündigung der beiden ruhig hin, ohne zu applaudieren. Sie waren beide unschön und erweckten keine Sympathie, der fuchshaarige Holländer und der lange, hagere englische Boxer mit dem unnatürlich kleinen Kopfe und den großen, knochigen Boxerhänden. Herr Markus war ein gewandter Sprecher; er witterte es sofort, wenn ein Ringkämpfer dem Publikum gefiel, und wußtemit Geschicklichkeit Beifallspausen zu machen oder weiterzugehen. Jetzt ließ er ein prachtvolles Dekorationsstück unter den Athleten vortreten:

„... Mansur, the Lion of the Sudan, der sudanesische Löwe!“

Mansur, der große, dicke Sudanneger mit den lachenden Wulstlippen, der platten Nase und den kleinen Ohren, an denen massive Ringe baumelten, erregte leidenschaftlichen Beifall. Sein mächtiger, tiefschwarzer Körper war in ein zartrosa Trikot gepreßt, welches die verschwenderische Fülle seiner Muskeln in herausfordernder Weise markierte. Die breiten Lenden, die enormen Schenkel des Schwarzen mußten die Wünsche der Weiber bis zur heulenden Gier aufstacheln ...

„... Kasimir Zabolotny, der Riese von Polen! — Mikita Zirkovitsch, Serbien! — Bernhard Meinken, Hamburg, Champion der drei Freien Reichsstädte, Meisterringer von Europa!“

Bernhard Meinkens Name war einer der gefeiertsten in der Sportwelt. Stark, ruhig, klug, schön und proportioniert, hatte er sich schon als Jüngling dem großen Abs als Freund und Schüler angeschlossen und von ihm, dem die Athletik Kunst und Lebensinhalt war, die große Ringkunst der antiken Welt, der Griechen und Römer, mit allen ihren Feinheiten erlernt. Dann kam das tragische Ende des großen Abs, dem seine Kraft eines Übermenschen zum Schicksal wurde. Bernhard Meinken hatte den schmerzlichen Verlust seines Freundes und Meisters nie ganz überwinden können. Eine ruhige Melancholie war in ihm geblieben, die selbst in den heitersten Stunden dunkel in seinen Augen stand. Seine Berühmtheit und seine fürstlichen Einnahmen hatten ihn niemals berauscht. Er hatte ein zartes, feines, blondes Fräulein, die Tochter eines dänischen Etatsrats, geheiratet, hatte ihr eine Villa in Uhlenhorst erbaut und die vier Monate desJahres, die er bei seiner holden, kindlichen Gattin und seiner immer noch schönen Schwiegermutter, der Etatsrätin, die sich längst mit der Ringkämpferheirat ihrer Tochter ausgesöhnt hatte, zubrachte, waren eine Zeit voll des reinsten, intimsten Familienglückes.

„... Jimmy Holyhead, Australien! — Frank Argyll, Texas! Sala ben Brahim, Champion der Türkei! — François à la Crinière, der Herkules von Frankreich! — Raymond Poing de Fer, Lutteur-Matador der Provence! — Willi Lehmann, Berlin!....“

Der Lokalpatriotismus brach in helle Begeisterung aus. Das heftigste Klatschen aber drang aus einer Loge zur Rechten, in der elegante Demimondänen in hochmodernen Roben und auffälligen Hüten saßen. Sie kannten ihn alle, den einstigen Freund der „gelbseidnen Adele“, den Matador sämtlicher Berliner Athletenklubs, den gefürchtetsten Zuhälter Berlins. Wie hatten sie die gelbseidene Adele um den gelbbraunen Athleten mit den schwarzen, borstigen, widerspenstigen Haaren beneidet! Er war Adelen ein strenger, furchtbarer Herr gewesen, aber er hatte sie gezwungen, Karriere zu machen. In einem Jahre war sie von einer gewöhnlichen Tanzbodendirne zu einer der gesuchtesten Demimondänen avanciert. Als er sie so weit gebracht hatte, war sie ihm plötzlich langweilig. Er wollte sogar wieder arbeiten, um sie los zu werden. Da wurde er als Zirkusathlet engagiert, reiste kurze Zeit mit Zirkussen, die ihn wegen seiner entsetzlichen Roheit immer gern wieder entließen, kam im Herbst auf gut Glück nach Berlin und beabsichtigte nichts, als seine Einnahmen aus dem Zirkus hier durchzubringen. Da traf ihn plötzlich das unerhörte Glück, in eine angesehene Konkurrenz eintreten zu können. Am Tage vor Beginn der Berliner Konkurrenz hatte Ola Carstensen telegraphisch abgesagt. Hermann Thyssen empfing das Telegramm in einer Athletenkneipe des Nordens, dessen Wirt er aus den Anfängen seiner Laufbahn kannte. Der Wirt, ein ehemaliger Ringer, winkte Willi Lehmann, der zufällig in der Nähe stand, herbei, und fragte Thyssen ohne Besinnen:

„Kannste nich den da statt dein’ ollen Schweden jebrauchen?“

Thyssen mußte über den „ollen Schweden“ lächeln, und fünf Minuten später war der Zirkusathlet für die bedeutendste und geachtetste Ringkampfkonkurrenz engagiert...

Nun folgte ein Schlager dem andern; jeder Name, der genannt wurde, entfesselte rasenden Enthusiasmus:

„.... Manuel Gomez, el Toro de Granada!“

Der „Stier von Granada“ hatte den olivenfarbigen Teint der Südspanier, einen häßlichen Gorillakopf mit wilden, schwarzen Locken, einen unwahrscheinlich breiten Brustkasten, unmäßig breite Schultern und die größten Hände, die man je gesehen hatte. Das waren wahrhaftig keine Hände, sondern die Tatzen eines großen, wilden Tieres. Dazu war sein Gesicht über alle Maßen häßlich, von einer Häßlichkeit, die fast schon wieder imponieren konnte. Der Toro de Granada klappte plump und grob zusammen, anstatt sich zu verbeugen... Jeder fühlte, daß man diesem olivegrünen menschlichen Stier gegenüber nicht würde unparteiisch bleiben können. Man würde wohl gegen ihn Partei nehmen, aber Partei nehmen in jedem Falle....

„... August Bluhm, der Apollo von Berlin —! — Roland, Berlin!“

Das war Eberhard Freidank. Er hatte den Athletennamen „Roland“ gewählt. Fritzi schrie Hurra, Therese Ambrosius, von den widersprechendsten Gefühlen bewegt, fühlte sich einer Ohnmacht nahe....

Es gab noch eine Sehenswürdigkeit. Triumphierend verkündete Markus:

„Ingvar Mô, Meisterringer von Lappland!“

Und dann machte er eine Pause. Es war wie der Augenblick allerhöchster Spannung, wenn ein Todesmutiger im Zirkus die steile Fahrt durch den Todesring antritt, es war ein atembeklemmendes Schweigen, als wenn die Natur in Gewitterschwüle den ersten Donnerschlag erwartet....

„.... Hermann Thyssen, Weltmeisterringer.“

Und in den Jubel der Menge hinein bliesen die Trompeten, jauchzten alle diese leblosen Instrumente mit beseelten Stimmen....

Die Menge hatte sie gesehen, die Starken, die Spannung war gelöst; man konnte wieder atmen, wieder um sich blicken, wieder lachen! Die Ringkämpfer hatten die Bühne verlassen. Nun bekam man nur noch jene sechs zu sehen, die paarweise gegeneinander ringen sollten. Jan van Muyden, der blonde Holländer, gegen den Apollo von Berlin, der braune Argyll gegen den langen Irländer Lanfrey und zum Schluß der Türke gegen Thyssen.

Die Ringkämpfer verließen die Bühne, um sich in den Garderoben umzukleiden. Nur die sechs Ringer des Abends blieben auf der Bühne. Van Muyden und der Berliner mußten sofort zum Kampfe antreten, die übrigen vier hüllten sich in Laken und Bademäntel. Sie standen plaudernd beisammen und schimpften auf Englisch über die Kälte. Sala ben Brahim verstand nicht viel Englisch, aber er schimpfte mit. Thyssen, dem Mikita Zirkovitsch den hellen Mantel um die Schultern gelegt hatte, sprach noch einige Worte mit dem Serben und verabschiedete ihn dann durch eine einfache Kopfbewegung. Er stand nun allein, fest in seinen Mantel gewickelt, und sah schweigend hinter der ersten Kulisse dem Ringkampfe zwischen van Muyden und August Bluhm zu. Niemand sprach ihn an, und er schien niemanden zu sehen. Doch als Eberhard an ihm vorbeiging, fühlte er wieder, wievor einigen Wochen im Theaterbureau, jenen ruhigen und dabei flammengleichen, unergründlichen Blick des Matadors auf sich gerichtet. Er spürte ihn noch, als er in die Garderobe trat, in der ein Teil der Athleten schon mit dem Umkleiden beschäftigt war, während andere noch plaudernd umherstanden.

Vittorino Cardo war seinem Bruder behilflich, das Obertrikot über den Kopf zu ziehen. Inzwischen fragte Giacomo mit knabenhaftem Lächeln:

„La réprésentation finie, où irons-nous?“

„Nach Hause,“ erwiderte der Ältere freundlich. Auf jede Bildungsmöglichkeit bedacht, sprach er mit Giacomo gern in der Sprache des Landes, wo sie jeweilig auftraten.

Giacomo sah ihn unglücklich und erschrocken an, und der Ausdruck seines Gesichtes war so entsetzt, so kindlich betrübt, daß Vittorino rasch sagte:

„Va, nous irons souper quelque part.... ou au café... ou même ce que tu voudras....“

Da war Giacomo wieder fröhlich und lachte wie ein zufriedengestelltes Kind. —

Manuel Gomez, der immer ungeduldig war, hatte sich eben durch seine rohen, heftigen Bewegungen das Trikotbeinkleid zerrissen. Nun besah er den Schaden und stieß auf Spanisch die gotteslästerlichsten Flüche aus, in denen allen Heiligen übel mitgespielt wurde und besonders „el culo de la Madona“ in unehrerbietiger Weise erwähnt wurde. Willi Lehmann sah dem Spanier zu, wie er über ein kleines Mißgeschick wütete, und mußte über Gomez’ Zorn und seine unanständigen Flüche so sehr lachen, daß er die Schnürbänder seiner Ringstiefel nicht aufknüpfen konnte. Immerfort lachend reichte er Eberhard, seinem Bekannten aus der Traininghalle André Leroux’, die Hand und erkundigte sich nach Fritzi. Eberhard erwiderte wortkarg, daß es ihrgut gehe, und brach sofort die Unterhaltung mit dem Zirkusathleten ab.

Eben kam ein Kellner in die Garderobe und fragte nach Herrn Binder. „Das bin ich,“ sagte Aloys Binder, „was willst du denn von mir?“ Er saß in Unterhosen auf einem Koffer und sah den hübschen Kellner frech und neugierig an. „Ich bringe Briefe,“ erwiderte der Kellner, „fünf Briefe — bitte.“ „Weiter nichts?“ sagte der Ringkämpfer verdrießlich, „Briefe? — Richtig, vier Briefe und ein Zettel! — Natürlich von Weibern... Hat einer von euch vielleicht Verwendung für die Weiber?“ fragte er mit zynischem Lachen, indem er die Briefe in der Luft schwenkte.

„Wenn du se nich brauchen kannst —,“ sagte Willi Lehmann gierig, „denn zeig ma’ her... Ick könnte ja vielleicht eena oda zwee’n den Jefallen tun... Ick bin for die Weiber, aber ick jenieße se sehre mit Vorsicht!“

Und er griff nach den Briefen, die Aloys Binder ihm ohne weiteres zum Öffnen überließ. Eberhard staunte, wie gut der Zirkusringer sich dem Verkehrston der Champion-Athleten anpaßte. Jetzt riß er die Briefe auf; Binder, der immer noch in Unterhosen herumlief, und Lehmann lasen sie unter Gelächter durch und verkündeten ungeniert ihren Inhalt...

Diese Briefe, stammelnde, sinnlose Beteuerungen und Bitten voll Bewunderung und Leidenschaft, stammten seltener von jungen Mädchen, als von Frauen. Nur sehr blasierte junge Mädchen, die schon mancherlei Liebe genossen hatten, erlagen dem Zauber der athletischen Muskeln. Aber die jungen Frauen, jene, die an einen ungeliebten oder älteren Mann gekettet waren, jene, die in ihren Kreisen für keusch und unnahbar galten, sie brachen zusammen beim Anblick soviel starker, gesunder, muskulöser, wohltrainierter Männlichkeit. Die Flammen, die sie daheim unterSchweigen und Tränen, im verborgenen geweint, zu ersticken suchten, sie schlugen plötzlich auf und fraßen die natürliche Scham der Weiber auf, jene Scheu, die dem Weibe verwehrt, ihren Leib dem Manne selbst anzubieten. Dann verlangten sie, gleich im Theater, errötend, mit niedergeschlagenen Augen, Schreibzeug, spendeten dem Kellner, der ihr Liebesbote sein sollte, üppige Trinkgelder und warteten zitternd und verlangend auf den Starken, ob es ihm gefallen möchte, ihre Liebe anzunehmen...

Diesmal hatten die Schreiberinnen Glück. Willi Lehmann übernahm zwei der Briefe. An eine Dame wollte er schreiben, die andere hatte gleich einen Rendezvousort unweit des Theaters angegeben. Aloys Binder interessierte sich nur für eine Journalistin, die ihre Visitenkarte mit voller Adresse gesandt hatte. „Sowas habe ich gern,“ sagte er, „Malerinnen, Schriftstellerinnen, Journalistinnen, die machen Spaß... Die machen alles mit, kennen alles, sind nicht zimperlich und trotzdem nicht gerade gemein... Das einzige ist, sie zahlen nichts! Künstlerinnen zahlen nichts, und schenken auch nichts! Höchstens Bücher und solches Zeug! — Aber diese kleine Zeitungsschreiberin, oder Dichterin, oder was sie ist, werde ich mir morgen mal ansehen. Schreibt, daß sie dreiundzwanzig Jahre alt ist. Wenn’s wahr ist....“ Dazwischen kam ihm ein Gedanke: „Hast du denn Geld genug bei dir?“ fragte er lauernd.

Willi Lehmann, der gerade vor einem halbblinden Spiegel seine grellfarbige Krawatte umband, drehte sich schnell um, als ob er schlecht gehört hätte:

„Jeld? — Mensch, ist das dein Ernst? — Wenn man von ’ne Donna injeladen wird, ooch noch wat bezahlen? — Ach nee, Willi Lehmann nich! Da müss’n se de Zeche zahlen un außerdem noch orntlich blechen, die Weiber, wenn ick mir for ihr Vajniejen bemüh’n soll!“

Er setzte den runden, steifen Hut auf und verschwand. Gleich hinter ihm verließen Sergej Roditscheff und Paul Kiesling die Garderobe. An der Tür kehrte Kiesling noch einmal um. Er hatte bemerkt, das Roditscheff seinen Koffer nicht abgeschlossen hatte, ging zurück und steckte den Schlüssel zu sich.

„Immer die Ordnung!“ sagte der Russe in seinem harten Deutsch halb anerkennend, halb spöttisch. Kiesling begnügte sich damit, die Achseln zu zucken, und Roditscheff fuhr fort:

„Wohin schleppst du mich jetzt, Paul? Ins Theaterrestaurant?“

„Höchstens, um dort zu essen,“ versetzte der Westfale, „hernach gehen wir zu Jolly!“

„Kennst du das?“ fragte Sergej, „gibt es dort nette Pummels?“

„Das nicht,“ erwiderte Paul lächelnd, „mußt du gleich am ersten Abend wieder Mädels haben? — Aber ’n kleines Spielchen gibt es bei Jolly.“ —

Das war dem Russen auch recht, und sie gingen zusammen fort.

Aloys Binder wollte auch zu Jolly gehen; er verabredete sich mit Eberhard, daß man sich später dort treffen wollte. Manuel Gomez hatte sich mittlerweile unter schrecklichem Fluchen angekleidet. Er verstand Französisch und ließ sich ebenfalls die Adresse des Restaurants Jolly geben. Dann setzte er seine großkarrierte Schirmmütze auf den wilden, eckigen Lockenkopf und stampfte ohne Gruß hinaus.

Binder war endlich mit seiner Toilette fertig geworden. Er stand von seinem Koffer auf, reckte seine nervigen Arme aus und sagte mit einem tiefen Seufzer:

„Jetzt fängt mein Nachtdienst wieder an. Mein Drachen hat Ordre, vor dem Theater zu warten... Will mal sehen,vielleicht schicke ich sie direkt nach Hause... Ich kann Ihnen sagen, Roland, so’n Reisedrachen ist das schlimmste, was man sich auf den Hals laden kann!“

Eberhard wußte nicht, von wem der Athlet sprach, und fragte darum vorsichtig: „Wieso?“

„Wieso —?“ fragte Binder gedehnt, „das fragen Sie? Ein Frauenzimmer, das einem Tag und Nacht nicht vom Halse geht? Das einen wie ’n Schatten verfolgt? — Und nimmt man sich mal irgend ’n andern hübschen Balg mit nach Hause, ist gleich der Teufel los mit Heulen und Vorwürfen .... Na, mein Drachen ist ja kusch! Die hat’s ja endlich gelernt.... Die ist so zahm geworden... Wenn ich mir ’n andres nettes Ding zum Besuch mitbringe, zieht sie ihr Schuhe und Strümpfe aus, wenn ich’s verlange, und bringt uns morgens den Kaffee ans Bett!.... Ja, das hat aber genug Hiebe gekostet!“

Eberhard Freidank war entsetzt. Wie zynisch renommierte dieser häßliche, rohe Münchener mit seiner perversen Verworfenheit! Zum Überflusse zog er jetzt die Brieftasche und nahm eine Photographie heraus, die er mit den Worten: „Da sehen Sie meinen Drachen!“ vor Eberhard auf den Tisch warf. Trotz seines Widerwillens konnte Freidank nicht anders, als das Bild ansehen.

Es war das Porträt einer unbeschreiblich lieblichen Dame, die acht- oder neunundzwanzig Jahre alt sein mochte. Das zarte, vornehme Gesicht hatte einen kindlichen, rührenden Reiz, die schmale Aristokratennase und die großen, zugleich unschuldigen und sehnsüchtigen Augen waren auffällig schön. Unter diesem Bilde stand: In Ewigkeit. Celeste.

Eberhard gab schweigend die Photographie zurück. Er wußte nicht, wie er die zynischen Reden des Athleten mit diesem Porträt des lieblichsten Engels in Einklang bringen sollte. Übrigens kamen eben Jan van Muyden und AugustBluhm von der Bühne zurück, wo sie eine halbe Stunde miteinander gerungen hatten, ohne daß einer von ihnen gesiegt hatte. Von einer Gegnerschaft der Beiden war nichts zu bemerken. Sie trockneten sich den Schweiß ab und rieben sich dann gegenseitig den Oberkörper mit wollenen Frottiertüchern. Wenige Minuten später erschienen auch Lanfrey und Frank Argyll. Der kleine, braune Neger war von dem langen Irländer zwei Minuten nach Beginn des Kampfes besiegt worden. Er schüttelte wehmütig sein häßliches, braunes Köpfchen und erklärte melancholisch, daß Lanfrey nicht nötig gehabt hätte, ihn mit so viel Wucht über die Schulter zu werfen; er hätte ihn doch besiegt, no doubt... Und er schüttelte fortwährend den Kopf. Lanfrey hörte gar nicht auf die Vorwürfe Argylls in dem schlechten Neger-Englisch. Er war Temperenzler, hielt alle übrigen Menschen für Säufer und verachtete sie wegen ihrer Trunksucht tief. —

„Guten Abend!“ sagte Eberhard energisch. Er sehnte sich, ins Freie zu kommen. Das kindische und sinnlose Treiben seiner Kollegen in der Garderobe widerte ihn an. Die Bühne war augenblicklich ganz leer, da Thyssen vorne mit Sala ben Brahim rang. Dabei duldete der Weltmeister niemanden in den Kulissen. Eberhard trat aus dem Bühnenraum durch eine kleine Tür, die auf den schmalen Gang hinter den Logen führte. Er suchte seine Freundin Fritzi. Zu seiner Überraschung war Fritzi nicht mehr da. Sollte sie schon nach Hause gegangen sein? Er fragte den Schließer, der nur wußte, daß eine kleine brünette Dame mit einem Herrn fortgegangen war... Eberhard dankte; das konnte also Fritzi nicht sein. Wo aber war sie dann? —

Er stieg die Treppe hinunter und gelangte in den Theatersaal. Dort war das Fieber der Sportleidenschaft aufs Höchste gestiegen. Auf der Bühne rangen, balgten und wälzten sich die ineinander verschlungenen Leiber Thyssensund des Türken. Eben gab der Manager dem Orchesterdirigenten einen Wink; die Musik mußte schweigen. Bisher hatte der laute Marsch das Geräusch des Ringkampfes übertönt und immer noch ein wenig die Aufmerksamkeit abgelenkt. Nun breitete sich herzbeklemmend eine aufregende Stille aus und nur von der Bühne drang das heftige, animalische Stöhnen des Türken. Der mattbraune Leib Sala ben Brahims war schon ganz mit Schweiß bedeckt. Der Schiedsrichter pfiff und unterbrach die Ringer auf eine Minute, während welcher die Gegner abgetrocknet werden sollten. Der Türke verschwand; Hermann Thyssen blieb mit ruhigem, hochmütigem Gesicht nahe an der Kulisse stehen, fing ein ihm zugeworfenes Handtuch auf und trocknete flüchtig über Arme und Hände. Seine zähe Germanenkraft war noch lange nicht erschöpft.

Dann trat Sala wieder auf, eine Hand an dem Amulett, welches er selbst beim Ringkampfe nicht vom Halse ließ. Ein Pfiff, und wieder gingen die Ringer hart aufeinander los. Thyssen machte jetzt Ernst. Der Türke, in seiner blinden Wut, stieß heulende, gurgelnde Töne aus; schon wieder war er in Schweiß gebadet, und man meinte das Dampfen seiner Flanken zu sehen und den bitteren Duft seines erhitzten braunen Leibes zu spüren. Da warf ihn Thyssen zu Boden; und ehe der Türke sich von der Matte erheben konnte, war sein Gegner blitzschnell neben ihn getreten, hatte den langen, dampfenden, widerstrebenden Körper um den Gürtel hochgehoben, so daß die Beine über seinem Kopf zappelten, und ließ den gänzlich Wehrlosen kopfunter zu Boden gleiten...

Es war der vollkommene Triumph der intelligenten, gebändigten Technik über die tierische Naturkraft. Und, durch einen Zufall, bot dieser Ausgang des Kampfes genau dasselbe Bild, wie das Plakat, welches noch in den Gedanken aller war. Ein wahnsinniger Beifallstaumel erhobsich; Männer und Jünglinge klatschten hingerissen dröhnend in die Hände, sprangen von den Sitzen auf, stürmten auf die Bühne, falteten die Hände und riefen in exaltierter Verzückung Thyssens Namen... Eine Demimondäne, eine allerliebste Blondine, die keine Blume zu werfen hatte, löste ihr Brillantarmband und schleuderte es nach dem Gefeierten; eine reife, schöne Frau von vielleicht vierzig Jahren sank ohnmächtig in die Arme ihres korrekten Gatten. Es war ein tosender Jubel, wie das Branden und Wogen eines großen Meeres, das zu Füßen des Athleten rauschte und tobte und über alle Ufer strömte. Es fehlte nur der Raum, daß alle die verzückten, außer sich geratenen Menschen vor ihrem Idol auf die Kniee gestürzt wären, um ihm göttliche Ehren zu erweisen.

So also wurden die Starken geehrt...

— Eberhard ging schnell aus dem Theater. Er war doch bewegt von der imponierenden Szene, gewaltig durch die Einmütigkeit der Massen, der er soeben beigewohnt hatte. Als er in den Vorraum trat, wo die kalte Nachtluft ihm entgegenschlug, fiel ihm wieder ein, daß er Fritzi suchen wollte.

Er ging durch das Theaterrestaurant. Fritzi war nicht da. Er bestellte ein Glas Bier, um den Kellner unauffällig fragen zu können. Indessen besann er sich anders und fragte nicht. —

Am Nebentische saß Paul Kiesling und verzehrte ohne Hast sein Abendbrot. Sergej Roditscheffs Suppe stand auch auf dem Tische und wurde kalt. Denn der Russe lehnte an dem Büfette und plauderte mit der schönen Leonie. War es ohnehin ein Wunder, daß Fräulein Krömer sich so lange mit einem Herrn unterhielt, so verlangte der Ringkämpfer erst recht Unmögliches von ihr. Sie sollte von ihrem Thron an dem Büfette hinabsteigen und sich mit Roditscheff undKiesling an den Tisch setzen. Die schöne Brünette konnte vor Lachen kaum zu Worte kommen. Mein Gott, hatte schon jemals ein Mensch ein solches Ansinnen an sie gestellt? Sie war doch keine Kellnerin? Dieser Athlet war wirklich unglaublich!

„Schade,“ sagte der Russe halb lachend, halb bedauernd. „Ein anderes Mal werden Sie bei uns sitzen, das weiß ich heute schon... Sie sind nur heute so stolz, Fräulein... Wie heißen Sie übrigens, Täubchen!“

„Leonie Krömer,“ sagte die Schwägerin des Direktors.

„Lona also,“ versetzte Roditscheff lächelnd und zeigte seine schönen, breiten Zähne. „Ich sage Lona zu dir... Das erlaubst du doch? — Jetzt merke dir, Lona: ich kann nicht leiden, wenn die Mädel zu stolz sein wollen! — Also vielleicht morgen, Lona!“

Er reichte ihr die Hand, in die sie zögernd einschlug, und ging mit seinem hohen, charakteristischen Gange zu seinem Freunde Kiesling an den Tisch. Fräulein Krömer sah ihm sprachlos nach mit merkwürdig brennenden Augen, Siegerin und doch besiegt...

Ein Schwarm der Gäste drang in das Restaurant. Eberhard ging hinaus. Eine fieberhafte Unruhe um Fritzi hatte ihn ergriffen. Er rief eine Droschke an und fuhr nach Fritzis Wohnung.

In dem Wagen, bei dem gleichgültigen Rollen der Räder, stieg all das Dumpfe, Zweifelvolle in ihm langsam empor, welches er in den letzten Wochen beständig unterdrückt hatte. Es war das: er vertraute ihr nicht mehr. Das ist ein schreckliches Ding, das Mißtrauen. Das bohrt und wühlt — und dann wird es wieder beschwichtigt. Man schließt die Augen, man tröstet sich selbst, man belügt sich selbst. Man glaubt, das schreckliche Ding ist tot und hat nie gelebt und hatte überhaupt kein Recht, zu leben. Und dann istes mit einem Male wieder da, ganz groß und lebendig und wild, und bohrt und wühlt und wütet weiter...

Und die Liebe? — —

— Fritzi war nicht in ihrer Wohnung. Er hatte es sich gedacht. Und da kam ihm jählings ein süßer, liebreicher Gedanke: sollte Fritzi heimlich, gegen die Verabredung, in seine Wohnung geeilt sein, um ihn traulich zu empfangen? Sein Kopf sagte: nein. Aber die Liebe sprach: das törichte Kind, — möglich wäre es... Die Droschke jagte nach seiner Wohnung. Er schloß leise, leise auf, daß Frau Ambrosius und Therese ihn nicht hörten. Es war alles dunkel und unverändert, wie bei seinem Fortgehen.

In sein Hirn bohrte sich der Gedanke ein: Ich muß sie finden. Durch die nächtlichen Straßen führte der eilende Wagen ihn in das Café Prätorius, wo er wohl hundertmal mit Fritzi gesessen hatte. Lauter fremde Gesichter; die Geliebte war nicht unter ihnen.

Und weiter fuhr er und blickte interesselos aus dem Wagenfenster. Draußen begann in linden Flocken der Schnee zu fallen. Die weichen, feinen Sternchen rieselten hernieder, tanzend, taumelnd, und glitten lautlos auf die Erde hinab. Eberhards Seele aber blieb dem sanften, beruhigenden Schauspiele des friedlichen, schimmernden Flockenfalles verschlossen. Seine Gedanken flogen dem dahineilenden Wagen voraus,... vielleicht, daß er Fritzi doch in dem Theaterrestaurant traf...

Direktor Immermann saß mit einer kleinen Gesellschaft um einen Tisch in der Nähe des Büfetts, wo er den ganzen Raum übersehen konnte. Als er Eberhard bemerkte, sprang er auf und lud ihn fröhlich und jovial an seinen Tisch ein. Eberhard, mit seinem Herzen voll Unruhe und Verzweiflung, konnte nicht anders, als der Einladung nachkommen. Immermann, behende und munter wie immer, zog den jungenMann am Rockärmel heran und stellte ihn seiner Gesellschaft vor: „Herr Ringkämpfer Roland....“ Und er nannte die Namen der um den Tisch versammelten Personen. Es waren seine Gattin Adelheid, eine üppige, schönfrisierte Dame, ein Variétéagent, Fräulein Coeur de Rose, die Soubrette, ferner Thyssens Manager Herr Markus und Leonie Krömer. Roland mußte zwischen dem Direktor und seiner Frau sitzen. Er sagte der hübschen Dame einige Artigkeiten, über die sie höchst geschmeichelt mit charmantem Lächeln quittierte. Sie interessierte sich lebhaft für den jungen Riesen, von dessen romantischem Berufswechsel ihr Mann ihr erzählt hatte. Immermann selbst strahlte förmlich vor Bonhommie und vor Stolz, den neuen Athleten, der heute abend auf der Bühne eine äußerst stattliche Figur gemacht hatte, entdeckt zu haben. Auch Markus war von seiner Erscheinung eingenommen, obwohl er ihn noch nicht hatte ringen sehen. Auf viele Fragen mußte Eberhard aufmerksam Bescheid tun. Zum Überflusse fing jetzt auch noch Coeur de Rose an, mit ihm zu kokettieren. Da war seine ohnehin aufs höchste gespannte Geduld zu Ende. Er sagte hastig und überstürzt, daß er noch eine Verabredung habe, dankte für die Einladung Immermanns, noch ein Stündchen mit ihnen zu verbringen und stand auf, ohne den schmachtenden Blicken der galanten Soubrette Beachtung zu schenken. Während er mit Hilfe des Kellners in den Mantel fuhr, hörte er, wie Markus zu Immermann bemerkte: „Die Ringer sind einer wie der andere. Nein, es ist nicht leicht, mit ihnen auszukommen.“ Eberhard lachte grimmig; gut, mochte an diesem Abende, wo all sein Glück auf dem Spiele stand, nicht mit ihm auszukommen sein! Er verabschiedete sich vom Direktor und seiner Gattin, grüßte die übrige Gesellschaft durch eine rasche Verbeugung und eilte von dannen.

Wohin aber nun? —

Vor dem Theater war es dunkler geworden. Ein Teil der elektrischen Lampen war ausgelöscht. Der Schnee fiel immer noch, gleichmäßig, sanft und leise, und senkte sich auf die Erde nieder, wie große Flügel weißer Gottesengel. Nur die Seele des Mannes hatte keinen Frieden und war voll Bitterkeit und wilder Gefühle. Ihm war, als gleite er ins Bodenlose. Plötzlich fiel ihm die Verabredung bei Jolly ein. Also gut: gehen wir zu den Athleten! Und schließlich: wäre es denn so ganz unmöglich, daß Fritzi....

Eberhard schlug den Mantelkragen hoch, schob, mit einem Male unternehmend geworden, den Hut ziemlich weit auf den Hinterkopf, so daß ihm die Flocken auf Stirn und Schädel fielen, und schritt, beide Hände in den Taschen, zu Jolly. Er ging über die Spreebrücke und noch durch eine ganze Anzahl Straßen; er hatte die Straße, in der das Lokal sich befand, früher nie betreten. Es war eine alte Straße im Zentrum der Stadt, nicht weit von der Gertraudtenbrücke.

Das Restaurant Jolly sah äußerlich genau so aus, wie die meisten Berliner Wirtshäuser, in denen Kleinbürger und bessere Handwerker verkehren und abends ihre Partie Billard oder ihren Pfennigskat spielen. Das Wort „Sportrestaurant,“ welches sich auf dem Schilde zur Rechten der Tür befand, tat sich nicht besonders hervor. Es hieß Sportrestaurant, weil der Inhaber, ein ehemaliger Amateurathlet von gutem Rufe, es verstanden hatte, eine ganze Anzahl jüngerer Sportkollegen als Stammgäste seiner Wirtschaft heranzuziehen. Er hatte sie dann in einer Art Klub vereinigt und ihnen aus einem alten Lagerraum ein kleines, primitives Trainierlokal hergerichtet.

Heute, da die große Konkurrenz im Odeon eröffnet worden war und zwei Dutzend berühmter internationaler Champions der Kraft ihren Einzug in Berlin gehalten hatten,hatte das Restaurant Emil Jollys seinen großen Tag. Die Mitglieder des Amateurklubs Herkules, die sonst in diesen Räumen das Wort führten, sahen sich heute auf die Rolle der stummen, bewundernden, fast nur geduldeten Zuschauer angewiesen. Zu dieser späten Stunde — es war ein Uhr des Nachts — waren sie überhaupt schon fast sämtlich verschwunden; nur wenige der jugendlichen Herkulesse saßen und standen hier und dort schweigsam herum.

Eberhard schloß langsam die Türe und blickte sich um, indem er den Hut auf dem Kopfe behielt. Zur Linken des Einganges befand sich das Büfett, das von blankem Zinn und Messing glänzte. Aus kleinen, messingenen Brunnen sprudelte durch einen Hebeldruck das Bier. Auf hölzernen Zapfen standen viele Gläser, wie man sie für verschiedene Getränke braucht; ein hoher Likörschrank mit vier langen Reihen bunter, geschliffener Flaschen war in die Wand eingelassen. Dieses lustige Flaschenbataillon und die blanken, gelben Bierbrünnchen wurden von der Hausfrau selbst verwaltet. Frau Jolly, ein kräftiges, appetitliches junges Weib mit vollem, hochgeschnürtem Busen war sehr adrett und stattlich anzusehen im schwarzen, prallen Damastkleide mit der weißen Halsrüsche und dem weißen Tändelschürzchen, das chic und hausfraulich den runden Leib bedeckte. Und heute abend wurde ihrem frischen, rotbäckigen Charme die denkbar höchste Anerkennung zuteil, denn Hermann Thyssen, der Weltmeister, stand schön und würdevoll vor dem Büfette und beliebte mit der Hausfrau zu scherzen. Er, um dessen Huld sich die schönsten und elegantesten Frauen aller Länder bewarben, dem Prinzessinnen von Geburt und amerikanische Dollarladies zu Füßen lagen und an dessen breiter Brust, wie alle Welt wußte, eine leibhafte junge, anmutige, lebenslustige Königin geruht hatte!

Hermann Thyssen wendete sich nach dem eintretenden Eberhard um, noch mit dem heiteren Licht in seinen sonst so hochmütigen Augen, den reizenden, klassischen Mund vom liebenswürdigsten Lächeln verschönt. Eberhard begriff plötzlich die wilden Leidenschaften, die der schöne Champion diesseits und jenseits des Ozeans entfesselt hatte, und die Geste, mit der er den Hut zog, war mehr als ein einfacher Gruß. „Ah, Roland!“ sagte Thyssen kollegial, „Sie finden die andern im Klavierzimmer!“

Das Klavierzimmer war sehr klein für die Menge von Menschen, die darin Platz gefunden hatten. Man hatte mehrere der weißgescheuerten Tische zusammengerückt und sich rundum gesetzt. Hermann Thyssens Platz war leer. Am Tische saßen Mansur mit seiner Frau, der molligen Wienerin, Bernhard Meinken, Emil Jolly, Jan van Muyden, Giacomo Petrocchi und Vittorio Cardo, Aloys Binder mit seiner Freundin Celeste, der dickköpfige Pierre le Forgeron mit einem hübschen, jungen Dinge, welches er vorhin im Hausflur entdeckt und gleich mit hineingenommen hatte, Paul Kiesling, Sergej Roditscheff, August Bluhm und Zirkovitsch. An einem Extratisch beim Fenster saßen zwei schweigsame Zecher, die sich von den andern abgesondert hatten, Sala ben Brahim und der Stier von Granada. Der Türke, in einem phantastischen Gewande, in grobem Hemd, besticktem Jäckchen, Pluderhosen und breitem Gürtel, in dem ein Dolch steckte, den Fez auf dem schwarzen, spärlichen Haar, soff trotz dem Koran und starrte gleichgültig in sein Glas. Manuel Gomez saß faul hintenübergelehnt, in einer unglaublich nachlässigen Stellung, die großen Füße weit von sich gestreckt. Er war zum ersten Male in Berlin, hatte aber als findiger Zecher, der sich an allen berauschenden Getränken, die auf Erden erzeugt werden, schon betrunken hatte, sofort den Landwehrtopf entdeckt undhandhabte ihn geschickt, wie ein geborener Berliner. Sein häßliches, olivenfarbiges Gesicht mit der breiten Nase und den finster beschatteten Augen drückte die äußerste Indolenz aus. Er verriet durch kein Zeichen Teilnahme an dem, was um ihn vorging, und bewegte sich nur, um mit seiner enormen Tatze den Landwehrtopf zum Munde zu führen oder um von Zeit zu Zeit eine neue Zigarette zu entzünden.

Am Tische war man guter Dinge. Frau Anna, die Gattin des schwarzen Mansur, war in der besten Laune und sprudelte in ihrer allerliebsten Mundart die drolligsten Einfälle heraus. Die kleine, runde Frau hatte einen losen, kecken Mund und ein vorzügliches Gedächtnis und hatte sich, wie es schien, alle Schnurren und Anekdoten gemerkt, die sie jemals hatte erzählen hören. Die erzählte sie nun, eine nach der andern, in unerschöpflicher Folge. Ihr Mann verstand nicht viel davon; er sprach fast nur Englisch und begnügte sich damit, verklärten Gesichtes dazusitzen. Sobald er aber den Mund auftat, schlug sie ihm mit der kleinen, fetten Hand auf die wulstigen Negerlippen und forderte:

„Still bist, Mansurl! Nöt an anzig’smal läßt dein rechtmäßig’s Weiberl zu an Wort kommen! — Da fallt mir noch a G’schichten ein — — —“

Das junge Ding an Pierre le Forgerons Seite, eine kleine Näherin, war fast außer Atem vor Lachen. Sie kümmerte sich gar nicht um den „Champion von Paris,“ der sie hereingeführt hatte und nicht mit ihr sprach, weil er kein Deutsch konnte; sie hörte nur der lustigen Wienerin zu. Jan van Muyden, der Frau Annas Anekdoten längst kannte, begann unterdessen ein verliebtes Spiel mit der niedlichen Schneiderin. Er saß ihr gerade gegenüber, trat ihr unter dem Tisch auf die Füße und versuchte, seine Kniee ihren schmächtigen Mädchenknieen zu nähern. Aber er hatte keinen Erfolg. Endlich fühlte sie das Knie des Holländers undblickte überrascht zu ihm hinüber. Jan van Muyden hatte die Zigarre aus dem Munde genommen und gähnte eben in ungenierter Weise. „Ach!“ rief das kleine Fräulein ihn an, „ach Sie!! — Sie sollten schlafen gehen, wenn Sie so müde sind!“ Van Muyden fuhr polternd auf: „Halte dein Maul, du freches Ding! Was denkst du denn, wen du vor dir hast?“ „Die Fräul’n denkt, s’ ist besser dran mit aan’, der wo scho’ müd’ ist!“ rief die zungenfertige Anna spitzig. „Fräul’n, der Forgeron geht auch bald z’Haus!“ — Pierre le Forgeron hatte nichts verstanden; er hatte nur begriffen, daß seine Dame beleidigt war. Sein Kopf wurde dunkelrot bis unter die pomadeglänzenden Locken, er sprang mit solcher Vehemenz auf, daß mehrere Biergläser ihren Inhalt über den Tisch und die Umsitzenden ergossen und wollte dem Holländer durchaus zu Leibe gehen. Paul Kiesling gab sich Mühe, zu vermitteln. Er wollte keinen Streit. Sein schmales, hartes Gesicht sah indigniert aus; er war gekommen, um Karten zu spielen und mußte nun ohnehin die allgemeine Unterhaltung über sich ergehen lassen. Er riß den wütenden Franzosen mit einer Hand, die tödlich erschrockene Näherin mit der andern Hand vom Tische weg, zur Türe hinaus in das Billardzimmer hinein. Jan van Muyden wollte nach. Da schlug der friedliebende Westfale kurz entschlossen die Verbindungstüre zu, gab dem jungen Mädchen ihren Schal, dem Franzosen Mütze und Paletot in die Hand und drängte alle beide ruhig und energisch zum Restaurant hinaus, indem er abwechselnd auf beide einredete:

„Tu t’en vas, Pierre, avec ta petite dame, c’est entendu! — Allons marsch, du dummes Ding, nimm ihn mit oder macht, was ihr wollt, aber schert euch fort! — —“ Wenige Sekunden später war der Champion von Paris, die „rote Nelke,“ samt seiner Schönen ins Freie befördert. PaulKiesling wendete sich um; seine schmalen Lippen umspielte ein flüchtiges Lächeln.

„Was war denn das, Paul?“ fragte Thyssen, der immer noch bei der hübschen Frau Jolly an dem Schenktische stand.

„Nichts,“ versetzte der Westfale ruhig, „du weißt, ich kann Radau absolut nicht leiden... Ein Spielchen wäre mir lieber...“

„O Gott!“ schrie die Wirtin unter Lachen, „Sie sind mir einer.... Wie Sie das Mädchen am Arm hatten, grade wie eine junge Katze...“

„Genau so,“ sagte Kiesling ernsthaft. „Die Mädchen müssen ihren Herrn spüren, dann sind sie leichter zu behandeln, wie junge Katzen.“

Er blieb noch einige Minuten am Büfett stehen und trank einen Schnaps, den er sich aus Wermut und Sherrybrandy selber mischte. Dann ging er in das Klavierzimmer zurück.

Jan van Muyden hatte schon zu viel getrunken. Er kokettierte jetzt mit der Geliebten Aloys Binders, Madame Celeste. Er hatte den leergewordenen Platz des Franzosen eingenommen und redete leise auf die schlanke, schöne Frau ein. Celeste saß in ihrer weißseidenen Theaterrobe stumm da, hatte die wunderschönen, feinen Hände im Schoße gefaltet und blickte mit weitoffenen, sehnsüchtigen Kinderaugen vor sich hin. Sie hatte noch kein Wort gesprochen und lehnte Jan van Muydens Reden nur mit traurigem, stillem Kopfschütteln ab. Zum Glück hatte Binder, der mit Eberhard in ein eifriges Gespräch gekommen war, noch nichts bemerkt, denn wenn seine Eifersucht einmal erregt gewesen wäre, hätte niemand mehr eine furchtbare Szene aufhalten können. Paul Kiesling übersah mit einem Blickdie Situation. Er legte dem Münchener die Hand auf die Schulter und sagte:

„Es ist nicht richtig, Aloys, daß Madame sich den ganzen Abend langweilen muß... Sieh her, sie schläft fast ein... Du, Jan, ich mache dir einen Vorschlag: mache mit mir und dem Sergej ein Spielchen! Wir haben noch genug Zeit....“

Das war dem Holländer recht. Auch Roditscheff stand auf, und die drei Athleten gingen ins Büfettzimmer, wo sie nahe dem Ofen sich um den runden Tisch setzten. Roditscheff zog ein neues Spiel aus der Tasche und begann die Karten zu mischen. Inzwischen öffneten Kiesling und van Muyden ihre Geldbörsen und legten jeder ein Häufchen Gold- und Silbermünzen vor sich auf den Tisch. Der harte Zug um Kieslings Mund vertiefte sich, seine stahlfarbigen Augen blitzten. Liebe und Karten gingen ihm über alles in der Welt; aber noch lieber als die reizendsten Frauen waren ihm diese bunten Blättchen....

An den Tisch war der Friede zurückgekehrt. Man unterhielt sich freundschaftlich in fünf verschiedenen Sprachen, trank helles Bier aus geeichten Gläsern, und einige rauchten. Hermann Thyssen stand immer noch bei der appetitlichen Wirtin am Schenktische und zählte die Knöpfe an Frau Jollys schwarzseidener Taille, indem er mit dem Finger auf die Knöpfe tupfte, die in enger Reihe vom Halse über die volle Brust gingen. Plötzlich hielt draußen mit großem Lärm ein Automobil, und dann hörte man den Tritt von flinken Frauenfüßen und ausgelassenes Mädchenlachen; die Türe wurde aufgerissen, und herein wirbelten und flogen fünf lachende Geschöpfe in eleganten Toiletten und prächtigen Hüten, die den frischen Hauch der nächtlichen Schneeluft und teure, starkduftende Parfüms in ihren Röcken mitbrachten. Hinter ihnen erschienWilli Lehmann, der heute abend seinem Prinzip, sich in Zukunft nur noch von anständigen Damen verehren zu lassen, untreu geworden war. Die gelbseidne Adele, seine Freundin aus früherer Zeit, stieß einen lauten Freudenschrei aus, als sie die vielen Athleten im Nebenzimmer erblickte, warf Hut und Pelzcape in eine Ecke, raffte ihre Röcke mit einem sichern Griffe bis über die Kniee hoch und sprang Eberhard Freidank ohne weiteres auf den Schoß.

„Heißt du nicht Roland?“ rief sie unter Küssen, „ja, siehst du, Dicker, ich habe mir sogar deinen Namen gemerkt!“

Nun kamen die andern Mädchen auch herbei. Es war ein allgemeiner großer Aufstand, mit dem jeder einverstanden war. Im Klavierzimmer stand ein altväterisches Ledersofa, mit altmodischen, weißen Porzellanknöpfen genagelt. Auf dieses Möbel ließen sich zwei der lustigen Frauenzimmer kreischend niederfallen, die Tische wurden herangerückt, die Athleten mit den beiden Damen rückten nach; ein Mädchen setzte sich neben Petrocchi, die kleine Blondine, die das Brillantarmband nach Thyssen geworfen hatte, nahm zwischen dem „Apollo von Berlin“, den sie früher als Modell gekannt hatte, und Mikita Zirkovitsch Platz, und die gelbseidne Adele blieb auf Freidanks Schoße sitzen. Die Mädchen schrien und lachten durcheinander und ließen einander nicht zu Worte kommen; Willi Lehmann erzählte gleichfalls schreiend von seinem Rendezvous, welches nur sehr kurze Zeit gedauert hatte, denn seine Dame, eine Rechtsanwaltsfrau, hatte ihn nur auf morgen in ihre Wohnung bestellen wollen; glücklicherweise kam gerade, als er der Dame die Hand zum Abschied reichte, die gelbe Adele mit ihren Freundinnen daher, die Mädchen umringten den alten Bekannten mit lärmendem Entzücken, Adele hängte sich in seinen rechten Arm ein, ihre Busenfreundin MagdaleneLeblanc in den linken, und so waren seine Grundsätze kraftlos geworden... Alle fünf Mädchen hatten heute abend ihre Verehrer und ihr Gewerbe im Stich gelassen um des ordinären, häßlichen Athleten willen; die tolle Schar war mit ihm durch eine ganze Anzahl von Halbweltlokalen gestürmt, um den plumpen Menschen mit der Mongolenfarbe und den struppigen, schwarzen Borstenhaaren im Triumphe zu zeigen. Endlich war es Adele plötzlich in den Sinn gekommen, zu Jolly zu gehen; sofort waren alle sechs in ein Automobil gesprungen, und da waren sie...

Hermann Thyssen bequemte sich jetzt auch, seinen Platz am Tische wieder aufzusuchen. Er hatte die kokette Sprödigkeit der Wirtin lange genug genossen, und der schwüle Chypreduft der Demimondänen stieg ihm freundlich und verheißungsvoll in die Nase. Langsam, mit stolzem, liebenswürdigem Lächeln, den Hohenzollernschnurrbart steil aufgerichtet, kam er näher. Magdalene Leblanc, die auf dem Kanapee saß, flog auf, wie der Pfeil vom Bogen, und zog den Weltmeister mit verliebter Gewalt zu sich heran. Er mußte zwischen ihr und der roten Alli sitzen. Er sah sich nun seine beiden Nachbarinnen an. Magdalene war eine blasse Brünette mit lilienschlankem Körper und einem perversen lüsternen Gesicht, aus dem die dunkeln, schwarzumränderten Augen wie meerestiefe Fragen blickten. Der schlanke, lasterhafte Leib trug mit aparter Grazie ein feuerrotes Prinzeßkleid, das bis unter die Hüften eng wie eine Schlangenhaut anlag und erst bei den Knieen in weichen Falten auseinanderfloß. Die rote Alli war ein bequemes, üppiges Frauenzimmer mit phlegmatischen Gesten und gutbürgerlichen Manieren, deren Spezialität darin bestand, ganz unsäglich gemeine Geschichten zu erzählen, über die selbst Lebemänner erröten konnten. Alli besann sich nicht lange und begann sofort voll Behaglichkeit ihre gepfefferten Gemeinheiten vorzutragen. Hermann Thyssen saß zurückgelehnt, von den schlanken Armen der lasterhaften Magdalene zärtlich umrankt, und war fast außer sich vor Vergnügen. Im Leben hatte er noch nicht so gemeine Redensarten aus dem Munde eines weiblichen Wesens, selbst wenn es eine Dirne war, vernommen. Und diese hier erzählte ihre schamlosen Eindeutigkeiten mit freundlicher Seelenruhe, als ob sie aus der Zeitung vorläse....

„Jolly!“ rief Hermann Thyssen schallend durch das Zimmer, „Jolly, was hast du für Wein? — Ihr seid alle meine Gäste — —!“

Der Wein wurde gebracht; wie Hochwasser stieg die Fröhlichkeit und schwoll zu immer lauterem Jubel an. Einmal ärgerte sich Roditscheff, der noch mit Kiesling und van Muyden am Spieltisch war, daß er nichts von der Gesellschaft der Weiber haben sollte, und während Paul die Karten mischte, ging er an den Tisch hinüber und bändelte mit der roten Alli an:

„Na, Pummel, wie ist’s? Kommst du mit mir?“

Das Mädchen fühlte sich beleidigt; sie hielt die Anrede des Ringkämpfers für eine Anspielung auf ihre phlegmatische Wohlbeleibtheit, und gerade die haßte sie; denn sie wollte durchaus als schlank gelten. Sie erwiderte giftig:

„Ich denke nicht daran! — dein Genre liegt mir nicht! Ich bleibe bei Thyssen... Wenn du mit Thyssen zum Ringen kommst, fliegst du doch auf den Hintern!“ —

„Du bist gut unterrichtet, mir scheint! —“ rief Kiesling, der die Karten ausgegeben hatte, hinüber. „Komm her, Sergej, und laß die freche, rote Wanze sitzen!“

Sergej ging zum Spiele zurück. —

Längst hatte Emil Jolly die Außentür des Lokals geschlossen.

Die gelbseidene Adele saß frech und verführerisch aufEberhard Freidanks Knieen und trank mit ihm aus einem Glase. Die gesuchte Demimondäne trug eine tiefausgeschnittene Robe von schwarzen Spitzen über gelbem Atlas. Ihr heißer Körper lehnte sich an seine Schultern, und mit jedem Atemzuge trank er den üppigen Duft des eleganten Frauenzimmers, fortwährend sah er den weißen, gepuderten Hals dicht vor sich. „Dir scheint ja furchtbar warm zu sein, Roland!“ sagte Adele, „macht das meine Nähe? — Warte, ich knöpfe dir den Kragen ab!“ Mit großer Geschwindigkeit befreite sie ihn von der Krawatte und dem Halskragen, legte ihren Arm um seinen nackten Hals, suchte mit der Hand seine breiten Schultern...

Frau Anna, die energische Wienerin, stand auf und nahm ihren Mann mit, der sehr ungern ging. Da herrschte Aloys Binder seine Freundin an: „Du ziehst dich an, Celeste, und gehst mit Frau Helu nach Hause! — Mußt ohnedies bei unserer Wohnung vorbei! Schnell, marsch, nach Hause mit Dir!“ Celeste gehorchte ohne Widerrede, und alle drei entfernten sich...

Die rote Alli hatte Appetit bekommen; Emil Jolly mußte herbeischaffen, was das Lokal um diese Stunde bot. Unter Freudengeschrei verzehrte die ganze Gesellschaft eine Dose Rollmöpse, kalte Schweinskoteletts, einige Endchen Wurst, eine Büchse Sardinen und eingemachte Pfeffergurken. Alle speisten ohne Messer und Gabeln, ohne Teller und Tischtuch von dem rohen, reichlich mit Bier und Wein begossenen Tische.

Die Gegenwart der wohlgepflegten, eleganten Dirnen entflammte in allen diesen berauschten, starken Männern die wildesten Triebe. Ihre Wünsche wurden immer rückhaltloser, ihre Zärtlichkeiten immer verwegener. Aber die Frauenzimmer hatten sich mit dem eigensinnigen Wohlgefallen der Freudenmädchen, die einmal selbstwählen konnten, bestimmte Ringkämpfer herausgesucht. Die Polenkascha, eine starke, sinnliche Slavin, küßte fortwährend den dicken Giacomo Petrocchi ab, ohne für einen andern ein Auge zu haben; die kleine, blonde Brillantenfrieda hatte ihr Herz für diese Nacht an August Bluhm, den Apollo von Berlin, verloren, und Hermann Thyssen hatte sich längst mit Magdalene und Alli verständigt; er wollte die originelle Lasterhaftigkeit von allen beiden genießen... Und die gelbseidene Adele, die Willi Lehmann endgültig untreu geworden war, herzte Eberhard ohne Pause. Sie sprang hinter seinen Stuhl und legte ihm ihre vollen, weichen Arme um den Hals, hüpfte wieder auf seinen Schoß und ließ sich von ihm füttern. Sie neigte ihren Mund zu seinem Ohre und flüsterte verlockende Worte hinein... „Ja — —,“ flüsterte Eberhard mit heiserer, erstickter Stimme zurück. Er ging in den Korridor hinaus, um seinen Mantel zu holen; als er zurückkehrte, stand Adele schon in Hut und Pelzcape da. Jetzt erst bemerkten die anderen ihren Aufbruch; man wollte sie zurückhalten, man rief ihnen rohe Zweideutigkeiten zu, aber nicht einmal die neuerwachte Passion Willi Lehmanns, ihres ehemaligen Zuhälters, der an seine alten Rechte erinnern wollte, vermochte sie zu halten. Eberhard Freidank rief mit starker Stimme: „Gute Nacht!“ und ging schnell davon; ihm nach, mit pikant hochgehobenen Röcken, unter denen die duftenden Jupons knisternd rauschten, flog die gelbseidene Adele. — —


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