XII.

XII.

Therese saß mit klopfendem Herzen vor dem Vorhange, der sich in wenigen Minuten heben sollte, um das Werk ihres Bräutigams zu enthüllen. Es war ein kurioser und absonderlicher Gedanke für sie: diese Menschen, die ringsum die Reihen füllten, waren gekommen, um über seines Geistes Frucht Richter zu sein. Frau Ambrosius hieß das junge Mädchen aufstehen und nach irgendwelchen Bekannten ausschauen. Therese sah sich um. Sie überragte die meisten dieser Männer und Frauen. Sie kam sich in ihrer schlanken Höhe plötzlich einsam vor. Eberhard fehlte ihr. Sie dachte daran, daß er und sie in den letzten Wochen verschiedene Gedankenwege gegangen waren und sie empfand ein heißes Verlangen, in dieser Stunde, ach, in dieser Minute! alles, was sich störend fremd zwischen sie gestellt hatte, mit einem brennenden Kusse zu vernichten. Sie war doch da, die Liebe! sie lebte doch wie an jenem dämmernd grauen Januarabende, da ihre Lippen sich mit seinen aufs innigste vereinten, da die Macht ihrer Liebe so stark und sieghaft gewesen war, um den Losgelösten, Enteilenden zu fesseln und zu halten. Was hätte sie darum gegeben, hätte sie ihren Bräutigam jetzt, ehe die Aufführung begann, noch einmal umarmen und ihm mit einem Kusse ins Ohr flüstern können, daß sie eins mit ihm sei und daß sie fröhlich zu ihm halten wolle, was beiden auch der Zufall brächte! Aber sie mußte sich damit begnügen, nur ein zärtliches Gedenken dorthin zu senden, wo Eberhard weilte. —

Über einem fremdartig glanzvollen Bilde ging der Vorhang auf. Die Zuhörer waren sichtbarlich gefesselt von der Kraft einer Sprache, die mit vielem Glück die südliche Glut der Renaissancestimmung wiedergab. Die reichen Kleidertrachten, die den Augen von den Bildern der italienischen Meister her bekannt waren, erschienen seltsam und doch vertraut. Man kannte die Fabel des Stückes nicht; die Geschichte des Hauses Braglione war nicht genügend bekannt, um den Ausgang vorherwissen oder auch nur ahnen zu lassen. Darum nahm man den ersten Akt mit einem Wohlgefallen auf, der Thereses Herz in hellen Jubel versetzte.

Der zweite Akt brachte den Konflikt zwischen den feindlichen Verwandten. Da stand auf einer Seite das Paar, dem die Sympathie gehörte, Astorre mit der ihm angetrauten Lavinia. Die Bösewichter, die feindliche Partei, schmieden im Garten ihre finstern Pläne, während der Freudenlärm des Hochzeitsbanketts die Säle durchrauscht. Ein Engel wird mit den Guten sein, wird die Schwachen stützen, die feindlichen Mächte zunichte machen! — Der Akt ging zu Ende, die Jungvermählten wurden in strahlender Fackelprozession ins Hochzeitsgemach geführt. Dieses reizende Bild entzückte und riß hin; der Name des Dichters erklang von hundert Lippen, und wieder einmal, wie vor acht Monaten, stand Freidank vor einer Menge, die ihm Beifall klatschte... Irgendwo pfiff einer; der wurde niedergeklatscht ...

Hinter dem Vorhang beglückwünschten sie den Dichter, umarmten ihn in auflodernder Begeisterung. Holderbaum schüttelte ihm wild die Hände, gratulierte ihm und sich:

„Himmel, Mensch! Herr Freidank! freuen Sie sich denn gar nicht?“

In ihm war etwas... wie eine große Enttäuschung... Wie anders hatte der Beifall einst im Odeontheater geklungen, da Tausende seinem schlanken Leibe, seiner Kraft und Schönheit freiwillig huldigten! Das war gewesen wie ein Meer, das dröhnend und schmeichelnd zu seinen Füßen rauschte....

„Einer hat gepfiffen!“ erwiderte er und lachte, „einer hat gepfiffen, Herr Holderbaum!“ —

„Sie sind nicht recht gescheit! Und die andern, die Bravo klatschten?“

„Immerhin!“ sagte Freidank eigensinnig, „es hat doch einer gepfiffen!“

Nein, sie huldigten nicht einem Geiste, der ihnen etwas zu sagen hatte, der sein Herzensblut und die Arbeit langer Tage und Nächte in sichtbare und hörbare Formen gepreßt hatte, um ihnen Geist von seinem Geiste darzubringen. Sie waren alle, fast alle! nur gekommen, um an dieser Stätte ihre eigenen Ideen nachgebetet, ihre privaten Meinungen bestätigt zu hören. Sie wollten gar nicht, daß der starke Überwinder Sieger bleibe und die Braut heimführe. Sie gönnten Astorre, dem guten, schwachen, friedliebenden Astorre Triumph über den kraftvollen Schurken. Ein Schrei des Mitgefühls, der Entrüstung bebte auf allen Lippen, als Astorre unter dem Mordstahl seines Feindes fiel... O, dennoch wird der Mörder unterliegen! niemals wird er Lavinia, die wunderschöne Lavinia, sein eigen nennen! — Da... wer sollte es glauben? — Lavinia, von der gesagt ist, daß sie „schön und stark ist, wie ein Tier der Wildnis,“ — sie wendet sich, wie ein Tier der Wildnis, dem siegreichen Nebenbuhler zu... Ohne Scham und ohne Mitleid, wie eine Löwin, die ohne Besinnen dem stärksten Männchen nachgeht, reicht sie dem Mörder die Lippen zum Kusse, die noch von den Küssen des ermordeten Gatten brennen...

Ein Sturm der Empörung brach los. Wie? so sollte ein Mensch, einfach weil er physisch größer und stärker war, über Moral und Recht triumphieren? Der Legitime, auf dessen Seite das Recht und die Ehre waren, mußte der brutalen Übermacht der Körperkraft weichen? Und das zuchtlose Weib dort oben, auch sie warf sich in tierischer Wahl dem kräftigen Mörder in die Arme? Ein Dichter wagte also, aller Gerechtigkeit zum Hohne, die rohe Faust zu verherrlichen, den Friedliebenden ein solches Entsetzen einzuflößen, den Frauen ein solches Beispiel aufzustellen? An allen Enden des Hauses brach der Tumult aus. Jeder einzelne fühlte sich ins Gesicht geschlagen. Jeder einzelne wollte dazu beitragen, diese Moral der Kraft niederzuschreien... niederzutreten... totzupfeifen... Einige Hände klatschten zum Hohn Applaus, einige Stimmen schrien aus Freude am Skandal nach dem Dichter. Da erschien Eberhard, der bei dem Übermaß von Wut und Mißfallen plötzlich befreit und wie erlöst sich selbst wiedergefunden hatte. Mit Entrüstung sahen es die Tobenden: er stand selber da, als der Stärkste von Allen, und er war nicht blaß, und er war nicht verlegen, sondern er lachte und machte in den Spektakel hinein eine ironische Verbeugung. Damit noch nicht genug, begann er als Antwort auf das Pfeifen und Heulen seinem eigenen hoffnungslos verlorenen Drama Beifall zu klatschen. —

Dann, als der Vorhang gefallen war, stand Direktor Holderbaum vor dem ausgepfiffenen Dichter. Er gestikulierte wild mit den Händen, schrie Eberhard an und weinte fast:

„Ich habe es Ihnen gesagt: hätten Sie auf mich gehört! Aber Sie mußten — ach, dieses Unglück! — Ihr Stück herauskriegen, statt meiner Idee...“

„Ihre Idee ist ebenfalls Dreck!“ sagte Freidank grob,„gehen Sie zum Teufel mit Ihrer Idee! Ich habe genug von den Ideen...“

Mama Ambrosius war nach Hause vorausgefahren; Therese stand vor dem Theater und hatte das Spitzentuch, das den Kopf verhüllte, bis übers Gesicht gezogen, um die unwillkürlich rinnenden Tränen zu verbergen. Als Eberhard kam, tupfte sie schnell mit dem Taschentuche die Augen trocken, aber er hatte ihre Tränen schon gesehen und rief mit hellem, echtem Lachen:

„Mein Liebling! Du weinst?! Aber lache doch, Therese! Aber freu’ dich doch, mein Herz, daß nun alles klar ist und klarer, als es früher war!“

Er sandte eine Botschaft nach Hause an Mama Ambrosius, daß er mit Therese noch eine Flasche Wein trinken wollte und daß er seine Braut später wohlbehalten heimbringen werde. Dann fuhren sie, fest aneinander geschmiegt, Hand in Hand, im offenen Wagen fort. Er schlug ihr mit der freien Hand die Kopfmantille zurück und sah ihr fröhlich in die Augen:

„Gott sei Dank, Therese, nun lachst du doch wieder!“

Sie fuhren durch stillere Straßen, in denen der Tageslärm schon verhallt war, durch die warme, dunkle Sommernacht dahin. Sie waren allein, erregt von den wilden Ereignissen des Abends und erfüllt von der Freude, einander so nahe zu sein.

„Ich bin so froh, Therese!“ sagte er immer wieder. „Was kann uns anfechten, Therese, da wir jung und stark und gesund sind? Heute abend wollen wir nicht von der Zukunft sprechen, mein Liebes. Heute wollen wir uns allein unserer Liebe freuen! Aber wenn du mit mir einig bist, Therese, so weiß ich, was ich tu’!“

„Ich auch!“ sagte Therese, nun ganz getröstet, „ich auch!“

Am andern Tage kam er gegen Mittag zu seiner Braut, hübsch, energisch und aufgeräumt. Mama Ambrosius tat pikiert, weil Therese viel später, als es sich nach Ansicht der Mutter geziemt hätte, nach Hause gekommen war. Sie machte Freidank darüber Vorwürfe und sagte, daß er zu allem Unrecht, was er ihrer Tochter bereits angetan habe, nun noch die schlimmste Sünde füge, ihren ehrbaren Ruf zu rauben.

„Ich will gar nicht von der entsetzlichen Blamage des gestrigen Abends reden,“ fuhr sie bitter fort. „Sie wollten den Erfolg mit aller Gewalt erzwingen... Da haben Sie das, was man mit Gewalt ausrichtet! — Hätten Sie Ihr Staatsexamen gemacht... nachher, wenn es Sie schon dazu zog, für Zeitungen geschrieben... kleine Artikel...“

„Wie Adolf Tönnies, nicht wahr?“ fuhr er dazwischen.

„Allerdings! — Er hat bescheiden angefangen... er wird sich hinaufarbeiten...“

„Erlauben Sie, liebe Schwiegermama,“ sagte Freidank höflich, „daß Therese und ich es anders anfangen! Nämlich, daß wir es doch mit der Gewalt erzwingen. Ich bin doch kräftig genug... nicht wahr?“

Er lächelte gutmütig und streckte seine großen, starken Hände aus.

Ehe indessen der Sinn seiner Rede der zornigen Dame ganz klar geworden war, schellte es und es kam Besuch; Therese, die durch einen Spalt in der Türe hinausgelugt hatte, kam zurückgesprungen, flog Eberhard um den Hals und flüsterte lachend:

„Es ist Adolf Tönnies!“

Tönnies wußte nicht, daß Eberhard und Therese Verlobte waren und war darum ein wenig erstaunt, Freidank bei den Damen zu finden. Er hätte viel darum gegeben, wenn er sich in diesem Augenblicke hätte unsichtbar machenkönnen; aber er war nicht nur gezwungen, zu bleiben, sondern er mußte sogar höflich mit dem Manne reden, mit dem er vor Monaten so auseinandergegangen war! Denn Eberhard, der den Damen offenbar nichts von den Ereignissen auf jener Weihnachtskneipe der Gryphianer erzählt hatte, hielt die hellen Augen so befehlend, so zwingend auf den kleinen Tönnies gerichtet, daß Adolf die schreckliche Empfindung hatte, unter den herrischen Blicken des andern gleichsam zusammenzuschrumpfen.....

„Nun, Tönnies,“ sagte Eberhard in einer Aufwallung von Mitleid, um dem unglücklichen Kleinen über die Situation hinzuwegzuhelfen, „hast du die Zeitungskritiken über meinen ergötzlichen Skandal gelesen? Ich habe sie nämlich nicht gelesen!“ setzte er lachend hinzu.

„Ich bin wirklich — wirklich entzückt, Freidank, dich trotz dem ärgerlichen Ereignisse bei so gutem Humor zu finden! — Ja, ich habe die Kritiken gelesen... Wie? du hast in der Tat noch keine Zeitung zur Hand genommen!“

„Warum sollte ich?“ fragte er munter, „kann ein Zeitungsbericht an den Tatsachen etwas ändern?... Nun also! — Damit soll keineswegs gesagt sein, daß ich mich jetzt nicht noch dafür interessiere... Hast du zufällig Morgenblätter bei dir?“

Tönnies zog dienstbeflissen mehrere Zeitungen heraus. Da fand sich, daß die Kritiker der Zeitungen das vernichtende Urteil der Zuschauer nicht bestätigten. Sie rühmten die Fabel, sie lobten den Dialog, aber sie verwarfen eines: das, was sie die Tendenz des Stückes nannten. Die Zuschauer, so behaupteten sie, hätten ein richtiges, gesundes Gefühl bewiesen, indem sie eine Dichtung ablehnten, in der die verwerflichen Instinkte des Menschen: Mißbrauch seiner Stärke, verbunden mit Roheit und Grausamkeit, auf den Thron gehoben würden...

„Nebenbei...,“ sagte Eberhard mit freundlichem Ernste, „nebenbei hatte mein Stück keine Tendenz. Böswilligkeit hat eine Absicht hineingelegt... Das ist aber nun gleichgültig. Mich treffen keine Pfeile mehr. Die fliegen daneben. In die Luft!“

Er lachte, sein gutes, gesundes Knabenlachen, welches dem jungen Manne, der schon einige frohe und schmerzliche Erfahrungen hatte, ebenso schön anstand, wie es ihn in der sorgenlosen, unschuldigen Jünglingszeit geschmückt hatte. Tönnies sah es und fühlte, daß dieser jungen Kraft nicht durch Verrat der Freunde, nicht durch Verachtung, noch durch Mißerfolge und Widerwärtigkeiten beizukommen war. Der war aus dem Eichenholze seiner Niedersachsenheimat, der stand auf starken Wurzeln, freute sich in naiver Selbstsucht der eignen Kraft und verspottete, die ihm feind waren!

Als Tönnies sich empfahl, reichte er dem ehemaligen Freunde die Hand. Es war fast, wie eine Abbitte, und er tat es nicht ohne Überwindung. Aber Eberhard nahm sie nicht. Heut’ stand er, obwohl er dazu gar keinen Grund zu haben schien, wie ein Sieger da und rächte sich an Tönnies, der seine runden Augen auch jetzt noch in heller Bewunderung auf Thereses Dianengestalt ruhen ließ:

„Ja — du kannst mir auch gratulieren, Tönnies! Therese und ich, wir haben uns lieb! Und wir heiraten in der allernächsten Zeit... Du siehst, ich habe mehr wie gewöhnliches Glück gehabt!“

— „Wie stellen Sie sich das ‚Heiraten in der allernächsten Zeit‘, von dem Sie soeben Herrn Tönnies Mitteilung gemacht haben, vor, Eberhard?“ fragte Mama Ambrosius giftig, als kaum die Schritte des Besuchers auf der Treppe verhallt waren.

„Sehr einfach, liebe Schwiegermama! — Sie glaubendoch selbst nicht, daß ich mich nach dem negativen Erfolg meines Stückes auf diesem Gebiete noch öfter auslachen lassen möchte? — Ich hätte auch nicht die Mittel zu solchem Luxus. — Und soll ich mich in irgendeine Schreibstube setzen? Vielleicht Bureaubeamter werden? — Ach nein! Dazu hat mir der liebe Gott die gesunden Glieder nicht gegeben. Auch will ich meiner Frau eine bessere Zukunft bieten, als die, die sie an der Seite eines schlechtbezahlten Beamten erwarten würde!“

„Was haben Sie also vor?“ fragte Frau Ambrosius beunruhigt.

„Erraten Sie es nicht? Ich werde sofort wieder Ringkämpfer!“ sagte Eberhard gelassen. „Die Gage, die ich dabei verdiene, erlaubt mir, mich in wirklich sehr kurzer Zeit zu verheiraten... Und das ist unser sehnlichster Wunsch!“ setzte er hinzu und blickte Therese innig an.

Frau Ambrosius war außer sich. Wie? das wagte er ihr zu sagen? Hatte er denn vergessen, was sie ihm vor acht Monaten deutlich genug gesagt hatte? Wäre es noch nicht genug des Unerfreulichen, ja, des Skandalösen! das er über sie gebracht hätte? — Niemals würde ihre Tochter Therese....

„Das traf vielleicht damals zu,“ sagte Eberhard sanft. „Heute, verehrte Schwiegermama, ist Therese wohl anderer Meinung geworden. Liebe ich Therese, weil sie das Telephon bedient? Nein! ich liebe sie selbst, ihren Leib und ihre Seele. Nun, darum glaube ich auch und weiß, daß Therese mich liebt, mich, und nicht meinen Beruf...“

Frau Ambrosius geriet in unendlichen Zorn. Mit ihrer Einwilligung, das schwor sie, sollte Therese nicht die Frau eines Ringkämpfers werden, der herumreiste, wie ein Zigeuner, der sich auf öffentlicher Bühne preisgab, ja, allen Blicken preisgab!

Freidank antwortete auf ihre überstürzten Reden, auf ihre Vorwürfe und ihre Tränen mit großer Sanftmut. Er wollte keine bindenden Zusagen haben, nicht heute, nicht in dieser Stunde! In einigen Wochen würde Frau Ambrosius ruhiger über diese Dinge denken.

„Nie werde ich darüber anders denken!“ rief Madame Ambrosius empört, „nimmer werde ich dazu meine Einwilligung geben! — Therese bleibt bei mir..! Gar nichts gilt die Verlobung in meinen Augen! — Oh! hätten Sie nicht Ihren Ruf aufs Spiel gesetzt! hätten Sie meine Tochter nicht kompromittiert — —! Was Sie tun, geht mich und meine Tochter in Zukunft nichts mehr an! Gehen Sie hin, werden Sie Ringkämpfer! Werden Sie unserthalben Clown! Tun Sie, was Sie mögen, nur verlassen Sie mich jetzt!“

„Leben Sie wohl, verehrte Schwiegermama!“ sagte Eberhard gelassen. „Sie werden gestatten, daß ich mich von Therese verabschiede... Therese, mein Lieb!“ — — —

Frau Ambrosius verließ das Zimmer, Eberhard und Therese waren allein. Der junge Mann reichte dem Mädchen die Hand und sagte, während seine Augen hell lächelten:

„Ob das nun sein mußte?“

„Laß es gut sein,“ lächelte Therese vertrauensvoll zurück. „Sie meint es zuletzt doch herzensgut, die Mutter!“

„Auf Wiedersehen, Liebe!“

„Auf Wiedersehen, mein Freund!“

Unter so wenig tragischen Worten gingen sie auseinander, während sie sich warm die Hände schüttelten.

***

„Liebe Therese!“ schrieb er ihr einige Tage später, „Thyssen war gestern hier. Er kam zu spät nach Berlin, um bei der Première klatschen zu helfen. Nun, er wäre ja nicht dazu gekommen! — Liebe Therese, morgen abendgeht’s mit dem Nachtschnellzuge davon, nach Wien, zu Thyssens Konkurrenz! Herzinnig Dein E.“

Es war der erste Brief, den er ihr seit dem Auseinandergehen schrieb; sie hatten sich inzwischen nicht gesehen und nichts verabredet. Er erwartete auch keine Antwort auf den Brief und stand am Abende des folgenden Tages im Vorraume des Bahnhofes, immerfort zwischen Gewißheit und halben Zweifeln schwankend, ob sie wohl kommen würde. Nun trat er an den Billettschalter — sie war noch nicht erschienen — und warf noch einen Blick auf den Eingang. Da trat sie gerade ein, und ihre Augenpaare trafen sich über die Schar der Reisenden hinweg mit dem Gruße des Einverständnisses.

„Zwei Billetts nach Wien!“ forderte er, ohne sich erst überzeugt zu haben, ob sie mit ihm fahren wollte. Kaum hatte er die grünen Kärtchen in der Hand, so war auch schon Therese bei ihm und sagte lächelnd:

„Du hast doch beide Karten, nicht wahr!“

„Aber gewiß, Therese! Wie könnte es anders sein?“

Ende Kapitel XII


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