(hält noch immer die Klinke der Tür, die sie hinter sich zugezogen hat, fest):
(hält noch immer die Klinke der Tür, die sie hinter sich zugezogen hat, fest):
Fragen wir doch mal Olfers, Ottfried!
Mäurer:
Oder hole doch mal das Fremdenbuch! Ich sah vorhin schon den Olfers, der ja doch neugierig wie ein Rotschwanz ist, mit der fettigen Kladde um die Zimmertüren der Fremden herumschleichen.
Lucie eilt resolut in das Gastzimmer hinüber und ist sogleich mit dem Fremdenbuch wieder bei ihm.
Lucie eilt resolut in das Gastzimmer hinüber und ist sogleich mit dem Fremdenbuch wieder bei ihm.
Lucie
(hat das Fremdenbuch auf den Tisch gelegt, blättert hastig):
(hat das Fremdenbuch auf den Tisch gelegt, blättert hastig):
Also — —: Frau Hanna Elias! — Hier stehts.
Mäurer
(er tritt heran, überzeugt sich, daß der Name wirklich dasteht, und Lucie und er blicken einander längere Zeit sprachlos an, dann sagt er):
(er tritt heran, überzeugt sich, daß der Name wirklich dasteht, und Lucie und er blicken einander längere Zeit sprachlos an, dann sagt er):
Das ist doch tatsächlich ein — Aas, dieses Frauenzimmer!
Lucie:
Pst. Ottfried! Ich glaube, sie kommen schon.
Mäurer:
Dann kriech ich durchs Fenster, liebes Kind. Ich kann diese blutleere Fratze nicht sehen. Diesen lemurischen Wechselbalg. Ich kriege das Grausen vor dieser Larve. Ich fürchte mich, wenn ich nachts unter einem Dache mit diesem Gespenste bin. Ich bin überzeugt, es springt ihr nachts eine weiße Maus oder was ähnliches aus dem offenen Mund und saugt sich einem im Schlaf an die Pulsader. Adieu: komm nur nach, ich kneife aus! —(Er steigt, während man die Stimmen von Hanna Elias und Schilling laut auf der Treppe hört, eilig zum Fenster hinaus.)
Lucie:
Ottfried, Ottfried! Sei doch nicht unsinnig. —
(Sie ist allein und wird von lautlosem Lachen geschüttelt. Nachdem sie ein wenig die Fassung gewonnen hat, horcht sie an der Tür und wischt dann, diese aufstoßend, ebenfalls schnell hinaus.)
(Sie ist allein und wird von lautlosem Lachen geschüttelt. Nachdem sie ein wenig die Fassung gewonnen hat, horcht sie an der Tür und wischt dann, diese aufstoßend, ebenfalls schnell hinaus.)
Hanna Elias und Schilling kommen jetzt die Treppe herunter, dieser voran ins Zimmer, sie folgt.
Schilling
(dessen Antlitz jäh von einer beängstigenden Blässe befallen ist):
(dessen Antlitz jäh von einer beängstigenden Blässe befallen ist):
Sie sind nicht mehr da. — Sie sind schon fort. — Wahrscheinlich schon an den Strand gegangen.— Wart, ich häng deine Jacke auf, oder ... willst du den Hut aufbehalten? —(Seine Bewegungen sind unsicher, seine Hände zittern vor Erregung. Er steckt den Kopf durchs Fenster hinaus und ruft): Ottfried! Ottfried! Fräulein Lucie! — Nein! — Nun setz dich, Hanna. Das ist unsere separate Klause hier. Olfers hat sie uns eingeräumt, damit wir nicht immerfort von den Gemeinplätzen der anderen Gäste belästigt werden. So! —(Die Tür ist geschlossen, er schließt auch noch das Fenster.)Jetzt aber bitte ich dich, kläre mich auf.
Hanna
(nur auf dem Rande eines Stuhles sitzend, die Arme ausgestreckt auf dem Tisch ruhen lassend, zerpflückt ein Papier):
(nur auf dem Rande eines Stuhles sitzend, die Arme ausgestreckt auf dem Tisch ruhen lassend, zerpflückt ein Papier):
Du bist nicht sehr froh, daß ich bei dir bin?!
Schilling:
Ich bin zunächst mal überrascht, liebe Hanna. Das kann schlechterdings auch nicht anders sein, wie du zugeben wirst. Alles andere ist dabei Nebensache.
Hanna
(wie vorher):
(wie vorher):
Ja, das sagst du — : für mich leider noch immer nicht.
Schilling:
Hanna, du sollst mich nicht falsch verstehen. Natürlich freu ich mich, daß du da bist, aber sag mal selbst — erwarten konnt ich dich doch nach dem, was geschehen ist, nicht; und nun gar auf dieser entlegenen Insel. —(Er reißt plötzlich wieder das Fenster auf und ruft): Ottfried! — Es war mir, als ob ich seinen Schritt hörte.
Hanna
(wie vorher):
(wie vorher):
Das klang ja beinah wie ein Hilferuf!
Schilling:
Mich beunruhigt nur, wenn sie nicht Bescheid wissen. Wir pflegen nämlich fast jeden Morgen in die Gegend des Leuchtturms hinaufzugehn, oder treffen uns an der Kirchhofmauer im Kloster, wo man einen umfassenden Ausblick hat. Ich will nur, daß sie nicht auf mich warten.
Hanna:
Laß dich nicht stören, Gabriel, wenn du vielleicht eine Verabredung hast.
Schilling
(gutmütig aufbrausend):
(gutmütig aufbrausend):
Wie? Was? Du spaßest wahrscheinlich, Hanna.
Hanna
(nach längerem Stillschweigen):
(nach längerem Stillschweigen):
Ja — um dir nun doch die Aufklärung einigermaßen zu geben, die ich dir vielleicht schuldig bin: wir wohnen zur Kur in Breege auf Insel Rügen drüben. Und zwar war ich letzten Freitag beim Arzt und er also hat uns dorthin geschickt — und da hörten wir auf dem Schiff ganz zufällig von Ottfried Mäurer, daß er auf Fischmeisters Oye ist. Und da ich schon in Berlin erfuhr, du bist mit Ottfried Mäurer zusammen, so wußt ich auch deinen Aufenthalt.
Schilling
(mißtrauisch):
(mißtrauisch):
Der Arzt hat dich nach Breege geschickt?
Hanna:
Ich hatte wieder drei Tage lang Bluthusten.
Schilling
(nervös, als habe er selbst diesen Husten):
(nervös, als habe er selbst diesen Husten):
Menschenkind! Daß du nicht einmal gründlich Wandel schaffst! Es ist ja horrend, was du armes, schwaches Geschöpf mußt durchmachen.(Er hat impulsiv ihre Hand ergriffen. Leise macht sie sich los und nestelt ihren Hut vom Kopfe.)
Hanna:
Und dabei kam ich eigentlich für den Arzt nicht einmal in Betracht. Ich hatte ihm gar nicht von mir gesprochen.
Schilling
(streicht über das nun freigelegte Haar):
(streicht über das nun freigelegte Haar):
Und also von wem?
Hanna:
Ach, es betraf nur, du weißt, meinen Kleinsten. Es betraf nur ...
Schilling:
Den kleinen Gabriel?
Hanna:
Er kann sich noch immer nicht recht grade aufrichten.
Schilling
(verfinstert sich plötzlich und geht mit düsterem und verbittertem Gesichtsausdruck auf und ab, nachdem er seine Hand von dem Scheitel Hannas genommen hat):
(verfinstert sich plötzlich und geht mit düsterem und verbittertem Gesichtsausdruck auf und ab, nachdem er seine Hand von dem Scheitel Hannas genommen hat):
Liebe Hanna, ich habe die Welt nicht gemacht. Es tut mir leid: ich bin für die grausige Spaßhaftigkeit des Daseins nicht verantwortlich. Wenn ich könnte, so würd' ich den kleinen, erbärmlichen armen Schlucker von Jungen sofort gesund machen. Es ist mir unmöglich. Ich kann es nicht! — Ich habe Tage und Nächte gehabt ... es geht nicht! — Hanna, ich kann nicht mehr! — Ich kann nur dem Fatum seinen Lauf lassen.
Hanna:
Es ist gut, daß das Fatum ist!
Schilling:
Wieso?
Hanna:
Man kann auf das Fatum vieles abwälzen.
Schilling
(schweigt, hält mit beiden Händen seine Schläfen und blickt, von Hanna, abgehetzt, verzweifelt, gegen die Zimmerdecke; so stehend, sagt er nach einer Weile):
(schweigt, hält mit beiden Händen seine Schläfen und blickt, von Hanna, abgehetzt, verzweifelt, gegen die Zimmerdecke; so stehend, sagt er nach einer Weile):
Weshalb bist du gekommen, liebe Hanna?
Hanna
(wie vorher, ruhig, aber mit bebender Stimme):
(wie vorher, ruhig, aber mit bebender Stimme):
Weil ich nicht ohne dich sein kann, Lieb.
Schilling
(aus gepeinigter Seele, wie unter einem neuen Peitschenschlag):
(aus gepeinigter Seele, wie unter einem neuen Peitschenschlag):
Das ist eine Lüge! Das glaub ich dir nicht!
Hanna
(sehr ruhig, sehr bleich):
(sehr ruhig, sehr bleich):
Wieso ist das eine Lüge, Liebling?
Schilling
(nach einigem Stillschweigen, mit scheinbarer Festigkeit):
(nach einigem Stillschweigen, mit scheinbarer Festigkeit):
Hanna, dies alles liegt hinter mir. Ich bin soweit ... ich habe es hinter mich gebracht ... mit Gottes Hilfe nun überwunden. Ich habe es mitunendlicher Mühe, sag ich dir, endlich in den gehörigen Abstand von mir gebracht. Es ist nicht anders. Es ist zu Ende!
Hanna:
Gut!(Sie erhebt sich.)Du bist gegen mich eingenommen durch irgendwen. Irgendjemand, den ich nicht fassen kann, hat mich in deine Ohren verleumdet. Gut! Ich werde dir aus dem Wege gehen. Obgleich ich nicht weiß, womit ich gefehlt habe. Aber, Liebling, ich bitte dich, sofern es dir irgend genehm sein sollte: nimm mir den marternden Schmerz der nagenden Grübelei aus der Brust; gewähre mir, wenn es sein kann, die eine letzte Gelegenheit, den Schandfleck von meinem Leibe zu waschen, der ihn in deiner Erinnerung sonst für ewig entstellen wird: Wie habe ich dich belogen, Liebling?
Schilling:
Frage, wo du mich nicht belogen hast! Ich gebe ja zu, daß es für eine Frau, wie dich, für eine so geniale Frau nicht immer so absolut leicht ist, Lüge von Wahrheit zu unterscheiden. Aber laß das! Erpresse mir diese bittren Bekenntnisse nicht! — Es ist nicht schön, wenn die Leute abrücken; glaube mir, es war kein erhabener Moment, als mir der erste den Rücken kehrte — dann der zweite, derdritte, der vierte Schlaukopf im Künstlerklub. Das ist keine spaßhafte Überraschung, die einem da widerfahren ist! Aber Teufel, was wäre mir schließlich das!? Auch daß ihr beide, dein Herr Gemahl und du, mich in eure östliche Schmutzfinkenwirtschaft eingewickelt habt, in eure kaltblütig vorher abgekartete Trennungskomödie, ist es nicht! Eure Vorurteilslosigkeit ließ das erwarten. Was aber hernach deine wunderbare Liberalität gegen deine Landsleute dir tatsächlich noch möglich machte, das zu berühren fehlt mir der Handschuh auf der Hand.
Hanna:
Verleumdung!
Schilling:
Richtig!(Er zündet die ausgegangene Zigarre wieder an und sagt kalt, mit verändertem Ton): Sag mal, Hanna, wann wirst du abreisen!
Ihn überkommt nun plötzlich eine auffallende Gleichgültigkeit. Er läßt sich auf das Sofa fallen, pafft, und scheint sich ausschließlich seiner Zigarre zu widmen. Hanna dagegen schreitet nun erregt im Zimmer umher.
Ihn überkommt nun plötzlich eine auffallende Gleichgültigkeit. Er läßt sich auf das Sofa fallen, pafft, und scheint sich ausschließlich seiner Zigarre zu widmen. Hanna dagegen schreitet nun erregt im Zimmer umher.
Hanna:
Dies ist, wie mir scheint, hier ein Gasthaus für jedermann, der die Zeche nicht schuldig bleibt! — Ich werde reisen, wann mir's beliebt. — Ich werdekeinesfalls vor dem morgenden Tage abreisen! — Schon deshalb nicht; ich habe eine Freundin aus Rußland mit und kann mich unmöglich lächerlich machen.
Schilling:
Warum hast du die Freundin mitgebracht?
Hanna:
Warum lebst du denn hier mit deinen Freunden? — Mir liegt nichts an ihr, ich brauche sie nicht. Nun also: Sie hat sich an mich gehangen, sie ist ohne Bekannte in Berlin; — sie ist eine harmlose kleine Person; und ich bin ein Weib, von allen verlassen.(Sie steht am Fenster und weint leise.)
Schilling
(nach längerem Stillschweigen, leise):
(nach längerem Stillschweigen, leise):
Ich rate dir, wieder zu deinem Mann zu gehn.
Hanna
(fährt auf, mit leidenschaftlicher Heftigkeit):
(fährt auf, mit leidenschaftlicher Heftigkeit):
Nie! Niemals! Warum sagst du das, Gabriel? Wo du doch weißt, wie bis ins Herz hinein mich das kränkt. Ich habe nichts mehr mit ihm zu tun. Ich werde mit meinem Kind trockenes Brot essen, aber niemals werd ich auch nur einen Pfennig bei ihm erbitten gehn. Viel lieber selbst nach Odessazurück und von dort mit dem Kinde im Arm nach Sibirien.
Schilling
(erhebt sich, seufzt tief und geht umher.)
(erhebt sich, seufzt tief und geht umher.)
Hanna:
Ihr quält eine Frau, das vermag nur der Deutsche!
Schilling:
Gut, Hanna, nehmen wir das mal an! — Jetzt sei so gut, Hanna, beruhige dich! Ja? Laß deinen bewährten Verstand mal aufleuchten! — Laß mich! Verfolge mich einige Wochen, einige Monate lang nicht! Die Sache ist die: ich bin nicht mehr ich! Mein ganzes Wesen, meine ganze ursprüngliche Art zu sein, ist durch das Leben mit dir umgebildet; glaube mir, daß ich mir selber entfremdet bin. Ich bin alledem entrückt und entfremdet worden, womit und wozu ich geboren bin, und wodurch ich allein existiere und wachse. Das hab ich verloren, das suche ich nun. Und dazu muß ich allein sein, Hanna. Ich muß mich besinnen, ich muß blindlings fast wieder zum Kinde werden! Erst wieder neu gehen lernen, genau wie ein Kind!
Hanna:
O, ich weiß wohl; ich kenne die ganze Intrige.Ich kenne den Mann, der ihr Urheber ist. — Er hat mich gemieden von Anfang an; schon als du uns das erstemal vorstelltest, wußte ich gleich, er ist mein Feind. — Nun, ich verlange von ihm nicht Gerechtigkeit — aber wenn er behauptet, und wenn er sagt, er wolle dein Bestes mehr als ich ... wenn Ottfried Mäurer das sagen will, Gabriel, so achte ich diese niedrige Lügen auch nur im allergeringsten nicht!
Schilling
(preßt ihr Handgelenk, wird von einer anderen Empfindung mehr und mehr überwältigt):
(preßt ihr Handgelenk, wird von einer anderen Empfindung mehr und mehr überwältigt):
Verstehe! Begreife, geliebte Hanna! Ich möchte schreien ... ich möchte dir klar machen ...
Hanna:
Und ich wünschte, ich wäre weit fort von hier!
Schilling
(in heißer Umarmung):
(in heißer Umarmung):
Bleib! Bleib! Verzeih mir, geliebte Hanna!
Zwischen zwei Sandhügeln zieht sich ein breiter Feldweg nach dem Hintergrunde zu, zwischen anderen Hügeln, gegen das Meer hin verschwindend. In dem Winkel, den die ferneren Hügel bilden, steht die See als tiefblaue Wand. Darüber das hellere Blau des wolkenlosen Himmels. Rechts vom Wege, im Vordergrund, liegt ein wenig höher hinauf ein Kirchhof; ein Teil seiner niedrigen Umfassungsmauer ist sichtbar, über die Mauer ragt ein altes Kruzifix. Ziemlich weit vorn steht, in die Mauer eingebaut, die kleine alte, mit Schindeln bedeckte Leichenhalle. Außer einem zerzausten Hollunderstrauch an der oberen Ecke, außerhalb der Mauer, zeigt sich keine Vegetation. Nahe bei diesem Hollunderstrauch ist aus vier Pfählen und einem Brett vor Jahren eine Bank errichtet worden, die stark verwittert, noch steht. Links vom Wege liegt ein imposantes, aber stark verfallenes Mauerwerk, Reste eines alten Klosters. Das besterhaltene Stück ist ein Torbogen aus braun-rötlichen Ziegelsteinen. Einige sehr alte Pappeln und Eschen erheben sich dahinter. Etwas romantisch Düsteres liegt über diesem Gebiet.Nicht mehr als zwei Stunden sind vergangen seit den Geschehnissen im zweiten Akt.Lucie liegt unweit der kleinen Bank lesend im Thymian. Mäurer kommt vom Meer her den Weg hervor und zu ihr.
Zwischen zwei Sandhügeln zieht sich ein breiter Feldweg nach dem Hintergrunde zu, zwischen anderen Hügeln, gegen das Meer hin verschwindend. In dem Winkel, den die ferneren Hügel bilden, steht die See als tiefblaue Wand. Darüber das hellere Blau des wolkenlosen Himmels. Rechts vom Wege, im Vordergrund, liegt ein wenig höher hinauf ein Kirchhof; ein Teil seiner niedrigen Umfassungsmauer ist sichtbar, über die Mauer ragt ein altes Kruzifix. Ziemlich weit vorn steht, in die Mauer eingebaut, die kleine alte, mit Schindeln bedeckte Leichenhalle. Außer einem zerzausten Hollunderstrauch an der oberen Ecke, außerhalb der Mauer, zeigt sich keine Vegetation. Nahe bei diesem Hollunderstrauch ist aus vier Pfählen und einem Brett vor Jahren eine Bank errichtet worden, die stark verwittert, noch steht. Links vom Wege liegt ein imposantes, aber stark verfallenes Mauerwerk, Reste eines alten Klosters. Das besterhaltene Stück ist ein Torbogen aus braun-rötlichen Ziegelsteinen. Einige sehr alte Pappeln und Eschen erheben sich dahinter. Etwas romantisch Düsteres liegt über diesem Gebiet.
Nicht mehr als zwei Stunden sind vergangen seit den Geschehnissen im zweiten Akt.
Lucie liegt unweit der kleinen Bank lesend im Thymian. Mäurer kommt vom Meer her den Weg hervor und zu ihr.
Mäurer:
Bravo! Du bist noch allein, Schusterchen. Puh! Ich fürchtete, es würde womöglich um dich her schon russisch gesprochen. Eine verfluchte Geschichte ist das!
Lucie:
Ich glaube, der arme Schilling mit seinen Damen kommt nicht, er fürchtet sich.
Mäurer:
Wie kann man um Gottes willen ein Weib so wenig im Kusch halten, daß sie einem wie eine Bracke überall auf der Fährte liegt! Die ganze Insel ist mir verleidet. Sie hat längst, kannst du mir glauben, die Witterung, daß wir mit Schilling etwas vorhaben. Das muß sie durchkreuzen. Davon hält sie kein Anstandsgefühl und nichts in der Welt überhaupt zurück. — Aber sie kann ganz sicher sein, ich habe mir das jetzt auf meinem Gange alles durchüberlegt — sie hat in mir einen zum letzten entschlossenen Gegner gefunden. Diese Beute jag ich ihr ab.
Lucie:
Vielleicht steht es gar nicht so schlimm, wie du denkst, Ottfried, und Schilling hat Energie genug für sich allein.
Mäurer:
Sobald sich's um Energie handelt, trau ich ihm nicht. Nein! Besonders jetzt nicht. Da dürfte doch ein sehr entschiedenes Nachhelfen unbedingt nötig sein; daran soll es nicht fehlen, ich werde schon nachhelfen. Aber, ob es gegenüber ihrer überlegenen weiblichen Strategie und ihrem Arsenal gegenüber was nützen kann, weiß ich nicht.
Lucie
(lacht):
(lacht):
Du wirst sie mir schließlich noch ganz interessant machen.
Mäurer:
Daß sie interessant ist, leugne ich nicht. Ich muß sogar manchmal an Goya denken. Ich kann mir ohne Schwierigkeit vorstellen, daß sie dort oben(er weist auf den Kirchhof)hinter der Mauer zu Hause ist, in Gräbern haust und in Ewigkeiten verurteilt sein könnte, sich durch heißgesogenes Männerblut für ein grausiges Scheindasein aufzuwärmen.
Lucie
(lachend):
(lachend):
Wenn das wahr wäre, müßte man ihr verzeihn.
Mäurer:
Durchaus nicht. Ich hätschele keine Gespenster.
Lucie:
Wenn ich dir nun aber sage, Ottfried: ich weiß nicht, wieso mir hier alles gespenstisch ist; das Meer am Tage, das ununterbrochene Wuchten und Brausen der Brandung die ganze Nacht! Die Sterne,die Milchstraße ist mir gespenstig! Und ich freue mich, daß alles hier so gespenstig ist! Deshalb lieg ich auch hier an der Mauer so gerne.
Mäurer:
Ich kann dir eine andre Empfindung zugeben, die den meisten Menschen abhanden gekommen ist: das klare Gefühl, das sich hier ununterbrochen meldet, daß hinter dieser sichtbaren Welt eine andre verborgen ist. Nahe mitunter, bis zum Anklopfen. Dieses Gefühl soll dir, wenn du das meinst, erlaubt sein, Schusterchen. Im übrigen aber bin ich für dich verantwortlich, und ich habe eigentlich, als ich dich mit hierher nahm, nicht den Gedanken gehabt, dich in trübe Vorstellungskreise zurückzuverwickeln.
Lucie:
Du meinst, daß mir das Träumen von Mutter was Trübes ist?
Mäurer:
Mit offenen Augen soll man nicht träumen; am hellichten Tage träumt man nicht. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, daß alle diese Gespenster Blut trinken. Und das auf die Dauer auszuhalten, haben wir alle nicht Blut genug.
Lucie:
Du irrst dich, wenn du meinst, daß mir der eigentümliche Zustand, dem ich so gern hier nachhänge, schädlich ist. Er wirkt angenehm; er ist mir wohltätig. Es ist ungefähr so, als wenn jemand durch eine Tür in unbekannte Räumlichkeiten gegangen ist, und während die Tür sich öffnet und schließt, folgt man ihm mit dem Blick und der Seele ein Stück ins Unbekannte hinein.
Mäurer:
Ich weiß, wie sehr dieser Zustand verlockend ist ... dieser Zwischenzustand, könnte man sagen, wo das Schemenhafte sich überall ins reale Leben mischt; wo man mit einem Fuß auf der Erde steht und mit dem andern im Übersinnlichen. Und doch schaudert der Mensch vor dem Eindruck von Todesfällen und den damit verknüpften aufwühlenden Folgezuständen ganz vernünftigerweise zurück.
Lucie:
Es ist mir heiter, es ist mir nicht aufwühlend. Ich wiege mich einfach in dem bestimmten Bewußtsein, daß ich mit Mutter verbunden bin. — Es hat außerdem alles um mich etwas eigentümlich Interimistisches. Ich weiß nicht, ich glaubenicht, daß das alles: das Rauschen, das Licht, das Lerchengetriller endgültig ist.
Mäurer
(legt den Arm um Lucie):
(legt den Arm um Lucie):
Aber hoffentlich sind wir beide endgültig.
Lucie:
Meinst du, Liebster? Ich weiß es nicht!(Er küßt sie inbrünstig.)
Mäurer:
Dich nehm ich in alle Ewigkeit über alle Fixsterne und Planeten des Weltalls mit.
Lucie:
Wirklich?
Mäurer:
Was hast du denn eigentlich, Lucie?
Lucie:
Nichts.(Sie sieht ihn mit großen, feuchten Augen grade an): Ich denke nur manchmal — man sieht es zum Beispiel auch in der Sache mit Schilling — daß wenn bei dir Liebe und Kunst in Konflikt kommen, daß dir dann die Kunst das vor allem Wichtige ist.
Mäurer:
Ja, aber bei uns gehen sie Hand in Hand, kleines Liebchen.
Lucie:
Hat diese Hanna nicht vor zwei Jahren noch einen Sohn gehabt?
Mäurer:
Sie behauptet sogar von Schilling.
Lucie:
Nun, und?
Mäurer:
Jawohl, es kann ganz gut möglich sein. Es ist ein entzückender blonder Strunk; nur leider, wie's scheint, nicht recht lebensfähig.
Lucie:
Na, und Schilling?
Mäurer
(zuckt mit den Achseln):
(zuckt mit den Achseln):
Er hat mir die Photographie gezeigt. — Das Schicksal eines Kindes, Lucie, ist während der ersten Jahre die Mutter. Sie vernachlässigt es, weil sie lieber Tee trinkt und in Wiener Cafés mit verlumpten Studenten kannegießert. Wenn sie es braucht gegen Schilling, denkt sie daran. Ich wundre mich überhaupt, daß sie diesmal auf den Effekt, mit dem Kindchen im Arm als verlassene Mutter aufzutreten, verzichtet hat.
Lucie:
Eigentlich bist du sehr hart — doch ich hab dich lieb, Ottfried.
Mäurer
(lacht):
(lacht):
Dafür bin ich dann auch ein Dauerspielzeug. — Oder ist es nicht wahr, daß ihr, wie Kinder, was ihr liebt, am liebsten zunichte macht?
Lucie:
Pst, Ottfried! Sie kommen. Wir wollen ihnen um Schillings willen entgegengehn.
Mäurer:
Ungern, äußerst ungern, Schusterchen.
Auf dem Wege im Hintergrunde tauchen Köpfe auf. Schilling, Hanna Elias und Fräulein Majakin. Lucie ist elastisch aufgesprungen, Mäurer erhebt sich langsam und widerwillig, geht aber, nachdem er sich abgeklopft hat, mit Lucie den Ankommenden entgegen.
Auf dem Wege im Hintergrunde tauchen Köpfe auf. Schilling, Hanna Elias und Fräulein Majakin. Lucie ist elastisch aufgesprungen, Mäurer erhebt sich langsam und widerwillig, geht aber, nachdem er sich abgeklopft hat, mit Lucie den Ankommenden entgegen.
Schillings Stimme:
Kuui!
Mäurer antwortet nicht im Weiterschreiten. Im Hintergrund findet dann die Begegnung statt. Von der Begrüßung sieht man die Verbeugungen und hört undeutliche Stimmen. Wiederum fliegt eine Möve von links hinten nach rechts vorn durch das Dünental über den Kirchhof. Nach einiger Zeit lösen sich Mäurer und Fräulein Majakin aus der Gruppe und kommen nach vorn. Die übrigen bewegen sich in derFerne die Hügel links hinauf, stehen einige Zeit in den Anblick des Meeres versunken und verschwinden dann aus dem Gesichtskreis.
Mäurer antwortet nicht im Weiterschreiten. Im Hintergrund findet dann die Begegnung statt. Von der Begrüßung sieht man die Verbeugungen und hört undeutliche Stimmen. Wiederum fliegt eine Möve von links hinten nach rechts vorn durch das Dünental über den Kirchhof. Nach einiger Zeit lösen sich Mäurer und Fräulein Majakin aus der Gruppe und kommen nach vorn. Die übrigen bewegen sich in derFerne die Hügel links hinauf, stehen einige Zeit in den Anblick des Meeres versunken und verschwinden dann aus dem Gesichtskreis.
Mäurer:
Sie kennen Frau Hanna Elias schon lange?
Fräulein Majakin
(langsam und überlegt redend, in der Aussprache die Russin verratend):
(langsam und überlegt redend, in der Aussprache die Russin verratend):
Oh nein! Ich kenne sie erst seit kurze Zeit. Wir trafen zusammen auf eine Sitzung in Berlin dieses Frühjahr von die letztverwichene große, internationale Frauenkongreß. Mein Vater ist Arzt, meine Mutter ist tot. Ich reise schon seit vier Jahren mit meinem Papa in Europa umher. Er hat seine ... wie man sagt? Praxis? — er hat seine Praxis aufgegeben.
Mäurer:
Ich war der Meinung, Ihre Bekanntschaft mit Frau Hanna datiere sich schon von Rußland her.
Fräulein Majakin:
Oh nein! Wie gesagt, erst seit kurze Zeit. Aber ich bewundre sehr Frau Hanna, ich verehre ihr sehr, ich liebe ihr sehr. Ich finde, sie ist eine Frau von Bedeutung, sehr überraschend, sehr wunderbar interessant und klug.
Mäurer:
Worin sehen Sie ihre Bedeutung, mein Fräulein?
Fräulein Majakin:
Ich liebe nicht Frauen, die Sklavinnen sind, und die sich ihr Recht am Dasein verkümmern lassen. Ich verehre ihr sehr, ich verdanke sie viel. Ich kann beinah sagen, sie hat mir zu eine neue Religion ... zu die Religion von Schönheit verholfen.
Mäurer:
Haben Sie denn in Rußland nicht solche Frauen massenhaft?
Fräulein Majakin:
Nein. Wir haben Frauen, sie sprechen den ganzen Tag von die Politik und gar nicht von Kunst. Sie sind oberflächlich. Man sieht selten sie fasziniert von Kunst. Und es ist sehr schön zu bemerken, wie sehr fasziniert von die große Kunst von Professor Schilling Frau Hanna ist.
Mäurer
(mit einem sardonischen Lächeln, das liebenswürdig sein soll):
(mit einem sardonischen Lächeln, das liebenswürdig sein soll):
Tja! Das ist sehr hübsch, was soll man da sagen? — Und Sie haben nun also die Religion von Frau Hanna auch in sich aufgenommen? Was?
Fräulein Majakin:
Nun, ich bin leider noch jung und sehr ungelehrt. Ich kann mir natürlich nur wenig von ihre Verständnis anmaßen. Sie müssen mit mir, wenn ich bitten darf, nachsichtig sein. Aber ich habe sogleich in die Nationalgalerie begriffen, daß Professor Schilling ein großer Künstler ist.
Mäurer:
Wo haben Sie das begriffen, mein Fräulein?
Fräulein Majakin:
In das Museum zu Berlin, wo mir Frau Hanna so freundlich war und hat mir vor die berühmte Werke von Professor Schilling geführt.
Mäurer:
Ich glaube, wenn Sie das mal dem guten Schilling sagen, daß er Professor ist und Werke in der Nationalgalerie hat, würden Sie ihm einen diebischen Spaß machen.
Fräulein Majakin:
Wie sagen Sie?
Mäurer:
Nichts. Es war weiter nichts.
Fräulein Majakin:
Es ist schade um diesen bedeutenden Menschen.
Mäurer
(nachdem er sie verdutzt eine Weile von der Seite angesehen hat):
(nachdem er sie verdutzt eine Weile von der Seite angesehen hat):
Das stimmt vielleicht. Ich hoffe indes, daß es noch nicht zu spät mit ihm ist. Woher kommt Ihnen aber die Einsicht, mein Fräulein?
Fräulein Majakin:
Oh, es ist nicht so schwer, in seine fieberhaft peinvolle Augen zu lesen und in die Linie von sein schweres Leiden in seine schönen, verfallenen Gesicht.
Mäurer
(beinah erschrocken):
(beinah erschrocken):
Meinen Sie, daß er körperlich leidend ist?
Fräulein Majakin:
Von seine psychische Leiden spreche ich begreiflicherweise nicht.
Mäurer:
Nun, es macht mir eigentlich jedesmal Spaß, wenn Leute über Schilling erschrecken. Es geschieht nämlich meistens, wenn sie ihn sehen, beim erstenmal. Schon vor achtzehn Jahren sah Schilling soaus. Er selbst pflegt immer den Witz zu machen, man könne durch dunkle Ringe um beide Augen die Welt viel genauer und gründlicher sehn.
Fräulein Majakin
(ohne darauf einzugehen):
(ohne darauf einzugehen):
Denken Sie, ich habe mir nach die Radierungen, die ich sehr liebe, in die Kupferstichkabinette zu Petersburg von Ihre Person, Herr Professor, auch eine solche Idee gemacht.
Mäurer:
Wieso? Sie kennen meine Radierungen?
Fräulein Majakin:
Oh, ich habe sie schon im zwölften, dreizehnten Jahr durch meinen Papa in die russischen Sammlungen kennen gelernt.
Mäurer:
Wenn Sie einen solchen Papa haben, brauchen Sie doch eine Hanna Elias nicht!
Fräulein Majakin:
Ich habe gedacht an eine lange, bleiche Gestalt mit kohlschwarze Augen und dünne Lippen, an einen Mensch, der vor die viele große und furchtbare Visionen wie von eine Fieber ausgehöhlt undgefoltert ist. Und nun sehe ich eine gesunde Gelehrten.
Mäurer
(zuckt mit den Achseln, lacht):
(zuckt mit den Achseln, lacht):
Ja, so geht's einem, Fräulein, wie das so ist. Man muß nie den unverzeihlichen Fehler begehn, seinen Idealen zu nah auf den Leib zu rücken.
Sie sind während der Unterhaltung, zuweilen stehend bleibend, zuweilen schreitend, zu der kleinen Bank an der Mauer gelangt.
Sie sind während der Unterhaltung, zuweilen stehend bleibend, zuweilen schreitend, zu der kleinen Bank an der Mauer gelangt.
Mäurer:
Aber, bitte, wenden Sie nun Ihren Blick von dem unschuldigen Gegenstand Ihrer Enttäuschung einmal ab und betrachten Sie unsre wundervolle Umgebung.
Fräulein Majakin:
Sie lieben, scheint es, über alles die Einsamkeit.
Mäurer
(lustig erregt):
(lustig erregt):
Ich bin ein Gott, wenn ich sechs bis acht Stunden täglich ausschließlich mir überlassen bin. Ein Tag in Gesellschaft macht mich zu jenem geschlagenen, ausgeplünderten, armen Mann, der von Jerusalem nach Jericho zog und unter die Mörder fiel.
Fräulein Majakin:
Oh, ich liebe Gesellschaft, ich liebe die Menschen!
Mäurer:
Und also gefällt Ihnen höchst wahrscheinlich unsre Insel, wo es keine Wiener Cafés, keine Konzerte und keine Theater gibt, nicht?
Fräulein Majakin:
Oh nein, ich begreife wohl, wie dies alles von eine beängstigend kalte Größe und Schönheit ist. Nur ich leide in solche Umgebung an eine schwere Empfindung von die eigne Geringfügigkeit und Verlassenheit. Dagegen ich liebe, wie eine Gott: der Mensch! Mir sagen nichts diese tote Sandhügel, wo nichts auf die Schrei meines Herzens hört. Ich bin für ihr nicht, und sie sind für mir nicht, und nur der Mensch ist dem Menschen Gott, Himmel, Welt, Heimat und Zufluchtsort. Ich kann in die tote Natur keine Sinn bringen.
Mäurer
(verdutzt):
(verdutzt):
Wie alt sind Sie denn, Fräulein Majakin?
Fräulein Majakin:
Ich bin vor drei Tagen siebzehn geworden.
Mäurer:
Da gratulier ich nachträglich noch!
Lucie kommt in ihrer temperamentvollen Art über die Dünen nach vorn.
Lucie kommt in ihrer temperamentvollen Art über die Dünen nach vorn.
Lucie:
Du läßt uns ja auf hinterlistige Weise im Stich, lieber Ottfried!
Mäurer
(kühl):
(kühl):
Wieso?
Lucie:
Ich störe doch nicht hier ebenfalls?
Mäurer
(kurz trocken):
(kurz trocken):
Wieso ebenfalls? — Keineswegs doch, Lucie.
Lucie stutzt, lacht und nimmt mit einigem Abstand auf der Erde Platz. Sie zupft Halme aus und kaut sie, zugleich Mäurer und Fräulein Majakin unauffällig beobachtend.
Lucie stutzt, lacht und nimmt mit einigem Abstand auf der Erde Platz. Sie zupft Halme aus und kaut sie, zugleich Mäurer und Fräulein Majakin unauffällig beobachtend.
Lucie:
Dein schnelles Abbiegen hat, glaub ich, den guten Schilling etwas gekränkt, Ottfried.
Mäurer
(antwortet Lucien durch einen Blick über die Augengläser, wobei er erstaunt und mit Mißbilligung ihrer Indiskretionden Kopf schüttelt, schließlich wendet er sich mit Achselzucken von ihr ab und zu Fräulein Majakin):
(antwortet Lucien durch einen Blick über die Augengläser, wobei er erstaunt und mit Mißbilligung ihrer Indiskretionden Kopf schüttelt, schließlich wendet er sich mit Achselzucken von ihr ab und zu Fräulein Majakin):
Wovon sprachen wir doch, Fräulein Majakin?
Fräulein Majakin:
Oh, verzeihen Sie, Herr Professor, was mögen dies wohl für alte Ruinen sein?
Mäurer:
Es sind Reste von einem Kloster einer alten, ehemaligen Franziskaneransiedlung. Hier hausten die grauen Mönche von Stralsund. Man findet noch alte Kellergewölbe, und ich weiß bestimmt, wer an Geister glaubt, der kann die Fratres und Patres noch sehen nachts ihre Messe zelebrieren und Umzug halten.
Lucie:
Kannst du mir eigentlich sagen, Ottfried, ob dort nach Westen zu in der See noch andre Inseln sind?
Mäurer:
Nein.
Lucie:
Ich höre den ganzen Tag, und zwar ununterbrochen, Glockenläuten.
Mäurer:
Ich auch. Es kann eine Glockenboje, aber noch wahrscheinlicher absolute Gehörstäuschung sein.
Fräulein Majakin:
Ich zweifle fast an die Wirklichkeit, wenn ich denke, daß mich der glühende Wunsch von meine unreife Mädchenjahre, Sie zu sehen, nun auf diese unbekannte, einsame Insel, in diese fremde, sonderbare Umgebung auf einmal ganz wunderbar erfüllt worden ist.(Sie blickt auf ihre Hände, die etwas zerpflücken.)
Schilling und Hanna Elias erscheinen im Hintergrund.
Schilling und Hanna Elias erscheinen im Hintergrund.
Schilling
(mit faxenhaften Gebärden, schreiend):
(mit faxenhaften Gebärden, schreiend):
Ahoi! — Kuckuck! Ahoi, Kuckuck!
Mäurer
(nervös beunruhigt):
(nervös beunruhigt):
Beinahe möchte ich gegen Sie ehrlich sein. Ich stimme nicht ... ich weiß nicht, woran es liegt ... ich sympathisiere mit Ihrer Freundin Hanna Elias nicht. Ich gerate in einen, wir Deutsche nennen das rappligen Zustand. Ich bin ungerecht, es reizt mich an dieser Persönlichkeit jede Miene, jede Bewegung, jedes Wort. Wenn es Ihnen recht ist und Sie meine Gesellschaft nicht lästig finden,so könnten wir ihnen vielleicht noch für einige Zeit, um die Kirchhofmauer herum, aus dem Wege gehn.
Lucie
(mit Entschlossenheit):
(mit Entschlossenheit):
Damit würdest du Schilling bitter beleidigen!
Schilling
(wie vorher, etwas näher):
(wie vorher, etwas näher):
Ahoi, Kuckuck!
Der Kuckucksruf, den Schilling laut und ziemlich getreu nachmacht, wird vom Echo, aus der Gegend des Kirchhofs, jedesmal stark und deutlich wiederholt.
Der Kuckucksruf, den Schilling laut und ziemlich getreu nachmacht, wird vom Echo, aus der Gegend des Kirchhofs, jedesmal stark und deutlich wiederholt.
Mäurer
(zuckt mit den Achseln, wird vor Ärger rot und sagt scheinbar gleichgültig):
(zuckt mit den Achseln, wird vor Ärger rot und sagt scheinbar gleichgültig):
Wo werden Sie denn im kommenden Winter sein, Fräulein Majakin?
Fräulein Majakin:
In Berlin. Mein Vater gedenkt bis zu Ende März in die dortige Bibliothek zu arbeiten.
Schilling