Heron, Leben.
Von den Lebensumständen Herons scheint noch festzustehen, dass er in Alexandrien ähnlich wie Pappos einen zahlreichen Schülerkreis um sich gesammelt hatte, sodass seine Werke als Lehrbücher für seine Schüler vielleicht im Auftrage der Regierung entstanden sind. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Heron selbst ägyptischer Nationalität war, was auch seinen Stil erklären würde. Jedenfalls hat er auf ägyptische Feldmesser als Leser und Hörer gerechnet, und war mit den ägyptischen Methoden völlig vertraut. Rätselhaft war lange Zeit die Methode mit der Heron besonders in Metrik und Dioptra die auffallend genauen Quadratwurzeln gezogen und in der Metrik sogar die Kubikwurzelaus 100 (S. 78).G. Wertheimeiner der tüchtigsten SchülerM. Cantorshat das Rätsel gelöst. Die kurze Notiz steht Cantor-Schlömilch Hist. litt. Abt. Band 44, 1899 S. 1, es ist so ziemlich das letzte Vermächtnis des Diophantherausgebers.
Herons Wurzelausziehung.
Heron will3√100bestimmen. Die Kuben zwischen denen 100 liegt sind 64 und 125, die erstere ist um 36 zu klein, die letztere um 25 zu gross. Die3√sind bezw. 4 und 5. Daher wird3√100gleich 4 + einem Bruche sein. Um den Zähler zu finden multipliziert er 36 mit 5, gibt 180. Der Nenner ist 100 + 180. Der Bruch ist also9/14und so ergibt sich ihm der Näherungswert 49/14.
Wertheim nimmt nun nicht wieM. Curtze, der Freund und GenosseM. Cantors, die 5 als √25sondern als3√125und 100 sieht er nicht wieCurtzeals den gegebenen Radikand an, sondern als das Produkt von 4 als3√64mit 53- 100.
»Auf diese Weise stellt sich Herons Verfahren als ein dem doppelten falschen Ansatz analoges dar.«
Ich erinnere, dass schon die ältesten Ägypter die Regula falsi benutzten. Wertheim zeigt, dass die ebenso rätselhaften Näherungswerte desArchimedesfür die Quadratwurzeln mit der gleichen Methode gefunden werden können und weist dies an den Grenzwerten des der √3aus der Kreismessung265153und1351780nach. Dieser Nachweis macht die Erklärung Wertheims wahrscheinlicher als die sachlich einfachere der am selben Ort mitgeteilten vonA. Kerbersub. 9. Nov. 1897 an Curtze gesandt.
Sei die zu kleine Wurzel a, und die um 1 grössere schon zu grosse a1, so ist (x3- a3) = f = (x - a)(x2+ ax + a2) annähernd gleich (Zeichen ~): (x - a)3ax. Ebenso ist -f1~3a1x, und durch Division erhält manf-f1~(x - a)a(x - a1)a1, wenn man x - a = z setzt, so ist x - a1= z - 1 und z =fa1a1f + af1und dies ist die Korrektion des Heron.
Die Methode würde für die Quadratwurzel ergeben z =fa + a1also für √63; z =1415aber Heron setzt sie gleich 71/2,1/4,1/8,1/16, (gut ägyptisch), das ist 71516, welches genauer ist als 71415und für √67500statt 259 den Wert 259419515, was bedeutend genauer als Herons Wert, der auffallend ungenau; es ist seltsam, dass Heron nicht 260 gewählt hat. Aber auch der vierfache falsche Ansatz passt für √63nicht. Denkt man aber an die alte ägyptische Unterteilung und bedenkt, dass die Näherungsformel √a2+ ε~ a +ε2a + 1zunächst 71415gab, so liegt es nahe, dass probeweise 71516gesetzt wurde. Übrigens findet sich beiTheonvon Smyrna ein Kettenbruchverfahren für √2, und dieses oder ein sehr ähnlicher Algorithmus ist vermutlich Archimedes und Heron auch bekannt gewesen.
Heron als Schüler des Ktesibios.
DassHeronnicht nachCaesargelebt haben kann, das geht schon aus der AbhängigkeitVitruvsvon Heron hervor, die ich schon um deswegen nicht bezweifle, weil Vitruv den Heron nicht erwähnt. Als sein Lehrer giltKtesibios, weil ein Werk des Heron die βελοποιικα, Geschützverfertigung, in einigen Handschriften darunter die beste, überschrieben ist Ἡρωνος Κτησιβιου βελοποιικα.Wilhelm Schmidt, der verdienstvolle Neubearbeiter des Heron, verwirft diese Begründung, und mit Recht, spricht sich aber über die Tatsache selbst nicht weiter aus. Mir scheint das Faktum richtig. Dass auch Heron ein Alexandriner, Αλεξανδρευς, gewesen wie Ktesibios steht fest, und dass Ktesibios der ältere war, ebenfalls, und gerade in den »Pneumatika« der Lehre von der mechanischen Anwendung des Luftdrucks, schliesst sich Heron eng an Ktesibios an. Und sehr spricht für das Schülerverhältnis die Stelle beiProklos, Friedl. S. 41:και ἡ θαυματοποιικη τα μεν δια πνων φιλοτεχνουσα, ὡσπερ και Κτησιβιος και Ἡρων πραγματευονται.
Der Dampf als Motor.
NachSusemihllebte Ktesibios unter Ptolemaios Philadelphos und Euergetes I in Alexandrien und zeichnete sich durch Erfindung schwerer Geschütze, die er mit komprimierter Luft trieb, aus. Wohl war die Triebkraft der gepressten Luft schon demAristotelesbekannt, aber die Windbüchse hat jener konstruiert, der nicht mit dem anderen Ktesibios, der eine Wasserorgel konstruiert hat »dem Sohn des Bartscherers« zu verwechseln ist. Ktesibios konstruierte auch einen Apparat zur Mauerersteigung, sowie Automaten und schrieb eine theoretische Mechanik. An ihn schliesst sich Heron als praktischer Mechaniker zunächst an, in der Schrift »πνευματικα,« Druckwerke, in 2 Büchern, welche besonders den Luftdruck verwertet, allerdings ohne die heutige Theorie. Die in der Einleitung erwähnte Schrift über die Wasseruhren (wörtlich Stundenzeiger mittelst Wassers) in 4 Büchern ist bis auf ein ganz winziges Fragment verloren. Neben vielen ergötzlichen Spielereien findet sich darin der Heber (Philon) der Heronsbrunnen, der Heronsball, das Gesetz der kommunizierenden Röhren, die Druckpumpe, die Feuerspritze,die nachweislich erste Anwendung des Dampfes als Triebkraft, ein Dampfkessel mit Innenfeuerung und Schlangenrohr als Badeofen etc. Unter den Automaten ist die sich selbst regulierende Lampe, das automatische Restaurant etc.
Anwendungen des Dampfes.
Ich gebe hier II, VI die erste konstatierte Anwendung des Dampfes als Motor, nachW. Schmidtsneuer Ausgabe wieder. »Ferner Kugeln, welche sich auf Luft bewegen. Ein Kessel mit Wasser, der an der Mündung verstopft ist, wird unterfeuert, s. Fig. Von der Verstopfung aus erstreckt sich eine Röhre, mit welcher oben eine hohle Halbkugeldurch Bohrung in Verbindung gesetzt worden ist. Werfen wir nun ein leichtes Kügelchen in die Halbkugel, so wird es sich ergeben, dass der aus dem Kessel durch die Röhre getriebene Dampf das Kügelchen in die Luft emporhebt, so dass es darauf getragen wird.«
Ist hier der Dampf nur zur Spielerei benutzt, so leistet in II 34 in dem Badeofen, nach seiner Form die einem römischen Meilenstein ähnelt, Miliarion genannt, der Dampf nützliche Dienste. Die Figur bedarf keiner Erläuterung. Wir haben hier einenDampfkessel mit Innenfeuerungund den Anfang des kupfernen Schlangenrohres, welches etwas später daraus hervorging. Der Dampf steigt durch eine Röhre, welche in das den Deckel durchsetzende Rohr eingeschlossen und darin drehbar ist, in den Mund des kleinen Genius, der nur als Blasebalg für die Kohlenfeuerung dient. Hier wird man wohl wieder sagen müssen, dass es nichts Neues unter der Sonne gibt.
Automatentheater.
An die Pneumatika schliesst sich das »Automatentheater« wieW. Schmidtsinngemäss den eigentlichen Titel Περι αυτοματοποιητικης übersetzt; auch hier wie Heron selbst angibt, in der Einleitung zu den stehenden Automaten, Schmidt I, S. 404, Z. 12, stützt er sich aufPhilon. Die Automaten, die heute bei uns nur noch auf den Jahrmärkten und zu Reklamezwecken in den Schaufenstern dienen, abgesehen von den grässlichen Musikautomaten, spielten im 17. und 18. Jahrh. eine sehr grosse Rolle in den Belustigungen auch der Hochgestellten, —ganz wie zur Zeit des Philon und Heron. Ich gebe hier den Bericht des Heron über die Aufführung der Pantomime Nauplios (durch Philon). Der Sage nach war Nauplios der Vater des Palamedes, der den Tod seines Sohnes Palamedes, an den Argivern rächte, den Odysseus um seinen Konkurrenten in der Klugheit zu beseitigen, verursacht hatte. Athene stand ihm bei, sie zürnte besonders Ajax dem Lokrer, der ihr Palladion geschändet hatte. Also: auf der Bühne war das auf Nauplios bezügliche Stück vorbereitet (das Stück selbst: μύθος, vermutlich von Sophokles), das Einzelne verhielt sich so: Zu Anfang öffnete sich die Bühne, dann erschienen zwölf Figuren im Bilde, diese waren auf drei Reihen verteilt. Sie waren als Danaer dargestellt, welche die Schiffe ausbessern und Vorbereitungen treffen um sie ins Meer zu ziehen. Diese Figuren bewegten sich, indem die einen sägten, die andern mit Beilen zimmerten, andere hämmerten, wieder andere mit grossen und kleinen Bohrern arbeiteten. Sie verursachten ein der Wirklichkeit entsprechendes, lautes Geräusch. Nach geraumer Zeit wurden aber die Türen geschlossen und wieder geöffnet, und es gab ein anderes Bild. Man konnte nämlich sehen, wie die Schiffe von den Achäern ins Meer gezogen wurden. Nachdem die Türen geschlossen und wieder geöffnet waren, sah man nichts auf der Bühne als gemalte Luft und Meer. Bald darauf segelten die Schiffe in Kiellinie vorbei. Während die einen verschwanden, kamen andere zum Vorschein. Oft schwammen auch Delphine daneben, die bald im Meere untertauchten, bald sichtbar wurden, wie in Wirklichkeit. Allmählich wurde das Meer stürmisch und die Schiffe segelten dicht zusammengedrängt. Machte man wieder zu und auf, war von den Segelnden nichts zu sehen, sondern man bemerkte Nauplios mit erhobener Fackel und Athene, welche neben ihm stand. Dann wurde über der Bühne Feuer angezündet, wie wenn oben die Fackel mit ihrer Flamme leuchtete. Machte man wieder zu und auf, sah man den Schiffbruch und wie Ajax schwamm. Athene wurde auf einer Schwebemaschine und zwar oberhalbder Bühne emporgehoben, Donner krachte, ein Blitzstrahl traf unmittelbar auf der Bühne den Ajax und seine Figur verschwand. So hatte das Stück, nachdem geschlossen war, ein Ende.
Heron, Euthytonos (Geradspanner).
Es folgen dann die genauen Vorschriften zur Anfertigung der Automaten.
Die Pneumatik zeigt zugleich, wie falsch die Vorstellung ist, dass das Experimentieren erst etwa durch Bacon erfunden sei, z. B. Pneum. 28, 29, aber nicht nur Heron war ein tüchtiger Experimentator, sondern schonDemokrithat seine physikalischen Theorien auf Experimente gestützt, indem er z. B. Versuche über Filtrierung von Meerwasser angestellt hat.
Geschützverfertigung.
Es folgt die βελοποιικά, den Titel hat H. Degering nicht ohne Geist erklärt als Herons Bearbeitung von Ktesibios Geschützverfertigung; die Frage nach den antiken Geschützen, für die bisher das grosse Werk vonKöchlyundMajor Rüstowausschlaggebend war, ist durch die Versuche vonE. Schrammin Metz in ein neues aber noch nicht abgeschlossenes Stadium getreten. Dass Griechen und Römer über ein sehr hochentwickeltes Geschützwesen verfügten und eigene kaiserliche Waffentechniker, armamentarii imperatoris, besassen ist bekannt; soll doch nach Athenodoros der Winkelspanner des Archimedes einen 12elligen Balken auf die Weite einesStadionsgeworfen haben.
Die Figur S. 323 stellt denGeradspanner(Euthytonos) des Heron dar.
Das Delische Problem.
Der Schluss des Werkes enthält die von Eutokios mitgeteilte Konstruktion für das Delische Problem, welche mit der des Apollonios im Prinzip und mit der desPhilon, der als 4. Buch seiner Mechanik ebenfalls über Geschützbau ausführlich gehandelt hat, übereinstimmt. Sollte die Kraft der Geschosse verdreifacht werden, so musste der Cylinder, der den Spanner aufnahm, verdreifacht werden und damit war das Delische Problem gegeben, dessen Lösung sich von der des Apollonios und besonders derdes Philon nur sehr wenig, und im Prinzip gar nicht unterscheidet.
Der Bericht des Eutokios ist überarbeitet, der des Pappos III p. 62 scheint fast genau mit dem Original zu stimmen, bis auf geringfügige Zusätze, wie z. B. gleichen Umfang παραλληλογραμμον. Das Original ist zum Schluss vollständig verworren, und ich folge der von Köchly jedenfalls mit Benutzung von Pappos gegebenen Sanierung und nicht der in der Mechanik S. 24 aus dem Arabischen übertragenen. Die Konstruktion des Philon die bei Eutokios sich anschliesst findet sich Köchly S. 238 skizziert.
Heron: Es seien αβ, βγ die gegebenen Strecken, senkrecht zu einander, es soll das Rechteck αβγδ vollendet und δγ, δα verlängert worden sein. Du sollst an Punkt β ein Lineal anlegen, das die verlängerten Strecken schneidet und das besagte Lineal bewegen bis die zwei ε mit den Schnitten verbindenden einander gleich sind. Es habe nun das Lineal die Lage der Geraden ζβη und die beiden andern Geraden seien εζ und εη, so behaupte ich, dass αζ, ηγ die mittleren Proportionalen der Strecken αβ, βγ sind.
Der Beweis mittelst (a + b)(a - b) gleich a2- b2(oder auch mit dem Potenzsatz) ist ohne weiteres klar.
Die Konstruktion des Philon führt die Gleichheit von ζε und ηε auf die von ζβ und ηθ zurück, was mittelst geteilten Drehlineals praktisch vorteilhaft ist.
Katoptrik.
Ebenfalls experimenteller Physik gehört HeronsKatoptrik, die Lehre vom reflektierten Licht an, die Lehre vom Spiegel, Winkelspiegel, Vexierhohlspiegel, Spiegel zu Geistererscheinungen etc. Sie ist jetzt unter den Werken Herons von W.Schmidt 1901 (Bd. II) herausgegeben, nach einem lat. Manuskript des Wilhelm von Mörbeck, den wir schon bei Archimedes als Übersetzer erwähnten. Das griech. Original wird sich vermutlich im Vatikan finden, jedenfalls hat es sich dort befunden. Die Schrift war unter dem Titel Claudii Ptolemei de Speculis 1518 gedruckt worden. Als die weit über Heron hinausgehende Optik desPtolemaiosin einer aus dem Arabischen übersetzten Optik des Admirals Eugenius Siculus (vgl. die Einleitung W. Schmidts S. 303) erkannt war, bewiesenH. Martin,RoseundSchmidtdass jene frühere Schrift eine verkürzte und verstümmelte Wiedergabe der Katoptrik des Heron sei, von der Kunde existierte.
Reflexionsgesetz.
Heron legt die Emissionstheorie zugrunde, die Sehstrahlen sind eine Art Äthermoleküle, die vom Auge aus mit unendlicher Geschwindigkeit gesandt werden. Seine mathematischen Ableitungen beruhen auf dem Satz: das Licht bewegt sich auf kürzestem Wege (wie s. Z.Fresnel). Ich gebe die Einleitung wörtlich und die Ableitung des Reflexionsgesetzes aus Kp. IV und V dem Sinne nach. Einleitung:
»Da es zwei Sinne gibt, durch welche man nach Platon zur Weisheit gelangt, nämlich das Gehör und das Gesicht, so hat man sein Augenmerk auf beide zu richten. Von dem, was in das Gebiet des Gehörs fällt, beruht die Musik auf der Kenntnis der wohlklingenden Tonbildung und ist, um es kurz zu sagen, die Theorie von dem Wesen der Melodie und den Gesetzen der Tonlehre. Was die Möglichkeit betrifft, dass die Welt entsprechend der musikalischen Harmonie geordnet sei, so stellt die Theorie viele verschiedenartige Behauptungen darüber auf. Wenn man nämlich den ganzen Himmel der Zahl nach in acht Sphären einteilt, nämlich in die der 7 Planeten und in diejenige, welche alle (sieben) umfasst und welche nur die Fixsterne tragt, so ist die Folge, dass bei den Planeten das Vorrücken der Gestirne melodiös und harmonisch wird wegen der gleichmässig starken Bewegungen unter ihnen, wie auch auf dem Instrumente derLeier die Saiten melodisch erklingen. Denn wie man sich vorstellen muss, vernimmt man infolge des Vorrückens der Gestirne durch die Luft gewisse Töne und zwar bald tiefere, bald hellere, je nachdem die einen sich langsamer, die andern sich schneller bewegen. Wie wir also nach dem Anschlagen der Saite die Luftschwingungen erkennen, so gewährt, wie man sich denken muss, uns die Luft dadurch, dass sie infolge der Bewegung der Gestirne durch den Tierkreis ununterbrochen sich verändert und verwandelt (in Schwingungen versetzt wird) einen Akkord.« (Die Sphärenmusik der Pythagoräer.)
Für den Planspiegel genügt die Figur hier. Es seiabein ebener Spiegel, g der Augenpunkt, d das Gesehene. Es ist da g1symmetrisch zu g, klar, dass der Weggadda er gleich der Geradeng1adkürzer ist alsgbd, welcher gleich der gebrochenen Linieg1bdist.
Man denke sich dann einen gekrümmten (Convex) Spiegel,
bei demabdie Peripherie, g das Auge,
d das Gesehene sei. Und es sollengaundadunter gleichen Winkeln einfallen,gbundbdunter ungleichen.
Dann ist nach vorigen Beweisga+ad Dioptrik (Feldmessung). Heron selbst berichtet in der Katoptrik,
dass er ihr dieDioptrik, sein
Hauptwerk über Feldmesskunst, vorausgeschickthabe; sie ist, in der Schmidtschen Ausgabe vonH.
Schönemit der Metrik zusammen nach dem Codex Constp.
herausgegeben. Zuerst wird die von Heron sehr wesentlich verbesserte
Dioptra beschrieben und dann die grosse Anzahl mittelst
ihrer vorgenommenen Vermessungsaufgaben. Die Dioptra
hatteHipparchnach einer Anregung die er der Bestimmung des
Sonnendurchmessers im Psammites des Archimedes verdankte,
eingeführt. Sie bestand, vgl.Hultsch, Winkelmessung durch die
Hipparchische Dioptra Festschrift f. M. Cantor 1899 aus einem
soliden Richtscheit, auf dessen Oberfläche senkrecht zu derselben
ein kleines Plättchen verschiebbar
war, dessen Ränder von einer
kleinen Öffnung an einem Plättchen,
das fest mit dem oberen
Ende des Richtscheits verbunden
war, abvisiert werden können.
Hipparch hat mit diesem primitiven
Instrument die scheinbaren
Monddurchmesser bewunderungswürdig
genau gemessen. Die Dioptra
des Heron, s. Abbild., ist
ein sehr vollkommenes Instrument,
ihr fehlte wie man sieht zu unserm
Theodoliten nichts als die Linsen,
und zugleich diente sie als Kanalwage,
als Nivellierinstrument, wozu
die PlintheKLabgehoben und das
Nivellierlineal, s. Abbildung, aufgesetzt
wurde. Ebenso sind die
zum Gebrauch des Visierinstruments
nötigen Schiebelatten mit
allem Raffinement ausgeführt.W.
SchmidtundH. Schönehaben die Einrichtung festgestellt,
ersterer Eneström 1903, 7–12, Schöne, Jahrb. arch. Instit. 14,1899, S. 91–103.
Unter den Messungen
erwähne ich den Bau
der Mole und den
Tunnelbau, sowie die
allerdings von der
Dioptra unabhängige
Bestimmung der Entfernung
von Rom und
Alexandria. Die Methode
für diese Messung
ist noch heute
giltig, es wird aus
der Zeitdifferenz, die
durch Eintreten der Mondfinsternis festgelegt ist, der Längenunterschied
zwischen beiden Orten bestimmt und dadurch die
Entfernung, wenn der Erdradius bekannt ist. Dabei hatHoppeschon darauf hingewiesen, dass die Annahme des Erdumfanges
von 252000 Stadien, also des Wertes von Eratosthenes und
nicht die von 240000, welche Ptolemaios nach Poseidonios dem
Rhodier gibt, zeigt, dass Heron älter ist als jener. Tunnelbau. Ich gebe hier den Tunnelbau wieder, Herodot hat III, 60
(W. Schmidt l. c.) schon den Tunnel von Samos des Eupalinos
zu den Wunderwerken der Hellenischen Baukunst gerechnet.
Die Tunnelbauten dienten den Wasserleitungen. Dioptra XV,
»Einen Berg in gerader Linie zu durchgraben, wenn die Mündungen
des Grabens im Berg gegeben sind. Man denke sich als des
Berges Grundriss (ἑδρα nicht βασις, die Fläche, auf der der
Berg ruht) die Linie ΑΒΓΔ s. Fig. S. 330, und als die Mündungen
durch welche gegraben werden muss Β und Δ. Ich zog (weil er
eine wirklich ausgeführte Arbeit beschreibt) von Β aus auf dem
Boden die [Strecke] ΒΕ nach Belieben, und mit der Dioptra
von Ε aus rechtwinklig ΕΖ, und dazu von dem beliebigen Ζ mit
der Dioptra zu ΖΕ rechtwinklig ΖΗ. Ferner vom beliebigen Ηzu ΖΗ rechtwinklig ΗΘ; schliesslich vom beliebigen Θ zu ΘΗ
rechtwinklig ΘΚ, und zu ΘΚ rechtwinklig ΚΛ. Nun führte ich
die Dioptra längs der Graden ΚΛ bis durch Einstellung des
Visierlineals im rechten Winkel der Punkt Δ erschien, er möge
erschienen sein als die Dioptra in Μ war. Nun denke man
sich ΕΒ verlängert bis Ν und bis zu ihr hin ΔΝ als Lot.« —
Da jetzt ΔΝ als ΕΖ + ΗΘ + ΜΚ und ΒΝ als ΒΕ + ΖΗ - (ΘΚ +
ΜΔ) bestimmt sind, so ist auch ihr Verhältnis und damit die
Richtung des Grabens bestimmt. »Entsteht der Graben auf diese Weise, werden die Arbeiter
einander begegnen.« (Was bei dem Tunnel auf Salamis nicht
der Fall war.) Heron braucht rechtwinklige Coordinaten nicht
nur hier, sondern vielfach z. B. No. 24 und No. 25, auch hier im
Grunde altägyptischer Tradition folgend. Die Dioptra enthält
jetzt auch die berühmte Heronische Dreiecksberechnung aus den
3 Seiten unverstümmelt und übereinstimmend mit der Metrik,
von der Hultsch noch 1864 berichtete: Infinitum paene laborem
mihi attulit gravissimum illud theorema, quo areae triangularis
mensura ex tribus lateribus efficitur. Hultsch hielt sie für in dieDioptra eingeschoben, jetzt sieht man, dass sie ganz naturgemäss
dort hingehört im Anschluss an Flächenteilungen; dem Feldmesser
ist es durchaus bequem die Seiten zu messen und wenn
er geübt ist, sie auch so abzustecken, dass die Differenzen konstant
sind. Mechanik. Ich komme nun zu dem theoretischen HauptwerkHerons»des Mechanikers«, die Mechanik. Lange Zeit galten die
bei Pappos im 8. Buch als Heronisch angegebenen Fragmente
aus dem sogen. βαρουλκος, dem Lastenzieher und der Mechanik
für Teile zweier verschiedenen Schriften. Da wurde vonCarra
de Vaux1893 in Leyden eine arabische Handschrift gefunden
und im Journal Asiatique Ser. 9, 1 und 2 herausgegeben, welche
bewies, dass die Fragmente bei Pappos zu einem Werke, der
Mechanik, gehören. Da in kurzer Zeit noch drei andere zum
selben Archetyp wie die Leydener gehörenden Handschriften gefunden
wurden, und die Handschriften sich gegenseitig ergänzten,
so nahm Schmidt die arabisch und deutsche Ausgabe der Mechanik
vonL. Nixals Band 2 in die neue Edition der Heronischen
Werke auf. Die Übersetzung ist laut den Handschriften
vonKosta ben Lukaauf Befehl des Chalifen Abul Abbâs
(862–866), Nachfolger Harun al Raschids, angefertigt, gehört
also zu den frühen Aneignungen Hellenischen Wissens seitens
der Araber. Das Leydener Manuskript ist durch den schon
bei Apollonios erwähnten Golius dorthin gebracht worden. Die Schrift zeigt, dass Heron keineswegs der blosse Praktiker
war, sondern die theoretische Mechanik im Anschluss anAristotelesund Archimedes vollständig beherrschte. Er hat
das statische Moment scharf hervorgehoben, das Grundgesetz formuliert:
was an Kraft gewonnen wird, geht an Zeit verloren.
Er gibt die vollständige Theorie der 5 einfachen Maschinen;
Wellrad, Rolle, Flaschenzug, Keil, Schraube, alle auf den Hebel
zurückgeführt, (für die Rolle mit einem Fehler in bezug auf
feste und lose Rolle), er streift auch die schiefe Ebene.
Das dritte Buch ist wieder vorzugsweise praktisch, es handeltvon den Mitteln zur Bewegung von Lasten auf Ebenen, und
finden wir auf S. 267 den Vorläufer unserer Drahtseilbahnen:
die Bergseilbahn zum Transport von Steinblöcken, und daran
schliessend die Fruchtpressen, über deren Zusammenhang bezw.
Abweichung von den bei Vitruv beschriebenenHoppel. c.
ausführlich gehandelt hat. Die Schrift enthält in den beiden
ersten Büchern auch ein ganzes Teil mathematisch Interessantes,
so bei Gelegenheit der Aufgabe zu einem gegebenen Körper
einen ähnlichen zu konstruieren, die schon mitgeteilte Lösung
der Würfelvervielfältigung auf S. 24, so auf S. 28 die Einführung
desÄhnlichkeitspunktes, so auf S. 32 denProportionalzirkel,
auf S. 188 den geom. Beweis, dass die Medianen
des Dreiecks sich im Verhältnis 2:1 schneiden und auf
S. 196 die Bestimmung eines Punktes aus seinenbaryzentrischen
Koordinaten. Die physikalischen Kenntnisse Herons sind in einer vortrefflich
übersichtlichen Weise zusammengestellt vonFranz
Knauff, Progr. des Sophien G. zu Berlin Ostern 1900, für
die Druckwerke konnte er schonW. SchmidtsArbeit verwerten. Heron, reine Mathematik. Ich komme nun zu den eigentlich mathematischen Schriften
und beginne mit den Horoi, den Definitionen. Es scheinen
überarbeitete Reste seines
Euklidkommentars
zu sein. Dass sich Heron
mit den Elementen
stark beschäftigte,
geht aus Proklos unzweifelhaft
hervor. Ich
gebe hier den hübschen
direkten Beweis des
Satzes: Stimmen 2 Dreiecke
in zwei Seiten überein und sind die dritten Seiten ungleich,
so sind die ihnen gegenüberliegenden Winkel in derselbenWeise ungleich. Die Dreiecke seien αβγ und δεζ und
βγ > εζ. Man schneide auf εζ die Strecke βγ ab bis η und
schlage um δ mit δζ einen Kreis der εδ in θ trifft und um ε mit
εη. Dieser Kreis muss den ersten schneiden und zwar zwischen
ζ und θ, da η ausserhalb liegt und εθ > εη. (Summe zweier
Seiten.) Der Schnitt sei κ. Man ziehe δκ und εκ, so ist
εδκ ≅ βαγ und Winkel εδκ > εδζ d. h. α > δ. Die Schlussformel
lautet nicht q. e. d. sondern wiederholt die Behauptung. Hinweisen
will ich auf den Ausdruck εν ῥυσει. und auf das öfter
gebrauchte Wort »fliessen«. Es unterliegt wohl keinem Zweifel,
dass Cavalieri seinen Ausdruck fliessen (fluere), aus Heron entnommen
hat, der vielleicht auf Demokrit zurückgeht. Seltsam
hat es mich berührt, als ich mein Beispiel für den Begriff Fläche
aus den Elem. der Geom. von 1891 beiHeronfand in
»Περι επιφανειας.« Hultsch S. 10 Z. 19 »η το ὑδωρ ποτηριω«,
nur dass Heron wie es scheint abstinenter war. Der Satz lautet
vollständig: der Begriff (Fläche) wird erfasst da wo sich Luft mit
Erde oder einem andern festen Körper mischt, oder Luft mit
Wasser, oder Wasser mit einem Trinkgefäss oder irgend einem
andern Behälter. Eine deutsche Übersetzung des planimetrischen Teils ist
1861 von Prof. Val. Mayring als Programm von Neuburg a. d.
D(onau) verfasst, leider noch vor der Hultschen Sanierung des
Textes. Euklid-Kommentar (An-Nairizi). In der lateinischen Übersetzung des Kommentars An-Nairîzî
(Al-Neirizi) zu den 10 ersten Büchern von Gherardus Cremonensis
aus dem 12. Jh. welche M. Curtze 1896 in Krakau
auffand, ist der Kommentar des Heron wie es scheint fast vollständig
erhalten, und demnach hat Heron nur die acht ersten
Bücher kommentiert, und besonders ausführlich das erste und
zweite Buch. Auch der Kommentar zeigt, dass Heron ein tüchtiger
Geometer ist, unter den vielen Sätzen, die Heron hinzufügt,
ist wohl der interessanteste der ohne Ähnlichkeitslehre mit
drei Hilfslinien gegebene Beweis des Satzes, dass die drei Hilfslinien,welche der Euklidische Beweis des Pythagoras erfordert,
sich in einem Punkte schneiden. Metrik.Beweis der Heronischen Formel. Das Hauptwerk Herons für reine Mathematik sind die
»Metrika«. In einem schon lange bekannten Codex in Konstantinopel
aus dem XII. Jh., fand R. Schöne neben der Dioptra
auch eine vollständige Handschrift der Metrika, die sein
Sohn H. Schöne als Band III des Schmidtschen Werkes 1903
herausgab. Das Werk zerfällt in 3 Bücher, Buch I Flächenmessung,
Buch II Körpermessung, Buch III Teilung von Flächen
und Körpern. Es zeigt, dass die von Hultsch herausgegebene
Geometrie, Stereometrie, liber geoponicus, stark überarbeitete
Teile dieses Werks sind. Das Buch »Geoponicus« (über Erdarbeit)
erinnert sehr stark an den Papyrus Aames und spricht
am stärksten für das Wurzeln Herons in ägyptischer Tradition.
Buch I findet sich auf S. 20 ff der Beweis der Heronischen
Formel wie in der Dioptra: s = √s(s - a)(s - b)(s - c)und zwar
sehr elegant und zunächst an dem sog. Heronischen Dreieck 13,14, 15 exemplifiziert, das aus den beiden ganzzahligen (Pythagoräischen)
rechtwinkligen Dreiecken 15, 12, 9 und 13, 12, 5 zusammengesetzt
ist; und dann an dem nicht rationalen Dreieck 8,
10, 12. Es wird gefordert sich dann den Inhalt zu verschaffen,
ausser der Höhe. Das gegebene Dreieck sei ΑΒΓ und jede
der (Strecken) ΑΒ, ΒΓ, ΓΑ sei gegeben: den Inhalt zu finden.
Es soll in das Dreieck der Kreis ΔΕΖ eingeschrieben sein, dessen
Zentrum Η ist, und in die Verbindungslinie ΑΗ, ΒΗ, ΓΗ, gezogen
werden ... Es ist also das Rechteck aus dem Umfang des
Dreiecks ΑΒΓ und ΕΗ, dem Radius des Kreises ΔΕΖ, das
Doppelte des Dreiecks. ΓΒ werde ausgezogen und ΒΘ dem ΑΔ
gleichgesetzt. Es ist also ΓΘ die Hälfte des Umfangs des Dreiecks
... Folglich ist das Rechteck aus ΓΘ und ΕΗ gleich dem
Dreieck ΑΒΓ. Das Produkt aus ΓΘ und ΕΗ ist die Wurzel
(Pleura d. h. Seite) des Quadrats von ΓΘ und ΕΗ Quadrat;
also ist das mit sich selbst multiplierte Dreieck ΑΒΓ gleich
Γθ2mal ΕΗ2. Es soll einerseits zu ΓΗ rechtwinklig ΗΛ, andrerseits
zu ΓΒ rechtwinklig ΒΛ gezogen worden sein, und Γ mit
Λ verbunden. Da nun ein Rechter jeder der Winkel ΓΗΑ und
ΓΒΛ so ist ΓΗΒΛ ein Viereck im Kreise [Satz vom Peripherienzirkel
auf dem Halbkreis]. Es sind folglich ΓΗΒ (+) ΓΛΒ
zweien Rechten gleich. Es ist aber auch ΓΗΒ + ΑΗΔ gleich
2 Rechten ... Also ist ΑΗΔ gleich ΓΛΒ. ... Also ist das Dreieck
ΑΗΔ ähnlich dem Dreieck ΓΒΛ, folglich ΒΓ zu ΒΛ wie ΑΔ zu
ΔΗ d. h. wie ΒΘ zu ΕΗ und umgekehrt ΓΒ : ΒΘ wie ΒΛ : ΕΗ
wie ΒΚ : ΕΚ ... Und durch Zusammensetzung ΓΘ : ΒΘ wie
ΒΕ : ΕΚ so dass auch ΓΘ2: ΓΘ . ΘΒ = ΒΕ . ΓΕ : ΓΕ . ΕΚ = ΒΕ .
ΓΕ : ΕΗ2. Denn im rechtwinkligen Dreieck wurde vom rechten
das Lot ΕΗ gezogen. Daher wird ΓΘ2. ΕΗ2, dessen Wurzel der
Inhalt des Dreiecks ΑΒΓ war, gleich ΓΘ . ΘΒ . ΕΒ . ΓΕ sein [d. h.
also J2= s(s - a)(s - b)(s - c)]. Die Form des Beweises ist von der Euklids und Archimedes
nicht verschieden. Der Beweis selbst sollte von allen Lehrern
gekannt sein. Der Inhalt des Dreiecks 8; 10; 12 ist √1575, Heron bestimmt
sie zu 391/21/81/16d. h. 3911/16und das Quadrat weicht von
1575 um noch nicht 0,1 ab. Es folgt die Ausmessung des Trapezes, das vonHeronvielfach zu Aufgaben verwertet wird und neuerdings wieder als
Quelle hübscher Elementaraufgaben erkannt ist. Es werden dann
die regelmässigen Polygone bis zum 12Eck inklusive einzeln ausgemessen,
im Grunde mit den Cotangenten von 180/n, die abergeometrischund nichttrigonometrischabgeleitet werden,
was einerseits wieder an den Skd der Ägypter erinnert,
andererseits für das Alter Herons spricht. Heron geht dann zur Kreismessung und erwähnt, dass
Archimedes in einer (bis dato) verlorenen Schrift: περι πλινθιδων
και κυλινδρων zwischen die Grenzen 211875 : 67441 und 197888 :
62351 eingeschlossen habe, d. h. π bis etwa1/14000bestimmt
hat. Es folgen dann Formeln für die Kreissegmente, Näherungsformeln
für Bogen und Flächen. Paul Tannery hat sie mit Hilfe
der Integralrechnung, Mem. de Bordeaux 2 V. S. 347, geprüft
und sie teilweise von erstaunlicher Genauigkeit gefunden. Er
behandelt auch, als Vorläufer vonDiophant(s. u.) Quadratische
Gleichungen rein arithmetisch, er scheut sich nicht Kreisfläche
und Peripherie zu addieren und hat bereits für die 4 Potenz
den terminus technicus δυναμοδυναμις d. h. biquadratisch.
Zylinder- und Kegelmantel berechnet er wie wir, durch Aufrollen,
und für die Kugelfläche hält er sich an Archimedes. Wenn
man die Metrik liest, hat man den Eindruck, dass Archimedes
zur Zeit des Heron in voller, alles andre überragenden Bedeutung
gewesen sei und wird geneigt, Heron nicht mehr als zwei
Menschenalter nach ihm anzusetzen. Das 2. Buch ist der Körpermessung gewidmet, hier kommen
die bei Archimedes erwähnten Zitate aus dem »εφοδικον« vor,
leider ohne die Beweise. Den Schluss dieses zweiten Buches habe ich einleitend bei
Ägypten auf S. XV angeführt. Der 3. Teil enthält Flächen- undKörperteilungen, es sind Aufgaben die uns meist noch heute als
Schüleraufgaben geläufig sind. Ich erwähne die Aufgabe 18:
Einen Kreis annähernd in drei gleiche Teile zu teilen. Es wird
die Seite des regulären Dreiecks eingetragen, durch das Zentrum
die Parallele gezogen, so ist das Segment ΓΔΖΒ ~1/3. »Da das
Stück, um welches das Segment ΔΓΒ grösser ist als dieses, (nämlich
das Drittel, und nicht wie Schöne versehentlich übersetzt,
als sie), unerheblich ist im Verhältnis zum ganzen Kreis«.
Der Schlusssatz bestätigt, dassArchimedesim 2. Buch
περι σφαιρας και κυλινδρου die Kugel im gegebenen Verhältnis geteilt
hat. Wenn ich beiHeronlanger verweilt habe, als Ihnen vielleicht
wünschenswert erscheint, so tat ich es einerseits weil
Heron häufig unterschätzt wurde und andrerseits weil er für die
Geschichte der Kultur als Techniker sich würdig Euklid dem
reinen Geometer an die Seite stellt, und unter anderen einer
der Riesen der RenaissanceLeonardo da Vincidie deutlichsten
Spuren seines Wirkens zeigt. Theodosios, Sphärik. Ich erwähne kurz einige historisch wichtige Namen. Ich
nenneTheodosios, möglicherweise aus einem Tripolis, wahrscheinlich
aus Bithynien, den Cantor als Zeitgenossen des Geminos
ansetzt, während Tannery in seiner Untersuchung über
antike Astronomie ihn als Zeitgenossen des Hipparch und als
Bithynier ansieht. Seine Sphärik in 3 Büchern ist eine reineGeometrieauf der Kugel, und hat erst im 18. und 19. Jahrh.
Nachfolger gefunden, sie hat den Inhalt von Euklids Phänomenen
aufgenommen.E. Nizzehat sie 1826 in Stralsund ins
Deutsche übertragen mit Erläuterungen und Zusätzen. Sie ist
interessant insbesondere auch für die Geometrie desRiemannschen
endlichen Raumes. Nizze hat die Sphärik dann 1852 in
Berlin griechisch und lateinisch ediert, nachdemA. Nokkdarüber
ein Programm 1847 in Bruchsal geschrieben. Das griechische
Originalwerk ist zuerst 1558 vonJoh. Penamit lateinischer
Übersetzung ediert. Schon im 11. Jahrh. wurde durchPlaton von Tivoli (nächst Gherard von Cremona der fleissigste
Übersetzer) eine arabische Bearbeitung der Sphairika, der Kugelschnitte
durch Ebenen, ins Lateinische übersetzt, und 1558 von
Maurolycus desgleichen. Aus den vielen Zusätzen des oder der
Araber erwähne ich: wenn die gerade Linie aus dem Pole eines
Kugelkreises nach dessen Umfange gleich ist der Seite des in
diesen Kreis eingeschriebenen Quadrats, so ist der Kreis selbst
ein grösster Kreis. Es ist dies die Umkehr des von Theodosios
I, 16 gegebenen Satzes. — Eine tüchtige, kritische und sachliche
Arbeit über die Sphärik ist das Programm vonA. Nokk. Die
Arbeit des Theodosios lässt sich noch heute ganz vortrefflich für
den Unterricht in der Prima eines Real- oder humanistischen
Gymnasiums verwerten. Nokk zeigt wie sich die Kenntnis der
Geometrie auf der KugelkontinuierlichvonAutolykosüberEuklidzu Theodosios und von da zuPtolemaiosentwickelt. Da neben und vielleicht auch vor der Feldmessung
die Astronomie die Quelle der Mathematik ist, so war die Geometrie
auf der Kugel schon früh eine Notwendigkeit. Und mit
Nokk und Nizze muss man Theodosios, wenn auch als keinen
Geometer ersten Ranges, so doch als einen sehr tüchtigen Geometer
zweiten Ranges ansehen, dessen Schrift nach Inhalt und
Form auf die Zeit des Hipparch oder die nächstfolgende Generation
hinweist. Geminos. In gleiche Zeit mit Theodosios setzt Cantor Geminus oder
Geminos (Γεμινος). Mit ihm beginntLoriadas »silberne
Zeitalter« der griechischen Geometrie, das Zeitalter der
»Commentatoren«. Von dem grossen WerkGino Lorias»Le science esatte nell' antica Grecia« standen mir leider nur die
drei letzten Bände von 1902 zur Verfügung, und auch diese nur
italienisch, da bedauerlicherweise eine deutsche Übersetzung von
dem Werke dieses als Mathematiker wie als Historiker der
Mathematik gleich hervorragenden Gelehrten noch nicht erschienen
ist. Proklos erwähnt den Geminos 18mal, (den Platon 39mal).
Besonders wichtig ist 38 das grössere Zitat und 112, 24; 113, 26. Demnach hat Geminos ähnlich wie in unseren TagenPapperitzeine Einteilung der mathematischen Disziplinen gegeben,
ebenso eine Einteilung der Kurven. Poseidonios.Stoa.Zenon.Chrysippos.Stoiker.Epikuräer. Das Citat 112 vindiziert dem Geminos den Nachweis der
Verschiebbarkeit des Kreises, der Geraden, und der Schraubenlinie
auf dem geraden Kreiszylinder und den Satz: wenn von
einem Punkt aus an zwei in sich verschiebbare (ὁμοιομερεις)
Linien zwei Geraden unter gleichen Winkeln gezogen werden,
so sind sie gleich lang. Ich vermute aber, dass diese Betrachtungen
aus dem Werke desApolloniosüber die Schraubenlinie
auf dem Zylinder herrühren. In derselben Schrift hat Geminos
auch nach Proklos, Friedl. 113, Z. 4 und 5 die Erzeugung der
Spirischen Linien (Schneckenlinien und Wulstschnitte) und der
Konchoïden und Kissoïden gelehrt. Besonderen Wert lege ich
auf die Stelle S. 176 f., dort erwähnt Proklos, dass Poseidónios,
gemeint kann nur der Rhodier sein, die Euklidische Definition:
Parallelen sind Asymptoten, dahin umgeändert, dass es Abstandslinien
sind, und Geminos hat dieseAuffassungakzeptiert.
Dies scheint mir für die Datierung des Geminus entscheidend,
Poseidónios war der Lehrer des Cicero, um 75 und vermutlich
auch des Geminus, so kann dieser nicht gut vor 70 angesetzt
werden, was Cantor auch tut. Die Persönlichkeit desPoseidónios,
der, obwohl aus Apamea in Syrien nach seinem
Wirkungsort meist der Rhodier genannt wird, tritt im Laufe des
letzten Dezenniums immer mehr hervor; auch die Philosophie der
Mathematik bei Geminus stammt vermutlich ihrem gedanklichen
Inhalt nach von ihm vergl. Proklos 80, 20 f., 143, 8 f., 199 und
200. Und dass er auch mit Unterscheidungen und Einteilungen
sich beschäftigte, zeigt Proklos S. 170. Aus 200 und besonders
aus dem Exkurs zur Konstruktion der Symmetrieaxe geht hervor,
dass sich Poseidónios sehr eingehend gerade mit den Elementen
der Geometrie beschäftigt hat. Dass Poseidónios als Stoiker sich
besonders gegen Epikur richtet ist erklärlich. Die Stoa ist für
das Verständnis des römischen Lebens der letzten Zeit der Republikund des Kaiserreichs von grösster Bedeutung, da sie aber
für die Geschichte der Naturerkenntnis nur von geringem Wert
ist, so will ich mich auf ganz kurze Notizen beschränken. Der
Gründer war Zēnon der in der bekannten »bunten Halle« Stoa
Poikile lehrte, etwa um 340–325. In engem Anschluss an die
Cyniker, an Antisthenes und an seinen Lehrer Krates hielt auch
Zēnon Bedürfnislosigkeit für die erste Bedingung zur Glückseligkeit,
aber er enthielt sich alles Cynismus. Auch er stellte
die Forderung auf, derNaturzu gehorchen, aber diese Natur
ist ihm das von der Vernunft gegebene Gesetz. Als das einzige
Gut gilt den Stoikern die Tugend und als diese die Herrschaft der
Vernunft über die Erregung der Seele. Nie darf der Weise
sich hinreissen lassen Lust oder Schmerz zu empfinden, sein
Ideal ist etwa der Zustand einer völligen Apathie. Fühlt die
Vernunft, dass sie der Affekte nicht Herr werden kann, so hat
sie das Mittel durch Selbstmord die Niederlage zu vermeiden.
So soll Zenon selbst in hohem Alter durch Selbstmord geendet
haben. Der Gegensatz zu Platon und Aristoteles in der
älteren Stoischen Schule liegt hauptsächlich in der Ausbildung
des Egoismus, zu der die Lehre notwendig führen musste; eine
enthusiastische Hingabe an den Staat, an die Gottheit, an die
reine Erkenntnis verstiess gegen die Forderung der Affektlosigkeit.
Das geistige Haupt der älteren StoaChrysipposaus
Soloi in Kilikien, der etwa um 240 blühte, hat die Lehren des
Zenon, die er schon wesentlich in ihrer praktischen Seite
mässigte, streng wissenschaftlich verteidigt. Von seiner ausserordentlichen
schriftstellerischen Tätigkeit, durch die er der Stoa
erst ihre Verbreitung gegeben nicht nur nach Rom, sondern
auch nach Alexandrien, wo er selbst einenEratosthenesgewann, sind uns nur wenige Bruchstücke durch
Plutarch erhalten. Die Hauptquellen über die Stoiker sindDiogenes LaertiosundCicero(De Officiis, Timaeus
und vor allem de finibus). Ihre Hauptbedeutung liegt in ihrer
Ethik, die sie als praktische Wissenschaft systematisch erfassten.Die Lehre des Chrysipp von den Affekten war von der des Spinoza
in der Ethik nicht wesentlich verschieden. Wenn Chrysipp,
das Haupt der älteren Stoa, sich stark polemisch gegen den
Idealismus wandte, so suchten die Häupter der mittleren Stoa,PanaitiosundPoseidóniosum so mehr zu vermitteln,
sie sind die Begründer des besonders von Cicero, aber auch
sonst von der späteren römischen Zeit vertretenenEklekticismusder ein mixtum compositum so ziemlich aller Schulen,
vielleicht mit Ausnahme der Skeptiker (vergl. oben die Sophisten)
war. Panaitios aus Rhodos der mit den vornehmsten Römern
seiner Zeit insbesondere mit Lälius und dem jüngeren Scipio
befreundet war, trägt durch sein Werk περι του καθηκοντος
»über das Geziemende« die moralische Schuld an Ciceros Officien.
Panaitios und Poseidónios, der bei ihm gehört hat, erhoben
schon die Forderung »die Waffen nieder«, indem sie in dem
(Römischen) Weltreich eine moralische Forderung erblickten.
Übrigens sehen wir aus Proklos, dass Poseidónios scharf genug
gegen die Epikuräer geschrieben hat. ÜberEpikurund dieEpikuräerwill ich mich kurz fassen, sie waren besser als ihr
Ruf, wenn sie es auch nicht liebten sich über die schwierigen
Probleme der Erkenntnistheorie die Köpfe zu zerbrechen. Wenn
sie auch im Prinzip an die Lustlehre des Aristippos anknüpften,
so war das Ideal der Lust des Epikur und seiner Genossenschaft
nicht die rohe Sinnenlust, sondern jene althellenische Tugend
der Σωφροσυνη, der temperantia, des Masshaltens. Freilich müssen
sie sich in praxi von dieser temperantia ziemlich entfernt haben,
ich verweise aufHorazEpist. I, s. u. besonders I, IV an den
DichterTibull:
Back to IndexNext