Taktionsproblem.
Es geht aus diesen Schriften hervor, dass Apollonios die Erzeugung der Kegelschnitte als Enveloppe der Verbindungsgeraden zweier projektiven Punktreihen kannte, die sich erst wieder findet inNewtonsprincipien lib. I L. 25. Die Brennpunktseigenschaften und die Konstruktionen bei gegebenem Brennpunkt haben dann, wie Zeuthen hervorhebt, Apollonios auf die Beschäftigung mit dem nach ihm genannten Taktionsproblem geführt. Ist doch schon die Aufgabe, den Schnitt einer Geraden mit einer durch Leitlinie und Brennpunkt gegebenen Parabel zu bestimmen identisch mit der Aufgabe, einen Kreis zu konstruieren, der durch zwei gegebene Punkte geht und eine gegebene Gerade berührt, also zwei 0-Kreise und einen unendlich grossen. NachPappos, Hultsch S. 848 hat Apollonios die Lösung auf den Spezialfall desCastillon'schenProblemes zurückgeführt, in dem alle 3 gegebenen Punkte auf derselben Graden liegen. Die Geschichte des Taktionsproblems sieheSimon, Entwicklung der Elem. Geom. Das Problem selbst gehört heute zur eisernen Rationder Gymnasiasten, mit den Lösungen ausFr. VietasApollonius Gallus, und zugleich hat Apollonios sich in der Schrift περι πυριου über Brennspiegel, der Brennpunktseigenschaften der Umdrehungsflächen 2. Grades bedient. Zeuthen vermutet, und ich glaube mit Recht, dass der Parabolische Spiegel, der praktisch wichtigste, schon vonArchimedeserfunden sei und dass die Sage, er habe mit Brennspiegeln die Römische Flotte verbrannt, hier ihren Ursprung habe.
Ausserdem hat Apollonios auch eine Schrift geschrieben περι νευσεων. »Über Einschiebungen auf mechanischem Wege«, dadurch dass ein Lineal oder ein Streifen meist von gegebener Strecke so bewegt wird — häufig durch Drehung der zu ihr gehörigen Geraden um einen festen Punkt — dass sie zwischen zwei gegebene Linien fällt. Die Neusis galt sowohl den ältern Mathematikern als auch dem Archimedes, der sich ihrer bei der Arbeit über die Spirale wie überhaupt zur Winkeldrittelung bedient hat, als auch dem Apollonios und überhaupt den angewandten Mathematikern für ein durchaus erlaubtes Hilfsmittel, wie sie ja auchNewtongebilligt hat, erst die Neuplatoniker strikter Observanz wie Pappos missbilligten sie und ersetzten sie durch Kegelschnitte, was stets möglich, sobald die gegebenen Linien den zweiten Grad nicht übersteigen. Die Schrift des Apollonios ist nach Pappos wiederhergestellt von dem Ragusischen Patrizier Marino Ghetaldi 1607.
Würfelverdoppelung.
Sie enthielt vielleicht die vonEutokiosl. c. mitgeteilte Würfelverdoppelung auf welche Pappus I p. 56 hingewiesen hat (Heiberg 3, p. 78.) Es sei aus den beiden gegebenen Strecken ΑΒ und ΑΓ das Rechteck ΑΒΘΓ konstruiert, dann ist die Gleichung des ihm umgeschriebenen Kreises wenn ΑΓ = a und ΑΒ = b gesetzt wird x2- ax + y2- by = 0, oder (x - a) : (b - y) = y : x. Die Gleichung einer Hyperbel, welche durch Θ geht und ΑΒ und ΑΓ zu Asymptoten hat, ist aber xy = ab also haben wir für den zweiten Schnittpunkt M nach leichter Rechnung a : x = x : y = y : b. Zur Konstruktion des Schnittpunkts M benutzt Apollonios den Umstand,dass die Abschnitte einer Hyperbelsehne zwischen Asymptote und Kurve gleich sind, und dass die Kreissehne vom Mittelpunktslote halbiert wird. Es braucht also nur ein Lineal so um Θ gedreht werden, dass die Punkte Δ und Ε in denen es die Axen schneidet vom Zentrum des Rechtecks gleich weit entfernt sind. S. Fig. unten.
In einer verlorenen Schrift περι κοχλιου hat Apollonios sich mit der Schraubenlinie auf dem Cylinder beschäftigt.
Der »grosse Geometer« hat sich aber auch mit den einfachsten Elementen der Geometrie beschäftigt, wie wir schon bei Euklid erwähnt haben, u. a. danken wir ihm die Halbierung der Strecke mit den beiden gleichen Kreisen um die Endpunkte, Proklos Friedl. S. 276: »Απολλωνιος δε ὁ Περγαιος τεμνει την δοθεισαν ευθειαν πεπερασμενην διχα τουτον τον τροπον.«
Apollonios, Arithmetische Schriften.
Auch auf arithmetischem Gebiete hat der Pergaier Grosses geleistet. Eutokios erzählt Heib. 3 S. 300: Man soll auch wissen, dass Apollonios der Pergaier in seinem Okytokion (Schnellgeburt, Schnellrechner) dasselbe durch andere Zahlen gezeigt hat, die einander noch näher kommen, d. h. er hat die Zahl π in noch engere Grenzen als Archimedes eingeschlossen. Ob der Okytokion dieselbe Schrift war, von der Pappos im 2. Buch grosse Stücke uns aufbewahrt hat, wird von den besten Kennern, von Nesselmann und Hultsch stark bezweifelt, doch spricht der Titel eigentlich dafür. Auch jene zweite Schrift hat im wesentlichen die Abkürzung des Algorithmus insbesondere der Multiplikation zum Gegenstande. Die Schrift schloss an den Sandzähler des Archimedes an, nur dass Apollonios statt der Oktaden die den Griechen geläufigen Tetraden, die Myriaden, setzte, die er als erste, zweite, dritte u. s. w. bezeichnete, die er durch Μβ, Μγ etc. bezeichnet und deren Ordnungsziffer er durch Divisionmit 4 bestimmte. So ist z. B, 4444444444444 = 4 . 1012+ 4 . 1011+ .. = Μγ υμδ και Μβδ1υμδ και Μαδ1υμδ. Auf Grund seiner Ordnungszahlen lieferte er dann ein Verfahren zur Multiplikation, das im Grunde das unsrige ist; die Ordnungszahlen werden addiert und die Πυθμενες, d. h. unsere Einerziffer, die aber hier aus dem Tableau von α bis ϡ genommen werden konnten, multipliziert. Auch Apollonios, und er fast noch mehr als Archimedes, hat die Grundgedanken des Positionssystemes, und wieR. Baltzerin seinem Brief anHultschauf den ich noch zurückkommen werde, sehr richtig bemerkt, sind beide an Buchstabenrechnung und Dezimalrechnung nur dadurch gehindert worden, dass die Hellenen von den Kanaanäern die Buchstaben als Zahlzeichen übernommen hatten. Die aller Wahrscheinlichkeit nach bedeutendste Leistung des Apollonios auf arithmetischem Gebiete ist leider bis dato nur ganz fragmentarisch erhalten, sie war vermutlich Pappos entweder selbst zu schwierig oder schien ihm auf einen zu geringen Interessenkreis rechnen zu können. Die Schrift war eine Weiterführung der Theorie der Irrationalzahlen, wie sie für quadratische und biquadratische durch das X. Buch des Euklid gegeben war. Aus einem Kommentar zum X. Buch, von demF. Woepckeeine Arabische Übersetzung durch Abu Ottmân den Damascener aufgefunden hat und von dem er die auf Apollonios bezüglichen Stellen Arabisch und Französisch herausgegeben hat, geht hervor, dass dieser in die Theorie der algebraischen Zahlen, soweit sie durch Radicale darstellbar sind, sehr tief eingedrungen war. Den Kommentar selbst vindiziert Woepcke dem Griechisch schreibenden RömerVettius Valens(5. Jh. n. Chr.) und die Übersetzung würde etwa ins 9. Jh. fallen.
Apollonios als Astronom.
Ob Apollonius mit dem unter dem Namen Epsilon berühmten zeitgenössischen Astronomen, der sich besonders mit der Mondtheorie beschäftigt hat, identisch ist, ist nicht unwahrscheinlich, aber steht nicht fest. Dass der grosse Geometer ein hervorragender Astronom war, wissen wir aus Ptolemaios megale syntaxis XII, 1, wo er den Stillstand und die Rückläufigkeit der Planeten mitder Theorie der Epizyklen mathematisch ableitet und dabei eine Maximumsaufgabe löst, welche den grossen Leistungen des 5. Buches der Konika nicht nachsteht.
Elementarmathematik.
Noch ist für seine Leistungen auf dem Gebiete der Elementarmathematik nachzuholen, dass der Satz X des sogen. 14. Buches der Elemente des Euklid: »Die Volumina des derselben Kugel eingeschriebenen regulären Ikosaëders und Dodekaëders verhalten sich wie die Oberflächen,« von ihm herrührt, laut der Vorrede des Verfassers des 14. Buches, desHypsikles. Hypsikles knüpfte daran die Folgerung, dass die Umkreise der Seitenflächen beider Körper gleich sind.
Mit Eudoxos, Archimedes und Apollonios hat die reine Mathematik der Griechen ihren Höhepunkt erreicht, die Theorie des Irrationalen und des Kontinuums, die Prinzipien der Infinitesimalrechnung, die analytische Geometrie, die rechnende und projektive Geometrie, sind geschaffen und neue Methoden, die auf allgemeine Problemklassen anwendbar sind, treten nicht mehr auf. Der eben erwähnteHypsiklesschliesst sich wohl unmittelbar an Apollonios an, M. Cantor setzt das 14. Buch um 180 an, er war ein tüchtiger Mathematiker, der auch noch eine uns erhaltene Schrift über die Aufgänge der Gestirne, im Anschluss anAutolykosundEuklidgeschrieben hat. Sie ist vergl.M. CantorI p. 344 dadurch merkwürdig, dass sich in ihr zumerstenMale auf Hellenischem Boden diebabylonische Teilung des Kreises in dreihundertsechzig Gradefindet. Auch auf arithmetischem Gebiete haben wir Hypsikles als Vorgänger desNikomachos(s. u.) für die Theorie der figurierten Zahlen zu erwähnen.
Die theoretische Mathematik sinkt nun im 2. Jahrh. langsam von ihrer Höhe oder richtiger das Interesse der bedeutenden Geister wendet sich den angewandten Disziplinen zu; Astronomie und in ihrem Gefolge die Trigonometrie, Mechanik, Medizin etc. nehmen ihre Stelle ein. Dazu kam für Hellas das Anwachsen der bildungsfeindlichen römischen Macht und fürAlexandrien das mörderische Regiment des Ptolemaios VII. Physcōn (Schmerbauch, auch Euergetes II.) 141–116, der nach Ermordung seines Neffen Eupator sich des Thrones bemächtigt hatte und die bedeutendsten Gelehrten und Künstler von Alexandria vertrieb. Da nun der Unterricht im wesentlichen auf dem Vortrag im Kolleg beruhte — Archimedes und Apollonios hatten gewissermassen nur zufällig an ihre auswärtigen Freunde Schriftstücke gerichtet — so machte sich jetzt der Mangel an Büchern und damit an einer festen Formelsprache geltend und man kann annehmen, dass schon im Laufe des Jahrhunderts manches von den Leistungen der Heroen verloren ging. Das Entscheidende sind wohl die Brände der Alexandrinischen Bibliothek unter Cäsar und vor allem in den wüsten Emeuten des fanatischen Mönchpöbels und seiner würdigen Patriarchen. Die Sage von der Vernichtung der grossen Bibliothek durchOmargehört zu den böswilligsten Fälschungen der Weltgeschichte. Auch die grosse Bibliothek vonPergamon, das sich zur Konkurrenzstadt Alexandriens unter Attalos und Eumenes entwickelt hatte, ging verloren, nachdem sie Antonius an Kleopatra geschenkt hatte.
Nikomedes.Die Konchoide.
Dort in Pergamon war vermutlich wenn nicht die Wiege, so doch dasDomizildes Nikomedes, den M. Cantor vorsichtig ins 2. Jahrh. verweist, während P. Tannery ihn nicht ohne triftigen Grund zwischen Eratosthenes und Apollonios einschiebt. Dass er der Erfinder derKonchoide, der Muschellinie gewesen, unterliegt keinem Zweifel,Proklossagt Friedlein S. 272 im Anschluss an die Winkelhalbierung bei Euklid:Nikomedesdrittelte mit der Konchoide, deren Erzeugung, Gestalt und Eigenschaften er überlieferte, jeden geradlinigen Winkel, und er selbst war es der ihre Eigenart gefunden hat.PapposundEutokioshaben ihre Anwendung zur Lösung des (ersten) Delischen Problemes durch Nikomedes ausdrücklich bezeugt, und da sie genau übereinstimmen, so ist es sicher, dass die Lösung sowohl wie ihr Beweis ganz auf das Konto des Nikomedes zu setzen ist. In der Stelle Hultsch 246 oben nimmtPappos die Winkeldrittelung durch die Konchoide nicht für sich in Anspruch, er sagt nur, dass er die Kurve dabei gebraucht habe, dagegen sagt er 246 unten (§ 42) ganz bestimmt er habe zur Konstruktion des Nikomedes für die Würfelverdoppelung den Beweis geliefert, was der Angabe des Eutokios widerspricht. Dass Nikomedes sich des Zusammenhangs beider Probleme, die er mit der einen Kurve löste, klar bewusst war, scheint mir völlig sicher, es entspricht das dem ganzen historischen Gange der Griechischen Mathematik. Nikomedes kannte die Winkeldrittelung des Archimedes durch die Neusis, die Einschiebung, und wie dem Archimedes der Zusammenhang zwischen der Kugeldrittelung und der Winkeldrittelung nicht hat entgehen können, so hat auch Nikomedes gesehen, dass es sich bei Würfelverdoppelung und Trisektion um Probleme 3. Grades handelte.
Trisektion.
Die Kurve selbst ist eine ebene Kurve, sie wird erzeugt durch Drehung einer Geraden um einen festen Punkt, so dass sie eine gegebene Leitlinie schneidet und beschrieben durch einen Punkt Κ der sich drehenden Geraden, der von dem SchnittpunktΕ einen unveränderlichen Abstand hat. Nikomedes hat dasabgebildeteeinfache Instrument zur mechanischen Erzeugung angegeben, es besteht aus einem Richtscheit, in dessen horizontalem Lineal ein Schlitz in der Mitte ist, während das vertikale den Pol durch einen Nagel angibt. Ein drittes Lineal ist fest mit den beiden verbunden und hat in Ε einen Zapfen der in dem Schlitz des zweiten Lineals gleitet, während ΕΚ der gegebene Abstand ist. Legt man die x-Axe durch den Pol Δ nennt den Abstand b und den Abstand des Pols vom horizontalen Lineal a so ist die Gleichung der Kurve r : b = y : (y - a), also quadriert und multipliziert (x2+ y2)(y - a)2= b2y2. Die Kurve ist also vom 4. Grade, geht durch die imaginären Kreispunkte im Unendlichen, und hat in Δ einen Doppelpunkt. Die vollständige Kurve, welche Nikomedes auch betrachtet zu haben scheint, da er die hier konstruierte als erste Konchoide bezeichnete, besteht aus der oberhalb der Axe und der unterhalb der Axe beschriebenen. Ausser den inWölffingsso höchst dankenswerter Bibliographie angegebenen Monographien verweise ich aufG. de Longchampscours de Math. spec. und auf das Journal vonBourget.
Nikomedes hat gezeigt, dass ΑΒ eine Asymptote ist, und dass jede Gerade zwischen ΑΒ und der Kurve diese schneidet,Eutokios, Heiberg Archim. 3 S. 118 und 120 findet sich der Beweis, während Pappos l. c. nur die Tatsache angibt.
Trisektionen bei Montucla.
Die Anwendung zur Winkeldrittelung ist uns von Pappos p. 275 überliefert, sie ist, wieMontuclain der noch heute lesenswerten Histoire des recherches sur la quadrature du cercle Nouv. Edition (parLacroix) 1831 p. 240 sagt, fast selbstverständlich, und stimmt im Prinzip mit der des Archimedes überein.
Ist αβγ (s. Figur) der gegebene Winkel, so ist nur nötig, von β als Pol aus eine Strecke δε zwischen αγ und der verlängerte ζα so einzuschieben, dass δε gleich 2αβ ist, dann ist εβγ =1/3αβγ. Man findet also ε durch den Schnitt von ζα mit der Konchoide, deren Pol β, deren Axe αγ und deren Abstand 2αβ ist.
Montuclagibt l. c. 243 an, dass auch die Konstruktion des Archimedes mittelst der Konchoide gelöst werden kann, nur muss ihr Zweig unter der Axe benutzt werden. IstABCder gegebene Winkel, (Figur) so beschreibt man mitCals Pol,BAals Axe undBCals Abstand die 2 (untere) Konchoide, welche den Kreis umBmitBCinDschneidet, so istDBE=1/3CBA.
Montucla gibt auch den Hinweis auf den AppendixNewtonszur Arithmetica universalis, der so recht deutlich zeigt, wie innig Newton mit der hellenischen Geometrie vertraut war. NachdemVieta(Oper. ed. van Schooten 1615) gezeigt hatte, dass die Gleichung dritten Grades sich auf die Würfelvervielfältigung und die Trisektionsgleichung zurückführen lasse, hat Newton l. c. für alle Arten gemischter kubischer Gleichungen den zu trisezierenden Winkel und die Lage des Pols und die Grösse des Abstands angegeben (berechnet). Er hat ausgesprochen, dass zur Lösung von Gleichungen dritten Grades die Konchoide des Nikomedes das bequemste Mittel ist; dass dieser sich des Vorzugs seiner leicht konstruierbaren Kurve vor der Probiermethode des Eratosthenes voll bewusst war, kann man bei Eutokios nachlesen.
Würfelverdopplung nach Nikomedes.
Schwieriger gestaltet sich die Anwendung der Kurve für die Würfelverdoppelung, die Lösung der reinen kubischen Gleichung oder die Auffindung der beiden Mittleren. Eutokios beginnt den Bericht also:
Nachdem dies bewiesen (nämlich dass ΑΒ Asymptote,das Wort fehlt, was auch für höheres Alter als Apollonios spricht, etc.) seien die gegebenen Strecken ΑΔ und ΓΛ senkrecht aufeinander, zu denen es den beiden kontinuierlich proportionalen (δυο μεσας αναλογον κατα το συνεχες) zu finden gilt. Mache das Rechteck ΑΒΓΔ fertig, halbiere ΑΒ in Δ und ΒΓ in Ε. Verlängere ΛΔ und ΓΒ bis sie sich in Η schneiden, errichte in Ε auf ΒΓ die senkrechte ΕΖ, mache ΓΖ gleich ΑΔ und verbinde Ζ mit Η und ziehe zu ihr parallel ΓΘ. Und nun konstruiere man die Konchoide von Ζ als Pol, ΓΘ als Leitlinie und ΔΑ = ΓΖ als Abstand, welche ΗΓ in Κ schneidet, ziehe ΚΛ, schneidet ΒΑ in Μ so behaupte ich, dass ΓΛ : ΚΓ = ΚΓ : ΜΑ = ΜΑ : ΑΛ ist.
Die Pointe ist, dass ΘΖ gleich ΜΑ ist. Sei ΜΑ = x und ΚΓ = y, ΑΛ = a und ΓΛ = b so ist x : a = b : y, und ΖΘ : (1/2b) = 2a : y also ΖΘ : a = b : y also ΖΘ = x, ferner weil ΖΕΓ und ΖΕΚ rechtwinklige Dreiecke mit der gemeinsamen Kathete ΕΖ, so ist (x +1/2b)2- (y +1/2a)2= (b2)2- (a2)2oder x(x + b) = y(y + a),xy=y + ax + b=ΒΚΜΒ=ΓΚΓΔ. Die Lösung des Nikomedes ist von Newton l. c. wesentlich vereinfacht worden. Die Konchoide auf zirkulärer Basis ist vonRobervalLimaçon de Pascal, Pascalsche Schnecke, genannt worden, sie ist vielfach im Journ. élém. (v.Bourget) behandelt worden.
Diokles: Kissoide.Würfelverdopplung mit Kissoide.
Mit Nikomedes wird stets, infolge des Kommentars desEutokios,Dioklesgenannt, von dessen Lebensführung uns zwar so gut wie nichts bekannt ist, der aber nach seiner Kugelteilung welche Eutokios, Heib. 3, S. 188 ff. mitteilt, und ebenfalls nach seiner Lösung der Würfelverdoppelung, ib. S. 78, ein sehr achtbarer Geometer gewesen ist. Nach dem gedanklichen Inhalt der beiden Fragmente aus seiner Schrift περι πυρ(ε)ιων halte ich ihn für ziemlich gleichzeitig mit Nikomedes und für nur wenig jünger als Apollonios. Das Fragment über die Kugelteilung enthält zwar schon die Apollonischen Benennungen Ellipse, Hyperbel, Asymptote, aber es ist sicher vonEutokiosüberarbeitet, der wieHeibergS. 207 anmerkt, die Konstruktion der Hyperbel, wenn die Asymptoten und ein Punkt gegeben worden sind »de suo« hinzufügte. Das Problem der Würfelverdoppelung löste Diokles mittelst derKissoide, die er wie folgt konstruierte. Man zeichne einen Kreis umM, den Leitkreis, mit Radiusr, ziehe darin den DurchmesserSS'gleichd. ZieheBCundB'C'senkrecht zuSS'und symmetrisch zuM. ZieheSB'welcheBCinPschneidet, so ist die Kurve der Ort des PunktesPwennB'C'sich vonS'nachSbewegt (die allgemeine Kurve entsteht: wenn manA'B'sich unbegrenzt in der RichtungS'Sund daherABvonSnachS'zu bewegen lässt). Nimmt man als 0-PunktSund als + x-Axe den StrahlSS', ziehtACund nennt es z, so ergeben die elementarsten Sätze die Proportion (d - x) : z = z : x = x : y d. h. x und z sind zwischen d - x und y die Mesoteten. Will man nun zwischen a und b die mittleren einschalten, so braucht man der Symmetrie wegen nur auf dem zuSS'senkrechten Durchmesser einen PunktKso zu bestimmen, dassS'M:MK= a : b ist undS'Kauszuziehen, bis es die Kissoide inPschneidet, so ist nur noch d - x und y proportional in a und b zu verwandeln.
Da aus dem grundlegenden Streifensatz folgt, dassSP=B'D'ist (entsprechende Querstrecken), so lässt sich die Kurve auch bequemer so erzeugen, dass man vonSaus nach allen Punkten des Leitkreises die Strahlen zieht und das Stück zwischen der festen Tangente inS'und dem Kreise vonSaus auf den Leitstrahlen bisPabträgt.
Newton'sche Erzeugung.
Aus der ersten Erzeugung durch Diokles lässt sich ebenso elementar (vgl. a. Samml. Göschen 65 p. 148) die mechanische Herstellung der Kurve von Newton (l. c.) ableiten, welche Montucla l. c. S. 139 beschreibt. Er bedarf dazu nur noch eines Richtscheites, dessen einer Schenkel d ist, EndpunktB″, und der in der Mitte einen StiftPhat. Dreht man das Richtscheit um den PolM', so aufSS'gewählt, dassM'S= r ist, so dassB″auf dem konjugierten Durchmesser zuSS'gleitet, so beschreibtPdie Kissoide.
Diokles.Zenodoros.Isoperimetrie.
Die Kurve hat die Gleichung (x2+ y2)x = dy2, ist also eine Kurve 3. Grades, geht auch durch die beiden unendlich fernen imaginären Kreispunkte, hat die KreistangentenS'zur Asymptote, ist Fusspunktenkurve, Rollkurve, durch reciproke Radien transformierte der Parabel. Sie ist elementar behandelt l. c., auch vielfach im Journal de Math. spec. Dass die Kurve inSeine Spitze hat wusste schon Proklos, der die Kurve viel erwähnt, Friedl. S. 126 sagt: »ὁταν δε αι κισσοειδεις γραμμαισυννευουσαι προς ἑν σημειον, ὡσπερ τα του κισσου φυλλα — και γαρ την επωνυμιαν εκειθεν εσχον — ποιωσιν γωνιαν«. Wenn die Kissoidenlinien sich nach einem Punkt zu neigen, wie die Blätter desEfeu— und sie hat ja davon ihren Namen — so bilden sie einen Winkel. Sehr auffallend ist, dass Proklos trotz der häufigen Erwähnung der Kurve denDioklesnicht nennt, so wenig wie Pappos, der ihrer zweimal gedenkt. Aber wenigstens bei Proklos ist im Zusammenhang des Textes die Auslassung des Autornamens ganz sachgemäss, S. 111, 6 z. B. wird von der Einteilung der Kurven durch Gemīnos geredet, wobei die Kissoide (Kittoide) nur als Beispiel einer Figur bildenden Kurve erwähnt wird, woraus übrigens hervorgeht, dass Gemīnos schon die Asymptote der Kurve kannte. So liegt kein Grund vor, dass zuverlässige Zeugnis des Eutokios zu bezweifeln. Und dies um so weniger als Pappos auch den Namen des dritten hervorragenden Mathematikers verschweigt, der um 200 anzusetzen ist, den desZēnodoros, von dessen Lebensumständen nichts weiter feststeht, als dass er nach Archimedes und vor Quintilian gelebt hat, also ein Spielraum von fast 400 Jahren. AberHultschundCantorsetzen ihn auf Grund seiner Sprache und seines engen Anschluss an den Gedankenkreis des Euklid und Archimedes gewiss mit Recht in die Nähe des Archimedes, vergl. dazu nochW. SchmidtEnestr. 1901 S. 8. Und man kann wohl hinzusetzen, dass der Gegenstand, den er sich zum Vorwurf nahm, auch auf Vorangang des Apollonios schliessen lässt. Mit dem Namen desZenodorossind die Probleme, welche wir heute als pars pro toto, isoperimetrische nennen, für immer verknüpft. Er selbst hat zwar seine Schrift, wieHultsch, Papp. III, 1189 hervorgehoben über Inhalte von gleichen Massen, περι ισομετρων σχηματων genannt, aber man versteht heute unter Isoperimetrie sowohl Untersuchungen über Konfigurationen, die bei gleichen Massen der Begrenzung den grössten Inhalt haben, als diejenigen, welche bei gleichem Inhalte grösste Begrenzung bieten. Es ist jene hochwichtige Problemklasseaus der sich im 18. Jahrh. dieVariationsrechnungentwickelte. Die Notiz desSimpliciuswelche W. Schmidt, Eneström 1901 S. 5 anführt, bezieht sich m. E. nur auf die Kreis- und Kugelmessung durchArchimedes, welcher ja de facto in sehr vielen Fällen den Beweis für die Isoperimetrie des Kreises und der Kugel liefert. Die Schrift selbst ist uns inhaltlich auf dreierlei Art erhalten, a) sowie es scheint, wörtlich, durch den Kommentar desTheonvon Alexandrien zum Almagest (Pariser Ausgabe 1821Halma, 33 ff.), b) freier aber völlig zu a) stimmend durch Pappos, Buch V, S. 308 ff.) c) Abhandlung eines Anonymos über die isoperimetrischen Figuren, welcheHultsch, Papp. III 1138–1165 herausgegeben hat, ebenfalls vielfach wörtlich zu Theons Mitteilung stimmend.
Die Arbeit zerfällt in einen planimetrischen und einen stereometrischen Teil, sie gipfelt in den Sätzen, dass unter allen ebenen Figuren von gleichem Umfange der Kreis den grössten Inhalt hat und unter allen räumlichen Gebilden von gleicher Oberfläche die Kugel das grösste Volumen hat. Dass beide Sätze nicht streng bewiesen sind, braucht kaum bemerkt zu werden, hat dochJacob Steinernicht vermocht, den planimetrischen Satz streng zu beweisen, und der Satz über die Isoperimetrie der Kugel ist erst 1884 vonH. A. Schwarzmit den Mitteln der höchsten Analysis bewiesen worden.
Der ebene Teil des Werkes ist deutsch bearbeitet vonA. Nokk, Programm Freiburg 1860. Nokk hat dort Zenodoros, der bis dahin als Zeitgenosse des Oinopides also auf 500 v. Chr. geschätzt war, als Epigonen des Archimedes erwiesen, auch auf die Bestätigung der Authentizität vonTheonsWiedergabe durchProkloshingewiesen; Friedlein S. 165 Z. 24: εστι γαρ τριγονα τετραπλευρα, καλουμενα παρ' αυτοις ακιδοειδη παρα δε τω Ζηνοδωρω κοιλογωνια. »Es gibt eine dreiwinklige (Figur) mit vier Seiten, von Jenen (Theudios und Euklid?) [Lanzen] spitzenförmig geheissen, vom Zenodoros aberhohlwinklig. Und dieser Ausdruckkommt bei Theon vor. Zu bemerken ist, dass die Winkel auf solche, welche kleiner als der gestreckte, beschränkt waren, d. h. auf solche die im Dreiseit vorkommen konnten und dies noch bei Proklos, der allerdings wie die Neuplatoniker überhaupt, archaistisch ist. Die Figur galt also dem Euklid und Proklos als dreiwinklig, trotz ihrer 4 Ecken und 4 Seiten. Der Ausdruckhohlwinkligist sehr auffallend, es scheint aus ihm hervorzugehen, dassZenodorosdie Figur schon für vierwinklig ansah und seine Lebenszeit würde dadurch noch herabgedrückt werden, wenn es nicht wahrscheinlicher wäre, dass ein literarisch so gebildeter Autor wie Proklos den Ausdruck eben ausTheonsKommentar entlehnt hat; wodurch dann wieder sein Zeugnis für die Echtheit von Theons Wiedergabe entkräftet würde.
Zenodoros' Satz: Der Kreis ist grösser als das isoperimetrische regelmässige Vieleck.
Als Probe gebe ich Ihnen den Beweis des zweiten Satzes nachNokk. Wenn ein reguläres Polygon mit einem Kreise gleichen Umfang hat, so hat der Kreis den grösseren Flächeninhalt.
Der Kreis seiABG, das reguläre Polygon von gleichem UmfangeDEZ. Das Zentrum des Kreises seiH, das des Polygons seiT, man beschreibe um den KreisHdas dem PolygonDEZähnliche, (Fig.). VerbindeHmitB, fälle vonTaufEZdas LotTNund zieheHLundTE. »Da nun der Umfang des VielecksKLMgrösser ist als der Umfang des KreisesABG,wie es vom Archimedes in seiner Schrift über Kugel und Cylinder unterstellt wird, der Umfang des KreisesABGaber, dem des VielecksDEZgleich ist, so ist auch der Umfang des VielecksKLMgrösser als der vonDEZ. Allein die Vielecke sind ähnlich, mithinBLgrösser alsNEundHB>NT. Also das Rechteck aus dem Umfang des Kreises undHB> als das Rechteck aus dem Umfang des Vielecks undNT. Allein das erste Rechteck ist »wie Archimedesgezeigt hat« das doppelte der Kreisfläche und das zweite das doppelte der Fläche des Polygon und somit der Satz bewiesen (allerdings mit Hilfe des Axiom: Archimedes Kugel und Cylinder Annahme 2).
Hipparch von Rhodos.
In diese Epoche der durch Archimedes, Eratosthenes und Apollonios herbeigeführten Erweiterung des mathematisch-physikalischen Gesichtskreises der Hellenen, fällt auch der grösste Beobachter des Himmels unter den Hellenen,HipparchvonNicaeaoder auch vonRhodos. Hipparch ist allerdings beim geozentrischen Weltsystem stehen geblieben, obwohl kurz vorherSeleukos, der Kopernikus des Altertums wie ihnSusemihlnennt, das Weltsystem desAristarchvonSamos, dessen wir beim Psammites gedachten, auf wirkliche Beweise stützte.Seleukoshat auch als der erste auf den Einfluss des Mondes für Ebbe und Flut hingewiesen und als Grund für die Annahme der Rotation der Erde darauf, dass die Flut am Äquator am stärksten ist.Hipparchosmuss etwa um 190 geboren sein, seine Beobachtungen von 161 bis 126 sind uns durch Ptolemaios erhalten, seine letzten Beobachtungen, Mondbestimmungen, sind vom Juni 126 aus Rhodos. Ptolemaios nennt ihn Almagest III, 2 p. 140, einen Mann von Arbeits- und Wissenstrieb. Von seinen Schriften ist uns nur eine einzige erhalten, eine Exegese zu den Phainomena des Eudoxos (und Aratos) in 3 Büchern, vonVettori, Florenz 1567 Folio, herausgegeben, kritisch und mit deutscherÜbersetzung 1894 Leipz. vonManutius. Es war vermutlich eine Jugendarbeit, weil er darin noch nicht die vielen Abweichungen der Beobachtungen des Eudoxos von den seinen auf die Präzession zurückgeführt hat, die er später genau feststellte und damit die Dauer des Jahres von 365,25 Tagen um 5′ reduzierte. Er berechnete ferner die Exzentrizität der Sonnenbahn, wenn auch etwas zu gross, desgleichen die der Mondbahn, legte sowohl die Sonnenbahn als die Mondbahn durch Beobachtung der Fixsterne, welche ihre obere Kulmination hatten wenn jene ihre untere, genau fest, gab die Entfernungen der Sonne und des Mondes weit genauer, (namentlich letztere) an, als seine Vorgänger, kritisierte die bisherigen Planetentheorien, und erklärte die Ungleichheit der Jahreszeiten durch die Annahme derexzentrischen Kreisbahn, welcheKeplervielleicht die Anregung zur Auffindung seines ersten Gesetzes gab. Hipparchs Methode die Sonnendistanz (Parallaxe, d. h. der Winkel unter dem der Erdradius von der Sonne aus gesehen erscheint) mittelst der Mondparallaxe zu bestimmen durch den von ihm gegebenen Satz: »Die Summe der Parallaxen von Sonne und Mond ist gleich der Summe der scheinbaren Halbmesser der Sonne und des Schattenkegels der Erde«, ist theoretisch richtig. — Das Auftreten eines neuen Fixsternes im Jahre 134 brachte ihn auf den Gedanken einer möglichen Eigenbewegung derselben, und er soll (vgl.GartzundSchaubach) mittelst von ihm erfundener Instrumente, Astrolabien, und verbessertem Visierrohr oderDiopter(Archimedes im Psammites) die Position und scheinbare Grösse des Sternes genau festgestellt haben. Jedenfalls nahm er hier Veranlassung einenSternkataloganzulegen und verzeichnete Ptolemaios zufolge selbst 1080 Fixsterne. Aus der Arbeit vonFrz. Boll1901 in München entnehme ich, dass der Sternkatalog des Hipparch zufolge des Fundes von A. Olivieris 1898 höchstens 850 Sterne umfasste, so dass die MeinungTannerysundDelambresder Ptolomäische Katalog sei der des Hipparch gewesen, hinfällig wird.
Sein Beweggrund war, späteren Astronomen die Erkenntnis zu ermöglichen, nicht nur ob Sterne verschwänden und neue entständen, sondern auch, ob sich die Lage der Fixsterne gegen einander nicht ändere und ob ihre scheinbare Grösse nicht zu- oder abnähme. Diese Beobachtungen führten ihn eben zur Auffindung der Präzession; denn als er die seinigen mit etwa 100 Jahre älteren verglich, fand er, dass sich zwar die Breiten, die sphärischen Abstände von der Ekliptik oder Sonnenbahn, nicht geändert, wohl aber die Längen um den konstanten Betrag von 11/3° vergrössert hatten, d. h. also, dass die Äquinoktialpunkte auf der Ekliptik gegen die Bewegung der Sonne hin fortrückten. Wir verdanken auch diese Kunde dem Almagest, die theoretische Erklärung der Präzession durch die Rotation der Erdaxe um die Axe der Ekliptik aus der Anziehung von Sonne, Mond, Jupiter etc. auf dem Wulst des Äquators gab erst D'Alembert.
Heron von Alexandria.
Hipparchwird aber auch als der Begründer derTrigonometrieangesehen, wenn überhaupt von einem solchen (vgl. Ägypten) die Rede sein kann.Theonteilt uns in dem schon erwähnten Kommentar zum Almagest mit, dass jener in einem grösseren Werke περι της πραγματειας των εν τω κυκλω ευθειων eine Sehnentafel gegeben. Siehe hierzu die Bestätigung beiHeronin der Metrik S. 58, 3. 19, wo der Titel (s. u. Heron) angegeben ist. Es steht jetzt so ziemlich fest, dass die ganze Sexagesimalbruchrechnung inkl. Wurzelausziehung Eigentum desHipparchwar (cf.Hultsch, die Sexagesimalrechnungen in den Scholien zu Euklids Elementen, Biblioth. Math. 5, 1904, 225).
Nach arabischen Nachrichten hat er auch über quadratische Gleichungen geschrieben und durch Strabon sind wir über seine Schrift προς Ερατοσθενην gut unterrichtet. In den beiden ersten Büchern gab er eine scharfe und nicht immer gerechte Kritik, denn genaue Längen- und Breitebestimmungen waren dem Eratosthenes nicht möglich, im dritten die Begründung seines eigenen Systems und die Tabellen der Breiten von 12 Städten und Bestimmung der Finsternisse. Wenn man von Eratosthenes Sphragidesabsieht, ist Hipparch auch als Begründer dessphärischen Koordinatensystemsanzusehen.
An Hipparch, den Astronomen, schliessen wir Heron, den Mechaniker an; ὁ μηχανικος nennt ihnProklos, Fried. 305, 24; 346, 13, und in der Tat ist er in Mechanik und Technik geradeso der Lehrer der Welt gewesen wie Euklid für Geometrie. Ob Heron Nachfolger oder Vorläufer des Hipparch gewesen ist, steht nicht einmal absolut fest. Doch wird in der Metrik die von Theon erwähnte Schrift unter dem Titel περι των εν κυκλω ευθειωνπερι των εν κυκλω ευθειων als vollkommen bekannt zitiert.
Lebenszeit.
Die sogen.Heronische Frageist eine der diffizilsten, die Ansichten der berühmtesten Historiker schwanken zwischen dem 3. Jahrh. v. Chr. und dem zweiten Jahrh. n. Chr. Ein Forscher von dem RangeDielssetzt ihn um 100 n. Chr.,De VauxundPaul Tannerysogar um 200, der Herausgeber der neuesten GesamtausgabeW. Schmidtsetzt ihn etwa auf 56 v. Chr. Dem gegenüber stehenSusemihl, der genaue Kenner der Hellenistik, der ihn um 200 v. Chr. ansetzt undM. Cantor, der ihn um 100 v. Chr. setzt. Ich glaube, dass Cantor im ganzen das Richtige getroffen und neige dazu Herons Geburt etwa um 150 zu setzen und stimme der BeweisführungEdmund Hoppesim Programm des Hamburger Wilhelm-Gymnasiums von 1902 bei, welche ich noch bekräftigt finde durch die vonH. Schoene1903 zum ersten Mal herausgegebene »Metrika«, deren HandschriftR. Schoene1896 im Codex Constantinopolitanus aufgefunden hatte. Da Programme bekanntermassen wenig bekannt zu werden pflegen, so setze ich den Schluss derHoppe'schen Arbeit hierher, und um so lieber, als ich bedauerlicherweise vergessen habe, diese tüchtige Arbeit in der 2. Aufl. meiner Methodik von 1907 unter den historischen Programmen anzuführen, obwohl sie mir seit 1903 bekannt war. Hoppe schliesst: Wenn er den älteren Poseidōnios zitiert hat, rückt Heron gänzlich in das zweite Sec. v. Chr. »Dahin passt er auch seinem ganzen Inhalte nach durchaus.Heron steht ausschliesslich auf den Schultern des Archimedes und Ktesibios in seiner Mechanik und Pneumatik, in der Philosophie und Mathematik ist er abhängig von Aristoteles, Platon, Pythagoras und Euklid, welche er alle zitiert. Alles Spätere ist für Heron nicht vorhanden. Heron aber geht über seine Quellen weit hinaus. Die physikalischen Anschauungen, welche er in der Einleitung zur Pneumatik darlegt, hat vor ihm keiner und auch nach ihm keiner. Wohl in Einzelheiten finden sich bei früheren Anklänge, aber ein solch umfassendes Wissen von der Mechanik der Gase, von der Elastizität etc. hat keiner seiner Vorgänger. Nach ihm hat man dies alles nicht mehr verstanden, die römischen Epigonen griechischer Kulturwelt konnten wohl Automaten und Wasserorgeln nachmachen, aber seine physikalischen Gedanken begriffen sie nicht. Das charakterisiert Heron als den letzten einer untergehenden Schule. Darum muss man Heron ansetzen zu einer Zeit, wo Ägypten vor einer Katastrophe stand, nach einer Periode der Blüte. Diese Blüte war unter den Ptolemäern, die Katastrophe war das Einsetzen der Römerherrschaft. Somit spricht alles für den Ausgang des zweiten sec. a. Chr. Macht man, wie Schmidt es will, Philon von Byzanz und Ktesibios zu Zeitgenossen des Archimedes, so wäre möglich für Heron die Zeit am Anfang des zweiten sec. anzunehmen. Setzt man Ktesibios an das Ende des zweiten sec., so bleibt für Heron die Zeit um 100 n. Chr., wie Cantor annimmt, bestehen; ein weiterer Spielraum scheint ausgeschlossen.«
Zu den von Heron benutzten Autoren kommt nach Metrik S. 58 Z. 19 nochHipparchhinzu undApolloniosde sectione spatii (ἡ του χωριου αποτομη) Schöne S. 162, sowieDionysodorosdessen Kugelteilung Eutokios gegeben. Auch die Heronische Würfelverdoppelung zeigt den Einfluss des Apollonios. Ungelöst ist auch noch die Frage inwiefern Heron für seine Geschützlehre und seine Lehre vom Luftdruck ausPhilonvonByzanz(Φιλων ὁ βυζαντιος.) geschöpft hat. Die Vorstellung, dass schwere Körper schneller fallen müssen als leichte findetsich z. B. bei Beiden. Die Zuverlässigkeit der Literaturangaben desEutokiosist durch die Auffindung der Mechanik wieder bestätigt worden, Eutokios überschreibt die Lösung mit den Worten »wieHeronin der Einführung in die Mechanik und in den Belopoiika (Anfertigung von Geschützen)« und sie hat sich auch in der Mechanik, Ausgabe von Nix S. 24 gefunden.
Ich möchte zu den Datierungsfragen allgemein bemerken, dass was für Indien gilt mutatis mutandis auch für alle diese Streitfragen gilt. Der gedankliche Zusammenhang, die Darstellung, die Hilfsmittel sind der wichtigste Anhaltepunkt, und der spricht für Heron entschieden für engen Anschluss an Archimedes, wie es insbesondere die Metrika zeigen und für dieCantorscheAuffassung, welche auch vonHultschgeteilt wurde. Auch die sehr sorgfältige Dissertation vonR. Meierde Herone aetatis, Leipz. 1905 kommt zum gleichen Resultat. Wie die Heronische Frage hat entstehen können, darüber spricht sichCantorvöllig zutreffend aus. Für 11/2Jahrtausend ist wie Euklid für Mathematik so Heron Lehrer für Geodäsie und angewandte Mechanik. Überaus zahlreich, griechisch, lateinisch, arabisch, sind die Codices, Excerpte, Bearbeitungen und ebenso zahlreich sind die Entstellungen und Zusätze, Verschlimmbesserung der Abschreiber und Ausschreiber.
Heron, Werke.
Während die physikalischen Schriften Herons ab und an ediert sind, ist die erste kritische Ausgabe der unter seinem Namen gehenden mathematischen Schriften vonFr. Hultsch, der bei seiner grossen Arbeit über die Schriftsteller der Alten, welche sich mit Messkunst beschäftigten, sich mit Heron beschäftigen musste. Die Hultsche Ausgabe von 1864, für ihre Zeit mustergiltig, gibt uns den griechischen Text möglichst bereinigt, sie enthält die Heronischen Definitionen, die jetzt noch oder wieder für teilweise echt gelten, die Geometria und als Anhängsel einige an sich wichtige Tafeln der Masse, die aber grösstenteils unecht sind, dann die Stereometrie, ein Buch über Flächen- und Raummessung, dann das liber geoponicus, das einziemlich dürftiges Excerpt ist, wie der 8. Abschnitt ein ungenaues Excerpt aus der unten zu besprechenden Dioptra, und dann vergleichende Zusätze. Aber nach etwa einem Menschenalter machten grossartige neue Funde (s. u.) eine neue Ausgabe nötig. Sie ist vonW. Schmidt, einem Hultsch ebenbürtigen Kenner der antiken math. Schriftsteller, unternommen, als Gesamtausgabe Herons und mitdeutscher Übersetzung. Erschienen sind: Band 1, 1899 vonW. Schmidt, die »Druckwerke« und »das Automatentheater«, mit einem Supplementheft: die Geschichte der Textüberlieferung und Griech. Wortregister.
Bd. II, 1900 die Mechanik und Katoptrik, erstere vonL. Nixaus dem Arabischen, letztere vonW. Schmidt; — B. III 1903, die Messungslehre (Metrika) und die Dioptra »Vermessungslehre« vonH. Schöne. Leider ist der verhältnismässig jugendlicheW. SchmidtHultsch im Tode vorausgegangen. Aber schon das jetzige genügt um sich von Herons wirklicher Bedeutung ein Bild zu machen, und zeigt, dass der grösste Teil der von Hultsch edierten Schriften höchstens inhaltlich auf Heron zurückgeht.W. Schmidtkonnte die Ansicht Hultschs bestätigen, wonach sich Herons Schriften vermutlich auf drei grosse Werke verteilten: 1. Über Feldmesskunst, von denen die grosse Arbeit über die Dioptra die wichtigste ist. 2. Über Mechanik. 3. Über Metrik, d. h. die Lehre vom Inhalt der Flächen und Körper.