The Project Gutenberg eBook ofRomanzen vom Rosenkranz

The Project Gutenberg eBook ofRomanzen vom RosenkranzThis ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online atwww.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook.Title: Romanzen vom RosenkranzAuthor: Clemens BrentanoRelease date: May 28, 2006 [eBook #18463]Language: GermanCredits: Produced by Karsten Weinert*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ROMANZEN VOM ROSENKRANZ ***

This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online atwww.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook.

Title: Romanzen vom RosenkranzAuthor: Clemens BrentanoRelease date: May 28, 2006 [eBook #18463]Language: GermanCredits: Produced by Karsten Weinert

Title: Romanzen vom Rosenkranz

Author: Clemens Brentano

Author: Clemens Brentano

Release date: May 28, 2006 [eBook #18463]

Language: German

Credits: Produced by Karsten Weinert

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ROMANZEN VOM ROSENKRANZ ***

Produced by Karsten Weinert

Clemens Brentano

Herausgegeben und eingeleitet von Alphons M. von SteinlePetrus Verlag, Trier, 1912

* Einleitung

In weiter Kammer schlief ich und die BrüderAuf stillen Betten, die der Traum umspielet;Der Amme Lied ertönte still, und niederDie Winternacht mit kalten Sternen zielet.Gesegnet seid, ihr ernsten nächt'gen Scheine,Die ihr mir in die junge Seele fielet!Ich fühlte ruhig mich, in Frieden klar und reine;Der Brüder Herzen hört ich um mich schlagen,Ergötzt war meine Brust, ich wacht alleine,Hört sie im Traum die kindschen Wünsche klagen.Der eine sprach von Wagen und von Rossen."Hinan, hinan!" hört ich die Schwester sagen,"Ein Auge schließ ich auf der Leiter Sprossen,Daß mich der tiefe Abgrund nicht ergrause."Sie wußte nicht, daß beide sie geschlossen.Die andre sprach von ihrem Blumenstrauße,Wie er schon wieder frisch erblühen werde;Und die ihr nah: "O tritt die SpitzenkrauseMir nicht so liederlich hin an die Erde!"Doch ferner schlummert einer; heftig bebetSein Busen, und mit trotziger GebärdeSpricht er: "Seht hin, Geliebte, seht, es schwebetDer Luftball hoch, ich habe ihn erfunden!"Dann wirft er sich im Bette, hoch erhebetDie Füße er, das Haupt hängt er nach unten.Des Fensters Schatten lag gleich einer LeiterAuf seiner Decke; künstlich eingewundenErseufzt er tief und schlummert lächelnd weiter.Auf eines Mägdleins Bette glatt gestrichenErglänzt zur andern Seite Mondschein heiter;Die weißen Röcklein auf dem Stuhle glichenZwei Engeln, die ihr still zum Haupte wachten.Still war sie, bis der Mond von ihr gewichen;Er senkte sich zur Erde. Sprünge machenSah ich ein Kätzlein schwarz beim letzten Bette;Es spielte mit herumgestreuten Sachen,Ein Strumpfband wars und eine Blumenkette;Und als der Mond am Bett hinaufgeschwebet,Sah ich's, als ob es glühnde Augen hätte.Bang hob ich mich, und mir entgegen hebetDas Mägdlein sich und sprach: "Wie schön gesungenHat heut die Amme, noch das Herz mir bebet:Frau Nachtigall, mein Herz ist mir zersprungen."So sprach das Kind und legte still sich nieder.Ich fühlte mich mit Weh und Lust durchdrungen,Ein stilles Feuer zog durch meine Glieder.Oft hieß es mich empor nach ihr zu sehen,Und immer hob ihr lockigt Haupt sie wieder.Dann sprach sie Worte, mir nicht zu verstehen,Gebetet war es, und es war gedichtet,Und bis ich sah den Mond mir untergehen,Blieb mir ihr Haupt genüber aufgerichtet.Dann hört ich draußen — harte Worte klangen,Bis eine milde Stimm den Streit geschlichtet.In unsre Kammer leise kams gegangen,Von Bette schlichs zu Bette, gab uns KüsseUnd segnet uns auf Stirne und auf Wangen.Ich war der letzte. Heiße TränengüsseFühlt ich aus Mutteraugen auf mich fließen.Ich wußte nicht, warum sie weinen müsse,Ich traute nicht, den Arm um sie zu schließen.Und als sie aus der Kammer war geschieden,Da mußten meine Augen Tränen gießen,Da fühlte ich zuerst den Schmerz hienieden!Ich betete: "Maria, sei gegrüßet,So viele Tränen sie geweint!" und schlief in Frieden.

——

Viel war ich krank, kam wenig an die Sonne,Die bunte Decke war mein Frühlinggarten,Der Mutter Pflege war mir Frühlingswonne.Ich konnte oft den Abend nicht erwarten,Wenn sie die Wundermärchen uns gesungen,Daß rings die Kinder in Erstaunen starrten.Und keines ist mir so ins Herz gedrungen,Als von des süßen Jesus schweren Leiden,Wie des Herodes Kindermord mißlungen,Maria durch Ägypten mußte reiten,Und was sie da erfuhr in schweren Nöten,Da focht ich in Gedanken gen die Heiden.Und sah ihr Blut in allen Abendröten. —Oft kam ein alter Diener mich besuchen,Mit kräftgen Reden meine Zeit zu töten,Die Tasche leer vom oft versprochnen Kuchen,Ein Meister im Versprechen und Beteuern,Was oft sich falsch bewärt; dazu ohn FluchenKonnt er mit seinen Augen Glaub erneuern.Vom Antichrist tät er mir prophezeien,Und hat zum Held gen ihn in AbenteuernVor allem mich mit einem Schlag geweihet,Den scherzhaft er mir auf das Haupt gegeben;Doch meine Seele ihn des Ernstes zeihet;Nichts traf so ernsthaft mich in meinem Leben;Der Antichrist erfüllet mich mit Schrecken,Und täglich mußt ich vor dem Trüger beben.Ich sah ihn stets gen mich die Hand ausstrecken:Allmächtiger, erleuchte meine TageUnd wolle mich vor meinem Feind verstecken!Und da dem Alten ich die Angst so klage,Sprach er: "Wenn du drei Tage ohne WeinenGeduldig bleibst, ich dich zur Kirche trage,Da sollst du dir ein großer Held erscheinen,Man wird dich singend bei dem Eintritt grüßen."Ich glaubte ihm. Bei aller Krankheit PeinenLieß keine Trän ich von den Augen fließen.Und als die Stunde endlich war erschienen,Ward ich geschmückt vom Kopf bis zu den Füßen.Ich ließ mich stolz, gleich einem Herrn, bedienen;Der Alte selbst trug mich auf seinen ArmenUnd machte übertrieben ernste Mienen.Ich fühlte mich von Sonnenschein erwarmen,Und als wir uns dem alten Kloster nahten,Gab an der Pforte ich den frommen Armen,Die barhaupt bittend uns entgegentraten,Was ich besaß: sechs neue blanke Heller.Mein Träger ging auf wohlbekannten Pfaden;Er zeigte links hinab: "Dies ist dein Keller",Sprach er, "da hast du deine vollen FässerMit allen Sorten besten Muskateller!"Ich glaubte ihm, und mit dem blanken MesserUns da ein schwarz und weißer Mönch begegnet.Der Alte sprach: "Nun sieh, stets kommt es besser!"Und als: "Wer war es?" ich ihm scheu entgegnet —"Dies war dein heilger Pater Küchenmeister,Was er am Spieße brät, das ist gesegnet.Er ist aus Schwaben und Marcellus heißt er;Er soll den Antichrist zum Spieße stecken,Er ist ein Zauberer, beschwöret Geister."Nun hörte ich durch blühnde GartenheckenDie Orgel aus der Kirche rührend klingen;Mich faßte da ein nie gefühlt Erschrecken.Als endlich zu der Kirche wir eingingen,Des Weihrauchs süße Wolken mich umwallten,An hohen Säulen goldne Engel hingen,Der vielen Bilder seltsame Gestalten,So stille und so kühl die hohen Bogen,Wie unsre Schritte in den Hallen schallten,Die Orgeltöne jubilierend zogen,Und wie die Mönche zu den Stühlen schlichen —So wunderbar hat nie mein Herz geflogen.Der Alte machte mir des Kreuzes Zeichen,Mit Weihewasser er mich tüchtig sprengte,Befahl mir dann, zu horchen und zu schweigen.Die Seele sich in meine Ohren drängte.Als laut im Chor sie meinen Namen sagen,Entzücken sich mit tiefer Angst vermengte.Die Worte mir wie Feu'r zur Seele klangen:"|O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria!|"Ein ewiges Gefühl hab ich empfangen.Ruft man mich Clemens, sprech ich still: "|o pia!|In meiner letzten Stund dich mein erbarme;|O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria,|Empfange meine Seel in deine Arme!"

——

Schon siebenmal war Weihnacht mir erschienenMit ihres Kinderschatzes frommen Glanz;Ich konnte lesen und die Messe dienen.Die Erde stand in Frühlingsfreude ganz;Des lustgen Pfingstfests Feier zu begehenSchmückt man die Kinder mit dem Blumenkranz.Zur Kirche sah man tausend Kinder gehen;Es teilt die Firmung dort der Bischof aus,Daß sie bestätigt in dem Glauben stehen.In Feierkleidern trat ich aus dem HausUnd zog mit vielen Kindern zu der Weihe,Wie sie geschmückt mit einem Blumenstrauß.Am Chore kniend in der langen ReiheHab ich vom Bischof da das Öl empfangenAuf meine Sirne, Gott mir Kraft verleihe!Den Backenstreich empfingen meine Wangen,Daß ich gedenke an den ernsten Tag,An dem zur Kirch ich neu bin eingegangen.Derb und empfindlich schien bei mir der Schlag;Er sah in mir wohl jenes irdsche Wanken,Das zu bestimmen noch ich kaum vermag.Ich trat erschüttert aus den heilgen Schranken,Und meine Stirn umschlang ein blaues Band.Jedoch in mir, da schwankten die Gedanken,Denn mir zur Seite an dem Altar standEin kleines Mägdlein, das mich tief gerühret;Ich faßte heftig ihre kleine HandUnd habe sie zwei Schritte wohl geführet.Da sprach mein Führer: "Laß das Mägdlein stehn!Dergleichen Spiel allhier sich nicht gebühret."Sie schied von mir, ich mußte weitergehn;Verschlungen ward dies Kind mir von der Menge,Und nimmer hab ich wieder es gesehn.Von Sehnsucht wird noch jetzt die Brust mir enge;Ich suche jetzt wohl noch nach jenem Kinde,Und immer mehr tritt mirs aus dem Gedränge.Traf mich des Priesters Hand dort nicht gelinde,So traf mich schärfer noch mit seinem PfeilDer kleine Cupido mit seiner Binde.Des Priesters Schlag rührt mich nur kurze Weil,Und nie genas ich von der Liebe Wunden;Der Tod empfängt den Kranken noch nicht heil.Du zartes Mägdlein, dir mir dort verschwunden,Siehst du auf Erden noch das süße Licht,Hast du gelebt und hast du Leid empfunden,Begegnet dir dies dunkele Gedicht:Nimm hin den Gruß und Dank, du Namenlose,Im irdschen Traum du himmlisches Gesicht!Und schläfst du schon in unsrer Mutter Schoße,So falle dir aus meinem ernsten KranzEin Opfer auf das Grab: die weiße Rose!

——

Getrennet lebte fern ich von den MeinenIn strenger und unmütterlicher Zucht.Denk ich der Zeit, seh ich sich mir versteinenDie Tage in des Lebens Blumenflucht,Wie kleine Gärten zwischen steilen Mauern,Die nie ein Sonnenstrahl hat heimgesucht,Wo kalte Marmorkinder einsam trauern,Die wilder Buchs und Salbei trüb umkreist.Ihr kennet wohl des Knaben einsam Trauern!Ich fühlte elend mich und tief verwaist.Du, Schwester, die die trüben Tage teilte,Du fühltest auch, was fremde Pflege heißt.Den Genius, der früh bei mir verweilte,Den sah ich dort zuerst, als unerkanntEr mir das junge Herz begeisternd heilte.Da schmückt ich mich mit einem blauen Band,Und fesselt mich mit goldpapiernen Ketten,Trug einen Schäferstab in kindscher HandUnd auf der Brust geweihte Amuletten.Ein alter Scherbenhügel war mein Thron;Ich sprach: "Wer will den armen Sklaven retten?"Fürst, Schäfer war ich, und verlorner Sohn,Und sehnt mich zu den zarten Wolkenschafen,Die durch den Himmel überm Haupt mir flohn.So war ich einst begeistert dort entschlafen.Schon stiegen die Gestirne aus dem Blau,Die gütig mich mit ihrem Segen trafen;Es spiegelte der Traum sich in dem Tau,Der meine Stirne kühlend schon benetzte;Er führte mich auf eine stille Au,Wo eine Kinderschar sich laut ergötzte.Fremd schienen sie; ich stand an einem Baum,Zu dem ich scheu mich endlich niedersetzte.O seliger, o himmelvoller Traum!Ich sah hinauf. Aus deinem Himmel, Linde,Zog nieder eines weißen Kleides Saum,Und nieder stieg ein Kind aus dem GewindeDer Zweige, die es neidisch mir versteckt,Ein Ebenbild von jenem Firmungskinde.Sehnsüchtig hatte ich die Arme ausgestreckt,Da kamen sie, dich boshaft mir zu rauben,Die Unverständ'gen haben mich geweckt.Nie blüht ihr wieder mir, ihr Jugendlauben,Im Fackelschimmer nie betrogner Lust!Die Liebe starb, die Hoffnung und der Glauben.Was füllet jetzt die narbenvolle Brust?Verbrannt das Herz! wie knirscht die tote Kohle!Das habt ihr stillen Tränen wohl gewußt.Zur Stube mußt ich, harte Worte holen,Zur Strafe büßt ich ein mein Abendbrot,Als hätte ich, was Gott mir gab, gestohlen:Des selgen Traumes tiefes Abendrot.Da war mein Herz im Innersten ergrimmet,Ich fühlte recht, was mir zum Dasein not:Ein Himmel blau, in dem die Hoffnung schwimmet,Ein Schmerz in meiner freien starken Hand,Die ihn nach ihren Melodien stimmet.Und alles dies, was da zuerst ich fand,Ward mit Moralien und trocknen BlickenZertrümmert mir, was niemals ich verstand.Entschuldigend erzählt ich mein Entzücken;Da lachte man den armen Träumer aus,Den Scherbenkönig, drehte mir den Rücken;Und als ich weinte, bracht man mich hinausZum dunklen Gartensaal voll Malereien,Der immer mich erfüllet hat mit Graus.Es schienen da in traurig langen ReihenDie Bilder von den Schatten überbebt,Die mondumspielte Rebenlauben streuen.Den Richter sah ich, der das Schwert erhebt,Vor Salomon das Kindlein zu zerspalten;Es schwankt das Laub, er zuckt, er scheint belebt.Ich schauderte und konnte mich nicht haltenUnd kniete nieder vor Mariens Bild.Die Hände hab ich innig da gefaltenUnd flehte kindisch zu der Mutter mild:"O, Mutter Gottes, hilf dem armen Kinde!"Da deckte sie mich mit allgütgem Schild;Mein Schmerz zerfloß im Beten hin gelinde,Es senkte nieder sich der ernste Traum,Ich schlummert ein im Schatten jener Linde.

* Romanzen vom Rosenkranz** Romanze I: Rosablankens Traum

"Bitte für uns arme SünderJetzt und in dem Tode, Amen!"

Spricht sie — und vom Stern der FrüheWeissagt auch die fromme Schwalbe,Und des Traumes schwülen FlügelSpannt sie über Rosablanken.

Auf der goldnen Locke Fülle,Schwer vom blanken Nacken wallend,Sinkt ihr schlummernd Haupt zurücke,Himmelsspiegel wird die Wange.

Schüchtern um die rosgen FüßeIhr der Tau die Traumflut sammelt,Und der West mit kühlem FlüsternDunkle Schlummersegel spannet.

Und der Traum spielt, sie berückend,Auf der Wimpern goldnen Strahlen,Die zum Schlummer sind entzücketIn des Morgensternes Glanze.

Und es kreuziget die SüßeFromm gewohnt sich Stirn und Wange,Legt in Gottes Hand die ZügelDer nachtwandelnden Gedanken.

Von den lichtergrauten HügelnNieder zu des Tales GartenDurch die Nebelwege düsterSieht sie einen Jüngling wallen.

Zu des Gartens Rosengrüften,Wo die Düfte schlummernd schwanken,Eilet Rosablanka schüchtern;Jener folget ihrem Pfade,

Wandelt ernsthaft durch die Türe,In der Rechten einen Spaten,Und sie wagt nicht, ihn zu grüßen,Also hell und finster war er.

Und sie pflückt gebückt in ZüchtenSüße Blümlein, die noch schlafen,Die unschuldgen, ohne Sünde,Ohne Taufe, ihm zum Kranze.

Da sie scheu den Kranz schon ründet,Steht vor ihr der trübe Wandrer,Spricht: "Wohl selig sind die Blüten,Die du tötetest im Schlafe;

Selig in der Nacht gepflücket,Die in Unschuld sind empfangen,Die nicht traf der Fluch der Sünde,Starben selig vor dem Apfel.

Aber uns tut not zu büßen,Denn das Weib ward durch die SchlangeZu dem Gottesraub verführet,Den sie teilte mit dem Manne.

Und so hat der Herr erzürnetAn die Erde uns gebannet;In der Mutter muß ich wühlenNach dem göttlichen Erbarmen.

Mit dem Fleische ist die SündeAus der Erde aufgegangen;In der Mutter muß ich wühlen,Bis der Vater sich erbarmet!"

Und vor Rosablankens FüßenFing der Ernste an zu graben,Und da er die Gruft erwühlet,Hat die Erde ihn umfangen.

Mit ihm zu der Erden GrüftenSinken auch des Tales Schatten;Aus den Gründen zu den HügelnTritt die Nebelwoge wachsend.

Trüb getürmt auf düstern FüßenSchwankt der Riese auf am Walde,Schwingt die Nacht auf seinen Rücken,Kalt die Nebelfäuste ballend.

Trügend rüstet sich der LügnerMit dem Sonnengott zum Kampfe,Der auf goldnen FlügelfüßenFlammet aus dem Ozeanen.

Seinen Spiegel stellt er lügendIn der Dünste giftgem WalleAntichristisch ihm genüber;Jeder wache, nicht zu fallen!

Wo der Traum in irdschen GründenBarg den Mann, will RosablankeGanz in tiefer Angst entzücketIhren Blumenkranz begraben.

Aber ihr entgegen züngelndReckt sich eine bunte Schlange,Und mit heilgem Mut gerüstetBetet bebend Rosablanke:

"Sei verflucht, du Geist der Lügen,Dich zertrat des Weibes Samen;O Maria, sei gegrüßet,Mutter Gottes, voller Gnaden!

Amen!" und aus Himmelsflüssen Gießt sich aus ein Meer des Glanzes: __Maris Stella__ sei gegrüßet, __Semper virgo, ave, salve!__

Und der Jungfrau HeldenfüßeTraten auf das Haupt der Schlange;Kindisch ihre Schuld zu sühnenGibt dem Kranz ihr Rosablanke.

Aber auf des Tales HügelnGlüht die Sonne, und es wallenSchon die Bienen nach den Blüten,Und es eilt die fromme Schwalbe,

Kühlt des Traumes schwülen FlügelAuf dem Spiegel klarer Wasser,Und beträufelt mit dem FlügelWeckend Rosablankens Wange.

** Romanze II: Kosme und Rosablanka

Auf des Fensters EfeurankenSpielt der Strahl der jungen Sonne,Und des Laubes Schatten schwankendWeckt den greisen Vater Kosme.

Schlummerstille ist die KammerRosablankens, als er horchet,Und er trägt den Krug zum Bache,Füllet ihn mit frischem Borne.

Aus dem Wasserspiegel mahnetIhn des Alters ernster Bote;"Du wirst bald die Schuld bezahlen!"Spricht des Hauptes Silberlocke.

Betend senkt er in dem SchattenSeine Stirne an den Boden;Mit ihm betet auch das Wasserund des Gartens heilge Rose.

Und des Tales Sänger alle,Blumen, Bäume, hohe Wolken,Schallend, wachend, atmend, wandelnd,Opfern fromm der goldnen Sonne.

Aber zu der Kinder LallenWeint der graue Büßer Kosme,Denn um seine Hütte wachsenWeiße, rote, gelbe Rosen.

Schamvoll, schuldvoll überschwankendWiegt die rote, blutge Rose —Ach, sie treffen ihn gleich Stacheln —Stumm zwei Knospen an der Sonne!

Abgewendet von dem AltenUnterm Zorn der dunklen DornenLäßt die gelbe Rose wankenTränenschwere Trauerglocken.

Und die weiße Rose, zagend,Gleicht dem Geiste einer Nonne,Bleicht den Schleier weinend, wachendEwig unter Mond und Sonne.

Jetzt auch zu dem Bache wandeltRosablanka, während KosmeBetend liegt; mit kühlem WasserNetzt sie Wange, Brust und Locke,

Ihre Stimme noch umfangenVon des Traumes Nebelkrone,Und die Augen scheu umflattertVon der Sonnenbilder Flocken.

Doch des Wassers Spiegel mahnetZu dem frommen Wunsch die Fromme:"Könnte alle Schuld ich zahlenMit der goldnen Flut der Locken!"

Ihre Worte hört der Alte,Und spricht zu ihr: "Fromme Tochter,Sei gesegnet an dem Tage,Da du bist zum Licht geboren!

Aber bleich sind deine Wangen,Und die Augen trüb umfloret?" —"Vater, schwere Träume brachteDiesen Morgen mir Aurore.

Überm Haupte bang gespannetSchwankt und droht des Traumes Bogen,Den zerbrochen mir die Schwalbe,Niederträufelnd einen Tropfen." —

"War es Feuer, war es Wasser,Rosablanka, was dir drohte?War erwühlet dir der Garten?Bebte unter dir der Boden?" —

"Ja, es waren Tränen, Vater,Und es war die Glut der Rosen,Und um göttliches ErbarmenWard erwühlt des Gartens Boden." —

"Wehe! wehe! Rosablanka,Der gewühlet in dem Boden,Fand er göttliches ErbarmenOder blieb sein Werk verloren?" —

"Er ging unter still ermahnend,Über ihm ist aufgeschossenEine bunte, schöne Schlange,Dringend hin nach meinen Rosen."

"Wehe! wehe! Rosablanka,Gabst du hin die heilgen Rosen?Hat die bunte, schöne SchlangeDich mit bunter Luft betrogen?"

"Von dem Himmeln kam gegangenDie den Heiland hat geboren;Sie zertrat das Haupt der SchlangeUnd ich gab ihr hin die Rosen." —

"Sei gesegnet, Rosablanke,Für die Worte voller Trostes!Daß sich mein der Herr erbarmeMag ich nun in Demut hoffen." —

Tiefbeweglich sprach der Alte,Und es wagte nicht die FrommeNach der Rede Sinn zu fragen,Sie sah schüchtern an den Boden.

Aber zu der Hütte wandelnBeide nun, und Vater KosmeSpricht: "Nun gehe zu dem Garten,Fülle deinen Schoß mit Rosen,

Während ich die HonigwabenUnd das Wachs, das diese WocheIch zu Kerzen zog und malte,Dir in deinen Korb geordnet.

Nach Bologna mußt du wandern,Eh noch höher steigt die Sonne,Dort verkaufe deine WareBei den schwarz und weißen Nonnen.

Zwanzig Soldi nur an baremGelde nehme ich vom Kloster;Was dir bleibt von deinem Wachse,Tausche ein um weiße Brote.

Bringe mir auch Purpurfarbe,Einen Gran geriebnen Goldes,Und Ultramarin zwei AsseAus dem Kram am römschen Tore.

In dem Kloster zu Sankt ClarenGibt dem Meßner zwanzig Soldi,Daß er morgen, eh es tagetEine Seelenmesse ordne.

Morgen sind es zwanzig JahreDaß die Mutter dir gestorben.Herr, dich ihrer Seel' erbarmeDurch die Mutter deines Sohnes!

Ew'ge Ruhe gibt den Armen,Die der Erde Schoß bewohnen." —Amen! betet Rosablanke,Und geht weinend nach den Rosen.

Da sie kehret, hat der AlteIhr den Korb schon wohlgeordnet,Drüberhin ein Tuch gespannet,Darauf gießt sie aus die Rosen.

"Was dir bleibet, Rosablanke,Gib den Armen oder opfre;Gehe in Gottes Namen." —Und sie gehet mit dem Korbe.

Kosme schließt das Tor des GartensUnd der Hütte kleine Pforte,Riegelt ein sich in der Kammer,Wäre gern allein verschlossen.

Aber nicht am Tor des Gartens,Nicht an seiner Hütte Pforte,Noch der Kammer, hört den HammerEr des strengen Gläubgers pochen.

In den Bußen wohnt der MahnerAlter Sünde, und die RoseMahnt am Fenster, und die Schwalbe,Seiner Armut Gast, mahnt Kosme.

Und die fromme Rosablanke,Die mit goldner Flut der LockenMöchte alle Schuld bezahlen,Ist der strengste Gläubger Kosmes.

Zu der Hütte letzter KammerSchleichet bang der alte Kosme,Dort hält er den Schatz des JammersSich im festen Schrank verschlossen.

Eine Locke blonder Haare,Die Gewande einer NonneNimmt er weinend aus dem Kasten,Und dann eine schwere Rolle.

Er befestigt sie am Rande,Und es rollet zu dem BodenEin Gemälde, das der MalerUnvollendet, halb entworfen.

Unten auf dem Meer der SchattenSchwankt, umwogt von dunklen Wolken,Ohne Steuer, ohne Flagge,Bleich der Kahn des halben Mondes.

An den Seiten aufwärts wallenOpfersäulen grauer Wolken,Die den Regenbogen tragen,Des Triumphes Friedenspforte.

Um des Tores Bogen rankenEngel sich, aus rotem Golde,Und von ihren Händen fallenPurpurrote Morgenrosen.

Wo sie zu dem Monde fallenScheinet er von blankem GoldeEine Sichel, die am AbendRosen streute für Auroren.

Aber nächtlich hat die SchlangeUm die Sichel sich gerollet.O erscheine, Herr des Gartens,Tritt den Lügner an den Boden!

Denn inmitten dieser TafelIst noch kaum ein Strich gezogen,Gleich des Blinden Auge starret,Gott erharrend, hin der Bogen.

Jährlich nur an diesem TageWeint vor dem Gewand der NonneUnd der Locke goldner Haare,Büßt vor diesem Bilde Kosme.

Wie, an heilgen JahrestagenNur, die Kirche die Kleinode,Die Reliquien des SchatzesAuftut, zu der Frommen Troste,

So auch liegt der Schatz des JammersJährlich vor dem Büßer offenDa geboren Rosablanke,Da die Mutter ihr gestorben.

Die in schwerer Schuld empfangen,Die in schwerer Schuld gestorben,Und es ist der Sünde VaterRosablankas Vater Kosme.

Bis in tiefer Reue FlammenDer Verzweiflung Erz geschmolzen,Weinet Kosme in der KammerVor dem Bild und Kleid der Nonne.

Und als in des Büßens Asche,Wie der Blick geschmolznen Goldes,Hoffnung ihm entgegenlachet,Geht bereiten er das Opfer.

Er gießt aus gebleichtem Wachse,Das im Mittagsstrahl zerflossen,Eine hohe Totenfackel,Einer Schlange gleich geformet.

Malt sie an mit bunten Farben,Schmückt sie auch mit Punkten Goldes;Brennen soll sie am AltareBei der Totenmesse morgen.

Und so hat er still gemalet,Bis zum Garten ging des MondesBlanke Sichel, und des AbendsRosen streute für Auroren.

** Romanze III: Meliore und Apone

Ruhig steht mit seinem BucheSchon Meliore auf der Straße,Vor dem Haus der hohen Schuleauf die Mitgenossen harrend.

Er bedenkt die tiefsten Punkte,Die Apone vorgetragen,Wünscht ihm eine leichtre ZungeUnd sich schärfere Gedanken.

Daß die Welt aus Gott entsprungen,Und doch nicht von ihm erschaffen;Daß Gott sei im Mittelpunkte,Wo auch nichts sei und doch alles —

Dieses scheint ihm höchstens dunkel;Aber da er Apo fragte,Sprach der Lehrer: "Es war dunkel,Da das Licht noch war im Schaffen.

Bildend in den Kreaturen,Hatte es nicht Zeit zu strahlen;Also sei es dir kein Wunder,Daß es noch bei dir nicht taget.

Fühlst du erst die Macht des Dunkels,Dann magst du nach Licht recht schmachten,Nur der Durstgen WünschelruteWird auf kühle Brunnen schlagen.

Ist es mir erst recht gelungenEuch ins Dunkle einzufangen,Dann zu sehn des Lichtes Wunder,Mögt ihr selbst ins Aug euch schlagen." —

Und so gab er sich zur Ruhe,Wollte nicht mehr weiter fragen,Ließ ergeben sich hinunterIn der Weisheit Stollen fahren.

Harmoniam der Naturen,Welche auf smaragdner TafelNach der Sündflut aufgefundenZara, in Hermetis Grabe,

Und der Dinge SignaturenHat schon Apo vorgetragen,Und beinahe ists schon dunkel,Daß man sich ins Aug möcht schlagen.

Aber heute in der StundeWird er hohe Dinge sagen,Von der Töne Macht und WunderUnd der Kunst des Liebestrankes.

O, daß er die ganze StundeLehrte von dem Liebestranke,Denn Meliore kennt die WunderHarfenklanges und Gesanges.

Denn es schlug die LiebeswundenIhm Biondettas Wunderharfe,Die um Tanz und Sang und TugendMan die heilge Tänzrin nannte.

Doch nun hört an dem TurmeEine Viertelstunde schlagen,Und durchs Fenster in der SchuleApos Stimme lehrend schallen.

Da er so versäumt die StundeVon der Kunst des Liebestrankes,Will er eilen zu dem Brunnen,Wo der Trank lebendig wallet.

Trunken schlugen seine Pulse,Da er ihrer Wohnung nahet;Wie durch dunkle Grüfte, rufendSich, verwandte Quellen wandeln,

Sich in ewiger Unruh suchen,Aber fest in Stein gefangen,Murmelnd ungeduldig sprudeln,Können nicht zusammenfallen.

An Biondettens Fenster duftetEiner blühnden Linde Schatten,In den Zweigen gehn zur SchuleGern die süßen Nachtigallen.

Lauschen in den DämmerungenAuf der Jungfrau Sang und Harfe,Wenn die Meisterin verstummetWiederholen sie es lallend.

In Bewundrung ganz betrunkenSingt das Bölklein durcheinander,Die Studentlein ohne RuheMit dem Federmantel schlagen.

Oft auch mischt ein frecher KundeDrein den ungewaschnen Schnabel,Und die Sänger all im SturmeFassen, rupfen ihm den Kragen.

Und entflohn zum nahen TurmeLehrt der Star die andern StareEines höhern Standpunkts Schule,Gründend auf der Wetterfahne.

Klagt auch, daß die andern druntenSeine Hauptideen stahlen,Macht ein kunterbunt Gemunkel,Läßt in alle Welt es tragen.

Doch in den BegeisterungenWeiß die Jungfrau nichts von allem,Sie hat nur vor Gott gesungen,Lauschen gleich die Nachtigallen.

So vergleicht der hohen SchuleEr der hohen Linde Schatten,Wo in überflüssgen ZungenIhm Biondettens Sang verhallet.

Ach! er möchte hin zum GrundeStürzen dieses Baumes Schatten,Oder in den Zweigen ruhend,Die ihm bloß ertönt, betrachten.

Doch ein Bild von Gottes MutterSteht auf einsamen AltareBei der Linde, ihre KuppelWölbet ihm des Tempels Halle.

Ihm zur Seite steht ein BrunnenEinsam wie das Bild, es fallenLeis der Linde Blüten runterAuf den Spiegel seines Wassers.

Arm ist wohl das Bild an Schmucke,Handel-, wandellos die Straße,Aber nächtlich hört die MutterHell Biondettens süßes: Ave!

Und geht sie, im bunten PutzeSchimmernd, zu der Bühne abends,Teilt sie fromm die FlitterblumenMit Marien, voll der Gnaden.

Auf des Altars öder StufeKeimen Blümlein in dem Grase;Nahe ist das Tor, hier ruhenGern, sich ordnend, müde Wandrer.

Denn hier steht ein kühler BrunnenEinsam wie das Bild, es fallenLeis der Linde Blüten runterAuf den Spiegel seines Wassers.

Still an des Altares StufenKniet Meliore und betrachtetGlaubend, was mit DämmerungenIhm der Schule Geist umnachtet.

Eine Jungfrau kömmt zum Brunnen;Zu der Stadt trägt RosablankeEinen Korb mit Wachs und Blumen,Sprengt die Rosen an mit Wasser.

Sitzt zu ruhn dann auf die StufenBei dem Jüngling am Altare,Ihre züchtgen Augen wurzelnBang auf der Gestalt des Mannes.

Die erfrischten Rosen rufen,Und er blickt nach Rosablanken;Wie der Born geweckt die Blumen,Weckt sein Blick die Rosenwange.

Von geheimer Macht bezwungenSpricht die Jungfrau: "Herr, im GartenBot ich heut dir diese Blumen,Und du hast sie ausgeschlagen.

Grubst dir emsig eine Grube,Und empor schoß eine Schlange;Du gingst in der Grube unter,Ach in mir ist dieser Garten!

Es erschien mir Gottes MutterUnd zertrat die böse Schlange,Und doch fühl ich mich verwundet,Da ich lebend dich betrachte!"

Und Meliore spricht verwundert:"Du klagst einem kranken Arzte,Rettung müßte ich sonst suchenVor der Schönheit meiner Kranken.

Du sagst wahr: Längst ging ich unterIn der Wangen Rosengarten,Der Gesang des süßten MundesWar mir eine bunte Schlange.

Aber hier steht Gottes Mutter.Daß sie unser sich erbarme,Lasse um die Stirn ihr duftendEinen Kranz von Rosen prangen!"

Und er sitzet auf den Stufen,Flichten den Kranz mit Rosablanken;Da bricht durch der Linde DunkelZu dem Bild Biondettens: Ave!

Und es krönet Gottes MutterSchon Meliore mit dem Kranze,Und Biondettens Lied verstummet,Bitter weinet Rosablanke.

Ihr zum Herzen hingedrungenSind die Fluten des Gesanges,Ihr im Busen ist entsprungenEine Quelle des Verlangens.

Und der Tränen Flut wird suchenStets die Fluten des Gesanges,Bis sie einst durch Gottes WunderSelig ineinander fallen.

Doch nun eilet mit den BlumenNach dem Kloster Rosablanke,Weil von Schülern dicht umrungenApo sich der Linde nahet.

Er mag gern mit seinem ZugeDurch Biondettens Straße prangen,Und sie bei dem nahen Turme,Wo er hauset, stolz enlassen.

Ernsthaft mit gezogenem HuteFolgt die Schar dem finstern Manne;Vom Altare springt herunterSchnell Meliore, ihn erwartend.

Nahet nach demütgem GrußeRuhig dann dem finstern Manne."Daß ich heut versäumt die Schule" —Spricht er — "muß ich leider klagen.

Ungeduldig, ohne Ruhe,Konnt ich nicht die Zeit erwarten,Und ging aus, sie aufzusuchen,Aber ich bin irr gegangen."

Zu ihm spricht mit höhnscher ZungeApo, scharf ins Aug ihm fassend:"Und der Irrgang scheint gelungen,Angenehm ist dieser Schatten.

Dieser Baum hegt geistge Zungen.Einen Vogel zu erhaschen,Bist du zum Altar gesprungen,Und doch führst du leere Taschen." —

"Meister, nein! das Haupt der MutterKrönt ich mit dem Rosenkranze,Während ich, bis du zum TurmeKehretest, deiner hier geharret.

Denn ich wollte dich ersuchen,In der Kürze mir zu sagen,Was in der versäumten StundeMir vom Liebestrank entgangen.

Denn der Töne Macht und WunderKann ich mir schon deutlich machen;Dieses Baumes geistge ZungenÜber mich sind ausgegangen."

Apo spricht: "Der Töne WunderLehrte dich der Linde Schatten,Lerne nun von diesem BrunnenAuch die Kunst des Liebestrankes." —

"Meister, höchlich ich bewundre,Wie du fein mich höhnend strafest;Ach! zu tief ist mir der Bunnen,Und der Eimer schöpft nur Wasser.

Auf des Glanzes Spiegel untenSah ich oft ein Antlitz strahlendDurch die grünen Zweige funkeln,Aber nimmer steigts zum Rande.

Treulos immer ists verschwunden,Wenn ich weisheitsdurstig nahte.Nur das Bild von Gottes MutterWeilte ruhig meinen Klagen.

Und so krönt ich sie mit Blumen,Daß, nach gleichem Preis verlangend,Auch das schönre Bild des BrunnensGütger meiner Andacht achte.

Doch noch immer muß im DursteIch am kalten Rande schmachten,Möcht hinab zu einem KusseStürzend mich im Tode baden." —

"Trage Wasser in den Brunnen." —Spricht der Meister — "bis zum Rande,Dann magst du die durstge ZungeBald im kühlen Spiegel laben." —

"Meister, was dir nie gelungen",Spricht Meliore, "soll ich wagen?Seit dem Teufel hat die SchuleWasser in den Born getragen.

Doch des Himmels Spiegel untenIst noch nie heraufgewallet;Von der Schule zu gesundenWill den Blick ich aufwärts schlagen."

So sprach er im Jugendmute,Als er fühlt der Rede Stachel.Apo spricht: "Ich sag dem Kruge:Gehe, bis du brichst, zum Wasser!

Kühner Knabe, willst du Funken,Fange eh du streichst die Katze!"Zornig geht er dann zum Turme,Und Meliore steht verlachet.

** Romanze IV: Rosablanka und Biondetta

Nieder auf Bolognas GassenBrennt die volle Mittagssonne,Und aus hohen Schloten wallenWeiß des dichten Rauches Wolken.

In den Kellern klimpern Flaschen,Und auf kühlem MarmorbodenWird mit silbernem GerasselSchon des Reichen Tisch geordnet.

Suchend hie und da den Schatten,Schleichen von der KlosterpforteAuch die Bettler zu dem Mahle,Mit dem vollen Suppentopfe.

Und der Ochse lauscht am Wagen,Wiederkäuend in der SonneEinsam auf dem heißen Markte,Auf das Plätschern hoher Bronnen.

Aber in der Linde Schatten,Wo die fromme Tänzrin wohnet,Scheint der Mittag selbst entschlafenAn dem lieben, stillen Bronnen.

Leis umgrast von seinem LammeAuf dem dicht berasten BodenRuht ein süßer, kleiner Knabe,Schlummerglühnd in goldnen Locken.

Jede Blüte hör ich fallen,Hör des Knaben leisen Odem,Und die reine RosablankeTritt einher mit ihrem Korbe.

Auf den Stufen des Altares,Wo sie früh den Kranz geflochten,Ladet sie zum armen MahleKindlich ein die Mutter Gottes.

Eine goldne Honigwabe,Auch ein Stückchen weißen BrotesUnd die milchgefüllte FlascheNimmt sie aus dem weißen Korbe.

Da erwacht der blonde KnabeUnd steht harrend bei dem Bronnen,Und es rief ihn Rosablanke:"Komm, ich geb dir Honigbrote!"

Und er nahet mit dem LammeFreundlich sich der Jungfrau Schoße,Auch ein Vöglein kommt zu GasteVon der Linde abgeflogen.

Liebreich lächelt Rosablanke,Heißt sie allesamt willkommen,Und es spricht der blonde Knabe:"Du bist mild, o fromme Tochter!

Was du teilest mit den Armen,Das hast du dem Herrn geboten,Der sich deiner wird erbarmenIn der Stunde deines Todes!"

Von der Gäste lautem DankeWard Biondetta hergelocket,Schaut herab zur offnen Tafel,Will mit ihrer Kunst sie loben.

Leis ergreift sie ihre Harfe,Singet still herabgebogen:"Heil dir, Jungfrau, mit dem Lamme,Mit dem Knaben, mit dem Vogel.

Über deinem frommen MahleWeile gern das Auge Gottes,Denn so liebe Gäste saßenEinstens um das Tischlein Josefs.

Herr, dies Mahl laß dir gefallenZum Gedächtnis deines Sohnes,Und die arme irdsche HarfeKlinge bald am Himmelstore."

Als die Worte niederklangen,Saß die Jungfrau stille horchend,Ließt die Gäste munter naschenBrot und Honig aus dem Schoße.

Und Biondetta flüstert sachte:"Mägdlein, sieh nach deinem Korbe,Denn das Lamm hat mit der NaseSchon das weiße Tuch erhoben.

Kindisch horchend meiner Harfe,Bist du um dein Brot gekommen:Darf ich dich zu Gaste laden,So tritt ein in meine Pforte!"

Doch nun spricht der blonde Knabe:"Eh du gehest, fromme Tochter,Gib drei Kerzlein mir vom Wachse,Daß ich sie heut abend opfre.

Ich will dir ein Lied auch sagen,Wenn ich wieder zu dir komme,Von dem Knaben und dem LammeUnd drei wundervollen Rosen.

Ich kenn deines Vaters Garten;Will es Gott, so komm ich morgen."Und sie gibt drei schön gemalteKerzen ihm, daß er sie opfre.

Eine rote, eine schwarze:Und er spricht: "Für dich, du Fromme,Ist die weiße hier — drei FarbenWill ich für drei Rosen opfern!"

Und nun wendet sich der Knabe,Spricht: "Gedenke dieses Morgens,Denk der Schlange und des Mannes,Folge seinen ernsten Worten.

Daß sich unser mög erbarmen,Der du gabst die frischen Rosen,Die zertreten hat die Schlange,Die den Heiland hat geboren!"

Und nun schied er. Tief erbangetDenkt die Jungfrau seiner Worte,Bis Biondetta sie ermahnteMit der Saiten goldnem Tone.

Ihren Korb nimmt Rosablanke;Wie von lieber Hand gezogenSteigt sie zu Biondettas KammerUnd spricht schüchtern: "Willst du Rosen?

Rosen, rot wie deine Wangen,Kerzen, rein und schlank gezogen,Wie dein klarer Leib gestaltet?"Sprichts und zieht das Tuch vom Korbe.

Kann die Antwort nicht erwarten,Setzt sich nieder an den Boden,Fleht: "O schlage an die Harfe,Singe, singe rein und golden!"

Und Biondetta spricht: "O klareJungfrau, schöne Harfe Gottes,Woll an meinem Herzen schlagenVon den Armen lieb umschlossen!"

Und es sinket RosablankeIhr ans Herz, und heilig lodertÜber sie die Gottesflamme,Daß die Seelen dicht verschmolzen.

Daß von ihren süßen Wangen,Von den rot und weißen Rosen,Von dem Klang verborgner HarfenHeilge Tränenquellen flossen.

"Hörst du, hörst du, wie vom KlangeMir des Herzen Saiten pochen,Wie von göttlichem GesangeSich ein Netz um uns gezogen?

O, wer bist du? meine ArmeHaben einen Schatz gehoben;O, wer sind wir, die sich fanden?Sprich, wo wir uns einst verloren?"

Also ward in süßen FragenIhrer Arme Bund erschlossen,Der mit heimlichen GewaltenIhrer Seele Bund geschlossen.

"Da ich früh heut am AltareEinen Rosenkranz geflochten,Fühlte ich in dem Gesange,Liebe, mich an dich verloren.

Durch die Rosen meines KranzesUnd durch meines Blutes Rosen,Die in Lieb und Andacht wachsen,Flocht ich deine Töne golden!" —

"Da ich dich gesehn beim MahleMit dem Knaben, Lamm und Vogel,Fühlte ich ein tief Erbarmen,Daß ich hier so einsam wohne.

Wie ein Himmelsglanz die KammerHeilgen Möchen in VisionenFüllet, also füllte strahlendMich Verlangen, Lieb und Hoffen!"

Um sich blicket Rosablanke,Sieht das Stübchen wohl geordnet,Spiegelblank sind Stuhl und Tafel,Schrank und Wand von edlem Holze.

Reicher Stoff in reichen FaltenSchwebet um der Fenster Bogen,Und ein Bilderteppich spannetAugerquickend sich am Boden.

Und wo es erwünscht, da ragenAn den Wänden, halb erhoben,Kunstgebildete Gestalten:Mensch und Vase schön geformet.

Marmor, Glas und Alabaster,Erze, Silber, Gold und Bronze,Die Metalle und KristalleSprechen, was der Meister wollte.

"Reich ist, Jungfrau, wohl dein Vater,Der dir all dies Gut erworben?Solchen Reichtum zu betrachten,Ist mir füher nie geworden." —

"Nur der Welt gehört dies alles,"Spricht Biondetta, "aber folgeJetzt mir auch zum eigenen Schatze,Den ich selber mir erworben.

Trete in die enge Kammer,Sieh mein Bett von trocknem Moose,Wo ich mit dem Licht erwache,Mit der Schwalbe Gott zu loben.

Vor dem Fenster schwebt ein GartenAuf der alten Mauerkrone,Wo zwei süße NachtigallenMeine Lieder wiederholen.

Aber deine Augen fragen,Was das Tüchlein dort verborgenÜber meinem Betstuhl halte:Sieh, das Bildnis einer Nonne.

Schlecht ist nur das Bild gemalet,Doch in seinen Zügen wohnetStrenge, die mich liebreich strafet,Liebe, die mich ernsthaft lobet.

Heiliger als alles, alles,Ist mir dieses Bild geworden,Seinen Linnenvorhang achteHöher ich, als sei er golden.

Aber über deine WangenSeh ich sanfte Tränen rollen?""Kann ich," saget Rosablanke,"Vor dem Bild nicht weinen wollen?

Denn ich seh auf seinen WangenBlasser Lilien Kelch erschlossen,Der von Tränen bittren GramesBis zum Tode überflossen.

Wer hat dir das Bild gemalet,Wer hat dir das Tuch gesponnen,Daß sie lieb dir über allesUnd mir auch so lieb geworden?" —

"Was ich weiß, sollst du erfahren,"Spricht Biondetta, "doch zu sorgenBleibt mir vieles noch heut Abend;Ich muß meinen Putz noch ordnen;

Muß noch stimmen Leir und HarfeUnd die Lieder wiederholen,Denn schon mahnet mich der SchattenMeiner Uhr dort an der Sonne."

Schüchtern fraget Rosablanke:"Hohe Gäste hat entbotenWohl dein Vater für heut Abend,Die so reichen Putz erfordern?" —

"Alles das will ich dir sagen,"Spricht Biondetta, "doch nun folgeMir zu meinem Kleiderschranke,Hilf mir die Gewande ordnen."

Vor den Blicken RosablankensStehn die blanken Türen offen:Ach die seltsamen GewandeUnd die bunten, reichen Stoffe,

Und die schönen Blumen, wankendBei den Sternen silbern, golden,Wie die zarten Federn schwanken # schwonkenUm die leichten, duftgen Flore,

Wie die Diamanten strahlenLachend in rotgoldnen Kronen,Wie die Perlenschnüre fallenWeinend durch des Purpurs Wogen.

Und in blanken SilberpanzernSpiegeln dunkle Seidenrosen,Windend sich um Schwert und LanzeAus des Goldhelms stolzem Schoße.

Muschelhut und PilgerflascheHängt am sarazenschen Bogen,Falsche Stern und Monde prangenAuf des Turbans üppgen Wolken.

Flitterschuhe und Sandalen,Bei Kothurn und GoldpantoffelnUnd gespornten Schienen, paarenTraulich unten sich am Boden.

"Reich ist, Jungfrau, wohl dein Vater,Der dir all dies Gut erworben?" —"Nur der Welt gehört dies alles,Ich bin freier Künste Tochter.

Muß auf offner Bühne tanzen,Bin zur Lust der Welt erzogen;Heute sind es nun sechs Jahre,Daß ich sang die erste Rolle.

Heute sind es zwanzig Jahre,Daß ich bin gefunden wordenAls ein Kindlein am Altare,Wo du früh den Kranz geflochten.

Findelkind Mariens nannteMich die Tänzrin, die hier wohnte,Ihr verdank ich Sang und Harfe,Sie ist meine Mutter worden.

Was mit Staunen du betrachtest,Ist das Gut, das sie erworbenUnd mir gütig hat gelassen,Als ich sie im Tod verloren.

Da zur Jungfrau ich erwachsen,Übernahm ich ihre Rollen,Und sie hat vom offnen WandelSich zu Gott zurückgezogen.

In dem Kloster zu Sankt ClarenWard sie endlich aufgenommen.Und im heilgen Kleid begrabenAls ein Mitglied jenes Ordens.

Sterbend hat sie mir gestanden,Daß ich ihre Findeltochter,Und mir Zeit und Ort gesaget,Da ich bin gefunden worden,

In dem Tüchlein eingeschlagen,Mit dem Bilde jener Nonne,Und dem Ringlein, das ich trage,Am Altare bei dem Bronnen.

Heute sind es zwanzig Jahre;Freitag nachts, als aus der OperEinsam sie nach Haus gegangen,Nahm sie auf mich von dem Boden.

Hat mit mir sich in der KammerMutterheimlich eingeschlossen,Und von den gemalten WangenLiebestränen auf mich flossen.

Da sie sterbend mir dies sagte,Fragt ich: wer hat mich geboren?Doch sie konnte mirs nicht sagen,Ihre Lippe war verschlossen.

Ihre Blicke, aufgeschlagen,Sahen nach dem Bild der Nonne,Und auf ihre bleichen WangenKalte Tränen niederflossen,

Die noch traurig darauf standenAls ich ihr das Aug geschlossen;Und so sind mit ihr mir ArmenBeide Mütter mir gestorben:

Die mich hilflos mußte lassenAls sie mich zum Lichte geboren,Die mich treu in ihre ArmeAls ein Kind hat aufgenommen.

Heute nun zum letzten MaleWill ich tanzen in der Oper,Will ich meine Wangen malenMeiner Lehrerin zum Lobe,

In der Künste bunter FlammeIhrem Leben noch dies Opfer,Und dann fromm die jungen TageOpfern ihrem selgen Tode."

Alles höret Rosablanke,Dinge, die sie nie vernommen,Über manches möcht sie fragen,Stünd der Schrank nicht vor ihr offen.

Lange steht sie vor den Masken,Wie umgafft von fremden Volke;Kindisch wagt sie nicht zu fragen,Wer die Augen ausgestochen.

Doch fragt sie bei Armors Larve,Der ein Band von leichtem FloreUm die Augen war gefaltet:"Ist ihm auch das Aug genommen?" —

"Da ich einstens trug die Larve,Sprach Apone unterm Volke:Wer darf deine Mutter tadeln,Wenn du spielst des Vaters Rolle!

Da erglühten meine Wangen,Durch die Maskenöffnung rolltenHeiße Tränen, und die FarbenUm die Augen her verloschen.

Darum hab ich mit dem BandeDiesen Schaden schnell verborgen,Und blieb ferner an dem AbendVon dem Toren unverspottet.

Aber nun sollst du die HaareMir für heute Abend ordnen,Wie um eine SilbernadelDu die deinen hast geflochten.

Willst du mir die Zöpfe machen?Ich knie nieder an den Boden,Und indessen sollst du sagen,Wer dein Vater, wo du wohnest."

Und sie flicht Biondettens Haare,Windet sie in feste Knoten,Während sie vom RosengartenSpricht und von dem Vater Kosme.

Wie im Traume heut die SchlangeGegen sie emporgeschossen,Wo der ernste Mann gegraben,Der versunken in den Boden.

Wie dann später am AltareSie ihn wieder angetroffen:"Ach, da hört ich deine Harfe,Hab mit ihm den Kranz geflochten!

Und jetzt hat der blonde KnabeMit dem Lamme und dem VogelZu bedenken ernst ermahnet,Was der ernste Mann gesprochen.

Ach, ich bin mit Angst umfangen!Mich umdrängen diesen MorgenJener Mann, der Knab, die Schlange,Du, dein Glanz, das Bild der Nonne!

Beten will ich noch heut Abend,Beten, recht von Herzen, morgenAn der armen Mutter Grabe,Die mich sterbend hat geboren.

Auch sie ruhet bei Sankt Claren;Ich hab morgen angeordnetIhre Messe, eh es taget;Willst auch du hin beten kommen?

Aber halte fest, du wankest!Sieht, jetzt durch den FlechtenknotenSteck ich meine Silbernadel,Bleib der Geberin gewogen!"

Und Biondetta spricht: "Die NadelWill ich heut ins Herz mir stoßen,Wenn ich auf des Spieles BahnenMich dem schönsten Tode opfre.

Wenn die Fluten des GesangesWeltlich alle sind zerronnen,Wenn die Schwingungen des TanzesAlle nieder sind gezogen.

Wenn die Saiten meiner HarfeWeltlich alle sind gebrochen,Denk ich deiner, Rosablanke,Dient die Nadel mir zum Dolche!

Und das Ringlein, das ich trage,Das mit mir gefunden worden,Nimm es hin zur Gegengabe!Also bin ich dir gewogen!

Aber wähl auch aus dem SchrankeIrgend ein Gewand dir, Holde!Zur Erinnrung dieses TagesZeige es dem Vater Kosme.

Morgen will ich Sankt ClarenZu der Totenmesse kommen,Und dann dir zum RosengartenDeines ernsten Vaters folgen."

Lange wählet RosablankeWelch Gewand sie nehmen sollte,Und Biondetta singt zur Harfe,Ihre Rolle wiederholend:

"Lebet wohl, ihr falschen Farben,Eitler Tränen Regenbogen,Sterne, die mit falschem GlanzeDienten einem Flittermonde!

Meine Tränen sollen wachsen,Daß sie mit den bittern WogenGanz mein Irdsches überwallen,Bis die Schuld ist hingenommen.

Aus dem Argen in die ArcheGeh ich, eine Tochter Noä,Kleide mich in schwarzer Farbe,Wie der Rabe ausgeflogen.

Kleide schwarz mich gleich dem Raben,Der als Bote ausgeflogen,Und so traurig auf den WassernSchwebte, bis sie abgenommen.

Schleire mich mit weißer FarbeGleich der Taube, die als BoteWiederkehrte mit dem Blatte,Das dem Friedensbaum entsprossen.

Sei gegrüßt, du Tag der Gnade!Durch den Friedensbogen GottesWill ich zu den Vätern wallenAuf der Opferflamme Wolken."

Also sang sie. RosablankeWählt das Röcklein einer Nonne,Weiß den Schleier, schwarz den Mantel,Wie die beiden Friedensboten.

Da sie dies im Korb bewahret,Und ihn auf das Haupt gehoben,Singen scheidend sie zusammen,Wie Biondetta angehoben:

"Lebet wohl, ihr falschen Farben,Eitler Tränen Regenbogen,Sterne, die mit falschem GlanzeDienten einem Flittermonde!"

** Romanze V: Guidos Bild

Welch Getümmel in der Ferne,Welche wilde, freche Stimmen?Ach, ich höre Degen wetzen,Höre böse Klingen klirren!

Näher, näher um die Ecke,Ganz von Fechtenden umringet,Weicht Meliore, mit dem DegenHebt er künstlich auf die Stiche.

"Freistatt!" ruft er dann befehlend,Springend nach Mariens Bilde,"Diese Zuflucht müßt ihr ehren!"Und sein mutger Ruf gelinget.

Denn ein Angesehner stelletSich an seiner Gegner Spitze."Wackre Knaben, meine Herren,Lassen Sie uns hier besinnen,

Fromm und höflich unsre DegenSenken und fein salutieren,Höflich schöner Frauen wegen,Fromm vor dem Marienbilde!

Daß Meliore eingestehe,Daß uns Zucht und Sitte bindet,Wie für Wissenschaft gesehenEr die raschen Klingen blinken.

Darum will ich mit ihm reden,Unsern Streit nun auszumitteln!"Sprichts's und tritt dem Feind entgegen,Den die ganze Schar umzingelt.

Doch an den Altar gelehnet,Lauscht Meliore auf zur Linde,Er hat allen Streit vergessen,Denn er hört Biondettens Stimme.

Jener aber spricht: "Mein Bester,Keine Wahrheit ist zu findenHier in diesem bunten Leben,Darum laßt uns Frieden stiften!

Und da Liebe nur im SterbenKann gefunden" … "Stille, stille!"Spricht Meliore, "ach, es wehetAuch kein Lüftchen in der Linde!" —

"Willst du's kurz?" fragt dann der Redner.Und Meliore spricht ergimmet:"Schweigt sie, magst du ewig reden,Schweige ewig, wenn sie singet!"

Jener spricht, zurück sich wendend:"Schweigen sollen wir, sie singet!"Aber in dem Kreis erhebenHeftig schreiend sich die Stimmen:

"Er soll gleich zurück jetzt nehmen,Was er Apo sprach zum Schimpfe;Laßt uns mit dem Degen wetzendÜberlärmen seine Dirne!"

Und ein frecherer GeselleSchreit hinauf: "Ha! schweig sie stille,Heilge Jungfrau, um die WetteWollen wir mit ihr eins singen!"

Aber wütend an der KehlePackt Meliore ihn und ringetAn den Boden hin den Frevler,Und es heben sich die Klingen.

Alle dringen ihm entgegen;Auf den Altar fliehend springetNun Meliore, sich das LebenIn der heilgen Freistatt fristend.

"Seinen Mantel werfe jederNieder, der zu fechten willens,Jedes Klinge will ich messen,Dem ich Ehre abgeschnitten;

Und da vor so vielen GegnernIch wohl keine Rettung finde,Darum laßt zu Gott mich betenNur noch wenge Augenblicke!"

Eine tiefe Stille ehretSeine Bitte, und er kniet;Und von zwölfen breiten elfeIhre Mäntel um die Linde.

Wie zwei aufgeschreckte ReheIn gehemmter Flucht erzitterndStehn die Jungfraun stumm am Fenster,Niederblickend durch die Linde.

Als Meliore sie ersehenRuft er aufwärts: "Wenn ich sinke,Liebesengel, Todesengel,Bete für mich, wenn ich sinke!"

Und nun springt er an die Erde,Seinen Rücken deckt die Linde,Zierlich grüßt er mit dem DegenJeden in dem weiten Ringe.

Doch zuerst tritt ins GefechtDen er niederwarf im Grimme,Und in tiefen Ängsten schwebendStehn die Jungfrauen und singen:

"Gott und Vater, soll er sterben,Lasse seinen Zorn sich stillen,Daß er möge Heil erwerbenUm Herrn Jesu Leiden willen!

Gott und Sohn! Schirm den Gerechten,Decke ihn mit deinem Schilde,Lasse ihn mit Ehren fechtenHier vor deiner Mutter Bilde!

Heilger Geist, das Herz erhelleIhm, dem frommen Schwertumklirrten,Daß der böse Feind nicht stelleSchlingen dem im Streit Verwirrten!

Und Maria, Mutter, helfe,Daß er seinen Judas finde,Denn hier stehen wieder zwölfe,Wie bei deinem heilgen Kinde!" —

"Gleiche Rechte, gleiche Rechte!"Ruft der Gegner, "Brüder singet!Hat er sich Musik bestellet,Laßt mir auch ein Lied erklingen!"

Und es bricht aus vollen KehlenEin Gesang mit wildem Grimme;An den stillen Mauern brechenWidergellend sich die Stimmen:

"Blanke Jungfern, blanke DegenMuß man küssen, muß man schwingen;Der Schwertfeger weiß zu fegen,Sind sie rostig, unsre Klingen!

Wenn der Metzger Messer wetzet,Muß sein Weib ein Lied ihm singen,Und das Kalb, vom Hund gehetzet,Hilft sie leichter ihm bezwingen.

Wetzt, ihr Brüder, wetzt die Degen,Weil die schöne Jungfer singet,Weil das Kalb sie uns entgegenSingend aus dem Stalle bringet.

Blanke Jungfern, blanke Degen,Muß man küssen, muß man schwingen;Der Schwertfeger weiß zu fegen,Sind sie rostig, unsre Klingen!"

Und schon mehret sich die Menge,Hergelockt aus allen Winkeln,Und es drohet aus der FerneSchon der schwere Tritt der Sbirren.

Von dem wilden Sang erwecket,Kam nun Apo auch zu Sinnen,Der in seiner Weisheit NetzenHing wie eine giftge Spinne.

Und kaum trat er auf die Schwelle,Nähert sich der heilgen Linde,Als ein Lebehoch entgegenIhm von allen Lippen dringet.

Aber vor ihm fliegt ein Degen,Senkrecht in die Erde dringend,Den Meliore seinem GegenerKräftig aus der Faust legierte.

Und Apone fragt verlegen:"Wer hat diesen Gruß geschicket?"Und Meliore spricht: "Vergebet,Es ist meines Gegners Klinge.

Nicht um Ehre, noch um LebenFecht ich hier, bloß um die Klinge:Diese euch zu Füßen legend,Wählt mein Glück euch selbst zum Richter.

Und ich reich euch meinen Degen,Weil ich kann mit beßrer SitteWeder rechten hier, noch fechten!"Spricht Apone — "Werdet stille!

Denn es ist ein schwerer Frevel,Jetzt Tumulte anzuspinnen,Da der ganze Staat sich trennetIn zwei feindliche Partien.

Wer jetzt offnen Lärm erreget,Gleicht der Krähe, welche pickendAuf dem hohen AlpenschneeAnstoß gibt zu den Lawinen,

Die sich wälzend mächtig schwellenUnd verderbend niederdringen,Mit des kalten Eises DeckeStädt und Dörfer überrinnend.

Übt ihr also meine Lehre,Die euch auf die stolze SpitzeHöhrer Anschauung gestelletDer Natur und der Geschichte?

O, ihr kramt noch im Elenden,Streitend um gemachte Lichter,Ihr, die ich so frei gelehretMit den Sternen umzuspringen!

Wollt ihr hier die GieremeiUnd die Lambertazzi spielen,Die blind gen einander fechtendTöricht hier ihr Blut vergießen?

Welcher Jammer könnt entstehen,Wenn, in euern Lärm sich mischend,Die argwöhnenden GeschlechterSich erblickten und erhitzten?

Und schon seh ich allerwegenMüßig Volk heran sich ziehen.Stecket ruhig ein die Degen,Tretet um mich bei der Linde.

Wer war unter euch zugegenUnd nicht in den Streit verwickelt?Er soll treulich das EntstehenDieses Kampfes mir berichten."

Aufgefordert naht der Redner,Beißt rhetorisch sich die Lippe:"Meister, deine Weisheit ehrend,Preis ich selig mein Geschicke,

Daß mir ward ein großer Lehrer,Der mich lehrte Frieden stiften.Früher schon war mein Bestreben,Diesen Zwiespalt zu vermitteln.

Doch mir war der Wind entgegen,Der hier weht durch diese Linde,Und die reizende Sirene,Die in diesen Meeren singet.


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