Das sechste Capitel.

Ein jeder Tag bricht dir was abVon deiner Schönheit biß ins Grab.

Ein jeder Tag bricht dir was abVon deiner Schönheit biß ins Grab.

Und es müste mich auch noch auf diese Stund reuen, wann ich weniger gethan hätte. Endlich machte ichs so grob, daß die Leute anfiengen mit Fingern auf mich zu zeigen, und ich mir wol einbilden konte, die Sach würde so in die Länge kein Gut thun; dann ich schlug zuletzt dem Geringen auch keine Reis[51]ab. Meine Wirthin war mir treulich beholfen und hatte auch ihren ehrlichen Gewinn davon. Sie lernete mich allerhand feine Künste, die nicht nur leichtfertige Weiber können, sondern auch solche, damit sich theils lose Männer schleppen, so gar daß ich mich auch fest machen und einem jeden, wann ich nur wolte, seine Büchsen zubannen konte. Und ich glaube, wann ich länger bei ihr blieben wäre, daß ich auch gar hexen gelernt hätte. Demnach ich aber getreulich gewarnet wurde, daß die Obrigkeit unser Nest ausnehmen und zerstören würde, kaufte ich mir eine Calesch und zwei Pferd,dingte einen Knecht und machte mich damit unversehens aus dem Staub, weil ich eben gute Gelegenheit hatte, sicher nach Prag zu kommen.

Fußnoten:[40]genau, sparsam.[41]Daus-Es,Daus-As, 2 und 1 im Kartenspiel = durchtriebenes Weib.[42]Hofbursch, Bursch = Gesellschaft, die Hofleute.[43]sich enthalten, sich aufhalten.[44]aufsetzen, frisieren und coiffieren.[45]Amadis, vgl. die Einleitung.[46]dörfen, wagen.[47]Anwurf, erster Angriff.[48]An derselben Krankheit litten wie der Graf, ebenso verliebt waren.[49]columbinen,colombin,couleur gorge de pigeon, taubenhalsfarbig[50]malzern, malzen, figürlich Ausbeute machen.[51]Reise, Dienst.

[40]genau, sparsam.

[40]genau, sparsam.

[41]Daus-Es,Daus-As, 2 und 1 im Kartenspiel = durchtriebenes Weib.

[41]Daus-Es,Daus-As, 2 und 1 im Kartenspiel = durchtriebenes Weib.

[42]Hofbursch, Bursch = Gesellschaft, die Hofleute.

[42]Hofbursch, Bursch = Gesellschaft, die Hofleute.

[43]sich enthalten, sich aufhalten.

[43]sich enthalten, sich aufhalten.

[44]aufsetzen, frisieren und coiffieren.

[44]aufsetzen, frisieren und coiffieren.

[45]Amadis, vgl. die Einleitung.

[45]Amadis, vgl. die Einleitung.

[46]dörfen, wagen.

[46]dörfen, wagen.

[47]Anwurf, erster Angriff.

[47]Anwurf, erster Angriff.

[48]An derselben Krankheit litten wie der Graf, ebenso verliebt waren.

[48]An derselben Krankheit litten wie der Graf, ebenso verliebt waren.

[49]columbinen,colombin,couleur gorge de pigeon, taubenhalsfarbig

[49]columbinen,colombin,couleur gorge de pigeon, taubenhalsfarbig

[50]malzern, malzen, figürlich Ausbeute machen.

[50]malzern, malzen, figürlich Ausbeute machen.

[51]Reise, Dienst.

[51]Reise, Dienst.

Courage kommt durch wunderliche Schickung in die zweite Ehe und freiete einen Hauptmann, mit dem sie trefflich glückselig und vergnügt lebte.

Courage kommt durch wunderliche Schickung in die zweite Ehe und freiete einen Hauptmann, mit dem sie trefflich glückselig und vergnügt lebte.

Ich hätte zu Prag feine Gelegenheit gehabt, mein Handwerk ferners zu treiben; aber die Begierde, meine Kostfrau zu sehen und meine Eltern zu erkundigen, triebe mich, auf Bragoditz zu reisen, welches ich als in einem befriedeten[52]Land sicher zu thun getraute. Aber potz Herz, da ich an einem Abend allbereit den Ort vor mir liegen sahe, da kamen eilf Mansfeldische Reuter, die ich, wie sonst jederman gethan hatte, vor kaiserisch und gutfreund ansahe, weil sie mit rothen Scharpen oder Feldzeichen mundirt waren. Diese packten mich an und wanderten mit mir und meinem Calesch dem Böhmerwald zu, als wann sie der Teufel selbst gejagt hätte. Ich schrei[53]zwar, als wann ich an einer Folter gehangen wäre, aber sie machten mich bald schweigen. Um Mitternacht kamen sie in eine Meierei, die einzig vorm Wald lag, allwo sie anfiengen zu füttern und mit mir umzugehen, wie zu geschehen pflegt, welches mir zwar der schlechteste Kummer war, aber es wurde ihnen gesegnet wie dem Hund das Gras; dann indem sie ihre viehische Begierden sättigten, wurden sie von einem Hauptmann, der mit dreißig Dragonern eine Convoy nach Pilsen verrichtet hatte, überfallen und, weil sie durch falsche Feldzeichen ihren Herren verläugnet, alle mit einander niedergemacht. Das Meinige hatten die Mansfeldische noch nicht gepartet[54], und demnach ich kaiserlichen Paß hatte und noch nicht 24 Stund in Feinds Gewalt gewesen, hielte ich dem Hauptmann vor, daß er mich und das Meinige vor keine rechtmäßige Beuten halten und behalten könte. Er muste es selbst bekennen, aber gleichwol, sagte er, wäre ich ihm um meinerErlösung willen obligiert, er aber nicht zu verdenken, wann er einen solchen Schatz, den er vom Feind erobert, nicht mehr aus Händen zu lassen gedächte; seie ich eine verwittibte Rittmeisterin, wie mein Paß auswiese, so seie er ein verwittibter Hauptmann; wann mein Will darbei wäre, so würde die Beut bald getheilt sein; wo nicht, so werde er mich gleichwol mitnehmen und hernach erst mit einem jedwedern disputirn, ob die Beute rechtmäßig sei oder nicht. Hiermit ließe er genugsam scheinen, daß er allbereit den Narrn an mir gefressen, und damit er das Wasser auf seine Mühl richtete, sagte er, diesen Vortheil wolte er mir lassen, daß ich erwählen möchte, ob er die Beute unter seine ganze Bursch[55]theilen solte, oder ob ich vermittelst der Ehe samt dem Meinigen allein sein verbleiben wolte, auf welchen Fall er seine bei sich habende Leute schon bereden wolte, daß ich mit dem Meinigen keine rechtmäßige Beute, sonder ihme allein durch die Verehelichung zuständig worden wäre. Ich antwortete, wann die Wahl bei mir stünde, so begehrte ich deren keins, sondern meine Bitte wäre, sie wolten mich in meine Gewahrsam passieren lassen. Und damit fienge ich an zu weinen, als wann mirs gründlicher Ernst gewesen wäre, nach den alten Reimen:

Die Weiber weinen oft mit Schmerzen,Aber es geht ihn nicht von Herzen,Sie pflegen sich nur so zu stellen;Sie können weinen, wann sie wöllen.

Die Weiber weinen oft mit Schmerzen,Aber es geht ihn nicht von Herzen,Sie pflegen sich nur so zu stellen;Sie können weinen, wann sie wöllen.

Aber es war meine Meinung, ihm hierdurch Ursach zu geben, mich zu trösten, sich selbst aber stärker zu verlieben, sintemal mir wol bewust, daß sich die Herzen der Mannsbilder am allermeisten gegen dem weinenden und betrübten Frauenzimmer zu öffnen pflegen. Der Poß gienge mir auch an, und indem er mir zusprach und mich seiner Liebe mit hohem Betheuren versicherte, gab ich ihm das Jawort, doch mit diesem ausdrücklichen Beding und Vorbehalt, daß er mich vor der Copulation im geringsten nicht berühren solte, welches er beides verheißen und gehalten, biß wir in die Mansfeldische Befestigungen zu Weidhausen[56]ankamen, welches eben damals dem Herzogen aus Baiern vom Mannsfelder selbst per Accord übergeben worden. Und demnach meines Serviteurs heftigeLiebe wegen unsers Hochzeitfests keinen längern Verzug gedulden mochte, ließe er sich mit mir ehelich zusammen geben, ehe er möchte erfahren, wormit die Courage ihr Geld verdienet, welches kein geringe Summa war. Ich war aber kaum einen Monat bei der Armee gewesen, als sich etliche hohe Officierer fanden, die mich nicht allein zu Wien gekant, sondern auch gute Kundschaft mit mir gehabt hatten. Doch waren sie so bescheiden[57], daß sie weder meine noch ihre Ehr offentlich ausschrien. Es gieng zwar so ein kleines Gemurmel um, darüber ich aber gleich wol keine sonderliche Beschwerung empfand, außer daß ich den Namen Courage wiederum gedulden muste.

Sonst hatte ich einen guten geduldigen Mann, welcher sich eben so hoch über meine gelbe Batzen als wegen meiner Schönheit erfreute. Diese hielte er gesparsamer zusammen, als ich gerne sahe. Gleich wie ich aber solches geduldete, also gab er auch zu, daß ich mit Reden und Geberden gegen jederman desto freigebiger sein dorfte. Wann ihn dann jemands vexierte, daß er mit der Zeit wol Hörner kriegen dörfte, antwortet er auch im Scherz, es seie sein geringstes Anliegen; dann ob ihm gleich einer über sein Weib komme, so lasse ers jedoch bei dem, was ein solcher ausgerichtet, nicht verbleiben, sondern nehme Zeit, dieselbe fremde Arbeit wieder anders zu machen. Er hielte mir jederzeit ein trefflich Pferd, mit schönem Sattel und Zeug montirt. Ich ritte nicht wie andere Officiersfrauen in einem Weibersattel, sondern auf einem Mannssattel, und ob ich gleich überzwergs saße, so führte ich doch Pistolen und einen türkischen Säbel unter dem Schenkel, hatte auch jederzeit einen Stegreif auf der andern Seiten hangen und war im übrigen mit Hosen und einem dünnen taffeten Röcklein darüber also versehen, daß ich all Augenblick schrittling sitzen und einen jungen Reuterskerl präsentirn konte. Gab es dann eine Rencontra gegen dem Feinde, so war mir unmüglich, apart[58]nicht mit zu machen. Ich sagte vielmalen, eine Dame, die sich gegen einem Mann zu Pferd zu wehren nicht wagen dörfte, solte auch kein Plümage[59]wie ein Mann tragen. Und demnach mir es bei etlichen Betteltänzen glückte, daß ich Gefangne kriegte, die sich keine Bärnhäuter zu sein dunken, wurde ich so kühn, wann dergleichen Gefecht angieng, auch einen Carbineroder, wie mans nennen will, ein Bandelierrohr an die Seite zu hängen und neben dem Troupen auch zweien zu begegnen, und solches desto hartnäckiger, weil ich und mein Pferd vermittelst der Kunst, die ich von vielgedachter meiner Wirthin erlernet, so hart war, daß mich keine Kugel öffnen[60]konte.

So giengs und so stund es damal mit mir; ich machte mehr Beuten als mancher geschworner Soldat, welches auch Manchen und Manche verdroß; aber da fragte ich wenig nach, dann es gab mir Schmalz auf meine Suppen. Die Verträulichkeit meines sonst (gegen meiner Natur zu rechnen) ganz unvermöglichen Manns verursachte, daß ich ihm gleichwol Farb hielte, ob sich gleich Höhere als Hauptleute bei mir anmeldeten, die Stelle seines Leutenants zu vertreten, dann er ließe mir durchaus meinen Willen. Hingegen war ich nichts desto weniger bei den Gesellschaften lustig, in den Conversationen frech, aber auch gegen dem Feind so heroisch als ein Mann, im Feld so häuslich und zusammenhebig[61]als immer ein Weib, in Beobachtung der Pferde besser als ein guter Stallmeister, und in den Quartieren von solcher Prosperität, daß mich mein Hauptmann nicht besser hätte wünschen mögen. Und wann er mir zu Zeiten einzureden Ursach hatte, litte er gerne, daß ich ihm Widerpart hielte und auf meinen Kopf hinaus fuhr, weil sich unser Geld so sehr dardurch vermehrte, daß wir einen guten Particul darvon in eine vornehme Stadt zu verwahren geben musten. Und also lebte ich trefflich glückselig und vergnügt, hätte mir auch meine Tage keinen anderen Handel gewünscht, wann nur mein Mann etwas besser beritten gewest wäre. Aber das Glück oder mein Fatum ließe mich nicht lang in solchem Stand, dann nachdem mir mein Hauptmann bei Wißlach todt geschossen wurde, sihe, so ward ich wiederum in einer kurzen Zeit zu einer Wittib.

Fußnoten:[52]befriedet, wo Frieden ist.[53]schrei, schrie (mhd.schrei,part.vonschrien).[54]gepartet, getheilt (von der Beute).[55]Bursch, Gesellschaft, Haufen.[56]Weidhausen. Vgl. die Einleitung.[57]bescheiden, verständig, discret.[58]apart, abgesondert, allein.[59]Plümage, Federbusch.[60]öffnen, in etwas eindringen, verwunden.[61]zusammenhebig, haushälterisch, wirtschaftlich.

[52]befriedet, wo Frieden ist.

[52]befriedet, wo Frieden ist.

[53]schrei, schrie (mhd.schrei,part.vonschrien).

[53]schrei, schrie (mhd.schrei,part.vonschrien).

[54]gepartet, getheilt (von der Beute).

[54]gepartet, getheilt (von der Beute).

[55]Bursch, Gesellschaft, Haufen.

[55]Bursch, Gesellschaft, Haufen.

[56]Weidhausen. Vgl. die Einleitung.

[56]Weidhausen. Vgl. die Einleitung.

[57]bescheiden, verständig, discret.

[57]bescheiden, verständig, discret.

[58]apart, abgesondert, allein.

[58]apart, abgesondert, allein.

[59]Plümage, Federbusch.

[59]Plümage, Federbusch.

[60]öffnen, in etwas eindringen, verwunden.

[60]öffnen, in etwas eindringen, verwunden.

[61]zusammenhebig, haushälterisch, wirtschaftlich.

[61]zusammenhebig, haushälterisch, wirtschaftlich.

Courage schreitet zur dritten Ehe und wird aus einer Hauptmännin eine Leutenantin, triffts aber nicht so wol als vorhero, schlägt sich mit ihrem Leutenant um die Hosen mit Prügeln und gewinnet solche durch ihre tapfere Resolution und Courage; darauf sich ihr Mann unsichtbar macht und sie sitzen läßt.

Courage schreitet zur dritten Ehe und wird aus einer Hauptmännin eine Leutenantin, triffts aber nicht so wol als vorhero, schlägt sich mit ihrem Leutenant um die Hosen mit Prügeln und gewinnet solche durch ihre tapfere Resolution und Courage; darauf sich ihr Mann unsichtbar macht und sie sitzen läßt.

Mein Mann war kaum kalt und begraben, da hatte ich schon wiederum ein ganz Dutzend Freier und die Wahl darunter, welchen ich aus ihnen nehmen wolte, dann ich war nicht allein schön und jung, sondern hatte auch schöne Pferd und ziemlich viel alt Geld, und ob ich mich gleich vernehmen ließe, daß ich meinem Hauptmann sel. zu Ehren noch ein halb Jahr trauren wolte, so konte ich jedoch die importune Hummeln, die um mich wie um einen fetten Honighafen, der keinen Deckel hat, herum schwärmten, nicht abtreiben. Der Obriste versprach mir bei dem Regiment Unterhalt und Quartier, biß ich mein Gelegenheit anders anstellte; hingegen ließe ich zween von meinen Knechten Herrendienste versehen, und wann es Gelegenheit gab, bei deren ich vor mein Person vom Feind etwas zu erschnappen getraute, so sparte ich meine Haut so wenig als ein Soldat, allermaßen ich in dem anmuthigen und fast lustigen Treffen bei Wimpfen einen Leutenant und im Nachhauen unweit Heilbrunn einen Cornet samt seiner Standart gefangen bekommen. Meine beide Knechte aber haben bei Plünderung der Wägen ziemliche Beuten an baarem Geld gemacht, welche sie unserem Accord gemäß mit mir theilen musten. Nach dieser Schlacht bekam ich mehr Liebhaber als zuvor, und demnach ich bei meinem vorigen Mann mehr gute Täge als gute Nächte gehabt, zumalen wider meinen Willen seit seinem Tod gefastet, sihe, so gedachte ich, durch meine Wahl alle solche Versaumnus wieder einzubringen, und versprach mich einem Leutenant, der meinem Bedunken nach alle seine Mitbuhler beides an Schönheit, Jugend, Verstand und Tapferkeit übertraf. Dieser war von Geburt ein Italianer und zwar schwarz von Haaren, aber weiß von Haut und in meinen Augen so schön, daß ihn kein Maler hätte schöner malen können. Er bewiese gegen mir fast eine Hundsdemuth, biß er mich erlöffelt,und da er das Jawort hinweg hatte, stellte er sich so Freuden voll, als wann Gott die ganze Welt beraubt und ihn allein beseligt hätte. Wir wurden in der Pfalz copuliert und hatten die Ehre, daß der Obriste selbst neben den meisten hohen Officiern des Regiments bei der Hochzeit erschienen, die uns alle vergeblich viel Glück in eine langwürige Ehe wünschten.

Dann nachdem wir nach der ersten Nacht bei Aufgang der Sonnen beisammen lagen, zu faulenzen, und uns mit allerhand liebreichem und freundlichem Gespräch unterhielten, ich auch eben aufzustehen vermeinte, da rufte mein Leutenant seinem Jungen zu sich vors Bette und befahl ihm, daß er zween starke Prügel herbei bringen solte. Er war gehorsam, und ich bildete mir ein, der arme Schelm würde dieselbe am allerersten versuchen müssen, unterließe derowegen nicht, vor den Jungen zu bitten, biß er beide Prügel brachte und auf empfangenen Befelch auf den Tisch zum Nachtzeug legte. Als nun der Jung wieder hinweg war, sagte mein Hochzeiter zu mir: »Ja, Liebste, ihr wißt, daß jederman davor gehalten und geglaubt, ihr hättet bei euers vorigen Manns Lebzeiten die Hosen getragen, welches ihme dann bei ehrlichen Gesellschaften zu nicht geringer Beschimpfung nachgeredet worden. Weil ich dann nicht unbillich zu besorgen habe, ihr möchtet in solcher Gewohnheit verharren und auch die meinige tragen wollen, welches mir aber zu leiden unmüglich oder doch sonst schwer fallen würde, sehet, so liegen sie dorten auf dem Tische und jene zween Prügel zu dem Ende darbei, damit wir beide uns, wann ihr sie etwan wie vor diesem euch zuschreiben und behaupten woltet, zuvor darum schlagen könten; sintemal mein Schatz selbst erachten kan, daß es besser gethan ist, sie fallen gleich jetzt im Anfang dem einen oder andern Theil zu, als wann wir hernach in stehender Ehe täglich darum kriegen.«

Ich antwortete: »Mein Liebster!« — und damit gab ich ihm gar einen herzlichen Kuß — »ich hätte vermeint gehabt, diejenige Schlacht, so wir einander vor dißmal zu liefern, seie allbereit gehalten. So hab ich auch niemalen in Sinn genommen, euere Hosen zu prätendirn; sondern, gleich wie ich wol weiß, daß das Weib nicht aus des Manns Haupt, aber wol aus seiner Seiten genommen worden, also habe ich gehofft, meinem Herzliebsten werde solches auch bekant sein, und er werde derowegen sich meines Herkommens erinnern und mich nicht, als wann ich von seinen Fußsohlen genommen wordenwäre, vor sein Fußtuch, sondern vor sein Ehegemahl halten, vornehmlich, wann ich mich auch nicht unterstünde, ihme auf den Kopf zu sitzen, sondern mich an seiner Seiten behülfe, mit demüthiger Bitte, er wolte diese abenteurliche Fechtschul einstellen.«

»Ha ha«, sagte er, »das sein die rechte Weibergriffe, die Herrschaft zu sich zu reißen, ehe mans gewahr wird. Aber es muß zuvor darum gefochten sein, damit ich wisse, wer dem anderen künftig zu gehorsamen schuldig.«

Und damit warfe er sich aus meinen Armen wie ein anderer Narr. Ich aber sprang aus dem Bette und legte mein Hemd und Schlafhosen an, erwischte den kürzsten, aber doch den stärksten Prügel und sagte: »Weil ihr mir je zu fechten befehlet und dem obsiegenden Theil die Oberherrlichkeit, an die ich doch keine Ansprach zu haben begehrt, über den Ueberwundenen zusprecht, so wäre ich wol närrisch, wann ich eine Gelegenheit aus Händen ließe, etwas zu erhalten, daran ich sonst nicht gedenken dörfte.«

Er hingegen auch nicht faul, dann nachdem ich also seiner wartete und er sein Hosen auch angelegt, ertappete er den andern Prügel und gedachte mich beim Kopf zu fassen, um mir alsdann den Buckel fein mit guter Muße abzuraumen. Aber ich war ihm viel zu geschwind, dann ehe er sichs versahe, hatte er eins am Kopf, davon er hinaus dürmelte[62], wie ein Ochs, dem ein Streich worden. Ich raffte die zween Stecken zusammen, sie zur Thür hinaus zu werfen, und da ich solche öffnete, stunden etliche Officier darvor, die unserem Handel zugehöret und zum Theil durch einen Spalt zugesehen hatten. Diese ließe ich lachen, so lang sie mochten, schlug die Thür vor ihnen wieder zu, warf meinen Rock um mich und brachte meinen Tropfen, meinen Hochzeiter wolte ich sagen, mit Wasser aus einem Lavor[63]wieder zu sich selbst. Und da ich ihn zum Tische gesetzt und mich ein wenig angekleidet hatte, ließe ich die Officier vor der Thür auch zu uns ins Zimmer kommen.

Wie wir einander allerseits angesehen, mag jeder bei sich selbst erachten. Ich merkte wol, daß mein Hochzeiter diese Officier veranlaßt, daß sie sich um diese Zeit vorn Zimmer einstellen und seiner Thorheit Zeugen sein solten; dann als sie den Hegel[64]gefoppet, er würde mir die Hosen lassen müssen,hatte er sich gegen ihnen gerühmt, daß er einen sonderbaren Vortheil[65]wisse, welchen er den ersten Morgen ins Werk setzen und mich dardurch so geschmeidig machen wolte, daß ich zittern würde, wann er mich nur schel ansehe. Aber der gute Mensch hätte es gegen einer anderen als der Courage probirn mögen; gegen mir hat er so viel ausgerichtet, daß er jedermans Gespött worden, und ich hätte nicht mit ihm gehauset, wann mirs nicht von Höheren befohlen und auferlegt worden wäre. Wie wir aber miteinander gelebet, kan sich jeder leicht einbilden, nämlich wie Hund und Katzen. Als er sich nun anderer Gestalt an mir nicht revangirn und auch das Gespött der Leute nicht mehr gedulden konte, rappelte er einsmals alle meine Baarschaft zusammen und gieng mit den dreien besten Pferden und einem Knecht zum Gegentheil[66]

Fußnoten:[62]dürmeln, türmeln, taumeln.[63]Lavor,lavoir, Waschbecken.[64]Hegel, Hag, Zuchtstier.[65]Vortheil, List.[66]Gegentheil, Gegenpartei, Feind.

[62]dürmeln, türmeln, taumeln.

[62]dürmeln, türmeln, taumeln.

[63]Lavor,lavoir, Waschbecken.

[63]Lavor,lavoir, Waschbecken.

[64]Hegel, Hag, Zuchtstier.

[64]Hegel, Hag, Zuchtstier.

[65]Vortheil, List.

[65]Vortheil, List.

[66]Gegentheil, Gegenpartei, Feind.

[66]Gegentheil, Gegenpartei, Feind.

Courage hält sich in einer Occasion trefflich frisch, haut einem Soldaten den Kopf ab, bekommt einen Major gefangen und erfährt, daß ihr Leutenant als ein meineidiger Ueberlaufer gefangen und gehenket worden.

Courage hält sich in einer Occasion trefflich frisch, haut einem Soldaten den Kopf ab, bekommt einen Major gefangen und erfährt, daß ihr Leutenant als ein meineidiger Ueberlaufer gefangen und gehenket worden.

Also wurde ich nun zu einer Halbwittib, welcher Stand viel elender ist, als wann eine gar keinen Mann hat. Etliche argwohneten, ich würde ihm folgen und wir hätten unsere Flucht also mit einander angelegt. Da ich aber den Obristen um Rath und Befelch fragte, wie ich mich verhalten solte, sagte er, ich möchte bei dem Regiment verbleiben, so wolte er mich, so lang ich mich ehrlich hielte, wie andere Witweiber verpflegen lassen. Und damit benahme ich jederman den gedachten Argwohn. Ich muste mich ziemlich schmal behelfen, weil mein Baarschaft ausgeflogen und meine stattliche Soldatenpferd fort waren, auf denen ich auch manche stattliche Beut gemacht; doch ließe ich meine Armuth nicht merken, damit mir keine Verachtung zuwüchse. Meine beide Knechte, die Herrndienste versahen, hatte ich noch samt einem Jungen und nochetlichen Schindmären oder Bagagepferden; davon und von meiner Männerbagage versilberte ich, was Geld galte, und machte mich wieder trefflich beritten. Ich dorfte zwar als ein Weib auf keine Partei reiten, aber unter den Fouragierern fande sich nicht meines gleichen. Ich wünschte mir oft wieder eine Battalia wie vor Wimpfen, aber was halfs? Ich muste der Zeit erwarten, weil man mir zu Gefallen doch keine Schlacht gehalten, wann ichs gleich begehrt hätte. Damit ich aber gleichwol auch wiederum zu Geld kommen möchte, dessen es auf dem Fouragieren selten setzte, ließe ich, beides um solches zu verdienen und meinen Ausreißer um seine Untreu zu bezahlen, mich von denen treffen, die spendierten; und also brachte ich mich durch und dingte mir noch einen starken Jungen zum Knecht, der mir muste helfen stehlen, wann die andere beide musten wachen. Das trieb ich so fort, biß wir den Braunschweiger über den Mayn jagten und viel der Seinigen darin ersäuften, in welchem Treffen ich mich unter die Unserige mischte und in meines Obristen Gegenwart dergestalt erzeigte, daß er solche Tapferkeit von keinem Mannsbild geglaubt hätte; dann ich nahme in der Caracole[67]einen Major vom Gegentheil vor seinem Troupen hinweg, als er die Charge redoupliren wolte; und als ihn einer von den Seinigen zu erretten gedachte und mir zu solchem Ende eine Pistol an den Kopf losbrennete, daß mir Hut und Federn darvon stobe, bezahlte ich ihn dergestalt mit meinem Säbel, daß er noch etliche Schritte ohne Kopf mit mir ritte, welches beides verwunderlich und abscheulich anzusehen war. Nachdem nun dieselbe Esquadron getrennet und in die Flucht gewendet worden, mir auch der Major einen ziemlichen Stumpen Goldsorten samt einer güldenen Ketten und kostbarlichen Ring vor sein Leben gegeben hatte, ließe ich meinen Jungen das Pferd mit ihm vertauschen und lieferte ihn den Unserigen in Sicherheit, begab mich darauf an die zerbrochne Brucken, allwo es in dem Wasser an ein erbärmlichs Ersaufen und auf dem Land an ein grausams Niedermachen gieng; und alldieweil noch ein jeder bei seinem Troupen bleiben muste, so viel immer möglich, packte ich eine Gutsche mit sechs schönen Bräunen an, auf welcher weder Geld noch lebendige Personen, aber wol zwo Kisten mit kostbaren Kleidern und weißem Zeug sich befanden. Ich brachte sie mit meinesKnechts oder Jungen Hülf dahin, wo ich den Major gelassen hatte, welcher sich schier zu Tod kränkte, daß er von einem solchen jungen Weib gefangen worden. Da er aber sahe, daß so wol in meinen Hosensäcken als in den Halftern Pistolen staken, die ich samt meinem Carbiner dort wieder lude und fertig machte, auch hörete, was ich hiebevor bei Wimpfen ausgerichtet, gab er sich wiederum etwas zufrieden und sagte, der Teufel möchte mit so einer Hexen etwas zu schaffen haben!

Ich gieng mit meinem Jungen, den ich eben so fest als mich und mein Pferd gemacht hatte, hin, noch mehr Beuten zu erschnappen, fande aber den Obristleutenant von unserem Regiment dort unter seinem Pferde liegen, der mich kante und um Hülf anschriee. Ich packte ihn auf meines Jungen Pferd und führte ihn zu den Unserigen in meine erst eroberte Gutsche, alda er meinem gefangnen Major Gesellschaft leisten muste. Es ist nicht zu glauben, wie ich nach dieser Schlacht so wol von meinen Neidern als meinen Gönnern gelobt wurde. Beide Theil sagten, ich wäre der Teufel selber; und eben damals war mein höchster Wunsch, daß ich nur kein Weibsbild wäre. Aber was wars drum? Es war null und verhümpelt[68]. Ich gedachte oft, mich vor einen Hermaphroditen auszugeben, ob ich vielleicht dardurch erlangen möchte, offentlich Hosen zu tragen und vor einen jungen Kerl zu passirn; hergegen hatte ich aber durch meine unmäßige Begierden so viel Kerl empfinden lassen, wer ich wäre, daß ich das Herz nicht hatte, ins Werk zu setzen, was ich gerne gewolt, dann so viel Zeugen würden sonst ein anders von mir gesagt und verursacht haben, daß es dahin kommen wäre, daß mich beides Medici und Hebammen beschauen müsten. Behalfe mich derowegen, wie ich konte, und wann man mir viel verweisen wolte, antwortet ich, es wären wol ehe Amazones gewesen, die so ritterlich als die Männer gegen ihren Feinden gefochten hätten. Damit ich nun des Obristen Gnad erhalten und von ihme wider meine Mißgönstige beschützt werden möchte, präsentirte ich ihm neben dem Gefangnen auch meine Gutsche mit samt den Pferden, darvor er mir 200 Reichsthaler verehrete, welches Geld ich samt dem, was ich sonst auf ein neues erschnappt und sonst verdienet hatte, abermal in einer namhaften Stadt verwahrte.

Indem wir nun Mannheim eingenommen und Frankenthal noch belagert hielten, und also den Meister in der Pfalz spielten, sihe, da schlugen Corduba und der von Anhalt abermal den Braunschweiger und Mannsfelder bei Floreack, in welchem Treffen mein ausgerissener Mann der Leutenant gefangen, von den Unserigen erkant und als ein meineidiger Ueberläufer mit seinem allerbesten Hals an einen Baum geknüpft worden, wordurch ich zwar wieder von meinem Mann erlöst und zu einer Wittib ward. Ich bekam aber so ein Haufen Feinde, die da sagten, die Strahlhex[69]hat den armen Teufel ums Leben gebracht, daß ich ihm das Leben gern länger gönnen und mich noch ein Weil mit ihm gedulden mögen, biß er gleichwol anderwärts ins Gras gebissen und einen ehrlichern Tod genommen, wann es nur hätte sein können.

Fußnoten:[67]Caracole, Schwenkung einer Schwadron auf die linke oder rechte Seite.[68]verhümpelt, verpfuscht.[69]Strahlhexe, wie Blitzhexe, Wetterhexe.

[67]Caracole, Schwenkung einer Schwadron auf die linke oder rechte Seite.

[67]Caracole, Schwenkung einer Schwadron auf die linke oder rechte Seite.

[68]verhümpelt, verpfuscht.

[68]verhümpelt, verpfuscht.

[69]Strahlhexe, wie Blitzhexe, Wetterhexe.

[69]Strahlhexe, wie Blitzhexe, Wetterhexe.

Courage quittiert den Krieg, nachdem ihr kein Stern mehr leuchten will und sie fast von jederman vor einen Spott gehalten wird.

Courage quittiert den Krieg, nachdem ihr kein Stern mehr leuchten will und sie fast von jederman vor einen Spott gehalten wird.

Also kam es nach und nach dahin, daß ich mich je länger je mehr leiden[70]muste. Meine Knechte wurden mir verführt, weil zu ihnen gesagt wurde: »Pfui Teufel, wie möcht ihr Kerl einer solchen Vettel dienen!«

Ich hoffte, wieder einen Mann zu bekommen; aber ein jeder sagte: »Nim du sie! Ich begehr ihrer nicht.«

Was ehrlich gesinnet war, schüttelt den Kopf über mich, und also thäten auch beinahe alle Officier; was aber geringe Leut und schlechte Potentaten waren, die dorften sich nicht bei mir anmelden, so hätte ich ohnedas auch keinen aus denselbigen angesehen. Ich empfande zwar nicht am Hals, wie mein Mann, was unser närrisch Fechten ausgerichtet; aber doch hatte ich länger daran als er am Henken zu verdauen. Ich wäre gerne in eine andere Haut geschloffen[71], aber beides die Gewohnheit und meine tägliche Gesellschaften wolten mir keine Besserung zulassen, wie dann die allermeiste Leute in Krieg viel eher ärger als frömmer zu werden pflegen. Ichputzte mich wieder und richtete dem einen und andern allerhand Netz und Strick, ob ich etwan diesen oder jenen anseilen und ins Garn bringen möchte; aber es half nichts; ich war schon allbereit viel zu tief im Geschrei; man kante die Courage schon allerdings bei der ganzen Armee, und wo ich bei den Regimentern vorüber ritte, wurde mir meine Ehre durch viel tausend Stimmen offentlich ausgerufen, also daß ich mich schier wie ein Nachteule bei Tage nicht mehr dorfte sehen lassen. Im Marschieren äußerten[72]mich ehrliche Weiber; das Lumpengesindel beim Troß schuhriegelte[73]mich sonst; und was etwan vor ledige Officier wegen ihrer Nachtweid mich gern geschützt hätten, musten bei den Regimentern bleiben, bei welchen mir aber durch ihr schändlichs Geschrei mit der allerschärfsten Laugen aufgegossen ward, also daß ich wol sahe, daß meine Sach so in die Länge kein Gut mehr thun werde. Etliche Officier hatte ich noch zu Freunden, die aber nicht meinen, sondern ihren Nutzen suchten. Theils suchten ihre Wollüste, theils mein Geld, andere meine schöne Pferd. Sie alle aber machten mir Ungelegenheit mit Schmarotzen, und war doch keiner, der mich zu heurathen begehrte, entweder daß sie sich meiner schämten, oder daß sie mir eine unglückliche Eigenschaft zuschrieben, die alle meinen Männern schädlich wäre, oder aber daß sie sich sonst, ich weiß nicht warum, vor mir förchteten.

Derowegen beschlosse ich mit mir selbsten, nicht nur diß Regiment, sondern auch die Armada, ja den ganzen Krieg zu quittirn, und konte es auch um so viel desto leichter ins Werk setzen, weil die hohe Officier meiner vorlängst gern los gewesen wären. Ja ich kan mich auch nicht überreden lassen, zu glauben, daß sich unter andern ehrlichen Leuten viel gefunden haben, die um meine Hinfahrt viel geweinet, es seien dann etliche wenige junge Schnapper ledigs Stands unter den mittelmäßigen Officiern gewest, denen ich zu Zeiten etwan ein paar Schlafhosen gewaschen. Der Obriste hatte den Ruhm nicht gern, daß seine schöne Gutsche durch die Courage vom Feind erobert und ihm verehrt worden sein solte. Daß ich den verwundeten Obristleutenant aus der Battalia und Todsgefahr errettet und zu den Unserigen geführt, darvon schriebe er ihm so wenig Ehr zu, daß er mir meiner Mühe nicht allein mit »Potz-Velten« dankte, sondern auch, wann er michsahe, mit griesgramenden Minen erröthet und mir, wie leicht zu gedenken, lauter Glück und Heil an den Hals wünschte. Das Frauenzimmer oder die Officiersweiber hasseten mich, weil ich weit schöner war als eine unter dem ganzen Regiment, zumalen theils ihren Männern auch besser gefiele, und beides hohe und niedere Soldaten waren mir feind, um daß ich trutz einem unter ihnen allen das Herz hatte, etwas zu unterstehen und ins Werk zu setzen, das die gröste Tapferkeit und verwegneste Hazarde erfordert, und darüber sonst manchen das Kalte Wehe[74]angestoßen hätte.

Gleich wie ich nun leicht merkte, daß ich viel mehr Feinde als Freunde hatte, also konte ich mir auch wol einbilden, es würde ein jedwedere von meiner widerwärtigen Gattung gar nicht unterlassen, mir auf ihre sonderbare[75]Manier eins anzumachen, wann sich nur die Gelegenheit darzu ereignet.

O Courage, sagte ich zu mir selbst, wie wilst du so vielen unterschiedlichen Feinden entgehen können, von denen vielleicht ein jeder seinen besonderen Anschlag auf dich hat? Wann du sonst nichts hättest als deine schöne Pferde, deine schöne Kleider, dein schönes Gewehr und den Glauben, daß du viel Geld bei dir habest, so wären es Feinde genug, einige Kerl anzuhetzen, dich heimlich hinzurichten.[76]Wie, wann dich dergleichen Kerl ermordeten oder in einer Occasion niedermachten, was würde wol für ein Hahn darnach krähen? Wer würde deinen Tod rächen? Was, soltest du auch wol deinen eigenen Knechten trauen dörfen?

Mit dergleichen Sorgen quälte ich mich selbst und fragte mich auch selbst, was Raths, weil ich sonst niemand hatte, ders treulich mit mir meinete. Und eben deswegen muste ich mir auch selbst folgen.

Demnach sprach ich den Obristen um einen Paß an in die nächste Reichsstadt, die mir eben an der Hand stunde und wolgelegen war, mich von dem Kriegsvolk zu retiriern. Den erlangte ich nicht allein ohne große Mühe, sondern noch an Statt eines Abschieds einen Urkund, daß ich einem Hauptmann vom Regiment, dann von meinem letzten Mann begehrte ich keinen Ruhm zu haben, ehrlich verheurathet gewesen und, als ich solchen vorm Feind verloren, mich eine Zeit lang bei demRegiment aufgehalten und in solcher währenden Zeit also wol, fromm und ehrlich gehalten, wie einer rechtschaffnen ehr- und tugendliebenden Damen gebühre und wolanständig seie, mich derowegen jedermänniglichen um solchen meines untadelhaften tugendlichen Wandels willen bestens recommendirend. Und solche fette Lügen wurden mit eigenhändiger Subscription und beigedrucktem Sigill in bester Form bekräftigt. Solches lasse sich aber niemand wundern, dann je schlimmer sich einer hält, und je lieber man eines gerne los wäre, je trefflicher wird der Abschied sein, den man einem solchen mit auf den Weg gibt, sonderlich wann derselbe zugleich sein Lohn sein muß. Einen Knecht und ein Pferd ließe ich dem Obristen unter seiner Compagnie, welcher trutz einem Officier mundirt war, um meine Dankbarkeit darmit zu bezeugen; hingegen brachte ich einen Knecht, einen Jungen, eine Magd, sechs schöne Pferd, darunter das eine 100 Ducaten werth gewesen, samt einem wolgespickten Wagen darvon, und kan ich bei meinem großen Gewissen (etliche nennen es ein weites Gewissen) nicht sagen, mit welcher Faust ich alle diese Sachen erobert und zuwegen gebracht habe.

Da ich nun mich und das Meinige in bemeldte Stadt in Sicherheit gebracht hatte, versilberte ich meine Pferd und gab sonst alles hinweg, was Geld golte und ich nicht gar nöthig brauchte. Mein Gesind schaffte ich auch mit einander ab, einen geringen Kosten zu haben. Gleich wie mirs aber zu Wien war gangen, also gieng mirs auch hier; ich konte abermal des Namens Courage nicht los werden, wiewol ich ihn unter allen meinen Sachen am allerwolfeilsten hinweggeben hätte; dann meine alte oder vielmehr die junge Kunden von der Armee ritten mir zu Gefallen in die Stadt und fragten mir mit solchem Namen nach, welchen auch die Kinder auf der Gassen ehender als das Vatterunser lerneten, und eben darum wiese ich meinen Galanen die Feigen. Als aber hingegen diese den Stadtleuten erzählten, was ich vor ein Daus-Es wäre, so erwiese ich hinwiederum denselben ein anders mit Brief und Siegel und beredet sie, die Officier geben keiner andern Ursachen halber solche lose Stück von mir aus, als weil ich nicht beschaffen sein wolte, wie sie mich gerne hätten. Und dergestalt bisse ich mich zimlich heraus und brachte vermittelst meiner guten schriftlichen Zeugnis zuwegen, daß mich die Stadt, biß ich meine Gelegenheit anders machen konte, um ein geringsSchirmgeld in ihren Schutz nahm, allwo ich mich dann wider meinen Willen gar ehrbarlich, fromm, still und eingezogen hielte und meiner Schönheit, die je länger je mehr zunahm, aufs beste pflegte, der Hoffnung, mit der Zeit wiederum einen wackern Mann zu bekommen.

Fußnoten:[70]sich leiden, Verdruß und Aerger haben.[71]geschloffen,part. praet.zuschliefen, schlüpfen, kriechen.[72]äußern,trans.meiden.[73]schuhriegeln, Verdruß bereiten.[74]das Kalte Wehe, auch bloß das »Kalte«, das kalte Fieber.[75]sonderbare, besondere, eigenthümliche.[76]hinrichten, tödten, in diesem Sinne immer in Grimmelshausen's Schriften.

[70]sich leiden, Verdruß und Aerger haben.

[70]sich leiden, Verdruß und Aerger haben.

[71]geschloffen,part. praet.zuschliefen, schlüpfen, kriechen.

[71]geschloffen,part. praet.zuschliefen, schlüpfen, kriechen.

[72]äußern,trans.meiden.

[72]äußern,trans.meiden.

[73]schuhriegeln, Verdruß bereiten.

[73]schuhriegeln, Verdruß bereiten.

[74]das Kalte Wehe, auch bloß das »Kalte«, das kalte Fieber.

[74]das Kalte Wehe, auch bloß das »Kalte«, das kalte Fieber.

[75]sonderbare, besondere, eigenthümliche.

[75]sonderbare, besondere, eigenthümliche.

[76]hinrichten, tödten, in diesem Sinne immer in Grimmelshausen's Schriften.

[76]hinrichten, tödten, in diesem Sinne immer in Grimmelshausen's Schriften.


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