Fußnoten:[276]toll, keck und auffallend gekleidet.[277]angehen, gelingen.[278]einzig, einzeln.[279]Göttelgeld, Pathengeld; vgl. Gotte, Göttel, Pathe.[280]Gewelsch, Sprachverdrehen, vonwelschen.[281]eitel, (nicht anders als) durchaus.[282]als, stets, fortwährend.[283]sämmtlich in Baden, Mittelrheinkreis.[284]DieMurg, Nebenfluß des Rheins, am Fuß des Kniebis entspringend, bei Rastatt mündend.[285]untergeben, zum Reiten geben.[286]Das Sprichwort lautet: Wer selten reitet, dem thut der A. weh.[287]Rick, Rück, Rücken, Höhenzug.[288]Horb, Städtchen, Würtemberg, Schwarzwaldkreis.[289]Gernsbachin Baden, Mittelrheinkreis.[290]Anacharsis, ein Scythe, der auf seinen Reisen in Griechenland Aufsehen machte durch seine Weisheit und Einfachheit der Lebensweise. Er lernte auch Solon kennen. Nach seiner Rückkehr wurde er von seinem Bruder Saulios getödtet, weil er griechischen Götterdienst einführen wollte. Herodot,IV, 76. Cicer.Tusc.B. 32. 90. Für die ihm hier zugeschriebene Rachsucht findet sich nirgends ein Anhaltspunkt. Wahrscheinlich soll sich die Bemerkung auf die weiten Reisen und die Welterfahrung der Courage beziehen, und gehört dann an den Schluß des vorhergehenden Satzes.[291]verehren,trans., um dem Herrn damit ein Geschenk zu machen.[292]zu ihrer eigenen Hand, in ihrem Namen.
[276]toll, keck und auffallend gekleidet.
[276]toll, keck und auffallend gekleidet.
[277]angehen, gelingen.
[277]angehen, gelingen.
[278]einzig, einzeln.
[278]einzig, einzeln.
[279]Göttelgeld, Pathengeld; vgl. Gotte, Göttel, Pathe.
[279]Göttelgeld, Pathengeld; vgl. Gotte, Göttel, Pathe.
[280]Gewelsch, Sprachverdrehen, vonwelschen.
[280]Gewelsch, Sprachverdrehen, vonwelschen.
[281]eitel, (nicht anders als) durchaus.
[281]eitel, (nicht anders als) durchaus.
[282]als, stets, fortwährend.
[282]als, stets, fortwährend.
[283]sämmtlich in Baden, Mittelrheinkreis.
[283]sämmtlich in Baden, Mittelrheinkreis.
[284]DieMurg, Nebenfluß des Rheins, am Fuß des Kniebis entspringend, bei Rastatt mündend.
[284]DieMurg, Nebenfluß des Rheins, am Fuß des Kniebis entspringend, bei Rastatt mündend.
[285]untergeben, zum Reiten geben.
[285]untergeben, zum Reiten geben.
[286]Das Sprichwort lautet: Wer selten reitet, dem thut der A. weh.
[286]Das Sprichwort lautet: Wer selten reitet, dem thut der A. weh.
[287]Rick, Rück, Rücken, Höhenzug.
[287]Rick, Rück, Rücken, Höhenzug.
[288]Horb, Städtchen, Würtemberg, Schwarzwaldkreis.
[288]Horb, Städtchen, Würtemberg, Schwarzwaldkreis.
[289]Gernsbachin Baden, Mittelrheinkreis.
[289]Gernsbachin Baden, Mittelrheinkreis.
[290]Anacharsis, ein Scythe, der auf seinen Reisen in Griechenland Aufsehen machte durch seine Weisheit und Einfachheit der Lebensweise. Er lernte auch Solon kennen. Nach seiner Rückkehr wurde er von seinem Bruder Saulios getödtet, weil er griechischen Götterdienst einführen wollte. Herodot,IV, 76. Cicer.Tusc.B. 32. 90. Für die ihm hier zugeschriebene Rachsucht findet sich nirgends ein Anhaltspunkt. Wahrscheinlich soll sich die Bemerkung auf die weiten Reisen und die Welterfahrung der Courage beziehen, und gehört dann an den Schluß des vorhergehenden Satzes.
[290]Anacharsis, ein Scythe, der auf seinen Reisen in Griechenland Aufsehen machte durch seine Weisheit und Einfachheit der Lebensweise. Er lernte auch Solon kennen. Nach seiner Rückkehr wurde er von seinem Bruder Saulios getödtet, weil er griechischen Götterdienst einführen wollte. Herodot,IV, 76. Cicer.Tusc.B. 32. 90. Für die ihm hier zugeschriebene Rachsucht findet sich nirgends ein Anhaltspunkt. Wahrscheinlich soll sich die Bemerkung auf die weiten Reisen und die Welterfahrung der Courage beziehen, und gehört dann an den Schluß des vorhergehenden Satzes.
[291]verehren,trans., um dem Herrn damit ein Geschenk zu machen.
[291]verehren,trans., um dem Herrn damit ein Geschenk zu machen.
[292]zu ihrer eigenen Hand, in ihrem Namen.
[292]zu ihrer eigenen Hand, in ihrem Namen.
Der Autor continuirt vorige Materia und erzählet den Dank, den er von der Courage vor seinen Schreiberlohn empfangen.
Der Autor continuirt vorige Materia und erzählet den Dank, den er von der Courage vor seinen Schreiberlohn empfangen.
Simplicius fragte, wie dann Springinsfeld mit ins Gelag kommen wäre, und was sie mit ihm zu schaffen gehabt hätte. Ich antwortet: »Soviel ich mich noch zu erinnern weiß, ist sie, wie ich bereits gemeldet, in Italia seine Matreß oder, allem Ansehen nach, er vielmehr ihr Knecht gewesen, maßen sie ihm auch, wann es anders wahr ist, was mir diese Schandvettel angeben, den Namen Springinsfeld zugeeignet.«
»Schweig, daß dich der Hagel erschlag, du Schurk«, sagte Springinsfeld, »oder ich schmeiß dir Blackscheißer[293], der Teufel soll sterben, die Kandel[294]übern Kopf, daß dir der rothe Saft hernach gehet!«
Und seine Wort wahr zu machen, ertappte er die Kandel. Aber Simplicius war eben so geschwind und weit stärker als er, auch eines andern Sinns, enthielte ihne derowegen vom[295]Streich und bedrohete ihn, ihn zum Fenster hinaus zu werfen, wann er nicht zufrieden sein wolte. Indessen kam der Wirth darzu und gebote uns den Frieden, mit ausdrucklicher Anzeigung, wann wir nicht still wären, daß bald Thurnhüter und Fausthämmer vorhanden sein würden, die den Ursächer solcher Händel oder wol gar uns alle drei an ein ander Ort führen solten. Ob ich nun gleich hierauf vor Angst zitterte und so still wurde wie ein Mäusel, so wolte ich doch gleichwol die Scheltwort nicht auf mir haben, sonder zum Ammeister[296]gehen und mich der empfangnen Injuri halben beklagen; aber der Wirth, so Springinsfelds Ducaten gesehen und einige davon zu kriegen verhoffte, sprach mir nebenSimplicio so freundlich zu, daß ichs unterwegen ließe, wiewol Springinsfeld noch immerhin wie ein alter böser Hund gegen mir griesgramete. Zuletzt wurde der Verglich gemacht, daß ich dem Springinsfeld auf beschehene Abbitt die empfangene Schmach vergeben und hingegen sein und Simplici Gast sein solte, so lang ich nur[297]selber wolte.
Nach diesem Vertrag fragte mich Simplicius, wie ich dann wieder von den so genannten Zigeunern hinweg kommen wäre, und mit was vor Geschäften dieselbige ihre Zeit in den Wäldern passirt hätten. Ich antwortet: »Mit Essen, Trinken, Schlafen, Tanzen, herum Rammlen, Tabaksaufen[298], Singen, Ringen, Fechten und Springen. Der Weiber größte Arbeit war Kochen und Feuern, ohne[299]daß etliche alte Hexen hie und da saßen, die junge im Wahrsagen oder vielmehr im Liegen[300]zu unterrichten. Theils Männer aber giengen dem Gewild nach, welches sie ohne Zweifel durch zauberische Segen zum Stillstehen zu bannen und mit abgetödten Pulver, das nicht laut kläpfte[301], zu fällen wusten, maßen ich weder an Wild noch Zahm keinen Mangel bei ihnen verspüren konte. Wir waren kaum zween Tag dort still gelegen, als sich wieder eine Partei nach der andern bei uns einfande, darunter auch solche waren, die ich bißhero noch nicht gesehen. Etliche, die zwar nit beim besten empfangen wurden, anticipirten bei der Courage (ich schätze, aus ihrem allgemeinen Seckel) Geld; andere aber brachten Beuten, und kein Theil gelangte an, das nicht entweder Brod, Butter, Speck, Hühner, Gäns, Enten, Spanferkel, Geißen, Hämmel oder auch wol gemäste Schwein mit sich gebracht hätte, ohne eine arme alte Hex, welche anstatt der Beuten einen himmelblauen Buckel mitbracht, als die über der verbotenen Arbeit ertappt und mit trefflichen Stößen und Schlägen abgefertigt worden war. Und ich schätze, wie dann leicht zu gedenken, daß sie obengedachte zahme Schnabelweid und das kleine Viehe entweder in oder um die Dörfer und Baurenhöfe hinweg gefüchslet oder hin und wieder von den Heerden hinweg gewölfelt haben. Gleichwie nun täglich solche Compagnien bei uns ankamen, also giengen auch alle Tag wieder einige von uns hinweg, zwar nicht alle als Zigeuner, sonder auch aufandere Manieren bekleidet, je nachdem sie meines Davorhaltens ein Diebsstück zu verrichten im Sinn hatten. Und dieses, mein hochgeehrter Herr, waren die Geschäfte der Zigeuner, die ich, so lang ich bei ihnen gewesen, observirt habe.
»Wie ich aber wieder von ihnen kommen, das will ich meinem hochgeehrten Herrn, weil ers zu wissen verlangt, jetzunder auch erzählen, ob mir gleich die gehabte Kundschaft mit der Courage zu eben so geringen Ehren gereicht als dem Springinsfeld oder dem Simplicissimo selbsten.«
»Ich dorfte[302]täglich über 3 oder 4 Stund nicht schreiben, weil Courage nicht mehr Zeit nahm mir zu dictirn; und alsdann mochte ich mit andern spazieren gehen, spielen oder andere Kurzweil haben, worzu sich dann alle gar geneigt und gesellig gegen mir erzeigten; ja die Courage selbst leiste mir die mehrigste Gesellschaft, dann bei diesen Leuten findet durchaus einige Traurigkeit, Sorg oder Bekümmernus keinen Platz. Sie ermahnten mich an die Marder und Füchse, welche in ihrer Freiheit leben und auf den alten Kaiser[303], doch vorsichtig und listig genug, hinein stehlen, wann sie aber Gefahr vermerken, eben so geschwind als vortheilhaftig[304]sich aus dem Staub machen. Einsmals fragte mich Courage, wie mir diß freie Leben gefiele. Ich antwortet: Ueberaus wol! Und ob gleich alles erlogen war, was ich gesagt, so henkte ich jedoch noch ferner dran, daß ich mir schon nicht nur einmal gewünscht, auch ein Zigeuner zu sein.«
»›Mein Sohn‹, sagte sie, ›wann du Lust hast, bei uns zu bleiben, so ist der Sach bald geholfen.‹«
»Ja, mein Frau«, antwortet ich, »wann ich auch die Sprache könte.«
»›Diß ist bald gelernet‹, sagte sie; ›ich hab sie ehe als in einem halben Jahr begriffen. Bleibt ihr nur bei uns! Ich will euch ein schöne Beischläferin zum Heurath verschaffen.‹«
»Ich antwortet, ich wolte noch ein paar Tag mit mir selbst zu Rath gehen und bedenken, ob ich sonst irgends ein besser Leben als hier zu kriegen getraute; des Studierens und Tag und Nacht über den Büchern zu hocken, wäre ich schon vor längsten müd worden; so möchte ich auch nicht arbeiten, vielweniger erst ein Handwerk lernen; ohne, welches das Schlimmste wär, daß ich auch ein schlecht Patrimonium von meinen Eltern zu hoffen hätte.«
»›Du hast einen weisen Menschensinn, mein Sohn‹, sagte das Rabenaas weiters, ›und kanst leicht hierbei abnehmen und probieren, was unser Manier zu leben vor anderer Menschen Leben vor einen Vorzug habe, wann du nämlich sihest, daß kein einzig Kind aus unserer Jugend zu dem allergrößten Fürsten gieng, der es aufnehmen und zu einem Herrn machen wolte; es würde alle solche hohe fürstliche Gnaden vor nichts schätzen, die doch andere knechtisch gesinnte Menschen so hoch verlangen.‹«
»Ich gab ihr gewonnen und gedachte doch bei mir selber, was ihr Springinsfeld gewünscht, und indem ich ihr dieser Gestalt das Maul machte[305], als wenn ich bei ihr verbleiben wolte, hoffte ich desto ehender die Freiheit, mit andern auszugehen, und also Gelegenheit zu bekommen, mich wieder von ihr abzuscheiblen[306].«
»Eben um dieselbe Zeit kam eine Schar Zigeuner, die brachten eine junge Zigeunerin mit sich, die schöner war, als die allerschönste aus diesen Leuten zu sein pflegen. Diese machte so wol als andere bald Kundschaft zu mir (dann man muß wissen, daß unter dieses Volks ledigen Leuten wegen ihres Müßiggangs die Löffelei eine Gewohnheit ist, deren sie sich weder zu schämen noch zu scheuen pflegen) und erzeigte sich so freundlich, holdselig und liebreizend, daß ich glaube, ich wäre angangen[307], wann mich nicht die Sorg, ich würde auch hexen lernen müssen, darvon abgeschröckt, und ich nicht zuvor der Courage Leichtfertigkeit und lasterhaftes Leben aus ihrem eignen Maul gehört hätte. Eben darum traute ich desto weniger und sahe mich desto besser vor; doch erzeigte ich mich gestältiger[308]gegen ihr als gegen einer andern. Sie fragte mich gleich nach gemachter Kundschaft, was ich der Frau Gräfin, dann also nannte sie die Courage, zu schreiben hätte. Als ich ihr aber die Antwort gabe, es wäre ohnnöthig, daß es die Jungfer wüste, war sie nit allein wol damit zufrieden, sonder ich merkte auch an der Courage selbsten meiner Einbildungnach, daß sie solche Frag an mich zu thun befohlen und also meine Verschwiegenheit probiert hatte, dann sie ward mir immer je freundlicher, wie ich Narr vermeinte.«
»Damals war ich allbereit in 14 Tagen nicht mehr aus den Kleidern kommen, wessentwegen sich dann die Müllerflöhe häufig bei mir einfanden, welches heimliche Leiden ich meiner Jungfer Zigeunerin klagte. Dieselbe lachte mich anfänglich gewaltig aus und nannte mich einen einfaltigen Tropfen; aber den andern Morgen brachte sie eine Salbe, welche alle Läuse vertreiben würde, wann ich nur darmit nackend bei einem Feur, der Zigeuner Gewohnheit nach, mich wolte schmieren lassen, welche Arbeit sie, die Jungfer, auch gern verrichten wolte. Ich schämte mich aber viel zu sehr und sorgte darneben, es möchte mir gehen wie Apulejo[309], welcher durch dergleichen Schmiersel in ein Esel verwandelt worden. Indessen quälte mich aber das Ungeziefer so greulich, daß ichs nicht mehr erleiden kunte; dannenhero ward ich gezwungen, diese Salbung zu gebrauchen, doch mit dieser Condition, daß sich die Jungfer zuvor von mir schmieren lassen solte, und alsdann wolte ich ihr nachfolgen und ihr auch stillhalten. Zu solcher Verrichtung nun machten wir etwas fern von unserm Läger ein absonderlichs Feur und thäten dabei, was wir abgeredet hatten.«
»Die Läuse giengen zwar fort, aber den Morgen frühe sahe ich mit Haut und Haar so schwarz aus wie der Teufel selber. Ich wuste es noch nicht an mir, biß mich die Courage vexierte und sagte: ›So, mein Sohn, ich sehe wol, du bist deinem Wunsch nach schon ein Zigeuner worden.‹«
»Ich weiß noch nichts darvon, mein hochgeehrte Frau Mutter«, antwortet ich. Sie aber sagte: ›Beschaue deine Hände!‹«
»Und mit dem ließe sie einen Spiegel holen, in welchem sie mir eine Gestalt wiese, die ich wegen übermäßiger Schwärze selbst nicht mehr vor die meinige erkante, sonder darvor erschrak.«
»›Diese Salbung, mein Kind‹, sagte sie, ›gilt bei uns so viel, als bei den Türken die Beschneidung; und welche dichgesalbet hat, die mustu auch zum Weib haben, sie gefalle dir gleich oder nicht.‹«
»Und mit dem fieng das Teufelsgesindel mit einander an zu lachen, daß sie hätten zerbersten mögen.«
»Als ich nun sahe, wie mein Handel stunde, hätte ich Stein und Bein zusammen fluchen mögen; aber was wolte oder solte ich anders thun, als nach deren Willen mich zu accomodirn, in welcher Gewalt ich damals war?«
»›Hei‹, sagte ich, ›was geschneidts[310]dann auch mich? Vermeinet ihr dann wol, diese Veränderung sei mir so gar ein großer Kummer? Höret nur auf zu lachen, und sagt mir darvor, wann ich Hochzeit haben soll!‹«
»›Wann du wilt, wann du wilt‹, antwortet Courage; ›doch der Gestalt, wann wir auch einen Pfaffen darbei werden haben können.‹«
»Ich war damals mit der Courage Lebenslauf allbereit fertig, ohne[311]daß ich noch ein paar, ich weiß aber nit was vor, Diebsstück darzu hätte setzen sollen, die sie verübet, seit sie eine Zigeunerin worden. Derowegen begehrte ich gar höflich die versprochene Bezahlung. Sie aber sagte: ›Ho, mein Sohn, du bedarfst jetzt kein Geld; es wird dir noch wol kommen, wann du Hochzeit gehalten haben wirst.‹«
»Ich gedachte: Hat dirs der Schinder in Sinn geben, daß du mich hiermit halten solst? Und als sie merkte, daß ich etwas sauers darzu sehen wolte, setzte und verordnete sie mich vor der ägyptischen Nation Obersten Secretarium durch ganz Teutschland und that Promessen, daß mein Heurath mit ihrer Jungfer Basen, sobald es nur Gelegenheit geben würde, vollzogen und mir zwei schöne Pferd zum Heurathgut mitgegeben werden solten. Und damit ich dieses desto steifer glauben solte, dorfte meine Jungfrau Hochzeiterin nit unterlassen, mich mit ihrer gewöhnlichen Freundlichkeit zu unterhalten. Diese Geschichte war kaum verloffen, als wir aufbrachen und mit guter Ordre fein gemach samt Weib und Kind etwan selbdreißigst das Bielerthal herunter marschierten, auf welchem Weg Courage ihren stattlichen Habit nicht anhatte, sonder auch wie sonst ein andere alte Hex aufzog. Ich war unter den Fourieren und halfe das Quartier auf etlichen Bauernhöfen machen, in welcher Verrichtung ich mich keine Sau, sonder ein vornehmesMitglied der ansehenlichsten Zigeuner zu sein bedunken ließe. Den andern Tag marschierten wir vollends biß an den Rhein und blieben zunächst an einem Dorf, alwo ein Ueberfahrt war, in einem Busch bei der Landstraßen über Nacht, um den folgenden Tag vollends über Rhein zu gehen. Aber des Morgens, da der schwarze Secretarius erwachte, sihe, da befande sich der gute Herr ganz allein, maßen ihn die Zigeuner und seine Braut so gar verlassen, daß er von ihnen auch sonst nichts als nur die holdselige Farbe zum freundlichen Gedächtnus noch übrig hatte.«
Fußnoten:[293]Blackscheißer, Schreiber, Pedant, als Schimpfwort,Black, Dinte.[294]Kandel, Bier- oder Weinkrug.[295]enthalten von, abhalten. Im Text steht »vorm«, dies würde nicht den richtigen Sinn geben.[296]Ammeister, Bürgermeister.[297]nur, die ältesten Ausgaben haben »mir«.[298]Tabaksaufen, wie im Französischenboire, rauchen.[299]ohne, ausgenommen.[300]Liegen, Lügen.[301]kläpfen, vom oberdeutschen Schallwort »klapf«, »klapp«, klappen, knallen.[302]dürfen, brauchen.[303]auf den alten Kaiser(gleichsam auf den verstorbenen Kaiser sich berufend), sorglos in den Tag hinein. SimplicissimusIII.20: »auf den alten Kaiser dahin leben«.[304]vortheilhaftig, listig.[305]das Maul machen, die Miene machen, sich das Ansehen geben, so thun.[306]sich abscheibeln, abdrehen, sich davon machen.[307]angehen, anbeißen, ins Netz gehen, sich fangen lassen.[308]gestältig, fügsam, zuthunlich.[309]Lucius Apulejusaus Madaura in Afrika, geboren unter der Regierung Hadrian's, wohnte zuletzt nach vielen Reisen in Karthago. Er schrieb: »Metamorphoseon s. de asino aureo libri«; ein liederlicher Jüngling Lucius, den Grimmelshausen mit dem Verfasser identificirt, wird in einen Esel verwandelt, aber in den Mysterien wieder zum Menschen neugeboren.[310]geschneiden, kümmern.[311]ohne, ausgenommen.
[293]Blackscheißer, Schreiber, Pedant, als Schimpfwort,Black, Dinte.
[293]Blackscheißer, Schreiber, Pedant, als Schimpfwort,Black, Dinte.
[294]Kandel, Bier- oder Weinkrug.
[294]Kandel, Bier- oder Weinkrug.
[295]enthalten von, abhalten. Im Text steht »vorm«, dies würde nicht den richtigen Sinn geben.
[295]enthalten von, abhalten. Im Text steht »vorm«, dies würde nicht den richtigen Sinn geben.
[296]Ammeister, Bürgermeister.
[296]Ammeister, Bürgermeister.
[297]nur, die ältesten Ausgaben haben »mir«.
[297]nur, die ältesten Ausgaben haben »mir«.
[298]Tabaksaufen, wie im Französischenboire, rauchen.
[298]Tabaksaufen, wie im Französischenboire, rauchen.
[299]ohne, ausgenommen.
[299]ohne, ausgenommen.
[300]Liegen, Lügen.
[300]Liegen, Lügen.
[301]kläpfen, vom oberdeutschen Schallwort »klapf«, »klapp«, klappen, knallen.
[301]kläpfen, vom oberdeutschen Schallwort »klapf«, »klapp«, klappen, knallen.
[302]dürfen, brauchen.
[302]dürfen, brauchen.
[303]auf den alten Kaiser(gleichsam auf den verstorbenen Kaiser sich berufend), sorglos in den Tag hinein. SimplicissimusIII.20: »auf den alten Kaiser dahin leben«.
[303]auf den alten Kaiser(gleichsam auf den verstorbenen Kaiser sich berufend), sorglos in den Tag hinein. SimplicissimusIII.20: »auf den alten Kaiser dahin leben«.
[304]vortheilhaftig, listig.
[304]vortheilhaftig, listig.
[305]das Maul machen, die Miene machen, sich das Ansehen geben, so thun.
[305]das Maul machen, die Miene machen, sich das Ansehen geben, so thun.
[306]sich abscheibeln, abdrehen, sich davon machen.
[306]sich abscheibeln, abdrehen, sich davon machen.
[307]angehen, anbeißen, ins Netz gehen, sich fangen lassen.
[307]angehen, anbeißen, ins Netz gehen, sich fangen lassen.
[308]gestältig, fügsam, zuthunlich.
[308]gestältig, fügsam, zuthunlich.
[309]Lucius Apulejusaus Madaura in Afrika, geboren unter der Regierung Hadrian's, wohnte zuletzt nach vielen Reisen in Karthago. Er schrieb: »Metamorphoseon s. de asino aureo libri«; ein liederlicher Jüngling Lucius, den Grimmelshausen mit dem Verfasser identificirt, wird in einen Esel verwandelt, aber in den Mysterien wieder zum Menschen neugeboren.
[309]Lucius Apulejusaus Madaura in Afrika, geboren unter der Regierung Hadrian's, wohnte zuletzt nach vielen Reisen in Karthago. Er schrieb: »Metamorphoseon s. de asino aureo libri«; ein liederlicher Jüngling Lucius, den Grimmelshausen mit dem Verfasser identificirt, wird in einen Esel verwandelt, aber in den Mysterien wieder zum Menschen neugeboren.
[310]geschneiden, kümmern.
[310]geschneiden, kümmern.
[311]ohne, ausgenommen.
[311]ohne, ausgenommen.
Simplicissimi Gaukeltasch und erhaltene treffliche Losung[312].
Simplicissimi Gaukeltasch und erhaltene treffliche Losung[312].
»Da saße ich nun, als wann mir Gott nit mehr hätte gnädig sein wollen, dem ich gleichwol zu danken Ursach hatte, daß mich diß lose Gesindel nit gar ermordet und mich im Schlaf visitirt und mir mein wenig Geld, so ich noch zur Zehrung bei mir trug, genommen. Und ihr, Springinsfeld, was habt ihr jetzt mehr vor Ursachen, über mich zu kollern, der ich doch so freiwillig erzähle, daß mich diese arge Vettel so wol als euch betrogen, als deren List und Bosheit gleichsam kein Mensch, an den sie sich machen will, entgehen kan, wie dann gegenwärtigem ehrlichen Herrn Simplicissimo beinahe selbst widerfahren wäre?«
Springinsfeld antwortet mir: »Nichts, nichts, gar nichts, guter Freund! Sei nur zufrieden, und hol der Teufel die Hex!«
»Mein«[313], antwortet ihm Simplicius, »wünsche doch der armen Tröpfin nicht Böses mehr! Hörestu nicht, daß sie allbereits ohnedas der Verdammnus nahe, biß über die Ohren im Sündenschlamm, ja allerdings schon gar der Höllen im Rachen steckt? Bete darvor ein paar andächtiger Vatterunser vor sie, daß die Güte Gottes ihr Herz erleuchten und sie zu wahrer Buße bringen wolle!«
»Was?« sagte Springinsfeld; »ich wolte lieber, daß sie der Donner erschlüg!«
»Ach daß Gott walt!« antwortet Simplicius; »ich versichere dich, wann du nicht anders thust als so, daß ich um die Wahl, die sich zwischen deiner und ihrer Seligkeit findet, keine Stiege hinunterfallen[314]wolte.«
Springinsfeld sagte darauf: »Was geheits mich?«
Aber der gute Simplicius schüttelt den Kopf mit einem tiefen Seufzen[315].
Es war damals schier um 2 Uhr Nachmittag, und wir hatten alle drei überflüssig genug gefüttert, als Springinsfeld Simplicium fragte, womit er sich doch ernähre, und was sein Stand, Handel und Wandel wäre. Er antwortet ihm: »Daß will ich dich sehen lassen, ehe ein halbe Stund vergehet.«
Und als er kaum das Maul zugethan hatte, kam sein Knan[316]und Meuder samt einem starken Bauernknecht daher, welche zwei Paar ausgemäste Ochsen vor sich trieben und in Stall stelleten. Er verschaffte, daß besagte seine beide Alte alsobalden aus der Kälte in die warme Stub gehen musten, welche in der Wahrheit aussahen, wie ihre Bilder auf Simplicii Ewigem Calender[317]darstellen; und als der Knecht auch hineinkam, befahl er dem Wirth, daß er ihnen Essen und Trinken geben solte; er selbst aber nahm den Sack, den sein Knecht getragen, und sagte dem Springinsfeld: »Jetzt komm mit mir, damit du sehest, womit ich mich ernähre!«
Mir aber sagte er, wann ich wolte, so könte ich wol auch mitgehen. Also zottelten wir alle drei auf einen volkreichen Platz, wohin Simplicius einen Tisch, eine Maß neuen Wein und ein halb Dutzet leere Gläser bringen ließe. Das hatte ein Ansehen, als wann wir dorten auf offenem Markt in der größten Kälte hätten mit einander zechen wollen. Wir kriegten bald viel Zuseher, behielten aber keinen beständigen Umstand[318], dieweil die grimmige Kälte einen jeden wieder fortzugehen drang[319]. Das sahe Springinsfeld, sagte derohalben zum Simplicio: »Bruder, wiltu, daß ich dir diese Leute hier still stehend mache?«
Simplicius antwortet: »Die Kunst kan ich wol selber, aber wann du wilt, so lasse sehen, was du kanst!«
Hierauf wischte Springinsfeld mit seiner Geige herfür und fieng an zu agirn und zugleich darunter zu geigen. Er machte ein Maul von 3, 4, 5, 6, ja 7 Ecken, und indem er giege[320], musicirte er auch mit dem Maul darunter, wie er zuvor im Wirthshause gethan hatte. Da aber die Geige, als welche in der Wärme gestimmt worden, kein gut in der Kälte mehr thun wolte, übte er allerhand Thierer Geschrei, von dem lieblichen Waldgesang der Nachtigallen an bis auf das forchterlich Geheul der Wölfe, beides inclusive, warvon wir dann ehender als in einer halben Viertelstund einen Umstand bekamen von mehr als 600 Menschen, die vor Verwunderung Maul und Augen aufsperrten und der Kälte vergaßen.
Simplicius befahl dem Springinsfeld zu schweigen, damit auch er dem Volk sein Meinung vorbringen könte. Als diß geschahe, sagte Simplicius zum Umstand: »Ihr Herren, ich bin kein Schreier, kein Storger, kein Quacksalber, kein Arzt, sonder ein Künstler. Ich kan zwar nit hexen, aber meine Künste seind so wunderbarlich, daß sie von vielen vor Zauberei gehalten werden. Daß aber solches nit wahr sei, sonder alles natürlicher Weis zugehe, ist aus gegenwärtigem Buche zu ersehen, als warinnen sich genugsame glaubwürdige Urkunden und Zeugnussen dessentwegen befinden werden.«
Mit dem zog er ein Buch aus dem Sack und blättert darin herum, dem Umstand seine glaubwürdige Schein zu weisen, aber sihe, da erschienen eitel weiße Blätter. »So!« sagt er darüber, »so sehe ich wol, ich stehe da wie Butter an der Sonnen. Ach«, sagte er zum Umstand, »ist kein Gelehrter unter euch, der mir einige Buchstaben hinein blasen könte?«
Und demnach zween Stutzer zunächst bei ihm stunden, bat er den einen, er solte ihm nur ein wenig ins Buch blasen, mit Versicherung, daß es ihm weder an seinen Ehren noch an seiner Seligkeit nichts schaden würde. Da derselbe solches gethan, blättert Simplicius im Buch herum. Da erschiene nichts anders als lauter Wehr und Waffen.
»Ha«, sagte er, »diesem Cavalier gefallen Degen und Pistolen besser als Bücher und Buchstaben; er wird ehender einenbraven Soldaten als ein Doctor abgeben. Aber was soll mir das Gewehr in meinem Buch? Es muß wieder hinaus.«
Und mit dem bliese Simplicius selbst an das Buch, gleichsam als wann er dardurch geblasen, und wiese darauf dem Umstand wiederum im Umblättern nur weiße Blätter, warüber sich jedermann verwunderte. Der ander Stutzer, der neben erstgedachtem stunde, begehrte von sich selbst, auch in das Buch zu blasen. Als selbiges geschehen, blättert Simplicius im Buche herum und wiese dem Stutzer und Umstand eitel Cavaliers und Dames.
»Sehet«, sagte er, »dieser Cavalier löffelt gern, dann er hat mir lauter junge Gesellen und Jungfern in mein Buch geblasen. Was soll mir aber so viel müßige Bursch? Es seind fressende Pfänder, die mir nichts taugen; sie müssen wieder fort.«
Und alsdann bliese er wieder durch das Buch und zeigte allem Umstand im Umblättern eitel Weißes. Diesem nach ließe Simplicius einen ansehenlichen Burger hineinblasen, aus dessen Ansehen ein großes Vermögen zu vermuthen war, hernach umblättert er das Buch und wiese ihm und dem Umstand lauter Thaler und Ducaten, sagende: »Dieser Herr hat entweder viel Geld, oder wird bald viel bekommen, oder wünscht doch aufs wenigst ein ziemliche Summa zu haben. Das, was er herein geblasen, wird mein sein.«
Und damit hieße er mich seinen Sack aufhalten, in welchem er wol 300 zinnene Büchsen hatte; dahinein bliese er durchs Buch und sagte: »So muß man diese Kerl aufheben.«
Wiese hernach dem Umstand abermal in seinem Buch nur weiß Papier. Ließe darauf einen andern mittelmäßigen Stands hinein blasen, blättert im Buch herummer, und als eitel Würfel und Karten erschienen, sagte er: »Dieser spielt gern, hingegen ich nit, darum müssen mir die Karten wieder weg.«
Und als er selbst wieder durch das Buch geblasen, zeigte er abermal dem Umstand nur weiße Blätter. Ein Fatzvogel[321]unterm Umstand sagte, er könte lesen und schreiben, er solte ihn hinein blasen lassen, er wüste, daß alsdann schöne Testimonia erscheinen würden.
»O ja«, antwortet Simplicius, »diese Ehr kann euch gleich widerfahren.«
Hielte ihm demnach das Buch vor, ließe ihn blasen, so lang er wolte, und als es geschehen, zeigte er ihm und dem Umstand lauter Hasen-, Esels- und Narrenköpf im Umblättern und sagte: »Wann ihr sonst nichts als meine und euere Brüder habt herein blasen wollen, so hättet ihrs auch wol unterweg können lassen.«
Das gab ein solches Gelächter, daß mans über das neunte Haus hörete. Simplicius aber sagt, er müste die Unziefer wieder abschaffen, könt deren Stell wol selbst vertreten. Und mit dem bliese er wieder durch das Buch und zeigte dem Umstand wiederum wie zuvor nur weiße Blätter.
»Ach«, sagt er, »wie bin ich doch so herzlich froh, daß ich dieser Narren wieder los bin worden!«
Es stund einer dort, der allbereit mit Kupfer anfieng zu handlen[322]. Zu selbigem sagte Simplicius: »Mein, blaset doch auch herein, zu sehen was ihr könnet!«
Er folgte; und als es geschehen war, wiese er ihm und andern sonst nichts als Trinkgeschirr.
»Ha!« sagte Simplicius, »dis ist meines gleichen; der trinkt gern, und ich mache gern Gesegne Gott.«
Und damit klopfte er auf die Kandel und sagte ferner zu ihm: »Secht, mein Freund, in dieser Kandel steckt ein Ehrentrunk vor euch, der euch auch bald zu theil werden soll.«
Zu mir aber sprach er, ich solte die Gläser nacheinander einschenken, welches ich auch verrichtete. Indessen bliese er wieder durch das Buch, zeigte dem Umstand abermal weiße Blätter und sagte, so viel Trinkgeschirr könte er vor dißmal nit füllen, er hätte selber Gläser genug zu gegenwärtiger seiner einzigen Maß Wein.
Endlich ließe er einen jungen Studenten in das Buch blasen, blättert darauf und zeigte dem Umstand lauter Schriften.
»Haha«, sagte er, »bistu einmal da? Recht, ihr Herren! Diß sein meine glaubwürdige Zeugnusse, davon ich euch zuvor gesagt. Diese will ich in dem Buch lassen, gegenwärtigen jungen Herrn aber vor einen Gelehrten halten und ihm auch eins bringen, um daß er mir wieder zu meinen trefflichen Urkunden geholfen hat.«
Und damit steckte er das Buch in Sack und machte seiner Gaukelei ein Ende.
Hingegen ließe er einen aus dem Umstand eine Büchse aus dem Sack langen und sagte: »Ihr Herren habt verstanden, daß ich mich vor keinen Arzt, sonder vor einen Künstler ausgebe. Das sag ich noch, aber gleichwol kan man mich gar wol vor einen Weinarzt halten; dann die Wein haben auch ihre Krankheiten und Mängel, die ich alle curirn kan. Ist ein Wein weich und so zähe, daß man ihn aufhasteln[323]könte, so hilf ich ihm, ehe man zweinzig zählen kan, daß er im Einschenken rauschet und seine Geisterlein über das Glas hinausspringen; ist er rahn[324]und so roth wie ein Fuchs, so bring ich ihm seine natürliche Farb in dreien Tagen wieder; schmeckt er nach einem schimmlichten Faß, so bring ich ihm in wenig Tagen einen solchen Geschmack zuwegen, daß man ihn vor Muscateller trinken wird; ist er so saur, als wann er in Bairn oder in Hessen gewachsen wäre, und darneben wegen seiner Jugend oder anderer Ursachen halber so trüb, daß er die Würmlöcher stopfen und beides vor Speis und Trank, wie an theils Orten das nahrhaftig Bier, gebrauchet werden könte, sehet, ihr Herren, so mache ich ihn alsobalden, daß ihr ihn entweder vor Malvasier oder vor spanischen oder sonst vor den allerbesten oder doch aufs wenigst vor einen guten alten Wein trinken sollet. Und diese Kunst als die allerunglaublichste will ich hie gegenwärtig probirn und euch deren Gewißheit vor Augen stellen.«
Demnach thät er einer Erbsen groß aus der Büchsen in ein Glas voll Wein und rührete alles unter einander; davon gosse er in das eine Glas einen Tropfen, in das ander zwei, ins dritte drei und ins vierte vier, davon sich der Wein in den Gläsern alsobalden in unterschiedliche Farben veränderte, je nachdem er wenig oder viel Tropfen in ein jedes gegossen hatte; das fünfte Glas Wein aber, darin er nichts gegossen, verblieb wie es war, nämlich ein neuer trüber roher Wein, wie er allererst dasselbe Jahr gewachsen. Alsdann ließe er die Vornehmste aus dem Umstand diese Wein versuchen, welche sich alle über diese geschwinde Veränderung und unterschiedliche Geschmack und Arten der Wein verwunderten.
»Ja, ihr Herren«, fuhr er weiters fort, »nachdem ihr nun die Gewißheit dieser Kunst gesehen, so müst ihr auch wissen,daß einer Erbsen groß dieses Elixirs in eine Maß und ein solche Büchse voll in einen Ohmen zu viel sei, den Wein aufs allerhöchste zu verbessern und ihn dem spanischen Wein oder Malvasier gleich zu machen, derjenige neue Wein, den man verändern will, seie dann gar zu sauer. Wer nun Lust hat, lieber einen delicaten als sauren Wein zu trinken, der mag mir heut von diesem Elixir abkaufen, dann morgen findet er ein Büchsel wol nit mehr feil um 6 Batzen, wie heut, sintemal was mir übrig bleibt, morgen einen halben Gulden gelten muß; zwar nit eben darum, daß ich so gar nöthig Geld brauche, sonder weil ichs mit diesem Elixir mache wie die Sibylla mit ihren Büchern[325]«. Wir hatten damals bei 1000 Personen zum Umstand, mehrentheils erwachsene Mannsbilder, und da es an ein Kaufens gieng, hatte Simplicius beinahe nicht Hände genug, Geld einzunehmen und Büchsen hinzugeben; ich aber verspendirte den vorhandenen Wein vollends, den er mir jeweils mit seiner Mixtur nachtemperirte; und ehe ein halb Stund herum war, hatte er allbereit seine Büchsen versilbert und sein gut baar Geld darvor eingenommen, also daß er die halbe Theil Leut, so deren noch begehrten, muste leer hingehen lassen.
Nach diesem Verlauf schaffte er Tischgläser und Kannen wieder an sein Ort, und als er dem Verleiher seinen Willen darvor gemacht[326], giengen wir wieder miteinander in unser Herberg, alwo Simplici Knan die 4 Ochsen allbereit um hundert und dreißig Reichsthaler verkauft hatte und fertig war, Simplicio das Geld darzuzählen.
»Sihestu nun«, sagte Simplicius zum Springinsfeld, »womit ich mich ernähre?«
»Freilich sihe ichs«, antwortet Springinsfeld; »ich hab vermeinet, ich sei ein Rabbi[327], Geld zu machen, aber jetzt sehe ich wol, daß du mich weit übertriffst; ja ich glaube, der Teufel selbst sei nur vor ein spitzigs Lederlein[328]gegen dir zu rechnen.«
Fußnoten:[312]Losung, Erlös, Einnahme.[313]Mein,interj.: Ich bitte dich,quæso.[314]keine Stiege&c., soll wol heißen; wenn ich die Wahl hätte zwischen deiner und ihrer Seligkeit, so würde ich mir keine Mühe geben, keinen Schritt darum thun, denn es ist kein Unterschied dazwischen.[315]Seufzen,subst. masc.Seufzer.[316]Knan, Vater.[317]Auf dem Titelkupfer zum »Ewigwährenden Calender« befinden sich Bildnisse der gesammten Simplicianischen Familie.[318]der Umstand, die Umstehenden.[319]dringen,trans., wie drängen.[320]giege, gieg, starkespræt.zu geigen, wiestiegzu steigen.[321]Fatzvogel, wie Spaßvogel.[322]mit Kupfer handeln, rothen Ausschlag im Gesicht haben.[323]aufhasteln, aufhaspeln, wie die spätern Drucke haben.[324]rahn, rahnig, dünn.[325]Es ist die bekannte Geschichte von den Büchern der Cumäischen Sibylle gemeint, die Tarquinius Priscus kaufte. Vgl. Lactant.,Divin. instit.B.I, 6.[326]seinen Willen darvor gemacht, gegeben hatte, was er haben wollte.[327]Rabbi, Meister.[328]spitzigs Lederlein, spitzer Lederschwamm, Spitzmorchel, gebraucht wie Pfifferling.
[312]Losung, Erlös, Einnahme.
[312]Losung, Erlös, Einnahme.
[313]Mein,interj.: Ich bitte dich,quæso.
[313]Mein,interj.: Ich bitte dich,quæso.
[314]keine Stiege&c., soll wol heißen; wenn ich die Wahl hätte zwischen deiner und ihrer Seligkeit, so würde ich mir keine Mühe geben, keinen Schritt darum thun, denn es ist kein Unterschied dazwischen.
[314]keine Stiege&c., soll wol heißen; wenn ich die Wahl hätte zwischen deiner und ihrer Seligkeit, so würde ich mir keine Mühe geben, keinen Schritt darum thun, denn es ist kein Unterschied dazwischen.
[315]Seufzen,subst. masc.Seufzer.
[315]Seufzen,subst. masc.Seufzer.
[316]Knan, Vater.
[316]Knan, Vater.
[317]Auf dem Titelkupfer zum »Ewigwährenden Calender« befinden sich Bildnisse der gesammten Simplicianischen Familie.
[317]Auf dem Titelkupfer zum »Ewigwährenden Calender« befinden sich Bildnisse der gesammten Simplicianischen Familie.
[318]der Umstand, die Umstehenden.
[318]der Umstand, die Umstehenden.
[319]dringen,trans., wie drängen.
[319]dringen,trans., wie drängen.
[320]giege, gieg, starkespræt.zu geigen, wiestiegzu steigen.
[320]giege, gieg, starkespræt.zu geigen, wiestiegzu steigen.
[321]Fatzvogel, wie Spaßvogel.
[321]Fatzvogel, wie Spaßvogel.
[322]mit Kupfer handeln, rothen Ausschlag im Gesicht haben.
[322]mit Kupfer handeln, rothen Ausschlag im Gesicht haben.
[323]aufhasteln, aufhaspeln, wie die spätern Drucke haben.
[323]aufhasteln, aufhaspeln, wie die spätern Drucke haben.
[324]rahn, rahnig, dünn.
[324]rahn, rahnig, dünn.
[325]Es ist die bekannte Geschichte von den Büchern der Cumäischen Sibylle gemeint, die Tarquinius Priscus kaufte. Vgl. Lactant.,Divin. instit.B.I, 6.
[325]Es ist die bekannte Geschichte von den Büchern der Cumäischen Sibylle gemeint, die Tarquinius Priscus kaufte. Vgl. Lactant.,Divin. instit.B.I, 6.
[326]seinen Willen darvor gemacht, gegeben hatte, was er haben wollte.
[326]seinen Willen darvor gemacht, gegeben hatte, was er haben wollte.
[327]Rabbi, Meister.
[327]Rabbi, Meister.
[328]spitzigs Lederlein, spitzer Lederschwamm, Spitzmorchel, gebraucht wie Pfifferling.
[328]spitzigs Lederlein, spitzer Lederschwamm, Spitzmorchel, gebraucht wie Pfifferling.