Das zweite Capitel.

Fußnoten:[4]Schelle, »schellenlaute Thörin«.[5]Gumpen, Springen, Hüpfen.[6]deren, der,dat.wie öfters bei Grimmelshausen.[7]Cholera, Galle.[8]Phlegmam, Acc. alsfem.genommen.[9]beschweret, beschwöret.

[4]Schelle, »schellenlaute Thörin«.

[4]Schelle, »schellenlaute Thörin«.

[5]Gumpen, Springen, Hüpfen.

[5]Gumpen, Springen, Hüpfen.

[6]deren, der,dat.wie öfters bei Grimmelshausen.

[6]deren, der,dat.wie öfters bei Grimmelshausen.

[7]Cholera, Galle.

[7]Cholera, Galle.

[8]Phlegmam, Acc. alsfem.genommen.

[8]Phlegmam, Acc. alsfem.genommen.

[9]beschweret, beschwöret.

[9]beschweret, beschwöret.

Jungfrau Lebuschka (hernachmals genante Courage) kommt in den Krieg, nennet sich Janco und muß in demselben eine Zeitlang einen Kammerdiener abgeben; dabei vermeldet wird, wie sie sich verhalten und was sich Verwunderliches ferner mit ihr zugetragen.

Jungfrau Lebuschka (hernachmals genante Courage) kommt in den Krieg, nennet sich Janco und muß in demselben eine Zeitlang einen Kammerdiener abgeben; dabei vermeldet wird, wie sie sich verhalten und was sich Verwunderliches ferner mit ihr zugetragen.

Diejenige, so da wissen, wie die sclavonische Völker ihre leibeigne Unterthanen tractirn, dörften wol vermeinen, ich wäre von einem böhmischen Edelmann und eines Bauren Tochter erzeugt und geboren worden.

Wissen und Meinen ist aber zweierlei; ich vermeine auch viel Dings und weiß es doch nicht. Wann ich sagte, ich hätte gewust, wer meine Eltern gewesen, so würde ich lügen, und solches wäre nicht das erste mal. Dieses aber weiß ich wol, daß ich zu Bragoditz[12]zärtlich genug auferzogen, zur Schulengehalten und mehr als ein geringe Tochter zum Nähen, Stricken, Sticken und anderer dergleichen Frauenzimmerarbeit angeführt worden bin. Das Kostgeld kam fleißig von meinem Vatter; ich wuste aber drum nicht woher, und meine Mutter schickte manchen Gruß, mit deren ich gleichwol mein Tage kein Wort geredet. Als der Baierfürst[13]mit dem Buquoy in Böhmen zog, den neuen König wiederum zu verjagen, da war ich eben ein fürwitzigs Ding von dreizehen Jahren, welches anfieng nachzutichten, wo ich doch herkommen sein möchte; und solches war mein größtes Anliegen[14], weil ich nicht fragen dorfte und von mir selbst nichts ergründen konte. Ich wurde vor der Gemeinschaft der Leut verwahrt wie ein schönes Gemäl vorm Staub. Meine Kostfrau behielte mich immer in den Augen, und weil ich mit andern Töchtern meines Alters keine Gespielschaft machen dorfte, sihe, so vermehrten sich meine Grillen und Dauben[15], die der Fürwitz in meinem Hirn ausheckte, außer welchen ich mich auch mit sonst nichts bekümmerte.

Als sich nun der Herzog aus Baiern vom Buquoy separirte, gieng der Baier vor Budweis, dieser aber vor Bragoditz. Budweis ergab sich bei Zeiten und thät sehr weislich; Bragoditz aber erwartet und erfuhr den Gewalt der kaiserlichen Waffen, welche auch mit den Halsstarrigen grausam umgiengen. Da nun meine Kostfrau schmeckte[16], wo die Sach hinaus wolte, sagte sie zeitlich zu mir: »Jungfrau Libuschka, wann ihr eine Jungfrau bleiben wolt, so müst ihr euch scheren lassen und Mannskleider anlegen; wo nicht, so wolte ich euch keine Schnalle um euer Ehre geben, die mir doch so hoch befohlen worden zu beobachten.«

Ich dachte: was vor fremde Reden sein mir das!

Sie aber kriegte eine Scher und schnitte mir mein goldfarbes Haar auf der rechten Seiten hinweg; das auf der linken aber ließe sie stehen, in aller Maß und Form, wie es die vornehmste Mannspersonen damals trugen.

»So, mein Tochter«, sagte sie, »wann ihr diesem Strudel mit Ehren entrinnet, so habt ihr noch Haar genug zur Zierd, und in einem Jahr kan euch das ander auch wieder wachsen.«

Ich ließe mich gern trösten, dann ich bin von Jugend auf genaturt gewesen, am allerliebsten zu sehen, wann es amallernärrischten hergieng. Und als sie mir auch Hosen und Wamst angezogen, lernte sie mich weitere Schritte thun, und wie ich mich in den übrigen Geberden verhalten solte. Also erwarteten wir der kaiserlichen Völker Einbruch in die Stadt, meine Kostfrau zwar mit Angst und Zittern, ich aber mit großer Begierde, zu sehen, was es doch vor eine neue, ungewöhnliche Kürbe[17]setzen würde. Solches wurde ich bald gewahr. Ich will mich aber drum nicht aufhalten mit Erzählung, wie die Männer in der eingenommenen Stadt von den Ueberwindern gemetzelt, die Weibsbilder genothzüchtiget und die Stadt selbst geplündert worden, sintemal solches in dem verwichenen langwierigen Krieg so gemein und bekant worden, daß alle Welt genug darvon zu singen und zu sagen weiß. Diß bin ich schuldig zu melden, wann ich anders mein ganze Histori erzählen wil, daß mich ein teutscher Reuter vor einen Jungen mitnahm, bei dem ich der Pferde warten und forragirn, das ist stehlen helfen solte. Ich nennete mich Janco und konte ziemlich teutsch lallen, aber ich ließe michs, aller Böhmen Brauch nach, drum nicht merken. Darneben war ich zart, schön, und adelicher Geberden, und wer mir solches jetzt nicht glauben wil, dem wolte ich wünschen, daß er mich vor 50 Jahren gesehen hätte, so würde er mir dessentwegen schon ein ander gut Zeugniß geben.

Als mich nun dieser mein erster Herr zur Compagnia brachte, fragte ihn sein Rittmeister, welches in Wahrheit ein schöner junger tapferer Cavalier war, was er mit mir machen wolte. Er antwortet: »Was andere Reuter mit ihren Jungen machen, mausen und der Pferde warten, worzu die böhmische Art, wie ich höre, die beste sein soll. Man sagt vor gewiß: wo ein Böhm Kuder[18]aus einem Haus trage, da werde gewißlich kein Teutscher Flachs in finden.«

»Wie aber«, antwortet der Rittmeister, »wann er diß böhmisch Handwerk an dir anfieng und ritte dir zum Probstück deine Pferd hinweg?«

»Ich wil«, sagt der Reuter, »schon Achtung auf ihn geben, biß ich ihn aus der Küheweid[19]bringe.«

»Die Baurenbuben«, antwortet der Rittmeister, »die bei denPferden erzogen worden, geben viel bessere Reuterjungen als die Burgerssöhne, die in den Städten nicht lernen können, wie einem Pferde zu warten. Zu dem dunkt mich, dieser Jung sei ehrlicher Leut Kind und viel zu häckel auferzogen worden, einem Reuter seine Pferd zu versehen.«

Ich spitzte die Ohren gewaltig, ohne daß ich dergleichen gethan hätte, daß ich etwas von ihrem Discurs verstünde, weil sie teutsch redeten. Meine größte Sorg war, ich möchte wieder abgeschafft und nach dem geplünderten Bragoditz zuruckgejagt werden, weil ich die Trommeln und Pfeifen, das Geschütz und die Trompeten, von welchem Schall mir das Herz im Leib aufhupfte, noch nicht satt genug gehört hatte. Zuletzt schickte sichs, ich weiß nicht zu meinem Glück oder Unglück, daß mich der Rittmeister selbst behielte, daß ich seiner Person wie ein Page und Kammerdiener aufwarten solte; dem Reuter aber gab er einen andern böhmischen Knollfinken zum Jungen, weil er ja einen Dieb aus unserer Nation haben wolte.

Also schickte ich mich nun gar artlich in den Possen; ich wuste meinem Rittmeister so trefflich zu fuchsschwänzen, seine Kleidungen so sauber zu halten, sein weiß leinen Zeug so nett zu accomodirn und ihn in allem so wol zu pflegen, daß er mich vor den Kern eines guten Kammerdieners halten muste. Und weil ich auch einen großen Lust zum Gewehr hatte, versahe ich dasselbe dergestalten, daß sich Herr und Knechte darauf verlassen durften; und dannenhero erhielte ich bald von ihm, daß er mir einen Degen schenkte und mich mit einer Maultasche[20]wehrhaft machte. Ueber das, daß ich mich hierin so frisch hielte, muste sich auch jederman über mich verwundern und vor die Anzeigung eines unvergleichlichen Verstands halten, daß ich so bald teutsch reden lernete, weil niemand wuste, daß ichs bereits von Jugend auf lernen müssen. Darneben beflisse ich mich aufs höchste, alle meine weibliche Sitten auszumustern und hingegen mannliche anzunehmen; ich lernte mit Fleiß fluchen wie ein anderer Soldat und darneben saufen wie ein Bürstenbinder, soff Brüderschaft mit denen, die ich vermeinte, daß sie meines Gleichens wären, und wann ich etwas zu betheuern hatte, so geschahe es bei Dieb- und Schelmenschelten, damit ja niemand merken solte, warum ich in meiner Geburt zu kurz kommen oder was ich sonst nicht mitgebracht.

Fußnoten:[10]scilicet, ironisch, öfter bei Grimmelshausen: wer es glauben will![11]Gurre, schlechter Gaul. Die sprichwörtliche Redensart noch gebräuchlich.[12]Bragoditz,Pragatitz, jetzt Prachatitz in Böhmen, Prachiner Kreis.[13]Vgl. die Einleitung.[14]Anliegen, Sorge, Kummer.[15]Dauben, Einbildungen.[16]schmecken, riechen, merken.[17]Kürbe,Kirbe, Kirchweih, Festlichkeit, wobei es wild hergeht; auch im »Simplicissimus« öfters gebraucht.[18]Kuder, Werch, Heede.[19]aus der Küheweid, aus seiner Heimat, in eine andere Gegend.[20]Maultasche, Maulschelle, statt des Ritterschlags.

[10]scilicet, ironisch, öfter bei Grimmelshausen: wer es glauben will!

[10]scilicet, ironisch, öfter bei Grimmelshausen: wer es glauben will!

[11]Gurre, schlechter Gaul. Die sprichwörtliche Redensart noch gebräuchlich.

[11]Gurre, schlechter Gaul. Die sprichwörtliche Redensart noch gebräuchlich.

[12]Bragoditz,Pragatitz, jetzt Prachatitz in Böhmen, Prachiner Kreis.

[12]Bragoditz,Pragatitz, jetzt Prachatitz in Böhmen, Prachiner Kreis.

[13]Vgl. die Einleitung.

[13]Vgl. die Einleitung.

[14]Anliegen, Sorge, Kummer.

[14]Anliegen, Sorge, Kummer.

[15]Dauben, Einbildungen.

[15]Dauben, Einbildungen.

[16]schmecken, riechen, merken.

[16]schmecken, riechen, merken.

[17]Kürbe,Kirbe, Kirchweih, Festlichkeit, wobei es wild hergeht; auch im »Simplicissimus« öfters gebraucht.

[17]Kürbe,Kirbe, Kirchweih, Festlichkeit, wobei es wild hergeht; auch im »Simplicissimus« öfters gebraucht.

[18]Kuder, Werch, Heede.

[18]Kuder, Werch, Heede.

[19]aus der Küheweid, aus seiner Heimat, in eine andere Gegend.

[19]aus der Küheweid, aus seiner Heimat, in eine andere Gegend.

[20]Maultasche, Maulschelle, statt des Ritterschlags.

[20]Maultasche, Maulschelle, statt des Ritterschlags.

Janco vertauschet sein edles Jungferkränzlein bei einem resoluten Rittmeister um den Namen Courage.

Janco vertauschet sein edles Jungferkränzlein bei einem resoluten Rittmeister um den Namen Courage.

Mein Rittmeister war, wie hieroben gemeldet, ein schöner junger Cavalier, ein guter Reuter, ein guter Fechter, ein guter Tänzer, ein reuterischer Soldat und überaus sehr auf das Jagen verpicht; sonderlich mit Windhunden die Hasen zu hetzen, war sein größter Spaß. Er hatte so viel Barts ums Maul als ich, und wann er Frauenzimmerkleider angehabt hätte, so hätte ihn der Tausendste vor eine schöne Jungfrau gehalten. Aber wo komm ich hin? Ich muß meine Histori erzählen. Als Budweis und Bragoditz über, giengen beide Armeen vor Pilsen, welches sich zwar tapfer wehrete, aber hernach auch mit jämmerlichem Würgen und Aufhenken seine Straf empfieng. Von dannen ruckten sie auf Rakonitz[21], allwo es die erste Stöß im Feld setzte, die ich sahe. Und damals wünschte ich ein Mann zu sein, um dem Krieg meine Tage nachzuhängen; dann es gieng so lustig her, daß mir das Herz im Leib lachte. Und solche Begierde vermehrte mir die Schlacht auf dem Weißen Berg bei Prag, weil die Unsere einen großen Sieg erhielten und wenig Volk einbüßten. Damals machte mein Rittmeister treffliche Beuten; ich aber ließe mich nicht wie ein Page oder Kämmerling, vielweniger als ein Mägdchen, sondern wie ein Soldat gebrauchen, der an den Feind zu gehen geschworen und darvon seine Besoldung hat.

Nach diesem Treffen marschiert der Herzog aus Baiern in Oesterreich, der sächsische Churfürst in die Lausnitz, und unser General Buquoy in Mähren, des Kaisers Rebellen wiederum in Gehorsam zu bringen. Und indem sich dieser letztere an seiner bei Rakonitz empfangenen Beschädigung curiren ließe, sihe, da bekam ich mitten in derselbigen Ruhe, so wir seinethalber genossen, eine Wunden in mein Herz, welche mir meines Rittmeisters Liebwürdigkeit hinein druckte; dann ich betrachtete nur diejenige Qualitäten, die ich oben von ihm erzählet, und achtete gar nicht, daß er weder lesen noch schreiben konteund im übrigen so ein roher Mensch war, daß ich bei meiner Treu schweren kan, ich hätte ihn niemalen hören oder sehen beten.Und wann ihn gleich der weise König Alphonsus[22]selbst eine schöne Bestia genant hätte, so wäre mein Liebesfeur, das ich hegte, doch nicht darvon verloschen, welches ich aber heimlich zu halten gedachte, weil mirs meine wenig übrighabende jungfräuliche Schamhaftigkeit also riethe. Es geschahe aber mit solcher Ungeduld, daß ich, unangesehen meiner Jugend, die noch keines Manns werth war, mir oft wünschte, derjenigen Stelle zu vertreten, die ich und andere Leute ihm zu Zeiten zukuppelten. So hemmte anfänglich auch nicht wenig den ungestümen und gefährlichen Ausbruch meiner Liebe, daß mein Liebster von einem edlen und namhaften Geschlecht geboren war, von dem ich mir einbilden muste, daß er keine, die ihre Eltern nicht kennete, ehelichen würde; und seine Matresse zu sein, konte ich mich nicht entschließen, weil ich täglich bei der Armee so viel Huren sahe preißmachen.

Ob nun gleich dieser Krieg und Streit, den ich mit mir selber führte, mich greulich quälte, so war ich doch geil und ausgelassen darbei, ja von einer solchen Natur, daß mir weder mein innerlichs Anliegen noch die äußerliche Arbeit und Kriegsunruhe etwas zu schaffen gab. Ich hatte zwar nichts zu thun, als einzig meinem Rittmeister aufzuwarten; aber solches lernete mich die Liebe mit solchem Fleiß und Eifer verrichten, daß mein Herr tausend Eid vor einen geschworen hätte, es lebte kein treuerer Diener auf dem Erdboden. In allen Occasionen, sie wären auch so scharf gewesen, als sie immer wolten, kame ich ihme niemalen vom Rucken oder der Seiten, wiewol ichs gar nicht zu thun schuldig war, und überdas war ich allzeit willig, wo ich nur etwas zu thun wuste, das ihm gefiele. So hätte er auch gar wol aus meinem Angesicht lesen können, wann ihn nur meine Kleider nicht betrogen, daß ich ihn weit mit einer anderen als eines gemeinen Dieners Andacht geehrt und angebetet. Indessen wuchse mir mein Busen je länger je größer, und druckte mich der Schuh je länger je heftiger, dergestalt, daß ich weder von außen meine Brüstenoch den innerlichen Brand im Herzen länger zu verbergen getraute.

Als wir Iylau[23]bestürmet, Trebitz[24]bezwungen, Znaim zum Accord gebracht, Brün und Olmütz unter das Joch geworfen und meistenteils alle andere Städte zum Gehorsam getrieben, seind mir gute Beuten zugestanden, welche mir mein Rittmeister meiner getreuen Dienste wegen alle schenkte, wormit ich mich trefflich mundirte[25]und selbst zum allerbesten beritten machte, meinen eignen Beutel spickte und zu Zeiten bei dem Marquetentern mit den Kerln ein Maß Wein trank. Einsmals machte ich mich mit etlichen lustig, die mir aus Neid empfindliche Wort gaben, und sonderlich war ein Feindseliger darunter, der die böhmische Nation gar zu sehr schmähete und verachtete. Der Narr hielte mir vor, daß die Böhmen ein faulen Hund voller Maden vor ein stinkenden Käs gefressen hätten, und foppte mich allerdings, als wann ich persönlich darbei gewesen wäre. Derowegen kamen wir beiderseits zu Scheltworten, von den Worten zu Nasenstübern, und von den Stößen zum Rupfen und Ringen, unter welcher Arbeit mir mein Gegentheil mit der Hand in Schlitz wischte, mich bei demjenigen Geschirr zu ertappen, das ich doch nicht hatte; welcher zwar vergebliche, doch mörderische Griff mich viel mehr verdrosse, als wann er nicht leer abgangen wäre. Und eben darum wurde ich desto verbitterter, ja gleichsam halber unsinnig, also daß ich aller meiner Stärk und Geschwindigkeit zusammengebote und mich mit Kratzen, Beißen, Schlagen und Treten dergestalt wehrete, daß ich meinen Feind hinunter brachte und ihn im Angesicht also zurichtete, daß er mehr einer Teufelslarven als einem Menschen gleich sahe. Ich hätte ihn auch gar erwürgt, wann mich die andere Gesellschaft nicht von ihm gerissen und Fried gemacht hätte. Ich kam mit einem blauen Aug darvon und konte mir wol einbilden, daß der schlimme Kund gewahr worden, was Geschlechts ich gewesen; und ich glaub auch, daß ers offenbart hätte, wann er nicht gefürchtet, daß er entweder mehr Stöße bekommen oder zu denen, die er allbereit empfangen, ausgelacht worden wäre, um daß er sich von einem Mägdchen schlagen lassen. Und weil ich sorgte, er möchte noch endlich schnellen[26], sihe, so drehete ich mich aus.

Mein Rittmeister war nicht zu Haus, als ich in unser Quartier kam, sondern bei einer Gesellschaft anderer Officier, mit denen er sich lustig machte, allwo er auch erfuhr, was ich vor eine Schlacht gehalten, ehe ich zu ihm kam. Er liebte mich als ein resolutes junges Bürschel, und eben darum war mein Filz[27]desto geringer; doch unterließe er nicht, mir dessentwegen einen Verweis zu geben. Als aber die Predigt am allerbesten war und er mich fragte, warum ich meinen Gegentheil so gar abscheulich zugerichtet hätte, antwortet ich: »Darum, daß er mir nach der Courage gegriffen hat, wohin sonst noch keines Mannsmenschen Hände kommen sein.«

Dann ich wolte es verzwicken[28]und nicht so grob nennen, wie die Schwaben ihre zusammengelegte Messer, welche man, wann ich Meister wäre, auch nicht mehr so unhöflich, sondern unzüchtige Messer heißen müste. Und weil meine Jungfrauschaft ohnedas sich in letzten Zügen befand, zumalen ich wagen[29]muste, mein Gegentheil würde mich doch verrathen, sihe, so entblößte ich meinen schneeweißen Busen und zeigte dem Rittmeister meine anziehende harte Brüste.

»Sehet, Herr«, sagte ich, »hie sehet ihr eine Jungfrau, welche sich zu Bragoditz verkleidet hat, ihre Ehr vor den Soldaten zu erretten, und demnach sie Gott und das Glück in eure Hände verfügt, so bittet sie und hofft, ihr werdet sie auch als ein ehrlicher Cavalier bei solcher ihrer hergebrachten Ehr beschützen.«

Und als ich solches vorgebracht hatte, fieng ich so erbärmlich an zu weinen, daß einer drauf gestorben wäre, es sei mein gründlicher Ernst gewesen.

Der Rittmeister erstaunete zwar vor Verwunderung und muste doch lachen, daß ich mit einem neuen Namen viel Farben beschrieben hatte, die mein Schild und Helm führte. Er tröstete mich gar freundlich und versprach mit gelehrten Worten, meine Ehre wie sein eigen Leben zu beschützen; mit den Werken aber bezeugte er alsobalden, daß er der erste wäre, der meinem Kränzlein nachstellte, und sein unzüchtig Gegrabel gefiele mir auch viel besser als sein ehrlichs Versprechen. Doch wehrete ich mich ritterlich, nicht zwar ihme zu entgehen oder seinen Begierden zu entrinnen, sondern ihn recht zu hetzen und noch begieriger zu machen, allermaßen mir der Poß soartlich angieng, daß ich nichts geschehen ließe, biß er mir zuvor bei Teufelholen versprach, mich zu ehelichen, unangesehen ich mir wol einbilden konte, er würde solches so wenig im Sinn haben zu halten, als den Hals abzufallen. Und nun schaue, du guter Simplex, du dörftest dir hiebevor im Sauerbrunnen vielleicht eingebildet haben, du seiest der erste gewesen, der den süßen Milchraum abgehoben! Ach nein, du Tropf, du bist betrogen; er war hin, ehe du vielleicht bist geboren worden, darum dir dann billich, weil du zu spat aufgestanden, nur der Zeiger[30]gebührt und vorbehalten worden. Aber diß ist nur Puppenwerk gegen dem zu rechnen, wie ich dich sonst angeseilt und betrogen habe, welches du an seinem Ort auch gar ordenlich von mir vernehmen solt.

Fußnoten:[21]Rakonitz, Städtchen in Böhmen, Regierungsbezirk Prag.[22]Alphonsus, Alfons X., König von Leon und Castilien, reg. 1252 bis 1282, genannt der Weise. Er war Gelehrter, Philosoph, Astronom. Von ihm sind die Alfonsinischen Tafeln. Alfons V. von Aragonien, gest. 1458, wie H. Kurz glaubt, ist nicht gemeint.[23]Iylau, Iglau, Mähren, Regierungsbezirk Brünn.[24]Trebitz,Trebitsch,Trzebicza, Flecken, Fähren, Kreis Iglau.[25]mundirte, montirte, ausrüstete.[26]schnellen, in die Höhe, wieder zu stehen kommen.[27]Filz, Schelte, Strafrede.[28]verzwicken, zweideutig ausdrücken.[29]wagen, Gefahr laufen.[30]Zeiger,Zieger, Käse.

[21]Rakonitz, Städtchen in Böhmen, Regierungsbezirk Prag.

[21]Rakonitz, Städtchen in Böhmen, Regierungsbezirk Prag.

[22]Alphonsus, Alfons X., König von Leon und Castilien, reg. 1252 bis 1282, genannt der Weise. Er war Gelehrter, Philosoph, Astronom. Von ihm sind die Alfonsinischen Tafeln. Alfons V. von Aragonien, gest. 1458, wie H. Kurz glaubt, ist nicht gemeint.

[22]Alphonsus, Alfons X., König von Leon und Castilien, reg. 1252 bis 1282, genannt der Weise. Er war Gelehrter, Philosoph, Astronom. Von ihm sind die Alfonsinischen Tafeln. Alfons V. von Aragonien, gest. 1458, wie H. Kurz glaubt, ist nicht gemeint.

[23]Iylau, Iglau, Mähren, Regierungsbezirk Brünn.

[23]Iylau, Iglau, Mähren, Regierungsbezirk Brünn.

[24]Trebitz,Trebitsch,Trzebicza, Flecken, Fähren, Kreis Iglau.

[24]Trebitz,Trebitsch,Trzebicza, Flecken, Fähren, Kreis Iglau.

[25]mundirte, montirte, ausrüstete.

[25]mundirte, montirte, ausrüstete.

[26]schnellen, in die Höhe, wieder zu stehen kommen.

[26]schnellen, in die Höhe, wieder zu stehen kommen.

[27]Filz, Schelte, Strafrede.

[27]Filz, Schelte, Strafrede.

[28]verzwicken, zweideutig ausdrücken.

[28]verzwicken, zweideutig ausdrücken.

[29]wagen, Gefahr laufen.

[29]wagen, Gefahr laufen.

[30]Zeiger,Zieger, Käse.

[30]Zeiger,Zieger, Käse.

Courage wird darum eine Ehefrau und Rittmeisterin, weil sie gleich darauf wieder zu einer Wittib werden muste, nachdem sie vorhero den Ehestand eine Weile lediger Weise getrieben hatte.

Courage wird darum eine Ehefrau und Rittmeisterin, weil sie gleich darauf wieder zu einer Wittib werden muste, nachdem sie vorhero den Ehestand eine Weile lediger Weise getrieben hatte.

Also lebte ich nun mit meinem Rittmeister in heimlicher Liebe und versahe ihm beides die Stelle eines Kammerdieners und seines Eheweibs. Ich quälte ihn oft, daß er dermalen eins[31]sein Versprechen halten und mich zur Kirchen führen solte; aber er hatte allzeit eine Ausrede, vermittelst deren er die Sach auf die lange Bank schieben konte. Niemalen konte ich ihn besser zu Chor treiben, als wann ich eine gleichsam unsinnige Liebe gegen ihn bezeugte und darneben meine Jungfrauschaft wie des Jephthae Tochter[32]beweinte, welchen Verlust ich doch nicht dreier Heller werth schätzte. Ja ich war froh, daß mir solche als ein schwerer unträglicher Last entnommen war, weil mich nunmehr der Fürwitz verlassen. Doch brachte ich mit meiner liebreizenden Importunität so viel zuwegen, daß er mir zu Wien ein toll[33]Kleid machen ließe auf die neue Mode, wie es damalen das adeliche Frauenzimmer in Italia trug, so daß mir nichts anders manglete als die Copulation, und daß man mich einmal Frau Rittmeisterin nennete, wormit er mir einegroße Hoffnung machte und mich willig behielte. Ich dorfte aber drum dasselbig Kleid nicht tragen, noch mich vor ein Weibsbild, viel weniger aber vor seine Gespons ausgeben. Und was mich zum allermeisten verdrosse, war diß, daß er mich nicht mehr Janco, auch nicht Libuschka, sondern Courage nante. Denselben Namen ähmten andere nach, ohne daß sie dessen Ursprung wusten, sondern vermeinten, mein Herr hieße mich dessentwegen also, weil ich mit einer sonderbaren Resolution und unvergleichlichen Courage in die allerärgste Feindsgefahren zu gehen pflegte. Und also muste ich schlucken, was schwer zu verdauen war. Darum, o ihr lieben Mägdchen, die ihr noch euer Ehr und Jungfrauschaft unversehrt erhalten habt, seid gewarnet und lasset euch solche so liederlich nicht hinrauben, dann mit derselbigen gehet zugleich euere Freiheit in Duckas[34]und ihr gerathet in ein solche Marter und Sclaverei, die schwerer zu erdulden ist als der Tod selbsten. Ich habs erfahren und kan wol ein Liedlein darvon singen. Der Verlust meines Kränzleins thät mir zwar nicht wehe, dann ich hab niemal kein Schloß darum zu kaufen begehrt; aber dieses gieng mir zu Herzen, daß ich mich noch deswegen foppen lassen und noch gute Wort darzu geben muste, wolte ich nicht in Sorgen leben, daß mein Rittmeister aus der Schul schwatzen und mich aller Welt zu Spott und Schand darstellen möchte. Auch ihr Kerl, die ihr mit solcher betrüglichen Schnapphahnerei umgehet, sehet euch vor, daß ihr nicht den Lohn euerer Leichtfertigkeit von denen empfahet, die ihr zu billicher Rach beweget, wie man ein Exempel zu Paris hat, allwo ein Cavalier, nachdem er eine Dame betrogen und sich folgends an ein andere verheuraten wolte, wiederum zum Beischlaf gelockt, des Nachts aber ermordet, elend zerstümmelt und zum Fenster hinaus auf die offene Straß geworfen wurde. Ich muß von mir selbst bekennen, wann mich mein Rittmeister nicht mit allerhand herzlichen Liebsbezeugungen unterhalten und mir nicht stetig Hoffnung gemacht hätte, mich noch endlich ohne allen Zweifel zu ehelichen, daß ich ihm einmal unversehens in einer Occasion ein Kugel geschenkt hätte.

Indessen marschierten wir unter des Buquoy Commando in Ungarn und nahmen zum ersten Preßburg ein, allwo wir auch unsere meiste Bagage und beste Sachen hinterlegeten, weil sichmein Rittmeister versahe, wir würden mit dem Bethlen Gabor eine Feldschlacht wagen müssen. Von dannen giengen wir nach S. Georgi[35], Possing, Moder und andere Ort, welche erstlich geplündert und hernach verbrennt wurden. Tyrnau, Altenburg und fast die ganze Insul[36]nahmen wir ein, und vor Neusoll[37]kriegten wir einige Stöße, allwo nicht allein mein Rittmeister tödtlich verwundet, sondern auch unser General, der Graf Buquoy, selbsten niedergemacht wurde, welcher Tod dann verursachte, daß wir anfiengen zu fliehen, und nicht aufhöreten, biß wir nach Preßburg kamen. Daselbst pflegte ich meinem Rittmeister mit ganzem Fleiß, aber die Wundärzte prophezeiten ihm den gewissen Tod, weil ihm die Lung verwundet war. Derowegen wurde er auch durch gute Leute erinnert und dahin bewegt, daß er sich mit Gott versöhnet, dann unser Regimentscaplan war ein solcher eiferiger Seelensorger, daß er ihm keine Ruhe ließ, biß er beichtet und communicirte. Nach solchem wurde er beides durch seinen Beichtvatter und sein eigen Gewissen angespornt und getrieben, daß er mich mit ihme im Bette copuliren ließe, welches nicht seinem Leib, sondern seiner Seelen zum besten angesehen war. Und solches gieng desto ehender, weil ich ihn überredet, daß ich mich von ihm schwanger befände. So verkehrt nun gehets in der Welt her; andere nehmen Weiber, mit ihnen ehelich zu leben; dieser aber ehelichte mich, weil er wuste, daß er solte sterben. Aus diesem Verlauf musten die Leute nun glauben, daß ich ihn nicht als ein getreuer Diener, sondern als seine Matreß bedient und sein Unglück beweinet hatte. Das Kleid kam mir wol zu der Hochzeitceremonien zu Paß, welches er mir hiebevor machen lassen; ich dorfte es aber nicht lang tragen, sondern muste ein schwarzes haben, weil er nach wenig Tagen mich zur Wittib machte. Und damals gieng mirs allerdings wie jenem Weib, die bei ihres Manns Begräbnis einem ihrer Befreundten, der ihr das Leid klagte[38], zur Antwort gab: Was einer zum liebsten hat, führt einem der Teufel zum ersten hin.

Ich ließe ihn seinem Stand gemäß prächtig genug begraben, dann er mir nicht allein schöne Pferd, Gewehr und Kleider, sondern auch ein schön Stück Geld hinterlassen, und umalle diese Begebenheit ließe ich mir von dem Geistlichen schriftlichen Urkund geben, der Hoffnung, dardurch von seiner Eltern Verlassenschaft noch etwas zu erhaschen. Ich konte aber auf fleißiges Nachforschen nichts anders erfahren, als daß er zwar gut edel[39]von Geburt, aber hingegen so blutarm gewesen, daß er sich elend behelfen müssen, wann ihm die Böhmen keinen Krieg geschickt oder zugericht hätten. Ich verlore aber zu Preßburg nicht allein diesen meinen Liebsten, sondern wurde auch in selbiger Stadt vom Bethlen Gabor belägert. Dieweil aber zehen Compagnien Reuter und zwei Regiment zu Fuß aus Mähren durch ein Strategema die Stadt entsetzet, Bethlen an der Eroberung verzweifelt und die Belägerung aufgehoben, habe ich mich mit einer guten Gelegenheit samt meinen Pferden, Dienern und ganzer Bagage nach Wien begeben, um von dannen wiederum in Böhmen zu kommen, zu sehen, ob ich vielleicht meine Kostfrau zu Bragoditz noch lebendig finden und von ihr erkundigen möchte, wer doch meine Eltern gewesen. Ich kützelte mich damals mit keinen geringen Gedanken, was ich nämlich vor Ehr und Ansehens haben würde, wann ich wieder nach Haus käme und so viel Pferd und Diener mitbrächte, das ich alles laut meiner Urkund im Krieg redlich und ehrlich gewonnen.

Fußnoten:[31]dermalen eins, dermaleinst.[32]Libuschka faßt die Erzählung im Buch der Richter Cap. 11 in ihrer Weise auf![33]toll, auffallend.[34]in Duckas gehen, sprichwörtlich wie: in die Brüche gehen.[35]Georgi, Szt. György.[36]die Insul, Schütt.[37]Neusoll, Neusohl, Ungarn, Com. Sohl. Der Verfasser ist im Irrthum; Buquoi fiel bei der Belagerung von Neuhäusel an der Neitra 1626; vgl. die Einleitung.[38]das Leid klagte(eigentlich: ihr Leid beklagte), sein Beileid bezeigte.[39]gut edel, von gutem Adel.

[31]dermalen eins, dermaleinst.

[31]dermalen eins, dermaleinst.

[32]Libuschka faßt die Erzählung im Buch der Richter Cap. 11 in ihrer Weise auf!

[32]Libuschka faßt die Erzählung im Buch der Richter Cap. 11 in ihrer Weise auf!

[33]toll, auffallend.

[33]toll, auffallend.

[34]in Duckas gehen, sprichwörtlich wie: in die Brüche gehen.

[34]in Duckas gehen, sprichwörtlich wie: in die Brüche gehen.

[35]Georgi, Szt. György.

[35]Georgi, Szt. György.

[36]die Insul, Schütt.

[36]die Insul, Schütt.

[37]Neusoll, Neusohl, Ungarn, Com. Sohl. Der Verfasser ist im Irrthum; Buquoi fiel bei der Belagerung von Neuhäusel an der Neitra 1626; vgl. die Einleitung.

[37]Neusoll, Neusohl, Ungarn, Com. Sohl. Der Verfasser ist im Irrthum; Buquoi fiel bei der Belagerung von Neuhäusel an der Neitra 1626; vgl. die Einleitung.

[38]das Leid klagte(eigentlich: ihr Leid beklagte), sein Beileid bezeigte.

[38]das Leid klagte(eigentlich: ihr Leid beklagte), sein Beileid bezeigte.

[39]gut edel, von gutem Adel.

[39]gut edel, von gutem Adel.

Was die Rittmeisterin Courage in ihrem Wittibstand vor ein ehrbares züchtiges, wie auch verruchtes, gottloses Leben geführet, wie sie einem Grafen zu Willen wird, einen Ambassador um seine Pistolen bringet und sich andern mehr, um reiche Beute zu erschnappen, willig unterwirft.

Was die Rittmeisterin Courage in ihrem Wittibstand vor ein ehrbares züchtiges, wie auch verruchtes, gottloses Leben geführet, wie sie einem Grafen zu Willen wird, einen Ambassador um seine Pistolen bringet und sich andern mehr, um reiche Beute zu erschnappen, willig unterwirft.

Weil ich meine vorhabende Reise Unsicherheit halber von Wien aus nach Bragoditz so bald nicht ins Werk zu setzen getraute, zumalen es in den Wirthshäusern grausam theur zu zehren war, als verkaufte ich mein Pferde und schaffte alle meine Diener ab, dingte mir aber hingegen eine Magd und bei einer Wittib eine Stube, Kammer und Kuchel, um genau[40]zu hausen und Gelegenheit zu erwarten, mit deren ich sicher nach Haus kommen könte. Dieselbe Wittib war ein rechtesDaus-Es[41], die nicht viel ihres Gleichen hatte. Ihre zwo Töchter aber waren unsers Volks und beides bei der Hofbursch[42]und den Kriegsofficiern wol bekant, welche mich auch bei denselben bald bekant machten, so daß dergleichen Schnapphahnen in Kürze die große Schönheit der Rittmeisterin, die sich bei ihnen enthielte[43], unter einander zu rühmen wusten. Gleich wie mir aber mein schwarzer Traurhabit ein sonderbares Ansehen und ehrbare Gravität verliehe, zumalen meine Schönheit desto höher herfür leuchten machte, also hielte ich mich auch anfänglich gar still und eingezogen. Meine Magd muste spinnen, ich aber begab mich aufs Nähen, Wirken und andere Frauenzimmerarbeit, daß es die Leute sahen; heimlich aber pflanzte ich meine Schönheit auf und konte oft eine ganze Stund vorm Spiegel stehen, zu lernen und zu begreifen, wie mir das Lachen, das Weinen, das Seufzen und andere dergleichen veränderliche Sachen anstunden. Und diese Thorheit solte mir ein genugsame Anzeigung meiner Leichtfertigkeit und eine gewisse Prophezeiung gewesen sein, daß ich meiner Wirthin Töchtern bald nachähmen würde; welche auch, damit solches bald geschehe, samt der Alten anfiengen gute Kundschaft mit mir zu machen und, mir die Zeit zu kürzen, mich oft in meinem Zimmer besuchten, da es dann solche Discurs setzte, die so jungen Dingern, wie ich war, die Frommkeit zu erhalten gar ungesund zu sein pflegen, sonderlich bei solchen Naturen, wie die meinige inclinirt gewesen. Sie wuste mit weitläufigen Umschweifen artlich herum zu kommen, und lernete meine Magd anfänglich, wie sie mich recht auf die neue Mode aufsetzen[44]und ankleiden solte. Mich selbst aber unterrichtet sie, wie ich meine weiße Haut noch weißer, und meine goldfarbe Haar noch glänzender machen solte. Und wann sie mich dann so geputzt hatte, sagte sie: es wäre immer schad, daß so ein edele Creatur immerhin in einem schwarzen Sack stecken und wie ein Turteltäublein leben solte.

Das thät mir dann trefflich kirr und war Oel zu dem ohnedas brennenden Feur meiner anreizenden Begierden. Sie lehnete mir auch den »Amadis«[45], die Zeit darin zu vertreiben und Complimenten daraus zu ergreifen, und was sie sonsterdenken konte, das zu Liebeslüsten reizen machte, das ließe sie nicht unterwegen.

Indessen hatten meine abgeschaffte Diener ausgesprengt und unter die Leute gebracht, was ich vor eine Rittmeisterin gewesen und wie ich zu solchem Titul kommen; und weil sie mich nicht anders zu nennen wusten, verbliebe mir der Nam Courage. Auch fieng ich nach und nach an, meines Rittmeisters zu vergessen, weil er mir nicht mehr warm gab, und indem ich sahe, daß meiner Wirthin Töchter so guten Zuschlag hatten, wurde mir das Maul allgemach nach neuer Speise wässerig, welche mir auch meine Wirthin lieber als ihr selbst gern gegönnt hätte. Doch dorfte[46]sie mir, so lang ich die Traur nicht ablegte, noch nichts dergleichen so offentlich zumuthen, weil sie sahe, daß ich die Anwürf[47], so hierauf zieleten, gar kaltsinnig annahm. Gleichwol unterließen etliche vornehme Leute nicht, ihr täglich meinetwegen anzuliegen und um ihr Haus herum zu schwärmen wie die Raubbienen um ein Immenfaß. Unter diesen war ein junger Graf, der mich neulich in der Kirchen gesehen und sich aufs äußerste verliebt hatte. Dieser spendirte trefflich, einen Zutritt zu mir zu bekommen; und damit es ihm anderwärts gelingen möchte, weil ihn meine Wirthin noch zur Zeit nicht kecklich bei mir anzubringen getraute, die er dessentwegen oft vergeblich ersucht, erkundigte er von einem meiner gewesenen Diener alle Beschaffenheit des Regiments, darunter mein Rittmeister gelebt, und als er der Officier Namen wuste, demüthigt er sich, mir aufzuwarten oder mich persönlich zu besuchen, um seinen Bekanten nachzufragen, die er sein Lebtag nicht gesehen hatte. Von dannen kam er auch auf meinen Rittmeister, von welchem er aufschnitte, daß er in der Jugend neben ihm studiert und allzeit gute Kundschaft und Vertraulichkeit mit ihm gehabt hätte, beklagte auch seinen frühezeitigen Abgang und lamentirte damit zugleich über mein Unglück, daß es mich in einer solchen zarten Jugend so bald zu einer Wittib gemacht, mit Anerbieten, da ich in irgend was seiner Hülfe bedürftig wäre, &c. Mit solchen und dergleichen Aufzügen suchte der junge Herr sein erste Kundschaft mit mir zu machen, die er auch bekam; und ob ich zwar greifen konnte, daß er im Reden irrete, dann mein Rittmeister hatte ja das geringste nicht studiert, so ließe ich mir doch seineWeise wolgefallen, weil seine Meinung dahin gieng, des abgangnen Rittmeisters Stell bei mir zu ersetzen. Doch stellte ich mich gar fremd und kaltsinnig, gab kurzen Bescheid und zwang ein zierlichs Weinen daher, bedankte mich seines Mitleidens und der anerbotenen Gnad mit so beschaffnen Complimenten, die genugsam waren, ihme anzudeuten, daß sich seine Liebe vor dißmal mit einem guten Anfang genügen lassen, er selbst aber wiederum einen ehrlichen Abscheid von mir nehmen solte. Den andern Tag schickte er seinen Laquaien, zu vernehmen, ob er mir kein Ungelegenheit machte, wann er käme mich zu besuchen. Ich ließe ihm wider sagen, er machte mir zwar keine Ungelegenheit und ich möchte seine Gegenwart auch wol leiden, allein weil es wunderliche Leute in der Welt gebe, denen alles verdächtig vorkäme, so bäte ich, er wolle meiner verschonen und mich in kein bös Geschrei bringen. Diese unhöfliche Antwort machte den Grafen nicht allein nicht zornig, sondern viel verliebter; er passierte maulhenkolisch bei dem Hause vorüber, der Hoffnung, aufs wenigst nur seine Augen zu weiden, wann er mich am Fenster sehe, aber vergeblich; ich wolte mein Waar recht theur an Mann bringen und ließe mich nicht sehen. Indessen nun dieser vor Liebe halber vergieng, legte ich meine Trauer ab und prangte in meinem andern Kleid, darin ich mich dorfte sehen lassen. Da unterließe ich nichts, das mich ziern möchte, und zohe damit die Augen und Herzen vieler großen Leut an mich, welches aber nur geschahe, wann ich zur Kirchen gieng, weil ich sonst nirgends hin kam. Ich hatte täglich viel Grüße und Botschaften von diesen und von jenen anzuhören, die alle in des Grafen Spital krank lagen[48]; aber ich bestunde so unbeweglich wie ein Felsen, biß ganz Wien nicht allein von dem Lob meiner unvergleichlichen Schönheit, sondern auch von dem Ruhm meiner Keuschheit und anderer seltenen Tugenden erfüllt ward. Da ich nun meine Sach so weit gebracht, daß man mich schier vor eine halbe Heiliginne hielte, dunkte mich Zeit sein, meinen bißher bezwungenen Begierden den Zaum einmal schießen zu lassen und die Leute in ihrer guten von mir gefaßten Meinung zu betrügen. Der Graf war der erste, dem ich Gunst bezeugte und widerfahren ließe, weil er solche zu erlangen weder Mühe noch Unkosten sparete. Er war zwar liebenswerth und liebte mich auch von Herzen, undich hielte ihn vor den Besten unterm ganzen Haufen, mir meine Begierden zu sättigen; aber dannoch so wäre er nicht darzu kommen, wann er mir nicht gleich nach abgelegter Traur ein Stück columbinen[49]Atlas mit aller Ausstaffierung zu einem neuen Kleid geschickt und vor allen Dingen 100 Ducaten in meine Haushaltung, um daß ich mich über meines Manns Verlust desto besser trösten solte, verehrt hätte. Der ander nach ihm war eines großen Potentaten Ambassador, welcher mir die erste Nacht 60 Pistolen zu verdienen gabe. Nach diesen kamen auch andere, und zwar keine, die nicht tapfer spendieren konten, dann was arm war oder wenigst nicht gar reich und hoch, das mochte entweder draußen bleiben oder sich mit meiner Wirthin Töchtern behelfen. Und solcher Gestalt richtete ichs dahin, daß meine Mühle gleichsam nie leer stunde; ich malzerte[50]auch so meisterlich, daß ich inner Monatsfrist über 1000 Ducatenin speciezusammen brachte, ohne dasjenige, was mir an Kleinodien, Ringen, Ketten, Armbändern, Sammet, Seiden und Leinengezeug (mit Strümpfen und Handschuhen dorfte wol keiner aufziehen), auch an Victualien, Wein und anderen Sachen verehrt wurde. Und also gedachte ich mir meine Jugend fürderhin zu Nutz zu machen, weil ich wuste, daß es heißt:


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