Drittes Kapitel.

Es leidet wohl keinen Zweifel, dass die Zwangsarbeit, der im Verhältniss zur Mühe ungenügende Lohn, die Hauptursache des geringen Ertrages der Regierungspflanzungen ist, besonders bei der Unmöglichkeit einer ausreichenden Beaufsichtigung. Die Zahl der europäischen Kontrolöre ist so gering, dass sie trotz dem besten Willen und Eifer nicht den zehnten Theil der ihnen anvertrauten Pflanzungen gehörig verwalten können. Ihre Zahl beträgt etwa 200; jeder einzelne hat daher, abgesehen von den vielen andern ihm obliegenden Geschäften, die Aufsicht zu führen über 11/2Million Kaffeebäume und über die zuweilen gleichzeitige Arbeit von mehr als 2000 Menschen, in Pflanzungen, die oft meilenweit von einander entfernt liegen. Trotz aller Mängel, die diesem von der Regierung selbst betriebenen Gewerbzweig anhaften, liefert derselbe jährlich so bedeutende Ueberschüsse, dass man sich nicht wundern darf, wenn das tiefgreifende, die Grundlage der Verwaltung ausmachende System nicht ohne Weiteres zu Gunsten liberalerer Theorien aufgegeben wird. Es ist freilich berechnet worden, dass diese Ueberschüsse nur einen scheinbaren Gewinn darstellen, und dass die Regierung durch Verpachtung und Verkauf ihrer Pflanzungen an Privatleute, selbst wenn der Ertrag derselben dadurch nicht vermehrt würde, an Steuern und Ersparnissen viel grösseren Vortheil ziehen würde, als gegenwärtig, besonders wenn auch das Monopol der Handelsmaatschappij aufgehoben würde. Wenn die gewöhnliche Annahme, dass die Pflanzungen in Händen von Privatleuten den doppelten Ertrag, d. h. 1 ℔ per Baum liefern würden, wirklich in Erfüllung ginge, so wäre der Gewinn einer solchen Maassregel in die Augen springend; denn die2/5, welche die Regierung als Steuer erhebt, wären =4/5des Quantums, das sie jetzt erhält, und der Gewinn an demfehlenden Fünftel würde vielfach aufgewogen durch die Ersparung der gesammten Kulturkosten und durch die Pacht der vorhandenen Pflanzungen oder die Zinsen des Verkaufskapitals. Bevor aber nicht in andern Kaffeeländern die Produktion hinreichend gestiegen sein wird, um die Preise herabzudrücken und der Regierung Verlust statt Gewinn zu bereiten, ist eine durchgreifende Aenderung des Systems wohl nicht zu erwarten.

Nach Tisch überraschte uns der gefällige Regent von Garut mit einem Wayang (javanisches Schattenspiel, das die Stelle des Theaters vertritt). Gespielt wurde in einem um wenige Stufen erhöhten, an einer Seite offenen Bretterhause. Auf einem darin aufgespannten grossen weissen Tuche erscheinen die Schatten der dramatischen Figuren, die äusserst zierlich aus Leder ausgeschnitten, und obgleich dem Zuschauer nur als Schatten sichtbar, reich bemalt und vergoldet sind. Die Gelenke sind beweglich. Das Stück fing vor Sonnenuntergang an und dauerte bis Sonnenaufgang, also ziemlich genau zwölf Stunden. Ein und derselbe Mann spricht die ganze Nacht hindurch den Dialog, wobei er nur zuweilen durch Gesang und Musik unterbrochen wird. Allein durch Genuss von Opium soll es ihm möglich sein, diese grosse Anstrengung auszuhalten. Das Schauspiel ist der javanischen Mythe entlehnt. Der Dialog wurde javanisch rezitirt, obgleich die Zuhörer Sundanesen waren. Da wir den Text nicht verstanden, so zogen wir uns bald zurück. Mehrere hundert Zuhörer hatten sich eingefunden und folgten der Aufführung in regster Spannung; trotz gelegentlicher Regenschauer hielten fast alle, auf dem Boden vor der Bühne kauernd, bis zum Ende aus; in dem geräumigen Hause standen nur drei Stühle für den Regenten und seine beiden Gäste.

Als wir uns am folgenden Morgen von dem gastfreien Fürsten trennten, lud er uns zu einer jener berühmten Hirschjagden ein, die gegen Ende der trockenen Jahreszeit, nachdem die grossen mit Alang-alang-Gras (Saccharum Koenigii Retz.) bedeckten Flächen abgebrannt worden, in den Preanger Regentschaften stattfinden. Das Alang-alang erreicht eine Höhe von 3–5 Fuss. Grosse Strecken Landes sind namentlich im Süden der Preanger Regentschaften von solchen Graswüsten bedeckt, die an die Stelle ausgerodeter Wälder treten, sobald die Kultur in den Lichtungen wieder aufhört. Es sind undurchdringliche Gebiete, die zahlreichen Hirschen, Wildschweinen und Tigern zum Aufenthalte dienen. Gegen Ende der trockenen Jahreszeit pflegt man die Graswüsten zu verbrennen; dann finden auf dem nun zugänglichen Boden jene berühmten Hirschjagden statt, denen ich leider nichtbeigewohnt habe, die aber der Beschreibung nach so interessant sind, dass sie wohl Erwähnung verdienen. Die inländischen Fürsten begeben sich mit zahlreichem Gefolge auf das Jagdgebiet und verfolgen den Hirsch auf sehr edlen, zu dem Zweck besonders abgerichteten Pferden, welche wegen ihrer Flüchtigkeit „Kuda-burong” (Vogelpferde) genannt werden; sie sind ungesattelt; der Reiter trägt ausser Hut und Jagdmesser nur eine kurze Hose, die so ausgeschnitten ist, dass er nackt auf dem nackten Pferde sitzt. Sobald ein Hirsch sichtbar wird, verfolgt ihn das Pferd mit dem Eifer eines Jagdhundes und sucht, wenn es ihn erreicht, dicht an seine Seite zu springen, worauf der Reiter mit einem Hiebe des Jagdmessers, der die Rippen durchschneidet, das Thier erlegt. In Batavia sah ich später eine solche Jagd auf einem grossen Oelbilde von dem talentvollen inländischen Künstler Raden Saleh dargestellt, der seine Kunst auf Kosten der holländischen Regierung bei den besten Meistern in Europa erlernt und nebenbei Eugène Sue das Modell zum Prinzen Djalma geliefert hat. Unser Regent rühmte sich, auf solche Weise bereits 127 Hirsche erlegt zu haben.

Bei dieser Gelegenheit hörte ich auch zum erstenmal eine Geschichte, die mir später noch öfter von sehr glaubwürdigen Männern wiederholt wurde. Ein General-Guvernör fragte bei seiner Durchreise Herrn L. B., einen reichen Pflanzer und grossen Tigerjäger in Salatiga, wieviel Tiger er schon getödtet habe? Antwort: 144. Als sich der Guvernör bei seiner Rückkehr nach einigen Tagen die Zahl schriftlich erbat, gab L. B. 148 an. „Nun wundere ich mich nicht mehr über die grosse Summe”, antwortete der Guvernör; „neulich waren es nur 144, und heut sind es 148.” „Allerdings,” antwortete Herr L. B., „denn gestern habe ich vier Tiger erlegt.”

23. Juli. Von Wanaradja setzten wir in nördlicher Richtung die Reise durch das Manukthal fort bis Tjihorrai, wo das Gebiet von Sumedang beginnt, das gleichfalls zu den Preanger Regentschaften gehört. Junghuhn hatte dem Assistent-Residenten unsern Reiseplan mitgetheilt und für uns seine Unterstützung erbeten, wie dies bei reisenden Regierungsbeamten üblich ist, bevor sie eine neue Provinz betreten. Danach waren alle Anordnungen getroffen mit einem Aufwand von Ehrenbezeugungen, von dem man sich in Europa keine Vorstellung macht. An der Grenze erwartete uns ein Trupp von dreissig uniformirten Reitern mit Fahnen. Sobald wir die für uns bereit gehaltenen Pferde bestiegen hatten, setzte sich der Zug in Bewegung. Es war ein schöner Anblick, als die bunt kostümirten Reiter auf den schmalen Zickzackpfaden derBergabhänge hinter Felsen und Baumgruppen abwechselnd erschienen und verschwanden. An mehreren Stellen waren neue Brücken über die Bäche geworfen. Der Weg führte östlich in das Gebirge hinein. Als wir Malembong erreichten, empfing uns ausser der Gamelangmusik, an die wir nun schon gewöhnt waren, auch noch ein Sängerchor. Während der Abendmahlzeit entfalteten vor unserer Veranda ein Paar tanzende Rongengs ihre Reize beim Scheine des Mondes und einiger Dammarfackeln, von einem zahlreichen Zuschauerkreise umgeben, während im Hintergrunde mehrere hohe vulkanische Gipfel in die klare Luft emporragten. Die Tänzerinnen singen beim Tanzen javanische, gewöhnlich improvisirte Strophen. Zuweilen kommt im Gesang etwas ergreifend Wildes vor, das auch für europäische Ohren Reiz hat.

24. Juli. Von Malembong nördlich nach Pawenáng. Hier hält der Wagen still. Ein Trupp Reiter wartet auf uns, um uns ins Gebirge zu begleiten, worauf wir im Wagen den Weg nach Sumedang, der Hauptstadt des Distrikts, fortsetzen. Auf allen Stationen steht für uns der Tisch gedeckt, das Mittagessen fertig. Wir entscheiden uns endlich für Derma-radja, wo wilder Pfau, appetitliche malayische Karis und mannigfaltige Sambals uns anlockten.[73]Der Bedana, der hier die Honneursmachte, ein hübscher junger Mann, war der Sohn und muthmassliche Nachfolger des Fürsten von Garut. Seine Höflichkeit war zwar eben so gross, als die der übrigen Bedanas, doch sprach sich dabei gleichzeitig unverkennbar eine gewisse Vornehmheit aus. In Sumedang schickte der Regent seinen Wagen mit einer Einladung zu einem malayischen Ballet, die mit Vergnügen angenommen wurde, da seine Bedajas (Privattänzerinnen) die berühmtesten im ganzen westlichen Java sind. Der Fürst, ein mit 36 Kindern gesegneter Familienvater, von denen zehn oder zwölf der Jüngsten in reichen, goldgestickten Kostümen anwesend waren, empfing uns in seinem Palast an dem Ende eines langen Saales; er war äusserst liebenswürdig gegen seine Gäste, und entwickelte dabei eine gewisse Frivolität, wie ich sie selbst bei einemjavanischenMuhamedaner nicht vermuthet hätte. Es fanden sich noch mehrere Europäer ein, und als die Gäste vollzählig waren, gab er das Zeichen zum Anfange.

Vier Tänzerinnen mit goldenem, helmartigem Kopfputz, oranienrother Jacke ohne Aermel und einem blau und weiss gestreiften Sarong, der bis zum Boden reicht, traten in zwei Paaren am andern Ende des Saales ein. Sie hatten Lanzen in den Händen und gingen mit niedergeschlagenen Augen feierlich um den ganzen Saal. Bei jedem Schritt machten sie Halt und verneigten sich nach der einen und andern Seite. Sobald dieser Umgang vorüber, schlug die Musik eine muntere Weise an, der ein lebhafterer Abschnitt des Tanzes folgte. Der dritte Abschnitt stellte eine Herausforderung dar. Die Tänzerinnen trugen dabei Pfauenwedel, mit denen sie einander verächtlich berührten. Darauf folgte der Kampf, wobei Kris, Pfeil und Bogen angewendet wurden; er schloss damit, dass zwei Tänzerinnen, als die Besiegten, niedersanken. Der letzte Akt schien Trauer und Reue über das Vorgefallene auszudrücken. Leider konnte keiner der Anwesenden die Bedeutung des Tanzes genauer erklären. Jeder Abschnitt hatte seine besondere Musik, die zuweilen sehrergreifend und hinreissend war, einige male fiel auch ein Sängerchor ein.[74]Der ganze Tanz war ungemein feierlich und ist gewiss religiösen Ursprungs. Alle Bewegungen waren graziös und ausdrucksvoll, aber gemessen; der Ausdruck des Gesichts blieb immer schwermüthig und sehr ehrerbietig, drückte aber eben so wenig die wirkliche Stimmung der muthwilligen Mädchen aus, als das stereotype Lächeln unserer Ballettänzerinnen nach anstrengenden Sprüngen dies thut. Die nackten Füsse waren sehr schön geformt, klein und so wohl gepflegt, wie die Hände eleganter Damen. Zwei Mädchen hatten recht hübsche Gesichter, alle waren wohl gewachsen. Wahrscheinlich stammen diese Bedajas noch aus der Hinduzeit, auch erinnert der Kopfputz sehr an die Wayangfiguren.

Bei dem Assistent-Residenten sah ich eine Sammlung auf Java gefundener Alterthümer: Bronzen von zum Theil vorzüglicher Arbeit, die einen hohen Zustand der Kunst verriethen (die aber vielleicht von ausserhalb eingeführt waren), und eine Sammlung von Waffen, Geräthschaften und Schmucksachen aus Kiesel, welche, wie ich erfahren habe, jetzt nach Leyden gekommen sind, und als Proben eines unserer Steinzeit parallelen Zeitalters auf Java von hohem Interesse für Archäologen sein dürften.

Reise nach dem Malabar. — Cinchonenpflanzungen daselbst. — Cinchonenbau in Java und Vorderindien. — Tischchen deck dich. — Bambus. — Gärtnerei. — Pangerango.

In Sumedang trennte ich mich von meinem bisherigen so gefälligen Reisegefährten, kehrte nach Bandong zurück und schloss mich Herrn de Vrij an, der eine Dienstreise nach Gedong-banteng, einer mitten im Urwalde auf dem Malabar (nach Junghuhn: Malawar) angelegten Chinapflanzung machte, die er aus Gefälligkeit bis zu meiner Ankunft verschoben hatte. Die Ebene von Bandong wird im Süden zum grossen Theile von den Vorbergen des Malabar begrenzt, der sich von einer sehr breiten, fast quadratischen Basis in sanfter Neigung über 7000 Fuss erhebt. Im Osten scheidet ihn das enge, gewundene Thal des Tjitarum von dem Gebirgszug, auf dessen östlichem Abhang die früher besuchte Kawa-manuk liegt, und dessen südliches Ende der Papandayan und sein grosser Trümmerberg bildet. Der an der südöstlichen Ecke des Malabar im tiefsten Urwald entsprungene Tjitarum wächst durch Aufnahme vieler Bergwässer so schnell, dass wir vor der nordwestlichen Ecke desselben Berges auf einer Fähre übersetzen mussten. Im Galopp ging es dem Berge zu. Ein kleiner Schaden am Wagen war unterwegs schnell ausgebessert; Bambusen stehen überall zur Hand, sie lieferten Schienen und Hebebäume; ein gelbblühender Hibiscusbaum, den man auch gewöhnlich an der Strasse findet, gab seinen zähen Bast zu Stricken. Der Javane trägt auf Reisen stets sein Haumesser an der Seite; es ist in seinen Händen ein Universalinstrument, vermittelst dessen er den Bambus allen seinen Bedürfnissen anzupassen weiss. Den letzten Theil des Weges legten wir zu Pferde zurück. Zuerst durch Kaffeegärten, dann durch Urwald reitend, erreichten wir Tjiníruan, wo in 4820' Höhe eine Chinapflanzung angelegt ist, deren nähere Besichtigung auf morgen verschoben wurde, da wir noch vor Sonnenuntergang den Gipfel des Berges erreichen wollten. Die Eingebornen nennen ihn Puntjak tuwan besar: „Gipfel des grossen Herrn”, weil ihn der General-Guvernör im Jahre vorher gelegentlich eines Besuchs der Chinapflanzungen erstiegen hatte. Dies ist auch der Grund, warum ein bequemer Reitweg mitten durch den Urwald bis auf die Spitze führt, deren Höhe nach einer oben aufgestellten Tafel 7200 Fuss beträgt und einen grossartigen Rundblick gewährt: aus dichten, zum Theil nie betretenen Wäldern, deren dunkles Grün im Norden durch die Kulturebene von Bandong unterbrochen wird,steigt ein ganzer Kranz von Vulkanen empor. Gunong-guntur und -papandayan sind mit Dampfsäulen geschmückt; eine andere, die südwestlich aus dunklem Walde hervorbricht, bezeichnet die Solfatara des Gunong-wayang; in grösserer Ferne erblickt man die Vulkane Tjikorai, Gelungung, Gedeh, Tjerimai und Slamat. Mit einbrechender Dunkelheit kehrten wir nach Gedong-banteng zurück, wo ein gemüthliches Haus mitten im Walde für die Inspektoren der Chinapflanzungen steht. Wir brachten einen höchst angenehmen Abend inmitten der grossartigen Einsamkeit zu, die erst spät durch vier alte Rongengs gestört wurde, welche der Distrikthäuptling aus besonderer Aufmerksamkeit gegen seine fremden Gäste von weither herbeigeschafft hatte.

Am folgenden Tage besichtigten wir die Cinchonapflanzungen, die in verschiedenen Höhen auf dem Malabar angelegt sind, sowie die Gewächshäuser, in denen lange Reihen von Töpfen mit Stecklingen und noch viel grössere Mengen von Bambusgefässen mit je einem Samen zum Keimen aufgestellt waren. Ueberall war musterhafte Ordnung, Sorgfalt, ohne Rücksicht auf Kosten, und das ernste Streben sichtbar, alle Hindernisse zu überwinden, die sich bisher der Akklimatisation dieser werthvollen Bäume entgegengestellt hatten. Das Ergebniss hat aber den aufgewendeten Mitteln nicht entsprochen. Die Ursache wird mit Recht der Kulturmethode zugeschrieben, doch liegt sie noch weit mehr im „Kultursystem”, durch welches der Fehler, auf den man bei einem ersten Versuch gefasst sein musste, so ausserordentlich vergrössert wurde. Die Engländer, die mehrere Jahre später Cinchonen von Südamerika nach Indien brachten in der Absicht, den Anbau derselben Privatleuten zu überlassen, hatten einen überaus glänzenden Erfolg, der in diesem Maasse freilich nur durch Zusammentreffen nicht vorherzusehender Umstände herbeigeführt werden konnte. Ihre Aussichten waren aber gleich von vornherein viel günstiger: denn im Fall des Misslingens hätte es sich nur um einen verfehlten Versuch im Kleinen gehandelt, und für das Gelingen desselben war die Wahrscheinlichkeit weit grösser als in Java; denn unter den vielen, über die verschiedensten Lokalitäten vertheilten intelligenten Privatleuten, denen man im Falle eines ersten Misslingens die Pflanzen zu weiteren Versuchen überlassen haben würde, wäre es doch wohl dem Einen oder dem Andern geglückt, eine passende Kulturmethode zu finden — (genau so ist es mit dem Theebau in Indien gegangen, der zuerst fehlschlug und jetzt so glänzende Resultate giebt) — und ebenso war die fortschreitende Verbesserung der Methoden durch die Strebsamkeit vieler an der Kultur Betheiligten gesichert. Die fast gleichzeitigeEinführung der interessanten Pflanzen in beide Länder, und die Verschiedenheit der Ergebnisse, in Folge der verschiedenen befolgten Systeme sind selbstredend. Als im December 1854 die ersten Cinchonen aus Holland in Java eintrafen,[75]wurden sie von den Herren Hasskarl und Teysmann in einer Lichtung auf dem Gedeh in 4400' Höhe gepflanzt. Die Wahl des Orts war, wie spätere Erfahrung lehrte, eine sehr unglückliche. Die grosse Trockenheit und grelle Sonne in so geringer Meereshöhe und der felsharte, nur von einer dünnen Erdschicht bedeckte Untergrund wirkten so verderblich, dass nach 18 Monaten nur noch 300 kränkelnde Pflanzen übrig waren. Im Dezember 1855 brachte Junghuhn 139 im botanischen Garten von Leyden gezogene junge Pflanzen nach Java und übergab sie Herrn Hasskarl; sechs Monate später waren 76 davon todt. Im Juni 1856 nahm Hr. Hasskarl wegen Krankheit seinen Abschied; Junghuhn erhielt selbst die Leitung, zugleich kam Dr. de Vrij als Chemiker nach Java und wurde mit bei der Chinakultur angestellt.[76]Nun begann ein neues System; Geld wurde nicht geschont, und es wurde befohlen, dass die Kultur bis zum völligen Gelingen unter der Leitung wissenschaftlicher Männer bleiben, dann aber in den gewöhnlichen Betrieb der Provinzialregierungen übergehen sollte. 1857 blühten einige C. Calisaya und C. Pahudiana, 1858 trugen sie Samen. Die Samen von C. Calisaya, einer anerkannt vorzüglichen Art, reiften aber nicht in so geringer Meereshöhe, während C. Pahudiana reichlich Samen lieferte und auch viel üppiger wuchs als jene. Diese Umstände verleiteten Junghuhn, dem es darum zu thun war, schnell eine grosse Menge Pflanzen zu erhalten, letztere fast ausschliesslich zu kultiviren und die guten Arten zu vernachlässigen, obgleich die C. Pahudiana jedenfalls von zweifelhaftem Werth war. Hasskarl hatte sie als C. ovata bestimmt, Junghuhn, der den Fehler entdeckte, nannte sie C. lacumaefolia, nach einer eingebildeten Aehnlichkeit mit dieser Spezies von Pavon; erst Howard, der berühmte Monograph der Cinchonen, erkannte sie als eine neue, unbeschriebene Art und nannte sie dem General-Guvernör zu Ehren C. Pahudiana. Das Hauptversehen in Java war die ungeheure Vermehrung dieser Art, die von Markham durchaus werthlos genanntwird: auch wollte kein Händler ihre 1862 auf die Londoner Ausstellung gesandte Rinde kaufen. De Vrij's Urtheil ist nicht ganz so ungünstig.[77]

Folgendes war Junghuhn's Kulturmethode: Blumentöpfe, aus Bambusinternodien bestehend, wurden mit fein gesiebter Erde gefüllt und im Innern des Waldes in Beete von aufgeschütteter Erde eingesetzt, die an den Abhängen der Gebirge terrassenförmig angelegt waren. Ein Dach von trockenem Grase, von Stangen getragen, hoch genug, um Seitenlicht einzulassen, schützte die Töpfe gegen herabfallende Regentropfen. Diese Saatbeete waren von 200–500 Fuss Länge und zogen sich in parallelen Reihen, wie Stufen eines Amphitheaters, zwischen den Bäumen hin. Jeder Topf enthielt nur einen Samen. Die Erde wurde immer feucht gehalten, indem sie zweimal täglich durch Ausdrücken eines Schwammes angewässert wurde. Die Töpfe blieben in den Saatbeeten stehen, bis die Pflanzen etwa einen halben Fuss hoch waren, was ungefähr 8 Monate erforderte, und wurden während dieser Zeit alle 5 oder 8 Tage gewendet, um das Krummwachsen der Pflanzen zu verhüten.

Zum Zweck des Anpflanzens wurden einige schöne, gerade Hauptwege längs der Bergkämme durch den Wald geschlagen und in Entfernungen von 25 Fuss durch Querpfade verbunden. An den Seiten dieser Fusswege waren tiefe Gräben gezogen und mit gesäuberter Erde gefüllt, so dass etwas erhabene Bänke mit Rinnen zur Ableitung des Regenwassers entstanden. Die jungen Pflanzen wurden in die lose Erde dieser Bänke gesetzt, worauf 4 starke Pfähle in den Boden getrieben und 4 oder 5 Fuss über der Spitze der Pflanze fest verbunden wurden. Dies sollte sie ein paar Jahre lang gegen herabfallende Zweige, tropfendes Wasser und wilde Thiere schützen. Auf diese Weise hatte man Tausende von Fusswegen durch die Wälder geschlagen und mit Cinchonabäumen bepflanzt.

Junghuhn hatte den entgegengesetzten Fehler von Hasskarl begangen; man weiss jetzt, dass sein Verfahren, die Pflanzen in den dichten Schatten der Wälder zu setzen, ganz falsch war, da sie Luft und Licht bedürfen, um reichlich Alkaloide zu bilden. Ebenso ist es jetzt ausgemacht,dass die Behandlung der Samen der Grund war, warum so wenige keimten. Der Versuch, die Pflanzen durch Stecklinge zu vermehren, gab in Java sehr ungünstige Resultate, weil die Stecklinge viel zu gross waren. Wäre man in Java auf die später von Mac Jvor in Ootacamund mit grossem Erfolg angewandte Methode verfallen, zur Vermehrung sehr kleine Ableger und Knospen zu benutzen, so könnte man dort jetzt Millionen von Calisayas statt werthloser Pahudianas besitzen.

Der Cinchonabau begann in Java im Dezbr. 1854; im Dezbr. 1860 besass man: 8346 C. Calisaya, 108 C. lancifolia, 939,827 C. Pahudiana, zusammen 948,281; ausserdem waren 700,264 Samen ausgesäet. Während die Holländer nach 6 Jahren mit Ausnahme der fast werthlosen C. Pahudiana nur 8454 Pflanzen besassen, erzog Herr Mac Jvor, der Dirigent der Pflanzungen in Ootacamund (Neilgherries) in wenig mehr als einem Jahr 9732 Pflanzen, ohne mehrere Hundert zu rechnen, die nach Java, Kalkutta, Trovancore gesandt wurden. Mac Jvor erlangte seine Erfolge durch eine der beschriebenen gerade entgegengesetzte Methode; er hielt den keimenden Samen sehr trocken, pflanzte die Sämlinge in grosser Meereshöhe und vermied namentlich den tiefen Schatten der Wälder.

An offenen Stellen wachsen die Pflanzen gut, geben reichlich Samen, bilden eine dicke Rinde, reich an Arzneistoffen, während sie im Schatten von Waldbäumen dünn und schwach in die Höhe schiessen und wenig Chinin entwickeln.[78]Es ist eine anerkannte Thatsache, dass alle Cinchonaarten den höchsten Prozentgehalt an Alkaloiden liefern, wenn sie in der grössten Meereshöhe wachsen, in der sie überhaupt noch gedeihen. Die strauchartigen Pflanzen sind besonders ergiebig, wenn ihr verkrüppelter Wuchs durch die grosse Meereshöhe des Standorts veranlasst ist. Die Engländer haben sich daher entschlossen, die Cinchonen als Sträucher zu kultiviren, etwa wie Zimmet, so dass jährlich geerntet werden kann. Die holländische Methode, im Schatten hoher Waldbäume zu pflanzen, weil die Bäume angeblich in ihrer Heimath so gefunden werden, ist schon deshalb verwerflich, weil es 30 Jahre dauert, bis die Rinde benutzt werden kann und sie immer sehr dünn und arm bleibt. Aber selbst wenn sie dann reich an Alkaloiden wäre, so würde der Nutzen der Einführung ein sehr fraglicher sein, denn die entfernte Möglichkeit einer reichen Ernte nach 30 Jahren würde in gar keinem Verhältnissstehen zu den enormen Ausgaben der ersten Anlage, und welcher Privatmann möchte wohl jemals ein Produkt bauen wollen, das nur alle 30 oder 40 Jahre einen einmaligen Ertrag verspricht!

Ueber den Fortschritt der Chinakultur in Indien meldet das Athenaeum vom 6. Juni 1863: „Herr Mac Jvor hat im Vermehren und Aufziehen der Cinchonen solchen Erfolg gehabt, dass die unter seiner Leitung stehenden Pflanzungen jetzt in der Lage sind, Tausende von jungen aus Stecklingen gezogenen Pflanzen[79]an öffentliche Gesellschaften abzulassen, die sich gebildet haben, um sie für den Handel anzubauen”. Herr Howard erklärt, dass alle von kleinmüthigen Botanikern gehegten Befürchtungen, als würden in Ostindien künstlich gezogene Cinchonen nicht dieselben Alkaloide enthalten, wie die in Südamerika natürlich gewachsenen, ohne Grund sind;[80]er findet nicht den geringsten Unterschied. Herrn Markham's Bemühungen sind also mit vollem Erfolg gekrönt worden.

Ausser auf mehreren Gebirgen Ostindiens schreitet der Anbau auch auf Ceylon schnell fort und wird immer mehr Gegenstand der Privatindustrie, da er grösseren Vortheil verspricht als der Kaffeebau. — Herr de Vrij, der die Cinchonapflanzungen in den Neilgherries im Nov. 1863 gründlich untersuchte, theilt über Herrn Mac Jvor's Erfolge noch Nachstehendes mit: Im April 1861 hatte M. J. 463 junge Pflanzen und 172 einen Monat alte Sämlinge, zusammen 635. Durch Stecklinge und Knospen vermehrte er sie so, dass ihre Anzahl am 31. Dec. 1863 277,083 betrug. Eine einzige 5' hohe Pflanze von C. Uritusinga, die Hr. Howard der englischen Regierung geschenkt hatte, kam kränkelnd im April 1862 in Ootacamund an, sie erholte sich Ende Mai und hatte Ende Decbr. 1863 bereits 6350 junge Pflanzen geliefert. Mac Jvor fand ein Mittel, die Samen durchschnittlich in 14 Tagen zum Keimen zu bringen. — Derselbe hat Herrn de Vrij brieflich mitgetheilt, dass er vor Ende Dec. 1865 im Stande sein werde, zwischen 3000 und 5000 ℔ Chinarinde als Ertrag der Neddiwultum-Pflanzung zu liefern, in welche im Herbst 1862 16000 Pflanzen ausgepflanzt wurden. Nach dem englischen System, die Pflanzen als Sträucher auszubeuten, verzinst sich das Anlagekapital nachhöchstens 4 Jahren und giebt dann zunehmenden Ertrag, so dass bereits viele Privatleute veranlasst worden sind, diese Kultur für eigene Rechnung zu versuchen. Im Herbst 1861 wurde die weitere Vermehrung der C. Pahudiana auf Java durch Regierungsbeschluss untersagt. Nach einem Bericht des jetzigen Vorstehers der Chinakultur (Tijd. v. N. I. Febr. 1866) ist gegenwärtig unter den Pahudianas grosse Sterblichkeit eingerissen, man scheint aber nicht Lust zu haben, den Ausfall zu ersetzen; dagegen schlägt man Oeffnungen in die Wälder, um den Calisayas Luft und Licht zu geben, und ist bestrebt, diese zu vermehren; ihre Anzahl ist aber immer noch sehr gering.

Nach Dr. Hooker's Berichte (Athenaeum 17. März 1866) sind von Ceylon reife Cinchonensamen über Kew nach Jamaica, Trinidad, Mauritius, dem Kap der guten Hoffnung, Queensland gesandt worden. In Trinidad und Queensland werden die Calisayas schon mit vollständigem Erfolg kultivirt. Den Holländern gebührt zwar das Verdienst, die Cinchonen zuerst auf die östliche Halbkugel übersiedelt zu haben (ein früherer Versuch der Franzosen, sie in Algier einzuführen, war misslungen), die Engländer haben aber diese werthvollen Pflanzen eigentlich erst zu einem Gegenstande des Landbaus gemacht und sie über fast alle Länder verbreitet, in denen sie gedeihen können.

Bei einer Reise, die wir vom Malabar aus südlich unternahmen, war durch ein Versehen des betreffenden Beamten keine Meldung vorausgegangen. Wir fanden daher die Waldwege in ihrem gewöhnlichen Zustande. Acht Stunden lang kletterten wir über schlüpfrige Thonrücken und erreichten Pamorotan, das zur Frühstückstation bestimmt war, erst so spät Nachmittags, dass die Weiterreise für heut aufgegeben werden musste. Hier stand ein geräumiger, aber ganz verödeter Pasanggrahan, da dergleichen Gebäude an so abgelegenen Orten nur, wenn ein Kulturbeamter die Station besucht, für ihn eingerichtet werden. Weil wir nicht angemeldet waren, stand alles leer. Einige Reiter, die uns begleitet hatten, sprengten nach verschiedenen Richtungen, um etwas für unsere Mahlzeit herbeizuschaffen; wir stiegen inzwischen das steile Ufer des Tjilaki hinab und kletterten durch sein felsiges Bett unter riesigen Waldbäumen umher. Diese Gegend ist sehr spärlich bevölkert. Dichter Wald fasst den Fluss ein, der zwischen grossen Felsblöcken dahinrauscht. Es herrschte grosse Einsamkeit, aber keine Stille. Wer plötzlich mit verbundenen Augen dahin versetzt würde, könnte sich in der Nähe einer grossen Fabrik glauben; so laut und gellend klang das Geräusch der Insekten. Besonders unangenehm und alles übertönend war einschriller Laut, der täuschend wie das Geräusch einer Schleifmühle klang. Andere Insekten schienen das Schnurren vieler hundert gezahnter Räder in schneller Bewegung nachzuahmen. Das Tosen des Wassers vervollständigte die Illusion. Nie wieder habe ich ähnlichen Lärm in einem Walde gehört.

Als wir nach kaum zwei Stunden den Pasanggrahan wieder betraten, fanden wir Alles wie durch Zauber verändert. Das vorher so stille Gehöft war jetzt voll Leben und Thätigkeit, und noch immer kamen neue Züge von Kulis und trugen allerlei Gegenstände der Bequemlichkeit herbei. In den Schuppen waren die Pferde der Häuptlinge untergebracht; auf dem Hofe brannten mehrere Feuer, an denen emsig gekocht und gebraten wurde. Eine grosse Anzahl Arbeiter waren beschäftigt, frisch gefällte Bambusen vermittelst ihrer Haumesser in allerlei Möbel, Haus- und Küchengeräth zu verwandeln. Zwei grosse bequeme Lehnstühle waren bereits vollendet, und eben wurde die letzte Hand an einen Tisch gelegt, dessen Platte aus Bambussplissen bestand. Als Leuchter dienten Bambusen von entsprechendem Durchmesser, die einen Zoll hoch über einem Knoten abgeschnitten waren, während das entgegengesetzte längere Ende in drei Theile gespalten, auseinandergespreizt, durch Querstäbe verbunden und mit einem Stein beschwert, den Fuss bildete. Andere Arbeiter waren beschäftigt, das Dach auszubessern. In dem länglich viereckigen, vorher so unwohnlichen Raum, der uns zum Aufenthalt dienen sollte, waren an beiden Enden durch bunte Vorhänge zwei kleine Gemächer abgetrennt worden; in jedem stand bereits ein Bett aufgeschlagen; der ganze mittlere Theil, unser Salon, war mit weichen Pandanusmatten belegt, und sobald wir gebadet, wurde auf dem nun vollendeten Tische ein vortreffliches Essen aufgetragen mit sehr mannigfaltigem Dessert, worauf Kaffee mit Cognac folgte. Es war fast wie das „Tischchen deck' dich” im Mährchen.

Je länger man in diesen Ländern verweilt, um so mehr wächst das Erstaunen über die unzähligen nützlichen Verwendungen einiger Pflanzen, unter denen der Cocospalme und dem Bambus wohl die erste Stelle gebührt. Aus Bambus baut der Javane sein Haus, aus Bambus bestehen alle seine Möbel; in einer Bambusröhre, die dabei zwar verkohlt, aber nicht verbrennt, kocht er auf Reisen seinen Reis an einem Bambusfeuer, wenn er nicht etwa vorzieht, junge Bambustriebe, die ein sehr schmackhaftes Gemüse geben, darin zu kochen.

Wie schon mehrmals angedeutet, besteht oft das ganze Gerüst des Hauses aus Bambus; die Wände aus plattgedrückten geflochtenen Halmen;die Dächer werden zwar gewöhnlich mit Palmenblättern oder Gras gedeckt, aber auch mit Bambusschindeln, die wie Hohlziegel gelegt werden. Einige mit Wasser gefüllte, von der Dachfirste paarweise herabhängende geräumige Internodien bilden einen stets bereiten Löschapparat. Schuppen, Ställe, Scheunen, fast sämmtliches Ackergeräth, sowie der Zaun um das Gehöft, bestehen aus Bambus.

In einem unter dem Dach horizontal aufgehängten, an einem Ende mit einem Loch versehenen Halm siedelt sich die kleine stachellose Biene an, die dem Javanen das Wachs liefert, das er, wie später beschrieben werden soll, bei dem Färben seiner Sarongs gebraucht. Zuweilen ist in einem ganzen Dörfchen kaum ein anderes Material verwendet; der zierliche Zaun, der es umgiebt, die Thore an beiden Enden, mit erhöhten Bänken, auf welchen die Wache lagert, alles ist aus Bambus; neben letzterer hängt in mehreren Exemplaren ein eigenthümliches Instrument zum Fangen der Diebe und Bösewichte; es besteht aus zwei armdicken Bündeln dünner Seitenzweige des dornigen Bambus, die gabelförmig an einer Stange befestigt sind und dazu dienen, den Verfolgten am Halse zu packen.

In vielen malayischen Ländern, wo der Fluss die einzige Strasse durch den dichten Wald bildet, erheben sich am Ufer und namentlich an den schlammigen Mündungen Gruppen von Hütten auf Pfählen (vergl. die Ansicht von Rochor). Wie bei den alten Pfahlbauten sind sie häufig durch eine gemeinschaftliche Gallerie verbunden. Wenn nicht zu den Pfählen Palmenstämme (gewöhnlich Caryota urens) verwendet sind, so besteht Alles aus Bambus. Nirgends springt einem die Bequemlichkeit des Lebens der Tropenbewohner mehr in die Augen, als in dergleichen Ansiedelungen. (vergl. S. 50 unten.)

Fast die ganze mehrere hunderttausend Seelen betragende Bevölkerung der Hauptstadt von Siam lebt in Häusern, die auf Bambusflössen schwimmen, und in meilenlangen Reihen zu beiden Seiten des Flusses und der Kanäle am Ufer festgemacht sind. Gefällt Einem seine Nachbarschaft nicht, so schwimmt er mit der Ebbe oder Fluth stromab- oder aufwärts.

Für alle Arten von Gestellen, Gerüsten, Gittern, Rahmen ist der Bambus unübertrefflich; ausser der gewöhnlichen Leiter erhält man eine etwas weniger bequeme, aber viel tragbarere durch blosses Einhauen von Löchern in den Halm. Er liefert ebensowohl die zierlichen Käfige für kleine Singvögel oder Prachtkäfer, als auch die grossen, in denen bei Festlichkeiten Tiger und Büffel kämpfen. Soll in Hongkong ein grossessteinernes Haus gebaut werden, so führt man erst ein den äusseren Umrissen ähnliches grösseres Gebäude aus Bambus auf, und deckt es mit Bambus- oder Palmenblättern, unter deren schützendem Dache dann die Arbeit, unbehindert durch Regen oder Sonnengluth, um so schneller fortschreitet. Steinerne Theater sind, wie ich glaube, in ganz China nicht vorhanden; selbst das Theater in Canton, das eine grosse Zuschauermenge fasst, bestand nur aus Bambus.

Allerlei Hausrath, Stühle, Tische, Webestühle, Betten sind von Bambus; das lange krause Geschabsel dient zum Polstern; kühlere und elastischere Kissen erhält man, indem man eine feine Bambus- oder Rotangmatte über zwei in ihren Mittelpunkten an den Enden eines Stabes befestigte Scheiben straff spannt. Nicht nur die Hütte der Armen ist mit Bambus möblirt, auch in der Wohnung des Reichen findet man ihn in Form bequemer Schlummerstühle und in allerlei zierlichen Geräthschaften wieder. Vor der Veranda hängen Rollvorhänge aus feingespaltenen, durch Seidenfäden an einandergeknüpften Stäbchen, die zwar die Luft durchlassen, aber, namentlich wenn sie dunkelgrün gefärbt sind, das Licht angenehm dämpfen. Dort findet man auch die zierlichsten Körbchen und künstlich geschnitzte Becher. Die lackirten Bambusdosen von Birma sind berühmt und in Palémbang überzieht man Körbe aus dünnen Bambusspähnen mit einem Lack, der so elastisch ist, dass man sie völlig umstülpen kann, ohne dass Sprünge entstehen.

Ein Span von keilförmigem Querschnitt, dessen scharfe Kante von der kieselreichen äusseren Schicht gebildet wird, giebt ein sehr scharfes Messer; bei den feinen Piña-Webereien benutzt man nie ein anderes. Auch zu chirurgischen Operationen wird es verwendet. Dieselbe äussere Schicht liefert aber nicht nur ein scharfes Messer, sondern auch einen sehr wirksamen Wetzstein, um eiserne Messer zu schärfen.

In China wird das meiste Papier aus Bambus erzeugt, auch das in Europa für Kunstdrucke so geschätzte. Bei den Pinseln, die in China die Schreibfedern vertreten, bestehen die Schäfte aus Bambus; gröbere Pinsel macht man sich leicht, indem man das eine Ende eines Bambussplints so lange mit dem Hammer klopft, bis sich die einzelnen Längsfasern trennen.[81]

Für die Jagd und den Krieg liefert der Bambus Blasröhre, aus denen vergiftete Pfeile geschossen werden, Pfeilschäfte und Pfeilspitzen,Lanzen, Palissaden, spanische Reiter, auch Fusslanzen (6'' bis 2' lange, zugeschärfte Bambusspiesse, die so in den Boden gesteckt werden, dass nur die Spitzen hervorragen, welche mit Spreu oder lockerer Erde bedeckt, dem barfüssigen Feinde gefährliche Wunden beibringen). Der Dornenbambus, eine bis 40' hohe, sehr dickbuschige, vielverzweigte, überall mit scharfen Stacheln bewehrte Art, bildet einen undurchdringlichen Wall, gegen den selbst Artillerie kaum etwas vermag, so dass die Holländer, durch ihre Erfahrungen im Kriege gegen die Padrys auf Sumatra belehrt, ihn jetzt immer um ihre eigenen Festungen pflanzen.

BAMBUSBRÜCKE. JAVA.

Dem Fischer liefert der Bambus unübertreffliche Flösse, Masten, Segelstangen, Spreitzen für Mattensegel, Reusen, Fangkörbe, Speere zum Spiessen grosser Fische und „Ausleger”, um sein schmales Boot gegen Umschlagen zu schützen. Zu diesem Zwecke wählt man etwas bogenförmige Halme, die dem Boot parallel, die konvexe Seite nach unten, in Entfernung einiger Ellen vermittelst zweier Querstangen befestigt werden. Je nach der Stärke des Windes taucht das Rohr auf der Leeseite mehr oder weniger tief ein und stützt das Fahrzeug. Die Verwendung des Bambus zu Brücken geht am besten aus den Zeichnungen hervor,[82]ausserdem aber baut man auch solche, die flossartig im Wasser liegen. In Bambusen, deren Enden in einander gefügt sind, leitet man das Wasser grosse Strecken weit über Berg und Thal.

Eine kletternde, sehr zähe, dünne Art liefert gespalten, allerlei feines Flechtwerk, auch Stricke, sogar Säcke. Ja selbst Jacken machen die Chinesen aus einer kleinen Art, indem sie die Seitentriebe von der Dicke eines Rabenkiels in halbzoll lange Stücke schneiden, wie Schmelzperlen auf Fäden ziehen und zu quadratischen Maschen verknüpfen. Chinesische Stutzer tragen gern dergleichen Jacken auf dem blossen Körper, um ihr weisses baumwollenes Gewand gegen Schweiss zu schützen. Aus Bambusblättern bestehen die Regenmäntel der Armen und die groben Regenschirme der Höker. Die unter dem Namen Pfefferrohr in Deutschland bekannten Stöcke und Regenschirmstiele sind Bambus. Bei den chinesischen und japanischen Schirmen besteht das ganze Gestell aus Bambussplissen, und der Ueberzug aus gefirnisstem Papier.

Geht man in den Wald auf eine Exkursion, so sind die Kulis schwer zu bewegen, Tragkörbe mitzunehmen, da eine Bambuse alles Nöthige liefert, um Körbe, Kiepen, Tragen u. s. w. in kürzester Zeit zu flechten. ZurBewahrung kleiner oder flüssiger Gegenstände dienen unmittelbar die Internodien. Auch die amtlich geaichten Maasse für Flüssigkeiten und Körner bestehen daraus.

In einem Bambusbusch stecken Musikinstrumente für ein ganzes Orchester. Am naheliegendsten ist die Verwendung zu Flöten und Pfeifen, Wie die Mintras Gitarren daraus machen, ist bereits erwähnt. Auch die abscheuliche chinesische Fidel „hii-ïeng” besteht aus Bambus. (In ein 3–4'' langes, 2'' dickes, an einem Ende mit einer Schlangenhaut trommelartig bespanntes Rohr, welches den Körper der Geige bildet, ist seitlich ein etwa 2' langer Bambusstock eingelassen, an dessen oberem Ende die Wirbel für zwei Saiten angebracht sind; der Steg steht auf der Schlangenhaut.) Ein sehr angenehmes Instrument dagegen ist das Anklong, bestehend aus einer Anzahl Rohre von graduirter Länge, die an einem Gestell hängen und durch Aneinanderstossen in tönende Schwingungen versetzt werden. Logan erwähnt einer Art Aeolsharfe, die er in Naning sah und den Triumph der malayischen Kunst nennt: „Denn was könnte kühner und sinnreicher sein als der Gedanke, einen ganzen Bambus frisch aus dem Walde 30–40' lang durch einfaches Einschneiden einiger Löcher in ein musikalisches Instrument zu verwandeln.”

Für religiöse Zwecke liefert der Bambus auf den Philippinen Kirchen, Kapellen und Kreuze. (Für die Erziehung ist der Rotang beliebter und wird stark benutzt. Das Sprichwort sagt: für jeden Indier, der geboren wird, spriessen im Walde tausend Rotangs auf.) Die Chinesen schneiden aus seinen knorrigen, struppigen Wurzeln phantastische Figuren für den Tempel und den Hausaltar. Aus Bambuswurzeln bestehen auch die eigenthümlichen Wurfhölzer in den Tempeln, durch welche die Chinesen das Schicksal befragen, um aus der Art des Fallens auf den Erfolg einer Unternehmung zu schliessen; in ihrer Zudringlichkeit werfen sie aber die Hölzer so lange, bis sie endlich eine günstige Antwort erhalten.

Auch als Feuerzeug ist der Bambus in Gebrauch, und wohl allen andern bei den Wilden üblichen Feuerzeugen vorzuziehen. Man spaltet einen recht trockenen Halm von 2–3' der Länge nach in der Mitte, schabt aus den inneren Wandungen die silberglänzende weiche Haut und das weiche Holz so fein als möglich und rollt das Geschabsel zu einer losen Kugel zusammen, die auf den Boden gelegt und mit der einen Hälfte des Halms bedeckt wird, so dass sie oben gegen die Wölbung drückt. Von der andern Hälfte spaltet man dann noch einen Streifen ab, so dass ein fast flaches lattenförmiges Stück zurückbleibt, dessen eine Seite zugeschärft wird. Mit dieser Seite geigt man auf dem Bambus,der von einem Begleiter oder durch Pflöcke festgehalten wird, gerade über der Stelle, wo das feine Geschabsel liegt, hin und her, indem man allmälig den Druck und die Geschwindigkeit steigert. So entsteht ein Einschnitt quer durch die Längsfasern, die Wärme wächst bei der starken Reibung sehr schnell, und in dem Augenblick, wo das Gewölbe durchschnitten ist, entzündet sich das verkohlte Holzpulver zu Funken, die in den darunter liegenden Faserballen fallen und durch vorsichtiges Blasen allmälig zu einem Flämmchen genährt werden. Der Versuch ist leicht anzustellen und gelingt jedesmal, wenn alle Vorbereitungen richtig getroffen sind.

Endlich möchte ich noch einer schrecklichen Todesstrafe erwähnen, die früher auf Bali in Gebrauch gewesen sein soll. Die Bambusen wachsen ausserordentlich schnell und dringen mit sehr harten kieselreichen Trieben, die wie Spitzkugeln geformt sind, aus dem Boden. Es wird erzählt, dass man, nachdem die längeren Halme entfernt worden, den Verbrecher horizontal über den Stumpfen aufspannte, um ihn von den jungen Trieben durchwachsen zu lassen.

Manche Bambusarten haben sehr dicke Wände im Verhältniss zu ihrem Durchmesser, andere sehr dünne, bei grossem Umfang. Auf dem Abhang des Semeru (Ost-Java) mass ich sehr dünnwandige Bambusen von 70' Länge und 26'' Umfang an der Basis (Junghuhn giebt deren von 1' Durchmesser an), die bis zur Spitze mit Wasser gefüllt waren. Diesem Wasser wird eine besondere Heilkraft zugeschrieben. In demselben lebt ein kleines krebsartiges Thier, das die Javanen Ikanwadr nennen, ich aber leider nicht auffinden konnte. Noch grössere Heilkraft schreibt man den Kieselkonkretionen zu, die sich in manchen Bambusen bilden und unter dem Namen Tabaschir oder Bambuskampfer in den Handel kommen. Die grosse Rolle, die der Tabaschir in der chinesischen Medizin spielt, verdankt er wohl, wie die Bezoarsteine, seiner spontanen Entstehung. Auch als Polirmittel wird der Tabaschir gebraucht; grosse Quantitäten gehen nach Arabien, ihre dortige Verwendung konnte ich aber nicht ermitteln.

Von der Schönheit einer auf offenem Felde oder auf einer Anhöhe freistehenden Bambuse, deren oben reich befiederte Halme sich bei Windstille nach allen Seiten gleichmässig zur Erde neigen, wie die Wassergarbe eines Springbrunnens, kann man sich nach den verkümmerten Exemplaren in den Ecken unserer engen Treibhäuser unmöglich einen Begriff machen. Sie übertrifft sowohl die Palme als den Baumfarn an landschaftlicher Schönheit. Es wäre ein würdiger Versuch für einenreichen Gartenfreund, seinen Rasenplatz mit einer Bambusgruppe zu schmücken. Ein gemauertes, durch Röhren heizbares Becken, mit einem im Sommer abzunehmenden Glashause würde genügen; vielleicht wären selbst einfachere Vorrichtungen ausreichend. (Im Garten der Fürstin Butera bei Palermo sah ich Bambusen im freien Lande, es war aber keine schöne Art.) Rings um die Mittelgruppe könnte man niedrigere Arten mit goldgelben und gelb und grün gestreiften Halmen setzen, deren es äusserst zierliche giebt. Die Auswahl ist endlos; die Dicke schwankt zwischen 1 Fuss und wenigen Millimetern, die Höhe erreicht 70–80', abgesehen von den kletternden, welche viel länger werden; die Farbe umfasst sehr verschiedene Töne von grün und gelb; es giebt auch gestreifte, gefleckte und schwarze; und es trifft sich glücklich, dass gerade die schönste aller Bambusarten im nördlichen China in einem Klima wächst, das von dem Süd-Europas nicht allzu verschieden ist. R. Fortune, der in diesem Punkt gewiss kompetent ist, glaubt wenigstens, dass sie in Süd-Frankreich, Italien und ähnlichen Gegenden im Freien gedeihen möchte. Er sagt von ihr (Residence among the Chinese pg. 189): „Die Mau-tschok ist die schönste Bambuse der Welt — 60–80' hoch, Stamm gerade, glatt, astlos bis auf 20 oder 30' vom Boden, der obere, belaubte Theil so leicht und gefiedert, dass er die Reinheit des Stammes nicht beeinträchtigt.” Wie alle andre Arten dieser Gruppe wachsen sie sehr schnell und erreichen ihre volle Höhe in wenigen Monaten; man sieht sie fast wachsen, wie man zu sagen pflegt. Fortune, der häufige Messungen in den chinesischen Bambuswäldern anstellte, fand, dass eine gesunde Pflanze 2–21/2' in 24 Stunden wächst, und zwar Nachts am schnellsten. Selbst im Treibhause ist ihr Wachsthum enorm. Hr. Inspektor Bouché berichtet, dass eine im freien Grunde des Palmenhauses im Berliner botanischen Garten stehende Bambusa verticillata vom 22. Juni bis Anfang Oktober 38' emporschoss. Vom 28. Juni bis 4. August wurde sie täglich gemessen und wuchs 10' in 38 Tagen, also durchschnittlich 31/2Zoll, an einzelnen sehr warmen Tagen aber 7, ja sogar 9 Zoll.

Bald nach unserer ersten Reise hatte ich das Vergnügen, Hrn. de Vrij nach Tjibodas am Gedeh zu begleiten, wo die bereits mehrmals erwähnte erste Cinchonapflanzung auf Java in 4400' Höhe von Hasskarl und Teysmann angelegt worden war. Bei dem Gärtner in Tjipanas, das an demselben Abhang 1100' tiefer liegt, fanden wir diesmal gute Aufnahme und angenehme Gesellschaft aus Batavia, die sich in der hiesigen Frühlingsluft von den Strapazen der heissen Hafenstadt erholte. Man kann sichkaum einen angenehmem Aufenthalt denken, um Geist und Körper zu erfrischen. Daher würde der Ort von den Bataviern noch viel zahlreicher besucht werden, wenn nicht die sehr hohen Reisekosten und das strenge, lästige Passwesen für sie ein Hinderniss wären.[83]

Die Gärtnerei ist nicht auf die unmittelbare Umgebung von Tjipanas beschränkt, sondern zieht sich mehrere tausend Fuss höher den Berg hinan, wodurch es möglich wird, viele Kultur- und Zierpflanzen aus kälteren Breiten zu bauen. Artischocken, Spargel, Tomaten und andere feine europäische Gemüse, die in Singapore nur als Leckerbissen aus Blechbüchsen auf die Tafel kommen, bildeten den Hauptbestandtheil der Mahlzeiten; Erdbeeren waren in grösster Fülle vorhanden und wurden nach andalusischer Sitte mit Apfelsinensaft gegessen. Europäische Fruchtbäume sind zwar auch höher oben am Berge gepflanzt und tragen das ganze Jahr Blüthen und Früchte, doch bleiben letztere meist ungeniessbar, weil den Bäumen die unsern Wintern entsprechende Ruhezeit fehlt. Am schmackhaftesten sind noch die Aepfel, am ergiebigsten die Pfirsiche, die aber nur gekocht zu geniessen sind; Erdbeeren wachsen so üppig, dass weiter oben grosse Flächen damit bedeckt sind. Nach ihnen ist ein Gehöft in etwa 4000' Höhe Arrebe benannt; so sprechen die Malayen das holländische „Aardbei” aus. Man kommt an mehreren Cinchonapflanzen vorbei, die Junghuhn von Tjibodas aus hierher versetzte, nicht nach dem Malabar, wie Markham irrthümlich angiebt. Schöne, bequeme Reitwege führen nach verschiedenen Richtungen, — auch bis zum Gipfel des ganzen Gebirges, nach Junghuhn Mandellawangi, gewöhnlich aber wohl Pangerango genannt, auf welchem jetzt ein geräumiges, heizbares Bretterhaus steht, wo man die Nacht zubringen kann. Die Reitpferde sind billig und gut und können unterwegs gewechselt werden, so dass selbst Damen diesen 9230' hohen Gipfel fast ohne alle Anstrengung erreichen können. Gruppen riesiger Rasamalas, Baumfarne und Orchideen (die köstliche Vanda suaveolens findet sich nirgends in grösserer Fülle) folgen auf einander, und höher hinauf leuchten schon aus der Ferne die grossen rothen oder gelben Blüthenbüschel des Rhododendron Javanicum, das hier gewöhnlich epiphytisch vorkommt. Vor Kandang-badak überschreitet man auf einer Brücke einen heissen Sturzbach, der dampfend in den Abgrund fällt. Bald darauf kommt man an einem grossen Erdsturz, einer Scene wilder Verwüstung, vorüber: auf einem weiten Raum wächst keine Pflanze, enorme Felsblöcke und Schutt bedecken die Oberfläche, dazwischen liegen grosse zertrümmerteBaumstämme und eine hohe, senkrechte Wand, ohne eine Spur von Pflanzenwuchs, zeigt den Ort, wo sich die Erde abgelöst und dass das Ereigniss vor Kurzem stattgefunden hat. Vom Gipfel des Berges hat man einen ausgezeichnet schönen und weiten Umblick, dessen interessantesten Theil der grosse Gedehkrater bildet, der mit seinen terrassenförmigen Gesteinsbänken wie ein ungeheures antikes Theater vor dem Beschauer liegt.

Vulkan Tankubang-prau. — Kostbare Waffen. — Tiger. — Kawali. — Schirme. — Fest in Pandjalu. — Ausbruch des Gelungung. — Büffelkarren. — Teakholz. — Kindersee. — Universalmittel. — Pfahldorf. — Zimmet. — Loro-kidul. — Essbare Vogelnester und abergläubische Gebräuche beim Einsammeln derselben. — Kampf zwischen Tiger und Büffel. — Tigerstechen. — Reise nach dem Slamat. — Rhinozerosse.

Ich kann nicht läugnen, dass die bisherige Art zu reisen mir ausserordentlich gefallen hatte, und als mir im Verkehr mit den liebenswürdigen Männern, deren Gesellschaft ich genoss, jeden Tag die Aussicht auf neue Wunder eröffnet wurde, die das Innere der Insel bergen sollte, wurde mein Entschluss, mich auf einen Ponyritt durch die Preanger Lande zu beschränken, allmälig wankend. Ich liess mich ohne grosse Schwierigkeiten bereden, die reichen Mittel zu benutzen, die mir der General-Guvernör mit so glänzender Liberalität zur Verfügung gestellt hatte. Junghuhn, der mir namentlich sehr zuredete, arbeitete für mich einen Reiseplan aus, der alle Gegenstände einschloss, die mir von besonderem Interesse waren. Die Punkte der bemerkenswerthesten geologischen Erscheinungen bildeten darin die Hauptmomente und waren durch solche, welche ethnologische Eigenthümlichkeiten, malerische Landschaften, kulturhistorische Monumente, charakteristische Vegetationsbilder, interessantes Volksleben darboten, zu einer Kette verknüpft, die von Lembang ausgehend, sich durch den südlichen, gebirgigen Theil der Insel zog und dann durch das flache, nördliche Gestadeland zurücklief. Alle hervorragenden Erscheinungen, die Junghuhn während seiner 20jährigen, oft unter grossen Entbehrungen und Strapazen ausgeführten Wanderungen kennen gelernt, sollte ich nun, mit allen Bequemlichkeiten versehen, an mir vorübergleiten lassen. Jedem Tag hatte er ein besonderes Blatt gewidmet, auf dem alles Interessante der betreffenden Strecke verzeichnet war, immer mit Hinweis auf die entsprechende Stelle in seinem Handbuch und Anführung der Seitenzahl. Ja sogar Erholungsstationen anschönen Kraterseen oder in hoch gelegenen Pasanggrahans waren hinter den anstrengenderen Exkursionen eingeschaltet. Rechne ich dazu noch die selbst für Indien fast unglaubliche Gastfreundschaft und Liebenswürdigkeit, die mir ohne Ausnahme während der ganzen Reise zu Theil wurde, so glaube ich wohl annehmen zu dürfen, dass noch Niemand diese schöne Insel unter angenehmeren Verhältnissen durchstreift hat. Mit jedem Tage wuchs meine aufrichtige Verehrung für Junghuhn. Wer nicht an Ort und Stelle, sein Buch in der Hand, das Geschriebene geprüft, wird sich keine Vorstellung machen können von der Genauigkeit der Beschreibung und der Klarheit, mit der die Verhältnisse aufgefasst sind. Als er die Materialien zu diesem Werk sammelte, fand er nur geringe Unterstützung. Mit hoher, wissenschaftlicher Befähigung, seltenem Fleiss und eiserner Ausdauer ausgerüstet, gab ihm seine leidenschaftliche Liebe zur Natur die Kraft, Schwierigkeiten zu überwinden, die für die meisten unübersteiglich gewesen wären. Mein eigenes Urtheil über ihn kann wohl nicht unparteiisch sein, darum habe ich in Obigem nur die allgemeine Ansicht über seine Leistungen wiederholt.

Zum Abschied machte ich mit Junghuhn noch eine Exkursion auf den Tankubang-prau, den berühmten von zwei grossen Kratern durchbohrten Vulkan, an dessen Fuss Lembang liegt. Nach einigen Stunden erreichten wir unsere Hütte, die an der Stelle aufgeschlagen war, wo die beide Krater trennende Wand im Süden die gemeinschaftliche Ringmauer trifft. Von hier hätten wir einen Einblick in beide Schlünde haben müssen; aber dichte Nebel verbargen jede Aussicht und liessen nur einige in unserer Nähe stehende vermodernde Thibaudienstämme mit knorrigen phantastisch ausgereckten Aesten erkennen. Aus dem Boden des Kraters, in mehr als 1000' Tiefe, hörte man das Sausen der aus den Spalten hervordringenden Wasserdämpfe. Der links im Westen gelegene Kessel heisst Kawa-upas (Gifthöhle), der im Osten gelegene Kawa-ratu. Der Boden des letzteren liegt viel tiefer als der der Kawa-upas und war früher einmal von einer grossen Menge kleiner Seen bedeckt, daher sein Name „ratu” = tausend (Seen?). Bis auf einige kleine Schlammpfützen ist er jetzt trocken und flach, mit einer erhärteten feinen Thonschlammkruste bedeckt, die über ihren Ursprung durch Absetzen aus stehendem Wasser keinen Zweifel lässt. An vielen Stellen hat der hervorbrechende Wasserdampf kleine Schlammkegel von anderthalb Fuss Höhe gebildet, aus welchen er zischend, wie aus einer Dampfmaschine, in einem weissen Strahle hervorbricht. Ueberall, wo man mit dem Stock durch die dünne Kruste stösst, brechen Dämpfe mit Gewalt hervor.An einem Wasserriss der Nordwand sieht man eine interessante Erscheinung: die aus grobem Schutt gebildete Wand enthält in unregelmässigen Zwischenräumen, horizontal über einander gelagerte, aus feinen Schichten bestehende Thonkrusten, genau von derselben Beschaffenheit wie die, welche jetzt den Boden des Kraters bedecken. Sie zeigen die früheren Höhen des Seebodens an und auch sein periodisches Verschwinden und Entstehen. Der gegenwärtige Kraterboden war von dieser Stelle nicht sichtbar, mochte aber wohl 200' tiefer liegen. Auf dem Grunde des westlichen Kessels, Kawa-upas, der über die Zwischenwand leicht zu erreichen ist, hatte sich in der Südostecke, gerade am Fuss des steilen Zwischenrückens, ein kleiner von oben nicht sichtbarer See gebildet, der bei Junghuhn's letztem Besuch nicht vorhanden war. Seine Länge betrug 135', die Breite etwa 50', er unterspülte den Fuss der Gebirgswand; aus der dicht mit grossen Schwefelzapfen ausgekleideten Höhle am jenseitigen Ufer brach mit starker Entwickelung von Schwefelwasserstoff, hoch aufsprudelnd, das von Thonschlamm und Schwefelblumen gelbgrau gefärbte Wasser hervor. Das Metallikpapier meines Notizbuchs und das Silbergeld in meiner Tasche bräunte sich schnell. Im westlichen Theil dieses Kraters liegt ein zweiter von oben sichtbarer grösserer See, dessen blaugraues, stilles Wasser durch den Kontrast mit jenem ganz lieblich erscheint. Kaum hatte ich die Hütte auf dem Gipfel wieder erreicht, als es heftig zu regnen begann. Junghuhn hatte unterdessen von dort aus einige photographische Bilder beider Krater aufgenommen. —

Inzwischen war aus Batavia eine grosse Karosse mit Klapptritt und Wappen für mich angekommen, sehr geeignet zum Visitefahren für eine alte Generalin, aber nicht für meine Zwecke. Ich kaufte daher einen leichten Reisewagen und verabschiedete mich nach mehreren kleineren Exkursionen von Lembang, wo ich einige mir unvergessliche Tage zugebracht hatte, um am folgenden Morgen selbstständig meine Reise nach Osten anzutreten.


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