Jetzt gehen regelmässige Dampferlinien von Singapore direkt nach Malacca, Penang, Siam, Cochinchina, China, Borneo, Batavia, Ceylon, engl. Birma, Vorderindien, dem rothen Meer und durch Anschluss nach Europa, sowie nach den Mascarenen, Niederländisch-Indien, Australien, Japan. Eine neue Linie zwischen China, Japan, Sandwichsinseln und Californien ist soeben von der Regierung der Vereinigten Staaten genehmigt und mit einem bedeutenden jährlichen Zuschuss ausgestattet worden. Für Australien besteht bis jetzt nur eine Verbindung zwischen seinen südlichen Kolonien und Ceylon, die für Singapore keine Bedeutung hat. Aber wohl bald wird eine Linie durch die Torresstrasse im Anschluss an die niederländisch-indische, nöthig werden.
Anblick von Malacca. — Portugiesen. — Chinesen. — Melaleuca. — Mission unter den Mintras und Jakuns. — Guttapercha. — Neuer Pungulu in Allor-gadja. — Rückkehr zu den Mintras. — Ehepärchen. — Blasrohr. — Pfeilgift. — Fahrt nach Lingi. — Der Dato von Lingi. — Zustände in den kleinen Malayenstaaten. — Zinn. — Leben im Walde. — Zweckmässige Kleidung. — Insektenpulver. — Chinesischer Leichenzug. — Geschichte von Malacca. — Tapioka. — Djaggeri.
Mitte April, an einem Nachmittag, bestieg ich denHooghly, ein altes, ausrangirtes Dampfboot, welches die ganze Kriegsmarine der „Straits Settlements” ausmachte. In seltenen Fällen wurde es gegen Seeräuber benutzt, hauptsächlich aber diente es dazu, die Beamten der Regierung und die Post zwischen Malacca, Pulo-Pinang und Singapore, welche zusammen die Niederlassung der Meerenge (the Straits Settlements) bilden, zu befördern. Seine Geschwindigkeit überstieg nicht die einer chinesischen Junke; auch Reinlichkeit und Ordnung liessen manches zu wünschen übrig und waren ein fortwährender Stoff zu Klagen von Seiten der Passagiere, die aber nicht berücksichtigt wurden, da der Kapitän ein naher Verwandter des Guvernörs war, und Reisende nur aus Gefälligkeit mitgenommen wurden gegen eine im Verhältniss zu den sonst in diesen Meeren üblichen Dampfschiffspreisen allerdings sehr unbedeutende Vergütigung, Trotz mancher kleinen Mängel war die Fahrt höchst angenehm in herrlicher, tropischer Nacht auf spiegelglattem Meere. Am andern Tage um 2 Uhr ankerten wir auf der Rhede von Malacca in 2 Seemeilen Entfernung vom Lande. Wir hatten 22 Stunden gebraucht, um einen Weg von 120 Seemeilen zurückzulegen.
Malacca hat eine sehr hübsche Seefront. Dicht hinter einer Reihe von Europäern bewohnter steinerner, etwas einförmiger Häuser, deren dem Strand zugewendete Seite mit einer Bogenreihe versehen ist, erhebt sich ein länglicher, 100 Fuss hoher Hügel, auf dessen Gipfel die malerischen Ruinen der von Albuquerque gebauten Kirche Madre de Dios und der Klöster S. Paul und Hermanos de leche stehen. Zur Rechten schliesst sich an die steinernen Häuser ein Palmenwäldchen, unter dessenSchatten sich eine ganze Reihe Wohnungen von Portugiesen[42]und Asiaten behaglich ausdehnt; hinter ihnen ragt tiefblau der Berg Ophir (Gunong Ledang), der höchste Punkt des südlichen Festlandes (4320') hervor. Zur Linken, am westlichen Abhang des Hügels, der hier nochmals zu einer kleinen Anhöhe anschwillt, steht das „Stadthuys”, ein stattliches Gebäude aus holländischer Zeit, theilweise von einem Angsana-Hain (Pterocarpus Indicus) verdeckt, der sich parkartig bis zu den Ruinen auf der Kuppe hinzieht. Die Südfront des Gebäudes ist ebenfalls der See zugekehrt, seine Westseite begrenzt der kleine Fluss, an dessen jenseitigem Ufer die eigentliche Stadt liegt, aus der sich die Thürme einiger Moscheen erheben. Das kleine Flüsschen von Malacca und die Meeresströmungen haben die Rhede so verschlämmt, dass grosse Schiffe 2 Miles vom Lande ankern müssen. An den kleinen Inseln, wo 1511 Albuquerque's Flotte in 5–6 Faden Tiefe lag, können jetzt nur Küstenfahrer anlegen, und nur zwei derselben sahen wir hier vor Anker. Welch auffallender Unterschied gegen Singapore! Und doch war vor ca. 300 Jahren Malacca der wichtigste Handelsplatz in diesen Meeren, Hauptstadt eines mächtigen Königreichs und auch noch zu Zeiten des holländischen Monopols ein bedeutender Stapelplatz.
Nach langem Warten kamen einige Boote, kaum genug, um die wenigen Passagiere zu bergen. Wie einsam und still erschien die Stadt nach dem Schacherlärm von Singapore! Die wenigen Europäer und ihre Abkömmlinge, die hier wohnen, sind meist Beamte oder Grundbesitzer von holländischer Abkunft, ich fand bei ihnen eine fast noch liebenswürdigere Aufnahme, als in Singapore und lernte einige vortreffliche Menschen kennen. Selbst unter den Frauen schien keine Eifersüchtelei zu herrschen, keine Ostentation, kein herausfordernder Luxus. In der Abendkühle schlenderte man am Strande, oder genoss, auf einem Vorsprung der Küste sitzend, die Seebrise, und wenn die jungen Mädchen Pfänderspiele vorschlugen, so betheiligten sich alle Anwesenden in harmloser Freude daran. Es giebt hier kein Gasthaus; ich erhielt vom Resident-Councillor eine Wohnung in dem grossen Stadthause angewiesen, das alle Regierungs-Kanzleien enthält, aber immer noch reichlich Raumhat, um Fremde zu beherbergen. Eine eiserne Brücke führt über den Fluss, wohl an der Stelle der alten Brücke, die vor 31/2Jahrhunderten eine so wichtige Rolle gespielt. Nachdem nämlich der erste Angriff der Portugiesen auf die Stadt zurückgeschlagen worden war, bemächtigte sich Albuquerque der Brücke, hielt sie 9 Tage lang besetzt und schnitt dadurch den Einwohnern alle Zufuhr ab. Am folgenden Tage musste sich die Stadt nach tapferer Gegenwehr ergeben. — Die beiliegende Ansicht von Malacca ist von der Brücke aufgenommen. Zur Rechten sieht man unter schattigen Bäumen die Westfront des Stadthauses; links, am rechten Ufer des Flüsschens, liegt die von Asiaten (Chinesen, Malayen, Klings) bewohnte Stadt.
MALACCA.
Die hiesigen Chinesen stehen in besonders gutem Ruf. Der Wohlstand, den sie hier in voller Sicherheit gegen Erpressungen geniessen, hat die bei diesem Volk sonst so schroff hervortretende Selbstsucht sehr gemildert. Sie sind sehr gastfrei und geben häufig bedeutende Summen für gemeinnützige Zwecke her.
Wie sich in der Stadt die Wohnhäuser der Chinesen vor allen andern geltend machen, so hat auch die dieser Nation eigenthümliche grosse Verehrung der Todten, die sich in der Kostbarkeit und sorgfältigen Erhaltung der Gräber ausspricht, der umliegenden Landschaft ihr Gepräge aufgedrückt. Während in Singapore die reichen Kaufleute alle hübschen Punkte um die Stadt ausgesucht haben, um ihre Wohnhäuser dort aufzubauen, sind hier die schönsten Anhöhen in der Umgegend mit chinesischen Gräbern bedeckt, deren einige mit grossen Kosten aufgeführt sind. Malacca ist ein Lieblingsaufenthalt für die Chinesen. Von hier stammen die meisten von denen, die in Singapore eine hervorragende Stellung einnehmen, und hierher ziehen sie sich gerne zurück, um ihr dort erworbenes Vermögen in behaglicher Ruhe zu geniessen. Viele dieser Familien sind schon seit Generationen hier ansässig, sie heirathen nur unter einander, so dass das malayische Blut der Stammmutter bei jeder neuen Verbindung immer mehr gegen das chinesische zurücktritt. Wegen ihrer langen Ansässigkeit unter Europäern und der daraus folgenden Bekanntschaft mit dem Wesen derselben, sowie durch Reichthum und grössere Bildung haben sie vor denjenigen ihrer Landsleute, welche die Masse der Bevölkerung von Singapore ausmachen, Vieles voraus.
Einige Tage nach meiner Ankunft fuhr ich auf bequemer Strasse nach Rumbia, einer mitten im Walde gelegenen Mission, 12 Miles NN-W. von Malacca. Nachdem man die unmittelbare Umgebung der Stadt verlassen, in der allerlei kleine Moscheen, Kapellen, Hindutempel und andre„Josshäuser” von Gärten umgeben, malerisch durch einander liegen,[43]führt der Weg auf einem Damm unter einer Allee weissblühender Melaleuca (M. minor) quer über einen weiten grünen Teppich von Reisfeldern, der mit einzelnen Gruppen von Fruchtbäumen, Cocos- und Arecapalmen geschmückt ist, unter deren Schatten ein paar malayische Hütten liegen. Hin und wieder kommt man noch an einer Moschee oder einem grösseren Gehöft vorbei, welche letztere immer Chinesen gehören und oft beträchtlichen Wohlstand verrathen. Die Melaleucas haben landschaftlich grosse Aehnlichkeit mit unsern Birken durch den allgemeinen Habitus und besonders durch die Silberweisse des Stammes. Wie bei diesen lösen sich die äusseren Lagen der Korkschicht in dünnen, weissen Blättchen ab, bei einigen Arten erreicht diese Schicht fast Zolldicke und besteht aus so feinen Blättchen, dass sie zum Kalfatern der Schiffe verwendet wird. Von der weissen Farbe des Stammes (kaju: Holz, puti: weiss) hat der Baum seinen inländischen Namen; auch das Kajeput-Oel, das aus den getrockneten Blättern einer in den Molukken vorkommenden verwandten Art (M. leucodendron) gewonnen wird, ist danach benannt. Nach einigen Meilen erreicht man den Wald, der sehr anmuthig, schattig und zugänglicher ist als der Jungle bei Singapore. In Tsching, auf halbem Wege, wurde das Pferd gewechselt; um 9 Uhr Vormittags, 2 Stunden nach der Abfahrt von Malacca, war ich in Rumbia, wo mir der freundliche Missionär schon von ferne entgegenkam, sobald er nur den Wagen erblickte. Er nahm mich sehr gastlich auf, und da er ausser einigen kleinen „Waldmenschen” keine Bedienung hatte, so ging er selbst ans Werk, mich und mein Gepäck möglichst bequem unterzubringen. Nach einem Schwimmbade in einem von ihm selbst gegrabenen Teich wurde gefrühstückt, und alsbald füllte sich das Zimmer mit neugierigenMintras, deren zutrauliche, gutmüthige, bescheidene Art den angenehmsten Eindruck machte. Hr. Bory war wiederum ein denkwürdigesBeispiel jener katholischen Missionäre, wie man sie zuweilen auf abgelegenen Stationen findet. Er stammte aus Paris und hatte sich hier vor mehreren Jahren (1848) niedergelassen, ganz allein und ohne alle Unterstützung zur Bekehrung derMintrasundJakuns, die zu den wilden Stämmen gehören, welche die Südspitze der malayischen Halbinsel bewohnen. Sie werden gewöhnlich mit dem gemeinschaftlichen Namen orang-utan (Waldmenschen),[44]orang-bukit (Bergmenschen) oder orang binua (Menschen des Binnenlandes), belegt und waren bis 1847, wo J. R. Logan's trefflicher Aufsatz über dieselben erschien, fast unbekannt und Gegenstand vieler Fabeln. Dass sie auf Bäumen wohnen und Schuppen besässen, wie Fische, hat sich allerdings bestätigt. Die Jakuns bauen noch jetzt ihre Hütten gern auf Bäumen, 20–30' über dem Boden, und mit den Schuppen hat es insofern seine Richtigkeit, als sehr viele mit Ichthyosis behaftet sind. Ich sah diese Hautkrankheit an mehreren Jakuns; die meisten aber, und fast alle Mintras waren so reinlich, wie Malayen, d. h. reinlicher als die Mehrzahl der Europäer.
Herr Bory theilte mir mit, dass er, als er vor zehn Jahren von Malacca aus hierher gekommen war, mit einigen dieser Leute Bekanntschaft machte, und sie bald durch seine Leutseligkeit gewann. Er erzählte ihnen Geschichten aus der heiligen Schrift; der Kreis aufmerksamer Zuhörer wuchs mit jedem Besuch und auch die gegenseitige Zuneigung; endlich erbot er sich bei ihnen zu bleiben, um sie zu unterrichten und zu Christen zu bekehren. Sein Vorschlag wurde mit Freude angenommen; nur Ein Punkt machte grosse Schwierigkeiten. Einige Männer hatten nämlich gehört, dass die Christen nur Eine Frau heirathen und nur durch den Tod von ihr geschieden werden könnten. Diese Forderung schien ihnen doch gar zu hart, aber Herr Bory blieb standhaft, und nach vieler Ueberredung wurde sie mit angenommen. Nun lichtete man ein Plätzchen im Walde, baute ein Bretterhaus zur Wohnung für den Missionär, ein anderes grösseres zur Kirche, auch eine Schule; die Mittel wurden durch Almosen von Seiten der Christen aus Malacca und Singapore aufgebracht, denn ausser 10 Dollars monatlich erhalten diese Männer keine Unterstützung, freiwillige Almosen ausgenommen. Die Jakuns können natürlich nichts geben. Herr Bory ging selbstthätig mit seinen Pfleglingen ans Werk; er beschränkt sich überhaupt nicht darauf, blosse Scheinchristen aus ihnen zu machen, sondern sucht sie allmäligzum Betrieb des Landbaus und nützlicher Künste anzuleiten, freilich noch mit geringem Erfolg; doch sind schon einige kleine Gärten entstanden, mehrere Cocos- und Obstbäume angepflanzt, einige Mintras besitzen sogar schon Büffel oder Schweine; doch ist ihr Haupterwerb immer noch das Einsammeln der Produkte des Waldes: Rotang, Harze, Guttapercha u. s. w. gegen die sie ihren geringen Bedarf an Erzeugnissen eines vorgeschritteneren Gewerbfleisses eintauschen. Herr Bory ist immer von einer Anzahl Mintras umringt, erzieht sie wie ein Vater seine Kinder und geniesst ihr vollstes Vertrauen, so dass sie ihn in allen Angelegenheiten erst um Rath fragen.
Wir machten eine Excursion in den Wald, von vielen Mintras begleitet, die eifrig sammeln halfen, die Gesellschaft war übermunter, da die Sorgfalt, mit der manche für sie so werthlose Gegenstände etikettirt und verpackt wurden, immer neuen Stoff zum Lachen gab.
Nachmittags kam eine Anzahl Jakuns in die Mission und brachte ganze Arme voll Zweige, die ich einlegen sollte. Diejenigen, deren Exemplare brauchbar waren, zeigten darüber grosse Freude. So vergingen zwei Tage auf die angenehmste Weise unter diesen gutmüthigen Menschen. Am Sonntag versammelte sich die ganze Gemeinde, Jakuns und Mintras mit Frauen und Kindern, um die Messe zu hören. Ihr Gesang klang recht angenehm, sie sollen überhaupt viel Sinn für Musik haben. Alle waren sehr sauber nach malayischer Art gekleidet, nur etwas dürftiger. Ich hatte einen photographischen Apparat mitgebracht und nahm ihre Portraits auf, die aber leider später verloren gingen. Das ganze Völkchen machte den Eindruck, als fühlte es sich recht glücklich in seiner Abgeschiedenheit unter dem Schutz des braven Missionärs.
Früher wurden sie von den piratischen Malayen, die zu ihnen kamen, aufs ärgste betrogen, beraubt und misshandelt; sie hatten kaum einen andern Schutz als ihren bösen Ruf als Zauberer und Giftmischer, um ihre abergläubischen Bedrücker einigermaassen in Schranken zu halten.
Besonders erreichten diese Bedrückungen einen sehr hohen Grad, als die Anwendung der Guttapercha zur Isolirung der elektrischen Drähte unter Wasser und unter der Erde eine immer stärkere Nachfrage nach dieser Substanz veranlasste.[45]
Einer Einladung folgend fuhr ich nach Allor-gadja in Naning, etwa 9 Miles NNW. von Rumbia, wo am nächsten Tage die feierliche Bestätigung des neuen Pungulu durch den Resident-Councillor stattfinden sollte. Naning ist ein kleines Gebiet, das landeinwärts an Malacca grenzt und immer schmaler werdend sich bis zum Berg Ophir erstreckt. Biszum Jahr 1842, wo es mit Malacca auf gleichen Fuss gestellt wurde, stand es zu diesem immer in schwankenden Unterthänigkeits-Verhältnissen; statt des Zehnten zahlte es nur einen Tribut, und der Pungulu schaltete in dem Gebiet wie ein unumschränkter Fürst nicht nur über die Habe, sondern auch über das Leben der Einwohner. Im Jahre 1829 beschlossen die Engländer diesen Zuständen ein Ende zu machen. Es kostete aber zwei Feldzüge, viele Menschenleben und die Summe von 100,000 £ um die gegen die beabsichtigten Neuerungen ausgebrochene Empörung zu unterdrücken, obgleich die Zahl der erwachsenen Männer in Naning zur Zeit des Krieges 1500 nicht überstieg, so dass die Unkosten etwa 450 Thaler per Kopf betrugen. Der Feldzug endete schliesslich dadurch, dass einer der fähigsten Empörer zu den Engländern übertrat. Der aufrührerische Pungulu kapitulirte darauf und starb später in Malacca als Pensionär der indischen Regierung.
Auf einem angenehmen breiten Waldweg, der dem Kriege seine Entstehung verdankt, gelangte ich Abends nach Allor-gadja, wo die nicht unharmonische Musik und Todtenklage der Malayen einen grossen Theil der Nacht hindurch zu hören war. Wenige hundert Schritt vom Regierungs-Bungalow liegen die Grabhügel dreier im Kriege gegen Naning gefallenen englischen Offiziere, ein wenig weiter erhebt sich noch eine Schanze aus Lehmwällen, in der sich jetzt eine friedliche Polizeistation niedergelassen hat. Am folgenden Morgen machten wir einen Spaziergang nach dem etwa 3 Meilen entfernten Ayer (Wasser)- panas (heiss), einer ziemlich reichlichen Kohlensäure haltigen und einen schwachen Geruch von Schwefelwasserstoff verbreitenden Quelle. Ihre Temperatur fand ich 9 Uhr Vormittag 137° F. = 46,6 R. In der Nähe steht ein verfallendes Badehaus. Die Eingeborenen benutzen das Wasser häufig als Heilmittel. Auf dem ganzen Wege herrschte überall der rothe Thoneisenstein von Singapore bis kurz vor der Quelle, die in angeschwemmtem Boden aufbricht, in welchem sich viele Quarzkörner bis zu Nussgrösse vorfinden. Es ist dieselbe Formation, in der hauptsächlich die Zinn- und Goldwäschen betrieben werden. Nach dem Frühstück ging die Feierlichkeit ohne besonderes Schaugepränge schnell vorüber. Der Resident-Councillor kehrte nach Malacca zurück; ich fuhr wieder zu meinen Freunden nach Rumbia, deren liebenswürdiges, harmloses Wesen gegen die finstere Gemessenheit der Malayen angenehm abstach. Unterwegs sah ich neben einer kleinen Moschee im Walde eine Pauke von 20 Fuss Länge und mehr als 21/2Fuss Durchmesser. Es war ein ausgehöhlter Baumstamm, an einem Ende offen, am andern mit einer Büffelhaut bespannt. Es sollenderartige Pauken von noch grösseren Dimensionen vorkommen. Ihr Zweck ist, die weit zerstreut lebenden Gläubigen zum Gebet zu rufen. Noch spät Abends kamen die Jakuns zur Mission und brachten mehrere Thiere, die sie für mich gesammelt hatten.
Am folgenden Morgen überraschte ich im Walde ein junges Ehepärchen in seinem Honigmond. Ihr Haus bestand in einem Sonnendach aus lose zusammengefügten Palmenblättern. In einem kleinen Töpfchen kochte ihre Mahlzeit, und während die Frau die Küche besorgte, sang ihr der Mann ein Liedchen und begleitete sich auf einem Saiteninstrument, das aus einem fusslangen Bambusrohr bestand, an welchem der Länge nach 3 oder 4 Enden des kletternden Stammes einer Orchidee aufgespannt und statt der Stege kleine Wachsklümpchen unter den Saiten angebracht waren. Der glückliche Ehemann besass auch eine Flöte und Pfeife aus Bambus und musizirte, als die erste Schüchternheit vorüber war, auf beiden mit grossem Wohlgefallen ganz angenehm, nur etwas zu anhaltend. Beim Abschied drang er mir zwei feiste Ratten auf, die er für seine eigene Tafel gemästet hatte. Die Jakuns sind nicht wählerisch in ihren Nahrungsmitteln, Schlangen und Ratten sind willkommene Leckerbissen. Der französische Missionär Lefèvre erzählt: Eine ihrer geschätztesten Speisen ist ein Honigwaben, nicht wann die Zellen mit Honig gefüllt, sondern wann die jungen Bienen schon ausgebildet, ein Paar Tage bevor sie flügge sind; der Waben wird dann in ein Bananenblatt gewickelt, etwas gebraten, und das Ganze mit grossem Appetit verzehrt.
Ausser dem Waldmesser, das sie immer bei sich tragen, und das ihnen alle Werkzeuge ersetzt, haben die Orang-bukit kaum irgend welche Geräthschaften. Zur Jagd bedienen sie sich hauptsächlich der Blasröhre, aus welchen sie vergiftete Pfeile schiessen. Kleinere Thiere sterben nach einer Minute. Das Blasrohr „Sumpitan” besteht aus zwei in einander geschobenen Bambusen, 7 Fuss lang,3/4Zoll Durchmesser. Die innere Oeffnung hat etwa einen halben Zoll Durchmesser; die Pfeile sind 7 Zoll lang und bestehen aus den Seitennerven eines Palmenwedels; an ihrem unteren Ende ist ein3/4Zoll langer Kegel aus weichem Holz befestigt, dessen Basis den hohlen Raum des Blaserohrs beinahe ausfüllt. Die sehr scharfe Spitze ist einen halben Zoll tief in Gift getaucht und ringsum eingeschnitten, damit sie abbreche und in der Wunde stecken bleibe. Jeder einzelne Pfeil steckt in einem Rohrfutteral, und eine Anzahl dieser ist durch Baststreifen eines Artocarpus so aneinander geknüpft, dass sie sich zu einem Bündel aufrollen wie ein Latten-Rouleau und in einerBambuskapsel, die als Köcher dient, aufbewahrt werden können. Genau ebenso verfertigen die Indianer in Guiana ihre Pfeile und bewahren sie ebenso auf, mit dem einzigen Unterschied, dass die einzelnen Pfeile nicht in besonderen Kapseln stecken, sondern unmittelbar mit einander verknüpft und zusammengerollt werden — ein auffallender Umstand, da beide Völker wohl nie in Verkehr gestanden haben. Die Jakuns haben den Ruf, geübte Sumpitanbläser zu sein. Um ihre Geschicklichkeit zu prüfen, liess ich einen der geübtesten nach einem etwa 100 Schritt entfernten Pisangstamm zielen; er traf ihn nachdem er zweimal vorbei geschossen; eine 30 Schritt entfernte, 11/2Zoll Durchmesser haltende Oranie zu treffen, erklärte er für zu schwierig; auf 15 Schritt traf er sie. Bei dem Schiessen wird der Pfeil von unten in das Blasrohr gesteckt, der Kegel mit einer zunderartigen Substanz umwickelt, damit seitlich keine Luft entweiche, und das Blasrohr mit beiden Händen fest gegen den Mund gepresst. Die Luft wird mit solcher Gewalt ausgestossen, dass man einen pfeifenden Ton hört.
Auf Veranlassung des Herrn Bory wurde das Pfeilgift in meiner Gegenwart bereitet. Man schlug 3 Pflöcke in die Erde, setzte eine eiserne halb mit Wasser gefüllte Pfanne darauf, zündete Feuer darunter an, that die feingeschabte Rinde folgender Pflanzen hinein: akar-ipo (Giftwurzel) oder lada-ipo (Giftpfeffer) eine starke Handvoll; ipo-batang (Baumstammgift) und Sabalei je eine kleine Prise. Nach einer Minute wurde die Rinde im Wasser mittelst der Hand stark ausgepresst und fortgeworfen. Nachdem der Extract 4 Minuten gekocht hatte, wurde er mit grosser Vorsicht abgegossen, wobei ein auf den Rand der Pfanne gelegter kleiner Ballen geschabter Bambusfasern als Filtrum diente, um die noch in der Flüssigkeit schwimmenden Rindenstückchen zurückzuhalten. Nachdem die Pfanne sorgfältig mit Sand ausgescheuert, wurde der Absud — etwa1/2Liter — in dieselbe zurück gegossen. Man setzte, als er zu kochen begann, einen Theelöffel voll Saft des Ipo-batang hinzu. Dieser geringen Menge wegen hatte man einen grossen Baum gefällt, aus dessen Querschnitt der Saft langsam ausschwitzte. Nach Zusatz dieser Substanz entstand in der bisher klaren Flüssigkeit ein Coagulum, das zu Boden sank. Zwei Minuten später goss man abermals die klare Flüssigkeit ab, in die man vorher ein Stückchen durch Realgar verunreinigten Arseniks von der Grösse eines Stecknadelknopfes geworfen hatte. — Eine so geringe Menge kann wohl keine Wirkung haben; auch gilt der Zusatz nach der Aussage des Giftkochers nicht für wesentlich und unterbleibt, wenn kein Arsenik vorhanden ist, ohne der Wirksamkeit desPfeilgiftes zu schaden. — Nachdem der Bodensatz beseitigt und die Pfanne abermals sehr sorgfältig mit Sand ausgescheuert worden war, goss man wieder das Filtrat in dieselbe zurück und dampfte es bis zur Syrupdicke ein. Das fertige Gift wird entweder gleich auf die Pfeile gebracht, oder in kleinen Bambusen verwahrt und soll viele Jahre lang seine Wirksamkeit behalten. — Früher wurden bei dem Giftkochen allerlei Zauberformeln angewendet, die Herrn Bory's Einfluss beseitigt hat. Von den verwendeten Pflanzen konnte ich keine blühende Exemplare erhalten und auch die eingelegten blüthenlosen Zweige gingen später verloren, so dass eine Bestimmung nicht möglich war. Ausser dem in meiner Gegenwart bereiteten kaufte ich noch mehrere Kapseln voll älteren Pfeilgiftes und Köcher voll vergifteter Pfeile. Später im physiologischen Laboratorium zu Berlin damit angestellte Versuche ergaben sehr verschiedene Resultate. Das in meiner Gegenwart bereitete Gift wirkte herzlähmend wie Anthiar, eben so wirkte der Saft des Ipo-batang, den ich selbst vom Stamm eingesammelt hatte. Die gekauften Gifte aber wirkten ausserdem noch tetanisirend wie Strychnin. Wahrscheinlich ist der Ipo-batang-Baum = Anthiaris toxicaria oder eine verwandte Art, und akar-ipo eine Strychnosart (letzteres ist um so wahrscheinlicher, da akar nicht nur Wurzel sondern auch Rebe bedeutet). Durch das Vorwiegen der einen oder andern Substanz mag wohl die vorherrschende Wirkung auf Herz oder Nerven bedingt werden. Die von Prof. du Bois-Reymond und Dr. Rosenthal angestellten Versuche, welche übrigens auch die verhältnissmässige Immunität der Hühner bestätigen, sind ausführlich beschrieben in den Monatsberichten der Berliner Akademie 1859. 3. 319 und in Reichert und du Bois-Reymond's Archiv 1865 S. 601.
In allen Jägerkünsten sind die Waldmenschen wohlerfahren, sie wissen dem Wild auch viele Fallen zu stellen; eine recht sinnreiche von komplizirtem Bau beschreibt J. R. Logan. Mir zeigten sie an vielen Stellen im Dickicht verborgen eine sehr einfache anscheinend von grosser Wirksamkeit. Ein junger elastischer Baum war mit der Spitze zur Ende gebogen. Bei der leichtesten Berührung eines Schnäppers schnellte er wieder in die Höhe und durchbohrte mit der an seiner Spitze in einem fast rechten Winkel befestigten Bambuslanze das Thier, das sich der Falle unvorsichtig genähert hatte. Einem Aufsatz, den Herr Bory 1861 in die Tydschr. voor indische Taal, Land en Volkenkunde einrücken liess, entnehme ich noch einige ergänzende Daten:
Die Gesammtzahl aller Wilden auf der malayischen Halbinsel dürftenach H. B.'s Meinung nicht über 8–10,000 betragen; die der Mintras nicht über 2000. — Sie halten sich für die Ureinwohner, betrachten die Malayen als Eindringlinge und glauben von 2 weissen Affen abzustammen, aus deren Nachkommen diejenigen, die in der Ebene blieben, allmälig Menschen wurden, während die, welche die Berge nicht verliessen, Affen blieben.[46]Jeder lebt für sich, als wäre er allein in der Welt. Sie sind gleichgültig, faul, lieben die Ruhe über alles, haben wenig Energie. Nur auf der Jagd zeigen sie Muth und Ausdauer. Allein, ohne andre Waffen als Blasrohr, Lanze und Kris, bringen sie Tage und Nächte im Walde zu. Sie sind friedliebend, streiten selten hartnäckig; der geringste Zwist hat Auswanderung zur Folge. Sie hängen wenig am Boden, verändern leicht ihren Wohnsitz, oft mehr aus Laune als aus Ueberlegung. Der erste Eindruck, den die Mintras auf den Fremden machen, ist ein so günstiger, dass man geneigt ist, sie für Menschen im Zustand der Unschuld zu halten. (Herr Bory, der anfänglich auch diese Ansicht theilte, denkt nach genauerer Bekanntschaft anders über sie).
Die Mintras, wie die andern wilden Stämme der Halbinsel haben ihre eigene Sprache; sie hat wenig Klarheit und Bestimmtheit. Die Mintra-Christen verlangten daher, dass ihnen der Religionsunterricht in malayischer Sprache ertheilt würde. Alle Wilden sprechen malayisch, das ihnen auch als Verkehrssprache mit benachbarten Stämmen nöthig ist.
Einige Tage nach meiner Rückkehr nach Malacca hatte ich Gelegenheit, in Gesellschaft eines Bergmanns aus Cornwallis, der im Auftrag einer englischen Gesellschaft die Ergiebigkeit der hiesigen Zinnlagerstätten untersuchen sollte, einen Ausflug nach dem oberen Lingiflusse zu machen, von wo wir nach dem berühmten Zinndistrikt, Songei-Udjong, wollten. Bis zur Mündung des Lingi konnten wir das Kanonenboot der Regierung benutzen. Wir verliessen Malacca Nachmittags um 5 Uhr und fuhren in geringer Entfernung von der Küste, die eine ununterbrochene Reihe lieblicher Landschaften entfaltete: im Vordergrund eine bebaute Ebene, auf welcher sich Hügel und weiter hinten tief blaue Berge in scharfen Umrissen erhoben. Der Sonnenuntergang war ausserordentlich prächtig und nahm über 150° des Horizontes ein. Wir brachten die warme Nacht 23,2° R. auf dem Verdeck zu, um 3 Uhr trat Regen ein und zwang uns, in der kleinen, heissen Kajüte Schutz zu suchen. Wir waren der Mündung des Lingi nahe, mussten aber noch 3 Stundenlang kreuzen, bevor wir landen konnten, da wir Wind und Strömung gegen uns hatten. Dieser Fluss bildet die Grenze Malaccas gegen den kleinen MalayenstaatSalangore. An seiner Mündung, auf der linken (englischen) Seite, liegt ein kleines, aus wenigen Hütten bestehendes malayisches Kampong und daneben die Umfangsmauer eines während des Krieges mit Naning gegründeten Forts. Das Kanonenboot setzte seine Fahrt fort, wir blieben und hatten bis 11 Uhr mit habsüchtigen, mürrischen Leuten zu feilschen, bevor wir zur Fahrt Fluss aufwärts um hohen Preis ein Boot erlangten. Die breiten Mündungen dieser Flüsse sind namentlich in der Mittagssonnengluth nicht angenehm zu befahren. Die Fluthwelle reicht viele Meilen weit hinauf, und soweit sie das Seewasser trägt, zieht sich zu beiden Seiten ein einförmiger Rhizophorensaum hin; erst nach stundenlanger Fahrt flussaufwärts erscheinen einige stammlose Nipapalmen, die allmälig häufiger werden, sobald der Salzgehalt des Wassers hinreichend abnimmt, dann treten Pandanusarten auf, welchen sich bald blühende Sträucher und enorme Waldbäume anschliessen, deren einige bis auf 100 Fuss Höhe fast astlos, und glatt wie Säulen emporragend, nur am Boden mit grossen Strebepfeilern versehen sind, während andere vielfach verästelt, durch Luftwurzeln gestützt und nach allen Richtungen mit Lianen, Kletterfarnen und Orchideen behangen, ein unauflösliches Gewirre bilden. Gegen Abend wurde der Fluss immer enger, die Windungen häufiger, endlich bogen wir in einen kleinen Bach, unter dessen dichtem, tiefhängendem Laubdach wir ein kleines Kampong erreichten. Am Ufer stand ein Schuppen, der als Niederlage für das aus der Umgegend kommende Zinn dient, welches von hier aus nach Malacca verschifft wird. Der „Dato” (Häuptling) wohnt eine Mile landeinwärts; wir begaben uns zu ihm, um den Empfehlungsbrief des Guvernörs abzugeben. Zu unserer Ueberraschung führte statt eines engen Waldpfades ein Fahrweg nach seiner Wohnung; den Dato hatten bei einem Besuche in Singapore die dort gebräuchlichen Wagen so entzückt, dass er einen gekauft, und um ihn benutzen zu können, mitten in seinem Walde ein Stück Strasse von einer Mile Länge gebaut hatte, auf der er täglich spazieren fuhr. Er wohnte in einem sauberen steinernen Hause, in dem mehrere europäische Möbel und Luxusgegenstände aufgestellt waren. Unsere beabsichtigte Reise nach Songei-Udjong schien ihm nicht angenehm zu sein; er machte allerlei Einwendungen dagegen, schilderte sehr beredt die Gefahren und Strapazen, die uns bevorständen, bedauerte uns in seiner Wohnung kein Quartier geben zu können, und entschuldigte sich, dass die Nahrungsmittelsehr knapp seien. Zum Glück waren wir in dieser Beziehung gut versehen. Er bat uns ihm zwei oder drei Zwieback zu verkaufen, und als wir ihm ein Dutzend geschenkt hatten, fragte er nach dem Preise des Bieres; wir schenkten ihm zwei Flaschen. Nun wünschte er auch den Preis des Weines zu erfahren; wir schenkten ihm eine Flasche und zogen uns nach dem Landungsplatz zurück, wo wir in einer Ecke des Zinnsschuppens die Nacht zubrachten. Der Dato hatte versprochen, uns am andern Morgen um 6 Uhr Leute zu schicken, die uns als Träger und Führer begleiten sollten; er schlief aber bis 12, und keiner seiner Leute wagte mit uns zu gehen. Wir beschränkten daher unsere Excursionen auf die nächste Umgebung. Als wir um 2 Uhr in brennender Sonne wieder zurückkehrten, war unser Gastfreund bereits wieder schlafen gegangen; erst gegen fünf stand er auf und begleitete uns auf einer Jagdpartie. Er war heut noch zudringlicher als gestern und weigerte sich schliesslich geradezu uns Träger nach Udjong zu geben. Seine Beweggründe waren uns nicht recht klar. Da aber die Haupteinnahme-Quelle dieser kleinen Raubritter in der gesetzlosen Ausbeutung der ihr Gebiet betretenden Zinngräber besteht, so mag er wohl triftige Gründe gehabt haben um uns einen näheren Einblick in sein Treiben zu wehren. Mein Gefährte hatte Aussicht die Reise nach Songei-Udjong später mit besserem Erfolg zu machen; so beschlossen wir denn am nächsten Morgen umzukehren, um nicht länger mit dem unverschämten Burschen und seiner zudringlichen Umgebung zu thun zu haben. Doch war es beinahe Mittag, als wir am folgenden Tage nach vielen Plackereien und Prellereien die Rückreise antreten konnten.
Das Boot, das wir nach langem Zögern endlich erhielten, hatte kaum Raum für unser Gepäck, so dass wir auf demselben hocken mussten; es füllte sich durch ein Leck und durch strömenden Regen schneller als es ausgeschöpft werden konnte. Wir kehrten daher wieder um, setzten eines der grossen am Strande liegenden Boote in Stand und fuhren darin bequem flussabwärts. Eine Anzahl fauler Kerle, die unter dem Schuppen standen, sahen uns müssig und mürrisch zu, doch wagten sie nicht uns zu hindern. Bald nach Sonnenuntergang landeten wir in einer kleinen Polizeistation auf englischem Gebiet nahe der Mündung. Der Dato von Lingi ist nur ein kleiner Häuptling, dessen Einkünfte im Handel und in Erpressungen bestehen, dennoch nahm er, obgleich unmittelbarer Nachbar der Engländer, keine Notiz von dem ebenso höflichen als angelegentlichen Empfehlungsbrief des Guvernörs; so geringen Einfluss haben die Engländer auf diese kleinen Staaten, in denen Mord- und Raubanfällesehr häufig sind, ein Uebelstand, der in der Kolonie lebhaft gefühlt wird und ein Hauptgrund, weshalb sie eine selbstständigere Regierung zu haben wünscht. Grade während meiner Anwesenheit machte ein kleiner Bugishäuptling aus Singapore, der angeblich für den Sultan von Johor focht, die Umgebung des Berges Ophir unsicher und that sogar räuberische Einfälle auf englisches Gebiet, gegen die, wenigstens zur Zeit, nicht eingeschritten wurde.[47]
Mein Gefährte setzte am nächsten Tage die Reise bis Ponchor fort, einer zwischen Lingi und Malacca an der Küste gelegenen Häusergruppe, ich blieb in der Polizeistation zurück, und verbrachte eine sehr unruhige Nacht. Denn wir befanden uns in dem Monat, in welchem die Muhamedaner, nachdem sie von Morgens 6 bis Abends 6 gefastet, sich Nachts durch Schmausen, Musiziren und allerlei Lärm entschädigen. Am andern Morgen begab ich mich auch nach Ponchor, in einem kleinen Boot der Küste folgend, deren Schönheit mich aber bald einlud, den Weg zu Fuss fortzusetzen. Man geht bequem auf ebenem Granitsand, aus welchem grosse oft dicht mit blühenden Orchideen bekleidete Granitblöcke hervorragen. Meinen Freund traf ich in einem geräumigen verlassenen Schuppen, mit freier Aussicht auf das Meer neben einer klaren Felsenquellerecht behaglich eingerichtet. Wir durchstreiften die liebliche Gegend mit der Vogelflinte, badeten Abends in der Brandung, assen ohne aufgedrungene malayische Gesellschaft, und fischten Nachts bei Fackelschein.
Am folgenden Morgen besichtigten wir eine in der Nähe gelegene Zinngrube. Zinn kommt im gediegenen Zustande in der Natur nicht vor.[48]Alles Zinn wird aus Zinnerz oder Zinnstein, einem reinen, nur durch mechanische Beimengungen verunreinigten Zinnoxyd gewonnen. Es tritt in schmalen Gängen, sogenannten Stockwerken, im Granit oder andern Eruptivgesteinen auf, die es so unregelmässig durchsetzt, dass man häufig dadurch veranlasst wird, Tagebau darauf zu treiben; oder es kommt in grossen regelmässig abzubauenden Gängen vor. Alles Zinn von Cornwallis wird gegenwärtig aus solchen Gängen gewonnen; die früher daselbst betriebenen Stockwerke sind erschöpft und liefern nichts oder fast nichts mehr. Durch Pochen und Waschen wird das viel schwerere Erz (sp. Gew. = 6,8 bis 7) leicht vom Ganggestein getrennt, aber nicht von dem es gewöhnlich begleitenden Wolfram und den Arsenik- und andern Kiesen, die ungefähr gleich schwer sind; diese entfernt man durch Rösten, wobei sie sich zersetzen, und abermaliges Waschen.[49]Der ganze eben beschriebene Prozess vollzieht sich in der Natur spontan, indem durch die Einwirkung der Atmosphaerilien das Gebirge verwittert, die Kiese sich zersetzen, lösliche Verbindungen eingehen, und sammt dem verwitterten Gestein durch Regen und Bäche in die Tiefe geführt werden. Wenn sich aus dem zur Ruhe gekommenen Wasser die darin schwebenden Stoffe absetzen, bildet das Erz wegen seiner Schwere die tiefste Schicht, auf welcher sich die Verwitterungsprodukte des Muttergesteins, Kaolin, Quarzsand, Grus und Trümmer ablagern. Im Verlauf langer Zeiträume bilden sich auf diese Weise Lager von grosser Mächtigkeit. Man nennt diese erzführenden Ablagerungen in Deutschland Seifen, in Cornwall Streamworks, in beiden Ländern hat aber ihre Ausbeutung jetzt gänzlich aufgehört, da sie erschöpft sind. Alles Zinn von Hinterindien (Malacca, Junk-Ceylon, Banca, Siam u. s. w.) wird aus Seifen gewonnen, die ursprüngliche Lagerstätte ist noch gar nicht bekannt. Das Zinn von Banca und Malacca ist fast absolut rein, und überhaupt ist Seifenzinn immer reiner als das aus Gangerzen gewonnene.
Nach Crawfurd (Dictionary) ist das Malayische Zinngebiet ohneallen Vergleich das ausgedehnteste und reichste der Welt und erstreckt sich von Tavoy 14° N. bis Billiton 3° S. d. h. über 17 Breiten- und 10 Längengrade. Der grösste Theil des Gebiets ist noch mit Urwald bedeckt, so dass man erwarten darf das Erz noch an vielen Stellen zu finden. Der Vorrath scheint sehr gross, der Ertrag steht im Verhältniss zu den aufgewendeten Mitteln an Kapital und Arbeitskräften. Die Gruben von Banca werden seit 1710 betrieben, die erste Grube bei Malacca wurde 1793 eröffnet, aber erst seit 1840 findet daselbst die Ausbeutung mit grösserem Nachdruck durch Chinesen statt. Auch in den benachbarten Malayenstaaten, namentlich in denen der Ostküste, Kalantan und Tringano, so wie in Siam nimmt die Zinnproduktion sehr zu, recht bedeutend ist sie auf Junk-Ceylon.[50]
Um das Erz aus dem Seifengebirge zu gewinnen, wiederholt und vollendet der Mensch was die Natur im Grossen gethan hat; er schlämmt und wäscht die erzführenden Schuttmassen, bis nur das reine Erz zurückbleibt.
Die Grube vor uns wurde von 34 Chinesen bearbeitet, gehörte also zu den kleinsten. In manchen Gruben sind mehrere Hundert Arbeiter beschäftigt. Da das ganze, gewöhnlich 12' bis 18' mächtige Deckgebirge abgetragen werden muss, um auf die Erzschicht zu kommen, so ist es nicht lohnend, mit geringen Arbeitskräften die Ausbeutung zu betreiben. Unter einer 2' dicken Schicht Ackerkrume lag eine etwa doppelt so dicke Schicht grauen Sandes, darunter folgte eine weisse 4 bis 5 Fuss mächtige aus reinem Kaolin mit Quarzkörnern und Glimmerblättchen bestehendeSchicht, „Kong” genannt; dann eine sechszöllige gelber Erde, die das Zinnerz enthält. Die Unterlage bestand wieder aus demselben weissen Kong, wie die Decke. Ein ehemaliger Bach hatte sich in dem lockeren Boden in N. S. Richtung sein Bett bis auf die zinnführende Schicht ausgewaschen und es dann wieder zum Theil mit Thon angefüllt, fast reinem Kaolin, durch verkohlte Pflanzenreste schwarz gefärbt. Die Nordwand der Grube zeigte die beschriebenen Verhältnisse in einem Profil von einer Deutlichkeit, wie man sie sonst gewöhnlich nur in den schematischen Figuren geognostischer Monographien findet; die grellen Farben trugen dazu nicht wenig bei.
Man hatte zuerst den schwarzen Thon, der das alte Bett des Bachs ausfüllte, bis auf die Erzschicht fortgeräumt, dann die östliche Uferwand; jetzt war man beschäftigt die westliche Wand abzuräumen, indem man sie auf die Ostseite hinübertrug. Zum Fortschaffen der Erde bediente man sich kleiner Tragkörbe, als Leitern dienten schräg liegende Baumstämme mit eingehauenen Stufen. Das auf dem Boden der Grube sich ansammelnde Wasser wurde durch eine Schaufelkunst gehoben, die aus einer Reihe flacher an einer Kette ohne Ende befestigter Bretter bestand, welche sich in einer schrägen Rinne aufwärts bewegten und das Wasser vor sich herfegten. Der Apparat hatte grosse Aehnlichkeit mit einer Baggermaschine und wurde durch ein am oberen Ende angebrachtes Wasserrad getrieben, an dessen Welle aber auch noch Tretbretter befindlich waren, um es bei Wassermangel durch Menschenkraft in Bewegung zu setzen. In auffallender Weise war bei der Anlage die gehörige Ausnutzung der vorhandenen Wasserkräfte und Niveauverhältnisse übersehen worden, so dass nach der Schätzung meines erfahrenen Begleiters wohl 5' Fall verloren gingen. Auch war der Kasten, in welchen das Wasser des oberschlächtigen Rades sowohl, als das aus der Grube heraufgeförderte sich ergoss, so ungeschickt gemacht, dass immer ein sehr beträchtlicher Wasserstand darinblieb, wodurch abermals ein erheblicher Kraftverlust entstand. Gewöhnlich haben doch reisbauende Völker grosses Geschick in allen Wasserbauten und hier war doppelte Veranlassung, es anzuwenden, da das Treten des Rades nicht nur sehr anstrengend, sondern auch, falls nicht Alle gleichzeitig aufhören, wegen des Rückschlags sehr gefährlich ist und Beinbrüche veranlassen kann. Das erzführende Gestein wird auf einen Haufen zusammengetragen und erst dann geschlämmt und geschmolzen, wenn die ganze Grube leer ist.
Wir durften die Grube nur barfuss, ohne Hut und Sonnenschirm betreten. Es finden noch mehrere andere abergläubische Beschränkungenstatt, auch zahlreiche Opfer an Vieh, Geflügel, Goldpapier, Kerzen und Schwärmern, um die Berggeister günstig zu stimmen.
Die Besitzer der grösseren Zinngruben wohnen meist in Malacca; die Arbeiter stehen zu diesen in demselben Verhältniss, wie die Gambirpflanzer in Singapore zu ihrem Patron. Ein Theil dient um die vorgeschossene Passage von China zu tilgen (Sinkay), andere um festen Lohn, 4 bis 5 Ds. per Monat und Kost. Alle haben aber einen, wenn auch noch so kleinen Antheil am Ertrag. Die Zinngewinnung nimmt mit jedem Jahre zu. Einige Gruben sind so ergiebig, dass sie nach Blundell den Eindruck machen, als würden harte Thaler aus einer grossen Vertiefung ausgeschaufelt. Solche Erfolge veranlassten eine grosse Ausbreitung dieses Bergbaues. Nach Blundell, der als ehemaliger Guvernör genau unterrichtet ist, deckt aber die Hälfte der Unternehmungen kaum die Kosten; eine Hälfte giebt mässigen Gewinn und nur 4 oder 5 sind Haupttreffer in dieser Lotterie; denn eine solche ist nach seiner Ansicht dieser Erwerbszweig in seinem gegenwärtigen Betrieb. Der Reiz des Spiels hat aber die Aufschliessung vieler neuen Gruben zur Folge gehabt. Die Erlaubniss zum Bergbau giebt die Regierung gratis, sie erhebt aber ein Zehntel des gewonnenen Zinns als Abgabe, und verpachtet diese Steuer, wie das Opium und Branntweinmonopol dem Meistbietenden. Zur Verhinderung des Schmuggelns wird solches Zinn, von welchem die Abgabe entrichtet ist, gestempelt, und steigt dadurch um 8 bis 9% an Werth, da ungestempeltes Zinn in England höheren Eingangszoll zahlt.
Nach dem unangenehmen Eindruck, den die Malayen von Lingi auf uns gemacht, waren mir einige Ausflüge im Gebiet von Malacca doppelt angenehm, weil ich dabei dies Volk von einer ganz andern, sehr vortheilhaften Seite kennen lernte. Ich wohnte in kleinen Hütten, mitten im Walde, bei armen Leuten, die mir den besten Platz im Hause und die besten Matten einräumten, sehr bescheiden, gefällig und höflich waren, doch immer ohne jene Zeichen hündischer Unterwürfigkeit, mit denen viele andere Asiaten so freigebig sind, wenn sie dadurch eine Gunst zu erlangen hoffen. Es scheint, dass zwischen den alten Ansiedlern holländischer Abkunft und den auf ihrem Gebiet wohnenden Malayen ein auf gegenseitiges Zutrauen gegründeter freundschaftlicher Verkehr stattfindet, jedenfalls bestand ein solcher zwischen meinem Freunde W. B. und seinen Insassen. Die einfachen Sitten und die Biederkeit dieser Ackerbau treibenden Malayen waren mir um so wohlthuender, je weniger ich diese Eigenschaften erwartet hatte. In Lingi, dessen Bewohner von mehr oder weniger gesetzlichem Handel, Erpressungen und gelegentlichen Räubereienleben, traten ihre gehässigsten Eigenschaften hervor, aber auch in Singapore werden die besseren Züge ihres Wesens von dem Golddurst, der dort Alle ergreift, in den Hintergrund gedrängt.
Die Ausflüge um Malacca sind sehr angenehm und für den Sammler lohnend. Zwischen demLingi- undKassangfluss, die das Gebiet begrenzen, ergiessen sich ausser mehreren Bächen derMalacca- und derDujongfluss (nach letzterem ist die Seekuh Halicore Dugong benannt, wobei aber irrthümlich dasjin eingverwandelt worden). Beide Flüsse sind für Kähne auf mehrere Miles weit zugänglich. Ihre Ufer wimmeln von Krokodilen, in den Bäumen klettern Vögel, Schlangen, Eichhörnchen und Affen umher, und man ist sicher, mit reichlicher Beute zurückzukehren, wenn man mit einer Vogelflinte versehen, auf einem aus einem einzigen Baumstamme gezimmerten Kahne in die Tiefen des Waldes eindringt. Ich habe nie so viele Baumschlangen gesehen, als am Malaccafluss. In einer halben Stunde hätte ich ein Dutzend schiessen können. Sie lagen meist aufgerollt auf das Wasser überragenden Zweigen, von welchen sie sich herabfallen liessen und behende weiter schwammen, wenn sie Gefahr im Anzuge glaubten. Das Zigeunerleben im Walde, so nahe einer Hafenstadt, in der man sich immer wieder mit Vorräthen, sogar mit Luxusgegenständen versehen kann, in Begleitung eines gelehrigen, bescheidenen Dieners, unter gefälligen, sanften Eingebornen war so angenehm, dass ich es jedem Touristen aufs angelegentlichste empfehlen möchte. Wir durchstreiften den Wald nach allen Richtungen, im Boot oder zu Fuss, und kehrten oft erst spät Abends beim Schein der Dammarfackeln nach unserm Lagerplatz zurück, um das Gesammelte zu präpariren.
Der Grund, warum tropische Länder, die jetzt so leicht zu erreichen sind, so selten besucht werden, liegt, wie ich glaube, besonders in der Furcht vor dem Klima, den Giftschlangen und dem Ungeziefer. Die ungesundesten Gegenden sind aber immer den in der Nähe Wohnenden bekannt, und können gewöhnlich von dem, der nur zum Vergnügen reist, vermieden werden. Uebrigens ist eine gewisse Mässigkeit in allen Genüssen, ohne strenge Enthaltung, bei gehöriger Bewegung und angenehmer Beschäftigung ein anerkanntes Mittel, Krankheiten fern zu halten; gegen die gefürchtetsten, Fieber und Dysenterie, pflegen Chinin und Opiumtinktur, zeitig angewandt, zu helfen. Das Leben in den Hafenplätzen ist den Europäern freilich weniger zuträglich. Sie arbeiten dort lange und oft angestrengt in Kontoren, halten reichliche Mahlzeiten, geniessen stark gewürzte, den Durst reizende Speisen und geben sich wohlnoch andern Excessen hin. Auch die europäische Kleidung, die schon bei uns weder schön noch besonders zweckmässig ist, wird hier zu einer wahren Plage und der Gesundheit nachtheilig. Im Walde kleidet man sich, wie man will. Nach mehreren Versuchen nahm ich später einen Anzug an, den ich als besonders zweckmässig empfehlen kann: Hose und lange Jacke von blauem Kattun (weiss würde alle Thiere verscheuchen), Schuhe aus Segeltuch und einen chinesischen Hut in Form eines Helms. Die Jacke vertritt zugleich die Stelle des Hemdes, ist ungefüttert, enthält aber mehrere Taschen. Strümpfe sind sehr unbequem, barfuss gehen schwer zu lernen, Segeltuchschuhe sind am zweckmässigsten. Reitet man durch einen Fluss, so zieht man sie aus und hat dann gleich wieder trockene Füsse. So lange man geht, schaden nasse Füsse nicht. Kommt man Abends ins Quartier, so wechselt man den ganzen, gewöhnlich von Schweiss oder Regen durchnässten Anzug, und wäscht alles, mit Ausnahme des Hutes; am andern Tag ist alles wieder trocken. In einer so dünnen Hülle, die so leicht gewechselt und gewaschen wird, belästigt die Hitze fast gar nicht. Es verschwinden zugleich fast alle Terrainschwierigkeiten; denn es ist ziemlich gleichgültig, ob man auf dem Trocknen, im Sumpf oder im Wasser geht. Der Hut, der wegen seiner Zweckmässigkeit eine besondere Beschreibung verdient, besteht aus dem Mark eines Baumes, angeblich Aeschynemone aspera, so porös, leicht, die Wärme schlecht leitend, wie Holundermark. Er ist von grösserem Umfang als der Kopf, man trägt ihn vermittelst eines zollbreiten, geflochtenen Ringes, der innerhalb des Hutes an seinem unteren Rande angebracht, und nur an drei oder vier Stellen so mit ihm verbunden ist, dass die Luft ringsum zwischen Hut und Kopf zirkuliren kann. An der hinteren Seite hängt eine kurze Gardine, um den Nacken gegen die Sonne zu schützen. Der Ueberzug besteht aus hellem Seidenbast, der des breiten unteren Randes aus blauem oder grünem Stoff, um die Augen zu schützen.
Die grosse Furcht vor Schlangen und reissenden Thieren ist ganz ungerechtfertigt. Alle Thiere fürchten sich vor dem Menschen; auch sind die meisten Schlangen giftlos, und alle ziehen sich gewöhnlich bei Zeiten zurück, wenn sie Menschen kommen hören. Wie schwer sie anzutreffen sind, erfährt man am besten, wenn man ihnen eifrig nachstellt. Wir suchten immer nach ihnen; ich zahlte für das Stück 6 pence oder 1 shilling und dennoch habe ich in vier Jahren kaum einige hundert zusammengebracht. Ist erst die Furcht vor ihnen verschwunden, die wohl jeder, der viele Reisebeschreibungen gelesenhat, empfindet, wenn er zum ersten mal den tropischen Wald betritt, so sind sie leicht zu fangen: mit einem Schlag tödtet man sie, auch ist es nicht schwer, sie lebend zu fangen, wenn man sie mit einem Stock gegen den Boden drückt, und sie dann unmittelbar hinter dem Kopf fest anpackt. Die Diener, die mit mir waren, hatten anfänglich immer die grösste Furcht vor allen, auch den ganz harmlosen Schlangen; besonders gefürchtet war die Zunge, die für sehr giftig gilt. Hatten sie aber erst einmal gelernt, wo die Giftzähne sitzen, und sich überzeugt, dass das Thier sonst wehrlos ist, so trat an die Stelle der früheren Furcht eine solche Dummdreistigkeit, dass ich oft Unglück befürchtete. Tritt man unversehens auf eine im Kraut verborgene Schlange, so beisst sie wohl aus Nothwehr, das ist aber auch fast die einzige Gefahr, der man von ihnen ausgesetzt ist, und diese Gefahr ist namentlich für Europäer gering, die gewöhnlich mehrere Personen im Gefolge haben, deren Lärmen die Thiere früh genug warnt.
Von Insekten wird man in Indien viel weniger geplagt als im Süden Europas. Flöhe giebt es nicht, die Läuse der Eingebornen suchen den Europäer nicht heim; dies ist besonders sehr auffallend in den Philippinen, wo die Eingebornen sehr viel reinlicher als die Spanier sind. Jene baden sich täglich und pflegen ihr schönes Haar, während diese in beidem nachlässiger sind, doch haben die Tagalen, namentlich die Frauen, fast immer Ungeziefer im Haar, die Spanier wohl nie.
Gegen alle lästigen Insekten aber und namentlich auch gegen die gefürchteten Moskitos schützt vollkommen das Insektenpulver, wie es auch von Sammlungen die Ameisen fernhält. Eine Tinktur aus 1 Theil Insektenpulver (Pyrethrum roseum), 2 Theilen Alkohol, 2 Theilen Wasser schützt, selbst noch zehnfach mit Wasser verdünnt, alle Körpertheile, die damit benetzt werden, absolut gegen jeden Angriff. Auf den wegen der Moskitos so sehr verrufenen Flüssen von Siam schlief ich oft ohne Moskitonetz ganz nackt in meinem Boot, ohne im Geringsten belästigt zu werden; das Summen, welches sonst jeden Schlaf verscheucht, weil es die Nähe des zum Angriff bereiten Feindes verräth, wird zu einer harmlosen Musik, die einen im Bewusstsein der Sicherheit um so leichter einschläfert. So schützt Benetzung des Bartes und der Hände den Jäger auf der Wasserjagd gegen Mücken, selbst bei der starken Transpiration im dortigen Klima wenigstens 12 Stunden. Besonders interessant ist auch die Wirkung auf die in tropischen Ländern so sehr zahlreichen Ameisen. Vor den Fenstern meiner Wohnung in Albay, auf Luzon, lief ein 6 Zoll breites Brett ringsum das ganze Haus. Auf demselbenbewegten sich zwei dicht gedrängte Züge einer schwarzen Ameise in entgegengesetzter Richtung ununterbrochen dicht neben einander hin, so dass die Oberfläche gleichmässig schwarz erschien. Ein handbreiter Streifen dünn gestreuten Pulvers oder verdünnter Tinktur genügte, um sie alle zu vertreiben. Zuerst stauten sich die Züge am Rande des Streifens, dann überschritten ihn die Vordersten, von den Nachfolgenden gedrängt; aber schon wenige Zoll weiter zeigten sich die Merkmale der Vergiftung; sie taumelten, setzten sich auf die Hinterbeine, bewegten ängstlich die Vorderbeine und starben nach einer oder zwei Minuten. Bald darauf verliessen alle das Haus.
Auch die in den Philippinen so verbreitete Krätze wird durch Waschen mit der konzentrirten Tinktur schnell beseitigt; — das Jucken hört augenblicklich auf. Die fast magische Wirkung des für Menschen ganz unschädlichen Mittels scheint noch völlig unaufgeklärt. Es ist gleich wirksam als Pulver, als Tinktur und als Räuchermittel. Ein befreundeter Chemiker sagt mir, dass es ihm trotz der grössten Sorgfalt nicht gelungen sei, ein Alkaloid oder sonst eine eigenthümliche Substanz darin zu finden, der man die Wirkung zuschreiben könnte.
Bei meiner Rückkehr nach Malacca hatte ich Gelegenheit, einen grossen Leichenzug zu sehen, von dem man schon lange viel gesprochen hatte. Die Mutter eines der reichsten Chinesen war vor einigen Monaten gestorben, und heute wurde ihr einbalsamirter Körper in die Familiengruft gebracht. Fast die ganze Stadt betheiligte sich daran. Der Resident-Councillor und alle Magistratspersonen folgten dem Zuge, der indessen hinter den hochgespannten Erwartungen zurückblieb. Er bestand aus einer langen Reihe Chinesen in weissen und blauen Trauerkleidern; einige ritten auf Pferden, die auch mit weissen oder blauen Zeugen behangen waren. Sieben geschlachtete Schweine und sieben Ziegen, je von 4 Kulis getragen, folgten, um draussen verspeist zu werden. Viel feierlicher als die Schweine sahen die Ziegenböcke aus, die bis auf die schwarze Mähne und den schwarzen Bart ganz kahl gebrüht waren. Lärmende Musik ging dem Sarge voraus, der in einem geräumigen Zelt von äusserst kostbar gesticktem Seidenzeug enthalten war, ihm folgte eine grosse Masse Volk, meist Chinesen, und zuletzt die nähern Verwandten in Sackleinen und die Nachbarinnen im blauen Hauskleide, ein weisses Tuch über die Schulter geworfen.
Zögernd und ungern verliess ich Malacca, um einen Dampfer von Singapore nach Borneo zu benutzen; es wurde mir schwer, mich von denlieben Freunden zu trennen, die ich hier zurückliess und wohl nicht wiedersehen werde.
Malacca, die Hauptstadt des gleichnamigen Gebiets, liegt 2° 14' N, 112° O v. Gr., das Klima ist trotz der Nähe des Aequators und der geringen Meereshöhe gesund und angenehm. Der Thermometer schwankt zwischen 17 und 24° R., der Barometer zwischen 29° 8' und 30° 3' Engl. Wie Singapore liegt auch Malacca ausserhalb der Monsuns, daher die Sicherheit seiner Rhede.
Die Stadt soll im zwölften Jahrhundert gegründet worden sein durch einen Fürsten von Singapore, den wahrscheinlich die Siamesen vertrieben hatten. Sie erhob sich schnell zu grosser Bedeutung, und war bei Ankunft der Portugiesen 1509, der reichste Handelsplatz in jenen Meeren, viel besucht von Schiffen aus China, Japan, den Philippinen, den Inseln des Archipels, Vorderindien und Arabien. Namentlich hatte sie zu jener Zeit grosse Wichtigkeit als Stapelplatz der damals in Europa so geschätzten Gewürze. Die Stadt soll über 150,000 Einwohner gehabt haben. Die Portugiesen machten bald nach ihrem Erscheinen diesen Zuständen ein Ende, indem sie alle Schiffe, deren sie habhaft werden konnten, kaperten, und Schifffahrt und Handel verscheuchten. Im Jahre 1511 eroberte Albuquerque die Stadt, plünderte, verbrannte sie und tödtete nach der eigenen Angabe der Portugiesen den grössten Theil der Einwohner, auch Frauen und Kinder. Die Portugiesen behielten Malacca 130 Jahre lang und machten sich unglaublicher Grausamkeiten und Treulosigkeiten schuldig. An die Stelle des früher so blühenden Handels trat ein drückendes Monopol. Im Jahre 1641 fielen nach mehreren vergeblichen Versuchen Stadt und Gebiet den Holländern in die Hände, denen es 1795 die Engländer abnahmen, aber 1818 zurückgaben. 1825 kam Malacca abermals an die Engländer, in Folge des bereits früher erwähnten 1824 in London geschlossenen Vertrages, durch welchen die Streitigkeiten, die aus der Nebenbuhlerschaft der Engländer und Holländer in jenen Meeren entstanden waren, zeitweis ausgeglichen wurden. England tauschte Sumatra gegen Malacca aus; die Holländer erkannten Singapore definitiv den Engländern zu, und beide Mächte verständigten sich dahin, dass die Strasse von Singapore die Grenze ihres beiderseitigen Wirkungskreises bilden solle. Dieser Vertrag ist aber noch fortwährend eine Quelle von Streitigkeiten. Nach der holländischen Auslegung sind die Engländer von allen Inseln des Archipels südlich von der Strassevon Singapore ausgeschlossen, nach der englischen Deutung nur von den unmittelbar südlich von Singapore etwa bis Banca gelegenen Inseln.[51]
In Bezug auf die Handelspolitik machten es die Holländer nicht besser als ihre Vorgänger. Nicht nur der Anbau von Kolonialprodukten, sogar der des Reises, obgleich er fast das einzige Nahrungsmittel der Bevölkerung bildet, war zu Gunsten der Produktion Javas und der Molukken verboten, Grund und Boden fast werthlos, Entvölkerung und Verarmung die natürlichen Folgen so brutaler Gesetze; dennoch behielt die Stadt Malacca immer noch einen ziemlichen Handel, als einziger Stapelplatz für die Produkte der umliegenden malayischen Staaten. Durch das Anlegen einer englischen Kolonie auf Pulo-pinang 1786, namentlich aber durch die Gründung des soviel günstiger gelegenen Freihafens Singapore am Ende der östlichen Meerenge hat sich auch dieser Handel von Malacca gänzlich fort nach jenen beiden Punkten, besonders nach dem letzteren gezogen.
Auch der Ackerbau obgleich jetzt von allen barbarischen Fesseln befreit, macht doch nur sehr geringe Fortschritt und beschränkt sich fast auf den Reisbau. Das Land ist zwar ziemlich reichlich bewässert, wo dies der Fall ist, nicht unfruchtbar und wenn die einheimischen Arbeitskräfte nicht ausreichen, so bietet das nahe Singapore deren in Fülle, so wie es auch ein bequemer Markt für die gewonnenen Produkte ist. Aber bis zur Einführung der neuen Landakte 1863, wurden Kapital und Unternehmungsgeist von Malacca ferngehalten, weil die Regierung den Käufern von Ländereien keine endgültigen Besitztitel geben konnte. In neuester Zeit hat die Bereitung des Tapioka (Stärkemehl der Jatropa Manihot) in Mehl und Perlform solchen Aufschwung genommen, dass sie bereits mit Ausnahme des Zinns den Hauptausfuhr-Artikel der Kolonie bildet. Dieser Erwerbszweig ist ganz in den Händen der Chinesen, wie die Bereitung des Sagos in Singapore. Der Preis des Tapioka ist 3 Doll. für Mehl, 4 Doll. für Perlen per Pikul, während Sago durchschnittlich 2 Doll. als Mehl, 3 Doll. in Perlen kostet. Auch mit Zuckerbau sind einige Versuche gemacht worden, jedoch nur im Kleinen.
Von den Inländern wird Palmenzucker (djaggeri) aus Cocospalmen zum Verbrauch in Malacca und in Singapore gewonnen; für weiteren Export ist er nicht geeignet, da sich bei der rohen Bereitungsart der grösste Theil des ursprünglichen Rohrzuckers in Traubenzucker verwandelt. Der bekannte holländische Chemiker de Vrij hat gefunden, dass der Saft der in Java so verbreiteten Arengpalmen, wenn bei seinem Einsammeln die gehörige Vorsicht angewendet wird, um der so schnell eintretenden Gährung vorzubeugen, keinen andern als reinen Rohrzucker enthält, der durch einfaches Abdampfen krystallisirt erhalten werden kann. Sehr wahrscheinlich verhält sich der Saft der Cocos-, Nipa- (s. S. 12), Palmyra- (Borassus flabelliformis) und anderer Palmen ebenso. Zur Gewinnung des Djaggeri wird die Blüthenscheide der Palme, bevor sie aufbricht, zusammengebunden und ihre Spitze abgeschnitten, der ausquellende Saft in Bambusen aufgefangen und in flachen, eisernen Pfannen eingesotten. Ein- oder zweimal täglich wechselt man die Bambusen und schneidet zugleich eine feine Scheibe des Blüthenkolbens ab, da sich durch das Verdicken des Saftes an der Luft die Kanäle verstopfen (ein Baum liefert jährlich 12–20 ℔ Zucker). Man trinkt den Palmensaft auch frisch oder gegohren und bereitet Essig und Branntwein (Arak) daraus. Dieser Arak schmeckt in Folge des mangelhaften Destillationsverfahrens sehr schlecht und ist nicht zu verwechseln mit dem in Europa beliebten Batavia-Arak, dessen Darstellung in Raffles' History of Java beschrieben wird. Häufiger als der Saft werden die Früchte der Cocospalme ausgebeutet, ihre Hauptverwendung ist zu Oel. — Man versichert in Malacca allgemein, dass eine im vollen Ertrag stehende Pflanzung das Anlagekapital jährlich mit 100% verzinst; danach begreift man nicht, warum nicht viel mehr Cocospalmen gepflanzt werden, wenn sie auch vor dem 4ten oder 5ten Jahr kaum Früchte tragen und erst im 9ten oder 10ten Jahre vollen Ertrag geben. Schliesslich verdient Erwähnung, dass man sich in Malacca zum Pflücken der Nüsse besonders abgerichteter Affen bedient, denen man vermittelst einer Leine, deren eines Ende an ihrem Halsband befestigt ist, signalisirt, ob die von ihnen berührte Nuss abgerissen werden soll oder nicht. Ich habe dies aber nicht selbst gesehen.
Batavia. — Buitenzorg. — Botanischer Garten. — Gunong Salak. — Reisbau. — Kultursystem. — Warongs. — Erdnüsse. — Megamendong-Pass. — Telaga warna. — Pasanggrahans und Gasthäuser. — Preanger Regentschaften. — Bandong. — Junghuhn.
Anfangs Juli 1858 fuhr ich auf dem kleinen Postdampfer Palémbang, der den für die holländischen Besitzungen bestimmten Theil der Ueberlandpost abgeholt hatte, von Singapore nachBatavia. Das Schiffchen war musterhaft gehalten, aber trotz holländischer Reinlichkeit und französischer Küche nicht sehr angenehm, da man sich wegen der Kleinheit desselben nirgends der durch die Feuerung sehr erhöhten Temperatur entziehen konnte. Uebrigens war die Fahrt zwischen unzähligen schön belaubten Inseln sehr anziehend. Wir hielten einen Augenblick vor Rhiow auf der Insel Bintang und vor Muntok auf Banka (das die Engländer Lord Minto zu Ehren gern Minto nennen), um Post und Passagiere auszutauschen und erreichten nach 60 Stunden unser Ziel, dessen Entfernung von Singapore etwas mehr als 500 Seemeilen beträgt. Die Rhede von Batavia erschien einsam nach der von Singapore. Ein kleiner Privatdampfer kam uns entgegen und brachte einige Kaufleute, welche die Ankunft ihrer Briefe nicht erwarten konnten. Wir landeten am Zollhaus; die Untersuchung des Passagiergepäcks war nur formell und wurde mit der grössten Höflichkeit vollzogen. In hübschen, zweispännigen Wagen fuhren wir sogleich nach Weltevreden in das Hotel des Indes, dessen glänzend erleuchtete Veranden und Gärten an die Conversationshäuser eleganter Badeorte erinnerten.
Im eigentlichen Batavia wohnt fast kein Europäer mehr. Die alte, früher als ungesund so berüchtigte Stadt enthält aber noch die zum Geschäftsbetrieb nöthigen Gebäude, öffentliche sowohl als private. Morgens füllt sie sich mit Beamten, Geschäftsleuten, Schiffern, abends steht sie leer, — so sagen wenigstens die Europäer, welche die Eingebornen, die dann allein die Strassen beleben, nicht rechnen. Ehemals, als Bataviavon Mauern und stehenden Gewässern umgeben und die nach holländischem Muster gebauten, schlecht gelüfteten Häuser dicht bewohnt waren, soll die Sterblichkeit, durch allerlei Excesse, besonders im Trinken, vermehrt, furchtbar gewesen sein. Jetzt sind die Mauern niedergerissen, die Gräben zum Theil zugeschüttet, und die Bewohner haben sich in die südlich von der alten Stadt belegenen Dörfer Weltevreden, Molenvliet, Rijswijk zurückgezogen; die ehemaligen Kolonisten, die zum grossen Theil aus Glücksjägern bestanden, sind durch Männer aus den besten Elementen des holländischen Volks ersetzt worden; an Stelle der früheren rohen Genüsse sind Mässigkeit und die verfeinerten Vergnügungen einer gebildeten Gesellschaft getreten; daher hat sich der Gesundheitszustand ausserordentlich gebessert. Weltevreden ist überraschend hübsch, besonders Abends, wenn es in vollem Putz steht; dann sind die immer sauber gehaltenen, meist von blühenden Hecken eingefassten Wege reichlich besprengt und mit eleganten Equipagen bedeckt, unzählige Lichter in matten Glaskugeln glänzen in allen Richtungen durch das Laub. Früher war das ganze Gebiet von einem Walde eingenommen, jetzt ist es ein schöner, grosser Park, von breiten Strassen und Kanälen durchschnitten. Unter den Häusern sind manche Prachtgebäude, aber auch die kleinsten schimmern durch die Bäume und Sträucher der Vorgärten so zierlich und anspruchsvoll, als wollten sie für kleine Paläste gelten. Jedes hat einen reich erleuchteten Portikus, der Abends gewöhnlich durch Damen in voller Toilette geschmückt ist. Auch die Herren sieht man um diese Zeit nur im Gesellschaftsanzug, schwarzem Tuchfrack, Glaçéhandschuhen und schwarzer Tuchhose; die leichte, bequeme, weisse Kleidung, mit der man in Singapore in jeder Gesellschaft erscheint, ist hier verbannt; Hüte sieht man selten, selbst Reiter tragen gewöhnlich keine Kopfbedeckung.