POSTSTATION. JAVA.
Nach kurzem Aufenthalt fuhr ich mit einem Freunde aus Singapore in vierspänniger Extrapost nach Buitenzorg. Das Reisen auf diese Weise ist zwar kostspielig, doch billig im Verhältniss zu dem aufgebotenen Apparat, wenigstens vier tüchtigen, kleinen Pferden, einem Kutscher und zwei Läufern. Die Pferde laufen immer Galopp, alle fünf bis sechs Paal hält der Wagen unter einem grossen Schuppen, der die ganze Breite der Strasse überdacht. Geschäftige Kulis begiessen die Achsen mit Wasser, um sie zu kühlen. Sobald umgespannt ist, laufen die „Loopers†so lange neben den Pferden her, bis diese durch Schreien und Peitschenhiebe in das gehörige Tempo gebracht sind und springen dann auf ein hinten am Wagen für sie angebrachtes Brett, von wo aussie durch Knallen und Schreien die Pferde weiter antreiben, bis irgend eine kleine Unordnung, die bei den eigensinnigen Pferden selten lange ausbleibt, sie wieder zwingt, nebenher zu laufen. In vier Stunden legten wir die Strecke von etwa 40 Paal zurück. Die Poststrasse ist vortrefflich; neben ihr läuft ein desto schlechterer, in der nassen Jahreszeit unergründlicher, bei trockenem Wetter im höchsten Grade holpriger Weg, auf welchem die Frachtgüter in Büffelkarren, von denen uns lange Züge begegneten, transportirt werden.[52]Weltevreden nebst den übrigen von Europäern bewohnten Dörfern dehnt sich fast bis zur ersten Poststation aus, nur werden die Häuser immer ländlicher, die Gärten grösser, und gehen allmälig in Pflanzungen über. Hinter der zweiten Station sahen wir die ersten Reisfelder. Das Land erscheint ganz flach, denn obgleich Buitenzorg 850 Fuss höher liegt als Batavia, so ist die Erhebung eine so allmälige, dass man nichts davon merkt. Erst wenn man jenem Orte näher kommt, wird die Landschaft welliger, im Hintergrunde erscheinen die hohen Kegelberge Salak und Pangerango, die von Batavia aus in dieser Jahreszeit wegen der trüben Luft selten sichtbar sind.
SALAK VON BATU-TULIS. JAVA.
Buitenzorg, malayisch Bogor, liegt grade südlich von Batavia und ist die gewöhnliche Residenz des General-Guvernörs. Sein glänzender Palast ist von einem schönen Park umgeben, an welchen sich der, allen Botanikern wenigstens dem Rufe nach, so wohlbekannte Garten anschliesst. Er nimmt die schmalste Stelle eines flachen Rückens ein, dessen Ostseite steil gegen das Flüsschen Tjiliwung abfällt, während die Westseite in sanften Wellen in ein reich bebautes, von dem Tjidani in vielen Windungen durchflossenes Thal übergeht. Im Süden, jenseits des Wassers, begrenzen den Horizont rechts der Salak, links der Pangerango in schönen Linien, wie sie nur Vulkanen eigen sind.[53]Mehr noch als durch seine schöne Lage, zeichnet sich der Garten durch seine Pflanzenschätze aus, unter denen wohl jetzt schon alle bemerkenswertheren Nutz- und Zierpflanzen des Archipels vertreten sind. Besonders reich ist die Sammlung der ersteren. Fast alle von der holländischen Regierung in ihre Kolonie neu eingeführten Kulturpflanzen haben hier ihre erste Station gemacht, und mancher Baum, dessen zahlreich verbreiteteNachkommenschaft jetzt wichtige Produkte liefert, steht hier noch als Stammvater seines Geschlechts und kulturgeschichtliches Denkmal.
Von besonderem Interesse, als etwas Neues, war damals eine Vanillepflanzung (Vanilla planifolia), die mehrere lange Spaliere bekleidete und eine bedeutende Ernte versprach. Die Vanille war zwar schon lange in Java eingeführt, trug aber keine Früchte, weil das Insekt fehlte, das in Amerika die Befruchtung vollzieht. Herr Teysmann, der „Hortulanusâ€, war der erste, der die künstliche Befruchtung bei dieser Kultur anwandte, und durch reichlichen Ertrag belohnt wurde. Bei weitem die grösste Sehenswürdigkeit war aber eine blühende Rafflesia Arnoldii, eine der ersten, die in Java geblüht haben, da die Einführung aus Sumatra erst vor Kurzem geglückt war. Diese merkwürdige Pflanze, eines der grössten Wunder der Pflanzenwelt, besteht nur aus einer prächtigen Blume von 3 - 31/2Fuss Durchmesser und schmarotzt ohne Stiel und Blätter pilzartig auf dem Stamm oder der Wurzel einer grossen Liane (Cissus scariosa oder serrulata). Das Verdienst, sie aus Sumatra eingeführt zu haben, gebührt ebenfalls Herrn Teysmann, aber der Ruhm, sie in Europa zur Entfaltung zu bringen, was bei den heut vorhandenen Mitteln und bei ernstem Willen wohl sicher gelingen müsste, ist noch zu erlangen.
Während meines hiesigen Aufenthalts brachte eine Stafette von Junghuhn auf Lembang ein kleines in feuchte Baumwolle verpacktes Pflänzchen, das trotz der nächtlichen Stunde sogleich dem General-Guvernör übergeben wurde und grosse Freude erregte. Es war der erste auf Java selbst gepflückte Same einer Cinchona, dergekeimthatte.
Erst in den fieberreichen tropischen Ländern lernt man den Segen des Chinins gehörig würdigen. Der Verbrauch dieses köstlichen Heilmittels würde noch viel grösser sein, wenn der hohe Preis es nicht Vielen unerreichbar machte. In den südamerikanischen Wäldern haben zwar nicht die Chinarinden im Allgemeinen, wohl aber die chininreichen Calisaya-Rinden in Besorgniss erregender Weise abgenommen[54]. Die holländische Regierung hatte daher lange beabsichtigt diese Bäume in ihre Kolonien einzuführen, aber erst 1852 gelang dies dem General-Guvernör Herrn Pahud zur Zeit als er Kolonialminister war. Die durch Herrn Hasskarl aus Peru geholten Samen wurden theils in Java,theils in verschiedenen botanischen Gärten in Holland ausgesäet, von ersteren gingen unverhältnissmässig wenige auf; aber auch als die Sämlinge von Holland in Java eintrafen, schien der Erfolg des Unternehmens nicht gesichert; es wurde bezweifelt, ob man Bäumen, die eine so beschränkte lokale Verbreitung haben, dass sie nie ausserhalb ihrer eigenthümlichen Bezirke angetroffen werden, in Java das zu ihrem Gedeihen erforderliche klimatische Medium verschaffen könnte. Die ersten Versuche waren nicht ermuthigend, die meisten Pflanzen gingen aus; als endlich einige blühten, fielen die Blüthen fast alle ab, ohne Samen anzusetzen, und als man schliesslich reife Samen erhielt, wurde ihre Keimfähigkeit bezweifelt. Durch die Ankunft des jungen Pflänzchens, dem am folgenden Tage im Buitenzorger Garten ein Ehrenplatz angewiesen wurde, schien die Akklimatisation dieser wichtigen Pflanzen, von denen später noch ausführlicher die Rede ist, gesichert.
Von Seiten des General-Guvernörs fand ich eine überaus entgegenkommende Aufnahme; auch hatte ich das Glück seine liebenswürdige Familie kennen zu lernen. Durch die Güte meiner Freunde in der Berliner Akademie musste ich ihm wohl sehr angelegentlich empfohlen sein; denn er bot mir sogar den kostenfreien Gebrauch der Regierungspostpferde an, eine Gunst, die sonst nur hohen, in Angelegenheiten der Regierung reisenden Beamten zu Theil wird. Alle meine Einwendungen gegen eine so ausserordentliche Begünstigung und meine Versicherung, dass ich nur zu meiner Belehrung und zu meinem Vergnügen reise, wurden den amtlichen Empfehlungsdokumenten gegenüber für Aeusserungen der Bescheidenheit aufgenommen. Als ich am folgenden Abend aus dem Palast nach Hause kam, fand ich nicht nur den Befehl, mir auf meiner Reise durch Java die Regierungspostpferde unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, sondern auch einen Empfehlungsbrief an alle Beamte in Java und den andern holländischen Besitzungen. Wie sehr ich auch von einem so unverdienten Wohlwollen überrascht war, so ahnte ich doch nicht, dass das Empfehlungsschreiben des General-Guvernörs ein Talisman war, der den glücklichen Besitzer für die Dauer seines Aufenthalts in Java in eine Art von Prinzen verwandelt, wie es sonst nur im Mährchen geschieht.
Einige Tage später trat ich auf einem bescheidenen Pony meine Reise an, da ich mich nicht für berechtigt hielt, wie ein hoher Beamter zu reisen. Ein junger Mann, der Land und Leute genau zu kennen behauptete, schloss sich mir an, er war sehr zuvorkommend, hatte, während ich in Buitenzorg Ausflüge machte, meine Sachen gepackt undexpedirt und begleitete mich auf der ersten Tagereise. Unterwegs sprach er mehreremal den Wunsch aus, dass ich ein gutes Wort für ihn bei den „Herren Residenten†einlegen möchte, da ihm dies von grossem Nutzen sein könnte. Dies war die erste Wirkung meines Talisman, ich war plötzlich in einen grossen Herrn verwandelt, um dessen Gunst man sich bewarb. Das Ziel meiner Reise war Lembang, wo Junghuhn, der Verfasser des vortrefflichen Werkes über Java, seinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte.
Von Batavia bis Bogor führt die Strasse fast genau nach Süd bis an den Fuss desGunong Salak, der sich zu 6760' erhebt, dann läuft sie an seinem Nordostrand entlang bis Gadok, wo ein Sanatarium unter Leitung eines deutschen Arztes, des auch in Europa wohlbekannten Ornithologen Dr. Bernstein besteht.[55]Bis Gadok hat man den Salak immer zur Rechten, der ganze untere Theil seines Abhanges ist durch Menschenhand in breite Terrassen gegliedert, die sich wie eine Riesentreppe bis zu 2000 Fuss Höhe hinaufziehen; es sind dieSawas, Reisfelder mit erhöhten Rändern, in denen das Gebirgswasser, bevor es die Tiefe erreicht, gezwungen wird einen ausserordentlich vergrösserten Flächenraum zu bewässern und dadurch für den Reisbau nutzbar zu machen. Der Salak erscheint von hier wie eine enorme Pyramide auf einem Unterbau von Sawas. Von der oberen Grenze der Reisfelder bis zum Gipfel ist alles mit dichtem Wald bedeckt. Die terrassenförmigen Sawas (sawa darat) scheinen den Berglandschaften Java's eigenthümlich zu sein; in der grossen nördlichen Alluvialebene und auf den zentralen Tafelländern wird der Reis in flachen mit kleinen Dämmen umgebenen Feldern (sawa dalam) gebaut, wie in vielen andern Reisländern; sie unterscheiden sich, aus der Ferne gesehen, vielleicht nur durch das lebhaftere Grün von unseren Kornfeldern. In Java werden aber auch die Abhänge der Berge zum Reisbau benutzt, indem man sie bis zu grosser Höhe mit künstlichen Teichen umgiebt, die wie die Bänke eines Amphitheaters hinter einander aufsteigen. Sie folgen den Konturen der Berge und bringen dadurch etwas Architektur in die Landschaft, ein Element das sonst in tropischen Bildern fast immer fehlt, wo das Wirken des Menschen so winzig und das der Natur so gewaltig ist. Der Boden eines jeden dieser Teiche ist völlig eben und an der Aussenseite von einem etwa fusshohenDamm eingefasst, der an mehreren Stellen kleine Einschnitte hat, durch welche das Wasser in unzähligen in der Sonne glitzernden Streifen aus den höheren Becken in die tieferen fliesst, wodurch zugleich das Stagniren verhindert wird. Die Art den Boden dieser Becken zu ebnen ist sehr zweckentsprechend: die nach dem Berg zu schräg ansteigende Erde wird mit spitzen Stöcken aufgelockert, dann lässt man den Teich bis an den Rand voll Wasser strömen, die lockere Erde wird zu Schlamm, der sich allmälig absetzt und einen völlig ebenen Boden bildet. Das Berieselungswasser wird entweder unmittelbar von höher liegenden Rinnsalen, oder von seitlich oft ziemlich fern gelegenen Bächen durch künstliche Kanäle (Solokan) auf die Sawas geleitet. Das Wasser führt alljährlich neues fruchtbares Erdreich aus dem Gebirge zu, eine andere Düngung erhalten die Sawas nicht, von denen manche Jahrhunderte lang in ununterbrochener Reihenfolge Ernten liefern sollen.
In der Broschüre Het Rijst[56]ist ein Reisbau-Kalender angeführt, nach welchem der Javane das Jahr in zwölf sehr ungleiche, den verschiedenen Phasen des Reisbaus entsprechende Zeiträume theilt. Danach findet das Verpflanzen der bereits fusshohen, 40–50 Tage alten, in besonderen Beeten gezogenen Sämlinge im März, die Erndte im Juli statt. Da aber in Java die Jahreszeiten nur in Bezug auf die Regenmenge wesentlich von einander abweichen, so sind künstlich bewässerte Sawas von der Jahreszeit fast unabhängig. Daher finden an verschiedenen Orten fast alle auf den Reisbau bezüglichen Verrichtungen gleichzeitig nebeneinander statt; namentlich empfängt der Reisende den Eindruck, als wären die einzelnen Verrichtungen an keine bestimmte Jahreszeit gebunden, da er bald auf grüne, bald auf gelbe Reisfelder blickt, heute pflanzen, morgen ernten sieht. Sawas haben deshalb einen vielfach (nach Crawfurd 5 bis 10fach) höheren Werth als Land, das nicht zu bewässern ist. Ausser in Sawas wird in Java auch Reis (Bergreis) in Gagas und Tegals gebaut. Gagas sind neue Lichtungen, in denen die Bäume nur theilweis gefällt und verbrannt sind. Man stösst an den geeigneten Stellen mittelst eines spitzen Stockes Löcher in den Boden, in welche man je einige Reiskörner wirft und erhält so ohne alle weitere Vorarbeiten nach 4 bis 5 Monaten eine mässige Ernte. Durch weiteres Aufräumen und Verbrennen der Baumstämme und Urbarmachen des Bodens verwandelt man die Gaga in ein Tegal oder Tipar auf dem regelmässigBergreis gebaut wird, oder in eine Sawa falls die Stelle fortdauernd bewässert werden kann. Gagas sind daher der Anfang aller Reiskultur. Die roheren Völker des Archipels haben es kaum bis zu den Gagas gebracht. Von allen Inseln des Archipels hat in Java der Reisbau die höchste Stufe der Vollkommenheit erreicht. Noch jetzt erzeugen nur die fruchtbarsten, zivilisirtesten Inseln — Java, Bali, Lombok und einige der Philippinen — mehr Reis, als sie verzehren. Auf den Molukken fehlt der Reisbau ganz; in Borneo, Celebes, Sumatra und manchen der Philippinen ist er noch äusserst unvollkommen und in demselben Verhältniss stehen auch die Bewohner auf einer tieferen Kulturstufe. Einige bauen Bergreis, doch selten in ausreichender Menge und ersetzen den Ausfall durch bequemer zu erlangende aber noch stickstoffärmere Nahrungsmittel, besonders Knollengewächse und Früchte und Mark von Palmen.
Bei der Reis-Ernte, die auf trockenem Felde stattfindet, da das Wasser schon Wochen vorher abgelassen worden, wird jeder Halm einzeln geschnitten; es wäre ein Frevel eine so köstliche Gabe Gottes weniger rücksichtsvoll zu behandeln. (Eine ähnliche abergläubische Verehrung hat sich in Deutschland in Bezug auf „das liebe Brod†erhalten, während es nicht gerade für sündlich gilt bessere und theurere Nahrungsmittel zu vergeuden.) Der grösste Theil des Halms bleibt auf dem Felde stehen, man lässt nur einen kurzen Stiel an der Aehre. Bei einer so zeitraubenden Art zu ernten ist es nöthig, die ganze Bevölkerung des Dorfs, alt und jung aufzubieten. Der Schnitterlohn ist hoch, er beträgt1/5bis1/10der Ernte. So empfängt jeder einen Antheil auch wer kein Feld besitzt.
Trotz seiner grossen Fruchtbarkeit erzeugt Java nach dem Verfasser von „Het Rijst†nicht hinreichend Reis, um seine Bevölkerung angemessen zu ernähren. Ein grosser Theil, fast1/10geht durch die fehlerhafte Art des Enthülsens mittelst Stampfens in Holzmörsern verloren, wobei sehr viel Körner zerbrochen, die Bruchstücke zermalmt und beim Waschen fortgeführt werden. Die Hauptursachen des Uebels findet er aber in dem gemeinschaftlichen Grundbesitz der Dorfbewohner, im „Kultursystem†und in dem Ausschliessen der europäischen Privatindustrie: drei grosse Uebelstände, und als solche von allen liberalen Beamten anerkannt, aber schwer zu beseitigen, da mit ihnen das ganze jetzt herrschende System fallen würde. Da noch oft vom „Kulturssytem†die Rede sein wird, so dürfte gleich hier eine kurze Beschreibung desselben am Platz sein.
Nach einer kleinen Schrift des ehemaligen General-Guvernörs Duymaer van Twist, betitelt „Artikel 56†war die Grundlage des vom General vanden Bosch eingeführten Kultursystems: Ein Dorf, welches den fünften Theil seiner Reisfelder zum Bau von Produkten für den europäischen Markt hergab, die nicht mehr Arbeit erforderten als der Reisbau, sollte von der Grundsteuer befreit sein. Der durch Taxe festzustellende Mehrwerth des Produkts über die schuldige Grundsteuer sollte einem solchen Dorf zu gut kommen; die Missernten sollten für Rechnung der Regierung sein, in sofern sie nicht durch Mangel an Eifer und Fleiss seitens der Javanen veranlasst waren. Die Bestellung von einem Fünftel des Bodens mit Gewächsen für den europäischen Markt befreite den Javanen von der schuldigen Grundsteuer und der Bauer war seinen Verpflichtungen nachgekommen, wenn er das Gewächs bis zur Reife gebracht hatte; die Arbeit in der Fabrik sollte so viel als möglich durch freie Arbeiter verrichtet werden, v. d. Bosch betrachtete sein System nur als ein Mittel, um die nach dem belgischen Krieg (1830) grosse Finanznoth seines Vaterlandes zu lindern, indem er den Anbau von Kolonialprodukten in Java durch künstliche Mittel ausserordentlich schnell ausbreitete, viel schneller als er sich spontan unter völliger Freiheit, besonders zu einer Zeit entwickelt haben würde, wo der Unternehmungsgeist viel geringer war als gegenwärtig. Aus seinen Schriften geht hervor, dass er seine geniale Schöpfung nur als eine Uebergangsstufe zur Privatindustrie mit freier Arbeit betrachtete; und die Absicht hatte allmälig die einmal eingerichteten Pflanzungen an Privatleute zu verpachten; — und auch dies sollte nur ein Uebergang zum individuellen Grundbesitz und zur Kolonisation durch Europäer sein. Wäre das System genau nach den obigen Grundsätzen durchgeführt worden, so hätte die inländische Bevölkerung wohl zufrieden sein können, denn sie war gewöhnt der an die Stelle der einheimischen Fürsten getretenen, und daher für die Besitzerin des Bodens geltenden Regierung1/5ihrer Ernte und1/5ihrer Zeit als Abgabe für den Niessbrauch des Bodens zu zahlen. Das ursprüngliche System wurde aber allmälig so verändert, dass jetzt noch, nach Duymaer van Twist, die Regierung einfach den Inländern den Boden fortnimmt den sie zur Erzielung von Produkten für den europäischen Markt bedarf, und die ansässige Bevölkerung zwingt, gegen einen von ihr festgesetzten Lohn denselben nach ihren Anordnung zu bebauen. Bei einigen Kulturgegenständen die grössere Sorgfalt in der Bereitung erfordern, nimmt sie die Vermittelung europäischer Privatleute zu Hülfe, denen sie zum Theil Kapital zinsfrei vorschiesst, Frohnarbeiter stellt u. s. w.
Eine natürliche Folge des Kultursystems war, dass alle Privatindustrie wegen der Konkurrenz, die sie dem Regierungsmonopol gemachthaben würde, in der Regel nicht gestattet war, und wo sie ausnahmsweise gestattet wurde, meist nur unter Beschränkungen aller Art und eifersüchtiger Kontrolle der Regierungsbeamten, die mit grosser diskretionärer Gewalt bekleidet, nicht gern unabhängige Europäer neben sich duldeten. — Ein so grossartiges und konsequent durchgeführtes Monopolsystem hat wohl noch nie und nirgends bestanden; um so glänzender ist der Triumph der Freihandelsprinzipien, wenn auch seine praktischen Folgen bisher noch gering waren; denn es hat sich die Thatsache ergeben, dass das System, „das einst bestimmt schien, ganz Java in ein grosses Kulturland zu verwandeln, in dem die ganze Bevölkerung für Rechnung der Regierung gewinnbringende Produkte für den europäischen baute (D. v. T.)â€, auf die Erzeugung der meisten derselben nicht mehr Anwendung findet, weil es nicht lohnend war, dieselben mit Frohnarbeit auf von der Bevölkerung urbar gemachtem Boden selbst unter Aufsicht ebenso fähiger und eifriger als rechtlicher Beamten zu bauen; während gleichzeitig Privatleute, in so weit ihnen überhaupt der Landbau gestattet war, auf gepachtetem Boden mit nach dem Marktpreis bezahlter Arbeit in denselben Zweigen des Ackerbaues, welche sich die Regierung aufzugeben veranlasst sah, glänzende Ergebnisse erzielten. Die Zuckerfabrikanten, die in Folge ihrer Kontrakte Anspruch auf sehr billige Zwangsarbeit hatten, verzichteten in manchen Fällen darauf, weil sie freie Arbeit billiger fanden. Ja die Regierung selbst fand es zuweilen vortheilhaft, diesen Weg einzuschlagen: bei den Wasserbauten in Surabaya kosteten die Erdarbeiten 1 fl. 50 d. per Kubikmeter, bei Zwangsarbeit zu 20 d. Tagelohn, und als man freiwillige Arbeiter zu 30 d. Tagelohn annahm, 0,60 d.; 2 freiwillige Arbeiter leisteten also so viel als 7,5 Zwangsarbeiter (Tijdsch. v. Nederl. Indie 1858, II. 294). Gegenwärtig liegt den holländischen Kammern ein Gesetzentwurf vor, wonach alle Regierungskulturen, mit Ausnahme jedoch des Kaffeebaues, aufgegeben werden sollen. —
WARONGS. JAVA.
Hinter Gadok wird die Gegend immer schöner: einzelne Gruppen Fruchtbäume, von Palmen überragt, erheben sich aus den Reisfeldern und verbergen unter ihrem Laubdach die Desas (Dörfchen), deren aus Bambus zierlich geflochtene Hütten zwischen einem Wohnhaus und einem Korbe die Mitte halten. Jetzt hatten wir das Gedehgebirge, dessen höchster Gipfel 9326' erreicht, gerade vor uns. Es begann zu regnen, wir suchten Schutz in einemWarong; so heissen die Garküchen unter Bambusschuppen, welche man auf allen Landstrassen Javas findet. Die in ihnen feilgebotenen Speisen sind schmackhaft, mannichfaltig und unglaublichbillig. Die Zeche mancher Gäste beträgt nicht über 1 bis 2 Deuten, deren 160 erst einen Gulden ausmachen. Arecanüsse, Betelpfeffer und Tabak fehlen nie im Warong. An Speisen findet man namentlich Reis in den verschiedensten Zubereitungen, getrocknete Fische und Ding-ding d. h. Fleisch von Hirsch oder Büffel, das entfettet, in äusserst dünne Scheiben quer gegen die Muskelfaser geschnitten, mit Salz und Pfeffer bestreut, an der Sonne getrocknet und wie Zwieback gegessen wird; ferner Sambals, sehr pikante, stark gepfefferte Salate. Ausser Thee und Palmensyrup sind zur Erfrischung häufig Kokosnüsse, Bananen, Oranien u. s. w. vorhanden. Ein eigenthümliches Gericht bestand aus1/2Zoll dicken Kuchen von Erdnüssen, katjang-tana, (Arachis hypogaea), auf denen ein zollhoher oranienrother Schimmel wuchs. Die Erdnüsse werden zur Grösse von Gries zermahlen und die daraus gebackenen Kuchen wie die Roquefortkäse so lange in dunkeln, feuchten Räumen aufbewahrt, bis sich der Schimmel gebildet hat, der ihnen erst den so geschätzten Geschmack giebt.[57]
Um die Warongs entfaltet sich fast immer ein buntes Volksleben. Da erholen sich die müden Lastträger unter dem Schatten eines breiten Waringibaumes und tauschen mit den Nachbarn Neuigkeiten aus. Eine besonders willkommene Staffage nach dem langen Aufenthalt in Singapore waren die vielen Frauen. Sie tragen ihre kleinen nackten Kinder rittlings auf der linken Hüfte, unterstützt durch ein über die entgegengesetzte Schulter geschlungenes Tuch, Slendang; bei längeren Märschen hüllen sie dieselben in ein Stück Zeug, das sie tornisterartig auf den Rücken binden, so dass nur Kopf, Arm und Beine herausragen, wie die Glieder einer Schildkröte aus ihrer Schale; naht ein Fremder, so zieht das Kleine auch gleich sein Köpfchen unter das Tuch zurück. Die ärmeren Weiber tragen hier gewöhnlich kein anderes Kleidungsstück als einen einfachen Sarong, der entweder unmittelbar über oder unter der Brust zusammengebunden wird und von da herabhängt. — Starke Brüste werden hier nicht geschätzt. Im Gegensatz zur europäischen Kleidung ist die malayische mehr auf das Beseitigen als das Hervorheben derselben berechnet.
PANGERANGO VOM MEGAMENDONG. JAVA.
Hinter Levimalam gelangt man an den Fuss des Megamendong, der die Grenze zwischen der Residentschaft Buitenzorg und den Preanger Landen bildet. Die Strasse überschreitet ihn mit Verschmähung fast aller Zickzacklinien auf einem Pass von 4620 Fuss. Daher ist dies Joch für Lastwagen nicht übersteigbar; leichte Postchaisen gebrauchen einen Vorspann von 6 Büffeln; der Güter-Transport geschieht durch Lastträger, und wird dadurch so vertheuert, dass er sich auf unentbehrliche Gegenstände beschränken muss. Nur auf grossem Umwege und nicht zu allen Jahreszeiten können die reichen Erzeugnisse des Ackerbaues aus den Preanger Landen Batavia erreichen. Auf schwierigen Gebirgswegen werden sie in Büffelkarren nach Tjikao, an die Grenze der grossen nördlichen Ebene, geschafft, und setzen von dort auf dem durch Aufnahme mehrerer Bäche für Prauen schiffbar gewordenen Tjitarum in einem grossen Bogen und vielen Windungen die Reise bis ins Meer, und dann zur See nach Batavia fort. Da die Transportmittel so unvollkommen und der Boden in den Preanger Regentschaften sehr fruchtbar ist, so sind dort alle Lebensbedürfnisse sehr billig; der Pikul Reis kostet selten mehr als 11/2bis 2 fl.; es herrscht keine sichtbare Noth, aber auch kein Wohlstand, und grosse Einfachheit der Sitten.[58]Ein schmaler kühler Waldweg führt nacheinem nahe gelegenen kleinen See, Telaga-warna, einem alten Kraterbecken. Die steilen Wände sind mit dichtem Wald bekleidet, zwischen den Hochstämmen viele Baumfarne, wilde Musen und Scitamineen. Die alten Bäume sind mit kletternden Farnen, Moosen und blühenden Orchideen bedeckt. Das Wasser ist spiegelglatt, nicht ein Laut ertönt, um das Gefühl der Waldeinsamkeit zu stören. Die Strasse steigt an der Südostseite des Jochs hinab: tiefe Schluchten erlauben häufig einen Einblick in die Struktur des Berges. Es wurde dunkel, bevor wirTjipanaserreichten, nach einer heissen Quelle benannt, die hier in 3390 Fuss Höhe am nördlichen Abhang desPangerangooder Gedeh-Gebirges hervorbricht. Hier steht ein einfaches Landhaus mit einem grossen Garten für den General-Guvernör, der zwar nur selten Zeit hat, die Besitzung zu besuchen; der Garten liefert ihm aber in dieser Meereshöhe unter Leitung eines europäischen Gärtners eine solche Fülle der feinsten europäischen Gemüse für die Tafel, dass immer noch sehr viel für etwa Durchreisende übrig bleibt, die das Glück haben, in der Wohnung des Gärtners Aufnahme zu finden. Heute gelang es nicht. Wir ritten nach dem einen Paal weiter entfernten Padjit, wo einPasanggrahansteht, d. h. ein geräumiges Haus mit Nebengebäuden zur Aufnahme der im Dienste der Regierung reisenden Beamten. In allen grösseren Orten giebt es Gasthäuser, in denen nicht mehr als 5 Gulden für den Tag und die Person gefordert werden darf. An solchen Orten, wo die Frequenz der Reisenden zu gering ist, um die Kosten zu decken, macht die Regierung die nöthigen Zuschüsse; an weniger besuchten Orten, besonders in den Kaffeedistrikten, sind für die kontrolirenden Beamten Pasanggrahans angelegt. Hier traf ich einen mir schon dem Namen nach bekannten deutschen Arzt, der mir für den folgenden Tag einen Platz in seinem Wagen zur Reise nach Tjandjur und Bandong anbot, was dankbar angenommen wurde.
Am folgenden Morgen fuhr ich mit meinem neuen Bekannten, welcher „Officier van Gezondheid†für die Preanger Regentschaften war, vor Tagesanbruch in offenem Wagen vierspännig und von drei Vorreitern begleitet weiter. In Folge des Geräusches, das ein über den Wagen als Sonnendach ausgespanntes Zinkblech verursachte, wurden die Pferde so unlenksam, dass wir, um Zeit zu gewinnen zwei davon ausspannten und zurücksandten. Das Mittel hatte den gewünschten Erfolg. Tjandjur war bald erreicht, wir stiegen im Bungalow des Doktors ab. Während des Frühstücks vertrieben uns zwei zahme Hirsche und zwei Affen die Zeit. Einer der letzteren, ein behender Hylobat, war äusserst drollig und unerschöpflichin Neckereien gegen einen Lotong (Semnopithecus maurus), dem er an Gewandheit sehr überlegen war.
Tjandjur ist die Hauptstadt der Preanger Regentschaften, welche die grösste Provinz Java's bilden und an interessanten geologischen, namentlich vulkanischen Erscheinungen, malerischer Schönheit und schnellem Wechsel zwischen hochkultivirten Ländereien und wilden Gebirgs- und Waldlandschaften von keiner Provinz übertroffen werden. Das ausserordentlich sanfte, liebenswürdige, einfache, biedere Wesen der Bewohner verleiht ihr noch einen ganz besonderen Reiz. Das Verbot des Opiums in dieser Provinz und die Ausschliessung der Chinesen — nur einige sind in den Hauptorten unter der unmittelbaren Aufsicht der europäischen Beamten zugelassen — tragen gewiss wesentlich dazu bei die Sitteneinfachheit aufrecht zu erhalten. Die Provinz fiel den Holländern nicht durch Eroberung, sondern durch Verträge mit den einheimischen Fürsten zu. Als eine Folge davon haben die von ihnen abstammenden Regenten eine etwas unabhängigere Stellung als die in den andern Provinzen, und da sie meistens auch grosse Einkünfte beziehen, so führen sie einen glänzenden Hofstaat, der viele interessante Eigenthümlichkeiten darbietet. Die Bewohner dieser Provinz und des ganzen westlichen Theils von Java sind Sundanesen und haben ihre eigene Sprache. Im östlichen Java wird javanisch gesprochen, an den Küsten malayisch, welches aber auch im Innern so verbreitet ist, dass der Reisende damit ausreicht. Wir machten dem Residenten und übrigen Beamten unsern Besuch. Nachmittags sollte die Umgegend besichtigt werden, was aber wegen heftigen Regens auf den folgenden Tag verschoben wurde.
15. Juli. Morgens 4 Uhr erschien zur Spazierfahrt ein vom Regenten gesandter schöner vierspänniger Wagen mit zwei Livréebedienten vor unserer Thür. Nachmittags machten wir, von mehreren holländischen Beamten begleitet, einen Ritt durch Stadt und Umgegend. Die Häuser der Europäer sind von Stein, einstöckig, geräumig, meist mit einer Säulenhalle versehen, das Erdgeschoss ist nur wenige Fuss über dem Boden erhaben, schöne Gärten umgeben sie. In den von den Eingebornen bewohnten Stadttheilen herrscht nicht nur grosse Sauberkeit, auch Zierlichkeit macht sich überall bemerkbar. Die Wände der Häuschen aus gespaltenen, plattgedrückten, theils weissen, theils schwarz gefärbten Bambusen sind nach hübschen Mustern geflochten. Ein gut im Stande gehaltener Bambuszaun oder eine Hecke von blühenden Sträuchern fasst jedes Gehöft ein.
Die Eingebornen, Männer und Weiber, kauern ehrerbietig nieder, nehmen den Hut ab und verhüllen ihr Gesicht, sobald der Zug naht.Als wir vorgestern von Buitenzorg heraufritten, wichen uns die schwerbeladenen Kulis aus, verliessen den schmalen glattgetretenen Pfad und gingen auf dem kleinen vulkanischen Gerölle, womit die Strasse beschüttet ist bis sie an uns vorüber waren. Wenn einige es nicht gleich von selbst thaten, so verfehlte mein Reisegefährte nicht, ihnen gebieterisch „pinggir†(auf die Seite) entgegenzurufen. Auch schwer beladene Wagen wichen uns aus.
16. Juli, 5 Uhr früh von Tjandjur abgefahren. Die Strasse nach Bandong ist sehr bergig; wo es steil bergauf geht, werden drei Gespann Büffel vorgelegt. Ueber den Tjitarum setzten wir in einer Fähre; der diesseitige Bergabhang war so steil, dass die Pferde ausgespannt werden mussten, der Wagen rollte durch seine eigene Schwere abwärts. Vier und vierzig Menschen, die uns hier erwartet hatten, hemmten ihn vermittels eines langen aus Büffelfell geflochtenen Strickes. Es ging sehr laut dabei zu; den meisten Lärm machten natürlich die kleinen Jungen, die unaufhörlich kommandirten. Um 10 Uhr Vormittags erreichten wir Bandong, wo ich in dem gastlichen Hause des Assistent-Residenten die liebenswürdigste Aufnahme fand. Nachmittags wurde ein geognostisch interessanter und landschaftlich schöner Wasserfall besucht.
Bandong liegt im westlichen Theile der grossen nach ihm benannten, rings von vulkanischen Gebirgen eingeschlossenen 2100–2200 Fuss hohen Ebene, einem der schönsten Gebiete dieser schönen Insel. Der fruchtbare vulkanische Tuff, aus dem der Boden besteht, von den umgebenden Waldbergen reichlich mit Wasser versehen, welches der Fleiss der Bewohner in unzählige Rinnen verbreitet hat, liefert jährlich zwei Reisernten. Hier herrscht ein ewiger Frühling. Am nächsten Morgen ritt ich zu Junghuhn hinauf, der 1400' höher in Lembang am Fuss des Tankubang-prau noch kühler, aber auch feuchter wohnte. Ein Brief von Humboldt verschaffte mir sogleich die herzlichste Aufnahme in dieser sonst nur Wenigen zugänglichen Einsiedelei.[59]Die Thätigkeit des berühmten Naturforschers war jetzt fast ausschliesslich auf die Vermehrung und Akklimatisation der Cinchonapflanzen gerichtet. Hier erneuerte ich auch die Bekanntschaft mit Dr. de Vrij, der als Regierungschemiker sein Laboratorium in Bandong hatte und namentlich mit der Bestimmung der Alkaloide der neu eingeführten Cinchonen und mit der Untersuchung und Ermittelung der den Kulturpflanzen günstigsten Bodenarten beauftragt war.
Reise nach Trogon. — Strassen. — Waringibäume. — Bogenschiessen. — Religion der Javanen. — Vulkan Guntur. — Erdtransport durch Wasser. — Solfataren. — Theebau. — Vulkan Papandayan. — Telaga bodas. — Kaffeebau. — Schattenspiel. — Hirschjagd. — Malayische Küche. — Tänzerinnen in Sumedang. — Gamelang-Musik.
Da der gefällige Arzt, der seit Padjet seinen Wagen mit mir getheilt, grade eine Dienstreise nach Garut vor hatte und mir anbot ihn zu begleiten, so arbeitete Junghuhn für mich einen Reiseplan aus, der sich möglichst an jene Reise anschloss und mir Gelegenheit gab, einige interessante geognostische Excursionen zu machen. Nachmittags kehrten wir nach Bandong zurück.
Unterwegs gingen vor uns einige Frauen mit Sonnenschirmen. Als der uns begleitende Amtsdiener sie gewahrte, rief er „payong!†(Schirm), worauf sie alsbald die Schirme zumachten und in voller Sonne an der Seite des Weges niederkauerten, indem sie ihr Gesicht abwandten. Die Frauen begnügen sich nämlich nicht, wie die Männer mit dem Niederkauern, sondern wenden als einen gesteigerten Ausdruck der Unterwürfigkeit den Europäern den Rücken zu. Die kleinen Jungen machen es wie ihre Mütter und nehmen aus Ehrerbietung eine Stellung an, die, da sie keine Hosen tragen in Europa eher für den Ausdruck des Gegentheils gelten würde.
Abends war in Bandong „Receptieâ€, wobei mir, wie später noch oft bei ähnlichen Gelegenheiten, das elegante Französisch auffiel, welches in den gebildeten Kreisen sehr allgemein zu sein scheint. Deutsch verstehen auch die Meisten, englisch nur sehr Wenige. Auch sind die Engländer wenig beliebt, das Volk nennt sie eine „Natie (spr. nazie) van Zeerooversâ€, doch scheint trotzdem eine grosse gegenseitige Hochachtung zu bestehen, wie sie sich wohl bei so langer zäher Nebenbuhlerschaft entwickeln musste.
18. Juli. Der Blitz hat die Brücke über den Tjigaro zerstört; eine Depesche meldet, dass sie vor eilf nicht hergestellt sein kann; so fahren wir denn erst um 9 Uhr ab. Unsere Reise geht nach Trogon über die ganze Ebene von Bandong. Links treten die sie nördlich einfassenden Berge dicht an die Strasse, rechts breitet sich die grüne Fläche aus, ein ungeheures Reisfeld. In dem Pasanggrahan einer jeden Distriktsstadt stehen Erfrischungen für uns bereit: Thee, Wein, Obst und Gebäck.Der Bedana (Distriktshäuptling) macht die Honneurs des Hauses, darf aber nicht das Zimmer betreten ohne besondere Einladung der Reisenden und darf sich nur setzen, wenn ihm ein Stuhl angeboten wird; sein Gefolge kauert am Boden.
Durch das ganze Land führen schöne fahrbare Strassen, deren erste Anlage man dem Marschal Daendels verdankt, der 1808–11, als Holland eine französische Provinz war, hier schaltete. Sein Gedächtniss wird noch lange in Java fortleben wegen der Energie, Willkür und Grausamkeit, die ihn auszeichneten. Die Javanen nennen ihn tuwan- (Herr) besar- (gross) guntur (Donner).[60]Die Flüsse werden theils auf Fähren, theils auf Brücken überschritten. Letztere sind auf belebten Strassen aus Holz und überdacht, gewöhnlich aber aus Bambus und, wenn auch nicht sehr dauerhaft, doch schnell wiederherzustellen. Reist ein hoher Beamter in wenig besuchten Gegenden, so sind oft Tage vorher hunderte von Menschen thätig, um Wege durch den Wald zu bahnen und Brücken zu schlagen. Ausser der Art wie ein König zu reisen kann man nur noch zu Fuss oder zu Pferde fortkommen. Eilwagen und Omnibus sind mit Ausnahme einiger ganz kurzen Strecken nicht vorhanden.
Mittags erreichten wir Trogon, am SO. Abhang des noch thätigen VulkanesGuntur. Wir stiegen bei dem Kontrolör ab, dessen Haus am Alun-alun liegt, einem grossen viereckigen schön gehaltenen Rasenplatz, wie ihn jeder grössere Ort in Java besitzt. Gewöhnlich stehen auf demselben einige Waringibäume (Ficus benjamina und F. indica), unter deren weitem Schattendach oft ein Trupp Reiter Platz hat. Diese herrlichen Bäume können mit ihrem dichten Laubdach einen ausserordentlich grossen Raum überspannen. Von den horizontalen Aesten gehen Luftwurzeln aus, die wenn sie den Boden erreichen, darin Wurzel schlagen und dann die Funktion selbstständiger Stämme verrichten, obgleich sie immer noch mit der Mutterpflanze zusammenhängen (vergl. S. 13 Rhizophoren); oft verschlingen und verstricken sich viele solcher Luftwurzeln in der Nähe ihres Ursprungs, während sie noch dünn sind und wachsen dann zu einer einzigen sonderbar gewundenen Säule zusammen; auf dieselbe Weise bilden sich zwischen den Säulen Bögen, die um so flacher sind, je entfernter von einander die zu einer solchen Säule verwachsenen Luftwurzeln entsprangen. So entstehen herrliche natürliche Tempel mit Säulengängen, grossen und kleinen Hallen, von einer gewöhnlich sehr regelmässig geformten flachen Laubkuppelüberwölbt. Es ist kein Wunder, wenn die Phantasie der Menschen sie überall zu Wohnungen überirdischer Wesen erkor. Der grösste Waringibaum auf Java soll sich in Bantam befinden; noch viel grössere kommen in Indien vor, wo sie häufig von den Brahmanen als Tempel benutzt werden; überall werden sie in hohen Ehren gehalten.[61]Forbes, Oriental Memoirs I 25 erzählt von einer solchen Feige (F. microcarpa?) an den Ufern des Nerbudda: ... „Hohe Fluthen haben zu verschiedenen Zeiten einen beträchtlichen Theil dieses ausserordentlichen Baumes fortgerissen, aber das was noch steht hat, um die Hauptstämme gemessen, fast 2000 Fuss Umfang. Die überhängenden Zweige, die noch nicht Wurzel geschlagen haben, bedecken einen viel grösseren Raum, darunter wachsen Anonen und andre Fruchtbäume. Es sind an 350 grössere und über 3000 kleinere Stämme vorhanden; ein jeder sendet fortwährend Aeste und herabhängende Wurzeln aus, um neue Stämme zu bilden.... Der Häuptling von Putnah pflegte unter diesem Baum mit grosser Pracht zu lagern; er hatte einen Empfangssaal, Speisesaal, Gesellschaftssaal, Schlafzimmer, Bäder, Küche und alle übrigen Räumlichkeiten, jede in einem besonderen Zelte; dennoch bedeckte dieser herrliche Baum das Ganze zusammen mit den Wagen, Pferden, Kamelen, Wächtern und Dienern; während seine weitreichenden Aeste schattige Stellen boten für die Zelte seiner Freunde mit ihren Dienern und ihrem Vieh; und es ist bekannt, dass der Baum bei dem Marsche eines Heeres 7000 Mann Obdach gewährt hat.â€
Am Alun-alun liegen fast immer die Moschee und die Häuser der ersten inländischen Beamten. Auf einer Seite steht der Bobantjong, eine um mehrere Stufen erhöhte Plattform, unter einem von Säulen getragenen Ziegeldache. Auf dieser Tribüne pflegen die Regenten den Festen und Volksversammlungen beizuwohnen, die in Folge des javanischen Gemeinwesens periodisch auf diesen Plätzen stattfinden. Heute war die Tribüne von einem Musikcorps eingenommen. Von Zeit zu Zeit wechselte die wohlklingende, obgleich etwas einförmige Gamelangmusik mit einem Sängercorps ab, das auf der andern Seite des Platzesim Schatten eines Waringibaumes lagerte. In einiger Entfernung vor unserm Hause sassen einige Häuptlinge behaglich auf dem Rasen, umgeben von ihren Dienern und schossen mit Pfeil und Bogen nach einem sechzig Schritt entfernten Ziel. Die Bogen sind kaum 31/2Fuss lang und werden horizontal gehalten. Viele schiessen gleichzeitig, so dass immer eine Menge Pfeile in der Luft schweben, nur wenige trafen die Scheibe. Sind alle Pfeile verschossen, so laufen kleine Jungen herbei und bringen ihren Herren die an der verschiedenen Farbe der Federn kenntlichen Geschosse zurück. Frauen waren bei dem Feste nicht anwesend.
Gegen Abend besuchten wir eine drei Paal entfernte, in einer Schlucht des Guntur gelegene warme Quelle. Sie ist rings von hohen üppig bewachsenen Felsen umgeben; ein Riesenbaum beschattet sie so wie zwei sehr zierliche Bambus-Tempel, in denen ein Paar fromme Eingeborne ihre Andacht verrichteten. Die Javanen sind sehr oberflächliche Muhamedaner, etwa so wie die Indianer der spanischen Kolonien Christen sind. Der Islam hat bei ihnen keine tiefen Wurzeln geschlagen, neben ihm aber sind grossartige Naturerscheinungen, die einen tiefen Eindruck auf ihr Gemüth machen, Vulkane, warme Quellen, auch Waringibäume, Gegenstände religiöser Verehrung. Sie glauben sie von Geistern bewohnt und bringen ihnen Opfer. Mit wirklicher Innigkeit verehren sie auch Alterthümer aus der Hinduzeit, besonders solche, deren Kunstwerth die Leistungen der heutigen Javanen so unendlich übertrifft, dass sie von ihnen für die Werke höherer Wesen gehalten werden. Von den strengen Muhamedanern unterscheiden sie sich besonders sehr vortheilhaft durch völlige Duldsamkeit; die Frauen gehen unverschleiert und verkehren mit den Fremden so frei wie in Europa.
19. Juli. Um 5 Uhr früh ritt ich von Trogon an der gestern besuchten heissen Quelle vorbei, dann durch ein Bambuswäldchen und noch eine kurze Strecke den Abhang des Guntur hinauf. Der eigentliche Kegel, ein grosser Schutthaufen, kann nur zu Fuss erklommen werden. Der Doktor und der Kontrolör begleiteten mich eine Strecke weit. Eine Schaar Reiter hatte sich angeschlossen und eine noch grössere Menge von Begleitern zu Fuss. Jeder wollte etwas tragen; Einer hatte die Karte, Andere die Hämmer genommen; brauchte man etwas, so war nichts zur Hand. Das sind die Unbequemlichkeiten der Vornehmen.
Mit nur wenigen Begleitern erreichte ich um 91/2Uhr den Gipfel, dessen flach gewölbte Decke aus Sand und Rapilli besteht, und von einem grossen Krater durchbohrt ist. Sehr auffallend trat hier die von Junghuhnso deutlich hervorgehobene Erscheinung der mit dem Kraterrande konzentrischen Risse hervor. Die dem Rande nächsten bildeten bereits eine tiefe senkrechte Kluft, das durch sie abgetrennte Stück Bergwand war nahe daran in den Abgrund zu stürzen. Durch solche Einstürze wird der Krater regelmässig erweitert. Seine Wände sind oben senkrecht, weiter unten durch die hinab stürzenden Schuttmassen trichterförmig. In dem ganzen weiten Kessel ist nicht ein Dike[62]wahrzunehmen, und aus der Abwesenheit derselben, die andere Vulkane wie ein Gerüst durchsetzen und ihnen Festigkeit geben, erklärt sich die hier so prägnant hervortretende Erscheinung des regelmässigen Einstürzens der Wände. Aus allen Spalten, die mit der Entfernung vom Rande immer schmäler werden, drangen heisse Wasserdämpfe mit Chlorwasserstoff hervor; ich schätzte ihre Temperatur auf 40° R. Der Abhang hat 22 bis 24° Neigung; das Hinabsteigen ging schnell und bequem: wir kamen auf einen Streifen losen Gerölles, auf dem man stehend durch seine eigene Schwere hinabrutschte, indem man allmälig tiefer darin einsank; man hatte sich dann nur wieder oben aufzustellen, um auf dieselbe Weise ohne alle Bemühung eine grosse Strecke weiter befördert zu werden.
Nachmittags fuhr ich mit dem Doktor nachGarut, der Residenz des Regenten, und da dieser in Folge eines Missverständnisses nicht anwesend war, Abends nach Trogon zurück. Unterwegs sahen wir eine sinnreiche Verwendung der Wasserkraft, um einen Erdhügel nach einer mehrere tausend Fuss entfernten Stelle zu schaffen. Man hatte einen in der Nähe vorbeifliessenden Bach gegen den Hügel gelenkt, so dass er denselben unterspülte: Büffel traten die überhängende Erde in das Wasser, welches sie weiter führte bis zu der Stelle, wo eine kleine Mulde damit ausgefüllt werden sollte. Dort war ein grosses Gitter von Bambus und Reisig angebracht, welches die Erde wie in einem Sieb zurückhielt, das Wasser durchliess.
20. Juli. Von Trogon ritten wir über Pasir-kiamis, wo in der Nähe des Pasanggrahans eine heisse Schwefelquelle hervorbricht, in südwestlicher Richtung durch herrlichen Hochwald auf einem neugebahnten Pfade nach Kawa-manuk, einer Solfatara in trachytischem Gebirge mitten im üppigsten dichten Walde. Sie soll erst 1772 bei dem Ausbruch des Papandayan entstanden sein. Der ganze Boden ist im Umkreis von ein paar tausend Fuss Durchmesser durch Wasser und heisse Dämpfe unterwühlt.Stösst man ein Loch durch das zersetzte Gestein, so brechen beide mit Gewalt hervor. Man muss durch vorsichtiges Tasten die Stellen aufsuchen, die noch aus hartem Gestein bestehen; denn wer durch die dünne Kruste bräche, würde in dem heissen Schlamm seinen Tod finden. Ich sah vier grössere Becken von 20 bis 30 Fuss Durchmesser, in welchen der dünne, dunkelgraue Schlamm hoch aufbrodelte; zuweilen spritzte er zwei Fuss hoch. In andern Tümpeln war das Wasser bereits verdampft und hatte eine feingeschlämmte Thonmasse zurückgelassen. An unzähligen Stellen brachen Wasser und Wasserdämpfe hervor. Das Wasser enthielt viel Schwefelwasserstoff. Ausser Schwefel, der sich ziemlich reichlich in kleinen Krystallen gebildet hatte, fanden sich nur noch Gyps und Alaun in geringer Menge. Der Trachyt kommt in allen Stufen der Zersetzung bis zum reinen Kaolin vor. Mitten zwischen den kochenden Schlammsprudeln und giftigen Gasen grünten und blühten noch einige Sträucher, darunter einige schöne rothe Rhododendren, während enorme Bäume von Laub und Rinde entkleidet, verdorrt und gebleicht am Boden lagen und ihre Aeste emporstreckten. Den grellsten Kontrast mit dieser Scene der Verwüstung bildete der üppige Wald, der sie dicht umgab.[63]
Als wir in den Pasanggrahan von Pasir-kiamis zurückkehrten, fanden wir ein vortreffliches Mittagessen für uns aufgetragen, eine Aufmerksamkeit des Regenten von Garut, die um so überraschender war, als das Haus tief im Walde liegt. Von hier ritten wir südöstlich bisTjisirupan, auf neuen Bambusbrücken viele Bäche überschreitend, die in westöstlicher Richtung aus dem vulkanischen Waldgebirge in den Tjimanuk eilen, welcher das herrliche Thal von Trogon und Garut bewässert. Der letzte Theil des Weges führt über das untere Ende der Schuttmassen, die sich in einem grossen Bogen bis zum Krater des Papandayan verfolgen lassen. Dieser Vulkan hat in historischer Zeit nur einen, aber einen furchtbaren Ausbruch gehabt. Im Juli 1772 wurde plötzlich ein grosser Theil des bisher kegelförmigen Berges zertrümmert und ungeheure Steinmassen, der Neigung des Bodens folgend, schoben sich bis in das Thal von Garut, vierzig Dörfer verwüstend, und fast 3000 Menschen begrabend.
In Tjisirupan standen muthige Bergpferde bereit, die uns nachTjikatjangbrachten, einer 3770 Fuss hoch, in fast gleicher Entfernung vom Gunong Papandayan und Tjikorai, am südlichen Abhang des sie verbindenden Sattels gelegenen Theepflanzung, wo uns der Vorsteher, ein junger Holländer, auf das zuvorkommendste aufnahm. Von dem Betriebe derselben sahen wir nur wenig, da wir am andern Morgen in Begleitung unseres freundlichen Wirthes den Papandayan besuchten. Der Theestrauch war ganz niedrig und kugelig gehalten, so dass die Pflanzung aus einiger Entfernung wie ein grosses Kohlfeld aussah. Tjikatjang ist eine der grössten Theeplantagen auf Java und beschäftigt gegen 1000 freie Arbeiter, deren Fleiss der Vorsteher sehr lobte.
Die Theekultur ist, ebenso wie die Erzeugung der meisten andern Produkte für den europäischen Markt, von der holländischen Regierung in Java eingeführt worden, und zwar erst seit 1835. Sie bildete einen Zweig des „Kultur-Systems†und der Thee gehörte zu der Klasse vonErzeugnissen, bei welchen, weil seine Herstellung bedeutende Sorgfalt erfordert, die Vermittelung intelligenter Europäer für nöthig erachtet wurde. Die Regierung, die zwar auch selbst Thee baute, wies geeigneten Personen das nöthige Land an, stellte ihnen die erforderlichen Frohnarbeiter zur Verfügung, schoss ihnen Kapital zinsfrei vor, verpflichtete dagegen die Kontrahenten, ihr die Hälfte der Ernte zu einem bestimmten Preis zu liefern, während ihnen über die andre Hälfte freie Verfügung zustand. Die ersten Versuche fielen sehr ungünstig aus, der Thee war von schlechter Beschaffenheit, die Regierung hatte grosse Verluste; die Unternehmer richteten sich meist zu Grunde. 1849 wurden neue Verträge abgeschlossen; die Kontrahenten übernahmen es, den Thee ohne Zwangsarbeiter oder sonstige Hülfe der Regierung zu bauen, wogegen diese sich verpflichtete, das Fabrikat zu einem etwas höheren Preise abzunehmen. Sie glaubte wohl, dass ohne Zwangsarbeit wenig geliefert werden würde, es fand aber das Gegentheil statt; die Kontrahenten, die inzwischen den Betrieb genau kennen gelernt hatten, wussten die Bedingungen gut auszunützen und machten glänzende Geschäfte, so dass eine Theepflanzung zu den gewinnbringendsten Unternehmungen auf Java gehörte. Wie gross der Gewinn gewesen sein muss, lässt sich unter anderm daraus schliessen, dass der Vorsteher der Theepflanzung Tji-katjang, unser Gastfreund, als einige Jahre später, nach dem Tode des Besitzers, der Kontrakt meistbietend versteigert wurde, 600,000 Gulden bot, und dennoch überboten wurde, obgleich der Vertrag nur noch 3 Jahre gültig war. Zur Zeit, als die Kontrakte umgeändert wurden (1849?), erhielt man 319 ℔ Thee per Bau (1 Bau = 500 □Ruthen) zum Bruttowerth von 0,572 Gulden per ℔, 1854 dagegen 548 ℔ zum Werth von 0,821 Gulden d. h. 80% mehr Produkt von 40% höherem Werth.[64]Die Regierung hatte von dem grossen Fortschritt freilich keinen Vortheil, denn da der Preis, den sie dem Fabrikanten in Java zahlte, höher war, als der Marktpreis in Europa, trotz der hinzugekommenen Spesen, so wurde ihr das ganze Fabrikat abgeliefert, und ihr Verlust war um so grösser, je besser die Ernte ausfiel. Die vor Kurzem erloschenen Verträge sind daher nicht wieder erneuert worden.[65]
Der anfänglich sehr schlechte Javathee hat sich durch Verbesserung der Kultur und Fabrikation sehr gehoben, sein Hauptmarkt ist Holland und Ostfriesland, er ist herber und stärker als Chinathee und steht in dieser Beziehung dem Assamthee näher, ohne ihm jedoch an Wohlgeschmack gleichzukommen. Nach dem Urtheil Sachverständiger wird er wohl im Stande sein, nach Aufhören der Kontrakte seinen Platz auf dem Markt zu behaupten und wahrscheinlich an Güte gewinnen, da das Publikum nur nach dem wirklichen Werth, nicht nach einem mehr oder weniger genau umschriebenen Schema zahlt.
Obgleich ich von der Bereitung des Thees nur einzelne Hantirungen mit ansah, so möchte ich dennoch eine kurze Beschreibung des ganzen Verfahrens geben, da es wohl nur wenig bekannt und das Produkt von so grosser Wichtigkeit ist. Ich folge dabei einem ausführlichen Aufsatze in der Natuurkundg. Tydsch, VII. 296.
Bei der Theefabrikation sind nur wenige Chinesen beschäftigt, in manchen Fabriken gar keine, in den meisten zwei bis drei Individuen, die aber dann nur in der Fabrik, nicht in der Pflanzung, thätig sind. Etwa 35 Tage nach dem Beschneiden der Sträuche, früher oder später,je nach dem Klima, beginnt das Pflücken der Blätter, von denen sich 6–7 an den jungen Trieben befinden. Die Pflücker der Spitzen kneifen die Spitze des Zweiges, die Blattknospe sammt dem äussersten kaum hervorgetretenen Blättchen ab; ihnen folgen die Pflücker der „Feinblätterâ€, die den grünen Zweig unter dem dritten Blatt abkneifen, also das zweite und dritte Blatt sammt Blattstiel sammeln; dann folgen die Pflücker der Mittelblätter, die unter dem fünften Blatt abkneifen, mithin das vierte und fünfte Blatt sammt Blattstiel nehmen; ist das sechste und siebente Blatt zart genug, um verwendet zu werden, so werden sie dergestalt abgerissen, dass ein kleines Stückchen davon am Zweig sitzen bleibt; dies geschieht, um die in den Achseln sitzenden Knospen zu schonen, aus denen sich Zweige für die nächste Ernte entwickeln sollen. Die eben beschriebene Art des Pflückens gilt nur für schwarzen Thee. Zum grünen Thee wird die Blattspitze wie zum schwarzen Thee abgekniffen, die übrigen Blätter aber werden ohne Blattstiel abgenommen, wie oben bei dem sechsten Blatt; der grüne Thee enthält also keine Blattstiele.[66]
Zur Bereitung des schwarzen Thees werden die eben gepflückten Blätter in ziemlich dünnen Schichten der Sonne ausgesetzt; sehr günstig ist es, wenn dabei ein leiser Wind weht. Die Blätter werden mehrere Male umgewendet und durch einander geschüttet. Nach höchstens 30 Minuten, je nach dem Wetter und der Temperatur, sind die Blätter ganz weich und bräunlich von Farbe, sie werden dann unter Dach gebracht; säumt man damit, so färben sie sich röthlich, ein Zeichen, dass sie an Güte verloren haben. In dem von einem Bambusgitter umgebenen Schuppen werden die Blätter in Haufen aufgeschüttet, es tritt Erhitzung und Gährung ein; sobald diese einen gewissen Grad erreicht haben, gewöhnlich nach1/2-3/4Stunden, werden die Blätter ausgebreitet und dann von neuem gehäufelt, dies wird vier- bis sechsmal wiederholt; sie müssen dann eine gleichmässige bräunliche Farbe haben; an Stelle des früheren Grasgeruchs zeigt sich schon Theegeruch.
In kleinen Mengen bringt man nun die Blätter in eingemauerte eiserne Pfannen, die so erhitzt werden, dass nur durch Gewohnheit abgehärtete Arbeiter im Stande sind, sie fortwährend mit der Hand darinumzurühren, um das Versengen zu verhindern. Die durch Entwickelung von Wasserdampf allmälig ganz feucht und weich gewordenen Blätter werden dann auf einen Tisch geworfen und geknetet: man nimmt deren so viel, als man mit beiden Händen fassen kann, und rollt sie zu einer Kugel zusammen, die aber mehrere male wieder aus einander gerüttelt wird, damit die Blätter sich nicht zu fest zusammenballen. Nach diesem ersten Kneten bleiben sie1/2Stunde in dünnen Lagen ausgebreitet liegen, worauf sie abermals in der Pfanne erwärmt und wiederum geknetet werden. Diesmal werden sie aber nicht wieder auseinander geschüttet, sondern zu Kugeln zusammengeballt, die sich mit zwei Händen bequem umfassen lassen, und in Körben über Kohlenfeuer getrocknet. Der Grasgeruch ist nun völlig durch das eigentliche Theearoma ersetzt worden; der schwarze Thee ist fertig bis auf das Sortiren, Sieben, Trocknen, Verpacken u. s. w.
Zur Bereitung des grünen Thees werden die frisch gepflückten Blätter unmittelbar und so schnell als möglich in die angeheizten Pfannen gebracht. Man lässt die Arbeiter nicht zu viel auf einmal pflücken, weil die Blätter sonst leicht eine bräunliche Färbung annehmen. Nachdem sie 2–3 Minuten in der Pfanne umgerührt worden, wobei sie knistern und knattern, werden sie schnell, damit sie nicht anbrennen, auf den Tisch gebracht und geknetet; da sie nicht vorher an der Luft getrocknet waren, so werden sie dabei so nass, dass die Feuchtigkeit abläuft. Die Menge der Blätter, die man auf einmal kneten, aber nicht auf einmal mit den Händen umfassen kann, wird gedrittheilt, um sie auszupressen; aus jedem Drittheil formt man eine Kugel, die so fest ausgedrückt wird, dass der grüne Saft in einem Strahl herausspritzt. Manche spülen auch diese Kugeln in kaltem Wasser ab und pressen sie nochmals aus, um die adstringirenden Eigenschaften zu mildern. Im Uebrigen weicht die Bereitung des grünen Thees nur noch darin von der des schwarzen ab, dass man jenen statt zweimal, fünfmal in die heisse Pfanne bringt und nach jedemmal von neuem knetet, aber nicht mehr auspresst; er wird also viel langsamer trocken, als der schwarze; andern Falls würde er seine frische, grüne Farbe verlieren. Nach dem vierten Erhitzen in der Pfanne enthält er nur noch wenig Feuchtigkeit und hat eine etwas schwärzliche Farbe; die schöne bläulich grüne Farbe nimmt er bei der fünften Erhitzung in einer nicht horizontal, sondern schräg eingemauerten Pfanne an, wobei er1/2Stunde lang kräftig und schnell umgerührt wird. Er ist dann völlig trocken. Die Spitzen der Zweige, welche auch bei dem grünen Thee die feinste Sorte geben,werden stärker ausgepresst als die andern Blätter, gewöhnlich auch mehrere male in reinem Wasser abgespült. Sie werden auch, wenn sie zart und klebrig genug sind, zwischen Daum und Zeigefinger zusammengerollt, und geben dann den „Gunpowdertheeâ€. Das Adstringirende, das den frischen Blättern zum Theil entzogen werden muss, um sie geniessbar zu machen, wird also bei der Bereitung des schwarzen Thees durch Gährung, bei der des grünen Thees durch Auspressen und Auswaschen entfernt.
Am nächsten Morgen ritten wir den sanften Abhang des gestern erwähnten Schuttberges hinauf bis in den Krater des Papandayan. An einer Stelle, die die Inländer Luput nennen, konnten wir eine grosse Strecke weit eine natürliche Treppe benutzen. Es fliesst an dieser Stelle über die Schuttmassen ein inkrustirender sehr eisenhaltiger Bach. Die von dem angrenzenden Wald herabfallenden Blätter und Zweige werden von dem Wasser eine kurze Strecke weiter bewegt, wobei sie wegen der vielen Hindernisse immer eine Richtung quer gegen den Strom annehmen; so entsteht eine Reihenfolge kleiner Dämme, die von dem darüber hinfliessenden Wasser durch eine Sinterkruste zu einer Treppe verbunden werden. Schon ehe man die grosse Kraterkluft erreicht, brechen an vielen Stellen heisse Quellen hervor, die chemische Thätigkeit nimmt immer mehr zu und oben befindet man sich in einer Solfatara von wahrhaft riesigen Dimensionen, eingefasst von mehrere hundert Fuss hohen senkrechten Wänden weissgebleichten Gesteines, das in deutliche Bänke gesondert ist. Der Boden der ungeheuren Kraterschlucht ist überall mit sublimirtem Schwefel überzogen. An vielen Stellen sind grosse Massen desselben in kleinen Krystallen angehäuft, an andern Stellen sind sie zu braungelben Krusten zusammengeschmolzen, die zuweilen einen Fuss Dicke erreichen. Auch die grossen Trachytblöcke, die jetzt frei auf dem Boden liegen, sind mehr oder weniger zersetzt, auf allen Kluftflächen mit kleinen Schwefelkrystallen bekleidet und lassen vermuthen, dass sie früher relativ tiefer lagen, und dass ein grosser Theil der zu feinem Schlamm zersetzten Kratersohle durch den Regen fortgeschwemmt worden ist.
Ein grosser Schuttwall zieht sich im Hintergrund quer von einer Seite zur andern; man glaubt am Ende der Kraterschlucht zu stehen; hat man aber den oberen Rand des Walles erstiegen, so sieht man jenseits alle bereits angeführten Erscheinungen sich in noch grösserem Maasstabe wiederholen. Im Hintergrunde erblickt man wieder einen Schuttwall, der diesen Theil der Kluft begrenzt und hinter diesem wieder andere,und in jedem höher liegenden Felde der ungeheuren Solfatara nimmt die chemische Thätigkeit zu. Gegen das Ende der Kluft sah ich eine Erscheinung, die mir noch in keiner Solfatara vorgekommen war. Der Boden war mehrere hundert Fuss im Quadrat mit maulwurfartigen Hügeln bedeckt, die durch gewölbte Rippen zu einem ziemlich regelmässigen Netz mit einander verbunden waren. Beim Aufschlagen einer solchen Rippe fand sich die etwa1/2Zoll dicke Decke mit Schwefelkrystallen dicht bekleidet. Wahrscheinlich war die Kruste der Kratersohle an vielen Stellen durch die Gewalt komprimirter Dämpfe sternförmig zerborsten, so dass eine Art von Netz entstand; wenn sich dann eine Schlammmasse darüber ausbreitete, und durch Verdampfen allmälig plastisch wurde, so können die aus den Spalten heraufdringenden Wasser- und Schwefelwasserstoff-Dämpfe wohl im Stande gewesen sein dergleichen hohle Rippen zu bilden und sie mit Schwefelkrystallen auszufüttern. An manchen Stellen brach der Wasserdampf mit solcher Gewalt aus dem Boden hervor, dass nussgrosse Steine im Dampfstrahle auf- und abtanzten. Kochende Schlammpfützen wie in der Kawa-manuk waren in Menge vorhanden und der Boden in ihrer Nähe ebenso gefährlich zu betreten. Nach Junghuhn liegt der oberste Theil der Kraterkluft 6600' hoch und wird im Halbkreis von 700–800' hohen Wänden überragt. Vor dem grossen Ausbruch, durch welchen die Schlucht entstand, bildete der Berg einen geschlossenen flachen Kegel.
Wir ritten nach Tjisirupan zurück, wo wir uns von unserm Begleiter verabschiedeten und fuhren über Trogon nach Garut, überall von Gamelangmusik begrüsst. Der Regent war schon nach Wanaradja vorausgegangen, wo er uns nach dem ursprünglichen Reiseplan erwartete. Da der Doktor aber heute noch in Garut zu thun hatte, so blieben wir die Nacht im Pasanggrahan. Während wir in der Veranda Thee tranken, tanzten vor uns auf dem Alun-alun einige Rongengs. Der Tanz war nicht ungraziös, aber der begleitende Gesang zu gellend. Eine grosse Schaar inländischer Zuschauer hatte sich eingefunden; sie sahen mit lebhaftem Interesse zu; zuweilen nahmen auch Einige an dem Tanze Theil, wofür sie einige Deuten an die Tänzerin zu entrichten hatten. Als wir zu Bette gingen, liess der Bedana Tanz und Musik plötzlich aufhören, und Alles musste nach Hause gehen.[67]
22. Juli. Wir fuhren auf der linken Seite des Tjimanuk durch das reiche Thal von Trogon-Garut nach Wanaradja, wo uns der inländische Fürst mit einem Frühstück im Pasanggrahan erwartete. Dies war das niedlichste Dörfchen, das ich bisher gesehen. Es besteht ganz aus Bambus, die einzelnen Häuschen sind nach den zierlichsten Mustern aus schwarzen und weissen Bambusstreifen geflochten; die Scheunen, Einzäunungen und Aussenhäuschen so klein und so gefällig, dass das Ganze fast wie hübsches Spielzeug aussieht. Nach dem Frühstück ritten wir auf schönen muthigen Pferden des Regenten, die viel arabisches Blut enthielten, nach dem auf dem Kamm der östlichen Thalwand gelegenen „Weissen See†(telaga bodas.) Auf bequemer Strasse, die abwechselnd durch Wald- und Kaffeegärten führte, erreichten wir das westliche Ufer des fast kreisrunden Wasserbeckens. Das perlweisse Wasser sticht eigenthümlich gegen den üppigen Wald ab, der es umsäumt. Die Farbe erhält es von dem darin suspendirten feinen Thonschlamm, den die Thätigkeit der Solfataren am Seeboden und am jenseitigen Ufer durch Zersetzung des Gesteins ihm zuführt. Auf einer mit einem Sonnendach versehenen, bereit stehenden Fähre gelangten wir an das jenseitige Ufer. An vielen Stellen des Sees brodelte das Wasser auf und verrieth durch den Schwefelwasserstoffgeruch die vulkanische Thätigkeit auf seinem Boden. Ich übergehe hier die vulkanischen Phänomene, die im Wesentlichen eine, obgleich viel schwächere, Wiederholung der in der Kawa-manuk und am Papandayan beschriebenen sind und für die meisten der Leser kein Interesse haben. Noch schöner als der Ritt, der uns in den Wald hineingeführt hatte, war der Rückweg, der bei jeder Wendung eine andere Aussicht über das vom Guntur, Papandayan und Tjikorai begrenzte Thal des Tjimanuk gewährt. Es ist ungemein fruchtbar und reich bebaut. Auf den Reisfeldern heben sich zahlreiche Haine von Fruchtbäumen, die je ein Dörfchen verbergen, dunkelgrün ab. Viele Paal weit ritten wir durch Kaffeegärten, welche in dieser Meereshöhe (2000 bis 4000') besonders gedeihen. Diese Höhenzone ist auf Java für den Europäer ein ungemein reizvoller Aufenthalt, das Klima ein ewiger Frühling. Der Wald zeigt sich hier in seiner ganzen tropischen Pracht, mehr noch als in der tieferen Zone. Zwar treten die Palmen schon merklich zurück; von den kultivirten ist nur noch die Arengpalme (Saguerus saccharifer Bl.) häufig, aber die Calamusarten kommen hier erst rechtzur Entfaltung und durchziehen zugleich mit riesigen Lianen, deren einige schenkeldick werden, nach allen Richtungen den Wald, die höchsten Stämme umwickelnd, oder wie grosse Taue von Baum zu Baum gespannt. Zierliche kleine Areca- und Pinangapalmen, oft mit schön gefärbtem Stamm und glänzend rother Fruchttraube und Baumfarne, die bis 40' Höhe erreichen, treten hier zuerst auf und verleihen dem Walde einen neuen Reiz. In dieser Zone wachsen auch die Rasamala (Altingia liquidambar), Riesenbäume, deren Höhe nach Junghuhn's, an gefällten, unter den höchsten ausgewählten, Individuen angestellten Messungen bis 180' erreicht, während ihre durchschnittliche Höhe 150' beträgt. Der Waldboden ist mit einem Teppich von Lycopodien, Farnen und Kräutern bedeckt, auf welchem sich wilde Musen, Scitamineen, Alsophilen und Ardisien erheben. Wohl keine Zone reizt den Sammeleifer des Gärtners in höherem Maasse; die Aeste sitzen voll Orchideen, epiphytischer Farne und Schmarotzer; hier findet sich Alles, was den Treibhäusern schon einzeln zum höchsten Schmuck gereicht, in grösster Fülle beisammen.
Wo der Wald zur Anlegung von Kaffeepflanzungen gelichtet, ist es nicht minder schön. Breite, mit dichtem Grase bewachsene Strassen führen durch dieselben und sind zu beiden Seiten mit Hecken blüthenreicher Sträucher eingefasst. Heute ritten wir wohl eine deutsche Meile weit durch eine solche Pflanzung, deren Saum zu beiden Seiten des Weges aus üppig blühenden Rosenhecken bestand. Die Kaffeesträucher tragen zwar das ganze Jahr hindurch Blüthen und Früchte, die eigentliche Blüthezeit fällt aber in den Herbst. Jetzt sassen Knospen in den Blattachseln, in kleinen Büscheln zusammen, so dass die schlanken, herabhängenden, mit glänzend dunkelgrünen, gegenständigen Blättern dicht besetzten Zweige, wenn sie blühen, längs der Mittellinie mit einem weissen Streifen wohlriechender Blümchen besetzt sein müssen. Ueber den Kaffeesträuchern schwebt in 30–40 Fuss Höhe ein leichtes, durchsichtiges Laubdach von Erythrinen, die mit den jungen Kaffeesträuchern zugleich gepflanzt werden, um ihnen Schatten zu geben, aber viel schneller wachsen. So hat man zur Blüthezeit ein von scharlachrothen Blumen durchwirktes Laubdach über einem weissen Blüthenwald. Wenige Tage nach der Blüthe setzt die Frucht an, in sechs Monaten ist sie reif, sie gleicht dann einer dunkelrothen Kirsche, ist aber etwas länglicher. Innerhalb der süsslichen, fleischigen Hülle sitzen 2 Kaffeebohnen,[68]jede von einer dünnen, zähen, pergamentartigen Haut fest umschlossen, mit denflachen Seiten gegen einander; es sind die Samen, die längliche Vertiefung in der Mitte der flachen Seite enthält den Keim. Nach der Ernte werden zuerst die eingesammelten Beeren auf flachen Hürden an der Sonne getrocknet. Um sie gegen Regen und den nächtlichen Thau zu schützen, müssen sie unter Dach gebracht werden; oft geht den Bauern bei lange anhaltendem Regenwetter die ganze Ernte verloren, da Bohnen, die durch Nässe schwarz oder unansehnlich geworden, im Packhaus nicht angenommen werden. Ist nach 5–6 Wochen die Hülle trocken, so wird sie durch Stampfen in mit Büffelfell ausgefütterten Gruben oder in hölzernen Mörsern abgelöst. Durch abermaliges Stampfen werden die aufs neue getrockneten Bohnen von der Pergamenthaut befreit, eine Arbeit, die viel Vorsicht verlangt, da zerstossene Bohnen einen grossen Theil ihres Werthes verlieren.
Zur Anlage einer Kaffeepflanzung wird zuerst der Wald gelichtet; da der Kaffeestrauch aber Schatten liebt, so lässt man zuweilen eine genügende Anzahl Bäume stehen und pflanzt zwischen den grossen auf dem Boden liegenden Stämmen, die zu schwer für den Transport, dem Vermodern preisgegeben werden. Das Erzeugniss dieser etwas rohen Kulturmethode, die mit dem Reisbau in Gagas (S. 133) verglichen werden kann, ist in Java als Waldkaffee bekannt. Gewöhnlich aber wird der ganze Wald gefällt; die Stämme werden fortgeschafft oder verbrannt, die Wurzeln ausgegraben, eine schwere Arbeit, die viele Hände und die Anwendung des Büffels erfordert. Steiniger Untergrund muss vermieden werden, weil die Pfahlwurzeln sonst nicht in die Tiefe dringen können, und schon ganze Pflanzungen aus dieser Ursache zu Grunde gegangen sind. In den gesäuberten Boden pflanzt man in 8–12 Fuss Abstand die in besonderen Saatbeeten erzogenen oder aus abgefallenen Früchten entsprossenen 12–15 Zoll hohen Sämlinge. Die besten Pflanzen sollen aus dem vom Musang (Paradoxurus musanga) ausgeworfenen Samen spriessen.[69]In der Regel, namentlich in weniger als 2500' hoch gelegenen Pflanzungen, werden die gefällten Waldbäume durch besondere Schatten gebende Bäume, gewöhnlich Dadap (Erythrina sp. div.), ersetzt, die so gepflanzt werden, dass jeder Kaffeestrauch zwischen 4 Schattenbäumen steht, daher der Name Dadapkaffee zum Unterschied von Waldkaffee.Die Pflanzungen müssen besonders in den beiden ersten Jahren sorgfältig gejätet, die Bäume von schädlichen Schmarotzerpflanzen und Thieren gesäubert werden. Auch Erdarbeiten sind nöthig, um das Fortschwemmen des fruchtbaren Bodens durch die heftigen tropischen Regen an den Bergabhängen zu verhindern. Kunstgemässes Beschneiden der Zweige, worauf in Westindien so viel Sorgfalt verwendet wird, weil es den Ertrag sehr vermehrt, findet in Java bei den Regierungspflanzungen nicht statt. Im dritten Jahre trägt der Baum die ersten Früchte, im vierten giebt er eine volle Ernte, nach 12–14 Jahren ist der Ertrag so gering, dass er die Mühe des Pflückens nicht mehr lohnt; der Boden ist erschöpft, die Pflanzung wird verlassen und „abgeschriebenâ€. Um den Ausfall zu decken, müssen daher die Beamten Sorge tragen, fortwährend neue Pflanzungen anzulegen; ein Zuwachs derselben hat aber in den letzten 20 Jahren nicht stattgefunden.[70]Früher wurden die abgeschriebenen Kaffeegärten der inländischen Bevölkerung überlassen, die Regierung fürchtete aber, dass es mit der Zeit an passenden Ländereien mangeln würde, und lässt jetzt die verlassenen Pflanzungen brachliegen, damit sie sich wieder erholen, d. h. damit durch allmälige Verwitterung des Bodens wieder zur Erzeugung von Kaffeebohnen erforderliche Salze in hinreichender Menge löslich werden. Man nimmt dazu im günstigsten Falle 10 Jahre an, so dass nach dem jetzt bestehenden System ein wenigstens 10 mal so grosser Flächenraum, als wirklich in Produktion ist, zur Verfügung gehalten werden muss. Für Privatpflanzer, die nicht unumschränkt über Arbeitskräfte und Grund und Boden verfügen können, ist ein solcher fortwährender Wechsel unausführbar. Sie düngen daher den Boden, wie in vielen andern Kolonien, und ernten durchschnittlich von alten und jungen Bäumen zusammen je 1 ℔, während die Regierung trotz des Wechselns nur1/2â„” erhält.[71]Der mittlere Ertrag stehtaber in Java weit unter demjenigen anderer Kaffeeländer, wo man 2, ja 3 und 4 ℔ trockener, gereinigter Bohnen von jedem Baum erntet. Um so auffallender erscheint es, dass gerade in Java der Kaffeebaum so ausserordentlich vermehrt worden ist, dass auf dieser Insel, wenn man die abgeschriebenen mitrechnet, vielleicht mehr Kaffeebäume vorhanden sind, als in allen übrigen Kaffeeländern zusammen.
Nächst dem Reis, der das Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung ausmacht, hat keine andre Pflanze für Java eine so grosse Wichtigkeit, als der Kaffeestrauch, dessen Kultur mit den dortigen Zuständen in inniger Wechselbeziehung steht. Java war eine der ersten Kolonien, in welche die in Mittel-Afrika einheimische, obgleich Coffea arabica genannte Pflanze eingeführt wurde (1696); von Java verbreitete sich der Kaffeestrauch über Amsterdam (1706) nach Surinam (1719), Westindien (1722), und von dort nach Bourbon.[72]— 1795 lieferte Java 18,600,000 ℔ Kaffee und der Gewinn an diesem Artikel war schon damals die Haupteinnahme der alten Kompanie. Als Marschal Daendels Guvernör war (1808–11), dehnte er, um die Einkünfte der Kolonie schnell zu vermehren, den Kaffeebau mit der ihm eigenen Energie aus, und pflanzte 45,700,000 Sträucher, wodurch er ihre Gesammtzahl auf 72,669,860 brachte. Der gehoffte finanzielle Erfolg trat aber nicht ein: 1811 eroberten die Engländer Java, dessen durch die Kontinentalsperrevom europäischen Festland ausgeschlossener Kaffee fast werthlos wurde, so dass viele Pflanzungen wieder eingingen. Raffles, der englische Guvernör und derselbe der später Singapore gründete, hob die Zwangsarbeit und die gezwungenen Lieferungen auf und setzte eine Grundsteuer an die Stelle, was er vielleicht nicht gethan haben würde, wenn die gezwungenen Kaffeelieferungen eine bedeutende Einnahmequelle für die Regierung gewesen wären. Als 1816 die Holländer zurückkehrten, „verpachteten†sie die vorhandenen Kaffeegärten an die Dorfgemeinden gegen eine Abgabe, die 36–531/3% vom mittleren Ertrag der Pflanzung gleichkam; über den Rest durfte der Bauer frei verfügen, und konnte ihn auch für einen feststehenden Preis der Regierung überlassen. Da letztere aber auf diese Weise nicht genug Kaffee erhielt, so verbot sie später allen Europäern, Kaffee zu kaufen, und liess es geschehen, dass ihre Beamten, um die Produktion zu vermehren, allerlei Zwangsmassregeln anwendeten, so dass allmälig von der freien Arbeit und freien Verfügung nichts übrig blieb als der Name. — 1832 wurde das Kultursystem eingeführt, wodurch die Kaffeeproduktion schnell vermehrt und gänzlich in die Hände der Regierung gebracht wurde. Jede Familie eines Bergdorfes musste binnen 4 Jahren 600 Kaffeebäume pflanzen und unterhalten und2/5der Ernte an die Regierung als Grundsteuer,3/5„zum Marktpreis†liefern. Da es gewiss sehr schwierig ist, bei gezwungenen Lieferungen einen Marktpreis zu ermitteln, so machte die Regierung im Februar 1833 bekannt, dass sie selbst den Marktpreis jährlich bestimmen würde. Der von ihr festgesetzte Preis wurde bis 1844 beibehalten, 1845 ermässigt und 1858 in eine „Belohnung†verwandelt, die nach dem Beschluss der holländischen Kammern (Gesetz vom 2. Sept. 1854, Art. 56) „dem bei den Regierungskulturen beschäftigten Eingebornen bei gleicher Arbeit wenigstens gleichen Gewinn, als bei freier Kultur, gewähren sollte.†In Folge dieser offenbar im Interesse der inländischen Bevölkerung erlassenen Bestimmung und trotz des höheren Werthes des Kaffee erhielt der Bauer nun 9,20 Gulden per Pikul, d. h. 0,80 Gulden weniger als 1833 und 0,87 Gulden mehr als seit 1844. Der mittlere Marktpreis betrug damals in Java 28,73 Gulden per Pikul, so dass dem Bauer bei freiem Verfügungsrecht nach Abzug von2/5Grundsteuer noch immer 17,23 Gulden geblieben wären, wovon er indessen den Transport bis zum Hafen zu zahlen gehabt hätte. Dafür muss die inländische Bevölkerungdie Kaffeepflanzungen nach Anweisung der Regierungsbeamten, die gewöhnlich keine praktische landwirthschaftliche Kenntnisse besitzen, oft sehr fern von ihren Dörfern anlegen und unterhalten. Sie müssen sich auf eigene Kosten verpflegen, ihr Haus und Feld steht während der Zeit verlassen. Das Risiko, ob die schwere Arbeit nach 4 Jahren durch volle Ernten lohnen wird, ist nicht für Rechnung der Regierung, welche die Befehle ertheilt, sondern für Rechnung der Bevölkerung, welche sie ausführt. — Kein Kaffee, keine Bezahlung; die Arbeit war dann vergeblich; der Regierung entgeht nur der Gewinn, den sie am Kaffee gemacht haben würde. Es werden jährlich Hunderttausende von Bäumen gepflanzt, die nie Früchte tragen und der Bevölkerung nicht den geringsten Lohn einbringen. Kein Wunder, wenn der Eifer bei diesen Arbeiten nicht gross ist.