Sechstes Kapitel.

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Wie bei der Kaffeekultur bestimmt die Regierung die Lokalität auf welcher die Eingebornen Indigo bauen müssen, das Risiko ist für Rechnung der letzteren; erst für das fertige Produkt erhalten sie einen Preis, der im Verhältniss zur gelieferten Arbeit so gering ist, dass der Kolonialminister v. Rochussen es sich den Kammern gegenüber zum Verdienste anrechnete, den Indigobau als zu drückend für die Bevölkerung und zu unvortheilhaft für den Staat, sehr eingeschränkt zu haben. Es ist höchst interessant und erfreulich, dass während derselben Zeit, wo die Zwangskultur so traurige Ergebnisse lieferte, der Indigobau in Jokjo auf gepachtetem Grund und Boden, durch freie Arbeit unter unmittelbarer Leitung von Unternehmern die für eigene Rechnung arbeiteten, die glänzendsten Resultate ergab.[97]Auch hierbei stellte sich wieder die so oft bestrittene Thatsache heraus, dass der Javane bei angemessenem Lohn gern arbeitet, und dass der Pächter über so viele Hände verfügen kann als er braucht. Die Regierung schreibt ihren schlechten Erfolg dem Umstand zu, dass die Pflanze den Boden aussaugt (wie bei dem Kaffeebau), die Privatunternehmer finden aber jeden Boden geeignet, behandeln ihn je nach seiner Beschaffenheit, melioriren und düngen ihn entsprechend.

Am folgenden Morgen begleitete mich mein lieber Gastfreund nachImogiri, dem nahegelegenen Begräbnissplatz der fürstlichen Familien von Jokjokarta und Surakarta. Auf angeblich 360 unbequem hohen Backsteinstufen steigt man in gerader Richtung den steilen Abhang eines Hügels hinan, dessen von mehreren Umfangsmauern umschlossene Kuppe die schmucklosen Grabsteine einer Anzahl bis auf ein oder zwei Ausnahmen unbedeutender Personen aus fürstlichem Geblüt enthält — theils im Freien, theils in hölzernen Schuppen. In etwa3/4der Höhe sendet die Treppe rechtwinklig zwei Seitenarme aus, und wiederholt dies, nachdem sie unter dichtem Laubdach ein kleines künstliches Wasserbecken überschritten, in kurzen Zwischenräumen. Diese Seitengänge werden durch mehrere der Haupttreppe parallel laufende Gänge geschnitten, die den Unebenheiten des Terrains entsprechend, bald flach, bald durch Reihen von Stufen unterbrochen, verlaufen, und eine Anzahl viereckiger Räume von verschiedener Grösse, in verschiedenen Niveaus umschliessen, in denen Ziersträucher und viele Gewürzbäume und Oranien mit Sorgfalt kultivirt werden.[98]Das schon 100 Jahr alte Mauerwerk ist an vielen Stellen zerfallen; dicht belaubte Feigenbäume haben sich darauf angesiedelt. So entstehen eine Menge allerliebster Plätzchen. Man kann sich kaum eine passendere Lokalität für eine Picknickpartie wünschen.

Nach einem herzlichen Abschied von dem Residenten, der mich mit Liebenswürdigkeit und Güte überhäufte, setzte ich Nachmittags meine Reise nach Surakarta, der Hauptstadt des Kaisers oder Susuhanan fort.

Bei Kalasan, der zweiten Poststation, steht unweit der Strasse zur Rechten ein schöner Tempel,Tjandi-kali-bening. Es ist der erste, und wohl auch der schönste einer grösseren Anzahl, die bis jenseits der nächsten Station Prambanan zu beiden Seiten der Strasse zerstreut oder in Gruppen beisammen liegen. Sein Grundriss ist ein aus fünf gleichen Quadraten bestehendes Kreuz mit je einem ein Viertel so grossen Quadrat in den vier Winkeln; er ist gegen 70' hoch, schlank, schön gegliedert durch Pfeiler, Gesimse, Thüren und Nischen, zwischen denen sich in harmonischer Anordnung breite Bänder von Arabesken hinziehen. Das obere Gesims wird von einer Reihe von Figuren in Hochrelief getragen. In einigen Nischen sitzen noch Götterbilder auf ihrem Lotussessel. Die der Strasse zugekehrte Seite ist sehr zerfallen, ihr gegenüber liegt dieHauptfront mit einer hohen Eingangspforte. Das sehr zerstörte Innere enthält einen grossen Raum, an welchen vier kleinere stossen. Sie sind, wie die Tempel von Mundut und Dïeng, durch treppenartig vorspringende Steine überdacht. Um die schöne Ruine war ein so dichter Pisanggarten angelegt, dass es unmöglich war, sie zu zeichnen. Hoffentlich wird man bald von allen den herrlichen Monumenten gelungene Photographien besitzen.

Etwa 2000 Schritt weiter auf der andern Seite der Strasse, liegt der Tempel Tjandi-sari, welcher mehr kubisch als der vorige, gegen 50' hoch, reich ornamentirt, mit Nischen und hohen Reliefs, an unsere schönsten Renaissancebauten erinnert. Weniger elegant in seiner ganzen Anlage, als Kali-bening, ist er noch reicher als jener mit Skulpturen bedeckt, die ebenso sinnig entworfen, als kunstvoll ausgeführt sind. Man wird in Europa erstaunen, wenn man von den Java'schen Kunstdenkmälern aus der Zeit des Brahmakultus genaue Photographien in genügendem Maasstab besitzen wird; da man sich bis jetzt nicht von der Vorstellung lossagen mag, dass die Kunstwerke in jenen Ländern wohl den Beweis einer sehr gewandten Technik und grossen Fleisses, aber nicht reicher künstlerischer Phantasie zu liefern vermögen.

TJANDI SEWU. JAVA.

Bei der nächsten Station liegen die Ruinen von zehn oder zwölf Tempeln, Tjandi-prambanan oder Tjandi-loro-djongrang. Es sind nur noch hohe Trümmerhaufen quadratischer Prismen aus grauer Lava; bei manchen ist kaum noch die ursprüngliche Form zu erkennen. Das Ganze bildet eine grosse Ruine, die man am besten von der Mitte übersieht. Von einigen Tempeln fielen bei ihrem Einsturz die Steine einander zu und bildeten so Verbindungsrücken, die zum Theil mit hohen Bäumen bewachsen sind. Der Maler sowohl als der Alterthumsforscher findet hier viel schönen Stoff. Ueberall ragt, wenn man etwas genauer zusieht, ein Stück Skulptur hervor, weit umher liegen die Quadern über die Ebene zerstreut; wahrscheinlich hat ein Ausbruch des nahen Merapi den Einsturz bewirkt. — Etwa einen Paal weiter liegtTjandi-lombok, neun kleinere Tempel einfach von Form, wenig verziert, ziemlich wohl erhalten, und nordwestlich davon, in etwa gleicher Entfernung, und ebensoweit von Tj.-loro-djongrang als von Tj.-lombok, die Ruinen von Tj.-sewu, (die tausend Tempel), eine wahre Stadt von Ruinen. Von keinem Punkt kann man das Ganze auf einmal übersehen, die Skizze giebt nur den Anblick von einem willkürlich gewählten Punkt aus. Wie gern wäre ich hier länger geblieben! und welche reiche Erndte steht auf Javadem Alterthumsforscher und Kunstkenner bevor, der durch gründliche Studien vorbereitet, die in so grosser Fülle vorhandenen Herrlichkeiten zum Gegenstand seiner Forschungen machen kann.

Eine herrliche Tamarinden-Allee führt auf die Hauptstadt des Susuhanan, „das erhabene Surakarta”, oder Solo. Hier giebt es kein Gasthaus, eben so wenig wie in Jokjo; ich fand aber die zuvorkommendste Aufnahme bei einem schon viele Jahre hier ansässigen deutschen Arzt. Bei ihm traf ich Oberst v. S. und bedauerte sehr, mich mit der Reise so übereilt zu haben, da die Vorstellung bei dem „Kaiser” erst morgen stattfinden sollte. Der Kraton ist wie in Jokjokarta von einer Mauer umschlossen und enthält eine eben so zahlreiche Bevölkerung von Abhängigen des Susuhanan. Sie wohnen in langen Reihen ärmlicher Hütten; schmutzige Weiber und Kinder laufen in Menge umher. Im Vorhof des Palasts kauerten einige Gruppen seiner Leibwache, ihr Oberkörper war nackt bis an den Ledergürtel, der den künstlich gefalteten Sarong festhielt. Das wohlgekämmte Haar hing lose über den Nacken; statt des Kopftuchs trugen sie einen schmalen Kranz aus buntem Kattun, an welchem hinten zwei grosse Flügel befestigt waren, vielleicht um die Schnelligkeit der kaiserlichen Boten anzudeuten. Zerlumpte Soldaten präsentirten in theatralischer Stellung Fahnen, Piken und sehr kurze Gewehre. Vor dem Pendopo, der Empfangshalle, stand ein Musikcorps, das Fanfaren blies. Der Kaiser, ein noch gut aussehender Greis von 72 Jahren, fast in demselben Kostüm wie der Sultan von Jokjokarta, nur mit mehr Diamanten geschmückt, erhob sich aus seinem Lehnstuhl und ging dem Residenten bis an die Stufen der Halle entgegen. Um ihn kauerten Gruppen von alten Weibern, Zwergen, Verwachsenen, Albinos, alle mit nacktem Oberkörper, das ist Hoftracht. Je zwei oder drei hatten eine grosse messingene Speichelurne zwischen sich. Hinter dem Kaiser sass ein recht hübsches Mädchen, das eifrig mit ihrem Betel beschäftigt war, sie nahm ihn mehreremale aus dem Munde, ballte mit ihren zierlichen Händchen die Masse zu einer Kugel von der Grösse einer Pflaume zusammen, tupfte den am Umfang ihrer Lippen haftenden Speichel damit auf und schob alles anmuthig lächelnd in den Mund zurück.

Die Gewohnheit des Betelkauens ist bekanntlich über alle Malayenländer, Hinterindien, einen grossen Theil von Vorderindien und China verbreitet, färbt Lippen, Zahnfleisch, Speichel blutroth, die Zähne schwarz, was im Lande für schön gilt. Die Chinesinnen und Mestizinnen der Philippinen, die andere Begriffe von Schönheit haben, wissen aber ihre Zähne durch häufiges Putzen mit der faserigen Hülle der Betelnuss weiss zu erhalten. Der Betel besteht aus dem mit etwaskaustischem Kalk bestrichenen sehr aromatischen Blatt des Betelpfeffers (Piper Betel oder Chavica Betel), einer zu dem Zweck in grosser Menge gebauten Schlingpflanze, und einem Stück des gerbestoffreichen Kernes der Arecapalme; häufig wird auch noch Gambir und Tabak dazu genommen. Der Anblick ist anfänglich wegen des reichlichen Speiens sehr hässlich; hat man sich einmal daran gewöhnt, so möchte man wünschen, dass die Sitte auch in Europa bestände, da Betelkauer nie schlecht riechenden Athem haben, während das Uebel bei uns namentlich unter älteren Leuten so häufig ist. Das Betelkauen wird wohl noch leidenschaftlicher getrieben als Tabakrauchen; seine spezifische Wirkung auf den Organismus scheint bis jetzt völlig unbekannt zu sein. Sir Emerson Tennent's Angabe (Ceylon I. pg. 112), dass keine ärztliche Verordnung besser als der Betel im Stande wäre die fast stickstofflose Nahrung der Eingebornen heilsam zu ergänzen, da er zugleich antacid, tonisch und karminativ wirken soll, entbehrt nach dem Urtheil mir befreundeter Physiologen jeder Begründung; der Betelgenuss muss aber entweder eine nützliche oder eine angenehme Wirkung auf den Organismus haben, sonst könnte unmöglich der Gebrauch so allgemein sein.[99]

Nach einem kurzem Besuch verliessen wir den Kraton mit denselben Zeremonien, wie bei der Ankunft und besuchten den unabhängigen Fürsten Mangko-negoro, einen hübschen Mann in rüstigem Alter. Das Zeremoniell war hier viel einfacher als bei dem Kaiser, als Ordonnanz hatte er ein einziges, aber schönes junges Mädchen. Ich durchsuchte mit meinem gefälligen Gastfreund fast alle Leihhäuser der Stadt in der Hoffnung unter den verfallenen Pfändern einige schöne Waffen und andere Kuriositäten kaufen zu können, fand aber nur wenig; noch unbefriedigter war ich von den Kaufläden (tokos); es war fast nichts zu haben, und das Wenige schlecht und theuer. Ein Bogen geringen Zeichenpapiers, der in Deutschland einen Silbergroschen kostet, gilt im Innern von Java einen Gulden, ein Bleistift schlechtester Qualität, — gute sind nicht zu haben, — einen Gulden, ein Bogen Packpapier grosses Format,1/2Gulden und so im Verhältniss. Hier lernte ich einen prächtigen altenOberst kennen, „der alte Blücher” genannt, der, die Kriegsjahre doppelt gerechnet, 92 Jahre und fast in allen Welttheilen gedient hatte. Er wollte mir einen sehr werthvollen Kris für unser Museum schenken, da der Werth aber nur in der Zauberkraft liegt, die ihm der inländische Aberglaube beilegt, — wer ihn trägt, soll unverwundbar sein — und sich für den alten Herrn, der die ganze Geschichte des Zauberkris' auswendig weiss, ruhmvolle Kriegserinnerungen an den Besitz desselben knüpfen, so wäre es sehr unrecht gewesen, zu Gunsten der ungläubigen Berliner die scheinlose Waffe von ihm anzunehmen.

Wir besuchten noch einen javanischen Prinzen, den Pangeran Mangko-bumi, einen sehr lebhaften, thätigen alten Herrn, der in seinem Kraton alle möglichen Gegenstände fabrizirt, Flinten, Büchsen, Geschirre, selbst vollständige Gallawagen. Seine verstorbene Frau, eine Tochter oder Schwester des vorigen Kaisers, liebte ihn so sehr und besass so viel Selbstverläugnung, dass sie immer die schönsten jungen Mädchen ins Haus nahm, um sie für ihn zu erziehen, ein Gebrauch der nach ihrem Tode fortgesetzt wurde, so dass der alte Herr immer von einer Anzahl blühend junger Frauen umgeben ist. Er war sehr liebenswürdig und lud mich ein, einer Tanzstunde beizuwohnen, die er einer ausgewählten Zahl seiner weiblichen Familienglieder ertheilte. Sechs Paare junger Mädchen, darunter die schöne Prinzess Trinel (Bachstelze), sassen hintereinander mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden. Nach einigen Gamelangklängen erhoben sie sich langsam zu einem Tanz, der sehr anmuthig und schwungvoller als der der Bedajas war, und sowohl durch seine Wendungen, als durch das Kostüm: dünne, enganliegende Kleider, entblösste Schultern, flatternde Schärpen und nackte Füsse, an die Tänzerinnen auf antiken Wandgemälden erinnerte.

Vor Sonnenuntergang hatte ich noch das Vergnügen den Kaiser mit seinem ganzen Hofstaat eine Spazierfahrt machen zu sehen. Es war ein hübscher, etwas wilder, höchst pittoresker Zug: voran der Kaiser mit einigen kleinen Kindern in einem grossen offenen Wagen, dem eine lange Reihe anderer von allerlei verschollenen europäischen Moden folgte; in den vordersten sassen Frauen und einige sehr schöne Kinder, die folgenden enthielten die männlichen Hofbeamten und Verwandten des Kaisers. Jeden Wagen umgab ein bunter Trupp Reiter mit blossen Beinen, flatternden Sarongs, und enganliegenden Jacken. Der Zug bewegte sich in schnellem Trab.

Surakarta ist der Hauptsitz einer eigenthümlichen Kunst farbige Muster auf Kattun zu übertragen (Batek). Die Stellen des Zeuges, die beim Eintauchen in die Farbe weiss bleiben sollen, werden auf beidenSeiten durch einen Wachsüberzug geschützt. Zu dem Ende füllt die Zeichnerin über Kohlenfeuer flüssig gehaltenes Wachs in ein kleines Gefäss aus dünnstem Kupferblech und folgt mit der Spitze der wie ein Giftzahn geformten feinen Ausflussröhre den Umrissen eines unter dem durchscheinenden Zeuge liegenden Musters; vermittelst eines ähnlichen Instruments mit weiterer Oeffnung werden die Zwischenräume ausgefüllt, dieselbe Arbeit wird auf der andern Seite des Zeuges wiederholt, so dass sich die Figuren genau decken. Ist das Zeug durch Eintauchen gefärbt, so wird das Wachs ausgesotten. Soll noch eine Farbe aufgetragen werden, so wird das ganze umständliche Verfahren wiederholt. Nach Eintauchung in die zweite Farbe und Entfernung des Wachses erhält man ausser weiss, drei Farben: zwei reine, und eine aus diesen gemischte. Das Auftragen mancher Muster auf einen Sarong, der kaum die Grösse eines schottischen Plaids übersteigt, erfordert 40 bis 50 Tage anhaltender Arbeit. Das Batekmachen wird zwar auch von Lohnarbeiterinnen (monatl. für 2 fl. und Reis) ausgeübt, die geschicktesten Zeichnerinnen sind aber vornehme Frauen und diese Kunst bildet einen Theil ihrer Erziehung. Jedes Muster hat seinen besonderen Namen, manches darf nur in gewissen vornehmen Familien getragen werden und inländische Uebertreter verfallen, wenigstens in den Fürstenländern, einer Strafe; Männer und Frauen haben ihre besonderen Bateks. Das Muster, welches den Umschlag dieses Buches bildet, Batek-udan-iris, das zweitvornehmste in der Familie des Susuhanan, ist von einer Tochter des Prinzen Mangko-bumi gezeichnet, die für eine der geschicktesten Künstlerinnen gilt.

Von Solo (Surakarta) aus besuchte ich den in gerader Richtung etwa 25 Paal östlich von hier gelegenen Gunong-lawu, der auf dem Gebiete des Pangeran Mangko-negoro liegt. Mit javanischer Zuvorkommenheit hatte mir dieser zu meiner Reise seinen Postzug und die Begleitung seines eigenen Schwagers zur Verfügung gestellt. Wir überschritten den Solofluss auf einer Fähre und setzten die Fahrt auf guter ebener Strasse bis Karang-pandan fort. Nachdem die jungen muthwilligen Pferde allerlei kleineren Unfug getrieben, machte das Vorderste, auf welchem ein Postillon ritt, kehrt, die anderen folgten der Anregung, der ganze Zug wickelte sich zu einem Knäuel zusammen, das nur sehr schwer und nicht ohne Schaden für das Geschirr zu entwirren war.[100]In Karang pandanbesass der Fürst ein geräumiges Landhaus auf dem Gipfel eines Hügels, mit herrlicher Aussicht auf die reich bebaute Ebene, und die immer malerischen Sawaterrassen; im Osten begrenzte das Bild der Gunong-lawu, im Westen der Merbabu und Merapi.

Mein Begleiter wünschte sehr, hier Halt zu machen, um von der bereits gehabten Strapaze auszuruhen. Seine Ueberredungskünste bestanden weniger in Worten als in Thaten und waren eines malayischen Kavaliers würdig: nach einem verschwenderischen Frühstück, bei dem sich die malayische Kochkunst in vollem Glanze gezeigt, erschienen, als ich mich eben auf mein Zimmer zurückgezogen hatte, zwei junge Mädchen auf Befehl ihres Herrn, um mich durch ihre Künste zum Bleiben zu bewegen; aber das drähtige Haar und das übersanfte Lächeln des durch Feilen fast zahnlosen Mundes vernichtete die Wirkung der einladenden Worte. Ich ritt nach Pablingan, wo mehrere warme und kalte Mineralquellen hervorbrechen, darunter ein angenehmer Sauerbrunnen, Ayer-wolanda, holländisches Wasser genannt, weil das über Holland eingeführte Selterwasser in Java unter diesem Namen bekannt ist. Als ich nach Karang-pandan zurückkam, hatte sich mein vornehmer Begleiter hinreichend erholt, um nach dem am Fuss des Lawu gelegenen Suku zu reiten, das wir gegen Sonnenuntergang erreichten. Der Pasanggrahan stand mitten unter den interessanten von Raffles abgebildeten und beschriebenen Tempelresten.

Am folgenden Morgen brachen wir auf, nachdem jeder vergeblich alle Ueberredungskunst aufgeboten hatte, um den andern von der Besteigung des Berges abzuhalten. Bis Tumba, einem kaum 2000 Schritt entfernten Dorf, konnte man reiten und der arme „Raden Rio” verschmähte selbst diese kleine Erleichterung nicht. Von dort aber ging es nur zu Fuss weiter. Kaum waren wir einige hundert Schritt gestiegen, als sich mein Begleiter, anscheinend ganz erschöpft, zu Boden warf, um etwas auszuruhen; ich verabschiedete mich daher von ihm bis zum folgenden Tage. Wir waren mit zahlreichem Gefolge aufgebrochen, nach einigen Stunden Steigens waren nur noch mein Diener und zwei Kulis bei mir, mit denen ich bald nach ein Uhr den Gipfel erreichte. An einer geschützten Stelle waren drei Hütten aus Grasmatten, eine für den Raden, eine für mich, eine für die Häuptlinge aufgeschlagen. Als eben die Dunkelheit einbrach, kam zu meiner grössten Ueberraschung Raden Rio an, ausser sich vor Ermüdung und rief mir zu: Um Gottes Willen, Herr, was suchen Sie hier oben! liess sich in eine wollene Decke wickeln und warf sich auf sein Lager. Der arme Teufel thatmir sehr leid; es war mir gar nicht eingefallen, dass er den Berg besteigen würde, da ich seine am frühen Morgen zur Schau gestellte Ermüdung für eine List gehalten hatte, um unter einem anständigen Vorwand zurückbleiben zu können; aber der Gehorsam gegen Befehle von Höherstehenden ist in Java so absolut, dass er nicht gewagt hatte, unten zu bleiben, obgleich es sein eigener Schwager war, der ihm den Auftrag ertheilt hatte, mich zu begleiten. Er brachte einen Tross von 70 bis 80 Mann mit, von denen ein Theil Gepäck und Proviant trugen, während die anderen beschäftigt gewesen waren, ihren Herrn mit Tragesesseln, Stricken, Hebebäumen auf den Gipfel zu schaffen. Sein vortrefflicher Koch war auch mitgekommen und bald stand ein schmackhaftes malayisches Diner auf einer Matte ausgebreitet.

Von einem so absoluten Gehorsam gegen Befehle Höherer, wie er in Java besteht, hat man in Europa gar keinen Begriff. Raffles sagt an einer Stelle (History of Java): Ebenso wie in einem ungebildeten Volk wenig Theilung der Arbeit besteht, so auch keine Theilung der Macht im Despotismus; der Despot ist Besitzer, alles andere ist Besitz, dieselbe Vereinigung richterlicher, finanzieller, und exekutiver Gewalt, die im Souverän ruht, geht an die Guvernöre der Provinzen, und von diesen stufenweise auf die unteren Beamten über, so dass jeder Häuptling, welches auch sein Rang sei, fast unumschränkte Gewalt hat über die welche unter ihm stehen.

Den künstlich geebneten höchsten Punkt des Berges (10066'), den man auf rohen Stufen ersteigt, fand Junghuhn (1838) von einer viereckigen 3' hohen Mauer umgeben und innerhalb derselben ein hölzernes Haus, das wohlriechende Blumen und angebrannte Kohlen enthielt. Von dem Häuschen stand nur noch das Gerüst aufrecht, die Umfangsmauern waren unversehrt, einige hundert Fuss weiter unten, in der Höhe unseres Lagerplatzes, stand aber jetzt ein wohl erhaltenes Haus, das gleichfalls mit Blumen geschmückt und von einer Umfangsmauer umgeben war.

Der Morgen war wieder ganz trübe, wir kehrten nach Suku zurück, wo Raden Rio erst gegen Abend ankam, und ritten sogleich nach Karang-pandan, um am andern Morgen mit Tagesanbruch nach Solo zurückkehren zu können. Auf der reichen Kulturlandschaft erhoben sich viele steinerne geräumige Häuser, Etablissements grosser Landpächter, die auf ihren Feldern Produkte für den europäischen Markt, besonders Zucker und Indigo bauen.

Am 20. Oktober wurde in Solo das javanische Neujahrsfest Grebekgefeiert. Schon früh Morgens waren alle Strassen, die zur Hauptstadt führten, mit Zügen inländischer Häuptlinge bedeckt, die sich in ihrem besten Schmuck, von zahlreichen Dienern begleitet, zum Fest begaben. Um 10 Uhr versammelten sich alle Europäer in der grossen Halle des Residenzgebäudes. Gegen 11 Uhr erschienen zwei Abgesandte des Kaisers, um den Residenten nach Hofetikette, mit kaum hörbarer Stimme zum Besuch im Kraton einzuladen. Eine halbe Stunde später fuhr der Resident, gefolgt von den Europäern und mehreren Pangerans in europäischer Uniform, nach dem Kraton. Auf dem Alun-alun war ein grosser Menschenhaufen versammelt. Durch eine Menge kleiner inländischer Beamten und die kaiserlichen Leibwachen hindurch gelangten wir an die grosse Empfangshalle: der Kaiser ging dem Residenten bis an die Stufen entgegen; und sobald sich beide niedergesetzt, nahmen die Europäer und Pangerans auf Stühlen zur Seite Platz. Dies war die Anordnung:

RS91102345678

R Resident, S Susuhanan (Kaiser), 1 Speicheldosenträgerin (eine Alte), 2–8 sieben junge Mädchen mit nackten Schultern, ein goldenes Band um den Hals, Blumen und eine Feder im Haar, die Reichsinsignien haltend und zwar: 2 das Schwert, 3 die Pfeile, 4 den Bogen, 5 den Sonnenschirm, 6 den Schild, 7 den Säbel, 8 den Fächer. — 9 und 10 Zwerge, alte Weiber, Verwachsene, Albinos. Nach kurzem Verweilen begaben sich Kaiser und Resident, unter einem vergoldeten Sonnenschirm einherschreitend, von den Gästen gefolgt, nach der grossen Halle des Vorhofs, in welcher bereits die übrigen kaiserlichen Gäste versammelt waren. Jetzt war, nachdem alle Platz genommen, die Gruppirung folgende:

S R┏━┓┏┓┏━┓┏┓┏━┓BEVEB

S Susuhanan, R Resident, V Verwandte und vornehmste Beamte in Reihen geordnet, B Beamte und Häuptlinge, alle nach ihrem Range in Reihen geordnet, E Europäer auf Stühlen. Alle Inländer mit alleiniger Ausnahme des Kaisers und der Pangerans kauerten am Boden. Der Kaiser trug eine cylindrische Mütze aus weissem Glanzleinen, im Uebrigen das schon beschriebene Kostüm. Auch die vornehmen Beamten (V) hatten cylindrische Mützen und Jacken, meist von dunkler Farbe. In den Reihen B waren alle bis zum Gürtel nackt; das Haar war nicht zusammengebunden, sondern einmal gedreht über den Kopf gelegt und mit einem Kamme befestigt. Rings um die offene Halle standen die kaiserlichen Leibwachen in bunten Kostümen und theatralischerHaltung, die gut zum Ganzen passte. Zwei vornehme Boten drängten sich kriechend in der Mittellinie durch die hohen Würdenträger (V), machten in grosser Entfernung vor dem regungslos sitzenden Kaiser Halt, und berichteten, als sie nach langer Pause einen Wink empfangen, dass die dem Volk bestimmten Geschenke bereitständen; dies geschah aber mit so leiser Stimme, dass der Schall wohl kaum bis zum Kaiser dringen konnte. Nach abermaligem langem ehrerbietigem Harren, erhielten sie einen zweiten Wink, und zogen sich rückwärts kriechend zurück. Nun wurden die kaiserlichen Geschenke, denen ein Musikcorps voranging, vorübergetragen; sie bestanden aus allerlei Esswaren und Näschereien auf kolossalen verzierten Körben, jeder von 12 Kulis getragen: bald hörte man aus dem Jauchzen des Volks auf dem Alun-alun, dass es sich in Besitz gesetzt hatte. Inzwischen waren an die Gäste Verzeichnisse der zu trinkenden Toaste vertheilt worden: 1. das neue Jahr, 2. der General Guvernör, 3. der Kaiser, 4. der Resident, 5. der Pangeran Adipati-anom (Kronprinz), 6. die kaiserliche Familie, 7. die Blüthe und Wohlfahrt der Insel Java. Zu jedem Toast erhielt man ein kleines Glas Madeira oder wenn man es vorzog, Thee von gleicher Farbe, eine anzuerkennende Vergünstigung, da das Glas jedesmal ausgeleert werden muss. Die Leibwache war in Schlachtordnung aufmarschirt und begleitete jeden Toast mit einer Gewehrsalve. Schliesslich geleiteten die Europäer den Kaiser in den inneren Kraton zurück, und gingen nach Hause. Das Schauspiel war nicht ohne Interesse und erinnerte unwillkürlich an die grossen Kirchenfeste in Rom, sowohl durch die aus einer vergangenen Zeit geretteten malerischen aber fadenscheinigen Kostüme, als durch die fast zur Anbetung gesteigerten Formeln der Ehrerbietung gegen zwei dem Grabe nahen Greise, die bezeichnend die Hauptrollen spielten; hier wie in Sankt Peter hatten die ungläubigen Fremden, für welche das Ganze nur ein buntes Schauspiel ist, die Ehrenplätze, während das gläubige Volk draussen steht.

Festung Ambarawa. — Samarang. Schule. Waisenhaus. — Surabaya. Maschinenfabrik. — Tempel um Malang. — Ardjuno. Legende. — Semeru. — Lamongan. Gewitter. — Rückkehr nach Batavia.

Von Solo reiste ich über Bojolali und Salatiga, wo ein Regiment Kavallerie liegt, nach Ambarawa, traf daselbst wieder den Oberst, den seine Dienstgeschäfte dort einige Tage aufhielten, und hatte dadurchGelegenheit die bedeutende, erst vor wenigen Jahren begonnene, aber beinahe vollendete Festung zu sehen. Sie soll sehr zweckmässig angelegt sein; jedenfalls liegt sie sehr schön. Wir gingen bis zur Dunkelheit auf den langen Reihen flacher Dächer spazieren und erfreuten uns an der herrlichen Aussicht auf die den weiten Thalkessel rings umschliessenden Berge. Der Merapi, Merbabu, Lawu, Sumbing, Sindoro, traten in der durchsichtigen feuchten Abendluft so klar hervor, dass man alle Schluchten dieser schönen Kegelberge deutlich erkennen konnte. Der Ungaru liegt in unmittelbarer Nähe und begrenzt den Kessel von Ambarawa im Norden durch seine flachen Vorberge. Auf diesen sieht man eine Menge weiss getünchter Stein-Häuser durch die Bäume schimmern, ein im Innern Javas seltener Anblick. Gegen Osten lehnt sich die Festung an die Rawa, einen grossen Sumpf, dem sie ihre Stärke verdankt. Die Festungsgräben sind an der inneren Seite mit dornigen Bambusen bepflanzt, die eine undurchdringliche Hecke bilden. Ambarawa soll der Hauptwaffenplatz für Niederländisch-Ostindien werden. Es laufen von hier drei Hauptstrassen auseinander; die eine nördlich nach dem grossen Handelsplatz Samarang, eine SW. über Kadu nach den westlichen, die dritte SO. über Surakarta nach den östlichen Provinzen. Die früheren Bewohner des Thales sind auf loyale Weise expropriirt worden, und haben ihre Desas auf den umliegenden Hügeln erbaut. Rings um Ambarawa sieht man nichts als Soldaten und Leute, die von ihnen leben. Zu den Erdarbeiten, die der Festungsbau nöthig machte, ist das bereits früher erwähnte Schwemmverfahren in sehr ausgedehntem Maasse angewendet worden (pg. 146). Die Javanen sind Meister im Wasserbau. Auch wissen sie nach blossem Augenmaas geringe Niveauunterschiede zwischen entfernten Punkten richtig aufzufassen, die ein Europäer nur mit Hülfe von Instrumenten zu ermitteln vermag.

Am folgenden Morgen besichtigten wir die noch unvollendeten Gebäude zu einem „Militärkampement” von 12000 Mann. Die Kasernen einiger Regimenter waren bereits fertig und bewohnt. Sie sind sehr geräumig, reinlich, luftig. An beiden Seiten laufen der ganzen Länge nach breite Veranden hin. In den Schlafsälen fielen mir die fast quadratischen Betten auf; der Soldat schläft hier nicht allein, jeder hat eine Soldatin; ich sah diesen interessanten Truppentheil aber nur aus der Ferne, da sie um 7 Uhr früh, wo die Offiziere Musterung halten, die Schlafsäle verlassen haben müssen; sie ziehen sich dann in ein abgesondertes Kampong zurück. Die Inländerinnen, die mit den Soldaten wie treue Ehefrauen leben, werden von den Offizieren nicht als ein störendes Element, sondern alsein nützliches Komplement betrachtet. Auf dem Marsch sollen sie wichtige Dienste leisten, ohne besondere Mühe oder Kosten zu verursachen, da sie von der reichlichen Ration des Soldaten leben. Sie putzen diesem, wenn er vom Marsch ermüdet im Bivuak ankommt, Waffen und Zeug, besorgen seine Wäsche, kochen das Essen und erhalten ihn bei guter Laune, da sie selbst immer unverdrossen sind. Der afrikanische Reisende Galton macht in seinem „Art of travel” die Reisenden ebenfalls auf den grossen Nutzen aufmerksam, den eine Expedition aus der Begleitung inländischer Weiber zieht, und giebt dieselben Gründe an.

Trotz der Rawa und der vielen Gräben soll die Lage von Ambarawa nicht ungesund sein; wahrscheinlich wegen der starken Ventilation, die sich in einzelnen Fällen aber bis zu gefährlichen Wirbelwinden steigert. „Da wo in niedrigen Zwischenräumen zwischen hohen Bergen z. B. auf dem Gunung Djambu, über welchen der Weg von Ambarawa nach Kadu führt, die beiden entgegengesetzten Luftströme (Land- und Seewind), die von N. und S. kommen, einander in der Mitte der Insel begegnen, da entstehen zuweilen, aber selten Wirbelwinde, höchst gefährliche Stürme, wodurch Bäume und Häuser vom Boden gehoben, eine Zeitlang in der Luft herumbewegt und auf weite Abstände mit fortgerissen werden.” (Jungh. I. 164.) Der Oberst erzählte mir von einem solchen Sturm, den er hier erlebt hatte. Sein Haus wurde völlig zertrümmert, Cocospalmen unter der Blätterkrone abgedreht, Bäume entwurzelt und nebst Steinen durch die Luft geführt. Gerade als dieser Sturm ausbrach, lagen sämmtliche eben erst vollendete Pläne zur Festung, behufs einer nochmaligen Durchsicht auf einem grossen Tische nebeneinander ausgebreitet; der Wind ergriff sie und vernichtete fast alle, so dass die Arbeit noch einmal begonnen werden musste.

Schon lange bevor man Samarang erblickt, verkündet der immer lebhafter werdende Verkehr die Nähe der grossen Handelsstadt. Beladene Büffelkarren, Lastträger und Saumthiere beleben die Strasse; die Warongs werden immer zahlreicher. Plötzlich sieht man von einer Anhöhe hinter einer wohlbebauten Ebene die grosse Stadt mit dichtgedrängten Häusern, und im Hintergrunde das Meer und die belebte Rhede. Ein dunkelgrüner Saum von Cocospalmen zieht sich am Gestade hin und lässt nur stellenweise einen weissen Sandstreifen dahinter erkennen. Im Vordergrund liegen mehrere mit Waringis bestandene Hügel, die sich reiche Chinesen mit vielem Geschmack, und wahrscheinlich auch mit vielem Geld zu Begräbnissplätzen erkoren haben. Die Aussicht verschwindet bald wieder; aber der Verkehr wird immer reger. In einerprächtigen Tamarinden-Allee legt man die letzte Station zurück.[101]Beim Schlendern durch die Stadt fielen mir Gruppen von Frauenzimmern auf, die inmitten der belebten Strassen niedergekauert, im Kartenspiel vertieft waren.

Am folgenden Morgen hatte der Resident die Güte mich an der Besichtigung mehrerer öffentlichen Anstalten Theil nehmen zu lassen. Wir sahen zuerst das Hospital der Gefangenen, es stand fast leer. Darauf besuchten wir einige Schulen, in denen Kinder von Europäern und diesen gleichgestellte Mischlinge Elementarunterricht empfingen. Sie wurden in meiner Gegenwart im Rechnen und in der Geographie examinirt — man hatte uns die Wahl der Unterrichtsgegenstände überlassen — es ging recht gut. Ueberraschend waren die Leistungen einiger Schüler in der Geographie. Ein 16 jähriger Knabe zeichnete in einem Zug ein gutes Bild von Asien auf die Tafel und fügte beiläufig Europa hinzu. Auf Verlangen trug ein anderer den Lauf der Hauptströme ein und gab die Lage der grössten Städte richtig an. Ein Dritter zeichnete die Grenzen der grossen Reiche. Hierauf besichtigten wir das protestantische Waisenhaus, das 64 Knaben, 128 Mädchen enthielt. Jene bleiben bis zum 18., diese bis zum 23. Jahr in der Anstalt, wenn sie nicht früher versorgt werden. Viele Knaben gehen in die Militärschule von Gombong über (vgl. S. 205), andere werden bei Privatleuten und als Subalternbeamte untergebracht. Nur wenige Kinder sind von europäischer Abkunft; die meisten sind Mischlinge, besonders Soldatenkinder, und nicht Waisen im eigentlichen Sinne. Die Verwaltung der Anstalt scheint musterhaft. Ueberall herrschte untadelhafte Ordnung und Reinlichkeit, ausser in den Kammern der ganz neu eingetretenen, die gewöhnlich so jung sind, dass sie noch der inländischen Mutter bedürfen. Man sollte kaum glauben, dass die netten jungen Mädchen, die in der grossen kühlen Veranda weibliche Handarbeiten machten, aus so schmutzigen kleinen Wilden hervorgegangen waren. Die Mädchen verlassen die Anstalt häufig als Bräute; denn sie stehen in solchem Ruf der Sittlichkeit und Wirthschaftlichkeit, dass namentlich Unteroffiziere und Subalternbeamtesich gern aus ihnen eine Ehefrau wählen. So gross ist das Zutrauen zum Vorstand, dass mancher Bräutigam, der es eilig hat, oder die Reise nach Samarang nicht machen kann, sich wegen der Wahl einer seinen Bedürfnissen und Neigungen entsprechenden Frau vertrauensvoll an diesen wendet, und in fast allen Fällen soll das Ergebniss das Zutrauen des Heirathskandidaten gerechtfertigt haben. Auch jetzt waren zwei Bräute in der Anstalt, die uns ihre kleine durch Fleiss und Sparsamkeit erworbene Ausstattung zeigten. Den Knaben sowohl als den Mädchen werden, sobald sie arbeiten können, ihre Leistungen bezahlt. Die Knaben arbeiten in Werkstätten ausser dem Hause, die Mädchen machen Handarbeiten. Das erworbene Geld wird den Zöglingen aufbewahrt, bis sie die Anstalt verlassen. Jede der beiden Bräute hatte auf diese Weise ein Kapitälchen von 150 Gulden erspart. Die meisten Mädchen waren nicht hübsch von Gesicht, die malayische Rasse scheint sich schlecht mit der Europäischen zu vermischen (bessere Resultate giebt die Mischung von Chinesen und Malayen). Wir besahen die Schlafsäle, die sehr luftig und reinlich sind; jedes Mädchen hat eine eiserne Bettstelle und darüber an der Wand ein Schränkchen, deren einige geöffnet wurden; sie enthielten wohl geordnete, blendend weisse Wäsche, und allerlei kleine Habseligkeiten. Zum Schluss erfreute uns die gesammte männliche und weibliche Jugend mit einem grossen Vokal-Konzert, ich fand es sehr hübsch, aber Oberst von S., der sich darauf zu verstehen scheint, sagte mir später, es hätte ihm fast die Ohren zerrissen.

Das katholische Waisenhaus, das wir darauf besuchten, war im Vergleich zu jenem schlecht gehalten, die Anzahl der Zöglinge etwa ebenso gross. Nachmittags durchstreifte ich die Stadt mit einem gefälligen Landsmann, der mir aber wenig Auskunft geben konnte. Eine der Sehenswürdigkeiten Samarangs, Haus und Garten des „Major” der Chinesen entging uns, da der Hausherr, der als Opiumpächter ein Vermögen von 5 Millionen Gulden erworben hatte, nicht anwesend war. Wir begegneten einem Brautzug von Arabern. Ueber dem mit Blumenschnüren behangenen Bräutigam wurde ein grosser Sonnenschirm getragen. Alle waren reich in Seidengewänder gekleidet, den Zug schloss eine Musikbande. — In Samarang druckt man Batekmuster vermittelst kupferner Formen auf die Zeuge, das übrige Verfahren gleicht dem (S. 229) beschriebenen. Auch werden hier golddurchwirkte seidene Sarongs gewebt, die hoch im Preise stehen.

Von Samarang fuhr ich in einem alten schlecht gehaltenen Dampfboot,„Koningin der Nederlande” nach Surabaya. Die langsame Fahrt dauert 24 bis 28 Stunden und kostet 100 Gulden. Auf dem Vorderdecke sah es ziemlich bunt aus; es enthielt Malayen, Klings, Araber und Mischlinge. Angetrunkene Soldaten sangen Abends ein wildes lautes Lied; dicht neben, fast zwischen ihnen, verrichteten zwei Araber ihre Andacht mit vielen Prosternationen so ungestört als wären sie allein. Das Boot war so voll, dass keine Kabine mehr zu haben war. Die beiden einzigen Sophas, die auf dem Verdeck standen, wurden mir wiederholt von den glücklichen Besitzern dringend und anscheinend aufrichtig angeboten; soweit geht hier die Höflichkeit gegen Fremde.

AM KALI-MAS. SURABAYA.

Surabaya. — In einem Sampan fuhr ich den langen Kalimas hinauf, an vielen malerischen sonderbaren Küstenfahrern vorbei. Am rechten Ufer liegt eine Reihe von Offizierswohnungen, dann folgte ein Kampong, in dem viele auffallend geschminkte Mädchen am Ufer spazieren gingen oder badeten. Am folgenden Morgen besichtigte ich eine Fabrik, die namentlich Maschinen für Zuckerfabriken liefert. Der Besitzer, ein geborner Aachener, beschäftigt nur inländische Arbeiter, ist sehr mit ihnen zufrieden, und mag von Europäern nichts wissen, obwohl er zugiebt, dass ein solcher in Europa unter Umständen viermal so viel zu leisten vermag als ein Javane. In Java aber wollen alle Europäer die grossen Herren spielen und sind daher nicht gut zu brauchen. Herr B. beschäftigt gegen 500 Arbeiter und hat sie alle selbst aus gewöhnlichen Kulis herangebildet. In vier Jahren wird aus einem solchen ein guter Former, oder Schmied; in sechs Jahren ein Modellmacher. Die Löhne betragen für Knaben 30 bis 40 Cents, Erwachsene verdienen 40 bis 120 c. (120 c = 1 fl. holl.), die Mandore (Aufseher) erhalten 240 c. per Tag. Die Arbeitszeit dauert von 6 bis 12 Uhr und von1/21 bis1/25. Fast jeden Morgen fehlen einige Arbeiter bei dem Appell. Sie werden dann aus ihrer Wohnung geholt und kommen auch ohne Widerrede; holt man sie aber nicht, so bleiben sie ruhig zu Hause liegen. Strafe erhalten sie für diese kleinen Anwandlungen von Arbeitsscheu niemals. Alle Arbeiter empfangen Vorschüsse, sonst würden Unregelmässigkeiten im Dienst wohl viel häufiger sein. Kleine Diebstähle von Nägeln, Schrauben u. s. w. kommen zuweilen vor. Wird ein Dieb ertappt, so erhält er eine Ehrenstrafe; mit einer Art von Halsband, an dem die gestohlenen Sachen hängen, und einem Zettel am Kopf, welcher seinen Namen und sein Vergehen anzeigt, wird der Dieb an die Thür den Vorübergehenden zur Schau gestellt. Diese Strafe soll ausserordentlich wirksam sein, wie bei dem starken Ehrgefühl der Javanen nicht anderszu erwarten ist. — Von hier besuchten wir ein Hospital, das keinen günstigen Eindruck machte; es fehlte an Raum, Ventilation und Kühlung. Dysenterie, Fieber, Typhus sind die Hauptkrankheiten.

Da wegen der vorgerückten Jahreszeit keine Zeit zu verlieren war, so fuhr ich am folgenden Tage im Omnibus nach Pasuruan durch das Deltaland des Kali-Brantes, welcher sich bei Modjo-kerto in zwei Arme theilt, deren einer unter dem Namen Kalimas bei Surabaya mündet, während der andere, wasserreichere, in östlicher Richtung weiterfliesst. Zwischen diesen beiden Armen und der Küste, die von Surabaya bis zur Mündung des Brantes fast genau dem Meridian folgt, liegt ein durch viele natürliche und künstliche Kanäle reich bewässertes, sehr fruchtbares Schwemmland, ein fast gleichseitiges Dreieck von etwa 6 Meilen Seite. Die Chaussee läuft der Küste ungefähr parallel und ist die schönste von allen, die ich bisher hier oder in Europa gesehen, breit, fest, eben, gut unterhalten, von hohen, alten Tamarinden beschattet. Unter diesen liegen zahlreiche Wachthäuser von Stein, zu beiden Seiten der Strasse Reis-, Indigo-, Zuckerfelder. Ausgedehnte Fabriken mit Dampfschornsteinen deuten auf die grosse Entwickelung der Zuckerindustrie, die hier ihren Hauptsitz hat und Fleiss und Wohlstand unter der Bevölkerung verbreitet.

Nach kurzem Aufenthalt in Pasuruan ritt ich südlich nach Malang, in einem sanften Bogen zwischen den im Westen gelegenen Vulkanen Ardjuno und Kawi und den im Osten liegenden Tengger und Semeru, jener durch die ungewöhnliche Grösse seines Kraters (der Sandsee), dieser als der höchste Berg Javas (11,480') ausgezeichnet.

In Malang waren Resident und Regent wegen einer Inspektionsreise abwesend; ich traf aber einen ebenso herzlichen als wissenschaftlich gebildeten deutschen Arzt, der hier ein grosses Hospital gegründet, das, ähnlich wie Gadok im westlichen Java, ein Sanatarium für die Bewohner des östlichen werden soll. Ausser der gesunden, kühlen Lage machen herrliche Umgebungen, vortreffliche Strassen und viele in der Nachbarschaft vorhandene Kunstdenkmäler den Aufenthalt zu einem der angenehmsten in Java.

Da die Reise, die ich nach dem Semeru vorhatte, vor Rückkehr des Regenten nicht unternommen werden konnte, gab mir Dr. G. seinen Verbandmeister, einen ehemaligen Barbier aus Leipzig mit, der mich nach den schönen Tempelruinen von Tumbang und Pakis begleitete. Am nächsten Tage ritt ich nach Singosari, wo einige malerische Tempelruinen und auf einem Rasenplatz aufgestellte Skulpturen, die ihre Erhaltungihrer Schwere verdanken,[102]an die Hauptstadt eines ehemals mächtigen Reiches erinnern. Singosari soll schon im 3ten Jahrhundert erwähnt, im 13ten seine höchste Blüthe erreicht, die erste Gründung der Tempel im Jahre 656 stattgefunden haben. (Hagemann Schetsen omtrent Malang). Am folgenden Morgen stieg ich auf den Ardjuno, gegen 1 Uhr erreichten wir die südöstliche Kuppe, die nach Junghuhn Widodaren, nach Versicherung des Regenten von Malang aber Indrogeni heisst; die zweite, in NW. gelegene Kuppe, die höchste des ganzen Berges, auf der auch das trigonometrische Signal steht, heisst Pedodarén, und besteht aus grossen, über einander gehäuften Trachytblöcken. In einer natürlichen Höhle, gross genug, um zwei oder drei Menschen als Schlafplatz zu dienen, lag wahrscheinlich seit vielen Monaten völlig trockenes Heu, das für die geringe Feuchtigkeit zeugte, welche hier, oberhalb der Monsunwinde herrscht. Auf diesem Gipfel standen, wie auf dem des Lawu, einige jener merkwürdigen aus Steinquadern aufgeführten Baue, an die sich eine Legende knüpft, die mir der in der altjavanischen Literatur wohl belesene Regent von Malang bei meiner Rückkehr erzählte.

Vor langer, langer Zeit lebten fünf Brüder, Pendówo, Königssöhne von gewaltiger Körperkraft. Um noch stärker zu werden, zogen sie sich auf den Gipfel des Ardjuno zurück und bauten sich auf der Kuppe Indrogeni fünf Häuser, in welchen sie als Einsiedler lebten. Sie beteten täglich um Vermehrung ihrer Körperkraft, und da sie Allah so viel näher waren, drang ihr Gebet um so deutlicher zu ihm. Zu derselben Zeit lag auf dem Südabhang des Semerugipfels eine grosse von Geistern bewohnte Stadt, die einem mächtigen König gehorchte. Der Geisterkönig hatte viele Töchter von ausserordentlicher Schönheit. Um eine derselben bewarb sich der mächtige Radjah von Melusina; sein Gesuch wurde aber mit Hohn zurückgewiesen. Da wandte er sich um Hülfe an einen der fünf starken Brüder auf dem Ardjuno. Dieser begab sich nach der Geisterstadt, kämpfte lange mit dem stolzen König, ward aber endlich überwunden und zog sich nun auf den höchsten Gipfel (Pedodaren) des Ardjuno zurück, wo er noch inbrünstiger betete, als zuvor. Bald fühlte er sich auch so gestärkt, dass er zu neuem Kampf gegen den Geisterkönig aufbrach. Noch ehe er die Geisterstadt erreichte, kamen ihm die schönen Prinzessinnen (Widodari = Genien), die sich in den starken Helden verliebt hatten, bis zu einer Bergkuppeam Südabhang des Semeru entgegen, der in Folge davon noch bis auf den heutigen Tag Widodaren heisst. Diesmal erschlug der Held den Geisterkönig, welcher Usu hiess, gab seinem Freunde, dem Radjah von Melusina, die schöne Prinzessin, und heirathete alle ihre Schwestern.

Ein Versuch, Javas höchsten Vulkan, den Semeru zu ersteigen, scheiterte an der Zaghaftigkeit und Böswilligkeit des Bedana von Madjang-tenga. Ich kam aber bis zur Kuppe von Widodaren, und hatte somit Gelegenheit, eine der eigenthümlichsten, wildesten und grossartigsten Landschaften zu sehen, die Java enthält. Von Malang läuft die Strasse SO., fast rechtwinklig fünf wasserreiche Bäche durchschneidend, die vom Westabhang des Berges Semeru her in den dicht am Ostabhang des Berges Kawi hinfliessenden Kali-Brantes fallen. Dieser umfliesst die Vulkanengruppe des Kawi, Kelut und Ardjuno in einem Bogen und mündet nicht weit von seiner Quelle an der Grenze von Surabaya und Pasuruan. Südlich von Malang kamen wir durch einen ganzen Wald von merkwürdigen, dem Waringi verwandten Feigenbäumen. Zwischen Madjang-tenga und Widodaren am Südwest-Abhang des Semeru, ist alles mit dichtem, feuchtem Wald bedeckt, in welchem riesige Bambusen auftreten und bald vorherrschend werden. Ich mass einige von 26 Zoll Umfang, es sollen noch dickere vorkommen; ihre Höhe beträgt 60–70', sie haben sehr dünne Wände und sind bis zur Spitze mit Wasser gefüllt, das krystallhell hervorsprudelt, wenn man die Halme anschneidet. Die Kulis kochten ihren Reis in diesem Wasser und zogen es dem der Bäche vor. Die hohen, dünnen, mit Wasser gefüllten Halme brechen leicht ab und bilden auf dem Boden ein viele Fuss hohes Durcheinander von mehr oder weniger morschen Röhren, auf denen man zuweilen wie auf einem Gerüst geht, häufig aber auch einbricht und dann tief in den morschen Boden einsinkt. Die Feuchtigkeit war sehr gross, selbst Nachmittags wehte jeder Luftzug einen Thauregen von den Blättern. Ein prachtvolles Stück Landschaft entfaltete sich am Bach Mandjing. Man überschreitet ihn kurz vor der Stelle, wo die flache Lavabank, auf der er bisher geflossen, plötzlich abbricht. Da der damals wasserarme Bach nur einige flache Rinnen in der Bank ausfüllte, so konnte man trockenen Fusses auf festem Gestein bis an den Rand des Abgrundes treten. Steht man in der Richtung des Wasserlaufes, so erhebt sich vor Einem eine beträchtlich höhere Tuffwand, in welche der Bach eine mehrere hundert Fuss tiefe Kluft mit senkrechten Wänden ausgewaschen hatte, so schmal, dass die hohen Bambusen, die auf den beiden oberen Rändern wachsen, sich darüber kreuzen. Auf der KuppeWidodaren, wo wir übernachteten, war es so feucht, dass wir nur mit grosser Mühe Feuer anzünden konnten. Der innerste Kern des trockensten Holzes, das zu finden war, wurde in dünne Stäbchen, so fein wie Zahnstocher, geschnitten, ein anderer Theil wurde fein geschabt und in den Händen zu Pulver zerrieben; nachdem erst dieses, dann die Stäbchen in Brand gebracht, wurden immer grössere Stückchen angelegt, bis zuletzt ein munteres Feuer entstand. Der Bedana traf erst eine Stunde später im Bivuak ein und fuhr fort, seine Zweifel gegen die Möglichkeit der Besteigung des Semeru auszusprechen. Gegen Abend hörten wir deutlich starke Schläge, wahrscheinlich Ausbrüche des Kraters, konnten aber wegen des dichten Nebels nichts sehen. Früh um 3 donnerte der Semeru abermals. Es war eine klare, sternhelle Nacht, der Gipfel deutlich sichtbar, ein Feuerschein aber nicht wahrzunehmen. Um 61/2Uhr früh waren wir endlich marschfertig, der Bedana stellte sich so müde, dass er schon nach 200 Schritten zusammensank und sich erst nach langem Zureden wieder ermannte. Nachdem wir auf Banteng- (wilde Büffel) Wegen eine Strecke weiter gestiegen, gelangten wir an eine Stelle, wo der Bedana das Weitergehen hartnäckig verweigerte. Quer vor uns lag eine tiefe Schlucht, deren beide Seitenwände aber durch einen Zwischenrücken aus Rapilli verbunden waren, es war derselbe Rücken, auf welchem Junghuhn früher die Schlucht überschritten, die einzige schwierige Stelle auf dem ganzen Wege. Er mag damals vielleicht etwas leichter zugänglich gewesen sein; denn jetzt erhoben sich auf dem scharfen Grat einzelne Pfeiler aus Rapillimasse, zu lose und zu steil, um darüber fortklettern zu können, aber leicht zu beseitigen. Der Bedana hielt es für zu gefährlich, den Rücken zu betreten, und verweigerte auch den Leuten die Erlaubniss. Ich bot meine ganze Beredsamkeit auf, räumte mit einem langen Bambus die ersten beiden Pfeiler so weit ab, dass man hinüber konnte; aber mein Beispiel war eben so unwirksam, als meine Bitten, keiner verliess den Rand der Schlucht. Nachdem ich so eine Stunde gearbeitet hatte, während der Bedana und seine Leute, Betel kauend, ruhig zusahen, überlegte ich, was zu thun sei. In einer Stunde hätten die Leute das Hinderniss beseitigen können, in 4–5 Stunden hätten wir dann den Gipfel erreicht. Wäre der Bedana nicht dabei gewesen, so wären mir die Leute gewiss gefolgt, wie schon so häufig auf schwierigen Stellen; sein Befehl hielt sie zurück. Ich musste mich zur Umkehr entschliessen. Ohne ein Wort zu sprechen, kehrten wir nach Madjang-tenga zurück, das wir an demselben Abend erreichten. Während ich gestern in gespannter Erwartungund fröhlichster Stimmung nur für die Pracht des Waldes Augen hatte, sah ich heut, niedergeschlagen durch das verfehlte Unternehmen, nur die Hindernisse, die die üppige Vegetation dem Reisenden in den Weg legt, und roch überall nur den Moder der faulenden Pflanzen. Die Einförmigkeit der Heimreise wurde nur durch die Ausbrüche des Semeru unterbrochen. Ein erster lauter Knall erfolgte um 11, dem andre um 12, 121/4, 1, 2 Uhr folgten. Von 4 Uhr an donnerte es fast eine Stunde lang mit ganz kurzen Unterbrechungen, jeder Ausbruch dauerte etwas weniger als eine Minute, die Pausen waren gewöhnlich nicht viel länger. Welch prachtvolles Schauspiel müssten wir auf der Gipfelplatte gehabt haben!

Auf dem Wege nach Malang begegnete uns ein eigenthümliches Brautpaar, der Bräutigam über 20, die Braut kaum 9 Jahre alt. Beide sassen mit Blumen geschmückt, gelb bemalt, in einem offenen Wagen neben einander; die Braut sah schüchtern und gelangweilt, der Bräutigam sehr albern aus. Ueber sie hielt man einen grossen Sonnenschirm. Ein Zug geputzter Leute mit Gamelang-Musik folgte dem Wagen. Ich erfuhr, dass sich häufig erwachsene Männer Kinder antrauen lassen, die dann bis zu ihrer Mannbarkeit bei den Eltern bleiben. Einen Paal östlich von der Strasse, die von Malang nach Pasuruan führt, liegt der Wasserfall Kali-Baong, ein von Reisenden oft besuchter schöner Punkt. Vor etwa 8 Tagen besichtigte ihn ein Engländer, den ich in Malang kennen lernte, mit seiner Frau. Als sie wieder nach ihrem Wagen zurückgingen, sprang ihnen plötzlich ein grosser Tiger in den Weg, glotzte sie an und lief weiter, ohne sie anzugreifen.

Ohne mich in Pasuruan aufzuhalten, reiste ich nach der etwa 20 Paal weiter östlich an der Küste gelegenen Hafenstadt Probolingo, um von dort aus noch das Tengger-Gebirge und den Lamongan zu besuchen. Das Küstenland behält denselben Charakter, wie zwischen Surabaya und Pasuruan, die Zuckerfelder bedecken einen sehr grossen Raum; die Einförmigkeit der flachen Reisfelder wird angenehm unterbrochen durch einzelne Fächerpalmen und sehr zierliche Wächterhäuschen auf hohen Gestellen, die mitten aus den Feldern hervorragen. Häufig gehen von ihnen nach allen Richtungen lange Stricke aus, an denen Bambusklappern hängen. Ein kleiner Junge setzt sie in Bewegung und vermehrt den Lärm nach Kräften, um die Vögel zu verscheuchen. Von Probolingo führt eine fahrbare Strasse bis Paras-goang an der Südküste; die Entfernung beträgt in gerader Linie 45 Paal (9 deutsche Meilen), das ist die schmalste Stelle der ganzen Insel. Westlich von der Strasse erhebensich das Tengger- und Semeru-Gebirge, östlich der fast immer thätige Lamongan. Nur in der Mitte wird die sonst ebene Strasse von einer kleinen Erhebung unterbrochen; südlich davon breitet sich eine weite Fläche aus, die weiter nach Osten versumpft und an der südlichen Küste durch eine niedrige Dünenwand eingefasst wird. In der Mitte dieser Ebene bei Lemadjang fand ich einen pensionirten deutschen Arzt, der damit umging, für eine Gesellschaft europäischer Kapitalisten eine Cocospflanzung von 100,000 Bäumen anzulegen. Er erwartete den Landvermesser, der ihm das von der Regierung bereits bewilligte Pachtland überweisen sollte, um dann gleich an die Arbeit gehen zu können. Die Pläne schienen wohl erwogen. Zwischen den Cocos, die vor dem 9ten Jahr kaum einen nennenswerthen Ertrag geben, sollten Cacao, die schon nach 4 Jahren, und Erdnüsse gezogen werden, die gleich im ersten Jahre eine Ernte gewähren. Die Erwartung, dass eine solche Pflanzung, wenn sie erst einmal in vollem Betriebe ist, jährlich einen Nutzen von 1 Dollar per Baum, also 100,000 Ds. abwerfen werde, so übertrieben sie auch denen scheinen mag, die nur mit den Erträgen europäischer Kulturen bekannt sind, stimmten genau mit den Notizen überein, die ich in Malacca darüber gesammelt hatte; nur rechnet man hier die Kosten der Anlage auf einen D. per Baum, in Malacca auf einen halben, so dass hier jemand, nachdem er 8–9 Jahre gewartet, jährlich 100%, dort 200% Zinsen von seinem Kapital pflücken würde.

Das grosse Geschick der Javanen in der Beurtheilung geringer Höhenunterschiede habe ich bereits früher gerühmt; dass sie mit grosser Genauigkeit nach dem Stand der Sonne die Zeit zu bestimmen vermögen, ist kein Wunder; im östlichen Java aber fand ich die Leute so ausgezeichnet orientirt, dass sie selbst im Hause statt der Ausdrücke rechts, links, vorn, hinten u. s. w. gewöhnlich die Himmelsrichtungen gebrauchten, z. B, gieb mir die nordwestliche Schüssel, stelle Dich südl., komm nach Osten u. s. w.

Nach einem mehrtägigen Aufenthalt im Tengger-Gebirge, dessen rein geognostische Ergebnisse hier nicht am Platz sind, besuchte ich noch den Lamongan. In angenehmer Gesellschaft verlebte ich den Abend am stillen Ufer des waldumsäumten von Tigern umschlichenen Klakasees und brach am folgenden Morgen mit dem Adjudanten des Obersten v. S. auf, um den so selten ruhenden Lamongan zu ersteigen, dessen Gipfel sich in unserm See spiegelte. Man zweifelte sehr an der Ausführbarkeit unseres Unternehmens. Junghuhn hatte bei seinen verschiedenen Besuchen nicht einmal den Versuch machen können, da der Vulkan dann immer in vollerThätigkeit war. Wir ritten zuerst SW. um den Rand des Sees herum, durch Kaffeegärten, dann Ost, geradeaus durch dichten Wald, in welchem nur zwei Stellen zur Anlage neuer Desas frisch gelichtet waren. Nach zweistündigem Ritt erreichten wir mit der Grenze des Waldes ein ebenes Lavafeld von etwa 9° Neigung, durch tiefe Sprünge vertikal zerklüftet und mit einem dichten Teppich von schönen Flechten bekleidet, auf dem wir bequem an den Fuss des Auswurfskegels gelangten. Er bestand an dieser, der Südseite, aus ziemlich festem Sand, der stellenweis mit Auswürflingen überschüttet war, die der Regen vom oberen Gehänge herabgespült hatte. Das Aufsteigen auf diesem Boden war äusserst beschwerlich, weshalb denn auch unsere Kulis nach ostjavascher Sitte allmälig zurückblieben und einer nach dem andern hinter grossen Steinen untertauchten. Alles Zureden, Schelten, Drohen brachte sie nicht wieder zum Vorschein, so dass wir schliesslich mit unsichtbaren Zuhörern sprachen. Mit ihnen verschwanden auch unsere Instrumente, darunter ein Barometer. Nach einigen Stunden mühsamen Kletterns erreichten wir im obersten Drittel des Kegels eine feste Lavabank, ohne Schlackendecke, welche letztere wohl längst durch Regen und Wind in die Tiefe gestürzt worden. Das Vorkommen einer solchen festen Bank an einem Abhang von mehr als 30° Neigung war gewiss interessant! Sie gewährte uns ein ziemlich sicheres Auftreten und reichte fast bis an den Gipfel. Nur die letzten 40' etwa bestanden aus gelbem Sand. Aus allen Spalten der Kuppe, bis auf 100' abwärts, drangen sehr heisse Wasserdämpfe; schweflige und salzsaure waren durch den Geruch nicht wahrzunehmen. Links von uns, im W. zog sich in NO.-SW.-Richtung eine gegen 100' breite, flache, muldenförmige, bolusrothe Rinne auf2/3des Kegels hinab, an ihrem oberen Ende war die Dampfentwickelung besonders stark. Die Spitze des Kegels war schon seit einer Stunde in dichten Nebel gehüllt, der ganze Krater mit kondensirten Dämpfen erfüllt; ich sah nichts als das Segment des Randes, auf welchem ich stand. Nur einmal schimmerten zwei Felsenpfeiler durch den dicken Nebel, deren Entfernung und Richtung auf eine grosse Dimension und senkrechte Wände des Kraters schliessen liessen. Nachdem wir vergeblich eine kurze Zeit auf etwas Aussicht gewartet, verkündete ein Donnerschlag, von einigen grossen Regentropfen begleitet, den Anfang eines Gewitters. Wir entschlossen uns zum Rückzug und verliessen ohne Ergebniss den mühsam erklommenen Gipfel. Der Regen wurde zu einem wahren Sturzbad; vorsichtig rutschten wir die nun glatte Lavabank hinab, wobei uns beiden die Stöcke entfielen, die in gerader Richtung in die Tiefe glitten. DerSand, durch den Regen in einen schweren, schwarzen Brei verwandelt, floss in breiten, flachen Massen träge abwärts. Die Steine, durch das Wasser wie belebt, stürzten mit reissender Schnelle die neu entstandenen Rinnen entlang, wie Sturzbäche, deren grösseres Volumen aus Steinen bestand. In einer solchen, die ich wegen ihrer stufenförmigen Sohle zum Hinabsteigen gewählt hatte, wurde ich mehrere Klafter weit aufrecht stehend fortgerissen, ehe ich mich auf das Ufer retten konnte. Die elektrischen Entladungen waren sehr stark; ein Schlag, der den Berg traf, warf meinen Begleiter und mich gleichzeitig zu Boden, was aber wohl hauptsächlich unserer unsicheren Basis zuzuschreiben war. Wir hatten nun etwa die Hälfte des Abhangs zurückgelegt und folgten einer flachen Rinne. Die durch den Regen und Wind vom oberen Gehänge gelösten Steine hatten hier schon solche Fallkraft erlangt, dass sie in mehr als haushohen Bögen den Berg hinabsprangen. Von beiden Seiten gelangten sie in unsere Mulde und bildeten ein wahres Kreuzfeuer. Zeitweis flogen sie so dicht, dass wir darauf gefasst sein mussten, zerschmettert zu werden. Einige wenige hatten reichlich 1' Durchmesser, die meisten waren kaum 5–6'' gross. Aber selbst den grossen vorsätzlich auszuweichen, war nicht möglich, da sie bei jedesmaligem Aufschlagen ihre Richtung änderten. Wir waren hier hülflos dem blinden Zufall preisgegeben, retteten uns aber endlich auf den höher gelegenen Rand, wo wir nur selten in Gefahr kamen. Den Umständen nach befanden wir uns wohl, mein Begleiter hatte einige schmerzhafte Quetschungen erhalten, die ihm das Athmen sehr erschwerten, ich war mit einer starken Kontusion und einem Loch im Bein davongekommen. Indem wir hier einige Augenblicke ausruhten, musste ich mir gestehen, kaum jemals ein prachtvolleres, grossartigeres Naturschauspiel in grösserer Nähe beobachtet zu haben; der peitschende Regen trat neben den übrigen Erscheinungen ganz in den Hintergrund. Als wir den Fuss des Kegels erreichten, hörte der Regen auf. Mein Begleiter hatte sich auf der ganzen Tour sehr wacker gehalten, wie es sich für einen jungen Krieger ziemt, erklärte aber zum Schluss, dass er sich das Studium der Geologie ganz anders vorgestellt habe und keine besondere Neigung dafür empfinde. Gegen Sonnenuntergang erreichten wir den Pasanggrahan, gleichzeitig mit dem Oberst, der in einem Nachen von einer Jagdpartie zurückkehrte und uns ungläubig auslachte, als wir behaupteten, den Gipfel des Berges erstiegen zu haben.

Beinwunden heilen in heissen Ländern ausserordentlich schwer, der Arzt in Probolingo sagte zwar, ich habe gutes „Geneesvleesch”, unterwegsverschlimmerte sich aber die Wunde wieder und heilte erst, nachdem ich eine Woche in völliger Ruhe unter der Pflege eines vortrefflichen deutschen Arztes in Plantungan zugebracht hatte. Ueberdies trat auch jetzt die Regenzeit mit solcher Entschiedenheit ein, und mein Aufenthalt in Java hatte so sehr die ursprünglich dafür bestimmte Zeit überschritten, dass ich theils im Dampfboot, theils zu Lande der flachen nördlichen Küste folgend, nach Batavia zurückeilte. Besonders bedauerte ich, von Surabaya und seiner Umgebung bei meiner ersten Anwesenheit so wenig gesehen zu haben, da die interessanten Exkursionen nach den vielen Regierungs- und Privatetablissements dieser in hohem Grade gewerbthätigen Stadt nun unterbleiben mussten. Surabaya hat bei weitem den besten Hafen von Java; hier mündet auch der bedeutendste Fluss der Insel und die Regierung hat dort grosse Schiffswerften und Maschinenbauanstalten, in denen unter Leitung weniger europäischer Offiziere alle Arbeiten von Inländern ausgeführt werden.

Es war Anfang Dezember geworden, alle Tage hatten wir starke Regen; bei Tagal, einer kleinen Hafenstadt zwischen Cheribon und Samarang, war der Fluss so angeschwollen, dass er kaum in seinem Bett Platz hatte. Zu beiden Seiten der durch 1 - 11/2Fuss hohe Dämme geschützten Landstrasse waren die flachen Reisfelder (nicht künstlich bewässerte Sawas) in Seen verwandelt, aus denen einzelne Häuser wie Schiffe hervorragten. Der Eintritt der Regenzeit hatte grosse Thätigkeit hervorgerufen, überall wateten hoch aufgeschürzte Frauen im Sumpf und pflanzten Reis, Männer betheiligen sich nicht an dieser Arbeit. — Korrespondenz, Verpacken und Versenden von Sammlungen, nahmen die wenigen Tage bis zum Abgange des Dampfers nach Singapore fast gänzlich in Anspruch, so dass ich von Batavia und seinen interessanten Museen nur wenig sah.

Eine Geschichte von Java, so kurz, wie die am Schluss von Singapore und Malacca gegebenen, würde wenig mehr enthalten, als sich in jeder grösseren Geographie findet; eine ausführlichere liegt nicht im Plan des Buchs. So schliesse ich denn die flüchtigen Skizzen dieses Reiseabschnitts mit dem Wunsch, dass der Spruch: „Wer Vieles bringt, wird Manchem etwas bringen”, sich auch hier bewähren möge.


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