ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

Natürlich war man unter solchen Umständen auch in Hessen in der Verfolgung der Hexen nicht träge. Die Verdächtigten wurden eingezogen, „ad bancum geführt“, wurden „in banco gefragt“ und mussten „güt- und peinlich“ bekennen. Die Folter wurde zuweilen in entsetzlicher Weise angewendet. Allein wenn schon die Hexenverfolgung in Hessen durch das ganze siebenzehnte Jahrhundert hin dauerte[106], so kamen hier verhältnissmässig doch bei Weitem nicht so viele Hexenverbrennungen vor als in anderen Ländern. Auch war das Prozessverfahren immer ein streng geordnetes. Die Prozessakten mussten von der juristischen Fakultät zu Marburg geprüft und das Todesurtheil musste dem Landesherrn zur Bestätigung vorgelegt werden.

Hatte es sich im Prozess herausgestellt, dass die Verhörte sich wohl des Lasters der Zauberei im höchsten Grade verdächtig gemacht, dass ihr dasselbe aber doch nicht sicher erwiesen werden konnte, so wurde sie zwar ab instantia entbunden, aber gewöhnlich mit Landesverweisung unschädlich gemacht oder zu öffentlicher Arbeit verurtheilt, und so für eine Zeit unter öffentliche Aufsicht gestellt und auch ein solches Urtheil musste von der juristischen Fakultät geprüft und bestätigt sein, wenn es rechtskräftig sein sollte[107]. Vor der Entlassung aus demKerker musste jedoch die Inquisitin Urphede schwören und geloben, dass sie nicht allein die aufgelaufenen Gerichtskosten bezahlen, sondern auch wegen der ausgestandenen Haft und Tortur sich weder an der Landesherrschaft noch an deren Beamten und Unterthanen rächen wollte.

Aber auch die Lage der Freigesprochenen war oft, ja sogar in der Regel, eine überaus traurige. Man hielt sie im Kerker noch fest, bis die Gerichtskosten bei Heller und Pfennig bezahlt waren. Die Mutter eines Bürgers Fröhlich zu Felsberg z. B. war der Zauberei beschuldigt, zum peinlichen Prozess condemnirt, zwei Jahre im Thurm „angeschlossen“ in Haft gehalten und gefoltert worden. Das Gericht selbst bezeugte, dass die Frau die peinliche Frage zu grosser Verwunderung ausgestanden und nichts bekannt habe. Daher war die Unglückliche von der Juristenfakultät zu Marburg 1664 freigesprochen worden. Die peinlichen Richter wollten sie aber nicht aus ihrer Haft entlassen, bis ihr Sohn für die Zahlung der (62 Rth. 18 Albus, d. h. nach dem jetzigen Geldwerth etwa 900 Mark) Bürgschaft geleistet hätte, worüber der Sohn bei dem Landgrafen Beschwerde führte.

In der Volksmeinung war jedes Weib, das einmal in den Verdacht der Hexerei gekommen war, unehrlich. Als 1695 (also ganz am Ende des siebenzehnten Jahrhunderts) die Wittwe eines dasigen Schneidermeisters, die als der Zauberei verdächtig lange Zeit auf dem Schlosse im Hexenthurm gesessen hatte, vor der Beendigung des mit ihr angestellten Prozesses gestorben war, musste die (anfangs sich weigernde) Schneiderzunft daselbst durch Drohungen gezwungen werden, die Leiche der „Hexe“ zu Grabe zu tragen. — Wie aber in der ersten Hälfte des Jahrhunderts ein Theil der Geistlichkeit in dieser Beziehung dachte, ist aus einem Consistorialprotokoll vom 15. April 1664 zu ersehen. Im Jahr 1663 war nämlich eine zu Eschwegelebende Wittwe (Holzapfel) in den Verdacht der Hexerei gekommen. Darüber in Haft und Untersuchung genommen, hatte sie die völlige Grundlosigkeit dieser Beschuldigung dargethan und war freigesprochen worden. Aber gleichwohl wollten der Superintendent Hütterodt und dessen beide Amtsbrüder zu Eschwege die anrüchig Gewordene nicht zum Abendmahl zulassen. Die Wittwe wendete sich daher beschwerdeführend an das Consistorium zu Cassel und dieses gab Hütterodt auf, der Wittwe die Gemeinschaft des Sakraments nicht zu versagen. Die drei Geistlichen aber beharrten hartnäckig bei ihrer Weigerung, indem sie sogar erklärten, sie würden eher ihre Aemter niederlegen, als der Holzapfel das Sakrament reichen. Da beschloss indessen das Consistorium durchzugreifen, lud die Geistlichen vor seine Schranken und zwang dieselben der Wittwe, „da sie des beschuldigten Lasters der Hexerei nicht habe überführt werden können“, den Trost des Sakramentsgenusses zu gewähren.

Seltsamer Weise kam in Hessen auch der Fall vor, — wohl der einzige Fall dieser Art, — dass eineJüdinals Hexe angesehen ward. Die Jüdin Golda nämlich, des Kaiphas zu Kell im Amte Ulrichstein Tochter und des Juden Rubens zu Treis a. d. Lumde Ehefrau, hatte im Jahr 1669 ihr Häuschen zu Treis in der Absicht angesteckt, um dadurch das ganze Dorf in Asche zu legen. Vor Gericht gezogen, gestand sie nicht nur diese ihre Absicht, sondern auch, dass sie ihre Seele dem Teufel verschrieben, dass sie in ihrer Jugend mit einem Bäckergesellen gebuhlt habe, dass sie von ihrer Mutter schon im Mutterleibe verflucht worden sei, und dass sie darum diese wieder verflucht habe. Sie erklärte, dass sie sich von Gott verstossen wisse und nicht mehr beten könne, und bat darum um den Tod, womöglich mit dem Schwerte. — Sie ward nach Marburg in den Thurm gebracht, hier aber als irrsinnig erkannt und bald entlassen. — Von einer etwaigen Teufelsbuhlschaft war in dem Prozess keine Rede.

Besonders schwunghaft wurde die Hexenverfolgung in der (seit 1647 zu Hessen-Cassel gehörigen) GrafschaftSchaumburgbetrieben. Hier hatte ein Professor der Jurisprudenz zu Rinteln,Hermann Göhausenaus Brakel im Lippeschen (†1632) im Jahr 1630 — zu derselben Zeit wo in Rinteln (1631) der menschenfreundlicheFriedrich Speeseine Cautio criminalis (heimlich) drucken liess — seine Anweisung zur Führung des Hexenprozesses[108]herausgegeben,worin er vor unzeitigem Mitleiden warnte. Nach diesem Codex wurde nun in Rinteln gegen die Hexen verfahren. Im hessischen Staatsarchiv liegen namentlich aus der Zeit von 1654 an zahlreiche Hexenprozessakten vor, die mancherlei Eigenthümliches wahrnehmen lassen. Die Verhaftung und Verhörung der Verdächtigen ging von Bürgermeister und Rath aus, welche die Eingezogenen im Rathhaussaal zu Protokoll vernahmen. Doch ist zu beachten, dass Bürgermeister und Rath in Hexensachen nichts thaten, ohne die juristische Fakultät zu Rinteln zu befragen, so dass diese der eigentliche Hexenrichter war. War das erste Protokoll, in welchem die Angeklagten jede Schuld ableugneten, der Fakultät zugeschickt, so verfügte diese, dass die Verdächtigen zur Folter geführt und hier nochmals zu einem reuigen Geständniss ihrer Schuld ermahnt werden sollten. Gewöhnlich appellirten dann dieselben an die Wasserprobe, welche an der Weser in der Weise vorgenommen ward, dass man sie zweimal an Händen und Füssen kreuzweise gebunden und einmal ungebunden ins Wasser liess. Regelmässig schwammen aber dabei die Angeklagten oben auf, wesshalb nun die Fakultät auf Anwendung der scharfen Frage erkannte. Am 21. Aug. 1660 wurde eine Angeklagte auf der Folterelfmalaufgezogen und dabei noch „etliche Male gewippt“. Gewöhnlich schrieb die Fakultät folgende generellen „Inquisitionales“ vor, über welche den Unglücklichen Geständnisse abgefoltert werden sollten: 1) ob sie zaubern könnten; 2) von wem, zu welcher Zeit und an welchem Orte sie esgelernt und was sonst dabei vorgegangen; 3) ob sie Menschen und Vieh mit Bezauberung und Vergiftung Schaden gethan; 4) wem, an welchem Ort, zu welcher Zeit und mit was für Mittel; 5) ob sie andere Personen, Männer oder Weiber kennten und wüssten, so neben ihnen zaubern könnten, und woher sie solches wüssten. — War nun bezüglich dieser und der übrigen Spezialfragen den Gefolterten das gewünschte Geständniss abgepresst, so ordnete die Fakultät auf Grund des ihr vorgelegten Torturprotokolls ein peinliches Halsgericht an, welches auf dem Marktplatze gehalten ward, und von diesem ging es dann entweder direkt oder nach nochmaliger Einkerkerung der Verurtheilten zum Scheiterhaufen.

So wüthete die Hyder der Hexenverfolgung Jahr aus Jahr ein in allen Gauen Hessens, bis zum Jahr 1673, wo dieselbe nachzulassen begann.

Im Jahr 1672 war auf leeres Geschwätz hin die Katharine, Ehefrau des Opfermanns Lips zu Betziesdorf in Oberhessen — ein heldenhaftes Weib — in den Hexenthurm zu Marburg eingesperrt und in grässlicher Weise torquirt worden[109]. Indessen hatte man ebensowenig ausderselben ein Geständniss herausmartern als wirkliche Indizien herbeischaffen können. Sie wurde daher von derInstanz entbunden und nach Ausstellung der Urphede (4. Mai 1672) entlassen. Indessen behielt man die Frau fortwährend im Auge, und indem man endlich die gewünschten Indizien gewonnen zu haben glaubte, so wurde sie im folgenden Jahre wiederum verhaftet und am 4. November 1673 zu Marburg nochmals und noch entsetzlicher gemartert. Sie wurde viermal aufgezogen, sechzehnmal wurden die Schrauben so weit geschraubt als es nur möglich war, und da sie wiederholt in Starrkrampf verfiel, so wurde ihr wiederholt mit Werkzeugen der Mund aufgebrochen, damit sie bekennen sollte. Bald betete sie, bald brüllte sie „wie ein Hund“. Aber grösser noch als die Bosheit ihrer Peiniger war die Seelenstärke dieses Weibes, denn sie gestand nichts. In dem Berichte an die Landgräfin Hedwig Sophie vom 4. November 1673, mit welchem die fürstlichen Räthe zu Marburg die Einsendung der Akten einschliesslich des Torturprotokolls begleiteten, bemerkten dieselben, dass die Frau auf der Folter durch Zauberei sich müsse unempfindlich gemacht haben, weil sie sonst die Tortur unmöglich in solcher Weise hätte ertragen können. Da sah aber doch die Landgräfin ein, dass sie die Gerichte nicht länger dürfe so fortwüthen lassen. Allerdings wurde die unglückliche Lips zur Landesverweisung begnadigt; zugleich aber erliess die Landgräfin von Kassel aus unter dem 15. November 1673 an die Kanzlei zu Marburg den Befehl, „das Gericht ernstlich dahin anzuweisen, dass dasselbe in dergleichen Hexenprozessen mit sonderbarer Circumspection und Behutsamkeit verfahre, insonderheit auf blosse Denunziation und anderen geringen Argwohn, wenn nicht das Corpus delicti notorie und andere starke und triftige Umstände vorhanden, nicht so leicht Jemanden zu Haften bringe, weniger denselben ohne vorhergehende Communikation mit den Räthen peinlich vorstelle.“

Von da an verringerte sich die Zahl der jährlich vorkommenden Hexenprozesse. Doch fand und verfolgte man hier und da in Hessen noch über das Ende des siebenzehnten Jahrhunderts hinaus Hexen; allein man verfuhr inder Einziehung und Inquisition vorsichtiger und brannte weniger. Der letzte Hexenprozess, über welchen im hessischen Staatsarchiv Akten vorliegen, fand in den Jahren 1710 und 1711 statt. Damals war nämlich die Ehefrau Anna Elisabeth Ham zu Geismar allerlei zauberischer Tücken beschuldigt worden. Man hatte sie daher in den Hexenthurm zu Marburg gebracht, verhört und der Fiskal hatte, da sich die Verhörte keiner Zauberei schuldig bekennen wollte, Tortur beantragt. Das Gericht ging jedoch auf den Antrag nicht ein, sondern entband am 13. Mai 1711 die Angeklagte von der Instanz. In dem Verhör hatte aber dieselbe auf Befragen noch bekennen müssen, es sei „wahr und ausser allem Zweifel, dass es wirkliche Hexen und Zauberer gebe, die nämlich Gott absagen, sich mit dem Teufel verbinden, durch dessen Hülfe und Unterricht mit verborgenen Künsten Menschen und Vieh Schaden zufügen, auch wohl Wunderthaten verrichten.“ — So ging die Hexen Verfolgung in Hessen zu Ende.

InNassauwüthete die Hexenverfolgung namentlich seit 1628. Um hier mit den Unholden recht gründlich aufzuräumen, bestellte die Landesherrschaft in den Dörfern Ausschüsse, welche als öffentliche Ankläger alle wegen Hexerei verdächtig werdenden Personen den im Lande umherziehenden Hexencommissären zur Anzeige bringen sollten, woneben den Geistlichen auf einer Landessynode, welche der Superintendent Weber am 3. November 1630 zu Idstein hielt, aufgegeben ward, ihre Gemeinden von der Kanzel herab vor dem gräulichen Laster der Zauberei zu warnen, — was seitdem namentlich an jedem St. Andreastage geschah. Und rasch füllten sich alle Kerker mit Unglücklichen, die als Verbündete und Werkzeuge des Satans galten. Durch die Folter erfuhr man von ihnen die Namen von gewissen Stätten, an denen die Hexen und Zauberer ihre Versammlungen hielten, namentlich die Limburger Haide zwischen Diez und Limburg, die Herrenwiese bei Dillenburg, die Klippelshaide und die Altenburg bei Idstein, die Deissighafer Haide bei der Eiche u. s. w. Dahin kamen die Hexen und Zauberer auf Ofen- und Mistgabelnreitend, oder in einem von vier schwarzen Katzen gezogenen Wagen fahrend, zusammen, tanzten nach der Querpfeife, der Trommel, der Trompete, assen und tranken und buhlten miteinander. Die Seuche des Hexenwahns hatte bereits alles Volk erfasst, so dass in der ungeheueren Erregung, welche die Gemüther ergriff, Einzelne sich selbst für Hexen hielten. Ein Mädchen aus Amdorf, Katharine Jung, bekannte sich selbst bei ihrem Vater als Hexe, der sich infolge dessen in seinem Gewissen dazu gedrängt fühlte, am 1. Mai 1631 die eigene Tochter in Herborn zur Anzeige zu bringen, wo sie schon am 11. Mai hingerichtet wurde. Das Prozessverfahren war meist ein sehr summarisches. Selten dauerte ein Prozess über vierzehn Tage, indem man mit der Tortur Alles rasch fertig brachte. Nicht Wenige starben aber in den Kerkerlöchern der Hexenrichter infolge der erlittenen Tortur oder machten aus Verzweiflung ihrem Leben selbst ein Ende. Das Eine wie das Andere war nach allgemein herrschender Annahme natürlich das Werk des Teufels. So fand man in Herborn Hans Martin Stein's Wittwe, die wegen Hexerei in Untersuchung stand und gefoltert war, Tags darauf todt im Gefängniss. Das konnte aber nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Erinnerte man sich doch, dass während der Tortur eine Speckmaus, so gross wie eine Taube, in den Thurm geflogen war! Ja es legten selbst zwei berühmte Aerzte zu Herborn bei drei Frauen, die nach überstandener Tortur entseelt im Kerker vorgefunden waren, das visum repertum ab, dass die eine weder an den Folgen der Tortur noch an einer Krankheit gestorben, sondern dass ihr der Hals umgedreht sei, dass die zweite müsse Gift genommen haben, und dass sich bei der dritten über die Todesursache nichts Sicheres sagen lasse. — Eine Frau von Langenaubach machte in der Nacht vor dem bereits bestimmten Tage ihrer Exekution ihrem Leben dadurch ein Ende, dass sie das feuchte Stroh ihres Schmerzenslagers anzündete, und sich in dem Rauche erstickte. Dabei aber lebten die Hexenrichter herrlich und in Freuden. Der Amtskeller zu Camber schrieb am 28. Nov. 1630,„dass wenn über die Zauberer Verhör gehalten werde, Alles auf Kosten der Hexen gehe und man nichts fehlen lasse, Kost und Wein würden bei dem Wirthe geholt.“

So ging es im Nassauer Lande vier Jahre lang, von 1629–1632, und in diesen vier Jahren sah man in allen Theilen des Landes die Scheiterhaufen lodern. Allein in Dillenburg wurden damals fünfunddreissig, in Driedorf dreissig, in Herborn sogar neunzig Personen justifizirt. Schliesslich drohte die Hexenverfolgung sogar Leute, die den hervorragenderen Ständen angehörten, zu erfassen. So war der Geheimsekretär Dr. Hön zu Dillenburg, ein Vertrauensmann des Grafen, der denselben zu den wichtigsten Missionen gebrauchte, von einer wegen Hexerei in Untersuchung gezogenen Person zu Eibach angezeigt worden, dass er als Hexenmeister am HexensabbathTheil genommenund daselbst die üblichen Gräuel begangen habe. Auf der Limburger Haide sollten die Vornehmen beim Hexentanz sich oft haben sehen lassen; ja man fand sogar einmal bei einer notorischen Hexe den silbernen Becher eines vornehmen Herrn, mit welchem der Wein bei einem solchen Gelage kredenzt worden sein sollte.

Vielleicht trug gerade diese Wendung, welche die Hexenverfolgung nahm, dazu bei, dass dieselbe nach 1632 überall im Lande nachliess. Doch schon 1638 brach die Seuche aufs Neue aus, indem damals auf ausdrückliches Verlangen der Gemeinden aufs Neue Ausschüsse zur Aufspürung der Hexerei ernannt wurden, namentlich im LandeSiegen. Dem Schultheissen zu Freudenberg wurde ein Verweis ertheilt, weil er die Denunziationen der öffentlichen Ankläger unbeachtet gelassen hatte. Bald war daher keine Frau und kein Mädchen im Lande vor den Fallstricken der Hexen-Inquisition mehr sicher und die Landesherrschaft sah sich doch genöthigt, das Treiben derselben in gewisse Schranken zu verweisen. Der GrafJohann Ludwigzu Hadamar erliess daher unter dem 20. Juli 1639 an seine Räthe ein Reskript, worin er erklärte, dass allerdings das Laster der Zauberei bestraft werden müsse, wo es sich zeige, zugleich aber auch die Räthe ermahnte,darauf hinzuarbeiten, „dass keinem Unschuldigen weder an Ehre, Leib und Seele zu kurz oder mehr geschehe, wie man gemeiniglich zu thun pflege. Dabei sei grosser Fleiss, Sorge und Fürsichtigkeit zu gebrauchen, und solches mit gottesfürchtigen und gelehrten Theologen und Rechtsgelehrten zu berathschlagen, auch unverdächtige, gottesfürchtige, verständige Leute zu Commissären zu gebrauchen, damit die Bosheit gestraft und die Unschuld beschützt werde.“ Durch dieses Einschreiten des Grafen mag manches schon bedrohte Leben gerettet worden sein; aber die in dem nassauischen Staatsarchiv zu Idstein massenhaft aufbewahrten Akten von Hexenprozessen beweisen, dass der Dämon der Hexenfurcht und der Hexenverfolgung im Lande Nassau durch das ganze Jahrhundert hin wüthete[110]. Ein grosser Hexenprozess fand 1676 zu Idstein statt, der insbesondere wegen des Standes der angeklagten und verurtheilten „Hexe“ besonderes Aufsehen machte. Der Prozess betraf nämlich die Gattin des Pfarrers von Hefftrich bei Idstein, Cäcilie, geb. Wicht. Das Gericht erkannte auf den Tod durch Feuer, und der Graf Johann VI. von Nassau-Dillenburg bestätigte am 22. März 1676 das gefällte Urtheil[111], welches alsbald vollzogen ward.

InHamburgwar im Jahre 1603 (oder 1605) die Aufstellung eines neuen Stadtrechts erfolgt[112], in welchem es (IV. 2) hiess: „Die Zauberer und Zauberinnen, die mit verbotenen Mitteln dem Menschen oder dem Vieh an Leib und Leben Schaden zufügen, oder auch, die aus bösem Vorsatz von Gott und seinem heil. Wort vergessentlich abtreten und mit dem bösen Feinde sonderbare, hochärgerliche Verbündnisse machen, werden, nach Gelegenheit ihrer beweislichen Bewirkung, mit Feuer oder mit dem Schwert am Leben gestraft.“ — Das Gesetz unterscheidetalso zweierlei Verbrechen, nämlich das der Schädigung von Menschen und Vieh durch verbotene Zaubermittel und das des aus bösem Vorsatz (also auch zum Zwecke der Schädigung) eingegangenen Teufelsbündnisses. Die Zauberei an sich wird also nicht ausdrücklich bedroht. Wichtiger aber ist, dass die im älteren Recht ausgesprochene Ergreifung des Verbrechers auf frischer That nicht mehr als Merkmal eines strafbaren Verbrechens hingestellt, sondern der Kriminalbeweis gefordert wird, womit die Möglichkeit gegeben war, schon dasGeständniss, daserpressteGeständniss als Beweis geltend zu machen. Daher kam die Hexenverfolgung in Hamburg jetzt erst recht in Zug. Doch gelangte dieselbe hier niemals zu einer solchen Ausdehnung wie anderswo. Im Jahr 1643 wurde eine „alte Hexe“ Cillie Haubeis hingerichtet. Es wird von ihr gesagt, dass sie ihren Mann ermordet habe, dass sie darum viermal mit dem Rade gestossen und dass alsdann ihr Körper zu Asche verbrannt worden sei. Dieses war die letzte nachweisbare Hexenverbrennung in Hamburg, die sich noch damit entschuldigen lässt, dass hier ein Gattenmord zu sühnen war[113].

InPommernmachte die Prozedur gegen eine adliche Dame,Sidonie von Borck, besonders viel von sich reden. Dieselbe war allerdings eine unerquickliche, rohe, ränkesüchtige und noch im siebenundfünfzigsten Lebensjahre heirathslustige Person, die im Stift Marienfliess, in welchem sie mit zweiundzwanzig anderen (meist jüngeren) Klosterschwestern zusammenlebte, allgemein gehasst ward. Der Klosterhauptmann bezeichnete sie amtlich als „Klosterteufel, unruhiges Mensch, Schlange.“ Die allgemein Gehasste war aber bald auch die von Allen Gefürchtete, indem sie sichder Kraft ihres Gebets zur Bestrafung ihrer Feinderühmte und dabei allerlei Quacksalberei trieb und sympathetische Kuren machte. Als nun eine umherziehende alte Wahrsagerin, die „dicke Wolte Albrechts“, die man als der Hexerei verdächtig eingezogenhatte, auf der Folter sich der Teufelsbuhlschaft schuldig und auf die Sidonie von Borck als ihre Mitschuldige bekannt hatte, war das Geschick der letzteren bereits entschieden. Die Wahrsagerin ward hingerichtet, die Urgicht derselben gegen Sidonie stand somit unwiderruflich fest und diese ward als Teufelsbuhlin, welche den Herzog Philipp II. von Pommern wegen Rechtsversagung aus Rache „zu Tode gebetet“ habe, aus dem Kloster nach Stettin in die damals schon verödete Oderburg gebracht. In der nun mit ihr angestellten Inquisition wurden gerichtsseitig die unsinnigsten Dinge zur Belastung der Unglücklichen vorgebracht. Sie gestand, dass sie oft den Psalm 109 bete, aber ohne dabei an bestimmte Personen im Bösen zu denken. Sie sollte aber auch einen „Sachsenspiegel“ haben, durch welchen sie mit Hülfe ihres Buhlteufels, Chim genannt, alles erfahre. Sidonie wusste sich trefflich zu vertheidigen, indem sie die gegen sie zusammengehäuften Anschuldigungen als baaren Unsinn erwies; allein der Schöppenstuhl zu Magdeburg, dem man die umfangreichen Untersuchungsakten zugeschickt hatte, erkannte auf Vornahme der scharfen Frage, worauf die Greisin am 28. Juli 1620 in dem grossen Saale der Oderburg im Beisein des Schlosshauptmanns, des Schultheissen und einiger Gerichtspersonen von dem Scharfrichter entkleidet, auf die Folter gespannt und so lange torquirt ward, bis sie die gewünschten Geständnisse abgelegt hatte. Von der Folter herabgenommen erklärte sie, „sie begehre nicht länger zu leben“, und bat, zum Sterben bereit, den Beistand des Seelsorgers. Viele benachbarte Fürsten legten für die Verurtheilte Fürbitte ein, jedoch ohne Erfolg. Am 19. August 1620 ward sie auf dem Rabenstein vor Stettin erst enthauptet und dann zu Asche verbrannt[114].

In der ReichsstadtNordhausenwar frühzeitig ein milderes Verfahren gegen Hexen heimisch geworden. Am 8. März 1644 waren zwei derselben mit Ausweisung ausder Stadt bestraft worden[115], während in dem benachbartenStolbergnoch am 30. Oktober 1656 eine Hexe enthauptet und verbrannt, und 1657 zwei Bürgerfrauen, die von jener angegeben waren, wegen Umgangs mit dem Teufel etc. ebenfalls auf den Scheiterhaufen gebracht wurden[116].

Unter den Prozessen, welche die eigentliche Natur des Hexenprozesses recht klar aber auch in herzbewegendster Weise erkennen lassen, verdient eine Verhandlung hervorgehoben zu werden, die sich 1629 zuPfalz-Neuburgzutrug[117]. Dort lebte die ehrbare und fromme Hausfrau eines Wirthes Käser, der ehedem die Wirthschaft auf der Trinkstube zu Eichstätt geführt hatte und späterhin nach Rennertshofen übergesiedelt war. Die Frau,Anna Käserin, mag an Schwermuth gelitten haben. Ihr Mann, der sie sehr lieb hatte und während des Prozesses über sie vernommen wurde, erklärte nämlich zu Protokoll: Er könne in Wahrheit wohl sagen, dass seine Frau seit sieben Jahren nie recht fröhlich gewesen. Sie habe zu keiner Hochzeit oder dergleichen Mahlzeiten und Fröhlichkeiten, auch wenn er es ihr befohlen, gehen mögen. Sie habe immer gebetet, gefastet und geweint. Dabei habe sie fleissig gesponnen und dem Hauswesen abgewartet. Zu Eichstätt habe sie alle vierzehn Tage oder längstens alle vier Wochen gebeichtet und communizirt und dann gewöhnlich einen halben Tag in der Kirche zugebracht. — Auf diese Frau hatten nun seit 1620 zwölf verhaftete Hexen und Zauberer bekannt, und die meisten derselben (welche man verbrannt hatte) waren „auf sie gestorben.“ Infolge dessen ward sie im Frühling 1629 verhaftet und nach Neuburg gebracht. Zugleich wurden auf Befehl des Pfalzgrafen alle Winkel ihres Hauses zu Rennertshofen nach Büchsen, Gläsern und Ofengabeln durchsucht; man fand aber nichts. Nun kam der weitere Befehl, die Verhaftetean eine Kette zu legen und an der Wand fest zu machen. Auch sollte zu ihrer Bewachung ihr ein Weib beigegeben werden. Der Mann der Unglücklichen, der sich damals im tiefsten Jammer zu Neuburg aufhielt, erhielt den Befehl, ein Bett für sie bringen zu lassen. Er schrieb daher an seine gefangene Frau folgenden Brief:

„Ehrentugendsame, herzlieber Schatz! Weilen ich noch zu Neuburg und deiner Person halber ein Lieg- und Deckbett und ein Kissen begehrt wird, also bitte ich meinen Schatz, sie wölle mich mündlich wissen lassen, ob ichs allhie oder von Rennertzhoven aus von dem Unsrigen verschaffen solle. Bitte von Gott, er wolle dir Erkenntniss deiner Wissenheit geben. Bist du, o mein Schatz, schuldig, bekenne es, bist du unschuldig, hast eine gnädige Obrigkeit, derer wir, zuvörderst Gottes Huld, und unser kleine Kinder zu getrösten. Seye mit deiner und meiner Geduld dem Schutz Gottes befohlen!“

Neuburg den 19. März 1629.Dein Getreuer, weil ich leb,Georg Keser.„O mein Schatz, sage mit Wenigem,wie ich eine Zeitlang die Haushaltunganstellen solle; und in höchster Bekümmernissdiess.“

An demselben Tage wurde mit der Verhafteten das erste Verhör angestellt. Daher wurde Meister Jacob, der Scharfrichter, nach Neuburg verschrieben und ihr bei einem weiteren Verhör mit Androhung der Tortur an die Seite gestellt. Als sie auch jetzt noch leugnete, wurde sie am 21. Mai abermals verhört, an die Tortur gestellt und auf einen Stuhl gesetzt. Die Marterwerkzeuge lagen vor ihren Augen ausgebreitet. Auch heute leugnete sie, selbst als ihr der Daumenstock angeschraubt worden. Jetzt nahm aber der Scharfrichter die schärfere Tortur vor, und nachdem sie dieselbe eine halbe Viertelstunde ertragen, waren ihre Glieder und auch ihr Muth gebrochen. Sie gestand nun den gewöhnlichen Unsinn. So gestand sie z. B., derBuhlteufel habe ihr am linken Fusse einen Griff angethan, aus welchem alsbald Blut geflossen, mit dem sie sich ihm verschrieben habe. Auch fand der Nachrichter alsbald den Griff vor, der, wie er sagte, bei Hexen ganz gewöhnlich vorkomme. Sie sagte auch, dass sie, wenn sie an einem Erchtag oder Samstag Nachts habe ausfahren wollen, dann habe sie mit der vom Bösen erhaltenen Salbe ihres Mannes Rücken bestrichen, so dass dieser vor ihrer Rückkehr nicht habe erwachen können u. s. w., und gab auch eine Anzahl Mitschuldiger an. Fortgesetzte Folterungen, mit denen die Arme in grässlichster Weise gepeinigt ward, schienen endlich Alles, was man wissen wollte (auch das Geständniss von Mordthaten), aus ihr herausgepresst zu haben, wesshalb das Gericht, um sie zum Tode vorzubereiten, am 13. Juni zwei Geistliche zu ihr schickte. Diesen aber erklärte die Gemarterte sofort, dass alle ihre Geständnisse ersonnen und ihr lediglich durch die schreckliche Folterqual abgepresst wären. Namentlich wären alle die Leute, die sie als Unholde angegeben, durchaus unschuldig. Zugleich bat sie die Geistlichen (deren einer ein Jesuit war), dieses dem Gericht anzuzeigen. Die Geistlichen thaten dieses, und nun ward die Frau alsbald wieder so grausigen Martern unterworfen, dass sie nicht nur ihre früheren „Geständnisse“ wiederholte und bestätigte, sondern jetzt auch erklärte, sie sei vor dem Teufel niedergekniet, habe ihn angebetet und gesagt: „Du bist mein Gott und mein Herr!“ — Vor ihrem letzten Gange aber sprach sie vor den Richtern die Bitte aus, man möchte doch sonst Niemanden verbrennen als sie und man möchte überhaupt „hier im Lande nicht weiter brennen.“ — Am 20. September 1629 ward sodann die Anna Käserin öffentlich vor der Brücke zu Neuburg enthauptet, ihr Leib dann bei dem Hochgerichte zu Asche verbrannt und die Asche ins Wasser geworfen.

Die Erbärmlichkeit des üblichen Gerichtsverfahrens ist so ziemlich aus jedem Hexenprozess zu ersehen, dessen Akten vollständig vorliegen. Den jämmerlichsten Eindruck macht aber die Haltung des obersten Gerichtshofes desheiligen Reichs, wenn dessen Hülfe angerufen ward. Zum Belege theilen wir folgenden, aus den Originalakten entnommenen Fall mit[118].

Im Jahr 1603 hatte eine reiche Bürgersfrau zuOffenburg, Anna Maria Hoffmann, bei der Hochzeitsfeier ihrer Tochter an die unbemittelten Familien der Stadt Suppe, Fleisch und Wein ausgetheilt. Eine Wöchnerin, die von diesen Speisen, wahrscheinlich unmässig, genossen hatte, war bald nachher krank geworden und zehn Tage darauf gestorben. Da die Erkrankte selbst ihr Unglück dem Genusse dieser Speisen beimass, so war schon damals die Hoffmann in das Geschrei gekommen, mit der Suppe Zauberei getrieben zu haben, und hatte es lediglich den klugen Schritten ihres Ehemannes zu verdanken, dass der Magistrat den aufgekommenen Verdacht für grundlos erklärte. Als jedoch fünf Jahre später Rudolph's II. Commissarien der Stadt den Vorwurf allzugrosser Lassheit in der Hexenverfolgung machten, obgleich man binnen neun Jahren auf dem kleinen Gebiete vierundzwanzig Personen justifizirt hatte, kam die Rede auch wieder auf jenes Ereigniss. Mehrere gefolterte Weiber thaten die Aussage und sollen darauf gestorben sein, dass sie die Hoffmann und ihre Tochter oft bei Hexentänzen, Wettermachen, Bocksfahrten u. dergl. zu Gefährtinnen gehabt hätten. Die Mutter rettete sich durch eine schleunige Flucht nach Strassburg; die Tochter aber, an Eberhard Bapst zu Offenburg verheiratetet, ward im Oktober 1608 verhaftet und sogleich mit einem von jenen Weibern confrontirt. Glauben wir den Rathsakten, so ward ihr hier von einem Weibe ins Gesicht gesagt, dass sie beide an etlichen Orten zusammen auf dem Sabbath gewesen; nach einer später protokollirten Versicherung der Bapst jedoch hatte der Stadtschreiber aus einem Buche die zu bekennenden Ereignisse und Lokalitäten vorgelesen und das bettlägerige, in Folge der Tortur kaum der Sprache mächtige Weib nur zur Bestätigungdes Vorgelesenen aufgefordert. Ohne eine Defension zu gestatten, schritt man jetzt gegen die neu Verhaftete mit der Folter vor, und als dieselbe nach dem ersten Grade, um weiterer Pein zu entgehen, sich selbst als Hexe und die Mutter als ihre Lehrmeisterin angab, protokollirte man diese Aussagen alsgütlicheBekenntnisse. Eine Supplik der entflohenen Mutter an das Kammergericht erwirkte indessen unterm 11. Oktober ein Pönalmandat an die Stadt Offenburg, welches die geschehenen Schritte kassirte und dem Magistrate aufgab, hinfort nicht anders als nach den Rechten zu verfahren. Hiergegen erklärte der Rath, jenes Mandat sei durch falsche Vorstellungen erschlichen, sandte einige Protokolle ein, die, obgleich sie den Stempel absoluter Nichtigkeit an sich tragen, doch die Rechtmässigkeit jenes Verfahrens beweisen sollen, und fuhr in dem angefangenen Prozesse fort. Ja er beklagte sich gegen das Kammergericht, dass es ihn in dem vom Kaiser wiederholt gebotenen Wirken hindere: „welchermassen die Röm. Kais. Majestät unser Allergnädigster Herr — — — zu unterschiedlichen Malen durch derselben deputirte Hochansehnliche Commissarios allergnädigst mandirt haben, dass — — — bemeldte Stadt Offenburg bei Höchstgedachter Röm. Kais. Majestät auch hin und wieder verschreit worden, als sollte dieselbe gleichsam ein Asylum der zauberischen Weibspersonen seyn.“ Nach vielfachem Anrufen der Verwandten erfolgte im Dezember 1609 abermals ein Befehl von Speyer, der Verhafteten Abschrift der Indizien, Defension und Zutritt der Angehörigen zu gestatten. Die Mittheilung der Indizien geschah endlich im Januar 1610; dieselben bestehen, die Besagungen der hingerichteten Hexen ausgenommen, sämmtlich aus Dingen, die sich erstnachder Verhaftung undnachder Tortur während eines längst kassirten Verfahrens ergeben hatten, namentlich aus den erfolterten und dann wieder zurückgenommenen Bekenntnissen der Verhafteten selbst. Dennoch rechtfertigte in dem Schlussartikel die Logik des Offenburger Magistrats ausallendiesen Indizien die geschehene Verhaftung und Torquirungseiner Inquisitin. Obgleich nun das Kammergericht diese aus nichtigem Verfahren gewonnenen Anzeigen verwarf, so liess sich doch der Rath in seinem Gange nicht stören. Er schnitt der Verhafteten willkürlich die wirksamsten Vertheidigungsmittel ab, setzte ihren Mann wegen unehrerbietigen Widerspruchs ins Gefängniss, protestirte gegen die Strafandrohungen des Kammergerichts und begehrte sogar die Bestrafung des Gegenadvokaten als Injurianten, weil dieser mit einer Klarheit, gegen welche keine Rechtfertigung aufkommen konnte, die Nichtigkeit des ganzen Handels ans Licht gezogen hatte. Aus dem November und Dezember 1610 liegen noch zwei dringende Suppliken wegen höchster Lebensgefahr der Inquisitin bei den Akten; das Kammergericht gab einen abermaligen Inhibitionsbefehl bei schwerer Strafe und lud den Rath zur Verantwortung vor; doch ein Aktenstück vom 25. Febr. 1611 redet schon von Anna Maria Bapst als einerincinerirtenHexe. Der Prozess spann sich nun vor dem Kammergerichte fort, nicht wegen der Bestrafung des ungehorsamen Magistrats, sondern wegen des Kostenpunkts. Ueber denselben ist noch vom 20. Januar 1612 ein mündlicher, nicht entscheidender Rezess verzeichnet; dann schliesst das Protokoll ohne Bescheid folgendermassen:

Anno 1613. nihil.Anno 1614. Visum 2. Decemb.Reliquis annis nihil.Anno 617.  14. Novemb. 617. Revisum.Expedit. raoe. praeambula.

In demselben StädtchenOffenburgwurden übrigens nicht lange nachher in dem kurzen Zeitraum von 1627 bis 1631 nicht weniger als sechzig Personen als Hexen hingemordet[119]. Noch Grösseres aber leisteten die Hexenrichter in dem kleinen Ysenburgischen StädtchenBüdingen, wo in den Jahren 1633 und 1634 gerade hundertundvierzehn Personen wegen Hexerei sterben mussten. — In der GrafschaftHennebergwurden 1612 zweiundzwanzigund überhaupt in dem Zeitraum von 1597–1676 im Ganzen hundertsiebenundneunzig Hexen verbrannt[120].

Aus dem HerzogthumSachsen-Gothaliegt ein Hexenprozess vor[121], der sich im Jahr 1660 abspielte. Das dabei zur Anwendung gebrachte Verfahren war entsetzlicher Art. Die Inquisitin wurde, nachdem sie schon längere Zeit in Haft gesessen, am 4. September Nachts zwei Uhr in die Torturstube auf dem Erfurter Thurm gebracht. Hier wurden ihr nicht weniger als dreihundertundein Frageartikel vorgelegt, die sie sämmtlich verneinend beantwortete. Daher ward sie morgens um sieben Uhr von dem Gericht, welches sich entfernte, dem Scharfrichter übergeben. Von diesem entkleidet und in üblicher Weise untersucht, wurde sie dann auf die Folter gespannt und bis Nachmittags zwei Uhr torquirt, ohne dass sie ein Geständniss ablegte. „Am selbigen Nachmittage wurde daher mit der Tortur fortgefahren, und obschon der Scharfrichter die Schnüre so scharf angezogen, dass er selbst eine Narbe in die Hand bekam, so fühlte sie doch nichts davon. Als sie hierauf an die Leiter gestellt und an den ihr an dem Rücken zusammengebundenen Händen aufgezogen wurde, schrie sie das eine über das andere Mal, sie sei eine unschuldige Frau, blöckte auch dem Scharfrichter so in die Ohren, dass er vorgab, es werde ihm ganz schwindlig davon. Bald darauf aber stellte sie sich, als ob sie ohnmächtig würde, sagte solches auch, redete ganz schwächlich und schlief endlich gar ein. Als ihr aber der Scharfrichter nur an die Beinschrauben, so er ihr an das rechte Schienbein gelegt, rührte, konnte sie laut genug schreien. Wie sie nun etzliche Male so eingeschlafen, sagte der Scharfrichter, er habe dieses bei gar argen Hexen auch observirt; der böse Feind mache ihnen nur tiefen Schlaf, dass sie nichts fühlen sollten.“ — Diese Angabe des Scharfrichters veranlasste nun eine neue Untersuchung gegen die unglückliche Frau, infolge deren ihrabermals die Folter zuerkannt wurde. Ihrem Vertheidiger gelang es indessen durch rücksichtsloses Aufdecken des von dem Gerichte angewandten unwürdigen Verfahrens, die Inquisitin vor einer abermaligen Tortur zu bewahren, indem der Schöppenstuhl zu Jena sich selbst reformirte und die Inquisitin absolvirte, jedoch aber „zur Vermeidung alles Aergernisses“ die „Amtsräumung“ gegen sie erkannte, welche vonseiten der Regierung noch auf einige andere Aemter ausgedehnt und aller Suppliken ihres Mannes unerachtet streng exequirt wurde.

Gleichwohl zeichnete sich Sachsen-Gotha, welches unter der Regierung einesErnst des Frommen(1640–1675) undFriedrich des Ersten(1675–1691) durch seine weisen und vortrefflichen Einrichtungen fast alle deutschen Lande überragte und ihnen als ein Musterstaat vorleuchtete, auch in der Hexenverfolgung wenigstens dadurch aus, dass nicht nur die Anzahl der Hexenprozesse und der zum Tode verurtheilten Inquisiten weit geringer war als in den Nachbarländern, sondern dass auch schon seit 1680 die Verurtheilungen immer seltener wurden, indem man gar nicht mehr auf Tortur erkannte, sondern nach geschehenem Verhör und Vernehmung der Zeugen die Inquisiten ab instantia entband[122].

Nur in dem am Saum des Thüringer Waldes gelegenen AmteGeorgenthalging es anders her. In diesem damals kaum viertausend Eingesessene zählenden Amte wurden 1652–1700 vierundsechzig Hexenprozesse, und zwar in dem Jahre 1674 allein zwölf, und in den sechs Jahren 1670–1675 zusammen achtunddreissig Prozesse geführt. Der Grund davon lag lediglich darin, dass es sich der damalige AmtsschösserBenedikt Leoin den Kopf gesetzt hatte, um jeden Preis den ganzen Amtsbezirk von allem Hexenwesen gänzlich zu säubern.

Natürlich musste hierbei die Folter das Beste thun[123].Wie man mittelst derselben Geständnisse erpresste, ist insbesondere aus dem von dem Amtskommissär Jacobs zu Gotha (dem wir überhaupt unsere Kunde von den GeorgenthalerProzessen verdanken,)[124]mitgetheilten Prozess gegen die achtzigjährige „Sachsen-Ursel“ zu ersehen[125].

InMünchenwurde 1666 ein siebenzigjähriger Greis mit glühenden Zangen gezwickt und dann verbrannt. Eswird von ihm gemeldet, dass er ein Ungewitter machte, indem er durch die Wolken fuhr, darüber aber nackt zur Erde niederfiel, wo man sich seiner bemächtigte. Die Hostie hatte er siebenmal getreten[126].

InNeissehatte der Magistrat zum Verbrennen der Hexen einen eigenen Ofen bauen lassen, in welchem im Jahr 1651 zweiundvierzig Frauen und Mädchen gemordet wurden[127]. ImFürstenthum Neissesollen im Laufe von neun Jahren über tausend Hexen hingerichtet worden sein, darunter Kinder von zwei bis vier Jahren[128].

InLothringenrühmte sich der HexenrichterNicolaus Remyim Jahr 1697, dass er in diesem Lande binnen fünfzehn Jahren neunhundert Menschen wegen Zauberei auf den Scheiterhaufen gebracht habe[129].

Wie es in dem StädtchenCoesfeldzuging, können wir aus einer von Niesert mitgetheilten Deservitenrechnung des Scharfrichters entnehmen. Es heisst darin unter andern[130]:

Gertruth Niebersviermal verhort worden baven uff den Süstern Tornt,von jeder Torturdrey Rthlr. machet 12 Rthlr.

Den 16 JuliiGertruth Niebersdes Morgens twischen 3 und 4 Slegen dasHaupt abgeslagen, davon mich zukumpt viff Rthlr. Darnach verbrandt worden, daervon mich oech zukumpt viff Rthlr.

Den 18 JulijJohan Specht, anders Dotgrever, uff der Valkenbruggen porten verhort, davon mich zukumpt drei Rthlr.

Den 19 JulijJohan Spechtuff der Valkenbrugger porten verhort worden, davon mich zukumpt drey Rthlr.

Demselbigen ditoGreite Pipersuff dem Wachtorn verhort worden, davon mich zukumpt drey Rthlr.

Den 23 JulijJohan Spechtunder im Süster Torn verhort, davon mich zukumpt drey Rthlr.

Den 2. AugustiJohan Spechterstlichgestrangulerth uff ein Ledder(auf einer Leiter) davon mich zukumpt viff Rthlr. Darnachverbrandtworden, davon mich och zukumpt viff Rthlr. U. s. w.

Es ergibt sich, dass der Scharfrichter in der Regel von jedem Inquisiten 15 Rthlr. bezog. Die ganze Rechnung geht vom Julius bis zum Dezember 1631, betrifft lauter Hexenprozesse zu Coesfeld und beträgt im Ganzen 169 Rthlr.

Besonders arg wurde in den zahllosen kleinenPatrimonialgerichtengehaust. Ein katholisch gewordener HerrChristoph von Rantzowliess 1686 auf einem seiner Güter im Holsteinischen an Einem Tage achtzehn Hexen verbrennen, — wofür er freilich eine Geldstrafe von 2000 Rthlr. zahlen musste[131].

So ging durch die Lande ein Wüthen und Morden der Hexenrichter, dem gegenüber sich kein Mensch mehr seines Lebens sicher fühlte. Es war — etwa die Landesherrn ausgenommen — Niemand, der sich nicht sagen musste, dass auch er vielleicht schon am nächstfolgenden Tage von der Hexenverfolgung erfasst und in den Abgrund eines Hexenprozesses hinabgestürzt würde.

Ein sächsischer ArztVeith Pratzelhatte (um 1660) zum Oefteren beim fröhlichen Trunk im Scherz davon gesprochen, dass er, was die Hexen thäten, auch fertig zu bringen wisse, dass er in Passau sich habe „festmachen“ lassen[132]und hatte einst sogar vor den staunenden Augen der Anwesenden zwanzig Mäuse (die er bei sich versteckt hatte) gemacht. Die Folge davon war, dass er allgemein als Zauberer galt, eingezogen, durch die Folter zum Geständniss gebracht und verbrannt wurde. Zum Schluss der Tragödie wurde aber auch noch beschlossen, die beidenKinder des Unglücklichen, welche zweifelsohne schon in die Hexerei eingeweiht wären, in einer Badewanne sich zu Tode bluten zu lassen. Das Gericht bezog sich dabei auf einen Ausspruch des Bodinus, nach welchem alle, die mit dem Teufel einen Bund schlössen, vor Allem die Pflicht übernähmen, dem Teufel ihre Kinder, sobald sie geboren wären, zuzueignen. — Als der unglückliche Vater vor dem Gange zum Scheiterhaufen noch einmal die Kinder zu sehen wünschte, ward ihm vom Scharfrichter eröffnet, dass sie bereits todt wären[133]. — Der grosseKeppler, der sich zu wissenschaftlichen Zwecken in Regensburg aufhielt, musste eiligst nach Wyl im Württembergischen reisen, um seine Mutter zu retten, die als Hexe hingerichtet werden sollte[134].

Ein grausiges inneres Erbeben erfüllte daher damals die Gemüther von Millionen in Deutschland. Denn zu dem Schrecken, den die fortwährend jeden Einzelnen bedrohende Hexenverfolgung hervorrief, kam noch die Angst und Furcht vor dem geheimen Treiben der Hexen, die hin und wieder die frappantesten epidemischen Erscheinungen hervorrief. Zu Calw im Württembergischen wurde im Jahr 1673 namentlich die Jugend von einer solchen Epidemie erfasst. Kinder von sieben bis zehn Jahren gaben vor, nächtlicher Weile auf Gabeln, Böcken, Geisen, Hühnern, Katzen in Hexenversammlungen entführt zu werden, wo sie die heil. Dreieinigkeit verleugnen und mitessen und trinken müssten. „Die armen Kinder selbst sind voll Schrecken und Angst, besonders in der nächtlichen Finsterniss und Einsamkeit, beten selbst und flehen zum Theil bisweilen, man solle für sie beten. Man hat aber durch fleissiges Bewachen und Hüten der Kinder in vielen Nächten wahrgenommen, dass wahrhaftig ihr Leib nirgends hinweggeführt wird, sondern im Bett oder auch im Schooss und in den Armen der Eltern und wachender Anverwandten liegen bleibt, beieinem Schlaf, der bei einigen ganz natürlich scheinet, dass man sie leicht erwecken kann, bei anderen aber einer harten Erstarrung ähnlich ist, dabei auch etwa die Glieder derselben erkalten.“ — Eine aus Juristen und Theologen zusammengesetzte Commission untersuchte die Sache, und — verurtheilte eine alte Wittwe mit ihrem Stiefenkel zum Tode und verwies mehrere andere aus der Stadt, wonach endlich wieder allmählich sich Alles beruhigte[135].

Die Hexenprozesse von der zweiten Hälfte des sechszehnten bis zum Ende des siebenzehnten Jahrhunderts ausserhalb Deutschlands.

InUngarntreten Hexenprozesse erst seit dem zweiten Jahrzehent des siebenzehnten Jahrhunderts hervor[136]. Es wurde nämlich nach dem Zeugniss des gleichzeitigen Kronstädter Stadtpfarrers Markus Fuchs in Ungarn um 1615 eine grosse Menge von Hexenmeistern und Hexen verbrannt, weil sie den Willen gehabt haben sollten, durch ihre Teufelskünste ganz Ungarn und Siebenbürgen mittelst Hagelschlags zu verderben. Ueber die Entdeckung des Vorhabens wird Folgendes berichtet: Ein zehn- bis zwölfjähriges Mädchen ging mit ihrem Vater in den Weinberg, und da er über die anhaltende Dürre klagte, so sprach sie zu ihm, sie könnte, wenn er es wünschen sollte, leicht Regen, ja auch Hagel machen. Als sie nun der Vater fragte, woher sie dieses gelernt habe, nannte sie ihre eigene Mutter als ihre Lehrmeisterin und liess auch augenblicklich ein schreckliches Unwetter über den elterlichen Weinberg hereinbrechen, wobei nach dem Wunsche des Vaters die Grundstücke der Nachbarn ganz verschont blieben. Der Vater aber zeigte die Sache dem Gerichtan, infolge dessen Mutter und Tochter in Haft genommen und, nachdem sie eine Menge Mitschuldiger genannt hatten, justifizirt wurden. „Die Sache war von höchster Gefährlichkeit,“ setzt der Berichterstatter hinzu, „weil, wenn man sie nicht entdeckt hätte, in kurzer Zeit von den Früchten und Reben in Ungarn und Siebenbürgen nichts übrig geblieben wäre.“

Um dieselbe Zeit waren die Hexenprozesse auch inSiebenbürgen, imSachsenlandein Gang gekommen. Im Allgemeinen war das Gerichtsverfahren in Ungarn (wo die Hexen ihren Hauptversammlungsort auf dem St. Gerhardsberg bei Ofen hatten) und in Siebenbürgen dasselbe wie in Deutschland; doch fehlte es nicht an charakteristischen Eigenthümlichkeiten. — In Ungarn nannte man die Hexen (lateinisch): Ligantes, Albae mulieres, Xurguminae, Bruxae, in Siebenbürgen: Tridler, Truden, Hundsart, zauberischer Donnerschlag (welcher letzte Ausdruck auf den heidnischen Donar hinweist). Sie versammelten sich in Siebenbürgen in einem wüsten Hof, auf einem Berg, Wasen, im Pfefferland etc. An manchen Orten kamen verschiedene Gesellschaften von Hexen (Compagnien, eigene Arten derselben) zusammen, mit Trommel und Geige. Die letztere führt der „Trudengeiger“, Er sitzt, wie der Spruch „trudegëger bûmstëger“ beweist, auf einem Baum, auch wohl auf dem Brunnenschwengel und bewahrt sein Instrument in einer Nussschale. — Die Hexen können den Menschen schädigen an Allem, was er hat. Doch ist in den sächsischen Hexenprozessen selten der Beschädigte der Ankläger, sondern der Verdächtige wird moralisch gezwungen, den Prozess selbst anhängig zu machen. Fast alle Hexenprozesse sind hier in ihrer Entstehung Injurienprozesse und gestalten sich erst im Verlaufe der Verhandlungen zu einem peinlichen Rechtsstreit aus. Allgemein aber gilt noch der germanische Rechtsgrundsatz: „wo kein Kläger, da kein Richter.“ Der Hexenprozess ist im Sachsenlande kein Inquisitionsprozess, sondern es herrscht hier noch im ganzen siebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert das alte Verfahren, so dass hier auch von keinem Fiskaldie Rede ist. — Zur Klage selbst wurde der Verdächtige gedrängt entweder durch die vom Pfarrer (wegen ausgesprochenen Verdachts des Teufelsdienstes) verhängte Excommunikation oder durch die Nachbarschaft. Hatte Jemand einen Anderen im Verdacht der Zauberei, so redete er ihn desshalb vor Zeugen und öffentlich an („du Trud! du zauberischer Donnerschlag!“), oder er sandte zwei Nachbarn zu ihm, mit der Aufforderung, den angerichteten Schaden wieder gut zu machen oder die Kriminalklage zu gewärtigen. Diese Aufforderung durfte nicht unberücksichtigt bleiben. Es musste entweder die Versöhnung erfolgen oder der Beschimpfte musste sein „Recht suchen“. Geschah keins von beiden, so schloss der Pfarrer den Betreffenden von der Communion und die Nachbarschaft schloss ihn von Feuer und Wasser aus, womit ihm alle bürgerliche Ehre und aller Glaube entzogen war. Scheiterte die Versöhnung an der Hartnäckigkeit der einen oder andern Partei, so musste der Beschimpfte vor dem „sitzenden Gericht“, vor Königs- und Stuhlrichter erscheinen und gegen seinen Beleidiger einen Injurienprozess anhängig machen. Dieses geschah an dem von dem Gericht anberaumten Tage anfangs nur mündlich, im achtzehnten Jahrhundert auch schriftlich. Die Beschimpfung wurde von dem Beklagten ganz gewöhnlich eingestanden und der Beweis angeboten. Nach einer fünfzehntägigen Exmission wurden die Zeugen von dem Angeklagten vorgeführt, und nur wenn die zuerst vorgeführten das Verbrechen nur „scheinbar“ gemacht hatten, wurde eine Frist zur Herbeiführung neuer Zeugen gestattet. War das Verbrechen nicht scheinbar gemacht oder war es erwiesen worden, so wurde alsbald das Urtheil gefällt. — In der Regel häuften die Zeugen allen Wust des allgemeinen Geredes und des Aberglaubens auf den unglücklichen Kläger, der sich nun plötzlich als Angeklagten dastehen sah. — War dann durch das Verhör dem Verdacht „ein Schein gemacht“, so war das Gericht in der Sache, weil sie „den Hals und Bauch anging“, nicht mehr zur Fällung des Urtheils competent, wesshalb es das ganze bis dahin geführteProtokoll „ad majorem causae dilucidationem et discussionem“ dem „Rath“ als der mit dem Blutbann betrauten Behörde übersandte, der dann sofort zur Verhaftung und Haussuchung schritt. Die Gegenstände, die bei der letzteren als verdächtig auffielen (Scherben, Töpfchen, in denen sich „Geschmier“ nachweisen liess, ein Strohwisch im Stall, ein Federwisch u. dgl.) wurden dem Rath übergeben. Da nun diese Dinge einerseits ohne Weiteres „ein gewisses specimen Magicae artis“ ergaben und die Beklagten doch nicht eingestehen wollten, dass sie dieselben zu Zaubereien gebraucht hätten, und da man andererseits in den Hexenprozessen nur nach „gichtigem Mund“ d. h. nach dem Geständniss des Angeklagten verurtheilen konnte, so schritt man, um dieses zu erhalten, gewöhnlich zu dem Gottesurtheil der Wasserprobe oder des Hexenbads, — das in Ungarn schon von den Zeiten des heil. Ladislaus her üblich war. Diese Wasserprobe ist — Dank der Geschicklichkeit der siebenbürgischen Scharfrichter! — allemal zum Nachtheil der Angeschuldigten ausgefallen. Doch hat es zahlreiche Fälle gegeben, in denen die Probe — gewöhnlich die „Schwemmung“ genannt — nicht zum Geständniss führte. In diesem Falle ging's mit der „geschwemmten“ Person alsbald zur — Folter. Hatte man mit derselben das gewünschte Geständniss erpresst, dann wurde unter Mitwirkung aller Glieder des Raths das Urtheil gefällt, und zwar — da das sächsische Statutarrecht keine speziell für Hexerei bestimmte Strafe enthielt — nach dem kaiserlichen Recht, das in diesen Fällen zur Ergänzung des Landrechts verwendet ward. Im siebenzehnten Jahrhundert ward in der Regel auf Feuerstrafe, später zum Oefteren auf Hinrichtung mit dem Schwerte erkannt. Jetzt erst kam die Geistlichkeit mit dem Prozess in Berührung, indem ein Geistlicher die Verurtheilten zur Richtstätte begleitete. Auf derselben angekommen, forderte ein Beamter die Verurtheilten auf, nochmals die Wahrhaftigkeit und Freiwilligkeit der gemachten Geständnisse zu bekennen und die Mitschuldigen anzugeben. Auf diesem Wege wurde oft eine ganze Reihe von Personen, die sich desbesten Rufes erfreuten, der Hexerei verdächtig. Zuweilen geschah es auch, dass wer bei der Wasserprobe oder bei der Hinrichtung seine Theilnahme für die unglückliche Hexe etwas allzulaut aussprach, dadurch selbst in Verdacht kam. So wurde, als man am 26. November 1650 zu Reps in Siebenbürgen zwei Männer schwemmte, auch ein Dritter „auf Verdacht probiret.“ Nun ging derselbe zwar im Wasser unter, aber er wurde doch, „weil er zuvor viel unnützlich geredet“ nur gegen sichere Bürgschaft (von 80 fl.) freigegeben[137]. —

Im Umfange der heutigenSchweizhatte sich im Jurisdictionsgebiet des Bischofs vonLausanneder Hexenprozess aus dem Ketzerprozess so entwickelt, dass hier die Versammlungen der Hexen durch das ganze sechszehnte und siebenzehnte Jahrhundert hin ganz ebenso wie weiland die der Ketzer allgemein mit dem Namen „Sekte“ bezeichnet wurden. Doch liegen über den Beginn der Hexenverfolgung erst von 1580 an Nachrichten vor. Damals kam in dem Neuchateler Val-de-Travers ein Hexenprozess vor, dem in den Jahren 1581, 1585 und 1586 andere Prozesse nachfolgten. Doch traten dieselben bis zum Jahr 1607 immer nur vereinzelt hervor. Erst seit diesem Jahre kam die Seuche der Hexenverfolgung, immer grausiger anwachsend, zum Ausbruch[138]. Allein in der Grafschaft Valangin fanden in den Jahren 1607–1667 achtundvierzig Hexenprozesse statt. Allein im Jahr 1619 wurden in Valangin zehn Hexen verbrannt. In einem der kleinsten der neun Gerichtsbezirke des Neuchateler Landes, in Colombier, verbrannte man in den beiden Jahren 1619 und 1620 dreizehn Hexen und Zauberer. Der Kastellan von Thielle liess in seinem winzigen Gerichtsbezirk 1647 in zwei Monaten elf, im November 1665 zehn Hexen verbrennen[139]. Am entsetzlichsten wüthete hier die Hexenverfolgungim Jahr 1685[140]. Damals wurden in Thielle auf Befehl des Kastellans am 13. Nov. zwei, am 18. Nov. drei, am 24. Nov. fünf Zauberer und Hexen verbrannt. — In anderen Landestheilen mag es indessen nicht viel besser hergegangen sein.

Das Prozessverfahren war ein sehr summarisches. Vom Tage der Einziehung einer Verdächtigten bis zur Vollstreckung des Urtheils dauerte es in der Regel nur zehn bis zwölf Tage; dann war Alles vorbei. Die Tortur wurde, wie es scheint, in der Regel in jedem Prozesse nur Einmal angewandt, wobei es aber doch an Grausamkeiten aller Art nicht fehlte. In der Grafschaft Valangin kam der Fall vor, dass ein Richter eine auch unter den furchtbarsten Martern ihre Unschuld behauptende Inquisitin, über diese „Hartnäckigkeit“ aufgebracht, in ihrem Kerkerloch einmauern liess[141].

Das Urtheil des Gerichts, welches regelmässig auf lebendige Verbrennung lautete, musste der obersten Landesbehörde zu Neuchatel zur Bestätigung vorgelegt werden. Von dieser wurden die Verurtheilten gewöhnlich zur Erwürgung auf oder neben dem Scheiterhaufen begnadigt. — Die Exekutionen — welche in Neuchatel vor der Schlossterrasse stattfanden — galten als Volksschauspiele, zu denen regelmässig viele Tausende zusammenströmten. Den Schluss des ganzen Akts bildete regelmässig eine solenne Schmauserei[142], an welcher das gesammte Gerichtspersonal und Andere (z. B. auch der Schulmeister, welcher die Glocken geläutet hatte,) Theil nahmen. Nur die Henkersknechte speisten an einem besonderen Tisch.

Im KantonBernhatte sich allmählich die Praxis herausgebildet, dass gegen die „Hexen“ ganz nach den Regeln des Hexenprozesses verfahren, das über die schuldig Befundenen gefällte Urtheil jedoch von dem Berner Rath in eine mildere Strafe umgewandelt wurde. So kamenz. B. im Jahr 1651 von zweiundfünfzig Todesurtheilen nur drei zu strenger Vollziehung.

In dem genannten Jahre gaben indessen einige im Waadtlande vorgekommene Fälle zu einer neuen, humaneren Regelung der Hexenprozesse Anlass[143]. Der Kastellan von Molondin hatte vier Geschwister Petrognet auf einfache Anzeige hin einkerkern, durch den Henker visitiren lassen und ihnen, obgleich sich nichts wider sie ergab, die Kosten für beides abgefordert. Die vier Geschwister führten darüber in Bern Beschwerde, infolge dessen der Gerichtsbeamte selbst verhaftet, und da es sich herausstellte, dass sowohl er als sein Gerichtsherr sich Ungebührliches erlaubt, beide zum Tragen der Kosten und zur vollen Entschädigung der Misshandelten verurtheilt wurden. Aehnlich erkannte der Berner Rath kurz nachher über Etienne und Françoise Borbosa von Lonay, welche ihre Unschuld durch standhaftes Ertragen der Folter erwiesen, die Freilassung und zwar so, dass die Gerichtspersonen wegen ungebührlichen Gebrauchs der Folter die Kosten zu tragen hatten. Dieser letztere Fall insbesondere veranlasste nun den Rath das bestehende prozessualische Verfahren aufs Neue zum Gegenstande der ernstlichsten Erwägung zu machen, wobei sich schliesslich zwei Fragen als die für das ganze Prozessverfahren massgebenden Gesichtspunkte herausstellten, nämlich 1) ob auf das am Leibe einer Eingezogenen vorgefundene Stigma soweit zu fussen wäre, dass auf Grund desselben alle Marter angewendet werden möchten, und 2) ob eine Anzeige, dass zwei oder mehrere Personen an hellem Tage über Hexensachen sich unterhalten und verabredet, zum Einschreiten einen gültigen Grund abgeben könnte. Beide Fragen wurden alsbald den verschiedensten wissenschaftlichen Auctoritäten, namentlich den medizinischen Fakultäten zu Bern und Basel, der Juristenfakultät und dem Convente der Stadtgeistlichen zu Bern zur gutachtlichen Aeusserungvorgelegt. Die Antworten, welche der Rath auf seine Anfrage erhielt, lauteten von allen Seiten her verneinend. Namentlich erklärte sich in diesem Sinne auch der Convent der Stadtgeistlichen, dem insbesondere die Weisung zugegangen war, die Fragen theologisch nach der h. Schrift zu prüfen und sich darüber auszusprechen, „ob nicht auch in diesen beiden Stücken die arglistige Einmischung und Verblendung des Satans mit unterlaufen könnte.“ Das Responsum der Berner Prediger repräsentirt einen Höhegrad von Intelligenz und Freimüthigkeit, der damals — im Jahr 1651 — nur selten wahrzunehmen war. Die Prediger antworteten nämlich nicht allein auf beide Fragen mit dem entschiedensten Nein, sondern suchten in ihrem Gutachten auch die socialen und kirchlichen Uebelstände nachzuweisen, in denen die Krankheit der Hexerei wurzele, und die Mittel, durch welche sie geheilt werden müsse. Die Prediger klagten darüber, dass die Bestellung der weltlichen Aemter mehr nach Gunst als nach Kunst geschehe, dass deren Inhaber wohl an ihren Eigennutz aber nicht an die Bestrafung der Laster dächten, und dass sie vorkommende Streitigkeiten, statt sie in Minne abzuthun, lieber zu Hass und Rachgier erwachsen liessen, zu deren Befriedigung dann oft Hülfe bei dem Satan gesucht würde. Nicht minder schlecht stünde es um den Kirchendienst, da nicht selten Ein Prediger zwei oder drei Gemeinden versehen und darob die Unterweisung der Jugend verabsäumen müsste. Zudem wären die Prediger zum Theil ungelehrt, untauglich, fahrlässig, mitunter sogar ärgerlich im Wandel, wodurch dem Satan und dessen Geschworenen Thor und Thür geöffnet würde. Auch die Schulen, vor Allem die Dorfschulen, befänden sich im übelsten Zustand. Bei allem Eifer der Obrigkeit wären doch die Leute gegen die Schule zu karg, die Eltern gegen ihre Kinder zu schwach, so dass viele Kinder nicht einmal beten könnten. Dazu käme die ungetreue Verwaltung der Aemter und Güter, die übergrosse Toleranz gegen Gaukler, Wahrsager, Versegner, Hausirer mit Bildern, Kreuzen und geweihten Wurzeln, Quacksalber, Gespensterbanner undGeisterbeschwörer, „deren nicht weit von der Stadt sind und geduldet werden“, und viel anderes „loses Gesindlein, welches, wenn es nicht einen Bund hat mit dem Teufel, so ist es doch nicht weit davon.“ Endlich wird noch als Grund und Anlass der Hexensünden hervorgehoben die Unwissenheit des Volkes über Gott und Gottes Wort, der Unglaube, die Ungeduld unter dem Kreuz, der Geiz, Neid, die Hoffart und andere Leidenschaften, der Umgang mit schlechten Personen, die Ausschweifungen in der Jugend, das gegenseitige Verfluchen und Verwünschen, und „dass man fleissiger in den Zauberbüchern und anderen brotlosen Künsten liest als in der Bibel.“ — Als wesentlichstes Heilmittel gegen das arge Unwesen der Hexerei wird bezeichnet: die christliche Wachsamkeit. Dieselbe soll sich so bethätigen, „dass die verdächtigen Personen und Beklagten mit mitleidigem Ernst erforscht werden, nicht alsbald mit der peinlichen Tortur durch die Scharfrichter, welche zu Zeiten blutdürstige Leute sind und mit Künsten umgehen, dadurch sie einen Teufel mit dem anderen sich unterstehen zu fahen; sondern durch gelehrte und erfahrene Männer, die aus Gottes Wort mit ihnen nach einem eifrigen Gebet reden, ob sie zum freien Bekenntniss ihrer Missethat und herzlicher Begierde, aus den Klauen des höllischen Löwen erledigt und hingegen des himmlischen und seligen Lebens theilhaftig zu werden mögen bewegt werden.“ Ganz besonders aber dringen die Geistlichen darauf, dass die Geständnisse der Angeschuldigten auf das sorgfältigste zu prüfen seien, „ob nämlich das (von ihnen) Bekannte möglich oder unmöglich den Unholden, oder ihrem Meister, — item an denen Orten oder Personen oder Gütern, die geschädigt worden seien, es (wirklich) geschehen sei oder nicht.“ Ausserdem wird auch verlangt, dass die Predigten sich nicht in Dunkelheiten der Dogmatik oder Fragen der Polemik verlieren, sondern dass in apostolischer Einfalt und der Fassungskraft der Zuhörer gemäss zu denselben geredet werde, und dass ebenso der Schulunterricht in einer der Jugend wirklich fruchtbringenden Weise ertheilt werde.

Dieses war das ernste und weise Wort, welches die Berner Geistlichkeit dem Rathe übersandte. In demselben war allerdings ebenso wie in den Gutachten der medizinischen und juristischen Fakultäten der Glaube an die Möglichkeit des Teufelsbundes und der Hexerei festgehalten, aber der bisherigeHexenprozesswurde doch in seinen Grundlagen erschüttert. Unmöglich konnte es daher in der bisherigen Weise weiter fortgehen, was namentlich der Berner Rath recht wohl einsah. Zur Berathung eines neuen Prozessverfahrens wurde alsbald eine Commission niedergesetzt, welche bedeutet ward, dass einerseits auf die Vorschläge der Geistlichkeit zur Entfernung öffentlicher Missstände und zur religiös-sittlichen Hebung des Volks Bedacht genommen, andrerseits über die Zeichen, ob sie zur Vornahme der Tortur genugsam seien oder nicht, ein Vortrag abgefasst und die alte Ordnung revidirt vorgelegt werde. In der Zwischenzeit gebot man den welschen Amtleuten (14. November 1651) vorläufig bei Verhaftungen wegen Hexerei keinerlei Tortur anwenden zu lassen, sondern in jedem Falle umständlich einzuberichten und den Bescheid zu gewärtigen, auch auf die Angebungen wegen gehaltener Gespräche u. dgl., es sei bei Tage oder bei Nacht, als auf teuflische Illusion keine Rücksicht zu nehmen. Unter dem 29. Dezember 1651 wurde dann die durchgesehene und mannigfach verbesserteProzessordnungveröffentlicht. Nach derselben sollten vage Anzeigen von Verhafteten, angebliche Abreden zum Bösen gar nicht mehr in Betracht kommen. Nur in Fällen von besonderer Wahrscheinlichkeit soll eine Voruntersuchung über die Umstände der gesprochenen Worte und den Leumund des Betreffenden stattfinden, ein weiteres Vorgehen dagegen erst auf obrigkeitlichen Befehl. Betrifft jedoch die übereinstimmende Anzeige zweier Personen eine begangene Missethat, so sei mit Verhaftung, Confrontation und Besichtigung einzuschreiten, zugleich aber die geschehene Thatsache der Vergiftung von Menschen oder Thieren in sichere Erfahrung zu bringen. Erst in dem Falle, wenn dieses sich wirklich ergebe, die Anzeiger überdies beständig bleiben,der Leumund nachtheilig laute und der Beklagte dessenungeachtet kein Bekenntniss ablege, dürfe man zur „ziemlichen“ Folter schreiten, über deren Ergebniss sodann wieder berichtet werden solle. Dieselbe wird indessen auf das Anhängen eines Gewichts von höchstens hundert Pfund mit nur dreimaligem Aufziehen beschränkt und dabei wird die gebührliche Rücksichtnahme auf persönliche Umstände zur Pflicht gemacht.

Ausserdem übersandte der Berner Rath das Gutachten des Convents auch der waadtländischen Geistlichkeit zur berichtlichen Aeusserung zu, die zwar nicht die Unabhängigkeit und Freiheit des Urtheils besass, durch welche die Berner hervorragten, dasselbe aber doch im Wesentlichen billigte.

Die Frucht aller dieser Verhandlungen trat bald in mancherlei Weise zu Tage. Sogleich auf die letzte Verordnung der Regierung hin zeigt sich in den Rathsmanualen eine auffallend grössere Sorgfalt bei der Prüfung der eingehenden Prozessverhandlungen, die auch öfters als ungenau und mangelhaft zurückgewiesen werden. Anstatt sofort zur Tortur zu schreiten, wird es üblich, dass zwei Geistliche den stark Verdächtigen zum Bekenntniss der Wahrheit zu bewegen trachten sollen. Mehrmals gibt man die Frage zu bedenken, ob nicht Melancholie d. h. Geisteskrankheit überhaupt sich annehmen lasse. Gerichte, die leichtfertig und willkürlich vorgingen, erhielten scharfe Verweise, mussten die Gefangenen augenblicklich in Freiheit setzen, und zwar, was wohl ihren allzu raschen Eifer in Etwas dämpfen sollte, ohne Vergütung der Kosten. Der vorgekommene Fall, dass ein Angeklagter auf das gefundene Stigma hin grausam gefoltert, nachher aber kein Stigma mehr an ihm zu entdecken war, gab den warnenden Beweis, wie leicht man sich in dieser Sache irren und Unschuldige misshandeln könne, was zur Aufstellung einer Anzahl darauf bezüglicher Vorschriften führte. Die Besichtigung sollte demnach durch Sachverständige am hellen Tage und an einem hellen Orte geschehen, über das Ergebniss eidlich referirt,jedoch nichts protokollirt werden, man habe denn das Zeichen zum dritten Male geprüft[144]. So suchte man wenigstens im Einzelnen zu bessern, so lange man noch nicht mit dem Ganzen aufzuräumen wagte.

Allerdings währten die Prozesse noch geraume Zeit fort; selbst die Frau des Pfarrers Mader von Kappelen wurde zu Erlach als Hexe enthauptet, und im Jahr 1665 kamen im Waadtland noch vierundzwanzig Hinrichtungen vor. Zu Carouge wurde damals (16. März 1665) sogar ein eigener Hülfsgeistlicher zur „Hintertreibung des Satans“ angestellt. Allein mit dem Jahre 1680 verschwinden dieTodesurtheile, mit denen man bisher die Hexerei bestraft hatte, aus den Berner Rathsmanualen gänzlich. Die Hexenverfolgung dauerte zwar noch eine Weile fort, allein man erkannte jetzt nur auf Geld- und Freiheitsstrafen.

Im KantonZürichwurde zum ersten Mal eine Unholdin 1654 verbrannt, worauf 1660 in Stein vier Hexen erst mit dem Schwerte hingerichtet und dann verbrannt wurden, unter ihnen eine fünfundsiebenzigjährige Frau, die bis dahin im Rufe grosser Frömmigkeit gestanden hatte. Aus dem Jahr 1666 wird von einem Metzger Kramer aus Zürich berichtet, dass derselbe, als teuflischer Künste verdächtig, zur Ermittelung etwaiger Hexenmale am ganzen Leibe geschoren worden sei[145].

Unter denenglischenProzessen jener Zeit hat der von Warbois (1593) einige Berühmtheit erlangt, weil er eine Stiftung veranlasste, nach welcher jährlich ein Studiosus der Theologie im Collegium der Königin zu Cambridge gegen eine Belohnung von vierzig Schillingen einen Vortrag über die Hexerei zu halten hatte. Das Ganze war durch das Gerede von Kindern angegangen, die halb aus thörichter Einbildung, halb aus Bosheit von den abgesandten Geistern eines alten Weibes geplagt zu werden vorgaben. Die Alte ward verhaftet, zum Geständnissgebracht und von den Geschworenen sammt ihrem Ehemanne und ihrer Tochter, welche indessen jede Schuld standhaft leugneten, in Huntingdon zum Tode verurtheilt[146].


Back to IndexNext